Angst vor der Hochzeitsnacht
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Angst vor der Hochzeitsnacht
Angst vor der Hochzeitsnacht Mein Problem ist mein Jungfernhäutchen. Ich bin ursprünglich aus Kosovo, wohne aber seit Jahren in der Schweiz und integriert aufgewachsen. Nun bin ich verlobt mit einem Mann, dessen Familie sehr traditionell denkt. Ich habe grosse Angst, dass ich in der Hochzeitsnacht nicht genügend bluten werde und mich dann meine Schwiegermutter plagt. Ich hatte noch nie Sex, aber ich bin nicht sicher, ob ich als Kind missbraucht wurde. Ich kann mich nicht genau erinnern und mit meiner Familie kann ich nicht darüber sprechen. Als Erstes möchte ich Ihnen versichern, dass Sie mit Ihrem Problem nicht alleine sind! Ich befasse mich in der Praxis mit diesem Thema in irgendeiner Form fast täglich. Viele junge Frauen haben Angst, beim ersten Geschlechtsverkehr zu bluten und grosse Schmerzen zu haben. Andere Frauen, oft aus Ihrem Kulturkreis, haben Angst, in der Hochzeitsnacht verdächtigt zu werden, nicht mehr Jungfrau zu sein. Manchmal sind es junge Frauen, die so weitgehend in der Schweiz integriert sind, dass sie wie die meisten ihrer Kolleginnen in den letzten Jahren verschiedene Freunde und mit einigen davon auch Geschlechtsverkehr hatten. Jetzt haben sie sich für einen Mann entschieden, haben wie es in der Schweiz üblich ist mit ihm auch schon mit ihm geschlafen und wollen ihn heiraten - und plötzlich kommt seine Familie mit Fragen und Anspielungen und versetzt sie in Panik. Am schwierigsten ist es für junge Frauen, die als Kind sexuell missbraucht wurden und jetzt noch einmal zum Opfer werden sollen. In meiner Kultur bestand früher auch die Erwartung, dass eine Frau als Jungfrau, der Mann aber erfahren (mit wem?!) heiraten soll. Heute wird dies eher als persönliche Entscheidung akzeptiert, und wurde in gewissen Kreisen durch den symbolischen Akt von „Sex ohne Kondom“ ersetzt. Nun zu Ihrer Frage. Solange ein Kind nicht wiederholt sexuell missbraucht wird, heilt ein nach einmaliger Belästigung eingerissenes Jungfernhäutchen oft spontan wieder zusammen. Das Jungfernhäutchen oder Hymen ist eine dünne Haut, die quer über dem Scheideneingang liegt und in der Mitte eine Öffnung hat, die das Ausfliessen der Regelblutung erlaubt. Dieses Loch kann nur wenige Millimeter messen oder auch so weit offen sein, dass von Anfang an Supertampons samt Applikator mühelos eingeführt werden können. Zudem wird das Jungfernhäutchen durch Tampongebrauch allmählich ausgeweitet. Beim ersten Geschlechtsverkehr wird die Haut entweder weiter gedehnt und es blutet nicht, oder je nach dem wie eng die Öffnung und wie dick die Haut von Natur aus ist, reisst sie ein, was ein bisschen schmerzt und ein bisschen blutet. Dieses Blut wird dann in manchen Kreisen als Zeichen der Jungfräulichkeit der Braut gedeutet. Das Problem mit dieser Interpretation ist, dass sie medizinisch völlig unzuverlässig und daher unbrauchbar ist! Einerseits, weil auch eine Frau, die nicht mehr Jungfrau ist, bluten wird, wenn sie rücksichtslos vergewaltigt wird oder sehr nervös und der Mann ungeduldig oder unerfahren ist. Auch wenn eine Frau, welche die Pille nimmt, in der Aufregung über die Hochzeit für ein, zwei Tage vor der kritischen Nacht die Pille vergisst, wird sie eine Zwischenblutung haben, die dann als Jungfernblutung interpretiert werden kann Andererseits blutet eine Frau, die noch nie Sex hatte und auch nie Tampons brauchte, beim ersten Mal nicht immer. Wenn eine Frau sexuell erregt ist, wird die Scheide von selbst viel weiter und das Gewebe dehnbar. Ein guter Liebhaber kann also mit genügend Vorspiel Schmerzen und Bluten beim ersten Geschlechtsverkehr weitgehend verhindern. Wenn die Haut sehr dick ist, muss der Hymen manchmal chirurgisch geöffnet werden. Im Staate Utah in den USA, wo ich 20 Jahre praktizierte, wird von der Mormonenkirche noch heute offiziell verlangt, dass Frauen als Jungfrauen in die Ehe gehen. Dort werden Mädchen oft vor der Hochzeit zur gynäkologischen Untersuchung geschickt, um das Jungfernhäutchen zu dehnen oder zu entfernen und so Probleme in der Hochzeitsnacht vorzubeugen. Dagegen werden unter kulturellem Druck anderswo viele Frauen gezwungen, ihren Scheideneingang wieder chirurgisch zu verengen, damit die Hochzeitsnacht möglichst blutig und daher auch schmerzhaft wird. Andere Länder, andere Sitten! Dr. med. Regula E. Bürki, FACOG Fachärztin für Gynäkologie Certified by the American Board of Obstetrics and Gynecology Salem-Spital, Hirslanden Bern