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WIDEXPRESS
Nr. 22
Februar 2010
Übersichtsartikel:
Hanne Pernille Andersen, M.A., PhD,
Audiologische Forschung und Kommunikation, Widex
Das Zen-programm von Widex
Ein neues Programm für Hörsystem-Träger, das die Entspannung und Konzentration fördert
und Ablenkung von Störeinflüssen bietet
Kurzüberblick
Hörgeschädigte sind weitaus stressanfälliger als Normalhörende. Weil Musik den Stress reduzieren kann,
dem viele Hörgeschädigte ausgesetzt sind, steht in dem
First-Class-Hörsystem mind440 von Widex ein Hörprogramm zur Verfügung, das es dem Hörsystem-Träger
ermöglicht, aus einer Reihe unterschiedlicher Melodien
auszuwählen.
Im Allgemeinen sind sich die Forscher einig, dass Musik die Fähigkeit beeinflussen kann, bestimmte Aufgaben auszuführen, beispielsweise indem die Musik unerwünschte und störende Hintergrundgeräusche überdeckt.
Die positiven emotionalen und psychologischen Auswirkungen von Musik sind in der Fachliteratur ausführlich dokumentiert. Die meisten Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass Musik Stress abbauen und zu Beruhigung,
Entspannung und Wohlbefinden beitragen kann. Um diesen Effekt zu erzielen, muss die Musik jedoch schlicht und
rein instrumental sein und darf sich nicht wiederholen.
Von dieser Erkenntnis inspiriert hat Widex das Zen-Programm entwickelt – ein harmonisches Klangprogramm,
das auf der Fraktal-Technologie basiert und eine Auswahl
an beruhigenden Klängen bietet.
Zwei Studien haben die Zen-Melodien auf ihr Potenzial
hin untersucht, die Entspannung und Konzentration bei
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Menschen mit Hörminderungen zu fördern. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die Zen-Melodien
einem Großteil der Schwerhörigen von positivem Nutzen
sein können.
Musik oder Breitbandrauschen können in Kombination
mit einer Beratung auch zur Behandlung von Tinnitus
eingesetzt werden. Aus diesem Grund wurde auch ein
Zen-Stil mit Breitbandrauschen in das Zen-Programm
aufgenommen, das in Verbindung mit einer Beratung als
zusätzliches Mittel zur Behandlung von Tinnitus dienen
kann.
Die stressbedingten Folgen einer Hörminderung
Studien belegen, dass sich Hörminderungen sehr häufig
negativ auf das körperliche und emotionale Wohlbefinden der Betroffenen auswirken (z. B. Dalton et al. 2003,
Fellinger et al. 2007). Die jeweiligen Reaktionen variieren von Fall zu Fall, aber viele hörgeschädigte Menschen erfahren, bedingt durch ihren Hörverlust, psychologische und körperliche Beeinträchtigungen. Die
sozialen Auswirkungen von Hörminderungen manifestieren sich beispielsweise darin, dass bestimmte Personen oder Situationen gemieden werden. Zu den psychologischen Folgen zählen u. a. Verlegenheitsgefühle,
Konzentrations­schwierigkeiten, Angst, ein geringes
Selbstbewusstsein und Unsicherheit. Negative körperliwidexpress
1
che Beeinträchtigungen sind, um nur einige Beispiele zu
nennen, Müdigkeit oder Erschöpfung, Kopfschmerzen,
muskuläre Verspannungen, Schlafstörungen und erhöhter Stress.
Da der erhöhte Stresspegel vornehmlich durch die zusätzlichen Energien verursacht wird, die Schwerhörige
in das Hören investieren, hat Widex ein neues Hörprogramm zur Förderung der Entspannung und Konzentration entwickelt. Dieses Hörprogramm, das im mind440
Hörsystem zur Verfügung steht, macht sich die für Menschen entspannende und konzentrationsfördernde Wirkung von Musik zunutze.
Der Einfluss von Musik auf die Fähigkeit zur
Entspannung
Betrachtet man, wie Musik im Laufe der Geschichte zu
Entspannungszwecken verwendet wurde, wird eines
­offensichtlich: Die Fähigkeit von Musik, Entspannung
hervorzurufen, ist seit Jahrtausenden bekannt.
So spielte Musik in zahlreichen Kulturen im Altertum und
Mittelalter eine wichtige Rolle bei der Behandlung von
Krankheiten. Wir wissen heute, dass Musik im antiken
Griechenland zu Heilungszwecken verwendet wurde
und dass im arabischen Kulturraum Streichmusik zusammen mit den von Springbrunnen erzeugten Klängen ein
wesentlicher Teil des Ambientes von Krankenhäusern
und Therapiezentren war (Mornhinweg 1992, Musica Humana 2007).
baut, den Patienten durch einen Krankenhausaufenthalt
erfahren, und die Menge an benötigten Schmerzmitteln
reduziert (Musica Humana 2007).
Die Fähigkeit von Musik zur Verbesserung der
Konzentration
Die Fähigkeit von Musik zur Verbesserung der Konzentration war ebenfalls Forschungsgegenstand einiger
Studien. Man hat sich beispielsweise damit beschäftigt,
den Einfluss von Hintergrundlärm auf die individuelle
Leistungsfähigkeit bei verschiedenen kognitiven Aufgaben zu untersuchen. Erwartungsgemäß hat sich gezeigt,
dass Hintergrundgeräusche eine Ursache für Stress sind
und Konzentration sowie Produktivität negativ beeinflussen (Furnham & Strbac 2002). Diese Erkenntnis ist
von besonderem Interesse für Firmen mit Großraum­
büros, da der wesentlichste Vorteil dieses Konzeptes –
d. h. die Möglichkeit der unbehinderten Kommunikation
– sich auch als dessen größter Nachteil erwiesen hat. Es
wurden verschiedene Vorschläge gemacht, um dieses
Problem zu lösen und die Produktivität sowie das Konzentrationsvermögen der Betroffenen in solchen Umgebungen zu erhöhen, u. a. durch Ummöblierung, Verdeckung (Maskierung) der Hintergrundgeräusche durch
Rauschen und den Einsatz von Hintergrundmusik (Loewen & Sudfeld 1992, Furnham & Strbac 2002, Banbury &
Berry 1998, 2005).
Wichtige Merkmale entspannungsfördernder Musik
In der modernen Medizin, in der Genauigkeit und Messbarkeit im Mittelpunkt stehen, ist dieses Wissen allerdings praktisch verloren gegangen. Wenn Krankenhäuser und Wissenschaftler in verschiedenen Teilen der
Welt heutzutage Studien über die Auswirkungen von
Musik auf den Menschen durchführen, kann man also
durchaus von einer relativ neuen Initiative sprechen. Die
Studien beschäftigten sich insbesondere intensiv mit
den psychologischen Auswirkungen von Musik, wobei
einige vielversprechende Ergebnisse verzeichnet werden konnten. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Entspannungsmusik auf das Unterbewusstsein einwirkt und
dadurch Atemfrequenz und Herzschlag verlangsamen,
den Blutdruck senken sowie chronischen Stress mindern
kann. Einige dieser Studien haben sogar ergeben, dass
Musik entspannender wirkt als vollkommene Stille (z. B.
Khalfa et al. 2003, Scheufele 2000).
Trotz der Tatsache, dass die entspannende Wirkung
­eines Musikstücks wesentlich von individuellen Faktoren
abhängt, scheinen einige musikalische Komponenten
immer dieselbe Wirkung zu erzielen. Eine dieser Komponenten ist der Grundrhythmus: Ein schneller Rhythmus scheint Herz- und Pulsfrequenz zu beschleunigen,
ein langsamer Rhythmus scheint diese zu verlangsamen.
Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Lautstärke und
Intensität eine ebenso ausgeprägte Wirkung haben,
d. h., eine höhere Lautstärke führt im Allgemeinen zu
einer schnelleren Herzfrequenz. Allerdings liegen auch
Studien vor, die nicht zu diesem Schluss kamen. Diese
Unterschiede lassen sich möglicherweise auf Persönlichkeitsunterschiede zurückführen. Einige Studien haben
nämlich ergeben, dass extrovertierte Menschen mehr
akustische Reize bevorzugen und verarbeiten können als
introvertierte Menschen, d. h., sie bevorzugen eine höhere Lautstärke als introvertierte Menschen (Daoussis &
McKelvie 1986).
Mittlerweile sind sich die Wissenschaftler im Allgemeinen einig darüber, dass Musik die Fähigkeit besitzt, den
Menschen psychologisch zu beeinflussen, sodass sich
dieser wohler, entspannter, weniger besorgt fühlt (z. B.
Hanser 1985, Staum 2000). Einige Studien, die in Krankenhäusern durchgeführt wurden, ergaben außerdem,
dass das Hören von Musik einen Teil des Stresses ab-
Dieselben grundlegenden Überlegungen zur Herzfrequenz gelten aller Wahrscheinlichkeit nach auch für die
Atemfrequenz. Ein langsamer Musikrhythmus scheint
Ruhe und Entspannung zu fördern, während ein schnellerer Rhythmus Stress und Unruhe bewirken kann.
­Außerdem wird das Atemmuster offenbar direkt durch
den emotionalen Gehalt der Musik beeinflusst. Ein Mu-
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2
sikstück, das starke Gefühle und ausgeprägte Emotio­
nen hervorruft, kann zu starken Schwankungen des
Atemmusters führen (Myskja 1999).
lich Lautstärke und Musikvorlieben individuell auf den
Zuhörer zuzuschneiden, scheint ebenfalls ein wichtiger
Faktor zu sein.
Wichtige Merkmale konzentrationsfördernder
Musik
Das Widex Zen-programm
Auch der Einfluss von Hintergrundmusik auf die Leistungsfähigkeit bei unterschiedlichen Tätigkeiten ist
Gegenstand vieler Studien. Ein Faktor, der relevant zu
sein scheint für die Fähigkeit von Musik, die Konzen­
tration in geräuschvollen Umgebungen zu fördern, ist
die Art der Musik. In der Fachliteratur werden ruhige
Musik, klassische Musik sowie Rockmusik als Stilarten
aufgeführt, welche auf die eine oder andere Weise die
Fähigkeit ­einer Person, sich auf eine bestimmte Aufgabe
zu konzentrieren, beeinflussen können. Forscher haben
versucht herauszufinden, ob die Komplexität von Musik ein möglicher Faktor ist. So hat beispielsweise Kiger
1989 festgestellt, dass die Ergebnisse bei einem Leseverständnistest unter Bedingungen mit einfacher, schlichter
Musik (mit niedrigem Informationsgehalt) besser waren
als mit komplexer Musik (mit hohem Informationsgehalt)
oder bei Stille (Kiger 1989, zitiert bei Furnham & Strbac
2002).
In Bezug auf das Widex Zen-Programm
waren wir bestrebt, so viele der oben genannten Faktoren wie möglich zu berücksichtigen.
Weitere Faktoren, die dafür von Bedeutung zu sein
scheinen, ob Musik helfen kann, die Konzentration zu
fördern, sind der Grad der Erregung und die Persönlichkeit. Einige Studien zeigen, dass die Verwendung
bevorzugter Musik als Hintergrund die Leistung erhöht.
Dieses als Ausgangspunkt nehmend, untersuchten mehrere Forscher den Einfluss von Hintergrundmusik auf die
Konzentrationsfähigkeit verschiedener Persönlichkeitstypen. Einige von ihnen kamen zu dem Schluss, dass das
Hören von Hintergrundmusik mit niedrigem Informationsgehalt häufig die Konzentrationsfähigkeit erhöht,
auch wenn sich die Art und Weise des Einflusses auf
den Zuhörer je nach Persönlichkeit und Bevorzugung
bestimmter Musikarten unterscheidet. Hintergrundmusik kann speziell bei introvertierten Menschen ablenkend
wirken, weil deren optimaler Erregungsgrad schnell
überschritten wird, im Gegensatz zu Extrovertierten, auf
die Hintergrundmusik eher stimulierend wirkt (Daoussis
& McKelvie 1986, Furnham & Bradley 1997, Furnham &
Strbac 2002).
Die Ergebnisse der Fachliteratur legen die Vermutung
nahe, dass Musik das Potenzial besitzt, die Konzentra­tion
zu erleichtern, wenn sie dem Zuhörer auf die richtige Art
und Weise dargeboten wird. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass mit entspannender Musik Ergebnisse
bei der Konzentration und der Leistung erzielt werden
können. Es ist davon auszugehen, dass der Informa­
tionsgehalt der Musik gering sein sollte, um die Konzen­
tration zu erleichtern. Die Möglichkeit, die Musik hinsicht-
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Die Konzentration scheint sich zu verbessern, wenn der
Informationsgehalt der Musik niedrig ist. Außerdem sollte der Zuhörer idealerweise in der Lage sein, die Lautstärke der Musik selbst einzustellen und die Musik an
seine individuellen Vorlieben anzupassen.
Damit Entspannung möglich ist, sollte der Grundrhythmus verhältnismäßig langsam sein und sollten all jene
Elemente vermieden werden, die beim Zuhörer ausgeprägte Emotionen verursachen. Die Lautstärke sollte
vorzugsweise angepasst werden können, um die vielen
individuellen Vorlieben zu befriedigen. Außerdem sollte
der Zuhörer zwischen verschiedenen Musikstilen auswählen können. Schließlich muss die Musik auch vergleichsweise vorhersagbar sein und darf keine plötzlichen Veränderungen aufweisen.
Ein Fraktal ist eine Form, die in Bruchstücke zerlegt werden kann,
welche jeweils (in hohem Maße) eine kleinere Ausgabe des Ganzen
darstellen.
Die Musik im Widex Zen-Programm basiert auf der Fraktal-Technologie, mit der sichergestellt ist, dass die Musik
mehr oder weniger vorhersagbar ist, ohne sich jedoch
zu wiederholen. Der Hörsystem-Träger kann zwischen
verschiedenen „Musikstilen“, sogenannten Zen-Melodien, wählen, die durch Einstellung von Tempo und Tonhöhe individuell gestaltet werden können. Die Musik besteht aus einer Folge von Klängen ohne Worte, sodass
beim Zuhörer keine ausgeprägten Emotionen hervorgerufen werden.
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3
Die Lautstärke lässt sich sowohl in Compass als auch
über den Lautstärkesteller des Hörsystems einstellen.
Des Weiteren bietet das Zen-Programm auch eine Einstellung, in der das Mikrofon ausgeschaltet ist, sodass
nur die Zen-Klänge gespielt werden. Um sicherzustellen, dass die Zen-Melodie jederzeit hörbar ist, werden
bei der Generierung der Fraktalklänge die individuelle
Hörminderung und eventueller Hintergrundlärm berücksichtigt.
Dabei bewerteten 85 % der Probanden die Zen-Melodien mit einem Wert, der mindestens auf der Mitte der
Skala oder höher rangierte. 44 % bewerteten die ZenKlänge entweder mit „gut“ oder „sehr gut“. Nur 15,5 %
bewerteten sie mit „schlecht“ oder „sehr schlecht“. Diese
Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die meisten
Schwerhörigen einen positiven Nutzen für die Entspannung aus den Zen-Melodien ziehen können.
STUDIEN ZUM POTENZIAL VON
ZEN-KLÄNGEN ZUR FÖRDERUNG DER ENTSPANNUNG
UND KONZENTRATION BEI
HÖRSYSTEM-TRÄGERN
40,5 %
15,5 %
44 %
Die Wirksamkeit der Zen-Klänge zur Förderung der Konzentration und Entspannung
bei Hörsystem-Trägern wurde in verschiedenen Studien untersucht.
In einer klinischen Praxisstudie, die vom Widex Forschungsteam durchgeführt wurde, testeten 32 Probanden mit verschiedenen Hörverlustgraden, die von leichtgradigen Hörminderungen bis Resthörigkeit variierten,
drei Zen-Melodien (Aqua, Coral und Lavender) über einen
Zeitraum von durchschnittlich 18 Tagen hinweg (Klinische
Praxisstudie #33-07, Dokumentation einsehbar). Die Teilnehmer der Studie dokumentierten ihren Gesamteindruck
der Zen-Melodien auf einer Skala zwischen 0 und 10, wobei 0 für „sehr schlecht“ und 10 für „sehr gut“ stand.
Gut – sehr gut
Mittelmäßig
Schlecht – sehr schlecht
Abbildung 2: Übersicht über die Bewertung dreier Zen-Melodien
durch 32 Probanden.
Diese Ergebnisse werden auch durch die Studie von Kuk
& Peeters (2008) bestätigt. Kuk und Peeters untersuchten das Potenzial der Zen-Melodien hinsichtlich ihrer
entspannenden und konzentrationsfördernden Fähigkeiten bei Hörsystem-Trägern. An dieser Studie nahmen
14 Probanden mit leicht bis mittel-/hochgradigen Hörminderungen teil. Die Probanden bewerteten dabei vier
verschiedene Zen-Melodien (Aqua, Coral, Lavender und
Green). Jede Zen-Melodie wurde hinsichtlich ihres Ent-
dB HL
dB HL
0
0
20
20
40
40
60
60
80
80
100
100
120
125
250
500
1000
2000
4000
8000
Hz
Abbildung 1: Durchschnitts-Audiogramm der 32 Teilnehmer der
klinischen Praxisstudie, die vom Widex Forschungsteam durchgeführt wurde (schwarz gestrichelte Kurve). Der schattierte Bereich
kennzeichnet den minimalen bis maximalen Hörbereich aller Probanden.
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120
125
250
500
1000
2000
4000
8000
Hz
Abbildung 3: Durchschnitts-Audiogramm der 14 Probanden, die
an der Studie von Kuk und Peeters (2008) teilgenommen haben
(schwarz gestrichelte Kurve). Der schattierte Bereich kennzeichnet
den minimalen bis maximalen Hörbereich aller Probanden.
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4
100
90
80
Durchschnittliche Anzahl korrekter Antworten bei fünf Minuten Stille
70
60
10
0
50
70
40
60
30
50
20
40
Individuell
10
30
20
40
30
Coral
Lavender
0
20
100
50
0
Eher
20 anstrengend
Eher
10 entspannend
Sehr entspannend
Green
Zen-Melodien
Neutral, weder entspannend
noch anstrengend
100
50
150
10
150
200 Zeit (s) 250
Zeit (s)
0
30
50
Eher
Master Stille
anstrengend
Neutral, weder entspannend noch anstrengend
20
40
Eher entspannend
Sehr entspannend
10
30
200
100
Zen Stille
150
200
250
300
Zeit (s)
50
70
40
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Zen Rauschen
Master Rausche
30
50
250
200
300
20
40
300
10
30
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100
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10
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Zen Rauschen
150
200
250
300
Zen Rauschen
Zeit (s)
Master Rauschen
Number of correct answers
Number of correct answers
50
Durchschnittliche Anzahl korrekter Antworten bei fünf Minuten Rauschen
11 Probanden wurde außerdem
eine Aufgabe zur Be0
70
Master Rauschen
Durchschnittliche Anzahl korrekter Antworten bei fünf Minuten Rauschen
50 der Konzentration gestellt, mit der untersucht
wertung
100
50
250
300
150
200
70
40
wurde, ob die individuell
angepassten
Zen-Melodien
die
60
Zeit (s)
Zen Rauschen
40
60
Konzentrationsfähigkeit
der Teilnehmer verbesserten.
30
Master Rauschen
Zen Rauschen
50
Die Probanden erhielten
die Aufgabe, aus einem 10x10
Master Rauschen
30
Abbildung 6: Durchschnittliche Anzahl korrekt identifizierter Zah50
20
Ziffernblock mit willkürlich
angeordneten Zahlen so viele
len bei der Lösung der Konzentrationsaufgabe mit Rauschhinter40
Zahlen 40
wie möglich zu löschen. Dabei mussten sie bei 00
grund unter Verwendung des Masterprogramms (rote Kurve) bzw.
20
10
des Zen-Programms (blaue Kurve). Erarbeitet nach den Angaben
beginnen und die Aufgabe
bei 99 beenden. Die Konzen30
10
30
0
20
50
10
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von Kuk & Peters 2008.
10
100
50
0
20
100
150
Zeit (s)
150
200 Zeit (s) 250
250
200
300
Zen Rauschen
Master Rausche
Master Stille
Durchschnittliche Anzahl korrekter Antworten bei fünf Minuten Rauschen
Durchschnittliche Anzahl korrekter Antworten bei fünf Minuten Rauschen
100
50
250
150
200
70
200
Prozentuale
Angaben
der Probanden
auf die FraDurchschnittliche
Anzahl
Antworten bei fünf
Rauschen
100 korrekter150
50
300
200Minuten
Zeit (s) 250
Abbildung 4:
ge „Bietet
70 Ihnen diese Musik einen entspannenden Klanghinter60
Zeit (s)
grund?“
Green
Zen Stille
Sehr anstrengend
Zen-Programms
(blaue Kurve). Erarbeitet nach den Angaben von
Zen Stille
60
Master Stille
Kuk & Peters 2008.
30
50
10
Aqua
Sehr anstrengend
0
Master Stille
40
60
10
Number of correct answers
Number of correct answers
20
Durchschnittliche Anzahl korrekter Antworten bei fünf Minuten Stille
50
70
Zen Stille
Master Stille
50
Durchschnittliche Anzahl korrekter Antworten bei fünf Minuten Stille
0
70
Durchschnittliche Anzahl korrekter Antworten bei fünf Minuten Stille
Abbildung
5:
Durchschnittliche
Anzahl
korrekt
identifizierter ZahMaster
Stille
Durchschnittliche
Anzahl
Antworten bei fünf
100 korrekter150
50
250
300
200Minuten Rauschen
40
len
70 bei der Lösung der Konzentrationsaufgabe in stiller Umgebung
60
Stille Zeit (s)
unter Verwendung des Zen
Masterprogramms
(rote Kurve) bzw. des
Number of correct answers
Number of correct answers
30
Zen Stille
50
60
50
40
60
Durchschnittliche Anzahl korrekter Antworten bei fünf Minuten Stille
70
60
Number of correct answers
Number of correct answers
Percent (%)
70
Durchschnittliche Anzahl korrekter Antworten bei fünf Minuten Stille
70
Number of correct answers
Number of correct answers
Die Ergebnisse können der Abbildung 4 entnommen
werden. Die Mehrheit der Probanden bewertete alle
vier Zen-Melodien entweder mit 1 „sehr entspannend“
oder mit 2 „eher entspannend“. Daraus kann geschlossen werden, dass die Zen-Melodien das Potenzial haben,
einem großen Prozentsatz von Hörsystem-Trägern einen
entspannenden Klanghintergrund zu bieten. Überdies
empfanden 12 von 14 Probanden (86 %) ihre bevorzugte
Zen-Melodie nach der Feinanpassung auf ihre individuellen Vorlieben als entspannend. Dies unterstreicht die Bedeutsamkeit der Möglichkeit, die Lautstärke und die Musik an die individuellen Bedürfnisse anpassen zu können.
Number of correct answers
Number of correct answers
der
trationsaufgabe musste unter ausschließlicher Verwendung des Hörsystem-Mikrofons (bei ausgeschaltetem
Zen-Programm) und anschließend unter Einsatz des Hörsystem-Mikrofons + Zen (bei eingeschaltetem Zen-Programm) gelöst werden. Dabei war die Aufgabe sowohl in
stiller Umgebung als auch unter Einsatz von breitbandigem Rauschen auszuführen. Die Ergebnisse zeigten, dass
deutlich mehr Zahlen korrekt identifiziert wurden, wenn
eine Zen-Melodie aktiviert war, als wenn dies nicht der
Fall war (p < 0,01). Dies deutet daraufhin, dass die ZenMelodien auch die Konzentration verbessern können. Die
durchschnittlichen Ergebnisse unter stillen Bedingungen
und mit Rauschhintergrund können den Abbildungen 5
und 6 entnommen werden. Sie sind nahezu identisch.
spannungspotenzials bewertet. Der Bewertung lag eine
Skala mit Werten zwischen 1 und 5 zugrunde, wobei 1 für
„sehr entspannend“ und 5 für „sehr anstrengend“ stand.
Anschließend wurden die Tonhöhe und das Tempo der
jeweils bevorzugten Zen-Melodie an die individuellen
Vorlieben des jeweiligen Probanden angepasst. Nun bewerteten die Probanden diese Zen-Melodie erneut hinsichtlich ihres Entspannungspotenzials.
300
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5
Der Einsatz von Musik zur Behandlung von Tinnitus
Ein Großteil der Schwerhörigen leidet ebenfalls unter
einem Tinnitus (Davis & Refaie 2000). Unter Tinnitus
versteht man die Wahrnehmung von Geräuschen im Ohr
oder im Kopf, die nicht von äußeren Geräuschquellen
ausgelöst werden. Schätzungen zufolge leiden 10–15 %
aller Erwachsenen unter chronischem Tinnitus (Hoffmann & Reed 2004). Bei Schwerhörigen liegt dieser
Prozentsatz schätzungsweise sogar noch einiges höher
(Davies & Refaie 2000).
Der Einfluss des Tinnitus auf das Leben des Betroffenen
kann stark variieren. Für manche Menschen ist ein Tinnitus nur eine geringfügige Irritation. Für andere bedeutet
ein Tinnitus eine massive Schmälerung der Lebensqualität und äußert sich durch Schlafstörungen, ein beeinträchtigtes Familienleben, sowie eine verminderte Arbeitsleistung und Konzentrationsfähigkeit. Menschen mit
hochgradigem Tinnitus leiden oft unter Schlafstörungen.
Dadurch sind sie leicht reizbar und es fällt ihnen schwer,
sich auf etwas anderes als auf ihren Tinnitus zu konzen­
trieren. Sie stehen unter konstantem Stress, sind weniger
leistungsfähig und ihre Lebensqualität ist deutlich beeinträchtigt (McKenna 2000, Erlandsson 2000).
Die genauen Ursachen von Tinnitus sind nicht bekannt.
Deshalb bleibt der Mehrheit der Tinnitusbetroffenen
nichts anderes übrig, als mit bestimmten Bewältigungstechniken gegen den Stress vorzugehen, der durch den
Tinnitus ausgelöst wird1.
Die Tinnitustherapie basiert in den meisten Fällen auf
­ iner Kombination aus Beratung, Stressabbau und
e
Klangtherapie. Der auf Geräuschen und Klängen basierende Teil der Tinnitustherapie kann drei verschiedene
Zwecke verfolgen: 1) den Stress und die Anspannung
abzubauen, die durch den Tinnitus verursacht werden;
2) passiv vom Tinnitus abzulenken, indem der Kontrast
zwischen den Tinnitus- und den Umgebungsgeräuschen
minimiert wird; 3) aktiv vom Tinnitus abzulenken. Jeder
dieser drei Zwecke kann durch den Einsatz von M
­ usik
und Breitbandrauschen erfüllt werden (Henry et al.
2008).
Zwei anerkannte und vielfach angewendete klangbasierte Methoden sind die Tinnitus-Maskierung und die
Tinnitus-Retraining-Therapie (Henry et al. 2008). Beiden
Methoden ist gemeinsam, dass sie mit einer Schallquelle
arbeiten, die den betroffenen Patienten von seinem Tinnitus ablenkt.
Trotz des Begriffs der Maskierung ist die Tinnitus-Maskierung keine Methode, die den Tinnitus verdeckt oder
tarnt. Ziel der Tinnitus-Maskierung ist es vielmehr, die
Anspannung und den durch Tinnitus verursachten Stress
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durch beruhigende Klangstimuli abzubauen (Vernon &
Meikle 2000). Die Stimuli, die dabei zum Einsatz kommen, basieren häufig auf instrumentaler Musik und breitbandigem oder gefiltertem Rauschen.
Auch in der Tinnitus-Retraining-Therapie werden Musik und Breitbandrauschen eingesetzt. Anders als die
Tinnitus-Maskierung verfolgt die Tinnitus-RetrainingTherapie allerdings nicht das Ziel, den durch Tinnitus
verursachten Stress oder die Anspannung abzubauen.
Stattdessen konzentriert sich diese Therapie darauf, den
Kontrast zwischen dem Tinnitus und der akustischen
Umgebung zu reduzieren, so dass dem Tinnitus weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird. Auch für diese Art
der Tinnitustherapie wird der Einsatz von Breitbandrauschen und instrumentaler Musik ohne Worte empfohlen
(Henry et al. 2008).
Die klangbasierten Mittel, die zur Tinnitusbehandlung
eingesetzt werden, müssen flexibel sein, um Raum für
unterschiedliche individuelle Bedürfnisse und Gegebenheiten zu lassen. Menschen reagieren oft sehr unterschiedlich auf ein und denselben Klangstimulus. Ein
Klang, der von einer Person als angenehm und interessant empfunden wird, kann von einer anderen Person
ganz anders, beispielsweise als langweilig und störend,
bewertet werden. Außerdem müssen unterschiedlichste Umstände in Betracht gezogen werden, die entsprechend andere Ansätze zur Behandlung des jeweiligen
Tinnitus nötig machen. So sehen sich beispielsweise all
jene Personen, die in einer stillen Atmosphäre arbeiten,
hauptsächlich tagsüber durch den Tinnitus beeinträchtigt, während Menschen, die in einer lauten Werkstatt
arbeiten, den Tinnitus oft erst nach Arbeitsschluss als
störend empfinden (Henry et al. 2008).
Um diesen unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen
und Gegebenheiten Rechnung zu tragen, steht in den
mind440 Hörsystemen eine Auswahl von fünf vordefinierten Zen-Melodien zur Verfügung. Die Melodien unterscheiden sich hinsichtlich Tonhöhe, Tempo und Lautstärke voneinander, welche vom Hörgeräte-Akustiker
auf die Bedürfnisse des Kunden angepasst und damit
individuell optimiert werden können. Darüber hinaus
bietet das Zen-Programm auch einen Zen-Stil mit Breitbandrauschen, das in Verbindung mit einer Beratung als
zusätzliches Mittel für die Behandlung von Tinnitus eingesetzt werden kann.
Chirurgische Eingriffe und die Gabe von Medikamenten werden
ebenfalls zur Tinnitusbehandlung eingesetzt. Wie von Henry et
al. (2008: 188) dargelegt, können diese Methoden zur Unterdrückung der Wahrnehmung des Tinnitus bislang aber nur als mäßig
erfolgreich eingestuft werden.
1
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Konklusion
Menschen mit Hörminderungen werden weitaus häufiger von Stress beeinträchtigt als Normalhörende.
Aufgrund der hohen Stressanfälligkeit von Schwerhörigen hat Widex das Zen-Programm entwickelt, das es
Trägern des mind440 Hörsystems gestattet, eine Reihe
unterschiedlicher Melodien anzuhören. Studien belegen, dass Musik Stress abbauen und die Konzentration
verbessern kann. Die Musik muss dafür jedoch schlicht
und instrumental sein, darf sich nicht wiederholen und
darf keinen Wortanteil enthalten. Die Zen-Melodien von
Widex erfüllen all diese Anforderungen. Zwei Studien
haben die Zen-Melodien auf ihr Potenzial hin untersucht,
die Entspannung und Konzentration bei Schwerhörigen zu fördern. Die Ergebnisse beider Studien lassen
darauf schließen, dass die Zen-Melodien einem Großteil
der Schwerhörigen von positivem Nutzen sein können.
Instrumentale Musik oder Breitbandrauschen können in
Kombination mit einer Beratung auch zur Behandlung
von Tinnitus eingesetzt werden. Aus diesem Grund bietet das Zen-Programm von Widex neben den Melodien auch einen Zen-Stil mit Breitbandrauschen, das der
Hörgeräte-Akustiker in Verbindung mit einer Beratung
ebenfalls zum Wohl seines Kunden einsetzen kann.
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widexpress
8
NR. 27
WIDEXPRESS
FEBRUAR 2011
Von Anne Mette Kragh Jeppesen, M. A., und
Hanne Pernille Andersen, M. A., Ph. D.
TINNITUS UND DAS ZEN-PROGRAMM VON WIDEX
Dieser Artikel informiert darüber, wie das Wissen über
Tinnitus und dessen Behandlungsmöglichkeiten für die
Entwicklung eines Hörsystems genutzt werden kann,
das nicht nur der Hörminderung sondern auch dem
Tinnitus Abhilfe schafft.
Was ist Tinnitus?
Einführung
Untersuchungen zufolge berichtet ca. ein Drittel der
Allgemeinbevölkerung, ein Tinnitusgeräusch zu hören
(McFerran et al., 2007), während der Anteil unter
Hörgeschädigten beträchtlich höher liegt; nämlich bei
70–85 % (Martines et al., 2010). Aufgrund dieser weiten
Verbreitung von Tinnitus bei Menschen mit Hörminde­
rung ist es von großer Bedeutung, neben der Verstär­
kung von Schall auch die Tinnitusbewältigung im
Fokus zu haben.
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Die Literatur zu diesem Thema zeigt, dass viele unter­
schiedliche Meinungen zum konkreten Charakter und
den Ursachen des Tinnitus herrschen. Eine allseits
akzep­tierte Definition konnte noch nicht erbracht wer­
den, aber offensichtlich ist McFaddens Definition von
1982 weithin anerkannt. Seine Definition konstatiert
Folgendes:
• Tinnitus ist die Wahrnehmung von Geräuschen (d. h.
sie werden gehört).
• Tinnitus tritt unwillkürlich auf (d. h. er kann nicht
bewusst erzeugt werden).
• Tinnitus entsteht im Kopf (d. h. er hängt nicht mit
dem Hören eines externen Geräusches oder der
übermäßigen Empfindsamkeit demgegenüber zu­
sammen) (zitiert bei: Tyler, 2005).
Auffallend ist weiterhin, dass die Art des Geräusches
von Person zu Person und manchmal auch von Situa­
tion zu Situation unterschiedlich ausfällt. Der Tinnitus
wird daher meist als Klingeln oder Sausen beschrieben,
kann jedoch auch in anderen Formen auftreten. Auch
die Auswirkungen des Tinnitus auf die Betroffenen fal­
len sehr unterschiedlich aus und reichen von überhaupt
WIDEXPRESS
1
keiner Belästigung bis zu stark negativen Reaktionen.
Tatsächlich konnte gezeigt werden, dass ca. 10 % der
erwachsenen Bevölkerung unter chronischem Tinnitus
leiden, wobei nur 2–4 % aufgrund dessen an Spezia­
listen verwiesen werden und nur 0,4 % über Auswir­
kungen des Tinnitus auf ihre Lebensqualität berichten
(McFerran et al., 2007). In seltenen Fällen kann Tinnitus
auch ein Anzeichen für organische oder medizinische
Probleme sein. Aus diesem Grund sollten bei TinnitusBetroffenen gründliche ärztliche Untersuchungen vor­
genommen werden, um ernste, behandelbare Erkran­
kungen auszuschließen. Normalerweise ist Tinnitus
jedoch ein Geräusch unbekannter Herkunft.
Die Ursache für Tinnitus
Um die Ursache für Tinnitus zu ermitteln, wurden
verschiedene neurophysiologische Modelle vorgeschla­
gen. Diese Modelle akzeptieren im Allgemeinen, dass
Tinnitus mit einer gewissen neuronalen Aktivität, die
vom Gehirn als Schall interpretiert wird, zusammen­
hängt. Wodurch diese spontane Aktivität ausgelöst
wird, ist jedoch umstritten. Eine Vermutung lautet, dass
Tinnitus auftritt, weil kleine interne Signale vom audi­
tiven System falsch interpretiert werden (Heller et al.,
1953). Andere gehen davon aus, dass Tinnitus auf eine
automatische Verstärkung im Zentralen Nervensystem
zurückgeht, die die Sensibilität bei Abwesenheit von
Schall erhöht (Hazell, 1987). Wieder andere nehmen an,
dass Tinnitus mit spontanen otoakustischen Emissionen zu tun hat (Penner et al., 1989). Jastreboff führt
den Tinnitus auf die ungleichmäßige Schädigung der
inneren und äußeren Haarzellen zurück (Jastreboff,
1990). Salvi u. a. glauben, dass kortikale Plastizität
eine Rolle spielen könnte, indem eine mit peripherem
Hörverlust zusammenhängende, ungeordnete kortikale
Reorganisation den Tinnitus hervorruft. Dahingegen
glauben Kaltenbach u. a., dass Tinnitus durch Über­
TROMMELFELL
UND GEHÖR­
KNÖCHELCHEN
HÖRSCHNECKE
aktivität im hinteren Cochleariskern ausgelöst wird
(Kaltenbach, 2004; Kaltenbach, 2005). Anhand dieser
Auswahl von unterschiedlichen neurophysiologischen
Modellen wird der mangelnde Konsens in Bezug auf die
Tinnitus-Ursache sehr deutlich.
Da der Ursprung des Tinnitus unklar ist und sich seine
Auswirkungen sehr unterschiedlich darstellen, müssen
die individuellen Reaktionen bei allen Erklärungsver­
suchen berücksichtigt werden. Einige Forscher haben
deshalb neurophysiologische Modelle vorgeschlagen,
die den zentralen Teil des auditiven Systems einbezie­
hen. Abb. 1 zeigt ein solches Modell. Bei diesem Modell
entsteht das Tinnitusgeräusch entweder am Trommel­
fell, an den Gehörknöchelchen, an der Schnecke oder
am Hirnstamm. Das Geräusch wird an der Stelle erfasst,
wo die Box „Filterung und Mustererkennung“ steht.
Wenn das Geräusch erkannt und als nicht gefährlich
eingestuft wird, wird es entweder ignoriert oder ohne
weitere Folgen registriert. Wenn das Geräusch jedoch
als gefährlich eingestuft wird, werden Nachrichten
an das limbische System (den emotionalen, unterbe­
wussten Teil des Gehirns) und den bewussten Teil des
Gehirns geschickt. Daraufhin wird eine Nachricht an
das vegetative Nervensystem geschickt, das unbe­
wusste oder unwillkürliche Funktionen steuert und für
Kampf-oder-Flucht-Reaktionen verantwortlich ist. Dann
werden Nachrichten zurück an das limbische System
und an das bewusste Gehirn geschickt. Der bewusste
Teil des Gehirns schenkt dem unangenehmen G
­ eräusch
Schritt für Schritt mehr Aufmerksamkeit, und je be­
wusster das Gehirn das Geräusch wahrnimmt, desto
sensibler wird die Filterung und Mustererkennung.
Die emotionalen Reaktionen des limbischen Systems
werden stärker und die Reaktionen des vegetativen
Nervensystems werden ausgeprägter. Auf diese Weise
kann eine Spirale ausgelöst werden, bei der sich die
HIRNSTAMM
FILTERUNG
UND MUSTER­
ERKENNUNG
BEWUSSTES
GEHIRN
LIMBISCHES
SYSTEM
VEGETA­
TIVES NER­
VENSYSTEM
Abb. 1: Beispiel eines neurophysiologischen Modells, das den zentralen Teil des auditiven Systems einbezieht. Es kann eine Spirale in
Gang gesetzt werden, bei der sich die Vorgänge in den letzten vier Boxen selbst oder gegenseitig verstärken (McFerran et al., 2007).
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vier Boxen jeweils selbst und auch gegenseitig ver­
stärken. Untersuchungen haben gezeigt, dass, wenn
die Spirale erst einmal in Gang gesetzt wurde, die
Wahrnehmung des Geräusches nicht mehr von der
ursprünglichen Quelle abhängig ist. Diese Auswir­
kungen auf das limbische System und das vegetative
Nervensystem sind auch aus der Stressanalyse be­
kannt, weshalb es nicht überrascht, dass Stress als
einer der stärksten Verschlimmerungsfaktoren bei
Tinnitus ausgemacht werden konnte. Das Stressniveau
beim Tinnitus-Betroffenen steigt aufgrund des Tinnitus
an. Durch das erhöhte Stressniveau wiederum wird die
Wahrnehmung des Tinnitus verstärkt.
Tinnitusbehandlung
Als Folge der breitgefächerten Hypothesen über die
Tinnitus-Ursachen existieren entsprechend viele Me­
thoden zur Tinnitusbehandlung. Diese Methoden kön­
nen generell in zwei Gruppen unterteilt werden: Es gibt
zum einen Methoden, die auf die direkte Behandlung
des eigentlichen Tinnitus abzielen und zum anderen
welche, die sich auf die Reaktion des Patienten auf
den Tinnitus konzentrieren und auf diesem Weg den
Tinnitus zu behandeln versuchen. Beim ersten Ansatz
wird versucht, die Intensität der Tinnituswahrnehmung
zu reduzieren oder den Tinnitus ganz zu beseitigen;
z. B. durch verschiedene Arten von Medikamenten
(Dobie, 1999; Murai et al., 1992), chirurgische Behand­
lung oder Unterdrückung mit elektrischen Impulsen
(Rubinstein et al., 2003; Dauman 2000; Dobie et al.,
1986). Aber obwohl schon aufschlussreiche Erkenntnis­
se gemacht wurden, ist eine medizinisch durchführbare
Methode hierfür noch nicht gefunden. Deshalb wird
der zweite Ansatz, bei dem die Patienten-Reaktion auf
den Tinnitus im Vordergrund steht, im Moment als der
primäre Behandlungsansatz angesehen. Die Vielfalt der
vorgeschlagenen Behandlungsmethoden lässt es nicht
zu, einen allgemeingültigen Standard für die Tinnitus­
behandlung festzulegen. Doch eine Übersicht über die
vorherrschenden Tinnitus-Behandlungsmöglichkeiten
und die relevanten Forschungsergebnisse kann dazu
beitragen, die für eine effektive Tinnitustherapie wich­
tigen Komponenten zu ermitteln.
Maskierungstherapie (Hazell, 1987):
Eine der häufig eingesetzten Behandlungsmethoden
ist die Maskierungstherapie. Dabei wird ein Masker
benutzt, um den Tinnitus zu maskieren und für den
Patienten unhörbar zu machen. Der Masker erzeugt ein
schwaches Breitbandrauschen, das weniger störend
wirkt als das Tinnitusgeräusch. Daran kann sich der
Patient leichter gewöhnen und es ist einfacher zu igno­
rieren als das Tinnitusgeräusch selbst. Durch diese Be­
handlung wird der Tinnitus nicht beseitigt. Sobald der
Masker entfernt wird, ist das Tinnitusgeräusch meist
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unverändert zu hören. Aber diese Behandlungsme­
thode bietet dem Patienten unmittelbare Erleichterung
und das Gefühl, Kontrolle über den Tinnitus zu haben.
Bei diesem Ansatz wird großes Gewicht auf die psy­
chologische Beratung gelegt. Der Spezialist versorgt
den Patienten mit breitgefächerten Informationen,
spricht mit ihm über seine Probleme, schafft Vertrauen
und arbeitet mit Aufmerksamkeit, Entspannung und
Tagebüchern.
Habituationstherapie (Hallam, 1989):
Eine weitere sehr verbreitete Behandlungsmethode ist
die Habituationstherapie. Dabei wird die Plastizität des
Gehirns und dessen Fähigkeit, sich an unterschiedliche
Reize zu gewöhnen, ausgenutzt. Das Tinnitussignal soll
daran gehindert werden, das limbische und das vege­
tative Nervensystem zu aktivieren, damit das Geräusch,
trotzdem es vom Patienten wahrgenommen wird, keine
Reaktion auslöst und er nicht davon beeinflusst wird.
Mit anderen Worten: Es wird leichter, das Tinnitusge­
räusch zu überhören – wie das Geräusch des Kühl­
schranks. Es werden außerdem Versuche unternom­
men, das Geräusch im Unterbewusstsein zu blockieren,
sodass der Patient es nicht einmal mehr wahrnimmt.
Dies geschieht durch psychologische Beratung und/
oder Training, bei denen der Patient in die bei Tinnitus
ablaufenden Prozesse und die therapeutischen Ansätze
eingeführt wird. Zum Training gehören z. B. Entspan­
nung, Aufmerksamkeitslenkung, Ablenkung und Modi­
fizierung der Umgebung. Paradoxerweise muss sich
der Patient hier auf das Tinnitusgeräusch konzentrie­
ren, um sich daran gewöhnen zu können. Deshalb ist es
entscheidend, dass das Geräusch nicht maskiert wird.
Tinnitus-Retraining-Therapie (Jastreboff, 1990):
Die Tinnitus-Retraining-Therapie ist eine Art Habitua­
tionstherapie. Sie unterteilt die Behandlung in zwei
Bereiche: psychologische Beratung und Schalltherapie.
Bei der Beratung wird der Patient genau darüber auf­
geklärt, wie Tinnitus entsteht, in welcher Weise seine
Beschwerden mit der Aktivierung des limbischen und
des vegetativen Nervensystems zusammenhängen und
wie man das Gehirn dazu bringen kann, ungewünschte
Reaktionen zu reduzieren. Außerdem erfährt der Pa­
tient, wie das Gehirn lernen kann, das Tinnitusgeräusch
auf bewusster und unbewusster Ebene auszublenden
(Jastreboff, 2000). Die Schalltherapie als zweites Ele­
ment beinhaltet Schallstimulation, die das Gehör dazu
bringen soll, bei der Abwesenheit von Schall nicht mehr
so sensibel zu reagieren. Der Stimulus besteht aus
einem konstanten schwachen Breitbandrauschen, das
das Tinnitusgeräusch nicht maskieren soll, da das Ge­
hirn sonst keine Möglichkeit erhält, sich an den Tinnitus
zu gewöhnen und das Geräusch dann zu unterdrücken.
Genauso wenig kann hier eine nur partielle Maskierung
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3
eingesetzt werden, da auch sie das Tinnitusgeräusch
abwandelt und das Gehirn so daran hindert, sich an das
Geräusch zu gewöhnen. Laut Jastreboff (2000) soll das
Maskierungsrauschen genau an dem Punkt eingestellt
werden, wo das Rauschen und das Tinnitusgeräusch
gerade beginnen, sich zu vermischen (Mixing-Point).
Das Tinnitusgeräusch sollte schwach zu vernehmen
sein. Das Rauschen hilft dem Gehirn dann dabei, das
Tinnitusgeräusch zu ignorieren.
ßige Interaktion mit dem Tinnitus zu bewirken. Die Spit­
zen der Musik maskieren dabei den Tinnitus, während
die Täler ihn kurzzeitig durchklingen lassen. Danach
wird die Musik erneut angepasst, sodass die Abschnitte
mit hörbarem Tinnitusgeräusch schrittweise verlängert
werden. Die Absicht hinter dieser schrittweisen Steige­
rung des Tinnitusgeräusches in entspanntem Zustand
ist die allmähliche Desensibilisierung des Patienten
gegenüber dem Geräusch (Davis et al., 2002a, 2002b).
Kognitive Verhaltenstherapie (Henry et al., 2001; Henry
et al., 2002):
Die Kognitive Verhaltenstherapie (Cognitive Behaviou­
ral Therapy, CBT) ist eine Psychotherapiemethode, die
durch Verhaltensänderung und kognitive Umstruktu­
rierung darauf abzielt, ungewünschte Verhaltensweisen
und Gedanken zu erkennen und zu modifizieren. Der
Schwerpunkt liegt hierbei auf in den Alltag integrier­
baren Verhaltens- und Kognitionstechniken und auf
Bewältigungsstrategien für schwierige Situationen. CBT
umfasst nicht nur eine veränderte Denkweise, sondern
auch die Veränderung von Gewohnheiten und das Auf­
zeigen von Wegen, schwierige Situationen zu meistern.
Ziel ist es dabei, den Punkt zu erreichen, an dem der
Patient den Tinnitus akzeptieren kann und imstande ist,
ihn auszublenden. Das Tinnitusgeräusch ist dann zwar
immer noch da, aber der Patient denkt anders darüber
und löst so bestimmte Reaktionen aus. Zur CBT gehört
auch die Aufklärung über Tinnitus, Selbsthilfestrategi­
en, Schlaf, Depression, Aufmerksamkeitslenkung, Entspannung, Bewältigungsstrategien und Rückfallpräven­
tion.
Zentrale Elemente effektiver Tinnitustherapien
Tinnitusbehandlung mit Neuromonics (Davis, 1995,
2002a, 2002b; Hanley et al., 2008):
Zuletzt soll die Tinnitustherapie mit Neuromonics (Neu­
romonics Tinnitus Treatment, NTT) vorgestellt werden.
Es handelt sich hierbei um eine klinische Behandlungs­
methode, die die Grundsätze vieler verschiedener Tin­
nitustherapien vereint. Die Behandlung umfasst zwei
Elemente: Musik und psychologische Beratung. Musik
stimuliert die Hörbahnen über alle Frequenzen hinweg
und wird dem Hörprofil des Patienten entsprechend
spektral modifiziert. Dieser Ansatz berücksichtigt
die Auswirkung des individuellen Hörverlusts auf die
Wahrnehmung von Musik und das individuelle Tinnitus­
profil. Ziel ist es, einen Stimulus zu erzeugen, der den
individuellen Tinnitus des Patienten mit der niedrigs­
ten möglichen Lautstärke beeinflusst. Die Musik wird
dazu benutzt, eine unregelmäßige Interaktion mit dem
Tinnitus oder seine Maskierung zu erreichen, um dem
Patienten eine Auszeit von seinem Tinnitusgeräusch
zu verschaffen, ihm beim Entspannen zu helfen und
ihm die Kontrolle über das Geräusch zu geben. Die
Lautstär­ke wird dann angepasst, um eine unregelmä­
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Betrachtet man die verbreitetsten Tinnitustherapien im
Zusammenhang mit anderen vorgeschlagenen Behand­
lungsansätzen und Forschungsergebnissen auf diesem
Gebiet, lassen sich vier Elemente herausstellen, die bei
den effektiven Behandlungsmethoden immer wieder
auftauchen:
Psychologische Beratung:
Zum Ersten scheinen Aufklärung und psychologische
Beratung maßgebliche Faktoren jeder Art von Tinnitus­
behandlung zu sein. Indem der Patient mit vielfältigen
Informationen versorgt wird, kann er seine Beschwer­
den und Probleme besser verstehen, er fühlt sich weni­
ger verletzlich und kann aktiv zur Therapie beitragen.
Typischerweise erhält der Patient allgemeine Informa­
tionen über das Hören, Hörverlust, das Auftreten von
Tinnitus und dessen Mechanismen sowie neurophysio­
logische Modelle und die Fähigkeit des Gehirns, Stimuli
zu ignorieren. Es kann nicht sicher gesagt werden,
welche Informationen am wichtigsten sind; die bei
den jeweiligen Behandlungsmethoden zur Verfügung
gestellten Informationen variieren deutlich. Manche
Tinnitustherapien bauen ausschließlich auf der Bereit­
stellung von Information auf, was bei vielen Patienten
schon reicht, um die negative Spirale anzuhalten, die
häufig von der Angst vor dem Tinnitus ausgelöst wird.
Schallstimulation:
Zum Zweiten integrieren die meisten Behandlungs­
methoden in irgendeiner Weise Schall, um die nega­
tiven Auswirkungen des Tinnitus zu reduzieren. Wie
oben dargestellt, sind einige dieser Methoden mit
bestimmten Leitlinien für die Nutzung von Schall zur
Behandlung von Tinnitus verbunden. Andere wiederum
berücksichtigen persönliche Präferenzen und Umstän­
de und nutzen Schallsignale auf weniger strikte Art und
Weise (Henry et al., 2008). Jedoch ist es offensichtlich
bei all diesen Methoden entscheidend, dass ein kons­
tanter Hintergrundpegel eines schwachen Schallsignals
herrscht, um den Kontrast zwischen dem Tinnitusge­
räusch und der Hörumgebung zu verringern. Durch
diese Kontrastverringerung werden Bedingungen geschaffen, unter denen es leichter ist, den Tinnitus zu
überhören.
WIDEXPRESS
4
Stressabbau:
Drittens wird Stressabbau bei etlichen Tinnitus-The­
rapiemethoden sehr erfolgreich eingesetzt. Stress ist
wohl derjenige Faktor, der am meisten zur Verschlim­
merung des Tinnitus beträgt. Wie oben erwähnt wirkt
sich Tinnitus auf mehrere Arten auf das Gehirn aus. Er
reizt das Hörzentrum und beeinflusst außerdem das
Kontrollzentrum der Emotionen, wodurch Stresshor­
mone ausgeschüttet werden. Resultat: Der Betroffene
erfährt durch den Tinnitus ein höheres Stressniveau,
das wiederum zu einer gesteigerten Wahrnehmung
des Tinnitusgeräusches führt. Aufgrund dieses Zu­
sammenhangs trägt so gut wie jede Methode, die den
Stress- oder Angstpegel des Patienten reduziert, zur
Linderung des Tinnitus-Störfaktors bei. Verschiedene
Techniken wie Biofeedback, Hypnose, Yoga, Meditation
oder Massage können angewandt werden. Es ist aus­
führlich belegt, dass Musik einen stressreduzierenden
Effekt hat und einem Menschen zu mehr Entspannung
und Wohlbefinden und weniger Angst verhelfen kann
(Hanser, 1985; Burns et al., 1999; Scheufele, 2000).
Aufgrund dessen werden beruhigende Klänge – entwe­
der alleine oder in Kombination – zur Erleichterung von
durch Tinnitus hervorgerufenen Stresszuständen und
Spannungen genutzt.
Hörgeräte:
Das vierte Element der effektiven Tinnitustherapie ist
die Nutzung von Hörgeräten. Mehrere Studien haben
gezeigt, dass Verstärkung durch Hörgeräte an sich
schon sehr wirkungsvoll für die Behandlung von Tin­
nitus sein kann (Surr et al., 1985; Kochkin et al., 2008;
Searchfield, 2005; Searchfield et al., 2010; Bo et al.,
2007). Der Mechanismus dieses positiven Effekts der
Hörgeräteverstärkung ist nicht gänzlich geklärt, es ist
jedoch möglich, dass das Tinnitusgeräusch bei Stille
lauter wird, da das Gehirn dann versucht, die durch den
Hörverlust verhinderte Nervenstimulation zu kompen­
sieren. Die Verstärkung durch das Hörgerät erhöht die
Nervenaktivität und hilft so eventuell dem Gehirn da­
bei, seine Sensibilität zu reduzieren. Ein weiterer Faktor
ist offenbar, dass Hörgeräte die Hintergrundgeräusche
ausreichend verstärken, um das Tinnitusgeräusch
teilweise zu maskieren oder zumindest den Kontrast
zwischen Tinnitusgeräusch und Stille zu verringern
(Sweetow et al., 2010a).
Das Widex Zen-Programm
Aufgrund der Tatsache, dass 70–80 % der Menschen
mit Hörverlust auch unter Tinnitus leiden, ist es für
einen Hörsystemhersteller höchst relevant, neben der
Behandlung der Hörminderung durch Verstärkung
auch für die Tinnitusbeschwerden Abhilfe zu suchen.
Unter Berücksichtigung der vier zentralen Elemente der
effektiven Tinnitusbehandlung stellte sich Widex der
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Herausforderung, ein Hörsystem zu schaffen, das nicht
nur verstärkten Schall auf höchstem Niveau und über
einen großen Frequenzbereich hinweg bietet, sondern
auch Schallstimulation zur Verfügung stellt, um den
Kontrast zwischen dem Tinnitus und der Hörumge­
bung zu verringern und dem Betroffenen so beim
Entspannen zu helfen. Mit diesen Vorgaben wurde das
Widex Zen-Programm erschaffen; ein harmonisches
Klangprogramm, das wohltuende Klänge und Breit­
bandrauschen erzeugt. Es kann zur Schallstimulation
bei verschiedenen Arten der Tinnitustherapie einge­
setzt werden oder vom Hörsystem-Träger im Alltag
genutzt werden, indem er das Programm immer dann
aktiviert, wenn es ihm nützlich oder hilfreich erscheint.
Die beruhigenden Klänge des Widex Zen-Programms
basieren auf der Fraktal-Technologie. Dabei werden
Tonfolgen produziert, die den Gesetzmäßigkeiten der
Musik folgen, ohne sich aber jemals zu widerholen. Die
Klänge folgen den Grundsätzen, auf denen die ent­
spannende Wirkung von Musik beruht, und entfalten
sich auf sanfte und eher vorhersehbare Weise, wodurch
passives Hören begünstigt wird. Musik ist ein sehr
komplexes Gebilde, und es ist praktisch unmöglich,
ihre einzelnen Komponenten zu isolieren, ohne dabei
die musikalische Harmonie zu beschneiden. Somit lässt
sich nur schwer mit Genauigkeit sagen, welche Aspekte
der Musik Entspannung hervorrufen und welche Art
von Musik folglich am wirkungsvollsten ist. Es gelten
jedoch einige allgemeine „Regeln“: Langsame Musik ist
eher beruhigend, während schnelle Musik stimulierend
wirkt. Niedrige Tonlagen schaffen Ruhe, hohe Tonlagen
sind eher anregend. Laute Musik mit plötzlichen Rhyth­
mus- oder Lautstärkeänderungen ruft Unruhe hervor,
während Musik ohne bedeutende Rhythmus- oder
Lautstärkeänderungen entspannend ist (Hevner, 1933;
Hevner, 1936; Bella et al., 2001). Darüber hinaus muss
bedacht werden, dass die individuelle Empfindung von
Musik von außermusikalischen Faktoren wie z. B. der
Vertrautheit mit dem Stück, musikalischen Vorlieben,
zurückliegenden musikalischen Erlebnissen und der
Persönlichkeit beeinflusst wird (Hann et al., 2008).
Aufgrund all dieser Faktoren liegt es fern anzunehmen,
dass sich ein bestimmtes Stück auf alle Menschen in
gleicher Weise auswirkt oder dass eine bestimmte
Musik grundsätzlich immer einen entspannenden Effekt erzielt. Um auf persönliche Vorlieben einzugehen,
bietet das Zen-Programm von Widex sechs unter­
schiedliche Stile. Fünf davon sind beruhigende Klän­
ge, die durch das Justieren von Tempo und Tonhöhe
individuell angepasst werden können. Der sechste Stil
besteht aus einem Breitbandrauschen, das entweder
alleine oder in Kombination mit einer der Zen-Melodien
angewandt werden kann. Die Lautstärke der Zen-Stile
kann mithilfe der Anpass-Software oder über den
Lautstärkesteller des Hörsystems justiert werden. Zur
WIDEXPRESS
5
gezielteren Entspannung bietet das Zen-Programm
auch eine Einstellung, in der das Mikrofon ausgeschal­
tet ist, sodass nur die Zen-Klänge gespielt werden.
Bei der Anpassung des Zen-Programms können bis zu
drei verschiedene Zen-Stile gewählt werden, zwischen
denen der Hörsystem-Träger umschalten kann. Um
sicherzustellen, dass die Zen-Klänge jederzeit hörbar
sind, werden bei der Generierung der Fraktalklänge
und des Breitbandrauschens der jeweilige Hörverlust
und eventueller Hintergrundlärm berücksichtigt.
Es wurden mehrere Studien durchgeführt, um zu
untersuchen, ob das Zen-Programm unter klinischen
Bedingungen Wirkung zeigt. Die Ergebnisse d
­ ieser
Studien sind vielversprechend. Die Mehrheit der Teilnehmer empfand die Zen-Klänge als entspannend.
Sie bevorzugten die Zen-Melodien vor der alleinigen
Verstärkung und dem Breitbandrauschen und konnten eine Verminderung der Tinnituswahrnehmung als
Folge des Einsatzes von Zen-Klängen feststellen. (Kuk
et al., 2008; Kuk et al., 2010; Sweetow et al., 2010b).
Wie schon erwähnt spielen Aufklärung und Beratung
in Bezug auf Tinnitus bei allen Arten der Tinnitusbe­
handlung eine wesentliche Rolle. Um das zu erleichtern,
kann der Hörgeräte-Akustiker bei der Beratung des
Kunden auf den „Widex Tinnitus-Leitfaden“ zurück­
greifen.
Fazit
Tinnitus ist ein viel diskutiertes Thema. Es wurden
viele mögliche Ursachen aufgeführt, jedoch konnte
noch kein Konsens erreicht werden. Die große Anzahl
an ­Hypothesen zu den Ursachen des Tinnitus bringt
ebenso viele Vorschläge zu dessen Behandlung hervor.
Durch eine Analyse der verbreitetsten Tinnitus-Be­
handlungsmethoden, der allgemeinen Literatur über
Tinnitus und der Forschung auf diesem Gebiet konnten die wichtigsten gemeinsamen Elemente effektiver
Tinnitustherapien herausgestellt werden. Auf Grundla­
ge dieser Elemente hat Widex ein Hörprogramm ent­
wickelt, das Tinnituspatienten zu Linderung verhelfen
kann. Dies konnte klinisch bestätigt werden.
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WIDEXPRESS
8
NR. 28
WIDEXPRESS
Februar 2011
Von: Prof. Dr. Robert W. Sweetow
Universität von Kalifornien, San Francisco
Belege für den nutzen des Zen-Programms für
Entspannung und gegen Tinnitus
Hintergrund:
Die überwiegende Mehrheit der Menschen, die an Tinnitus leiden, hat auch eine Hörminderung1. Existiert ein
peripherer Hörverlust, löst der eine Flut an Reorganisierungsvorgängen und physischen Veränderungen
aus, die zu erhöhter neuronaler Aktivität in der zentralen Hörbahn führen2. Außerdem trägt Stress erheblich
zur Verschlimmerung von Tinnitus bei3. Die physischen
Folgen von Stress drücken sich in Reaktionen des limbischen Systems aus, die entweder auf eine fehlerhafte
Schleusenfunktion4-6 oder negative emotionale Resonanz zurückgehen und eine natürliche Gewöhnung an
diesen ungefährlichen aber störenden auditiven Sinneseindruck erheblich erschweren. Seit Jahrzehnten
werden akustische Signale zur Maskierung und zum
Abdämpfen des Tinnitusgeräusches und zur Linderung der damit in Verbindung stehenden Beschwerden medizinisch eingesetzt. Aufgrund der Belege dafür, dass viele Tinnitusformen mit verminderter peripherer Stimulation und erhöhter Aktivität des limbischen
Systems (Stress) zusammenhängen, bedienen sich die
gängigen Methoden der Tinnitusbehandlung7-9 eines
Ansatzes, der Aufklärung und Beratung mit Schalltherapie (Rauschen, Musik oder Verstärkung) vereint. Dadurch soll die Neigung des Gehirns, einen Ersatz für die
fehlende akustische Stimulation zu suchen, verringert
werden.
Während jeder dieser Ansätze bewiesenermaßen bestimmten Patienten hilft, gibt es keinen Ansatz, der
eine globale Wirksamkeit erzielt. Zu den potenziellen
Defiziten gehört, dass die verwendeten akustischen Sti-
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muli eventuell keine stressreduzierenden und entspannenden Eigenschaften haben, dass sie nur während des
Zeitraums ihrer Anwendung eine Stimulation bieten
können und dass sie keine Verstärkung von externen
Signalen zur Verfügung stellen, um eine Hörminderung
auszugleichen.
Dass Musik eingesetzt wird, um eine bestimmte Stimmung zu erzielen oder diese zu verändern – stimulierend oder beruhigend –, ist keineswegs neu. Musik wird
aktiv und in zunehmendem Maße bei der therapeutischen Behandlung einer Reihe physischer und psychischer Leiden10 eingesetzt, u. a. deshalb, weil bestimm­te
Gesetzmäßigkeiten und Präferenzen sicher ­festgestellt
werden konnten. Es wurde z. B. nachgewiesen, dass
bestimmte musikalische Strukturen wie langsames
Tempo, niedrigere Tonhöhe, ein gewisses Maß an Wiederholungen und fehlender emotionaler Inhalt eine
­beruhigende statt anregende Wirkung haben11, 12. Akti­
ves Hören wirkt in der Regel stimulierend, passives Hören t­ endenziell beruhigend. Außerdem zeigen Studien, dass die Verwendung von reproduzierter Musik nur
bedingt der Stressreduktion dient, da bekannte Musik
Erinnerungen und potenziell negative Emotionen auslösen13 und dadurch unerwünschte Ablenkung erzeugen
kann. Aktives Hören lenkt eher ab, passives Hören kann
Entspannung und kognitive Funktionen steigern. Es
kann also gefol­gert werden, dass Musik, die zur unterbewussten Entspannung und Reduzierung von Stress
in Zusammen­hang mit Tinnitus verwendet wird, keine
akti­ve Ablenkung darstellen sollte.
widexpress
1
gen zurückgegriffen. Die subjektive Tinnitusintensität
wurde durch die zwei standardisierten Evaluationswerkzeuge Tinnitus Handicap Inventory18 (THI) und
Tinnitus Reaction Questionnaire19 (TRQ) beurteilt. Die
meisten Teilnehmer wurden als „schwierige“ Tinnitusfälle eingestuft, da ihr THI-Ergebnis höher lag als der
Durchschnitt der Patienten der UCSF-Tinnitusklinik
und da bei den meisten das THI-Ergebnis auch nach
­einer Bera­tung unverändert blieb. Alle Teilnehmer unterschrieben vor dem Versuch eine von der amerikanische Ethikkommission IRB zugelassene Einverständniserklärung.
Ein alternativer Ansatz zur Nutzung der Vorteile und
Gesetzmäßigkeiten von Musik ohne die genannten
poten­ziellen Einschränkungen ist die Verwendung von
fraktalen Klängen. Akustische fraktale Klänge zeichnen
sich durch harmonische, nicht vorhersagbare Zusammenhänge aus und werden in einem Rekursivverfahren
erzeugt, bei dem ein Algorithmus das vorangegangene Erzeugnis immer wieder bearbeitet14,15. Die Klänge,
die in etwa denen eines Windspiels ähneln, sind angenehm, werden aber nicht mit Musik in Verbindung gebracht, die beim Zuhörer eventuell Erinnerungen auslöst. Kuk u. a. schilderten 200816 den Zusammenhang
zwischen Fraktalklängen (Zen) und Entspannung. Als
Folge stellt sich die Frage, ob Fraktalklänge bei Tinnitusbetroffenen angewendet werden können.
Durch die in den Versuchshörsystemen ­verfügbaren
Optionen konnten Verstärkung, Fraktalklänge und
Breitbandrauschen gewählt werden. Diese Optionen
konnten entweder miteinander kombiniert oder einzeln genutzt werden (insgesamt 7 Möglichkeiten). Es
waren 5 verschiedene Fraktalklänge bzw. Stile vorgegeben, die von den Probanden gewählt werden konnten. ­Davon waren 4 Stile (green, aqua, coral und lavender) tonaler (fraktaler) Natur, während der 5. Stil ein
Breitbandrauschen darstellte. Die fraktalen Stile unterschieden sich in der Kombination von Dur- und MollKlängen, Tempi und Tonhöhen. Tabelle 1 verleiht einen
Überblick über die allgemeinen E
­ igenschaften der 4
tonalen Fraktalstile. Innerhalb jedes Stils konnten der
Akustiker und der Träger außerdem Lautstärke, Tonhöhe und Tempo der Klänge justieren, um diese so gut
wie möglich den Wünschen des Trägers anzupassen
(siehe Tabelle 1).
2009 wurde an der Universität von Kalifornien in San
Francisco (UCSF) ein Versuch durchgeführt, um die
Wirksamkeit von Fraktalklängen und im Besonderen
die der Zen-Programme in Hörsystemen von Widex bei
Tinnituspatienten zu eruieren. Die Hypothese war, dass
die Fraktalklänge (um den Hörverlust korrigiert) dem
Tinnitusbetroffenen effektiv beim Entspannen helfen
und den Störfaktor des Tinnitus verringern. Die Ergebnisse dieser Untersuchung, die 2010 in einem JAAAArtikel17 ausführlich dargelegt wurden, werden in dieser Ausgabe von WidexPress zusammengefasst und
­besprochen.
Versuchsbedingungen
14 Erwachsene zwischen 34 und 72 Jahren mit leichtgradiger bis mittel-/hochgradiger Hörminderung und
primären Beschwerden durch subjektiven Tinnitus
wurden mit einem mind440 Hörsystem von ­Widex
versorgt und anschließend gebeten, den Effekt der
Schallsignale auf die Entspannungsfähigkeit und den
Tinnitusstörfaktor zu bewerten. Vor der Untersuchung
waren nur 4 der Probanden Hörsystem-Träger. Die Probanden trugen die Hörsysteme anschließend 6 Monate
lang und machten über verschiedene Skalen Angaben
zu Tinnitusstörfaktor und Reaktionen. Die Angaben
wurden beim ersten Termin aufgenommen und dann
wieder nach einer Woche, einem Monat, 3 Monaten und
6 Monaten. Für die nicht-parametrische Statistik wurde auf den Wilcoxon-Vorzeichen-Test, den Chi-Quadrat-Test und die Varianzanalyse mit Messwiederholun-
Standardtonhöhe
Zen-Stil
aqua
Niedrig
Eher niedrig
Eher hoch
Tonalität
Hoch & hallig

Dur
Moll
Dynamikbereich
Beschränkt

coral

lavender

green
Im Zuge der Erstanpassung wurde nur das Hauptprogramm (nur Verstärkung, keine Fraktalklänge oder
Rau­schen) aktiviert. Nach mindestens einer Woche
mit dem Hörsystem kamen die Probanden zu einem
weiteren Termin, um die zusätzlichen Hörprogramme
(3 Fraktalklänge oder Rauschen) hinzuzufügen. Mit angeschlossenen Hörsystemen hörten die Probanden die
Fraktalstile in der Standardeinstellung und bewerteten
die entspannenden Eigenschaften der einzelnen Signale. Für die Reihenfolge der gehörten Klänge wurde
Gegenbalanzierung angewendet. Tempo und Tonhöhe
des Stils, der die beste Bewertung erhielt, wurden dann
weiter justiert, um die Melodie noch entspannender
zu machen. Daraufhin bewerteten die Probanden das



Langsam
Mittel



Schnell




Breit
Standardtempo


Tabelle 1: Akustische Eigenschaften der 4 bei mind440 verfügbaren Fraktal-/Zen-Stile.
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2
ERGEBNISSE
Bewertung des Entspannungseffekts:
Nach der Präsentation der Fraktalklänge bewerteten
die Probanden deren Entspannungseffekt auf einer
Skala von 1 bis 5, wobei 1 für sehr entspannend und 5
für sehr anstrengend steht. Abbildung 1 stellt die Ergebnisse dar. Der Stil lavender wurde als recht neutral,
die anderen 3 Fraktalstile als eher entspannend bewertet. Lavender wurde dabei als bedeutend weniger entspannend empfunden als die anderen 3 Stile (p<0,05),
welche ihrerseits einen Entspannungseffekt deutlich
über dem Neutralpunkt aufwiesen (p<0,05). Zum Vergleich wurde eine kleine Gruppe von Probanden ohne
Tinnitus (N=6) um ihre Beurteilung des Entspannungseffekts der Fraktalmelodien gebeten. Diese Probanden fanden in gleicher Weise die Stile green (N=4) und
aqua (N=2) am entspannendsten. Zwischen den beiden
Gruppen (mit/ohne Tinnitus) gab es keinen Unterschied
hinsichtlich der Vorlieben der verschiedenen Fraktalklänge (p>0,05).
1:
sehr entspannend,
2: eher entspannend,
3: weder entspannend
1-very
relaxing, 2-somewhat
relaxing, 3-neither
relaxing nor
noch
anstrengend,
4: ehertensing,
anstrengend,
sehr anstrengend
stressful,
4-somewhat
5-very5:tensing
5
Rating
4
3
2
1
Fractal Alone
Im Folgenden werden die Ergebnisse zusammengefasst, welche die Studie in Bezug auf Entspannung,
Vorlieben bei den Fraktaleigenschaften, den Tinnitusstörfaktor und die Beeinträchtigung durch und die
­Reaktion auf den Tinnitus hervorgebracht hat.
BEWERTUNG
1: sehr entspannend,
2: eher entspannend,
3: weder relaxing
entspannend
1-very
relaxing, 2-somewhat
relaxing, 3-neither
nor noch
anstrengend,
4: eher anstrengend,
5: sehrtensing
anstrengend
4-somewhat
tensing, 5-very
5 stressful,
Rating
BEWERTUNG
justierte Fraktalprogramm erneut und beurteilten den
Tinnitusstörfaktor, während sie unter Laborbedingungen unterschiedliche Stimuli hörten. Für jedes Hörprogramm wurde die Verstärkung oder die Lautstärke der
Fraktalklänge und/oder des Rauschens so eingestellt,
dass die Klänge für den Probanden leise aber hörbar
waren und in keinem Fall das mühelose Hören oder das
Sprachverstehen behinderten.
Fractal + Master
Fraktale alleine
Fraktale + Hauptpr.
Fractal + Master + Noise
Fraktale + Hauptpr.
+ Rauschen
Abb. 2: Bewertung des Entspannungseffekts dreier Kombina­
tionsmöglichkeiten nach der Anpassung an die persönlichen Präferenzen. Je niedriger die Zahl, desto entspannender wirkte die
Fraktalmelodie auf den Probanden. Die horizontalen Striche zeigen die durchschnittliche Bewertung an.
Abbildung 2 zeigt die Bewertung des Entspannungseffekts für das Zen-Programm alleine im Vergleich zu
den Kombinationen Hauptprogramm + Zen und Hauptprogramm + Zen + Rauschen nach Anpassung des
Fraktalprogramms an die persönlichen Präferenzen.
Zwischen den 3 Kombinationsmöglichkeiten gab es keine bedeutenden Unterschiede. Alle 3 Hörprogrammkombinationen wurden jedoch deutlich über dem Neu­
tralpunkt bewertet.
Skala des Tinnitusstörfaktors
Die Probanden sollten auf einer TinnitusstörfaktorSkala (0 = geringster Störfaktor, 6 = höchster Störfaktor) eintragen, wie hoch der Störfaktor ihres Tinnitus in
Verbindung mit 7 akustischen Szenarien (die 4 Fraktalmelodien, nur Rauschen, nur Verstärkung des Hauptprogramms und ganz ohne Hörsystem) angesiedelt ist.
Der „Störfaktor“ wurde zu diesem Zweck folgendermaßen definiert: „Ausmaß jeglicher negativer emotionaler Reaktionen wie Angst, Missstimmung, Frust, Ärger
oder Gereiztheit“. Diese Bewertungen wurden während
kurzer Hörproben mit den verschiedenen Einstellungen
im Labor vorgenommen und spiegeln nicht die 6 Monate Tragezeit wider.
4
3
2
1
Aqua
aqua
Coral
coral
Lavender
lavender
Green
green
Abb. 1: Bewertungen des Entspannungseffekts der 4 StandardFraktalstile. Je niedriger die Zahl, desto entspannender wirkte
die Fraktalmelodie auf den Probanden. Die horizontalen Striche
zeigen die durchschnittliche Bewertung an.
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3
6
Abb. 3: Skala des Tinnitusstörfaktors, bewertet während der ersten Hörprobe im Labor. Der
höchste Störfaktor ist oben in der Skala angesiedelt, der niedrigste unten. Die horizontalen Striche zeigen die durchschnittliche Bewertung an.
0: Nicht
störend,1-Just
1: kaum
störend,
2: leicht
störend,
3: mäßig3-Moderately
störend, Annoying,
0-No
Annoyance,
Slightly
Annoying,
2-Mildly
Annoying,
4-Very
5-Extremely
Annoying,
6-Worst Possible
Annoyance
4: sehrAnnoying,
störend, 5:
extrem störend,
6: unerträglich
störend
BEWERTUNG
Rating
5
4
3
2
1
0
Aqua
aqua
Coral
coral
Lavender
lavender
Green
Noise
green Rauschen
Abbildung 3 reflektiert die unterschiedlichen Bewertungen der 7 akustischen Szenarien (ohne Hörgerät,
Hauptprogramm, aqua, coral, lavender, green und nur
Rauschen). Die Option ganz ohne Hörsystem wird mit
dem höchsten durchschnittlichen Tinnitusstörfaktor
bewertet, während der Störfaktor mit dem Rauschen
alleine durchschnittlich am niedrigsten bewertet wird.
Die Störfaktorbewertungen bei den 4 Fraktalmelo­dien
gleichen sich größtenteils. Der Störfaktor war ohne
Hörsystem bedeutend höher als mit den 4 Fraktalprogrammen oder dem Rauschen alleine (p<0,05), unterschied sich aber nicht signifikant von dem unter dem
Hauptprogramm vorherrschenden Störfaktor (p>0,05).
Beim Vergleich zwischen dem Rauschen alleine und
den Fraktalprogrammen konnten keine signifikanten
Unterschiede festgestellt werden (p>0,05). Für die
­Bewertung des Störfaktors unter den einzelnen akustischen Optionen war es nicht von Bedeutung, ob der
Proband vorher schon Erfahrung mit Hörgeräten ­hatte
(p>0,05).
Skala des Tinnitusstörfaktors bei selbst angepassten (bevorzugten) Einstellungen
Sowohl für die Labor- als auch für die Feldstudie wurden die Probanden gebeten, ein bevorzugtes Fraktalprogramm auszuwählen und für dessen Tempo und
Tonhöhe Feineinstellungen vorzunehmen. Im Durchschnitt neigten die Probanden dazu, das Tempo und in
geringerem Ausmaß auch die Tonhöhe der Standard­
einstellung ihres bevorzugten Programms nach unten
zu justieren. Die Verlangsamung des Tempos entspricht
der Literatur, die angibt, dass langsamere Rhythmen
entspannender wirken als schnelle. Die Wahl der Tonwww.widex.com
Die Daten für die Fragebogen Tinnitus Handicap Inventory und Tinnitus Reaction Questionnaire wurden bei 4
Terminen (Eingangstermin, nach einem Monat, 3 Monaten und 6 Monaten) aufgenommen. Abbildung 4 zeigt
die fortlaufende Verbesserung der THI- und TRQ-Werte im Laufe der Zeit. Der durchschnittliche THI-Wert
sank (verbesserte sich) deutlich von 58,7 auf 42,0 nach
6 Monaten. Der durchschnittliche TRQ-Wert sank (verbesserte sich) ebenfalls deutlich von 52,6 auf 40,9 nach
6 Monaten.
THI
THI
TRQ
TRQ
90
80
80
70
70
60
60
50
50
40
40
30
30
20
20
10
10
0
Anfang
Initial
Monat
Monate 6 6months
Monate
1 1month
3 3months
Zeitachse
Timeline
TRQ
Score
TRQ-WERTE
Obwohl unter den 4 Fraktaloptionen keine signifikanten Unterschiede beim Störfaktor verzeichnet ­wurden,
zeigten die Probanden eine Vorliebe für bestimmte
Einstellungen. Genauer gesagt bevorzugten 7 der 14
Probanden den Stil green, 5 den Stil aqua, und die Stile lavender und coral wurden von je einem Probanden
bevorzugt.
höhe wurde augenscheinlich von persönlichen Vorlieben und in manchen Fällen von der audiometrischen
Konfiguration bestimmt und weist eine bimodale Verteilung auf.
THI Score
THI-WERTE
Unaided
Master
Ohne
HG Hauptpr.
0
Abb. 4: Durchschnittliche THI- und TRQ-Werte als Funktion über
die Termine. Die schwarzen Balken stehen für den THI, die grauen für den TRQ.
Allerdings konnten nicht bei jedem einzelnen Probanden signifikante Verbesserungen festgestellt werden.
Aufgrund der unterschiedlichen Reaktionen auf die
­verschiedenen Ansätze der Tinnitusbehandlung haben
wir die individuellen Reaktionen weiter geprüft. Sie
werden im Streudiagramm in Abbildung 5 dargestellt.
Jedes Quadrat repräsentiert die Entwicklung eines der
widexpress
4
Probanden. Die gefüllten Quadrate geben THI-Werte,
die leeren Quadrate TRQ-Werte an. Alle Quadrate unter der gestrichelten Linie stellen eine Verbesserung im
Laufe der Zeit dar. Wenn ein Unterschied von 20 Punkten als klinisch signifikant gilt, haben 6 von 14 Probanden im Laufe der Studie eine klinisch signifikante Verbesserung der THI-Werte erreicht. Wenn für den TRQ
ein Kriterium von 40 % gilt, haben 7 Probanden bei
­irgendeinem der Termine während der Studie signifikante Verbesserungen gezeigt.
WERTEat
NACH
MONATEN visit
Score
6 6month
100
THI
THI
TRQ
TRQ
80
60
40
20
0
0
20
40
60
80
100
WERTE
ANFANGvisit
Score
atAMinitial
Abb. 5: Individuelle THI- und TRQ-Werte vom Beginn und vom
Ende des Experiments. Jedes Quadrat repräsentiert die Entwicklung eines der Probanden. Die gefüllten Quadrate geben THIWerte, die leeren Quadrate TRQ-Werte an.
DISKUSSION:
Zahlreiche Studien haben bereits den positiven Effekt
bestätigt, den Hörgeräte auf die Wahrnehmung von
Tinnitus haben20-22. Das Hauptziel der hier besprochenen Untersuchung war herauszufinden, ob Tinnitusbetroffene von Fraktalklängen, die über ein tragbares
Hörsystem zum Einsatz kommen, profitieren können.
Die Daten aus der Laborstudie deuten auf eine ­Reihe
von Vorlieben in Bezug auf die Einstellungen der Fraktalklänge hin. Die beliebtesten Fraktalprogramme waren die mit langsamem oder mittlerem Tempo und eingeschränktem Dynamikbereich. Diese Tatsache wurde
auch bei einer kleinen Gruppe von schwerhörigen Pati­
enten ohne Tinnitus beobachtet, die ebenso wie die
Tinnitusgruppe die entspannende Wirkung der Fraktalklänge bewerten sollte. Die Bevorzugungsmuster
bei den Fraktaleinstellungen scheinen also nicht für die
Tinnituspatienten spezifisch zu sein. Unabhängig von
den Klangeigenschaften und Einstellungen der bevorzugten Melodie empfanden die meisten Probanden die
Fraktalklänge als entspannend.
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Dabei war es offensichtlich, dass die Möglichkeit, ­unter
verschiedenen akustischen Signalen zu wählen, eine
große Rolle spielte. Zwar zeigten die ­Probanden im
Ganzen gesehen die zu erwartenden Präferenzen (die
meisten wählten nämlich die Fraktale mit langsamen
Tempi), jedoch gab es unter ihnen keine eindeutige Bevorzugung eines einzelnen Stiles. Diese Feststellung
unterstreicht die Tatsache, dass es für den Einzelnen
von Vorteil ist, unter verschiedenen Stilen wählen zu
können. Obwohl 7 Teilnehmer dieser Studie die Option
mit ausschließlichem Rauschen im Labor mit dem niedrigsten Tinnitusstörfaktor bewerteten und diese Option
auch durchschnittlich den niedrigsten Störfaktor bewirkte, wählten nur 2 der Teilnehmer diese Option für
den 6-monatigen Versuch mit den Hörsystemen. Keiner der Teilnehmer wählte dabei das alleinige Rauschen
als bevorzugte Einstellung. Weiterhin sprachen zwar
alle 4 erfahrenen Hörsystem-Träger dem Breitbandrauschen den geringsten Tinnitusstörfaktor zu, aber nur
einer wählte es auch für die Feldstudie. Folglich ist es
möglich, dass das Rauschen in der zeitlich begrenzten
Laborstudie aufgrund des Maskierungseffekts mit dem
niedrigsten Tinnitusstörfaktor in Verbindung gebracht
wurde, es jedoch für die reale Situa­tion außerhalb des
Labors nicht als vorteilhaft und praktikabel ­angesehen
wird. Eine interessante Beobachtung war, dass die Teilnehmer der Studie die Option mit dem Rauschen am
ehesten dann wählten, wenn sie in eine Kombination
von Fraktalklängen und Hauptprogramm eingebettet
war.
In ähnlicher Weise bewirkte der Stil lavender, obwohl er
als am wenigsten entspannend bewertet wurde, neben
dem Stil green und dem Rauschen alleine den niedrig­
sten Tinnitusstörfaktor. Auch hier kann dies damit zusammenhängen, dass diese Stile möglicherweise die
beste Maskierung bieten, was aufgrund des schnellen
Tempos und der kurzen Abstände zwischen den Tönen
wahrscheinlich ist. Trotzdem fanden die Probanden das
Signal mit dem schnellen Tempo weder für den kurzfristigen noch für den langfristigen Versuch entspannend genug, um die betreffenden Stile für die 6-monatige Feldstudie auszuwählen.
Nur 3 der Probanden (15 %) bevorzugten das schnellste
Tempo, während 11 Probanden (60 %) das langsamste
Tempo favorisierten. Diese Feststellung deckt sich mit
der Literatur über allgemeine Musikvorlieben, laut der
langsamere Tempi besonders entspannend sind und
bevor­zugt werden. Offensichtlich gelten also für die
Fraktalmusik, trotzdem sie sich von konventioneller Musik bezüglich ihres Wiedererkennungswerts unterscheidet, ähnliche Präferenzen. Die Tonhöhe scheint weniger
relevant zu sein bzw. mehr den persönlichen Vorlieben
zu unterliegen, da der beliebteste Stil green eine hohe
widexpress
5
Tonhöhe mit Nachhall aufwies, während der zweitbeliebteste Stil aqua die niedrigste Standardtonhöhe
­besaß. Ein anderes Merkmal, das die beiden beliebtesten Stile gemeinsam hatten, war die Tonalität. Sowohl
green als auch aqua stehen in Dur. Der am seltensten
bevorzugte Stil lavender steht auch in Dur, jedoch war
in diesem Falle das schnelle Tempo wohl der maßgebliche Faktor für die mangelnde Bevorzugung dieses Stils.
Der Versuch mit den Hörsystemen mit ­Fraktalklängen
und Rauschen als Programmoptionen erstreckte sich
über 6 Monate und die Probanden wurden vor, während und nach diesem Zeitraum befragt. Seit dem
Ende der Versuchsperiode sind die Hörsysteme mit
den genann­ten Programmoptionen auf dem Markt.
13 von 14 Probanden berichteten über eine Linderung des Tinnitusstörfaktors durch mindestens eine
der Verstärkungsoptionen (mit Fraktalklängen/Rauschen oder ohne) im Vergleich zum Tinnitusstörfaktor ganz ohne Hörgerät. Darüber hinaus konstatierten
9 der Probanden einen geringeren Störfaktor bei der
Anwendung der Fraktalklänge alleine als mit Verstärkung alleine. Die THI- und TRQ-Werte, die während des
Versuchs und danach aufgenommen wurden, sanken
bei ca. der Hälfte der Teilnehmer mit Tinnitus bedeutend. Zum Großteil bewirkte die Verstärkung alleine
schon eine Reduzierung des Tinnitusstörfaktors. Auf
die beim Abschluss­termin gestellte Frage, ob zusätzliche Klänge die Gesamtzufriedenheit mit der Verstärkung erhöht haben, antworteten 11 von 14 Teilnehmern
(78 %) positiv. Dennoch wählten die Probanden, wie es
das Datenprotokoll über die 6-monatige Versuchsperiode nachweist, für den langfristigen Gebrauch während 60 % der Zeit die Verstärkung alleine (Hauptprogramm), während sie die Verstärkung in Kombination
mit Fraktalklängen und/oder Rauschen während 30 %
der Zeit nutzten. Die Fraktalklänge alleine wurden
während 10 % der Zeit angewendet. Daraus wird die
Schlussfolgerung gezogen, dass die Minimierung des
Tinnitusstörfaktors zwar als wichtig, aber die Fähigkeit,
besser zu hören, als mindestens genauso wichtig angesehen wird. Dieses Ergebnis ist insofern interessant,
als vor der Studie nur 4 der 14 Probanden mit Tinnitus
schon Hörgeräte-Träger waren.
mäßig. Dennoch herrschten unter den Probanden auch
hier deutliche Präferenzen für bestimmte Programme
und Eigenschaften der Fraktalklänge. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer (86 %) gab an, dass ihnen
die Entspannung mit der Fraktalmusik leichter fiel als
ohne.
FAZIT
Die Ergebnisse stehen im Einklang mit einer kürzlich
erfolg­ten Publikation23 und weisen darauf hin, dass
Qualitäts-Hörsysteme mit Fraktalklängen neben der
Verstärkung auch Linderung für das Tinnitusleiden vieler Betroffenen liefern können. Darüber sollte man jedoch nicht vergessen, dass jegliche Tinnitus-Behandlungsmethoden durch adäquate Beratungsangebote
komplementiert werden müssen.
Bei der Befragung bezüglich des Effekts der einzelnen Programme mit Fraktalklängen wurden diese Programme von 70 % der Teilnehmer als entspannend
oder leicht entspannend, von 20 % als neutral und
von 10 % als leicht anstrengend bewertet. Die Verteilung zwischen den Fraktalklängen alleine, den Fraktalklängen + Hauptprogramm und den Fraktalklängen
+ Hauptprogramm + Rauschen war annähernd gleich-
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