Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen1

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Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen1
Kapitel 5.2:
Kollektiventscheidungen1
Dr. Jörg Franke
Technische Universität Dortmund
Sommersemester 2010
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Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen
Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
3. Der Unmöglichkeitssatz von Arrows (1950)
Ziel: Ermittlung einer konsisten Präferenzordnung aus
individuellen Präferenzen mit Hilfe einer Aggregationsregel A.
Konsumenten (Präferenzen):
u1 , u2 , . . . , un
Aggregationsregel A
Soziale Präferenz ≿, bzw.
Wohlfahrtsfunktion W (u1 . . . un )
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Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen
Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Axiomatische Forderungen an Aggregationsregel A:
1. Transitivität und Vollständigkeit: Aus A resultierende soziale
Präferenz sollte vollständig und transitiv sein, d.h. für alle möglichen
Alternativen x ∈ X sollte gelten:
Falls x ≿ x ′ und x ′ ≿ x ′′ dann x ≿ x ′′ .
2. Universalität: A sollte universal anwendbar sein, d.h. für alle
möglichen individuellen Nutzenfunktionen u1 , . . . , un eine soziale
Präferenz ableiten können.
3. Pareto: A sollte Pareto-Optimalität im folgenden Sinne erfüllen:
Falls ui (x) > ui (x ′ ) für alle i ∈ N, dann x ≻ x ′ .
4. Kein Diktator: A sollte nicht dazu führen, daß die individuellen
Präferenzen eines Individuums die soziale Präferenz bestimmen.
5. Unabhängigkeit: A sollte Anordnung von zwei Alternativen
unabhängig von anderen irrelevanten Alternative vornehmen.
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Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen
Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Satz (Unmöglichkeitssatz von Arrows)
Es gibt keine Aggregationsregel A die alle Forderungen 1 - 5
erfüllt.
Satz (Alternative Version)
Jede Aggregationsregel A, die die Forderungen 1 - 3 & 5
erfüllt, muss diktatorisch sein.
Direkte Implikation: Diktator erfüllt Forderungen 1 - 3 & 5!
Welche Forderungen erfüllt die Mehrheitsregel?
▸ Forderung 1 ist offensichtlich nicht erfüllt:
Condorcet-Zykel sind intransitiv!
▸ Alle anderen Forderungen 2 - 5 sind erfüllt.
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Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Fazit: Unmöglichkeitssatz von Arrows impliziert, daß keine
Aggregationsregel existiert, die bestimmte als notwendig
angesehene Eigenschaften aufweist und universell gültig ist.
Ausweg: Einschränkung der Universalität: Zulassung
bestimmter ( realistischer“) Präferenzen, die Aggregation
”
unter Berücksichtigung der anderen Forderungen ermöglicht.
Konkretes Beispiel einer Aggregationsregel: Mehrheitsprinzip
▸
▸
▸
Mehrheitsprinzip verletzt Transitivitätsanforderung: Zykel
jetzt: Beschränkung auf spezifische individuelle
Präferenzen (Verletzung der Universalitätsanforderung)
Durch welche individuellen Präferenzeigenschaften wird
Mehrheitsprinzip transitiv?
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Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen
Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Präferenzen: u1 , . . . , un ∈ Ū
Ū = {U∣U erfüllt zusätzliche Bedingungen}
Mehrheitsprinzip
Transitive Soziale Präferenz ≿M
Beispiel: Demokratische Familie
Gibt es Restriktionen für Präferenzen der Familienmitglieder,
so daß es nie zu Zykeln kommen kann?
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Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen
Restriktion der Universalität: Eingipflige Präferenzen
Erläuterung: Präferenzen sind eingipflig, wenn von der
bevorzugten Alternative weiter entfernte“ Allokation weniger
”
präferiert werden.
Voraussetzung: Alternativen können sinnvoll auf einer
eindimensionalen Achse geordnet werden.
Beispiel für eingipflige Präferenz: ui (B) > ui (A) > ui (C )
ui
Alternative
A
B
C
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Mehrheitsprinzip
Beispiel: Demokratische Familie mit Condorcet-Zykel
▸ Vater V :
MS ≻V S ≻V B
▸ Mutter M:
B ≻M MS ≻M S
▸ Kind K :
S ≻K B ≻K MS
Bemerkung: Nicht-eingipflige Präferenzen induzieren
Condorcet-Zykel.
ui
ui
M
K
K
V
V
M
Alt.
MS
S
B
Alt.
B
MS
S
Fazit: Unabhängig von der Reihung der Alternativen ist mind.
eine Präferenz nicht eingipflig.
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Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Behauptung: Existiert Reihung der Alternativen, so daß alle
Präferenzen eingipflig, so tritt bei Mehrheitsabstimmungen
kein Condorcet-Zykel auf (damit auch keine Intransivität).
Beispiel:
▸ Vater V :
MS ≻V S ≻V B
▸ Mutter M:
B ≻M S ≻M MS
▸ Kind K :
S ≻K B ≻K MS
ui
M
K
V
Alt.
MS
S
B
Für Reihung MS, S, B sind alle Präferenzen eingipflig.
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Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Mehrheitsabstimmung:
Familienentscheidung durch paarweise Abstimmungen:
▸ MS vs. S
⇒ 1:2 ⇒ S ≻ MS
▸ S vs. B
⇒ 2:1 ⇒ S ≻ B
▸ B vs. MS
⇒ 2:1 ⇒ B ≻ MS
Resultat: Transitive soziale Präferenzordnung: S ≻ B ≻ MS
Theorem (Black 1948)
Sei n = ∣N∣ ungerade. Falls Alternativen so geordnet werden
können, daß alle individuellen Präferenzen eingipflig sind, so
ist das Mehrheitsprinzip transitiv.
Implikation: Bei eingipfligen Präferenzen und n ungerade
erfüllt Mehrheitsprinzip die Forderungen 1,3-5 aus Arrows
Unmöglichkeitssatz.
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Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen
Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Frage: Was passiert wenn n gerade?
Für n gerade ist soziale Präferenz ≻ quasi-transitiv, d.h. Zykel
sind ausgeschlossen.
Beispiel: Demokratische Familie ohne Kind
▸ Vater V :
MS ≻V S ≻V B
▸ Mutter M:
B ≻M MS ≻M S
ui
V
M
Alt.
B
MS
S
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Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Paarweise Abstimmungen:
▸ MS vs. S
⇒ 2:0 ⇒ MS ≻ S
▸ S vs. B
⇒ 1:1 ⇒ B ∼ S
▸ B vs. MS
⇒ 1:1 ⇒ B ∼ MS
Fazit: Soziale Präferenzordnung ist nicht strikt transitiv. Aber
es existieren Alternativen (MS und B), die gegen keine andere
Alternative verlieren.
Bemerkungen:
▸ Für n ungerade, gibt es genau eine Alternative, die gegen
keine andere verliert.
▸ Im Beispiel Festlegung der Raumtemperatur“
”
(Abstimmungen über öffentliches Gut) sind Präferenzen
eingipflig ⇒ Vom Medianwähler präferierte Alternative
gewinnt gegen alle anderen Alternativen.
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Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Politische Relevanz
Blacks Resultat verlangt Eingipfeligkeit auf eindimensionaler Skala!
Interpretation aus Perspektive der politischen Theorie:
▸
Wähler haben Präferenzen auf rechts-links-Spektrum, d.h.
Präferenzen sind eingipflig.
▸
Blacks Resultat: Es existiert eine Alternative, die bei Anwendung
des Mehrheitsprinzips gegen alle anderen Alternativen gewinnt.
▸
Diese Alternative ist die vom Medianwähler präferierte Alternative.
Alle Parteien haben Anreiz, sich entsprechend dieser Alternative
( in der Mitte“ des politischen Spektrums) zu positionieren.
”
Evidenz: Parteien behaupten in Mitte der Gesellschaft“ zu sein ( Neue
”
”
Mitte“), bzw. stellen andere Parteien als extrem bzw. randlastig dar!
▸
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Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Frage: Was passiert bei mehrdimensionalen pol. Spektrum?
Politisches Beispiel: Gründung der Grünen erweitert
politisches Spektrum um Dimension Ökologie“.
”
Ideologie einer Partei P ∈ (G , S, C ) beschrieben durch
zweidimensionalen Vektor (xP , yP ), wobei:
▸ xP ∈ [0, 1] ökologisches Spektrum,
▸ yP ∈ [0, 1] traditionelles links-rechts Spektrum.
Bemerkung: Konzept der Eingipfeligkeit problemlos
übertragbar auf zwei Dimensionen: Von der bevorzugten
Alternative weiter entfernte“ Allokation werden weniger
”
präferiert.
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Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen
Wählerpräferenzen im zweidimensionalen pol. Spektrum:
x
G
S
C
y
▸
▸
Beachte: (G , S, C ) entspricht Präferenzen des jeweiligen
Parteimitglieds, d.h. Parteien sind entsprechend ihren
Mitgliederpräferenzen im pol. Spektrum positioniert.
Vereinfachende Annahmen: Präferenzen der Bevölkerung
zu gleichen Teilen auf 3 Parteien aufgeteilt.
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Mehrheitsprinzip
Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen
Wahl zwischen Alternativen A, B, C
x
G
A
S
B
C
y
Für diese Konstellation gilt folgende Präferenzrelation:
▸ C ≻C B ≻C A
▸ B ≻S A ≻S C
▸ A ≻G B ≻G C
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Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Paarweise Mehrheitswahl ergibt:
▸ A vs. B
⇒ 1:2 ⇒ B ≻ A
▸ B vs. C
⇒ 2:1 ⇒ B ≻ C
▸ A vs. C
⇒ 2:1 ⇒ A ≻ C
Fazit: In diesem Fall ist resultierende soziale Präferenzordnung
strikt transitiv: B ≻ A ≻ C .
Grund:
▸ Für Alternativen A, B, C sind Voraussetzungen aus Blacks
Theorem erfüllt.
▸ Schnitt entlang Gerade erlaubt eindimensionale und
eingipflige Repräsentation der Wählerpräferenzen.
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Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen
Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Beobachtung: Ind. Präferenzen eindimensional darstellbar:
▸ C ≻C B ≻C A
▸ B ≻S A ≻S C
▸ A ≻G B ≻G C
ui
G
C
S
Alt.
A
B
C
Fazit: Präferenzen über A, B, C sind eingipflig.
Frage: Gilt dies auch für alle möglichen Alternativen?
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Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen
Wahl zwischen Alternativen A′ , B ′ , C ′
x
G
A’
S
B’
C
C’
y
Für diese Konstellation gilt folgende Präferenzrelation:
▸ B ′ ≻C C ′ ≻C A′
▸ C ′ ≻S A′ ≻S B ′
▸ A′ ≻G B ′ ≻G C ′
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Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen
Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Paarweise Mehrheitswahl ergibt:
▸ A′ vs. B ′
⇒ 2:1 ⇒ A′ ≻ B ′
▸ B ′ vs. C ′
⇒ 2:1 ⇒ B ′ ≻ C ′
▸ C ′ vs. A′
⇒ 2:1 ⇒ C ′ ≻ A′
Fazit: In diesem Fall ist resultierende soziale Präferenzordnung
intransitiv: A′ ≻ B ′ ≻ C ′ ≻ A′ .
Trotz Eingipfeligkeit treten im zweidimensionalen Spektrum
Condorcet-Zykel auf!
Resultat: Blacks Resultat gilt nur im eindimensionalen
Spektrum!
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Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen
Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Zusammenfassung Kapitel 5: Kollektiventscheidungen
▸ Bei Vorliegen von Externalitäten bzw. öffentlichen Gütern
ist private (dezentrale) Bereitstellung über den Markt
nicht effizient.
▸ Öffentliche Bereitstellung verlangt Entscheidung über
Ausmaß der Bereitstellung, d.h. Aggregation individueller
Präferenzen zu sozialer Präferenzordnung
▸ Arrows Unmöglichkeitsresultat:
Es existiert keine befriedigende Aggregationsregel, die als
notwendig erachtete Anforderungen an solche Regeln
erfüllen.
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Kapitel 5.2: Kollektiventscheidungen
▸
Beispiel für Relevanz des Unmöglichkeitsresultats:
Condorcet-Zykel bei paarweiser Mehrheitswahl
▸
▸
▸
Arrows Unmöglichkeitstheorem
Mehrheitsprinzip
Resultierende soziale Präferenzordnung ist intransitiv,
Ergebnis der paarweisen Mehrheitswahl ist arbiträr, d.h.
abhängig von Abstimmungsreihenfolge.
Ausweg: Restriktion der zugelassenen Präferenzen
▸
▸
Eingipflige Präferenzen auf eindimensionaler Skala
führen zu transitiver sozialer Präferenz: Sozial
bevorzugte Alternative entspricht derjenigen des
Medianwählers.
Beschränkung der Anforderung der Universalität führt zu
Möglichkeitsresultat.
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