den Drillsergeanten von Matt Gerdes aus GLEITSCHIRM 11
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den Drillsergeanten von Matt Gerdes aus GLEITSCHIRM 11
Der Drill-Sergeant und seine Opfer oder: „Wie man originelle Gleitschirmaufnahmen macht“ oder: „Wie man ein erfolgreiches Photoshooting nicht leitet“ oder: „Ruhm und Risiko in der Zentralschweiz“ oder weiß der Kuckuck wie ... Von Matt Gerdes Aus dem Amerikanischen I übersetzt von Felix Wölk ch glaube ich war an diesem Tag auf Konfrontation aus. Ich wußte nicht was ich mir dabei dachte. Natürlich war es Unsinn. Feuer frei: Ich war kurz davor durchzudreh`n. Gleit schirmmags aus aller Welt landen auf meinem Schreib tisch. Gleitschirmfotos von Japan bis zu den Nieder landen begraben meinen Arbeitsplatz. Sie bedecken Bildschirm, Tastatur, meinen Kaffeetisch. Der Mülleimer ist schon lange randvoll. Die meisten davon sehen alle gleich aus: lachende Gesichter in gestylten Overalls flie gen in steifen Formationen über makellosen Landschaf ten ... alles im Licht einer immer scheinenden Sonne. Das Faß lief über: „Vergiß den ganzen heile-WeltSchrott“, fluchte ich, „Regen und Dunkelheit will ich. In der Schweiz ist es sowieso nie sonnig, die Wahrheit muß ans Licht!“ Ich wußte was es bedeutet, eine regnerische Woche in der Schweiz zu verbringen. Ich bin schon in den unflieg barsten Bedingungen geflogen. Aber die meisten dieser Episoden sind, gleich wie eine Frau die Schmerzen einer Foto Shot Foto Shot „Ist es wie in einem Hubschrauber? Wie nah können wir ran?“, er zeigte auf den Eiger, „können wir da hin?“ „Wir werden sinken, meistens“, antwortete ich. Geburt vergißt, in meiner Erinnerung zerstaubt, und so waren mir die gnadenlosen Rückenwindstarts und Lan deplatzschlammschlachten von einst nicht mehr parat als ich den Fotografen Patrik Lindquist anrief, und ihn anwies, seine stärkste Blitzanlage und die beste Regen jacke nach Interlaken mitzubringen. Etwas unausgego ren war es somit besiegelt: Ich hatte entschieden, daß ein dunkles, verregnetes Shooting es sein mußte, was die Menschheit brauchte. Um es mir garantiert so schwer zu machen wie nur möglich, entschied ich mich für einen Fotografen, der nicht einmal den Unterschied von Auf- und Abwind kannte, und der niemals in seinem Leben ein Gleit schirmmagazin in den Händen gehalten hatte. Bis zum Zeitpunkt unseres Shootings untersagte ich ihm dies: „Bleib unbeeinflußt“, war meine Ansage, „wehe du goo gelst!“. Als Patrik mit einem Haufen Studioequipment anrückte war er guter Dinge und völlig ahnungslos: „Fliegen wir mit dem Zeug rauf, oder was?“ fragte er, „Ist es wie in einem Hubschrauber? Wie nah können wir ran?“, er zeigte auf den Eiger, „können wir da hin?“ „Wir werden sinken, meistens“, antwortete ich. An die Waffen Die Arbeit begann auf den Fuß. Wie vorausgesagt, hatte sich eine langsam ziehende Front über die Schweiz 52 11/12-08 gleitschirm-magazin.com gelegt und es begann zu nieseln. Eine dicke, tief hän gende Wolkendecke schwappte zwischen den Gipfeln und reichte mancherorts bis ins Tal, wo die Nebelfetzen wie nasses Klopapier in den Bäumen hingen. Als wir uns zwischen den Zügen nach Wengen oder Muerren ent scheiden mußten wurde mir schnell klar daß es müßig sei sich darüber Gedanken zu machen; es regnete über all, und beide Startplätze waren komplett dicht. Nun, da ich mit meinen Freunden, denen ich meine verschrobene Idee als brilliant verkauft hatte, zur Tat geschritten war, kamen die ersten Fragen auf. Patrik, der immer neugie rig war, fragte mich ob wir normalerweise Helme tragen würden. Ich hatte meinen eigenen vergessen, an Patrik hatte ich noch weniger gedacht. Also antwortete ich: „Niemals.“ Ich drückte Sebastian eine 14 kg schwere 750 Watt Studioleuchte in die Hand, erklärte ihm, daß die 8 kg Batterie dafür in sein Gurtzeug müsse und die verkabelte 6 kg Lampe in seine Hand, damit er einhändig in enger Formation fliegend damit auf das „Objekt Gleitschirm“ neben ihm zielen könne. Er schaute mich an, als hätte ich ihm das Geweih eines Einhorns in die Hand gedrückt - mit dem Auftrag, Loren damit in ein Wiesel zu verwan deln. Aber statt zu fragen antwortete er: „No problem.“ „Gut, du fliegst den FLX,“ sagte ich. Loren meldete sich dezent zu Wort. Er wollte wissen ob es eine gute Idee sei einen Piloten mit einem solch unhandlichen Prügel in der Hand unter einen Akroflügel zu hängen. „Pssst!“, zischte ich, und schon war er leise. Unser bärtiger, unschuldiger Fotograf Patrik fragte, ob es denn eine gute Idee sei, diesen Sport im Regen zu betreiben? „Natürlich!“ antwortete ich, und er war überzeugt. Mr. Nova Dasalla (sein wirklicher Name!) hatte eine Frage mit Augenmerk auf die meteorologischen Verhältnisse: „So, und nun?“ „Wir fliegen.“ sagte ich, und auch er war überzeugt. Mr. Dasalla`s Job bei der Sache war, als Model einen Glider in unseren regnerischen Bildrahmen zu steuern. Ich gab ihm eine Jacke und wies ihn an, bei Patrik`s Kamera zu bleiben. Er nickte gehorsam. ... Das sind die Jungs die ich brauche, dachte ich mir, als wir die Seil bahn verließen. gleitschirm-magazin.com 11/12-08 53 Foto Shot ausgelegt hätte, wäre er auch nicht nasser gewesen. Ein Helm hätte Patrik`s Kopf etwas trockener gehalten, aber als ich ihn für einen kleinen Klippenstart einhängte schien ihn das nicht zu stören (schließlich regnet es in Schweden auch oft). Wir warteten auf dem vom Regen gepeitschten Startplatz oberhalb der Seilbahn zwei Stunden lang auf ein Wolkenfenster, das nicht erschien. Nun hatten wir die Wahl, denn die letzte Talfahrt rückte näher: Entweder in nassen Klamotten hier oben über nachten oder in den nächsten 10 Minuten starten. Ich zerrte an den Gurten, und mein Flügel wabbelte über uns. Eine schöne Böe riß uns prompt in die Höhe, wusch uns aber genauso schnell wieder auf den Erd boden. Wir bombten in einer schlammigen Masse kurz vor der Klippe ein. Patrik, der in einer braunen Brühe lag, hob seinen Kopf und drehte seinen offensichtlich etwas steifen Nacken zu mir. Ob unser Crash sein Fehler gewesen sei, wollte er wissen. „Ja“, antwortete ich. Er entschuldigte sich und wir nah men nach dieser Niederlage die letzte Bahn. und die Truppe schrumpft ... Schuss in den Ofen Wir stapften durch den Matsch zum Startplatz und es begann stärker zu regnen. Patrik buckelte sein Kamera equipment, Mr. Dasalla und Patrik starrten mich fragend an. Wie Hammerschläge untermalte der Regen, der auf unsere Glider prasselte, meine Kommandos: „Gib Gas, Mr. Dasalla! Patrik, hör auf am Blitz rumzufummeln, unser Tandem hat schon 5 Liter Wasser aufgenommen. Alles klar, Loren?“ Wie nasse Pudel köpfelten wir in den Sturm. Mein Tandem triefte und Wasser rann an den Leinen herab. Sebastian soff sofort ab. Er hatte keine Chance mit einer Bremse in der Hand in der Nähe der Kamera zu bleiben. Mr. Dasalla kämpfte sich zu uns herab und schaffte es kurz, unsere enorme Sinkrate beizubehalten. Doch anstatt wie aus dem Maschinen gewehr zu fotografieren, putzte Patrik seelenruhig seine Linse. Im Nu waren wir im Tal, die Höhe reichte für einen Turn und ich brüllte nur: „Laufen!“, während ich bei einer High-Speed Seitenwindlandung auf Patrik den Matsch surfte. „Super gemacht, Jungs!“, rief ich, und Patrik kratzte den Schlamm von seinem Kinn wie ein Maurer den Mörtel von der Kelle. Eine Stunde später legte ich unseren Tandem auf dem Gipfel des „Mannlichen“ aus. Wenn ich ihn unter Wasser 54 11/12-08 gleitschirm-magazin.com Die Vorhersage für den nächsten Morgen versprach leichten Regen und Wolken, genau was ich wollte. Als ich um halb fünf Uhr morgens die Alarmglocke in unse rem kleinen Chalet schlug, schienen meine Kompanieros allerdings etwas mutlos. Ihre Moral hatte schon bessere Tage gesehen. Ich mußte Patrik, der heiß auf den näch sten Flugtag und schon lange hellwach war, erklären, daß wir sie noch ein paar Stunden schlafen lassen müß ten. Er sah es ein, daß man große Talente nicht gleich am zweiten Tag verheizen dürfe ... Es regnete munter weiter, doch ich konnte die Jungs mit einer Propagandalüge für einen Flug in Grindelwald bewegen, wo der Niederschlag etwas nachließ. An der First-Bahn, dem kürzlichen „Schauplatz des RegenflugWeltcups 2008“, sahen wir zwei Tandems aus der Wol kendecke erscheinen, offensichtlich beladen mit wohl genährten Touristen. „Bingo!“, rief ich, „Wenn die Locals das können, können wir das schon lange!“ Aus unersichtlichen Gründen wollte Sebastian mit uns nicht mehr zum Fliegen fahren. Meine Crew schrumpfte also auf Mr. Dasalla, Loren und Patrik. Auf der Spit ze einer kleinen Felsnase testeten Patrik und ich die Leuchtkraft seines 750 Watt Strahlers. Berauschend war sie nicht in diesem dichten Nebel. „O.K, Männer,“ gab ich Anweisung, „ihr dürft nicht weiter als zwei Meter von uns und den Felsen entfernt sein, wenn ihr hier vorbei fliegt. Mit einem satten Wingover, bitte.“ Loren, der schon einige Jahre lang fliegt, zeigte mir den Daumen und nick te. „Diese Jungs sind wirklich gut“, dachte ich mir. Nach einigen spannenden Nebelhanglandungen und vielen üblen Hatschern den nassen Hang empor, doch immernoch ohne ernsthafte Crashs, erklärte ich das Shooting für siegreich beendet. Einsatz ins Ungewisse Wir wechselten die Location zum Wasserfall. Ein von Schmelzwasser und Dauerregen gespeister Fluß fächert sich hier auf seinem Freifall ins Tal auf. Für einige Schnappschüsse taugt er schon, aber für das, was ich wollte, gab er nicht viel her. Wir mußten eher auf die Dunkelheit warten. Um 8 Uhr abends war ich verschwitzt, von Regen getränkt und selbst ein wenig verängstigt, denn ich hatte es vollbracht, Patrik mit einer Studioblitzausrüstung in eine 600 Meter Wand über Stechelberg zu hängen. Um 8 Uhr abends war ich verschwitzt, von Regen getränkt und selbst ein wenig verängstigt, denn ich hatte es vollbracht, Patrik mit einer Studioblitzausrüstung in eine 600 Meter Wand über Stechelberg zu hängen. Der Plan war, daß Mr. Dasalla, Loren und ich in der Dun kelheit so nah wie möglich an den Fels fliegen, um von Patrik mit 1500 Watt Blitzlicht davor verewigt zu werden. „Das machen wir mit links“, versprach ich, und es wurde dunkler. Den Start stellte ein kleiner Grasfleck über der Klip pe dar, doch ohne Mondlicht und den Sternen hinter Wolken konnten wir nicht einmal die Bäume vor dem Felsabbruch sehen, schon gar nicht die Seilbahnkabel und die Stütze direkt neben unserem Fotografen. Nun fragte niemand mehr etwas. Loren und Mr. Dasalla schwiegen als sei dies der Startplatz zum Schafott; sie waren wohl auch ein wenig „pissed off“. Sie nahmen offensichtlich ihr Schicksal, als nächtliches Kanonenfutter verheizt zu werden, resigniert und demütig hin. Sie wuß ten, daß ich sie einfach anlügen würde, wenn sie mich fragten ob dieses „Stockfinster-Klippenstart-BlitzblenderDing wirklich eine gute Idee wäre. „Super Wind, endlich!“ sagte ich. Mr. Dasalla`s Blick traf mich wie ein Dolch, denn es blies konstant hangabwärts. Wir starteten einzeln. Ich hatte die Pole-Position und wandte die „super-secret“ Rückenwindtechnik an: ein paar Schritte zurück an die Segelhinterkante, so daß die Leinen fast in Schlingen am Boden liegen, und dann volles Rohr. Gute zehn Fuß Anlauf vor der Streckung der Leinen und ein dadurch gewaltiger Impuls sind der Vorteil. Ich attackierte und mein Glider kam über mich, mit einer Kappe weich wie Butter. Ich sprintete was das Zeug hielt, bis ich auf dem nassen Gras rutschenderwei se Fahrt aufnahm und durch die Baumwipfel hindurch an der Klippe abhob. Patrik hing knapp unter und hin ter mir, schußbereit, und ich flog einen Turn Richtung Felswand. Patrik`s 1.500 Watt Studioblitz machte mich nun komplett blind und ich drehte ab. Ich steuerte in eine Richtung, die hoffentlich nicht in einer Kollision mit unserem Planeten enden würde und hoffte, daß sich meine Augen bald wieder an die Dunkelheit gewöhnten. Ich blickte zurück und sah Loren und Mr. Dasalla als Schatten starten und gleich in einem Richtungswechsel zur Wand fliegen. Zum Zweiten und zum Dritten feuerte Patrik seinen Monsterblitz ab. Sieg! Verschlammt, durch näßt und müde, aber von ungebrochener Moral überleb ten wir auch den letzten Tag der Komplettidiotie. Um Patrik mit seinem Equipment aus der Wand zu holen stapfte ich zurück zum Ort des Geschehens. Ich war erschöpft und etwas alle. Was ich wollte, war einige Tage lang keinen Gleitschirm zu Gesicht zu bekommen. Doch Patrik hatte noch eine Frage: „Also, die erste Bahn nach Muerren fährt um 5 Uhr 12, glaubst du die kriegen wir?“ Ich suchte vorerst nach einer Ausrede, die ich nicht fand. Loren verdrehte seine Augen, in der Hoff nung, daß ich nicht antworten würde ... „Jungs, Big Fun! Morgen früh geht`s los.“ beschloss ich. gleitschirm-magazin.com 11/12-08 55