Ich bin der gute Hirte - luth. Petri-Pauli

Transcrição

Ich bin der gute Hirte - luth. Petri-Pauli
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"Ich bin der gute Hirte"
Johannes 10,11-16.27-32
26. April 2009
Predigt zur Goldenen Konfirmation Bad Münder 2009: Misericordias Domini
Pastor Dietmar Adler
Jesus Christus spricht:
Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Der Mietling aber, der
nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe
und flieht - und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie -, denn er ist ein Mietling
und kümmert sich nicht um die Schafe. Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die
Meinen kennen mich, wie mich mein Vater kennt und ich kenne den Vater. Und ich habe noch
andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden
meine Stimme hören, und es wird "eine" Herde und "ein" Hirte werden.
Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen
das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner
Hand reißen. Mein Vater, der mir sie gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie
aus des Vaters Hand reißen. Ich und der Vater sind eins.
Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.
Und ich lasse mein Leben für die Schafe.
Liebe Gemeinde, vor allem aber:
liebe Goldene Konfirmandinnen und Konfirmanden,
"Schäfchen zur Linken - wird’s Glück dir winken ..."
Ich hab die Stimme meiner Mutter noch im Ohr.
Und dann war’s eigentlich völlig egal, ob die Schafe links oder rechts des Weges standen, eine
Schafherde ist immer etwas Faszinierendes
und irgendwie machten sie uns Kinder frohgemut, und Erwachsene ebenso.
Ich bin der gute Hirte - sagt Jesus
ein tröstliches Wort: wir haben einen Hirten, der sich um uns sorgt.
Aber auch ein Wort, das Widerspruch provoziert:
Heißt das, dass ich ein Schaf bin?
Ein dummes Schaf, mit Herdentrieb. Entmündigt?
Da regt sich Widerspruch: Wir Menschen wollen ungern entmündigt werden,
Das war schon immer so, aber ich habe den Eindruck, das ist in den 50 Jahren seit Ihrer Konfirmation noch einmal ganz besonders prägend geworden.
Dazwischen liegt 1968 und all die Reformbemühungen drumherum.
Nun ist Bad Münder nicht gerade Zentrum der Studentenrevolte gewesen.
Aber es hat sich gesellschaftlich doch eine ganze Menge verändert seit 1959.
Die 50er Jahre, die Zeit Ihrer Kindheit, waren doch noch ganz anders geprägt.
Nach den Irrwegen des Nationalsozialismus mit seinen unvorstellbaren Verbrechen war diese
Zeit insgesamt von einer Suche nach verlässlichen Autoritäten geprägt. Und vieles galt einfach
unhinterfragt.
Hinzu kam eine wirtschaftliche Entwicklung, die insgesamt doch aufwärts ging.
Zu Ihrer Konfirmation gab’s keine Lebensmittelmarken mehr, es konnte frei eingekauft werden,
wenn auch bescheiden.
Meist wurde zu Haus gefeiert, Geschirr wurde geliehen, die Nachbarschaft hat gebacken und
gekocht. Als Geschenke gab es Untergarnituren, Briefpapier und Hortensien. Und die Mädchen
trugen schicke Faltenröcke.
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Für viele war die Schulzeit noch nach acht Jahren zu Ende. Um einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz mussten Sie sich nicht ganz so sorgen, wie die Generation vor Ihnen oder heute.
Als junge Erwachsene sind Sie dann aber in eine Gesellschaft hineingewachsen, die sich mehr
und mehr demokratisierte. Beteiligung, Mitbestimmung waren Stichworte, Kritik war mit einem
Mal ein positives Wort und wurde nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich erwünscht.
Eine Schafherde zu sein, war sicher nicht das Leitbild dieser Zeit.
Und es konnten Dinge ausgesprochen werden, die früher noch tabu waren. Wer hätte 1959
schon offen über Gesellschaftskritik oder so etwas wie Homosexualität sprechen können?
Und in der Zeit, in der viele von Ihnen Kinder bekamen und erzogen haben, veränderte sich so
vieles in unserer Auffassung von der Erziehung junger Menschen.
Die Schule der 70er und 80er Jahre ist einfach nicht vergleichbar mit der Schule, die Sie noch
erlebt haben. Sicher gab es auch Auswüchse, aber das Rad in die 50er zurückdrehen wollen
wir bestimmt nicht. Dafür mussten Sie neu Erzielungsstile suchen zwischen Autorität und Freiheit. Bestimmt gar nicht so einfach.
Auch in der Kirche hat sich vieles verändert:
Gerade sie versteht sich nicht mehr nur als Bewahrerin von Traditionen sondern auch als Ort,
an dem Kritik möglich ist, an dem auch gesellschaftliche Entwicklungen Thema sind.
Ihre Generation verkörpert vielleicht wirklich einen erneuten Aufbruch des Menschen aus der
Unmündigkeit. Nein, als dumme Schafe wollen Sie sich nun wirklich nicht bezeichnen lassen.
Dabei sind Schafe in Wirklichkeit gar nicht so dumm:
Dass Schafe ganz schön schlau und geschickt sind, das haben wir vor ein paar Jahren in Ostfriesland erfahren müssen. Wir waren bei einem Freund zu Gast, der 2 Schafe in seinem Garten
hielt, weil er keine Lust zum Rasenmähen hatte und weil er die Schafe mochte. Unser Freund
war weggefahren, wir waren in dem Haus allein. Morgens früh geht das Telefon: der Nachbar
war am Apparat:
"Ich glaube, eins Ihrer Schafe ist entlaufen". Wir also raus und versucht dies Schaf einzufangen,
die Nachbarsfrau half auch noch mit.
Zum Glück hat uns niemand dabei gefilmt, das wär ganz schön peinlich. es brauchte nämlich
eine ganze Zeit, bis wir unser Schaf wieder eingefangen hatten. Als es gemerkt hatte, was wir
wollten, war es nämlich 1. schneller als wir und 2. auch noch eine ganze Ecke schlauer und geschickter. Zum Schluss haben wir's dann doch noch geschafft.
Also wie gesagt: Schafe sind gar nicht so dumm und tollpatschig wie man immer denkt.
Und vielleicht können wir sogar von Schafen lernen:
Neulich bei einer Konfirmandenfreizeit, da weidete rund um das Freizeitheim eine Herde Schafe, da gehörten auch ein paar schwarze Schafe dazu.
Ich hab' mir die mal eine ganze Zeit angeschaut: ob die irgendwie außen vor waren, oder anders von den weißen Schafen behandelt wurden. Nichts dergleichen: die schwarzen Schafe
grasten da genauso wie die anderen, mal in der Mitte, mal am Rand, keine Diskriminierung.
Und ich hab mir sagen lassen: Kluge Schäfer lassen inzwischen sogar gern ein paar schwarze
Schafe zwischen den weißen, dann sind die weißen nicht so schreckhaft, wenn mal ein Wild
vorbeikommt.
Also, wenn wir Christenmenschen als Schafe angeredet werden, dann wär das noch nicht mal
eine Beleidigung: doof sind Schafe anscheinend nicht, und vielleicht können sie sogar im sozialen Verhalten durchaus vorbildlich sein, schwarze Schafe tun den weißen anscheinend sogar
gut.
Und auch sonst hat sich das Image der Schafe gebessert:
Fragen Sie mal junge Leute, insbesondere Teenies: Sheepworld, kleine freundliche Schafe auf
Karten, Bettwäsche, Handytaschen und Portemonnaies, Schäfchen, die man sich auch gegenseitig von Handy zu Handy schicken kann:
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bei manchen jungen Leuten richtig Kult. Und die beliebtesten Texte sind:
"Ich hab dich lieb" und "Ohne dich ist alles doof".
Also: eine Entmündigung ist nicht damit verbunden, dass wir Christenmenschen uns auch als
Schafe verstehen können.
Aber was noch viel wichtiger ist: nicht die positiven Eigenschaften oder das inzwischen wieder
bessere Image der Schafe ist es, was uns dazu macht.
Sondern das Bild lebt von einer zentralen Figur: und das ist der Hirte.
Ein Bild, das uns unmittelbar anspricht:
“Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln”, der bekannteste und am meisten gebetete
Psalm 23. Schon aus dem AT, noch heute grad auch in schwierigen Situationen ein eingängiges , ein tröstendes Gebet.
Und dann Jesu Rede von dem Hirten:
Ich bin der gute Hirte,
Es geht um Verlässlichkeit. Jesus als der, auf den Verlass ist,
ein ganzes Leben lang - und darüber hinaus.
Nicht nur ein angeheuerter Saisonarbeiter, obwohl auch die sich rührend um die Schafe kümmern können, aber Jesus ist mehr.
Ihm gehören - im Bild gesprochen - die Schafe,
er ist mit ihnen verbunden, ein Leben lang.
unser Leben lang,
sein Leben lang - das ist ja die Osterbotschaft, die wir in diesen Wochen feiern: das Jesus lebt.
Und uns die Treue hält.
Dieses “Ich bin der gute Hirte” steht im Johannesevangelium neben anderen Aussagen Jesu:
Ich bin das Licht der Welt
Ich bin der Weinstock, ihr die Reben - das war übrigens der Predigttext zu Ihrer Konfirmation.
Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Eine Konzentration auf Jesus hat auch der Kirche immer wieder gut getan:
Vor 75 Jahren, im Mai 1934, da haben die Kirchenvertreter, die sich nicht mit dem Nationalsozialismus einlassen wollten, in Wuppertal-Barmen getroffen und die Barmer Theol. Erklärung verabschiedet, auch eins der vielen Jubiläen, die wir dies Jahr feiern...
"Jesus Christus ist das eine Wort Gottes, dem wir zu vertrauen haben"
war die erste These. Und damit wollten sie allen Verlockungen der Nazis widerstehen, daneben
noch auf Nation, Volk oder Führer zu setzen.
Eine Konzentration auf Jesus macht weniger anfällig.
Heute würden wir vielleicht sagen: weniger anfällig gegenüber anderen Verlockungen: der
Macht des Geldes, dem Vertrauen auf die Märkte, gegenüber dem Gott des Konsums.
Dazu hätte es keiner Weltfinanzkrise bedurft.
Eine Konzentration auf Jesus und seinen Gott lässt vorsichtig sein gegenüber falschen Göttern.
Jesus Christus ist der gute Hirte.
Ein guter Hirte kümmert sich um jedes Schaf, er geht auch dem Verirrten nach, bewahrt es vor
Gefahren, führt immer wieder zu neuen saftigen Weiden,
wehrt wilde Tiere ab.
Die Schafe kennen seine Stimme, wissen instinktiv, dass sie ihm trauen können, vertrauen ihm.
Darum hatten wir ja in Ostfriesland solche Schwierigkeiten mit den bockigen Schaf: Es
kannte uns nicht, kannte unsere Stimme nicht.
Bei Jesus ist das anders: Dieser gute Hirte kennt die Seinen.
Er kennt uns. So, wie wir sind, mit den Seiten, die wir anderen zeigen,
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und auch mit dem, was wir nicht so gern aussprechen.
Er kennt uns auch, wie es in uns aussieht. Er kennt auch unsere verborgenen Seiten: unsere
Ängste und Sorgen, unsere geheimen Wünsche und Gedanken.
Aber sein Wissen nutzt er nicht aus. Er will unser Wohl, unser Heil.
Auf ihn ist Verlass, auch durch die Wechselfälle des Lebens hindurch.
So eine Goldene Konfirmation findet ja auch in einer Zeit statt, in der die eigene Lebensgeschichte eine Wende nimmt:
Wir blicken zurück auf die aktive Zeit im Berufsleben, viele scheiden aus den Berufstätigkeiten
aus, sind es schon oder bereiten sich darauf vor. Wir spüren den Momenten nach, in denen wir
Erfolg hatten und denen, in denen wir vielleicht auch versagt haben. Und spüren zugleich, wo
wir bewahrt wurden, wo er uns bewahrt hat.
Und wir blicken in die Zukunft: Was wird das Leben bringen? Schauen fragend in die Zukunft:
Ich weiß, mit 64 Jahren hat man noch Träume, große und kleine Vorhaben und Pläne. Auch
was die Zeit jenseits der 64 anbelangt, hat sich sicher ganz viel getan im letzten halben Jahrhundert.
Zum alten Eisen will man ganz sicher nicht gehören. Reisen, Fitness, Kultur und Garten und für
viele die jungen Familien, die Enkelkinder.
Zugleich gibt’s natürlich die Sorgen: wie geht es weiter, vor allem: wie lange bleibe ich noch fit,
bleibt die Gesundheit erhalten?
Er kennt uns, und auf ihn ist Verlass, gerade in Zeiten des Umbruchs,
wenn wir von einer Weide zur nächsten ziehen.
Er gibt keinen verloren. Und wir kennen ihn,
Wir sind keine dummen Schafe, wir wissen, auf wen Verlass ist...
Unser Leben lang macht er sich uns bekannt:
von unserer Taufe, über die Konfirmandenzeit und all die 50 jahre dazwischen hat er sich uns
bekannt gemacht...
Manchmal haben wir’s mehr wahrnehmen können,
manchmal weniger,
Aber ein kluges Schaf kennt die Stimme seines Hirten,
Vielleicht ist diese Zeit des Umbruchs eine Zeit, in der wir uns noch einmal / mal wieder besinnen können auf diese Stimme Jesu: ihm vertrauen, in dem was wir tun uns lassen
ihm vertrauen,
im Leben
und darüber hinaus.
Amen.