Die Mafia in Marseille

Transcrição

Die Mafia in Marseille
Universität Wien
Institut für Politikwissenschaft
SS 2003
Die Mafia in Marseille
Eine Untersuchung der Krimi – Trilogie
Jean–Claude Izzos
Vo Mafia, Staat und Männlichkeit
LV- Leiterin: Uni – Prof. E. Kreisky
vorgelegt von: Ulrike Pavelka
MatrNr 9804903, Stkz 300/378
email. [email protected]
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
3
Einleitung
4
1
Die leise Invasion
5
2
Schwarze Serie - die Trilogie einer wahren Geschichte?
9
3
2.1
Total Khéops
11
2.2
Chourmo
13
2.3
Solea
15
Eine Anleitung für den Alltag
18
3.1
Struktur 1: Bandenkrieg, Drogenhandel, Rechtsradikalismus
18
3.2
Struktur 2: Geldwäsche, Erpressung, Fundamentalismus
22
3.3
Struktur 3: Wirtschaftliche Kontrolle und Liquidierung
25
Schlusswort
28
Bibliographie
30
Anmerkungen
31
2
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Le Vieux Port.
Quelle:
http://www.up.univ-mrs.fr/wjfjpc6/images/marseille.gif
5
am
11.6.2004
Abbildung 2: Luftansicht von Marseille. Überarbeitet von Guillaume
10
Brabet, 9.6.2004
Abbildung 3: Quartiers Nord.
11
Quelle: http://www.jesuites.com/jemp/images/marseille.jpg am 11.6.2004
Abbildung 4: Straßenstrich in Marseille. Foto von Guillaume Brabet,
12
10.6.2004
Abbildung 5: Abbildung 5: Le Paniers. Foto von Guillaume Brabet,
13
10.6.2004
Abbildung 6: Corniche Kennedy. Foto von Guillaume Brabet, 10.6.2004
14
Abbildung 7: Plage de Catalans. Foto von Guillaume Brabet, 10.6.2004
15
Abbildung 8: Les Goudes. Foto von Guillaume Brabet, 10.6.2004
16
Abbildung 9: Die Grobstruktur von Total Khéops.
18
Abbildung 10: Die Feinstruktur von Total Khéops.
20
Abbildung11: Die Feinstruktur von Chourmo.
23
Abbildung 12: Die Feinstruktur von Solea.
26
Abbildung 13: Notre Dame de la Garde. Foto von Guillaume Brabet,
28
10.6.2004
3
Einleitung
Für meinen Essay habe ich die Darstellung der Mafia in einem populärkulturellen
Medium gewählt. Die zwischen 1995 und 1998 in Frankreich erschienene Krimi –
Trilogie des erst kürzlich verstorbenen Jean-Claude Izzos behandelt das Zusammentreffen
vom Helden der Geschichte, Fabio Montale, mit der Mafia Marseilles.
Izzo legte sehr viel Wert auf eine detailgetreue Darstellung Marseilles, einer impulsiven
Stadt, in der er selber zu hause war. Seine oft sehr sozialkritische Beschreibung und das
Bemühen, reale Lebensumstände erlebbar zu machen ermöglichen einen Blickwinkel,
der in vielen Untersuchungen über die Mafia außer Acht gelassen wird: Der
Berührungspunkt zwischen Mitgliedern der Mafia und "ganz normalen" Menschen wird
sichtbar.
Im Folgenden werde ich die Ereignisse der Trilogie rekapitulieren. Anschließend möchte
ich die Strukturen der drei Geschichten analysieren. In jedem seiner Romane hat JeanClaude Izzo bestimmte Themen bearbeitet, die die Mafia direkt oder indirekt betreffen.
Diese Strukturen machen auch die Besonderheit der Krimis aus, die ansonsten in ganz
typischer Weise mithilfe einer Intrige, einem oder mehrerer Morde und der Aufdeckung
durch die Hauptperson aufgebaut sind. Was das Treiben der Mafia in Frankreich betrifft,
habe ich die Ausführungen Izzos durch eigene Recherchen ergänzt.
Alle fremdsprachigen Zitate wurden von mir ins Deutsche übersetzt. Ich möchte ich mich
an dieser Stelle bei Guillaume Brabet für seine Fotos von Marseille und die Graphik
bedanken.
4
1 Die leise Invasion
Der heiße Süden Frankreichs ist uns bekannt als die Côte d´Azur, Nizza, Cannes und
Monaco. Doch erst etwas westlicher lernt man kennen, was die Franzosen midi nennen.
Sein Herzstück ist unweigerlich Marseille, die Hafenstadt, die nicht mit Gärten und Villen
protzt, aber Leben versprüht. Marseille ist bestimmt keine Touristenattraktion, Marseille
ist vielmehr ein Treffpunkt der Kulturen, der Menschen wie du und ich und -
des
Verbrechens.
Abbildung 1: Le Vieux Port. Das Zentrum von Marseille. Im Hintergrund sind das Château d´If und
die Îles de Frioul zu sehen.
Quelle: http://www.up.univ-mrs.fr/wjfjpc6/images/marseille.gif am
11.6.2004
Der Süden Frankreichs ist schon von jeher ein beliebter Ort für italienische MigrantInnen
gewesen. Vor allem im Zweiten Weltkrieg meinten zahlreiche ItalienerInnen, der sozialen
Misere im Heimatland in Frankreich entgehen zu können. Die Einwanderer wurden in
ein Viertel nahe dem Hafen gesteckt und fristeten dort unter erbärmlichen Bedingungen
ein als oft poetisches bezeichnetes Leben. Die italienischen Migrationsströme werden
heute von den Arabern, den maghrebins abgelöst.
5
Es liegt nahe, dass die italienische Mafia das Potential der Diaspora nützen würde, und
tatsächlich befanden Vertreter des organisiserten Verbrechens bei einem internationalen
Treffen in Nizza Anfang der 90er Frankreich für würdig, als neues Territorium der
mafiotischen Expansionspolitik zu dienen. Die "Kolonisierung" sollte in drei Etappen
stattfinden. Die erste wurde durch die Errichtung einer cosca (ein Mafia-Klan, der
denselben Ursprung, dieselben Aktivitäten, Interessen und Verhaltensregeln hat)
vollbracht. An der Spitze der ersten cosca sollen PAOLO DI STEFANO und DOMENICO
LIBRI gestanden haben, beide Spitzenleute der `Ndrangheta1 - der Mafia aus Calabrien.
In Frankreich wollte man den Waffen- und Drogenhandel weiter ausbauen und sich der
Geldwäsche bedienen. Zusätzlich zu einem natürlichen Bedürfnis einer erfolgreichen
famiglia, sich immer weiter auszubreiten wurde auch die Verfolgung durch die Justiz im
Heimatland Italien stärker. Und so wurden die bevorzugten Regionen in Frankreich der
italienischen Migrationsströme auch zum Sammelbecken für Vertreter der italienischen
Mafia.2
PAOLO DI STEFANO wurde 1982 in Antibes verhaftet. Besitzer einer stolzen Villa,
wurde er zu diesem Zeitpunkt wegen Handels von Kokain, Diamanten und Waffen
international gesucht. Nach seiner Auslieferung nach Italien wurde er 1986 in Reggio
Calabria von den "Soldaten" einer gegnerischen "Familie" umgebracht.
DOMENICO LIBRI, 1992 in dem Moment verhaftet, als er sich nach Rumänien
aufmachen wollte, wird von offizieller Seite als abgebrühter Verbrecher bezeichnet.
Bekannt ist er auch als Chef einer der Clans, die sich in Calabrien über sechs Jahre
hinweg einen erbitterten Krieg geliefert haben. In Frankreich trat er eher unter dem
Aspekt des umsichtigen Geschäftsmannes auf, sei es nun in der Verwaltung mehrerer
Gesellschaften, die sich dem Kauf bzw. der Konstruktion von Häusern oder Hotels
widmeten,
der
Konstruktion
von
Golfplätzen,
Siedlungen,
Straßen
oder
Vergnügungsparks. Auch wenn all diese Aktivitäten für sich genommen nicht
gesetzeswidrig sind, so scheint es unmöglich, dass die Mittel für die geleisteten
Investitionen nicht aus zweifelhafter Quelle stammen. LIBRI soll auch in Verbindung zu
Polizei und Politik gestanden sein.3
1
2
Für nähere Informationen zur `Ndrangheta vgl. Anmerkungen.
vgl. BIANCHINI, Roger-Louis: La Côte d´Azur nouvelle aire de jeux.. 1981. http://www.historia.presse.fr/ , am
4.11.2003
3
vgl. BIANCHINI, Roger-Louis: La Côte d´Azur nouvelle aire de jeux.
6
Auch wenn seither zahlreiche Personen festgenommen werden konnten, ging die
Kolonisation Frankreichs heimlich, still und leise voran, und sie trat in ihre zweite Phase
ein: Die Organisation krimineller Akte von französischem Boden aus. Die wichtigste
Person für diese Phase war wohl MICHELE ZAZA, genannt O´Pazzo (der Verrückte).
ZAZA war ein Chef der napoletanischen Camorra4, und der einzige, der in der Cosa
Nostra
als
uomo
d´onore
zugelassen
wurde.5
Während
des
Booms
des
Zigarettenschmuggels in den 70ern arbeitete sich MICHELE ZAZA an die Spitze dieses
Geschäfts, was ihm die Mitgliedschaft bei der Cosa Nostra einbrachte.6 Mit seiner Hilfe
baute die Cosa Nostra einen Zigarettenhandel auf, der dann fließend in den
Drogenhandel überging.7
Als sich die Nuova Famiglia ca. 1980 von der Camorra abspaltete, verlegte ZAZA den
Sitz seines Clans von Süditalien nach Südfrankreich. Von nun an war ZAZA nur noch für
sich selbst verantwortlich, gerade noch dem allerwichtigsten Mann der Camorra CARMINE ALFIERI - musste er Rechenschaft ablegen. Und dieser war ohnehin angetan
von den riesigen Summen, die ZAZA erbeutete.8
ZAZA wurde 1991 in Frankreich wegen Zigarettenhandels verhaftet. Die Zigaretten
wurden in Anvers gekauft, in Marseille ausgeladen, und per LKW nach Italien oder
Spanien transportiert. Dann wurden die leeren Container mit Schuhen oder Stoffen
beladen und machten sich Richtung Martinique auf. Nicht sehr lukrativ, hätte nicht auf
dem Rückweg über Venezuela, Panama und Spanien heimlich Kokain die wertlose
Fracht ersetzt. Der Verdacht auf Betrug im Zusammenhang mit einer Zweigstelle der
Banco di Napoli in Genua konnte jedoch nicht bewiesen werden.9
Als ZAZA 1991 eingesperrt wurde, lag er den Behörden und dem Gefängnis mit seinen
ständigen, möglicherweise simulierten Herzanfällen in den Ohren. Seine häufigen
Gesuche kosteten den Staat Frankreich aufgrund der erhöhten Sicherheits- und
Reisekosten ein Vermögen. Schließlich wurde auch ZAZA nach Italien ausgewiesen, wo
4
Für nähere Informationen zur Camorra vgl. Anmerkungen
5
vgl. BIANCHINI, Roger-Louis: La Côte d´Azur nouvelle aire de jeux.
6
vgl.
o.A.:
I
miliardi
della
droga.
http://www.scuoladusmetnicolosi.it/didattica/noisiamo/antologia/a-
imiliardidelladroga.htm , am 4.11.2003
7
vgl. o.A.: Zaza l´Heroine. http://www.zzz.it/zzz/z/ieri/zaza.htm am 4.11.2003
8
vgl. o.A.: Michele Zaza. http://glasgowcrew.tripod.com/zaza.html am 4.11.2003
9
vgl. BIANCHINI, Roger-Louis: La Côte d´Azur nouvelle aire de jeux
7
sich zeigte, dass sein Herzleiden nicht gespielt war. 1994 verstarb er in Rebiddia im
Gefängnis an einem Herzstillstand. 10
Mittlerweile, so sagt man, ist in Frankreich bestimmt schon die dritte Phase der
Kolonialisierung durch die Mafia angebrochen. Sie muss ganz besonders geheim und vor
zudringlichen Blicken geschützt vor sich gehen, handelt es sich hierbei doch darum, die
wirtschaftliche Macht an sich zu reißen.
10
vgl. BIANCHINI, Roger-Louis: La Côte d´Azur nouvelle aire de jeux.
8
2 Schwarze Serie - die Trilogie einer wahren Geschichte?
"Die Geschichte, die man lesen wird, ist frei erfunden. Diese Formulierung ist
bekannt. Aber es ist niemals unnütz, sie in Erinnerung zu rufen. Außer den öffentlich
bekannten Ereignissen, von der Presse berichtet, haben weder die erzählten Fakten
stattgefunden noch die Personen existiert. Nicht einmal der Erzähler, um es genau zu
sagen. Nur die Stadt ist wirklich. Marseille. Und alle, die dort leben. Mit dieser
Leidenschaft, die ihnen eigen ist. Diese Geschichte ist für sie. Echos und
Erinnerungen."11
Jean-Claude Izzo hat zwar die Personen und die Handlungen seiner Geschichten
erfunden, aber die Hintergründe zu seinen Geschichten sind wahr: Sein Ziel ist es, uns
klarzumachen, dass es die Mafia in Frankreich gibt. Wir erfahren einiges über ihre
Aktionen und Ziele und auch, in welchem Zusammenhang sie mit verschiedenen sozialen
Phänomenen steht. Im Folgenden werde ich daher zunächst die Handlungen der drei
Romane zusammenfassen und danach spezifische Themen, die jeweils dominieren,
herausarbeiten. Für jeden Teil möchte ich außerdem die Strukturen der Mafia erfassen.
Angelehnt an das Schema, das Henner Hess12 entwickelt hat, um die Beziehungen
zwischen einzelnen Mafiosi zu beschreiben, möchte ich alle wichtigen Personen der
Erzählung in eine Graphik einbinden. Die graphische Darstellung erleichtert meiner
Meinung nach nicht nur das Verständnis der komplexen Geschichten, sondern
ermöglicht auch eine Übersicht über die unterschiedlichen Relationen, die von Izzo
erdacht wurden.
Jean-Claude Izzo lässt seinen Helden Fabio Montale dreimal auf die Mafia treffen.
Montale steht für die Gerechtigkeit (nicht für das Recht!), er findet den Täter und er
bestraft ihn auch bzw. lässt ihm die Strafe zukommen. Montales Freundin Babette Bellini,
die Journalistin, kommt immer dann ins Spiel, wenn es darum geht, allgemeine
Informationen über die Mafia bekanntzumachen. Man kann davon ausgehen, dass alles,
was Babette in den Romanen über die Mafia erzählt, den Medienberichten entnommen
und somit mehr oder weniger "wahr" ist. Montale betätigt sich als Detektiv, weil er ganz
11
IZZO, Jean-Claude: Total Khéops. Paris: Gallimard. 1995. S.7
12
vgl. HESS, Henner: Mafia: zentrale Herrschaft und lokale Gegenmacht. Tübingen: Mohr. 1986
9
Abbildung 2: Luftansicht von Marseille. Überarbeitet von Guillaume Brabet, 9.6.2004
persönlich von den Morden betroffen ist. Zunächst sind es seine Freunde, die sterben,
dann Mitglider seiner Familie und zu guter Letzt geht es um sein eigenes Leben.
Neben dem Komplott beschreibt Izzo eindringlich soziale Probleme: Sei es die soziale
Kluft zwischen Einwanderern und Franzosen, die stärker werdenden Kräfte des
Rechtsradikalismus und des Fundamentalismus, der sich ausbreitende Drogen- und
Waffenhandel und vieles mehr.
10
Was das Bild aber erst abrundet, ist Izzos Darstellung Marseilles. Da ich diesen Aspekt in
meine Arbeit nicht einbinden möchte, werde ich mich mit ein paar Bildern begnügen, die
dem/ der geneigten LeserIn helfen sollen, sich in das Erzählte hineinzuversetzen.
2.1 Total Khéops13
Fabio Montale arbeitet als Polizist in den gefährlichen banlieus von Marseille, wo die
Ausländerrate ebenso wie die der Arbeitslosigkeit besonders hoch ist und die Kriminalität
dementsprechend um sich greift. Montale ist der Sohn italienischer Einwanderer und
weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, sich die Zukunft zu verbauen. In seiner Jugend
hatte er enge Freundschaft mit Manu, Ugo
und Lole geschlossen, die genau wie er in
ein unterprivilegiertes Leben geboren waren
und
einen
Ausweg
aus
der
Hoffnungslosigkeit suchten. Die drei Jungen
konnten der Versuchung des einfachen
Geldes nicht widerstehen und begannen,
Raubüberfälle zu begehen. Als jedoch einer
dieser Überfälle mit einem Schuss auf den
Besitzer
endete,
setzte
Fabio
einen
Schlussstrich, verpflichtete sich für die
Fremdenlegion
und
wurde
bei
seiner
Rückkehr Polizist. Den Kontakt zu seinen
Freunden brach er ab.
Abbildung 3 : Quartiers Nord . Quelle:
http://www.jesuites.com/jemp/images/marseille.jp
g am 11.6.2004
Die Geschichte von Total Khéops beginnt
mit dem Tod Ugos, der nach Marseille
zurückgekommen ist, um den ermordeten
Manu zu rächen. Ugo erschießt den
Mafiaboss Charles Zucca, der angeblich für den Tod Manus verantwortlich ist, und wird
anschließend von der ihn verfolgenden Polizei umgebracht.
13
IZZO, Jean – Claude: Total Khéops.
11
Kurz danach wird die Leiche eines jungen maghrebinischen Mädchens gefunden,
welches eine gute Freundin Montales war. Leila wurde mehrmals vergewaltigt,
anschließend freigelassen und bei ihrer Flucht dreimal in den Rücken geschossen.
Fabio Montale fühlt sich verpflichtet, die Morde in seinem Bekanntenkreis aufzuklären.
So findet er heraus, dass Leila das Opfer einer Mutprobe geworden ist: Toni, ein
Bekannter der jungen Frau, ist gerade dabei, bei der Mafia Karriere zu machen. Toni war
verliebt in Leila, obwohl sie maghrebinischer Herkunft ist, was sich mit dem rassistischen
Ehrenkodex
der
Mafia
nicht
vereinbaren lässt. Um also in der
kriminellen Organisation aufsteigen
zu können, wurde Toni gemeinsam
mit zwei anderen Mafia - Neulingen
die
Aufgabe
gestellt,
Leila
zu
entführen, sie zu vergewaltigen und
anschließend bei der Flucht auf ihr
Herz zu zielen. Derjenige, der am
Abbildung 4 : Straßenstrich in Marseille. Auch Montale
besten traf - das war Toni während
die
hat
ist hier des öfteren Klient, bei Marie–Lou. Foto von
überlebt,
beiden
Guillaume Brabet, 10.6.2004
anderen umgebracht wurden. Als die
Freunde und Geschwister Leilas, die
teilweise auch der Familie Tonis angehören, herausfinden, was wirklich passiert ist, üben
sie Lynchjustiz an Toni.
Es stellt sich außerdem heraus, dass auch Mitarbeiter der Polizei in Verbrechen der Mafia
involviert waren. Morvan, einer der besten Schützen des departements ist in
rechtsradikalen Kreisen und in jenen der Mafia tätig. Morvan und sein Freund Wepler
sind jene Mitglieder der Mafia, die Toni die Mutprobe gestellt haben.
Auch Ugos Tod ist in eine Intrige der Mafia verwoben. Als der Mafiachef Marseilles
Gaëtan Zampa sich in seiner Zelle erhängt, bricht ein Nachfolgekrieg aus. Mehrere
Anwärter streben den Posten des Mafiabosses an, unter ihnen Tino Batisti und Charles
Zucca. Zucca lässt Batisti umbringen und kann den Platz Zampas einnehmen. Sein
Posten ist aber nicht unangefochten, denn der Bruder Tino Batistis (dessen Vornamen
nicht erwähnt wird) will dessen Tod rächen. Batisti hat gute Voraussetzungen, weil er
offiziell schon lange nichts mehr mit der Mafia zu tun hatte und als unbescholten gilt.
12
Als Michele Zaza verhaftet wird,
bedeutet das für die Nuova Famiglia
in Italien, dass irgend jemand in
Frankreich nicht dichtgehalten hat.
Die Konsequenz: Die Schuldigen
müssen entfernt und neue Männer
an die Spitze gestellt werden. Batisti
ist der ideale Kandidat für die
Nuova
Famiglia
-
und
seinen
Racheplänen kommt der Auftrag des
Umsturzes
gerade
recht.
Die
Liquidierung Zuccas nimmt Batisti
Abbildung 5: Le Paniers. Hier wohnen seit jeher die
MigrantInnen. Foto von Guillaume Brabet, 10.6.2004
mithilfe seines Freundes Ugo vor. Er macht ihn glauben, Zucca hätte Manu umgebracht
und verschafft ihm die Mittel, Zucca zu erschießen. In Wirklichkeit war es aber Batistis
eigene Tochter, die Manu aus Eifersucht umgebracht hat. Die Intrige Batistis gipfelt in
einem Massaker im Lokal seiner Tochter. Von der Camorra geschickt, bringen zwei
professionelle Killer Batistis Schwiegersohn und dessen Bruder um und werden
anschließend von zwei anderen Mafiosi erschossen. Montale, der dem Massaker entgeht,
führt den letzten Überlebenden zu Batisti, der letzteren dann auch noch umbringt.
Die Abteilung der Polizei, der Morvan angehörte, wusste von dessen Tätigkeiten und
verhinderte sein Treiben nicht, um die Hintermänner fassen zu können. Mit dem Tod
Batistis ist dies unmöglich geworden. Fabio Montale, der sich schon längere Zeit mit
seiner Arbeit nicht mehr identifizieren kann, reicht seine Kündigung ein.
2.2 Chourmo14
Diesmal ist Fabio Montales Verwandtschaft in ein Verbrechen involviert. Der jüngste
Sohn seiner Cousine wird Opfer von Auftragskillern, als er deren Mord an einem
algerischen Archäologen beobachtet. Dieser Archäologe war außerdem Teil einer
Bewegung namens FAIS (fédération des artistes, intellectuelles et scientifiques algériens)
was ihm nicht die Sympathien militanter islamistischer Gruppierung bescherte. Sowohl
14
IZZO, Jean – Claude: Chourmo. Paris: Gallimard. 1996
13
der Archäologe Draoui als auch Guitou und seine Freundin Naïma befanden sich zur Zeit
der Morde im selben Haus, das dem Architekt Adrien Fabre gehört.
Außerdem muß Montale mitansehen, wie sein alter Freund namens Serge erschossen
wird. Dieser hatte seinerzeit mit ihm zusammen die Kinder und Jugendlichen der
banlieus betreut, wurde aber aufgrund Beschuldigungen der Pädophilie aus seiner Arbeit
entlassen. Obwohl Fabio Montale nichts mehr mit der Polizei zu tun haben will, möchte
er den Ereignissen auf den Grund gehen.
Es stellt sich heraus, daß Serge von der R.G.15 mithilfe belastenden Materials über seine
pädophilen Kontakte dazu angehalten wurde, über die militanten islamistischen
Gruppierungen unter den maghrébins zu recherchieren. Zu diesen gehört auch Naïmas
Bruder Redouane. Serge ging diesem Auftrag auch eine Zeitlang nach und konnte eine
Akte voll belastender Materialien und Daten sammeln. Im Bewusstsein, dass die
Verfolgung der Teilnehmer an der radikalen Bewegung ohnehin nur wieder die kleinen
Fische treffen würde, niemals aber die Drahtzieher, beschloss er unterzutauchen und
seine Arbeit auf eine andere Art und Weise fortzusetzen. Er nahm Gespräche mit den
Betroffenen auf und versuchte sie so zu überzeugen - wie er es auch früher getan hatte.
Die R.G. gab nach dem Verschwinden von Serge an die Marseiller Polizei die Weisung
aus, Serge ausfindig zu machen und
ihn verschwinden zu lassen. Dem
Abteilungsleiter Pertin, an den die
Weisung ging, konnte das nur recht
sein, weil er selbst in engem Kontakt
mir den islamistischen Extremisten
stand und von ihrem Kampf gegen
den Drogenhandel und für Moral
profitierte. So sind es dann auch
Pertins Leute, die Serge von einem
Abbildung 6: Corniche Kennedy. Wer reich ist, kann sich
hier eine Villa leisten. Foto von Guillaume Brabet,
10.6.2004
15
Auto aus erschießen.
Nach langwierigen Recherchen und
R.G. steht für Direction centrale des renseignements généraux. Die Abteilung der Nationalen Polizei ist für die
Sammlung von bedeutenden Informationen, für die Sicherheit des Staates und die Wahrung seiner Interessen
verantwortlich, vgl. http://www.interier.gouv.fr
14
ein bisschen Glück findet Fabio Montale heraus, dass der Architekt Adrien Fabre in
Kontakt zur Mafia stand, die ihm regelmäßig Geld lieh. Der Architekt war auch
anwesend, als Draoui und Guitou erschossen wurden. Daraufhin bekam er es mit der
Angst zu tun und bereitete seine Flucht vor, wurde aber erschossen. Der wirkliche Grund
für den Tod von Draoui wird nicht bekannt, er könnte aber mit den Resultaten aus der
Untersuchung Serges zusammenhängen. Demnach war die FAIS, der Draoui angehörte,
der Ansicht, auch in Algerien mache sich ein mafiotisches System in der Politik breit, der
"heilige Krieg" des FIS16 sei nur ein
Teil davon.
Die
Identität
des
professionellen
Killers, der sowohl Draoui als auch
Guitou und später Fabre umgebracht
hat, ist jedoch bekannt: Er heißt
Alexandre Narni, und untersteht der
napoletaner Camorra. Und außerdem
ist er seit zehn Jahren mit Gélou, der
Abbildung 7: Plage de Catalans. Foto von Guillaume
Mutter Guitous, verheiratet.
Narni
Brabet, 10.6.2004
hatte sich, als Gélou noch mit ihrem
Mann ein Restaurant in Marseille betrieb, in die schöne Frau verliebt. Als Gino
umgebracht wurde - entweder von Narni aus Gründen der Liebe oder weil er keine
Gelder mehr an die Mafia zahlen wollte - hatte Gélou schon ein Kind von Narni, von
dem dieser allerdings nichts wußte. Dieses Kind war Guitou, der dann von seinem
eigenen Vater kaltblütig erschossen wurde. Fabio Montale verwickelt Narni in eine
Verfolgungsjagd im Auto, die mit dem Tod Narnis endet.
2.3 Solea17
Im letzten Teil der Trilogie hat eine Freundin Montales zu tief in den Affären der Mafia
gegraben. Babette Bellini, Journalistin, hat über Jahre Informationen gesammelt und ist
dementsprechend über die Verwicklung der Mafia in die französische Wirtschaft und
16
FIS ist eine Abkürzung für Le Front Islamique du Salut und wurde 1989 in Algerien gegründet, konnte kurz darauf
bei Wahlen den Sieg davon tragen, wurde aber 1991 verboten. Die Gründer des FIS sind im Gefängnis. vgl.
http://www.lexpress.fr/info/monde/dossier/algerie/dossier.asp?id=215949 am 12.6.2004
17
IZZO, Jean – Claude: Solea. Paris: Gallimard. 1998
15
Politik informiert. Doch ihr Wissen ruft die kriminelle Organisation auf den Plan. Sie
kann nicht dulden, dass Babette ihr Wissen publiziert. Die Journalistin, die sich in Italien
aufgehalten hat, flieht nach Frankreich, nachdem sie ihren Freund und dessen Bruder
ermordet auffindet. Sie versteckt sich in der Umgebung Marseilles, während zwei Killer
nach ihr suchen. Die beiden Mafiosi finden in Babettes Wohnung einen Hinweis auf
Fabio Montale.
Fabio Montale hat sich in der Zwischenzeit immer mehr aus dem Leben in seine kleine
Hütte zurückgezogen, lebt von den Resten seiner Ersparnisse und davon, dass er bei
seinem alten Freund Fonfon im Café aushilft. Eines Morgens wird Montale von einem
Anruf des Killers geweckt: Er soll der Mafia den Aufenthaltsort von Babette mitteilen,
oder für sie herausfinden. Um ihre Forderungen zu unterstreichen, haben die Killer die
Frau, die Montale den Abend zuvor
kennengelernt
hatte,
umgebracht.
Montale ist natürlich nicht bereit, der
Mafia in die Hände zu spielen, im
Gegenteil, nach dem Tod seiner
Bekannten fühlt er den Wunsch, sie
und ihren nun verwaisten Sohn zu
rächen.
Die folgenden Tage sind von einem
Abbildung 8: Les Goudes. Hier wohnt Fabio Montale.
Katz- und Maus - Spiel zwischen den
Foto von Guillaume Brabet, 10.6.2004
Killern, der Polizei, Montale und
Babette geprägt. Montale kann der Polizei kein Vertrauen mehr entgegenbringen, obwohl
es zwischen ihm und der ermittelnden Kommissarin, Hélène Pessayre, sofort funkt.
Während Montale also der Polizei nichts erzählt, versucht er den Aufenthaltsort von
Babette zu finden, was ihm gelingt, als sie mit ihm Kontakt aufnimmt. Sie schickt ihm ihre
gesamten Recherchen, gespeichert auf Disketten. Montale sieht das Material durch und
bittet einen Bekannten, eine Internetseite zu kreieren und auf sein Veranlassen hin zu
aktivieren. Die Killer bleiben ihm allerdings auf dem Fuß und töten seinen letzten ihm
verbliebenen Freund Mavros.
16
Montale vereinbart mit Babette einen Treffpunkt auf Frioul18, um mit ihr in Ruhe
sprechen zu können. Seine Unruhe steigt, als er bemerkt, dass sein Telefon abgehört
wird. Viel zu spät erzählt er der Polizistin Hélène alles, was er weiß und gibt ihr die
Disketten. Der Tag des Treffpunktes ist gekommen. Montale erfährt, dass die Familie, bei
der sich Babette versteckt hielt, brutal umgekommen ist. Montale weiß jetzt, dass jemand
von der Polizei alles verraten hat, aber dennoch gibt er die Erlaubnis zur Aktivierung der
Internetseite und macht sich zu den Inseln von Frioul auf. Die letzten zwei Menschen, die
ihm noch etwas bedeuten, seine Nachbarin Honorine und Fonfon, haben Marseille
bereits verlassen. Als Fabio auf den Inseln ankommt, findet er den toten Félix, der
Babette mit seinem Boot von Marseille hergebracht hat. Die Mörder sind schon da. So
auch Béraud, der engste Mitarbeiter von Hélène. Als dieser auf Montale trifft, klärt er ihn
über die letzten unklaren Punkte auf: Der Fall ist der Abteilung Hélènes entzogen worden
und ihr eigener Chauffeur hat sich als Verräter herausgestellt. Die beiden versuchen,
Babette, die sich auf der Insel versteckt hält, vor den Killern zu finden. Montale entdeckt
sie dann auch, aber es ist zu spät, als sie auf ihn zuläuft, wird sie erschossen. Auch
Béraud wird umgebracht. Montale feuert auf einen der beiden Killer und tötet ihn. Auf
seiner Flucht von der Insel wird er von dem anderen erschossen.
18
Les Îles de Frioul liegen vor Marseille (vgl. Abbildung 2) und sind quasi unbewohnt. Die Bewohner von Marseille
fahren gerne hin, um sich zu baden und zu sonnen. Mit dem Boot kann man sie in ca. einer halben Stunde erreichen.
17
3 Eine Anleitung für den Alltag
3.1 Struktur 1: Bandenkrieg, Drogenhandel, Rechtsradikalismus
Arabische
Mafia
Camorra
Nuova Famiglia
Polizei
Front National
Abbildung 9: Die Grobstruktur von Total Khéops
Die grobe Struktur von Total Khéops zeigt, welche Kreise in die Ereignisse involviert sind,
Privatpersonen ausgenommen.
Die Anzeichen stehen dafür, dass die Mafia bei der "Kolonisierung" Frankreichs die
Grenzen der Clans übersprungen hat und auf Zusammenarbeit setzt, was beim
organisierten Verbrechen durchaus nicht unüblich ist.19 Dennoch ist das Thema des
ersten Bandes ein blutiger Krieg zwischen zwei Mafiosi. Hess gibt in seiner Untersuchung
über das organisisierte Verbrechen an, dass die Feindschaft zwischen verschiedenen
Mafiosi ihren Ursprung darin hat, dass zuwenig Machtpositionen vorhanden sind. Der
Anlass zu einer Auseinandersetzung ist aber eher privater Natur, Uneinigkeiten nehmen
19
vgl. Kapitel 1 und HESS, Henner: Mafia: zentrale Herrschaft und lokale Gegenmacht. Tübingen: Mohr. 1986. S 101
18
große Ausmaße an. In diese Auseinandersetzungen werden viele Menschen
hineingezogen, als Teil einer der beiden Fraktionen, aber auch als Zivilisten.
20
Dieses
Szenario übernimmt Izzo haargenau.
Der Autor beschreibt die Situation in Marseille als einen Markt, um den sich seit 10
Jahren die neue Camorra, repräsentiert von RAFFAELE CUTOLO, CARMINE ALFIERI
und LORENZO NUVOLETTA, und die Nuova Famiglia in den Händen der Clans
VOLGRO und GIULIANO streiten21. CARMINE ALFIERI ist einer der mächtigsten capi
der Camorra und wurde gemeinsam mit TOTO RIINA 1990 vom tribunal correctionnel
von Nizza zu 15 Jahren Haft verurteilt. Er wurde beschuldigt, in Nizza und Antibes den
Drogenmarkt mit Stoff in großen Mengen versorgt zu haben.22LORENZO NUVOLETTA
arbeitete häufig mit MICHELE ZAZA.23
In Total Khéops steht die Mafia in enger Verbindung zum Front National. Die Mitglieder
des einen gehören zum anderen und umgekehrt. Die Mafia hat ihre Mitglieder aber auch
in die Polizei infiltriert, letztere wiederum schließt Händel ab und akzeptiert Morde an
Unbehelligten um an die Hintermänner des organisierten Verbrechens zu kommen. In
dem Roman spielt außerdem auch noch die arabische Mafia eine untergeordnete Rolle.
Izzo plaziert seinen imaginären Mafiachef Zucca zwischen die Kreise der Nuova Famiglia
und der Camorra. Er wird als ein Geschäftsmann beschrieben, der es verstanden hat,
sich zwischen allen Fronten an die Spitze zu arbeiten.24 Zucca hat die Geschäfte vom
verstorbenen Zampa übernommen und beschlossen, die Prostitution, Nachtclubs und
das Glücksspiel aufzugeben. Er überlässt sie der arabischen Mafia und den Kleinganoven
der Stadt. Statt dessen konzentriert sich Zucca in enger Zusammenarbeit mit ZAZA - der
zur Camorra gehört - auf den Drogenhandel: Über Neapel, Marseille und Sint Marteens
bis zu den Antillen laufen seine Geschäfte. Die Profite werden in Supermärkten,
Restaurants und Immobilien angelegt. Auch nach der Verhaftung ZAZAs weiß Zucca sich
zu helfen, denn er hat sich beizeiten um finanzielle Unterstützung aus der Schweiz und
20
vgl. HESS, Henner: Mafia. S 98 - 99
21
vgl. IZZO, Jean-Claude: Total Khéops. S 121
22
vgl. BIANCHINI, Roger-Louis: Mafia, argent et politique. Paris: Seuil. 1995. S 60
23
vgl. BIANCHINI, Roger-Louis: Mafia, argent et politique. S 33
24
vgl. IZZO, Jean-Claude: Total Khéops. S 231
19
20
Driss
Mouloud
Laarbi
Marie - Lou
Leila
Arbeits- oder Abhängigkeits
verhähltnis
Freundschaft
Verwandtschaft
Kader
Jasmine
Karine
Raoul
Farge
Toni
Arabische
Mafiat
Camorra
Nuova
Famiglia
Nacer
Mourrabed
Simone
Batisti
Nuova
Famiglia
Emile Poli
Luc
Wepler
Schwester
Morvan
Auch +
Gruppe
Hugo
Manu
Abbildung 10: Die Feinstruktur von Total Khéops
Front National
Polizei
Front
National
Joseph Poli
Batistis
Bruder
Zucca
Camorra
Polizei
Fabio
Montale
Lole
Maitre Éric
Brunel
Al Dakhil
Mafia
arabe
Deutschland gekümmert. Er ist sich des Rückhaltes durch die Camorra sicher.25 Seine
Verbindung zu der Nuova Famiglia besteht durch die Heirat mit einer Cousine des Clans
VOLGRO. Erst als er keine Familie mehr hat ist alles außer Ruder gelaufen.26
Batisti gibt sich den Anschein, mit Zucca gut zusammenzuarbeiten, in Wahrheit aber
wartet er den Moment ab, in dem er seinen Bruder rächen kann. Er hat nicht nur gute
Verbindungen zu Zucca, sondern auch zu den Brüdern Poli, da seine Tochter mit einem
der beiden verheiratet ist. Die Brüder Poli wiederum sind den rechtsextremen Kreisen des
Front National zugetan, gemeinsam mit dem Advokat Zuccas, einem Mitglied der Polizei
namens Morvan und dessen Freund Wepler – auch ein Mitglied der Camorra. Batisti ist
also ebenfalls nach allen Seiten hin abgesichert.27 Mit der Verhaftung MICHELE ZAZAs
ist die Stellung Zuccas nicht mehr so sicher wie zuvor, denn die Nuova Famiglia vermutet
einen Verräter in der Umgebung ZAZAs. Sie überträgt dem unauffälligen Batisti den
Auftrag, Zucca zu eliminieren und sich selbst an die Spitze zu stellen. Zunächst scheint
dies unmöglich, denn Zucca steht rund um die Uhr unter polizeilicher Überwachung.
Doch Batisti bringt Manu, den alten Freund Fabio Montales, dazu, kompromittierende
Papiere beim Advokaten Zuccas sicherzustellen, um mit der Polizei zu handeln. Manu,
der mit der Tochter Batistis liiert war und sie verlassen hat, wird von ihr aus Eifersucht
umgebracht. Dies ermöglicht Batisti, Ugo dahingehend zu manipulieren, dass dieser
Zucca ermordet. Die Polizei interveniert nicht, erschießt aber den flüchtenden Ugo.28
Danach versucht Batisti alle ihn störenden Personen mittels eines Massakers aus dem
Weg zu räumen, Montale inklusive, der nur deswegen überlebt, weil er zu spät zum
Treffpunkt kommt.
Die militante rechtsradikale Bewegung wird in Total Khéops von Wepler personifiziert. Er
schaut auf eine eindrucksvolle Karriere beim Militär zurück und organisiert seit den
90ern militante Gruppierungen des Front National. Izzo teilt die Anhängerschaft des
Front National in zwei Gruppen: Die einen, so meint er, seien jene, die sich als Opfer der
schlechten Wirtschaft verständen, die Arbeitslosen, die vom Sozialismus und
Kommunismus Enttäuschten. Die anderen wären jene, die sehr viel entschlossener seien,
25
vgl. IZZO, Jean-Claude: Total Khéops. S 121 - 122
26
vgl. IZZO, Jean-Claude: Total Khéops. S 191
27
vgl. IZZO, Jean-Claude: Total Khéops. S 267
28
vgl. IZZO, Jean-Claude: Total Khéops. S 268
21
kommend vom Œvre française29, vom GUD(Groupe Union et Défense)30 oder vom
Front de lutte anticommuniste. Die militanten Gruppen, die Wepler ausbildet, kommen
aus letzterem Milieu, und sie sind jederzeit für den Kampf einsetzbar.31 Wepler möchte
aber mehr als nur im Dunkeln Männer ausbilden. Er möchte Marseille von seinen
ausländischen Anteilen säubern! Sein Plan ist es, über den Drogendealer Nacer
Mourrabed einen Waffenhandel aufzuziehen und den Druck auf die unzufriedene Jugend
der quartiers Nord zu erhöhen, um anschließend Unruhen zu erzeugen, die von eben
diesen quartiers ausgehen. Diese Unruhen würden die Angst und den Rassismus nähren
und einen Aufstieg der politischen Rechten erleichtern. 32
Wepler und sein ebenso nationalistisch eingestellter Freund Morvan sind auch
verantwortlich für Leilas Tod. Sie haben Toni mit dem arabischen Mädchen gesehen und
ihn daraufhin auf die Probe gestellt. Leila wird im Zuge eines Rituals von drei Männern
(darunter Toni) mehrmals vergewaltigt und anschließend umgebracht.
3.2 Struktur 2: Geldwäsche, Erpressung, Fundamentalismus
"...dass wir, ohne es zu merken, von einer politischen Gesellschaft, die mafiotischen
Types war, in ein mafiotisches System geglitten sind."33
Erpressung ist das Thema des zweiten Teils der Izzo - Trilogie, die die Mafia als Mittel zur
ökonomischen Machtergreifung benötigt. Der Gewinn aus dem Drogenhandel wird zu
günstigen Bedingungen an Unternehmen mit Geldproblemen weiterverliehen. So wird
einerseits die dubiose Herkunft der Finanzen verdeckt und andererseits ein Netz der
Kontrolle ausgelegt.34 Übrigens: Die Einnahmen aus dem Drogenhandel sollte man nicht
unterschätzen. Babette, die Journalistin, die alles über die Mafia weiß, ist der Ansicht,
dass man die Gewinne auf 1650 Milliarden Francs (das sind ca. 60 Milliarden Euro) pro
29
Nähere Informationen zur "nationalistischten Komponente der nationalistischen Bewegung Frankreichs" zB. auf
http://www.oeuvre-francaise.com/. Vom Inhalt dieser Seite möchte ich mich ausdrücklich distanzieren.
30
Hierzu empfehle ich die Seite http://francepolitique.free.fr/PUR2.htm , die eine Chronologie und Verbindungen zu
anderen rechtsradikalen Bewegungen verzeichnet.
31
vgl. IZZO, Jean-Claude: Total Khéops. S 189
32
vgl. IZZO, Jean-Claude: Total Khéops. S 231
33
vgl. IZZO, Jean-Claude: Chourmo. S 261
34
vgl. IZZO, Jean-Claude: Chourmo. S 273
22
Abbildung 11: Die Feinstruktur von Chourmo
Camorra
Polizei
Gino
Sèrge
Fabio
Montale
Alex
Narni
Pertin
Gélou
Guitou
Islamistischer
Extremismus
Hocine
Draoui
Naima
Hamoudi
Adrien
Fabre
Mourad
Hamoudi
Redouane
Hamoudi
Cûc
Mathias
Von der Mafia getötet
Farid
Hamoudi
Grandpère
Hamoudi
Mère
Hamoudi
Polizei
Liebe
Islamistischer
Extremismus
Arbeits- oder
Avhängigkeitsverhältnis
Camorra
Freundschaft
Verwandtschaft
o.Heirat
Jahr schätzen kann. Diese Summe entspräche mehr als dem doppelten Umsatz der
globalen Erdölindustrie.35
Alex Narni ist ein professioneller Killer der Mafia und er ist ein Untergebener von JEANLOUIS FARGETTE. FARGETTE, genannt le caïd (Gangsterboss), war der Besitzer eines
stattlichen Empiriums von Limonaden und Discos und besonders umtriebig, wenn es sich
darum handelte, Geld reinzuwaschen. Er wurde 1993 an der Riveria umgebracht.36 – Die
Vermutungen in Chourmo gehen dahin, dass eventuell sogar Narni für dessen Tod
verantwortlich sein könnte.
37
Neben seinem Job als professioneller Killer ist Narni aber
auch Finanzberater bei einer internationalen Wirtschaftsmarketingfirma, zufällig jene
Firma, die unter anderem für die Unternehmen der Familie Fabre tätig ist: Sowohl für
35
36
vgl. IZZO, Jean-Claude: Chourmo. S 361
vgl. JEROME, Philippe: Le Var: un département gouverné au milieu. 13.5.1998. http://www.humanite.fr am
11.6.2004
37
vgl. IZZO, Jean-Claude: Chourmo. S 272
23
das Architekturbüro Adrien Fabres als auch für die Modefirmen von Cûc. Die Beratung
dieser und ähnlicher Firmen sieht folgendermaßen aus: Die napoletanische Camorra
leiht Geld an Personen, Unternehmen und Firmen zu relativ günstigen Bedingungen.
Solange es nicht zu Schwierigkeiten bei den Rückzahlungen kommt, verhält die Mafia
sich kooperativ.
Adrien Fabre benötigte dringend Geld, um seine Projekte und auch jene seiner Frau Cûc
realisieren zu können. Als Cûc hinter das Finanzierungsgeheimnis kam, versuchte sie
ihren Mann davon zu überzeugen, daß es besser wäre zu fliehen. Fabre aber meinte, er
könne seine Kontakte unter Kontrolle halten, und sie dafür nützen, seine Karriere zu
forcieren. Sollte er dann oben an der Spitze stehen - wo er hinwollte - so würde er
sowieso ausreichend Macht haben, um diese Kontakte wieder loszuwerden. Erst als er
mit seinen Zahlungen etwas säumig wird, lässt ihn die Mafia ihre Macht spüren - indem
sie ihn zwingt an der Exekution Draouis zuzusehen. Da erst wird ihm bewußt, worauf er
sich eingelassen hat und bereitet alles zu einer Flucht vor. Entkommen kann er allerdings
nicht.
Eine weitere Person, die von der Erpressung durch die Mafia betroffen war, hieß Gino
und war mit Montales Cousine Gélou verheiratet. Die beiden führten ein gutgehendes
Restaurant in Marseille. Bald nach der Eröffnung wurde ein gewisser Alex Narni ein
Stammkunde von Nino und brachte häufig illustre Gäste mit. Manchmal waren es aber
auch Mafiosi. Trotz des ständig ausgebuchten Lokals verdiente die Familie nicht allzuviel,
schließlich sprach Gino sogar davon, zu verkaufen und woanders hinzugehen. Eines
Abends stritt er sich mit Narni, der sich in die schöne Gélou verliebt hatte. Einen Monat
später war Gino tot und Narni half Gélou, sich eine neue Existenz aufzubauen...38
Der islamistische Extremismus macht die zweite Struktur in Chourmo aus. Im ersten Teil
wird uns der junge Toni vorgestellt, der keine Aussichten auf Arbeit oder Geld hat,
glaubt, mithilfe der Mafia seine Karriere beschleunigen zu können und daran zugrunde
geht. In Chourmo nimmt diesen Platz Redouane ein, aus der maghrebinischen
Unterschicht, der zunächst ständig im Konflikt mit der Legalität steht, bis er im Gefängnis
auf einen Prediger trifft, der ihn zum Glauben bekehrt. Redouane wird zum militanten
Vertreter des islamistischen Glaubens, macht bei Überlebenstrainings mit, nimmt am
38
vgl. IZZO, Jean-Claude: Chourmo. S283 - 288
24
Krieg in Bosnien teil, bewahrt Pamphlets des FIS bei sich zu hause auf, verprügelt
gemeinsam mit seinen Freunden Drogendealer.39 Die Drahtzieher der militanten
Bewegung bedienen sich sozialer Einrichtungen, um zu rekrutieren, wie zB.
Freizeiteinrichtungen, Unterstützung bei der Schule oder Arabischkurse. Das Ziel der
Bewegung ist aber, urbane Guerillaeinheiten aufzubauen.40 Der FIS hat in ihrer
Radikalität sogar Gemeinsamkeiten mit dem Front National entdeckt. So lautet der Text
einer Deklaration des F.N.:
"Dank des FIS werden die Algerier mehr und mehr den Arabern ähnlich und immer
weniger den Franzosen. Der FIS spricht sich für das Recht des Blutes aus. Auch wir!
Der FIS ist gegen die Integration der Einwanderer in die französische Gesellschaft.
AUCH WIR! [...] Der Sieg des FIS ist eine unerhoffte Chance, ein Iran vor unserer
Haustüre zu haben. "41
Pertin, Polizist, sympathisiert ebenso wie der F.N. mit den strengen Regeln des Islam. Er
geht sogar so weit, Delinquenten unbehelligt zu lassen, solange diese in den berüchtigten
Vierteln der Stadt für Ruhe sorgen.
3.3 Struktur 3: Wirtschaftliche Kontrolle und Liquidierung
"Eine Gesellschaft ohne Moral ist nicht mehr die Gesellschaft."42
Der letzte Teil der Trilogie ist vom Aufbau her einfacher als die anderen beiden. Hier
geht es nicht mehr in erster Linie um eine komplizierte Intrige, hier wird die Allmacht der
Mafia demonstriert. Einerseits liefert Babette noch einmal beunruhigende Informationen
bezüglich der Infiltration des organisierten Verbrechens in Frankreich. Andererseits stellt
sich die Mafia in ihrer grausamsten und unerbittlichsten Form dar, denn es geht darum,
InformationsträgerInnen unschädlich zu machen. Und da wird vor keinem Mord
zurückgeschreckt.
Babette beschreibt, wie sich die Mafia in die weltweite Ökonomie einschleicht: Die
Öffnung der Marktwirtschaft, die Privatisierung und Liberalisierung begünstigen die
Internationalisierung der kriminellen Ökonomie. Die Einnahmen aus dem Drogen- und
39
vgl. IZZO, Jean-Claude: Chourmo. S 204
40
vgl. IZZO, Jean-Claude: Chourmo. S 237
41
IZZO, Jean-Claude: Chourmo. S 194. Übersetzung von der Verfasserin.
42
IZZO, Jean-Claude: Solea. S 150. Übersetzung von der Verfasserin.
25
Bruno
+ famille
Georges
Mavros
Gianni
Attilio
De Luca
Sonia
De Luca
Mafia
Enzo
De Luca
Babette
Bellini
Ricordo
Bruscati
2. Killer
Honorine
Fabio
Montale
Fonfon
Père
Pessayre
Félix
Hélène
Pessayre
Béraud
Chauffeur
Verwandtschaft
Von der Mafia getötet
Freundschaft
Liebe
Arbeits- oder
Abhängigkeitisverhältnis
Abbildung 12: Die Feinstruktur von Solea
Waffenhandel, nuklearer Materialien und den klassischen, von der Mafia betriebenen
Geschäfte wie Prostitution, Glücksspiel und Devisenhandel bringen laut einem Bericht
der UNO Tausende Millionen Dollars. Darüber hinaus ist die Mafia aber auch legal in die
Wirtschaft eingebunden, indem sie in rechtlich einwandfreie Geschäfte investiert oder sie
kontrolliert. Diese Vorgehensweise dient der Geldwäscherei, ist aber auch eine
willkommene zweite Einnahmequelle. Die üblichen Bereiche, in denen die Mafia tätig ist,
sind Luxusmöbel, die Vergnügungsindustrie, Editionen, Medien und Banken, aber es
beschränkt sich nicht auf diese.43 Izzo lässt seine Journalistin Babette spekulieren, dass
die Verstrickung von illegalen und legalen Geschäften noch gravierende Auswirkungen
auf unseren Kapitalismus der Nachkriegszeit haben werden. Die Abwicklung legaler
Geschäfte dient den kriminellen Organisationen dazu, schmutziges Geld reinzuwaschen,
26
während die legalen Institutionen das Geld in Richtung Mafia schieben. Dies alles ist
möglich, weil das organisierte Verbrechen Banken und Handelsfirmen kontrolliert, die
entweder in die Geldwäsche oder in andere Geschäfte der Mafia verwickelt sind. Die
Banken täuschen vor, nichts vom Ursprung des Geldes zu wissen, das durch ihre Filialen
geht, während sie die nicht unbeträchtlichen Kommissionen einstecken. Aber darüber
hinaus gewähren sie mafiotischen Organisationen auch noch Kredite zu hohen
Prozentsätzen, zum Schaden von produktiven Investitionen, wie jenen der Industrie oder
der Landwirtschaft. Außerdem besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der
Verschuldung, dem Schwarzmarkt und der Geldwäscherei. Denn die staatliche
Wirtschaft, so Izzo, ist in eine Krise gestürzt: Nach der Schuldenkrise in den 80ern sind
die Preise für Rohstoffe stark zurückgegangen, was die Entwicklung der betroffenen
Exportländer gehemmt hat. Die Einsparungspolitik verhindert Investitionen, die
Arbeitslosigkeit steigt, die Löhne sinken.44
Die Mafia profitiert vor allem von den Steuerparadiesen, wo sie sich sicher sein kann,
dass ihr Geld von den größten Banken der Welt diskret und gewinnorientiert angelegt
wird. Der heutige Stand der Technik ermöglicht es darüber hinaus, kompromittierende
Profite aus illegalen Transaktionen auf schnellstem Wege verschwinden zu lassen. Durch
elektronische
Übertragung
lassen
sich
Geldsummen
einfach
zwischen
der
Mutterorganisation und verschiedenen Filialen verschieben, was die Umgehung von
Steuerzahlungen ermöglicht. Die Anhäufung von großen Kapitalreserven in den
Steuerparadiesen ist gleichzeitig für die Defizite der meisten westlichen Länder
mitverantwortlich. 45
Die Mafia, dargestellt von zwei Killern, geht in Solea buchstäblich über Leichen, um an
Babette Bellini zu gelangen. Die professionellen Mörder töten ihren Freund Gianni und
dessen Bruder. Nach der Flucht Babettes nach Frankreich ermorden sie eine flüchtige
Bekannte von Fabio, Sonia De Luca, anschließend seinen Freund Mavros. Der
Showdown auf den Îles de Frioul endet mit dem Tod von Félix, Babette, dem Polizisten
Béraud, einem der Killer und Montales. Damit endet auch die Trilogie.
43
vgl. IZZO, Jean-Claude: Solea. S 129
44
vgl. IZZO, Jean-Claude: Solea. S 149
45
vgl. IZZO, Jean-Claude: Solea. S 233
27
Schlusswort
Diese Arbeit soll ein Versuch sein, einen Einblick in das Wesen der südfranzösischen
Mafia zu geben. Mein Zugang erfolgte über ein literarisches Werk aus den 90er Jahren.
Mir war es ein Anliegen, mithilfe der Trilogie von Jean-Claude Izzo die Strukturen und
die Tätigkeitsbereiche der Mafia in Marseille auszuarbeiten. Die Informationen aus den
Abbildung 13: Notre Dame de la Garde. Foto von Guillaume Brabet,
10.6.2004
Romanen habe ich durch zusätzliche Recherchen ergänzt. Es hat sich herausgestellt, dass
die Kolonisiserung Frankreichs bereits weit fortgeschritten ist. Das organisiserte
Verbrechen hat sich in Marseille vor allem auf den gut gehenden Drogenmarkt gestürzt,
aber auch andere Sparten wie die Prostitution, Spiel und Geldwäsche nicht
vernachlässigt.
Diese
Beschäftigungen
werden
von
Erpressung
begleitet.
Das
übergeordnete Ziel ist die Übernahme der wirtschaftlichen und politischen Macht. Um
den nicht unbegrenzten Markt brechen auch Streitigkeiten aus, die in blutigen
Bandenkriegen ausgetragen werden können. Vor Allianzen mit rechtsradikalen und
nationalen Bewegungen wird nicht zurückgeschreckt. Izzo stellt das so dar: Das
organisierte Verbrechen profitiert von jeglicher Radikalisierung der Gesellschaft, von
Intoleranz und Hass. Er sieht einen engen Zusammenhang zwischen sozialer Misere und
dem Zulauf zu radikalen oder verbrecherischen Organisationen. Jugendliche, denen man
28
das schöne Leben zeigt, aber nicht ermöglichen will, werden zu leichten Opfern dieser
Bewegungen. Der Staat also, der sich der Verantwortung entzieht, sich um die Zukunft
seiner Jugend zu kümmern, muss damit rechnen, mafiotischen und radikalen
Bewegungen den Weg geebnet zu haben.
Jean-Claude Izzo hat mit seiner Trilogie ein Werk vorgelegt, dass einen ganz besonderen
Blickwinkel auf die Mafia ermöglicht. Das leise Unbehagen, das sich während der Lektüre
einschleicht, soll uns folgendes zeigen: Die Mafia kann man zwar gewissermaßen unter
der Lupe in sterilem Zustand betrachten. In Wirklichkeit aber steht sie mit dem Menschen
neben uns oder vielleicht sogar mit uns selbst in Kontakt.
29
Bibliographie
Primärliteratur
IZZO, Jean – Claude (1995) Total Khéops. Paris: Gallimard.
IZZO, Jean – Claude (1996) Chourmo. Paris: Gallimard.
IZZO, Jean – Claude (1998) Solea. Paris: Gallimard.
Sekundärliteratur
BIANCHINI, Roger - Louis (1995) Mafia, argent et politique, enquête sur les liaisons
dangereuses dans le Midi. Paris: Seuil. 1995
HESS, Henner: Mafia: zentrale Herrschaft und lokale Gegenmacht. Tübingen: Mohr.
1986
Internetseiten
BIANCHINI,
Roger-Louis:
La
Côte
d´Azur
nouvelle
aire
de
jeux.
1981.
http://www.historia.presse.fr/, am 4.11.2003
JEROME, Philippe: Le Var: un département gouverné au milieu. 13.5.1998.
http://www.humanite.fr am 11.6.2004
QUADERNI
GIURIDICI
IMPERIESI
(Hg.):
Mafia
ou
Mafie?
23.5.2003,
http://digilander.libero.it/ am 4.11.2003
I miliardi della droga. http://www.scuoladusmetnicolosi.it/didattica/noisiamo/antologia/aimiliardidelladroga.htm , am 4.11.2003
Michele Zaza. http://glasgowcrew.tripod.com/zaza.html am 4.11.2003
Zaza l´Heroine. http://www.zzz.it/zzz/z/ieri/zaza.htm am 4.11.2003
http://authologies.free.fr/izzo.htm abgerufen am 6.5.2003
http://francepolitique.free.fr/PUR2.htm am 11.6.2004
http://perso.club-internet.fr/ciappile/ abgerufen am 6.5.2003
http://www.interieur.gouv.fr am 12.6.2004
http://www.jcizzo.com/ abgerufen am 6.5.2003
http://www.jeanclaude-izzo.com abgerufen am 6.5.2003
http://www.lexpress.fr/info/monde/dossier/algerie/dossier.asp?id=215949 am 12.6.2004
http://www.nicaso.com/pages/doc_page87.html am 4.11.2003
http://www.oeuvre-francaise.com/ am 11.6.2004
30
Anmerkungen
Die `Ndrangheta hat ihren Ursprung in Calabrien, aber heute ihre Mitglieder sowohl in
Ligurien, der Emilia Romagna, Piemonte, Lombardia, Veneto, Valle d´Aosta als auch in
Frankreich, Deutschland, Russland, Ex - Jugoslawien, Schweiz, Bulgarien, Bolivien, den
USA, Canada und Australien - kurz auf der ganzen Welt.. Eine Zeit lang war man sogar
im Zweifel darüber, ob die `Ndrangheta überhaupt existiert, doch konnte von der
Direzione Invetigatrice Antimafia der Beweis erbracht werden, dass die Organisation aus
155 cosche (Mz. von cosca: Mafia - Klan) und 6000 Mitgliedern besteht und
Verbindungen zu Politik und Geheimagenten hielt, was ihr staatliche Repressionen
ersparte und eine Konsolidierung auf italienischem Boden ermöglichte.
`Ndrangheta ist horizontal nach Familien (des Blutes) organisiert - die Blutsbande
werden durch verkreuzte Heiraten verstärkt - und jede Familie hat ihr Territorium, auf
dem sie nach eigenem Gutdünken agieren kann. Das Reglement der `Ndrangheta sieht
bei falschem Verhalten eine Sanktionierung innerhalb der Organisation vor.
Die Geschäfte laufen hauptsächlich über den internationalen Waffenhandel, den Verkauf
und Handel von Drogen und Erpressung.
Nach dem Krieg der cosche 1985 wurde von den calabresischen Familien ein
Organismus kreiert, der aus den mächtigsten Chefs besteht und die Kontrolle über die
anderen Familien übernommen hat.46
Die Camorra ist die einzige, die ihren Ursprung in der städtischen Umgebung hat. Diese
mafiotische Organisation übt eine extrem starke Kontrolle über ihr Gebiet aus und
integriert besonders die ärmeren Schichten. Sie verfügt über solide Verbindungen zur
Politik. Die Camorra besteht aus ca. 111 Familien und 6 700 Mitgliedern in Kampanien,
sie ist weiters in Holland, Deutschland, Rumänien, Frankreich, Schottland, Spanien und
Portugal und Santa Domingo vertreten. Entstanden gegen Beginn des 19. Jahrhunderts
in Neapel, wurde die Camorra mehrmals von der Politik benutzt und sogar eine Zeitlang
in die Polizei integriert. Flexibel und in die Gesellschaft integriert konnte die Camorra
lange Perioden der Illegalität und Verfolgung überleben.
Die Struktur der Gruppe ist eher lose: Sie besteht aus Banden, die sich
zusammenschließen und wieder lösen können. Nur zweimal hat es Versuche gegeben,
46
vgl.:
QUADERNI
GIURIDICI
IMPERIESI
(Hg.):
Mafia
ou
Mafie?
23.5.2003,
http://digilander.libero.it/quadernigiuridici/mafia_ou_mafie.htm? am 4.11.2003
31
diese lockere Struktur durch eine strengere Hierarchie abzulösen: Einmal in der zweiten
Hälfte der 70er, als von CUTOLO die Nuova Camorra Organizzata und Ende der
70er von BARDELINO, NUVOLETTO und ALFIERI die Nuova Famiglia gegründet
wurden, letztere in Absprache mit der Cosa Nostra. Das zweite Mal wollte ALFIERI eine
einheitliche Reform vornehmen und die Nuova Mafia Campana gründen, doch kann
man diesen Versuch zur Neuerung als gescheitert bezeichnen.
Die Camorra verfügt anders als die `Ndrangheta und die Cosa Nostra weder über
Selektionsverfahren, noch über feste Strukturen oder ein Initiierungsritual.
Die Tätigkeiten der Camorra sind breit gefächert. Sie gehen vom Zigarettenschmuggel
über Handel und Verkauf von Drogen, Betrug, Raub, Erpressung bis hin zu illegalem
Import von Fleisch, illegalem Waffenhandel und Glücksspiel und dem Monopol auf
Beton. 47
47
vgl. http://www.nicaso.com/pages/doc_page87.html am 4.11.2003
32

Documentos relacionados