KompMed - Forschungsnews I/2012

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KompMed - Forschungsnews I/2012
KompMed-ForschungsNews I/2012
Zink gegen Erkältung: therapeutische Effekte nur bei hochdosierter Einnahme!
Im letzten Jahr erschien ein Cochrane-Review, welches Zink als wirksame Therapie im
Anfangsstadium einer Erkältung empfohlen hat, jedoch aufgrund der Heterogenität der Studien keine
Aussage zur optimalen Dosierung und Anwendung machen konnte. Dieser Frage wird nun in einer
weiteren Metaanalyse aus Finnland nachgegangen, in welche 13 placebokontrollierten Studien mit
unterschiedlichen Zink-Dosierungen eingeschlossen wurden. In 5 Studien betrug die Zink-Dosierung
weniger als 75 mg täglich, was keinen signifikanten Effekt auf die Erkältungsdauer hatte. In 3 Studien
mit Zinkacetat > 75 mg täglich war eine Reduktion der Erkältungsdauer gegenüber Placebo um 42%
nachweisbar. Andere Zinkverbindungen zeigten bei einer Dosierung > 75 mg eine Reduktion der
Erkältungsdauer von 20% (5 Studien).
Fazit für die Praxis: Die Ergebnisse beider Meta-Analysen zusammen genommen zeigen, dass ZinkLutschtabletten bei Erkältung in hoher Dosierung (> 75 mg/Tag) eingenommen werden müssen, um
therapeutische Effekte zu erzielen. Vor dem Hintergrund, dass in gängigen Zink-Präparaten zwischen
10 und 25 mg pro Tablette enthalten sind, muss dementsprechend alle 2-3 Stunden eine Tablette
eingenommen werden, um auf diese Tagesdosis zu kommen. Diese hohe Dosierung gilt nur für das
Anfangsstadium eines Infektes und ist wegen möglicher Nebenwirkungen in dieser Form nicht
dauerhaft empfehlenswert.
Hemilä H. Zinc lozenges may shorten the duration of colds: a systematic review.
Open Respir Med J. 2011;5:51-8. Epub 2011 Jun 23.
Pflanzliche Präparate bei rheumatoider Arthritis: Wenige Daten, aber Wirksamkeit von GammaLinolen-Säure anzunehmen
Dieses systematische Übersichtsarbeit stellt ein Update einer älteren Meta-Analyse zu pflanzlichen
Präparaten bei rheumatoider Arthritis dar. Eingeschlossen wurden 22 Studien, in denen ein
pflanzliches Präparat mit Placebo oder einer anderen Therapie verglichen wurde.
Die größte Datenbasis existiert mit 7 Studien zu Gamma-Linolensäure. Hier zeigte sich eine Reduktion
der Schmerzintensität und der funktionellen Beeinträchtigung. V.a. konnte für eine Aufnahme von
mind. 1400 mg pro Tag eine statistisch signifikante Reduktion des Schmerzes gefunden werden.
Weitere 4 Studien verglichen Tripterygium wilfordii (TwHF, Dreiflügelfrucht, v.a. in Asien bekannt) mit
Placebo (3 Studien) oder mit Sulfasalazinen. Die Daten dieser Studien konnten aufgrund dieser
Heterogenität nicht gemeinsam ausgewertet werden. Eine Studie berichtete über deutliche
Nebenwirkungen nach Überdosierung von TwHF (Fieber, aplastische Anämie). Insgesamt spielten
gastrointestinale Nebenwirkungen sowohl bei TwHF wie auch bei Sulfasalazinen eine Rolle und
führten u.a. zu Studienabbrüchen.
Auch Phytodolor wurde in diese systematische Übersichtsarbeit eingeschlossen. Mit nur 2 Studien, die
nicht publiziert zu finden waren und schlechte Berichtsqualität aufwiesen, ist aber auch hier die
Aussagekraft gering.
Fazit für die Praxis
Insgesamt ließ sich für Gamma-Linolen-Säure eine gewisse Wirksamkeit absichern; für andere
Präparate ist die Datenbasis zu dünn, um verlässliche Ergebnisse zu zeitigen.
Cameron M, Gagnier JJ, Chrubasik S. Herbal therapy for treating rheumatoid arthritis. Cochrane Database of Systematic
Reviews 2011, Issue 2. Art. No.: CD002948. DOI: 10.1002/14651858.CD002948.pub2.
Hilft Massage doch bei Rückenschmerzen?
Häufig wünschen sich Patienten mit Rückenschmerzen eine Verordnung von Massagen. In einer
randomisierten, kontrollierten Studie mit insgesamt 401 Patienten zwischen 20 und 65 Jahren gingen
Forscher der Frage nach, ob Massage bei nichtspezifischen chronischen Rückenschmerzen wirksam
ist. Die Patienten erhielten entweder eine Entspannungsmassage oder eine strukturierte Massage, bei
der in Abhängigkeit des individuellen Beschwerdemusters spezielle myofasziale Techniken
angewendet wurden. Beide Massagen wurden von ausgebildeten Therapeuten mit mindestens 5
Jahren Berufserfahrung nach standardisierten Protokollen durchgeführt. Ein weitere Gruppe erhielt
keine spezielle Behandlung ("usual care"). Bezüglich der Massageart waren die Teilnehmer verblindet.
Primäre Endpunkte waren ein Funktions-Score sowie die Ausprägung der Symptome. Nach 10
Wochen zeigte sich in beiden Massage-Gruppen gegenüber den usual care-Patienten eine
signifikante Verbesserung der Funktion und der Symptomatik. Die Unterschiede zwischen den beiden
Massagegruppen waren statistisch nicht signifikant. Die signifikante Verbesserung bezüglich der
Funktionalität hielt in der Entspannungsmassage-Gruppe bis 52 Wochen nach Behandlung an, war
allerdings dann nicht mehr ausgeprägt.
Fazit für die Praxis Auf Basis der Ergebnisse dieser randomisiert-kontrollierten Studie scheint
Massage eine effektive Therapie zur Linderung von Beschwerden bei chronischen Rückenschmerzen
zu sein, wobei die Art der Massage zweitrangig zu sein scheint.
Cherkin DC, Sherman KJ, Kahn J, Wellman R, Cook AJ, Johnson E, Erro J, Delaney K, Deyo RA.
A comparison of the effects of 2 types of massage and usual care on chronic low back pain: a randomized, controlled trial.
Ann Intern Med. 2011 Jul 5;155(1):1-9.
Vitamin E lässt Prostatakrebsrisiko ansteigen
Die vorbeugende Einnahme von Vitaminpräparaten ist in der Bevölkerung weit verbreitet. Die 2009
publizierten Ergebnisse der Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial (SELECT-Studie) fanden
jedoch keine präventive Wirkung von Selen und Vitamin E (jeweils alleine oder in Kombination) in
Bezug auf Prostatakrebs. Vielmehr wurde sogar ein (nicht-signifikanter) Anstieg der Prostatakrebsrate
beobachtet. Die jetzt durch Berücksichtigung weiterer Krankheitsfälle aktualisierten Daten bestätigten
den ersten Verdacht. Im Beobachtungszeitraum von 2001 bis 2004 wurden insgesamt 35533 Männer
über 50 Jahren mit einem PSA-Wert von ≤ 4 ng/ml und unauffälligem Tastbefund eingeschlossen. Die
Probanden erhielten entweder Plazebo, Vitamin E (400 IU täglich), Selen (200 µg täglich) oder eine
Kombinationspräparat. Primärer Endpunkt war die Inzidenz von Prostatakrebs. In der nun
vorliegenden aktualisierten Analyse, die 521 zusätzlich aufgetretene Prostatakrebserkrankungen
umfasst, war die Einnahme von Vitamin E mit einem signifikant erhöhten Risiko verbunden (Hazard
ratio 1,17; p=0.008). Auch unter Selen und unter der Kombination traten mehr
Prostatakrebserkrankungen auf. Diese Unterschiede waren jedoch nicht signifikant. Die absolute
Risikoerhöhung war jedoch gering: Auf 1'000 Personenjahre traten unter Vitamin E 1.6 zusätzliche
Prostatakrebserkrankungen auf. Bei Selen waren es 0.8 und bei der Kombination 0.4 zusätzliche
Erkrankungen pro 1'000 Personenjahre
Fazit für die Praxis: Bei regelmäßiger Einnahme von Vitamin E über einen längeren Zeitraum erhöht
sich das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken.
Klein EA, Thompson IM Jr, Tangen CM, Crowley JJ, Lucia MS, Goodman PJ, Minasian LM, Ford LG, Parnes HL, Gaziano JM,
Karp DD, Lieber MM, Walther PJ, Klotz L, Parsons JK, Chin JL, Darke AK, Lippman SM, Goodman GE, Meyskens FL Jr, Baker
LH. Vitamin E and the risk of prostate cancer: the Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial (SELECT).
JAMA. 2011 Oct 12;306(14):1549-56.