PS „Literatur und Schule“, 23.11.04 Charlotte Kerner: blueprint
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PS „Literatur und Schule“, 23.11.04 Charlotte Kerner: blueprint
PS „Literatur und Schule“, 23.11.04 Charlotte Kerner: blueprint. Blaupause. BeltzVerlag. € 6.90 Ausführliche Vorleserunde. Im Blitzlicht gibt es neben einigen sehr positiven Aussagen, die das interessante Thema und den Mut der Autorin, sich dieses Themas anzunehmen, loben, mehrheitlich zurückhaltend bis deutlich negative Voten. Man habe sich von dem Thema mehr erhofft, der Text sei zudem zäh und redundant und habe auch sprachlich nicht überzeugt: der Ton sei larmoyant und die geschilderte Atmosphäre geradezu vergiftet. Dabei hat uns das Thema alle sehr interessiert. Der Text erzählt die Geschichte des Klonkinds Siri Sellin. Sein „Mutterzwilling“ Iris Sellin, eine berühmte Musikerin, lässt sich klonen, nachdem sie erfahren hat, dass sie an Multipler Sklerose erkrankt ist. Der Tochterklon Siri soll das erfolgreiche Musikerinnenleben der Mutter fortsetzen. Der Text nimmt die Perspektive von Siri ein. Im Zentrum steht die komplizierte Frage nach der eigenen Identität als Tochter und Zwilling. Wir haben uns zu Beginn des Gesprächs gefragt, was eigentlich das Thema dieses Textes ist und waren uns weitgehend einig, dass es nur sehr vordergründig um Fragen der Gentechnologie geht. Das eigentliche Thema sei eine Mutter-Tochter Beziehung, die durch den Aufhänger „Klonkind“ nur bedeutungsvoll aufgeladen werde, ohne das Thema tatsächlich einzuholen. Die für den Text zentrale Identitätsproblematik sei zwar durch die Verschränkung mit der Klonproblematik besonders kompliziert, aber eben in der Struktur nicht anders als in anderen Texten, die das Heranwachsen schildern. Wünsche, die Eltern an und für ihre Kinder haben, das Problem der Loslösung und Abgrenzung seien hier durchaus nicht originell dargestellt. Dabei hat uns gestört, dass durch die strenge Perspektivierung von Siri, keine Außenperspektive zu Tragen kommt und alles ganz monologisch bleibt. Die Figuren Dada und Janne hätten das Potential für interessante Kontrastfiguren gehabt. Auch sprachlich werde in dem Text nichts entfaltet. Einige waren sehr verärgert darüber, dass das nominelle Thema (Klonen) so wenig ausgearbeitet wird. In einem Gesprächsgang haben wir, ausgehend von der Erkrankung der Mutter und der Vererbung dieser Krankheit auf den Klon, darüber gesprochen, dass das therapeutische Klonen, das in der Diskussion dieses Thema sehr wichtig ist, ganz ignoriert wird. Dagegen wurde argumentiert, die Angst vor der Krankheit begleite Siri und spiele immer wieder eine Rolle. Hier sei der Text durchaus „biologisch korrekt“, weil über die Bedingungen des Krankheitsausbruchs tatsächlich nur wenig bekannt sei. Für den Text spreche außerdem, so wurde angeführt, dass er eine Perspektive zulasse, die in der naturwissenschaftlichen und ethischen Diskussion des Themas zu kurz komme, nämlich die Frage, vor welchen Schwierigkeiten ein geklonter Mensch stehe. Ein Text für die Schule? Auch hier überwogen die negativen Voten. Ein Text, den man selbst nicht überzeugend finde, könne man auch nicht mit Überzeugung unterrichten. Angemerkt wurde zudem, dass die ausschließlich weibliche Perspektive es für männliche Leser schwer mache, einen Zugang zu finden. (Von einer entsprechenden Leseerfahrung war im Blitzlicht berichtet worden.) Denkbar sei aber doch, das Buch Schülern zur Freizeitlektüre anzubieten oder es im Unterricht bei einem literarischen Gespräch zu belassen. Es gab zudem den Hinweis, dass die Verfilmung ergiebig sein könnte. Es wurde auch die Idee geäußert, das Buch im Kontext des naturwissenschaftlichen Unterrichts zu lesen (zumal hier im Gespräch von produktiven Bearbeitungen in der Schule berichtet worden war). Kurz gestreift haben wir die Frage, weshalb das Buch in den Schulen wohl ein solcher Renner ist. Und, die Bemerkung sei der Protokollantin erlaubt, das kann man sich wirklich fragen. hw