Dünnschnabel-Walvögel: „Mini-Albatrosse” - Max-Planck
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Dünnschnabel-Walvögel: „Mini-Albatrosse” - Max-Planck
Jahrbuch 2009/2010 | Quillfeldt, Petra; Masello, Juan Francisco | Dünnschnabel-W alvögel: „Mini-Albatrosse” messen Klimaw andel im Südpolarmeer Dünnschnabel-Walvögel: „Mini-Albatrosse” messen Klimawandel im Südpolarmeer Thin billed prions: “miniature albatrosses” measure climate change in the Southern Ocean Quillfeldt, Petra; Masello, Juan Francisco Max-Planck-Institut für Ornithologie, Teilinstitut Radolfzell, Radolfzell Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Das Südpolarmeer gehört zu den vom Klimaw andel am stärksten beeinflussten Meeresökosystemen. Untersuchungen an Dünnschnabel-Walvögeln, die sich in diesen w eiten Meeresgebieten von Zooplankton ernähren, sollen unser Verständnis von den Veränderungen im Ökosystem fördern. Weiterhin w erden Anpassungen untersucht, die es den Vögeln ermöglichen, mit den veränderten Bedingungen umzugehen, insbesondere die Flexibilität im Verhalten bei der Kükenversorgung und in der Physiologie, mit der sie Zeitabläufe und Investitionen im Brutzyklus steuern. Summary The Southern Ocean is strongly affected by global change. A long-term study of Thin-billed prions, a small seabird feeding on zooplankton in these vast ocean areas, w as designed to further our understanding of the changes that currently take place in this ecosytem. Further, this study w ill look at adaptations that enable the birds to cope w ith changing conditions, such as flexible provisioning behaviour and physiological regulation of timing and investments in the breeding cycle. Hintergrund Der globale Klimaw andel beeinflusst Meeresökosysteme unter anderem durch die Erhöhung der Meerestemperatur, durch Versäuerung und Veränderungen in den Meeresströmungen. Als Folge dieser Änderungen beobachten w ir derzeit im Südlichen Ozean eine Verschiebung der Häufigkeiten von Primärproduzenten und Zooplankton, die als Symptome eines regime shift (Ökosystemw andels) gedeutet w erden. Um diese Prozesse und ihre Ausw irkungen auf die Lebensgemeinschaften dieser auch ökonomisch bedeutsamen Meeresgebiete besser zu verstehen, w erden nicht nur Daten über die kommerziell genutzten Arten w ie Tintenfische und Fische, sondern auch über tiefer im Nahrungsnetz stehendes Zooplankton benötigt. Dieses Zooplankton, zu dem im Südw estatlantik insbesondere kleine freischw immende Krebstiere (Krill- und © 2010 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/7 Jahrbuch 2009/2010 | Quillfeldt, Petra; Masello, Juan Francisco | Dünnschnabel-W alvögel: „Mini-Albatrosse” messen Klimaw andel im Südpolarmeer Amphipodenarten) gehören, bietet den Fischen und Tintenfischen Nahrung. Die Fa lk la nd-Inse ln lie ge n a uf de m P a ta gonische n Sche lf. Durch die Me e re nge zwische n Süda m e rik a und de r Anta rk tische n Ha lbinse l, die Dra k e -P a ssa ge , wird k a lte s, nä hrstoffre iche s W a sse r a us de m Südpola rm e e r na ch Norde n ge le ite t und e rre icht da s Archipe l a ls Fa lk la nd/Ma lvina s-Strom . Da durch ha be n die Dünnschna be l-W a lvöge l (obe n: Kük e n, unte n: Altvöge l), die a uf Ne w Isla nd brüte n, Zuga ng zu k ä lte lie be nde n Zoopla nk tona rte n. © Ma x -P la nck -Institut für O rnithologie /Q uillfe ldt Dünnschnabel-Walvögel Vom Zooplankton lebt aber auch eine kleine Vogelart, der Dünnschnabel-Walvogel Pachyptila belcheri, der auf den Falkland-Inseln am Rand des Südpolarmeeres brütet (Abb. 1). Da das Zooplankton besonders schnell auf Veränderungen in den Umw eltbedingungen reagiert, sind Zooplankton-Jäger w ie Dünnschnabel-Walvögel ideal für Untersuchungen zum Meeresklimaw andel. Dünnschnabel-Walvögel gehören mit Albatrossen, Sturmvögeln, Sturmschw alben und Sturmtauchern zur Vogelordnung der Procellariiformes (Röhrennasen). W ie die Namen schon andeuten, sind sie vor allem in den stürmischen Polarmeeren zu Hause, es gibt aber auch einige w enige tropische Arten. Ihre charakteristischen Lebensläufe zeichnen sie als sehr langlebige Arten aus, die sich mit nur einem Ei alle ein bis zw ei Jahre sehr langsam fortpflanzen. Auch die Kükenentw icklung erfolgt langsamer als beispielsw eise bei Singvögeln, da die Küken nur unregelmäßig und mit Unterbrechungen gefüttert w erden ([1], Abb. 2). W ährend der bis zu acht Tage langen Nahrungsflüge ([2], Abb. 2) können die Vögel antarktische Meeresgebiete hunderte Kilometer w eiter südlich erreichen [3]. Durch diese hochpelagische Lebensw eise, das heißt die Nutzung ausgedehnter Hochseegebiete, können Dünnschnabel-Walvögel lokalen Schw ankungen im Nahrungsangebot großräumig ausw eichen. Im Gegensatz zu den ebenfalls auf den Falkland-Inseln brütenden Pinguinarten konnten W alvögel dadurch trotz einer Reihe sehr schlechter Brutsaisons [4] bislang stabile Populationsgrößen erhalten. © 2010 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/7 Jahrbuch 2009/2010 | Quillfeldt, Petra; Masello, Juan Francisco | Dünnschnabel-W alvögel: „Mini-Albatrosse” messen Klimaw andel im Südpolarmeer Durch e ine Kom bina tion von Kük e nwie ge n und Radiotracking de r Altvöge l k önne n die Fütte runge n de r Dünnschna be lW a lvöge l ge na u e rfa sst we rde n. Die Altvöge l sind zwische n 1 und 8 Ta ge n unte rwe gs, um se lbst zu fre sse n und Na hrung für die Jungvöge l zu sa m m e ln (obe n re chts). Die Kük e n we rde n da he r nicht je de n Ta g ge fütte rt, m a nchm a l je doch in e ine r Na cht von be ide n Altvöge ln. Da nn ne hm e n sie bis zu 50 Gra m m Körpe rm a sse zu (unte n re chts). Link s: Kük e n im Alte r von 5, 25 und 45 Ta ge n © Ma x -P la nck -Institut für O rnithologie /Q uillfe ldt; Gra fik m odifizie rt a us [2] Große Kolonien ermöglichen Koexistenz mit Fressfeinden W ie bei vielen anderen Röhrennasenarten, sind auch die Kolonien der Dünnschnabel-Walvögel ein Magnet für Prädatoren (Fressfeinde). Die Bejagung durch natürlich auftretende Prädatoren w ie Raubmöw en umgehen Dünnschnabel-Walvögel w eitgehend, indem sie ihre Nester in selbstgegrabenen, mehrere Meter lange Gänge umfassenden Erdhöhlen anlegen. Auch kommen sie nur nachts, im Schutz der Dunkelheit, in die Kolonie. Diese Maßnahmen sind jedoch nicht effektiv gegen kleine Säugetiere. Die Inseln, auf denen die großen Brutkolonien entstanden sind, w aren ursprünglich frei von Landsäugetieren. Jedoch haben Robben- und Walfänger sow ie Siedler im 19. Jahrhundert Kaninchen, Katzen, Mäuse und Ratten auf New Island ausgew ildert beziehungsw eise eingeschleppt. Dass es auf einer Insel mit so vielen „Neubürgern” den DünnschnabelWalvögeln gelang, ihre größte w eltw eit bekannte Kolonie mit ca. zw ei Millionen Brutpaaren aufrechtzuerhalten, liegt w ohl an zw ei Hauptfaktoren [5]. Zum einen sind die Dünnschabel-Walvögel w ie auch andere Seevögel nur im Südsommer, von November bis März, auf der Insel. Im W inter müssen sich die Säuger mit der kargen Vegetation begnügen. Zum anderen reduzieren die verschiedenen Säuger ihre Zahl gegenseitig, indem z.B. die Katzen die Kaninchen, Mäuse und Ratten jagen. So bleibt die Zahl der eingeschleppten Säuger gering und hat auf die sehr große Zahl der Walvögel nur einen kleinen Einfluss [5]. Anders w ürde das bei kleinen Kolonien aussehen, und dieser Umstand hindert w ohl die Walvögel an der Besiedelung anderer Inseln im Falkland-Archipel. © 2010 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/7 Jahrbuch 2009/2010 | Quillfeldt, Petra; Masello, Juan Francisco | Dünnschnabel-W alvögel: „Mini-Albatrosse” messen Klimaw andel im Südpolarmeer O be n: Die vom Sa te llite n ge m e sse ne O be rflä che nMe e re ste m pe ra tur im Be re ich südwe stlich de s Fa lk la ndArchipe ls (50-52°S, 61-63°W ) ze igte e ine n Anstie g im e rste n Te il de r Studie , da na ch e ine Abse nk ung. Da s la ngjä hrige Mitte l ist grün ge k e nnze ichne t, die Tre ndk urve rot und de r Te m pe ra turve rla uf wä hre nd de r Brutsa ison (Nove m be r bis Mä rz) bla u. Unte n: Die Körpe rk ondition de r W a lvoge l-Kük e n ze igt de n um ge k e hrte n Ve rla uf, m it schle cht ge fütte rte n Kük e n be i W a rm wa sse re influss in de r Mitte de r Studie . © Ma x -P la nck -Institut für O rnithologie /Q uillfe ldt Kleine Erwärmung, große Wirkung W ährend der ersten Jahre der Studie (2003-2005) kam es zu einem graduellen Anstieg der Meeresoberflächentemperatur, danach (2006-2008) w ieder zu einem Abfall ([4], Abb. 3). Zusätzlich traten kurzzeitige Warmw assereinflüsse auch innerhalb der Brutsaisons auf. Zeiten mit w armem Meerw asser schlugen sich zeitgleich in niedrigen Fütterraten und schlechter Körperkondition der Küken nieder ([4], Abb.3 und 4). Dabei w aren deutliche Effekte schon zu sehen bei 0.5-1°C Wassertemperatur über dem langjährigen Mittel. Das zeigt, w ie sensibel Dünnschnabel-Walvögel auf Veränderungen im Nahrungsangebot reagieren. Die Altvögel führen dann mehr lange Nahrungsflüge durch und kommen w eniger häufig in die Kolonie, um die Küken zu füttern. Wie reagieren die Küken auf schlechte Versorgung? © 2010 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/7 Jahrbuch 2009/2010 | Quillfeldt, Petra; Masello, Juan Francisco | Dünnschnabel-W alvögel: „Mini-Albatrosse” messen Klimaw andel im Südpolarmeer Auf den ersten Blick überrascht es, dass sich die schlechte Versorgung der Küken in w armen Jahren nicht in einem geringeren Bruterfolg niederschlug [4]. Das lag daran, dass die meisten Küken bis zum Flüggew erden überlebten, auch w enn sie dafür länger benötigten und viel leichter ausflogen als die Küken in den besseren Jahren. Die Küken kommunizierten ihren größeren Hunger an die Altvögel, indem sie mehr und intensiver bettelten ([4], Abb. 4). So stieg die Zahl der Bettelrufe, mit denen sie die heimkehrenden Altvögel begrüßten, von 300 auf über 1000 Rufe, und die Dauer der Bettelsitzungen von 14 auf über 40 Minuten ([4], Abb. 4). Die Küken zeigten also deutliche Anzeichen von schlechter Versorgung, die sich in ihrer w eiteren Entw icklung durch reduzierte kognitive Fähigkeiten und ein schlechter ausgebildetes Immunsystem auf Überleben und Fitness ausw irken könnten. In diesem Zusammenhang flossen daher mechanistische Aspekte in die Untersuchungen ein, insbesondere zur hormonellen Steuerung des Bettelverhaltens [6,7], zur hormonellen Steuerung von Zeitabläufen w ie Ruhe- und Aktivitätsphasen am Tag und des Flüggew erdens [8] sow ie zur Entw icklung der hormonellen Stressantw ort [9] und des Immunsystems bei den Küken [10]. O be n: In W oche n m it wa rm e m O be rflä che n-Me e rwa sse r wurde n pro Na cht de utlich we nige r W a lvoge l-Kük e n ge fütte rt. Unte n: Da ra ufhin be tte lte n die Kük e n de utlich m e hr, lä nge r und inte nsive r). © Ma x -P la nck -Institut für O rnithologie /Q uillfe ldt; Gra fik m odifizie rt a us [4] Diese Untersuchungen zeigten, dass die Küken der Dünnschnabel-Walvögel die Ausw irkungen der unterschiedlichen Umw eltbedingungen auf ihre Entw icklung w eitgehend abpuffern konnten. Zum Beispiel w ar die Entw icklung ihres Immunsystems nur vom Alter, aber nicht von ihrer Körperkondition abhängig [10]. Das könnte die Küken vor Spätfolgen der schlechten Versorgung schützen und erklärt, w arum Altvögel selbst in schlechten Jahren in die Kükenversorgung investieren sollten. Küken hatten außerdem eine eingeschränkte Hormonantw ort auf akute Stressoren [9] und sparten dadurch Energie. Dies macht sie zu einer besonders guten Studienart, denn tägliche Nestkontrollen haben keinen Einfluss auf das Kükenw achstum oder den © 2010 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 5/7 Jahrbuch 2009/2010 | Quillfeldt, Petra; Masello, Juan Francisco | Dünnschnabel-W alvögel: „Mini-Albatrosse” messen Klimaw andel im Südpolarmeer Hormonstatus der Küken [9]. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Dünnschnabel-Walvögel eine sehr gute Indikatorart für Veränderungen im Meeresökosystem des Südw est-Atlantiks darstellen. Man muss dabei beachten, dass der Bruterfolg allein w enig aussagekräftig ist und dass sich auch Populationstrends nur relativ langsam verändern w erden. Dagegen ermöglichen Verhaltensmessungen w ie die Fütterraten der Altvögel und die Bettelraten der Küken ein sehr zeitnahes Monitoring der verfügbaren Zooplankton-Menge. Solche Parameter können als frühzeitiges W arnsystem für Veränderungen im Ökosystem genutzt w erden. Originalveröffentlichungen Nach Erw eiterungen suchenBilderw eiterungChanneltickerDateilisteHTML- Erw eiterungJobtickerKalendererw eiterungLinkerw eiterungMPG.PuRe-ReferenzMitarbeiter (Employee Editor)Personenerw eiterungPublikationserw eiterungTeaser mit BildTextblockerw eiterungVeranstaltungstickererw eiterungVideoerw eiterungVideolistenerw eiterungYouTubeErw eiterung [1] P. Quillfeldt, J. F. Masello , I. J. Strange: Breeding biology of the Thin-billed prion Pachy ptila belcheri at New Island, Falkland Islands, in the poor season 2002/2003: Egg desertion, breeding success and chick provisioning. Polar Biology 26, 746 – 752 (2003). [2] P. Quillfeldt, I. J. Strange , G. Segelbacher, J. F. Masello: Male and female contributions to provisioning rates of Thin-billed prions Pachy ptila belcheri in the South Atlantic. Journal of Ornithology 148, 367– 372 (2007). [3] P. Quillfeldt, R. A. R. McGill, I. J. Strange, J. F. Masello, F. Weiss, P. Brickle, R. W. Furness: Stable isotope analysis reveals sexual and environmental variability and individual consistency in foraging of Thin-billed prions. Marine Ecology Progress Series 373, 137– 148 (2008). [4] P. Quillfeldt, I. J. Strange, J. F. Masello: Sea surface temperatures and behavioral buffering capacity in Thin-billed prions, breeding success, provisioning and chick begging. Journal of Avian Biology 38, 298 – 308 (2007). [5] P. Quillfeldt , I. Schenk, R. A. R. McGill, I. J. Strange , J. F. Masello, A. Gladbach, V. Roesch, R. W. Furness: Introduced mammals coexist with seabirds at New Island, Falkland Islands, Abundance, habitat preferences and stable isotope analysis of diet. Polar Biology 31, 333 – 349 (2008). [6] P. Quillfeldt, J. F. Masello, I. J. Strange, K. L. Buchanan: Begging and provisioning of Thin-billed prions Pachy ptila belcheri is related to testosterone and corticosterone. Animal Behaviour 71, 1359 – 1369 (2006). © 2010 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 6/7 Jahrbuch 2009/2010 | Quillfeldt, Petra; Masello, Juan Francisco | Dünnschnabel-W alvögel: „Mini-Albatrosse” messen Klimaw andel im Südpolarmeer [7] P. Quillfeldt, N. Everaert, J. Buyse, J. F. Masello, S. Dridi: Relationship between plasma leptin-like protein levels, begging and provisioning in nestling Thin-billed prions Pachy ptila belcheri. General and Comparative Endocrinology 161, 171 – 178 (2009). [8] P. Quillfeldt, M. Poisbleau, O. Chastel, J. F. Masello: Corticosterone in thin-billed prion Pachy ptila belcheri chicks, Diel rhythm, timing of fledging and nutritional stress. Naturw issenschaften 94, 919 – 925 (2007). [9] P. Quillfeldt, M. Poisbleau, O. Chastel, J. F. Masello: Acute stress hyporesponsive period in nestling Thin-billed prions Pachy ptila belcheri. Journal of Comparative Physiology A 195, 91 – 98 (2009). [10] P. Quillfeldt, G. Ruiz, M. Aguilar Rivera, J. F. 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