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Foto: Fjällräven
Wandern | Trekking-Event »Fjällräven Classic«
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51 Wochen im Jahr herrscht am Lappland-Fjäll
Einsamkeit. Anfang August aber verwandeln
Weitwanderer den Landstrich in eine orange
getupfte, gesellige Wanderzone.
Fußgängerzone
Text: Folkert Lenz
Wandern | Trekking-Event »Fjällräven Classic«
V
4000 Stiefel im Anmarsch
»Fjällräven Classic« heißt das Geschehen,
das sich alljährlich im Schatten des mit
2104 Metern höchsten schwedischen
Berges Kebnekaise abspielt: ein WeitWander-Wettbewerb. Die orangefarbenen Stoffwimpel tragen die Teilnehmer
an ihren Rucksäcken, damit sie nicht
verloren gehen in der Wildnis. Vielleicht aber auch, um so etwas wie eine
Corporate Identity beim Mehr-Tage-Lauf
herzustellen. Denn Angst vor der Gemeinschaft sollte nicht haben, wer sich
zur Teilnahme entschließt. Wer das einzigartige Natur- und Wildnis-Erleben im
Norden Europas nicht teilen will, sollte
sich eine andere Woche zum Wandern
in Lapplands Bergen aussuchen. Schließlich gehen im Laufe von drei Starttagen
mehr als 2000 Paar Trekking-Stiefel auf
die 110-Kilometer-Distanz.
Der Start: Am Ende einer winzigen
Straße, mitten im Nirgendwo Schwedisch-Lapplands. Rundherum von den
diversen Eiszeiten malträtierte Wildnis:
Weite Trogtäler mit dunkelblauen Seen darin, glattgeschliffene Berge, nur
manchmal spitzt eine schroffe, braune
Felsspitze hervor. Die Stimmung am
Startplatz: wie bei einem Volkslauf. Die
gemächlicheren Wanderer stopfen ihre
Habseligkeiten in riesige Rucksäcke, die
Läufer bereiten sich mit Dehnübungen
auf die Mega-Distanz vor. Der Schnellste
wird in diesem Jahr die knapp 110 Kilometer in nicht mal 14 Stunden zurückle-
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Der Schnellste wird
die 110 Kilometer in
14 Stunden am Stück
zurücklegen, der
langsamste in 166 –
fast eine ganze Woche.
1
gen – am Stück. Mit Gemütlichkeit versucht es ein anderer: In 166 Stunden, also
fast einer vollen Woche, absolviert der
langsamste Wett-Trekker die Überquerung des Fjälls. Die meisten Teilnehmer
nehmen sich drei, vier oder fünf Tage
Zeit für die Strecke. Volkswandertage mit
Schlafsack, Isomatte und Zelt.
2
Uhrzeit zweitrangig
So blickt auch kaum jemand auf die Uhr,
als das rot-weiße Flatterband vor der ersten Startergruppe auf den Boden fällt.
Nach nicht mal fünf Kilometern der erste
Stopp: Auf einem großen Grill bereiten die
Rentierhalter heimische Kost. Im Akkord
stopfen die samischen Frauen am »Lap
Dånalds« Rentier-Buletten in aufgeschnittene Brötchen. Ein Verkaufsschlager angesichts der Tüten-Trocken-Nahrung, die
es in den kommenden Tagen geben wird.
Der Marsch führt durch eine menschenleere Gebirgslandschaft. Die Begegnung mit den Ureinwohnern Lapplands
ist dabei unvermeidlich. Besonders in
einem nassen und kühlen Sommer wie
diesem. Der verhilft nämlich Myriaden
von Mücken zum Leben. Wildnisführer
Mattias Tarestad, der eine Gruppe bei
dem Rennen begleitet, flucht: »Es gibt
viel mehr Moskitos als normal, weil wir
im Juli starke Regenfälle hatten. Wasser
mögen die Mücken. Aber noch mehr
mögen sie Blut. Von Rentieren, und am
liebsten von Menschen.« Der gierigen
Plagegeister kann man sich auf manchen
Etappen kaum erwehren. Immerhin gibt
es auf den höher gelegenen Wegabschnitten Ruhe vor den kleinen Blutsaugern.
Tagelang geht es über Stock und Stein,
meist entlang dem legendären Königsweg,
dem Kungsleden. Die berühmte Wandertour bietet »Wildnis light«. Denn so tief
die Route auch ins schwedische Fjäll
3
4
Fotos: Folkert Lenz (9), Fjällräven
on weit oben betrachtet,
scheint der Fall eindeutig.
Die Landschafts-Masern sind
wieder da. Jahr für Jahr breiten sie sich im Spätsommer am
Lappland-Fjäll aus. Erst sind es nur vereinzelte, signalfarbene Sprenkel. Dann werden sie zu Linien, scharen sich zusammen.
Wenig später lösen sie sich in Luft auf.
Die wenigen Menschen, die in der
Gebirgstundra zwischen Nikkaluokta und
Abisko umgeben von Moortümpeln und
bisweilen schroffen Granitspitzen wohnen, haben sich an den Einfall gewöhnt.
Wenn es soweit ist, machen sie sich ans
Werk: erlegen das eine oder andere Rentier, zerteilen das Fleisch und bieten es als
Rentier-Burger oder Geschnetzeltes in einer Teigtasche den Fremdlingen dar.
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1 Offizielles Dokument zum
Stempelsammeln: der
Wanderpass
2 In acht Gruppen starten die
rund 2000 Teilnehmer.
3 Die Strecke führt immer
wieder durch feuchte Abschnitte – wasserdichte
Stiefel sind ein Muss.
4 Lappländisches Fastfood:
Rentier-Burger bei »Lap
Dånalds«
5 Inmitten anderer Camper oder
abseits: Zelten ist überall
erlaubt.
6 Wer viel auf den Beinen ist,
braucht viel Flüssigkeit.
7 Lappländische Spezialität:
Rentiergeschnetzeltes samt
Marmelade im Wrap
8 Prozedur an den Checkpoints:
Nur wer alle Stempel vorweisen kann, erhält am Ende die
Medaille.
9 Verlaufen ist zwar schwierig,
etwas Orientierung schadet
trotzdem nicht.
10 Stahlgerüst inmitten der
Wildnis: Hängebrücken erleichtern das Vorankommen.
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hineingeht: Immer ist ein kleiner Pfad zu
sehen. Wegweiser, Steinpyramiden oder
rote Holzkreuze markieren die Richtung.
Und so wird der »Fjällräven Classic« von
vielen Trekkern als Einstieg ins Weitwandern genutzt. Im Schutz der Masse kann
man gut erste Erfahrungen machen und
nicht jede Panne wird hier gleich zur Katastrophe. Eines aber muss man wissen:
Wer erst mal gestartet ist, muss aus eigener Kraft wieder zurück in die Zivilisation
kommen. Nur per pedes geht es zum Notausgang, dem Start oder Ziel.
Kontrollen in der Wildnis
3
Übernachtet wird im Zelt, und das muss
selbst getragen werden. Bei der Schlafplatzsuche herrscht freie Auswahl. Viele
Teilnehmer bevorzugen die großen Wiesen nahe den Hütten des Schwedischen
Touristenvereins. Dort ist am Abend Geselligkeit und internationaler Austausch
geboten. Andere entscheiden sich für
Plätze etwas abseits: wildromantisch
auf einem Hügel, einsam auf einer MiniLandzunge an der Biegung eines Flusses.
Alle paar Stunden gibt's eine Kontrollstelle. Hier muss der Wanderpass gestempelt werden. Immer werden die Ankommenden herzlich begrüßt. Häufig warten
kleine Leckerlis, um die Wett-Wanderer
4
1 Im Sommer sind die
Ski-Doos eher kein
Problem.
2 Fast wie im Fernsehsessel:
Relaxpose im Zelt
3 Angekommen!
Nach 110 Kilometern ist
das ein ausgesprochen
gutes Gefühl.
4 Erinnerung an den langen
Marsch: die Medaille aus
Edelmetall samt Abzeichen
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bei Laune zu halten: Suovas – ein Wrap
mit Rentierfleisch und Kartoffelpüree darin – oder heiße Waffeln mit Sprühsahne.
Mmmh, so macht Wildnis Spaß!
Elf Gipfel mit mehr als 2000 Meter
stehen in Schweden, alle in Lappland.
Die meisten rund um den Kebnekaise, an
dessen Flanken Teile des Kungsleden –
und damit auch der »Fjällräven Classic«
– entlang führen. Die Natur ist abwechslungsreich auf dem Trail. Üppig grüne
Gebirgswälder wechseln sich mit den weißen Fahnen von Wollgras in den moorigfeuchten Niederungen ab. Über Tage zieht
sich der Pfad durch die karge Bergtundra
mit seinem gerade knöchelhohen Gestrüpp. Am Ende taucht der Weg in die
dichten Birkenwälder der Seenlandschaft
rund um den Torneträsk ein.
Fern der Zivilisation
Einer der zivilisationsfernsten Punkte
Schwedens liegt am Tjäktja-Pass, den die
meisten Läufer am dritten Tourentag passieren. »1140 Meter über dem Meer« klärt
ein Holzschild am höchsten Punkt der
Tour auf. Mattias Tarestad zeigt auf seine
Wanderkarte: »Schaut her, mindestens
50 Kilometer sind es in jede Richtung bis
zur nächsten Straße.« Hinter dem TjäktjaPass wartet über Stunden erst mal eine
Steinwüste. Graue Felsbrocken zuhauf.
Ein beschwerliches Stück Weg, bevor es
wieder ein bisschen grüner wird.
Bis zu 30 Kilometer Strecke am Tag
machen das Wett-Wandern für viele zum
Gewaltmarsch. Blessuren treten auf, und
dann terrorisieren auch noch Mega-Mückenschwärme die Power-Walker. Doch
irgendwann naht die Erlösung. Die letzte
Kontrollstelle noch, dann kommen die silbergrauen Dächer von Abisko im lichten
Birkenwald in Sicht. Und schließlich der
Zieleinlauf unter großem Jubel. Immerhin: Eine kleine Belohnung bekommt jeder nach dem Wildnismarsch – egal, wie
lange er für die 110 Kilometer gebraucht
hat. Das goldene Blech am rot-weißen
Bande: kleiner Lohn für die Mühe.
Eine Woche dauert das Spektakel.
Danach sind die Mücken wieder fast die
Einzigen, die unter der Nordlandsonne
unterwegs sind. Die Landschaft erholt
sich vom Rot-Flecken-Fieber. Die Tupfer
sind verschwunden. Keine Krankheit, allenfalls ein Wehwehchen ohne Folgen. ◀
Fotos: Folkert Lenz (3), Fjällräven
1
Bei der Schlafplatzsuche herrscht freie
Auswahl. Allerdings
muss das Zelt selbst
getragen werden
– wie auch der Rest.
Trekking-Event »Fjällräven Classic« | Wandern
BASISWISSEN
Wett-Weit-Wandern am Polarkreis
WIE ANKOMMEN?
Hin per Bahn oder Flugzeug
(meist über Stockholm) nach
Kiruna. Unterkunft in diversen
Hotels, Gästehäusern oder
auf dem Ripan Camping, wo
sich mehrere Hundert ClassicTeilnehmer schon vor dem
Abmarsch treffen. Zum Start
in Nikkaluokta fahren ShuttleBusse. Retour geht es ab
Abisko Turiststation mit Bus
oder der Bahn.
WAS MITNEHMEN?
Schlafsack, Isomatte, Zelt,
(Gas-)Kocher, Töpfe sind selbst
mitzubringen. Proviant (Brot,
Müsli, Trockennahrung) und
Brennstoff werden zum Teil
gestellt. Trekking-Stöcke sind
empfehlenswert, robuste und
wasserdichte Trekkingstiefel
Pflicht. Bei der Bekleidung
empfiehlt sich das ZwiebelPrinzip. Es kann empfindlich
feucht, windig und kühl, aber
auch sehr sommerlich sein.
Sonnenschutz nicht vergessen!
Und ohne Moskitoschutz wird
die Tour dann schnell zur Tortur.
mer statt. 2000 Teilnehmer
starten in acht Gruppen.
Auf den 110 Kilometern gibt
es regelmäßige Checkpoints,
wo der Wanderpass vorgelegt
werden muss. Anmeldungen
ab November des Vorjahres
unter www.fjallraven.de/
classic. Die Plätze sind sehr
beliebt und schnell vergeben.
Viele nehmen sich 3-5 Tage
Zeit. Auf 5 Tage verteilt sind
die Etappen 17 bis 26 km lang.
Der »Fjällräven Classic«
verläuft zum Teil auf dem
nördlichen Abschnitt des Weitwanderwegs »Kungsleden«.
SICH ORIENTIEREN
Eine topografische Tourenkarte bekommt jeder Teilnehmer
beim Start. Wer vorher planen
will: Fjällkarta des Vermessungsamtes Lantmatäriet,
1:100 000, Blatt BD 06 »Abisko – Kebnekaise – Narvik«
ZUM EINLESEN
Michael Hennemann »Schweden – Kungsleden«, ConradStein-Verlag, Welver 2014
MEHR ERFAHREN
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Der »Fjällräven Classic« findet
seit 2005 jedes Jahr im Som-
wege sind abenteuer und oft anders
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