Samara 2014/15 (Russisch)

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Samara 2014/15 (Russisch)
Erfahrungsbericht: Auslandssemester an der Samara State University (SSU)
vom 5. Februar – 23. Juni 2015
Formalitäten vor der Abreise:
Am Anfang stand die Bewerbung um ein Partnerschaftsstipendium über das International
Office. Es gibt auch noch die Möglichkeit, zusätzliche Stipendien über den DAAD zu
erhalten, wie z.B. GoEast Semesterstipendien.
Dann mussten alle benötigten Unterlagen (u.a. ein HIV-Test) an die SSU geschickt werden,
um die Visa-Einladung zu erhalten. Mit dem Visum wird es bekanntlich am Ende immer
knapp, egal wie früh man anfängt, sich damit zu befassen. Man sollte sich daher einfach
NOCH FRÜHER darum kümmern. Wichtige Fragen, die man sich rechtzeitig stellen sollte:
Habe ich einen Reisepass, der auch noch 6 Monate nach Ausreisedatum gültig ist? Ist meine
Krankenversicherung auch als Auslandskrankenversicherung gültig?
Es lohnt sich außerdem, ein Studentenvisum direkt beim Russischen Konsulat Frankfurt a.M.
zu beantragen (gilt zumindest für alle aus BaWü). Ich kam ohne große Wartezeiten dran und
das Visum wurde dann kostenlos innerhalb von 10 Tagen erstellt.
Als Gastgeschenke sind z.B. Schokolade, Kosmetika, Gegenstände aus der Heimat (Kalender,
kulinarische Spezialitäten etc.) geeignet. Gerne sehen sich die Leute auch Fotos aus D an.
Anreise und Unterkunft:
Wenn man sich vor Abreise an das IO in Samara wendet, wird man vom Flughafen abgeholt.
Die Unterkunft in einem Studentenwohnheim gleich neben der Universität steht automatisch
zur Verfügung. Die Zimmer sind frisch renoviert, freundlich, geräumig und mit allen nötigen
Dingen wie Kühlschrank und Wasserkocher ausgestattet, es gibt Bad mit Dusche,
Waschmaschine etc. (kein Vergleich mit den Zimmern der russischen Studenten, die im
selben Haus wohnen, allerdings in den oberen Stockwerken).
Wenn man in einer Gastfamilie leben möchte, muss man sich möglichst bald darum
kümmern. Eine Möglichkeit wäre, um einen Aushang am dortigen Goethe-Institut zu bitten
(dafür e-mail an Herrn Dubinin schreiben: [email protected]). Für mich war es sehr hilfreich,
Lehrkräfte aus Samara, die immer wieder die Würzburger Universität besuchen, bei ihrem
Würzburg-Aufenthalt kennenzulernen. Sie haben mich bei der Suche nach einer Gastfamilie
und später auch vor Ort unterstützt.
Ich persönlich kann jedem den Aufenthalt in einer Gastfamilie bzw. wie in meinem Fall das
WG-Leben zusammen mit russischen Studentinnen sehr empfehlen. Natürlich kann es zu
kleinen interkulturellen Missverständnissen kommen, aber das ist ja das Spannende: Man ist
richtig drin im russischen Alltag, setzt sich mit der anderen Lebensart hautnah auseinander,
lernt voneinander und hat täglich Sprachpraxis. Die Wohnung gehörte Lena, einer Aspirantin
der russischen Philologie, die jetzt an der Universität tätig ist (alle Fragen rund um die
Universität konnte ich mit ihr diskutieren). Sie holte mich auch am Flughafen ab. Es war eine
unvergesslich schöne Zeit und ich würde sofort wieder dorthin gehen (auch wenn russische
Wohnungen leicht zu unerträglichen Saunen werden können, da die Heizung oft nicht
regulierbar ist – mein Winterschlafanzug war völlig überflüssig)!!!
Dinge wie die Registrierung (gleich in den ersten Tagen) oder die Visumsverlängerung nach
drei Monaten übernimmt das IO, man muss nur alle erforderlichen Dokumente mitbringen
(Passbild etc).
Studium:
An der Universität stehen einem prinzipiell alle Fakultäten offen. Man sollte allerdings vor
Besuch der Kurse zum jeweiligen Dekan gehen, sich vorstellen und abklären, welche Kurse
man an seiner Fakultät besuchen möchte – das Einverständnis erhält man normalerweise
sofort an Ort und Stelle. Die Stundenpläne hängen allerdings erst kurz vor Semesterbeginn
am schwarzen Brett der jeweiligen Fakultät aus. Für mich als Masterstudentin der
„Russischen Sprache und Kultur“ und B.A. Ethnologie-Studentin war der Besuch der
philologischen und soziologischen Fakultät naheliegend.
Am Lehrstuhl für „Russische Sprache“ und „Russische und Ausländische Literatur“ kann man
z.B. Kurse zur Dialektologie, Geschichte der russischen Literaturkritik oder russischer
Exilliteratur besuchen. Der Lehrstuhl Kulturologija befasst sich mit Kulturarbeit- und
vermittlung, Massenmedien, Museumsarbeit, etc. Allerdings hat der Lehrstuhl
„Kulturologija“ innerhalb der soziologischen Fakultät wenig mit der Ethnologie zu tun, wie
sie bei uns gelehrt wird. Insgesamt laufen die Seminare etwas verschulter ab als in D, der
Lehrplan bietet den Studierenden wenig Wahlmöglichkeiten und es gibt seltener Gelegenheit
zu Diskussionen.
Ich konnte frei wählen, welche Fächer ich besuche und wie viele Stunden ich belege. Einzig
problematisch war, dass sich die Kurse der beiden Lehrstühle meist überschnitten. Zur
Anerkennung von Kursen kann ich nichts sagen, da in meinem Falle eine Kursanrechnung
nicht nötig war.
Eine interessante Erfahrung war es für mich auch, Studentinnen der russischen Philologie in
Deutsch zu unterrichten und so das russische Lehrsystem auch noch von der anderen Seite
kennenzulernen. Die Studentinnen waren sehr motiviert bei der Sache.
Während des Aufenthalts widmete ich einen Großteil meiner Zeit der Materialsammlung und
Interviewführung für meine Masterarbeit, bei der ich teilweise Unterstützung über die
Universität bekam. Sehr positiv bewerte ich auch die Möglichkeit, an den wissenschaftlichen
Konferenzen der Philologie teilzunehmen und dort erste Ergebnisse zu präsentieren.
Problematisch ist es nur, wenn man einen Russisch-Sprachkurs erhalten möchte. Meine
Mitstreiterinnen (wir waren drei Studentinnen aus Würzburg) wurden vom IO in Samara
leider unzureichend informiert, der Sprachkurs muss aus eigenen Mitteln bezahlt werden.
Zum Thema „Integration“:
Ich habe mich schnell gut integriert gefühlt an der Hochschule und allgemein. Die
StudentInnen sind sehr offen und interessiert und v.a. in meinem Kurs in „Kulturologija“ war
ich bald eine von ihnen, wir waren auch außerhalb der Universität gemeinsam unterwegs, ins
Kino, zu Ausstellungseröffnungen, Geburtstagsfeiern etc.
In der Bibliothek der Philologie arbeiten sehr hilfsbereite nette Frauen, mit denen ich
interessante Gespräche führte, über kulturelle Unterschiede, über die aktuelle Situation etc.
Es gibt die Möglichkeit, am Sportunterricht teilzunehmen, gleich in der Nähe des
Unihauptgebäudes befindet sich ein wunderschönes Schwimmbad.
Leicht lassen sich auch Tandempartner finden. Außerdem laden die Lehrkräfte zu diversen
universitären Veranstaltungen ein (Konzert „Studentenfrühling“ etc.). Über den Verteiler des
Goethe-Instituts erhalten deutsche Austauschstudenten viele Informationen zu anstehenden
Veranstaltungen wie Autorenlesung, Besuch im Stalin-Bunker, Besuch von deutschen
Professoren (aus der Partnerstadt Stuttgart) etc. Es kann aber auch sein, dass man kurzerhand
gebeten wird, bei der Deutsch-Olympiade (Wettbewerb unter Studierenden der deutschen
Philologie) in der Jury zu sitzen.
Als Transportmittel stehen Marschrutka, Straßenbahn, Bus, Trolleybus oder Metro zur
Verfügung. Man kann eine Studententransportkarte nutzen, die bis auf die Marschrutkas
gültig ist (ca. 500 Rubel/Monat, im letzten Monat ist sie etwas teurer geworden). Bei der
Orientierung hilft das Programm 2gis, das einem sagt, wie man von einem Ort zum andern
kommt.
Eine gute Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, sind z.B. Tanzkurse, die uniübergreifend
stattfinden. Hilfreich ist auch die Registrierung bei VKontakte (russisches fb), da man hier auf
einige Veranstaltungen wie Ausstellungseröffnungen, alternative Flohmärkte, Konzerte etc.
hingewiesen wird und die meisten russischen Kommilitoninnen dort registriert sind.
Durch das Zusammenwohnen mit den beiden russischen Mädels fühlte ich mich außerdem gut
in den russischen Alltag integriert. Wir unternahmen Vieles gemeinsam, begingen russische
Feiertage zusammen.
Sehr viele gute Kontakte entstanden bei den Recherchen für meine Masterarbeit, die sich mit
dem Leben von Russlanddeutschen in Russland heute beschäftigt. Eine Anlaufstelle ist
(dafür) die lutherische Gemeinde, in die ich herzlich aufgenommen wurde. Die Mitarbeiter
vom deutschen Kulturzentrum „Hoffnung“ standen mir mit Rat und Tat zur Seite.
Ich konnte auch problemlos in andere russische Städte reisen, z.B. lohnt sich ein Besuch im
„russisch nahen“ Kazan (8h-Busfahrt). Allerdings gestaltet sich der Dokumentenkram etwas
umständlich: jedes Mal, bevor man irgendwohin fährt, muss man sich beim IO abmelden, den
Originalmeldeschein (der sonst im IO zur Sicherheit gelagert wird) auf die Reise mitnehmen
und anschließend wieder abgeben. Sollte man dies einmal vergessen, hat dies meiner
Erfahrung nach aber keine Konsequenzen. Eine Registrierung in der anderen Stadt sollte man
jedoch vermeiden, da sonst eine erneute Registrierung in Samara nötig wäre.
Gesamteindruck:
Für mich war dies der zweite längere Russlandaufenthalt – und er war doch ganz anders als
der (siebenmonatige) Sprachkurs-Aufenthalt in St. Peterburg, fast intensiver. Ich wollte
unbedingt noch einen anderen Ort in Russland kennenlernen, der weniger europäisch und
„mehr russisch“ ist.
Samara mit seiner wunderschönen Uferpromenade und dem singenden Brunnen, den alten
Holzhäusern, die aus Alt-Samara noch erhalten sind und mit den Hochhäusern zusammen eine
interessante einzigartige Mischung darstellen (allerdings leider abgerissen werden sollen), ist
mir sehr ans Herz gewachsen. Und die Wolga ist natürlich eine einzigartige Schönheit, die ich
nun sehr vermisse. Ich bin – trotz der Hitze – froh, dass ich im Sommersemester nach Samara
gefahren bin. Man kann so anfangs noch über die vereiste Wolga spazieren und später in ihr
baden, denn im Sommer verwandelt sich das Wolgaufer in einen tollen Badestrand.
Es war eine spannende Erfahrung, mit Russinnen zusammen zu leben und gemeinsam mit
anderen russischen Studenten zu studieren. Ich mag die russische Mentalität, die Herzlichkeit,
die Hilfsbereitschaft, das lockerere Verhältnis zum Thema Zeit: niemand meckert, wenn man
mal zu spät ist, man wartet auf die Straßenbahn und sie kommt, wann sie kommt.
Zu den aktuellen politischen Themen konnte offen diskutiert werden, die Studentinnen waren
sehr interessiert an anderen Meinungen und sie selbst vertraten sehr unterschiedliche
Standpunkte. Allerdings war der Tag des 9. Mai eine Sache für sich.
Ich habe viele liebe Menschen kennengelernt, die ich jetzt sehr vermisse und immer in guter
Erinnerung behalten werde.
Verfasst von: Sarah Schumayer, bei Fragen e-mail an: [email protected]

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