Mondmission - Daniel Schwitzer

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Mondmission - Daniel Schwitzer
Raumfahrt-Wettbewerb
Mondmission
Marke Eigenbau
Mitgliedern des Teams. Nicht umsonst lautet ihr Motto „Hell
yeah, it’s rocket science!“. Wir schießen ein Auto zum Mond,
verdammt nochmal!
© Alex Adler
Russische Mittelstreckenrakete
als Vehikel
Karsten Becker hat das Gehirn des Roboters programmiert.
„Sowas Geiles macht man
nur einmal im Leben“
Rover Asimov Jr. soll bald zum Mond fliegen:
„Im Prinzip nur ein ferngesteuertes Auto”
Google verspricht demjenigen 30 Millionen Dollar, der es zuerst schafft, einen Roboter
auf den Mond zu schießen. Ein Doktorand aus Hamburg nimmt die Herausforderung an.
D
ort, wo Karsten Becker mit Asimov Junior hin will, kann
es nachts schon mal minus 180 Grad kalt werden, und
bis die Sonne wieder aufgeht, verstreichen lange 348
Stunden. Noch dazu ist das Gelände am Ausflugsziel ziemlich
unwegsam – es gibt hohe Berge und tiefe Krater, und überall
liegen Gesteinsbrocken herum, die sich schnell als unüberwindliches Hindernis für das kleine silberfarbene Gefährt erweisen
könnten. Und dann muss Asimov ja überhaupt erst einmal heil
ankommen, was bei einer Strecke von fast vierhunderttausend
Kilometern auch nicht als Selbstverständlichkeit betrachtet werden kann. „Seit 40 Jahren war niemand mehr auf dem Mond“,
sagt Karsten Becker. „Wird langsam Zeit, dass mal jemand vorbeischaut und guckt, ob da oben alles in Ordnung ist.“
20 ∙ Einstieg ∙ 2/2012
Konstruieren Sie einen Roboter, schießen Sie ihn auf den
Mond, lassen Sie ihn dort 500 Meter zurücklegen und währenddessen Bilder und Videos zur Erde senden! So etwa liest
sich in Kurzform die Aufgabenstellung des „Lunar X“-Wettbewerbs, den Google vor fünf Jahren ausgeschrieben hat. Der
Internet-Konzern will damit den Beweis antreten, dass auch
private Initiativen eine Weltraum-Misson auf die Beine stellen
können – und zwar wesentlich kostengünstiger als staatliche
Organisationen wie die NASA. Rund 30 Teams aus der ganzen
Welt nahmen die Herausforderung an und konkurrieren seitdem darum, wer es als erstes auf den Erdtrabanten schafft und
– im Erfolgsfall – die 30 Millionen Dollar Preisgeld abstaubt.
Mit dabei und derzeit gut im Rennen: die „Part-Time-Scientists“ aus Deutschland mit Karsten Becker.
Der 30-Jährige, Studienabschluss in Technischer Informatik,
kombiniert die Mondmission mit seiner Doktorarbeit, die er
derzeit an der TU Hamburg-Harburg schreibt. Bei den „Teilzeit-Wissenschaftlern“ ist Becker für die Elektronik zuständig. Er hat das Gehirn von Asimov Junior programmiert, dem
solarbetriebenen Rover, der ein bisschen so aussieht wie der
Roboter Wall-E aus dem gleichnamigen Pixar-Film. Daneben
kümmert er sich auch um die Steuerung des Gefährts. Das
größte Problem dabei: Wegen der riesigen Entfernung zwischen Erde und Mond beträgt die Signallaufzeit hin und zurück jeweils anderthalb Sekunden. Der Mann am Joystick muss
also stets antizipieren, wo Asimov in drei Sekunden sein wird
und ob dort möglicherweise ein Hindernis lauert. Dabei sollen
ihm hochauflösende 3D-Bilder helfen, die der Rover mit seinen
Kamera-Augen zur Bodenstation senden wird. „Im Prinzip ist
Asimov nur ein ferngesteuertes Auto“, sagt Karsten Becker.
„Allerdings schon ein ziemlich schickes.“
Angefangen haben die Part-Time-Scientists vor drei Jahren zu
fünft. Als Becker hinzustieß, waren sie schon zwanzig. Inzwischen arbeiten rund hundert Leute an der Mission – darunter
gestandene Wissenschaftler genauso wie Hobby-Tüftler und
Studenten. „Jeder steuert das bei, was er am besten kann“,
sagt Becker. Wenn der Doktorand über die Arbeit am Projekt
Mondlandung erzählt, fangen seine Augen an zu leuchten.
„Sowas Geiles macht man nur einmal im Leben. Daran werde
ich mich immer erinnern.“ Und so wie ihm geht es fast allen
Bevor es so weit ist, müssen aber erst noch ein paar Klippen
umschifft werden. Und die sind längst nicht nur technischer,
sondern auch finanzieller Natur, denn die jahrelange Entwicklungsarbeit verschlingt Unmengen an Geld. Eine der wichtigsten Aufgaben des Teams ist es deshalb, immer wieder neue
Sponsoren anzuwerben, die die Mission entweder mit Barem
oder mit technischem Gerät unterstützen. Allein die Rakete,
die hinzugekauft werden darf, kostet um die 15 Millionen Euro.
Hier stehen die Part-Time-Scientists derzeit in Verhandlung mit
den Russen, die ihre alten Interkontinentalraketen aus dem Kalten Krieg loswerden wollen – natürlich ohne die Sprengköpfe.
An Bord einer solchen „Dnepr“ soll Asimov Junior spätestens
Ende nächsten Jahres von der Ukraine aus in die Erdumlaufbahn
aufbrechen. Dort angekommen, wird sich, wenn alles gut geht,
die selbstgebaute Landefähre abkoppeln, mit ihrem Triebwerk
in die Mondumlaufbahn einschwenken, per Schubumkehr senkrecht auf der Oberfläche des Trabanten landen und wenig später ganz sanft den Rover absetzen.
Und wenn ihnen ein anderes Team mit dem Start zuvorkommt?
„Dann machen wir trotzdem weiter“, sagt Karsten Becker.
„Das Preisgeld von Google ist längst nicht mehr unsere Motivation. Wir wollen das Ding einfach rocken.“ Nach seiner Doktorarbeit will Becker übrigens an der Uni bleiben und selbst
Studenten unterrichten. „Da hätte ich schon Bock drauf, jungen Menschen etwas mit auf den Weg zu geben.“ Sollte die
Mondmission der Part-Time-Scientists tatsächlich erfolgreich
verlaufen, wird er ihnen auf jeden Fall ein paar spannende Geschichten erzählen können.
Daniel Schwitzer
Link-Tipps
www.ptscientists.com
www.facebook.com/PartTimeScientists
Das Team der Part-Time-Scientists hat eine eigene Website
und ist auch auf Facebook aktiv.
www.googlelunarxprize.org
Infos zum „Google Lunar X Prize“
Einstieg ∙ 2/2012 ∙ 21