Richard Lainhart: „Der ultimative additive Synthesizer“

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Richard Lainhart: „Der ultimative additive Synthesizer“
beatReport
Interview: Richard Lainhart
Das Studio von Richard Lainhart im Panorama. Rechts ist das Buchla-System zu sehen.
Richard Lainhart: „Der ultimative
­additive ­Synthesizer“
In Europa ist er noch weitgehend unbekannt, in den USA wächst das Ansehen von Richard Lainhart täglich. Ein früher Pionier analoger Elektronik (er spielte auf einem der ersten modularen Buchla-Systeme) entschied sich Lainhart zunächst
gegen eine Karriere im Musikgeschäft – trat aber weiter auf und erlebt nun, 20 Jahre nach seinem letzten Studioalbum,
von Tobias Fischer
eine verspätete Renaissance seiner Musik.
Beat / Vor ungefähr einem Jahr hast du dir einen Buchla 200e gekauft. Wie
zufrieden bist Du bisher mit diesem klassischen Synthesizer?
Richard / Sehr! Der Kauf ergab sich als Folge meiner Zusammenarbeit mit (DreamTheater-Keyboarder, Red.) Jordan Rudess, mit dem ich in einem elektronischen
Improvisationsduo spiele. Jordan verwendet einen Minimoog, und ich bemerkte,
dass sein Ansatz ihm einen nahezu kompletten klanglichen Freiraum erlaubte. Ich
begann deshalb nach einem Instrument zu suchen, das mir die Flexibilität eines
Modularsystems bei gleichzeitiger Polyphonie bieten konnte, weil ich Akkorde und
den Einsatz von Harmonien so sehr liebe. Zudem waren mir ein gewisser Grad an
automatisiertem Patching und ein Speicher für Auftritte wichtig, weil das wilde
Umstöpseln von Kabeln während eines Live-Konzerts zeitaufwändig und riskant ist.
Der Buchla 200e ist derzeit das einzige Instrument, das diesen Anforderungen
genügt, und als ich gerade durch etwas Glück zu genug Geld gekommen war, kaufte ich ihn einfach. Es wird nie ein perfektes Instrument geben, aber ich war noch
nie zufriedener als mit dem Buchla. Für mich ist es gerade so, als habe ich eine persönliche Beziehung zu ihm aufgebaut.
Beat / Was an deinem Studio auffällt, ist, dass du digitales und analoges Equipment nebeneinander verwendest.
Richard / Die Vorteile digitaler Hardware liegen auf der Hand: Sie ist kompakt, qualitativ hochwertig, flexibel und programmierbar. Es wäre analog wohl kaum möglich,
all dies zu leisten – und selbst wenn, würde all die Technik kaum in mein Studio passen und ungemein teuer werden. Die Nachteile sind eher philosophischer Natur: Es
wäre interessant, einen komplett analogen Signalweg aufrecht zu erhalten. Möglicherweise klänge es auch besser – obwohl ich das nicht wirklich überprüfen kann.
Es hat etwas gedauert, das ganze System zu verbinden, und ich musste einige
Kabel selbst herstellen: Banana auf Vierteilzoll, 1/8 Zoll auf Viertelzoll, Stereo-Viertelzoll auf Split-XLRs. Und dann gab es noch ein ganz besonders schwieriges
Kabelset, an dem ich Ewigkeiten basteln musste.
Beat / Ein voll ausgestatteter 200e kann sehr teuer werden. Kannst du Neueinsteigern vielleicht eine kostengünstigere Alternative empfehlen?
30 beat 01 | 2009
Richard / Wenn man sich mit der Funktionsweise analoger Synthese vertraut
machen und eigene Klänge programmieren will, halte ich es ganz ehrlich für einen
guten Schritt, zuerst einen digitalen Softsynth zu kaufen, der ein analoges System
emuliert, zum Beispiel Arturias Moog Modular V, CS-80V oder 2600V. Ein analoger
Synthesizer bringt einfach nichts, wenn man seine Funktionsweise nicht versteht.
Die Platzprobleme der alten Modularsysteme sind allerdings im Studio kein großes
Thema. Als Startpunkt eignet sich hier ein System von „Synthesizers.com“, das auf
einem alten Moog basiert. Sie sind solide, akzeptabel im Preis, und man kann sich
sogar für einen Modulratenplan entscheiden, bei dem man seinen Synthesizer allmählich ausbaut. Daneben bieten auch Doepfer und „Analogue Systems“ Module
an. Einige davon gehen weit darüber hinaus, was sich Moog und Buchla damals
hätten träumen lassen.
Wenn man allerdings auch auf die Bühne will, macht ein eigenständiges, kleineres
System mehr Sinn. Der Vostok von Analogue Solutions ist zum Beispiel faszinierend.
Beat / Meinst du, dass Softwaresynthesizer jemals komplett Hardware ersetzen
können?
Richard / Ich würde sagen, dass dies in vielerlei Hinsicht bereits der Fall ist. Die
wirkliche Frage besteht für mich eher darin, ob man sie auch auf interessante Weise wird kontrollieren können. Aus dieser Perspektive betrachtet sind Keyboard und
Maus keine ausdrucksstarken Bedienungselemente, da sie nicht viel mehr erlauben, als ein paar Klänge zu triggern oder einen Schieberegler zu bedienen. Solange
diese Elemente nicht ein integraler Bestandteil der Softsynths sind, wird es kein
zufrieden stellendes wirklich digitales Instrument geben.
Richard Lainhart ...
... hat als Komponist, Autor und Filmemacher bereits viele Preise gewinnen können. Lainhart studierte Komposition und elektronische Musik auf der Universität von Albany. Seine Werke wurden bereits weltweit aufgeführt. Er arbeitete
mit Größen der elektronischen Musik wie John Cage, Jordan Rudess, Steve Reich
und David Tutor zusammen.
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