Wenn der mobile Supermarkt kommt - Behinderten

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Wenn der mobile Supermarkt kommt - Behinderten
Frankfurter Rundschau - Wenn der mobile Supermarkt kommt
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Hanau und Main-Kinzig - 05.06.2015
EINKAUFEN VOR DER HAUSTÜR
Wenn der mobile Supermarkt kommt
Von Jochen Dietz
Der neue mobile Supermarkt wird in Eichen und Erbstadt gut
angenommen. Die eher überschaubare Nahversorgungslage in den
beiden Nidderauer Stadtteilen, insbesondere für wenig mobile ältere
Menschen soll mit dem Angebot entschärft werden.
Obst, Gemüse, Klopapier, Seife, Süßigkeiten, Backpulver, Tiefkühlkost, frische
Brötchen, Zeitschriften: Es gibt kaum etwas, das es nicht gibt auf dem Wagen,
der neuerdings mittwochnachmittags zunächst in Eichen, dann in Erbstadt
Station macht. Der rollende Supermarkt der M & S Markt- und Service
Ein vielfältiges Sortiment bringt der mobile
Supermarkt des Behindertenwerks nunmehr
nach Eichen und Erbstadt.
Foto: Monika Müller
Gesellschaft, einer Tochter des Behinderten-Werks Main-Kinzig (BWMK),
wurde schon am ersten Tag gestürmt, sowohl wegen akutem
Versorgungsbedarf als auch aus Neugier. „Mehr als 50 Kunden hatten wir am
ersten Tag“, erinnert sich Fahrer und Kassierer Rainer Schadt schmunzelnd.
Auch an diesem Mittwoch sind schon kurz nach 15 Uhr mehrere Rollatoren vor der Eingangstür des dreiachsigen,
grün-weißen Transporters geparkt.
Die eher überschaubare Nahversorgungslage in den beiden Nidderauer Stadtteilen, insbesondere für wenig mobile
ältere Menschen soll mit dem Angebot entschärft werden. Eigentlich fungiert es als Übergangslösung bis sich
möglicherweise auf einem noch zu erschließenden Gewerbegebiet jenseits der B 521 ein fester Vollversorger ansiedelt.
Die Bürgerinitiative „Ja zu Eichen, ja zum Sprung über die B521“ setzt sich für diese Ansiedlung ein. Die
Rewe-Handelskette hat bereits Interesse bekundet, doch das kann noch dauern, bis hier ein Einkaufsmarkt Wirklichkeit
wird.
Wenn es nach der 79-jährigen Eichenerin Annemarie Klöppel ginge,
könnte der rollende Tante-Emma-Laden zur Dauereinrichtung werden.
„Das ist doch für uns Ältere ideal. Mein Mann ist 83 und fährt kein Auto mehr. Vorher habe ich den Kindern
aufgeschrieben, was sie mir einkaufen sollen, aber ich will doch auch mal selber gucken, was es so gibt.“ Und das tut sie
am Mittwochnachmittag in dem rollenden Laden ausgiebigst.
Ja, diese Art des Einkaufens vor der Haustür gebe den alten Menschen ein großes Stück Selbstständigkeit zurück,
sinniert Rainer Schadt. Und die Ankunft des Wagens, dessen markante Bimmel er dann erschallen lässt, habe stets auch
eine soziale Komponente, für ein Schwätzchen, ein Treffen, was für ältere, alleinstehende Menschen erst recht nicht zu
unterschätzen sei.
Annemarie Klöppel gibt aber auch zu bedenken, dass die Eichener den rollenden Laden auch annehmen müssten. „Man
kann nicht über mangelnde Einkaufsmöglichkeiten vor Ort meckern, und dann nicht hier einkaufen“, erklärt sie resolut.
Den potenziellen Rewe-Markt bergaufwärts auf der anderen Seite der Bundesstraße sieht sie dagegen skeptisch. „Was
soll der mir bringen? Wie soll ich da hoch kommen?“, fragt sie und schiebt dann ihren Rollator zufrieden heimwärts. Und
zwar Ebenerdig. Ihrer Skepsis schließt sich ebenso Jürgen Jung an. „Ich halte das für bedenklich.“ Auch er fragt sich,
wie ältere Leute die Steigung bewältigen sollen. „Und Rewe wird sich bestimmt nicht wegen den paar Eichenern und
Erbstädtern da ansiedeln. Die setzen eher auf den Durchgangsverkehr.“
„Was der Kunde will und wir nicht auf dem Wagen haben, bringen wir das nächste Mal mit“, sagt Rainer Schadt. Denn es
09.06.2015 13:51
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könnten auch Bestellungen aufgegeben werden.
Bereits gegen 15.15 Uhr ist der Verkaufswagen fast schon zu klein für den Andrang. „Ich bin sprachlos. Unglaublich“,
kommentiert eine ebenfalls ältere Kundin das Angebot. Sie ist zum ersten Mal in so einem Wagen.
Das Wagenteam setzt auf besonderen Service und Hilfsbereitschaft. Assistent Stefan Neff stellt einem Kunden, der
schlecht zu Fuß ist, einen zusätzlichen Tritt-Schemel vor die Eingangstreppe. „Die Leute sind unheimlich froh, wenn wir
kommen“, sagt er. Seit 15 Jahren arbeitet er bei M & S und ist als besonders freundlich und hilfsbereit bekannt. Er packt
auch ein oder trägt die Einkaufstasche mal eben bis an die Haustür. „Es macht mir einen Riesenspaß“, sagt Stefan Neff.
Ein Mensch, der ins seinem Job offensichtlich aufblüht.
„Angesichts unserer demografischen Entwicklung und dem Streben, Infrastruktur aufrechtzuerhalten, könnte das ein
Weg der Zukunft sein“, sagt BWMK-Sprecherin Dorothee Müller nachdenklich mit Blick auf das Ladensterben auf dem
Land. „Allein, dass wir inzwischen das dritte Verkaufsfahrzeug angeschafft haben, spricht für den Bedarf“, erläutert sie.
Immer wieder gebe es Anfragen aus Gemeinden im Main-Kinzig-Kreis, ob der mobile Supermarkt sie nicht auch
anfahren könnte. Und sogar aus Städten. So sei etwa die Gelnhäuser Altstadt mit ihrer Hanglage für ältere Menschen
eine Hürde, an die Dinge des täglichen Bedarfs zu kommen.
Gegen 15.45 Uhr machen Schadt und Neff ihren Wagen dicht. Ab 16 Uhr werden sie schon in Erbstadt sehnsüchtig
erwartet.
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