Nick Hayek und Oswald Grübel schreiten zum grossen Duell
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Nick Hayek und Oswald Grübel schreiten zum grossen Duell
37 Tages-Anzeiger – Donnerstag, 7. Oktober 2010 Wirtschaft Währungskrieg Der US-Dollar ist auf einem Rekordtiefstand, auch gegenüber dem Franken. Experten kritisieren die Entwicklung. 39 Nick Hayek und Oswald Grübel schreiten zum grossen Duell Der Streit zwischen der Swatch Group und der Grossbank UBS um 30 Millionen Franken eskaliert. Das Sühneverfahren beim Zürcher Friedensrichter ist gescheitert. Von Bruno Schletti Gestern punkt 10 Uhr war der Termin beim Friedensrichter in Zürich-Enge. Das Treffen der beiden Streithähne dauerte exakt 11 Minuten und 33 Sekunden – zu kurz, um vom eingeschlagenen Weg Richtung Gerichtsprozess abzuweichen. Der Zürcher Friedensrichter Hansruedi Lienhard ist mit seinem Vermittlungsversuch gescheitert. Der Uhrenkonzern und die Grossbank liegen sich seit Monaten in den Haaren. Die Swatch Group macht die UBS für Verluste aus Absolute-ReturnAnlagen verantwortlich. Das sind Produkte, mit denen die Bank das Ziel verfolgt, bei jeder Marktentwicklung eine positive Rendite zu erwirtschaften. Im Fall Swatch wurde dieses Ziel verfehlt. Streit um 30 Millionen Der Verlust muss bei 30 Millionen Franken liegen. Jedenfalls leitete der Uhrenkonzern im Frühling ein Betreibungsverfahren in dieser Grössenordnung gegen die UBS ein (TA vom 15. April). Die Höhe der Streitsumme wurde von Swatch zwar nie bestätigt. Die 30 Millionen werden aber auch nicht bestritten. Swatch-Chef Nick Hayek erklärte gegenüber dem «Tages-Anzeiger» bereits vor einem guten Monat das Einleiten recht- licher Schritte (TA vom 2. September). Die Kontakte zwischen den beiden Unternehmen vermochten die Fronten nicht aufzuweichen. «Wir sind uns nicht näher gekommen», sagt Hanspeter Rentsch, Rechtsverantwortlicher von Swatch und Mitglied der Konzernleitung. Er kam gestern persönlich von Biel nach Zürich angereist. Seine Anwesenheit beim Friedensrichter begründete er mit der Bedeutung des Falls: «Es geht um eine grosse Summe. Das ist für uns kein kleiner Fisch.» Friedensrichtertermine werden von Anwälten eher als Formsache abgetan. Die Idee des Gesetzgebers, vor dem Gang zum Richter noch einmal innezuhalten, wird vor allem in grossen Fällen nur selten genutzt. Die Swatch-Seite reiste dennoch demonstrativ zu viert an. Rentsch war in Begleitung eines weiteren Swatch-Vertreters und zweier Anwälte von AFP Advokatur Fischer & Partner. Man wollte zeigen, dass man dem Fall viel Bedeutung beimisst. Die UBS war demgegenüber nur durch ein Mitglied der Rechtsabteilung vertreten und den externen Anwalt Martin Bernet. Das Ungleichgewicht vor dem Friedensrichter war augenfällig. Weder die Bank noch der von ihr beauftragte Rechtsanwalt wollten den Ter- min beim Friedensrichter kommentieren. Unbeantwortet blieb auch die Frage, ob die UBS allenfalls den Fall unterschätze. Tatsache ist, dass der Konflikt aufgrund der Berichterstattung im «Tages-Anzeiger» um die Welt ging. Die grossen Nachrichtenagenturen Reuters und Dow Jones verbreiteten die Schlagzeile über die Auseinandersetzung. Von «Die Zeit» über «Financial Times» bis zum amerikanischen Nachrichtensender «Fox Business» wurde das Thema «Es geht um eine grosse Summe. Das ist für uns kein kleiner Fisch.» Hanspeter Rentsch, Konzernleitung Swatch aufgegriffen. Swatch-Leute werden in Fernost auf die Sache angesprochen. Die Erklärung für das weltweite Interesse lieferte das deutsche «Handelsblatt». Es schrieb über das «Duell zweier Ikonen der Schweizer Wirtschaft». Die Sympathien scheinen in diesem Konflikt klar verteilt zu sein. Diesen Eindruck gewinnt man wenigstens, wenn man in den Blogs herumstöbert. «Hayek hat 100 Prozent recht», liest man da etwa. Oder: «Danke, Herr Hayek. Schade, dass es nicht mehr solche Unternehmer gibt.» Der Swatch-Chef wird von der Zuschauertribüne aus mit Lob eingedeckt, die UBS kriegt ihr Fett weg: «Wenn ich aber bedenke, dass wir ebendiesen Typen systemrelevante Organisationen anvertrauen, dann läuten bei mir die Alarmglocken.» Keine Kompromiss-Signale Den Fall werden aber nicht die BlogSchreiber beurteilen, sondern die Richter. Es sei denn, dass sich die Parteien doch noch finden. Die UBS strahlt allerdings keinerlei Signale aus, die auf ein Entgegenkommen hindeuten könnten. Und Nick Hayek rückt nicht von seiner Position ab, die er im September formulierte: «Wir werden auf unserem Recht beharren.» Dem Swatch-Chef scheint es dabei nicht nur ums Geld zu gehen, sondern ums Prinzip. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass in rechtlichen Auseinandersetzungen am Ende die Suppe oft nicht so heiss gegessen wird, wie sie die Wortführer angerichtet haben. Sache ist: Die SwatchVertreter haben gestern vom Friedensrichter die sogenannte Klagebewilligung erhalten. Damit haben sie jetzt drei Monate Zeit, um ihre Klage beim Zürcher Handelsgericht einzureichen. SMI 6351 Punkte Dow Jones Industrial 10968 Punkte Stoxx 50 2515 Punkte +0.59% +0.21% +0.46% Euro in Franken 1.34 Dollar in Franken 0.96 Euro in Dollar 1.39 Rendite Bundesobligationen, in % 1.39 Öl (Nordsee Brent) in Dollar 85.01 Gold (Unze) in Dollar 1345.40 +0.15% -0.45% +0.59% -1 Bp +1.24% +0.71% Nachrichten Alstom Schweiz Sozialpartner treffen sich nächste Woche Voraussichtlich kommt es nächsten Dienstag am Hauptsitz des Branchenverbandes Swissmem zum Spitzentreffen zwischen Gewerkschaften und Alstom. Thema ist der geplante Stellenabbau bei Alstom Schweiz, den der französische Konzern am Montag angekündigt hatte. Nun hat Swissmem in einer E-Mail zu sogenannten sozialpartnerschaftlichen Gesprächen geladen. Sicher daran teilnehmen werden Alstom Schweiz, die Gewerkschaften Unia und Syna sowie der Verband Angestellte Schweiz. Bereits habe Alstom die Zahl von 750 Stellen, die gestrichen werden sollen, relativiert, sagt Unia-Sekretär und SP-Nationalrat Max Chopard: «Es handelt sich nur um eine Planzahl.» ( jft) IT-Löhne Schweizer Informatiker verdienen ein bisschen mehr Gemäss einer Studie des Verbands der Informations- und Kommunikationstechnologie ist das Gesamteinkommen der Branche um 1,7% gestiegen. Inklusive Boni und Erfolgsbeteiligungen wurden im Schnitt 130 000 Franken pro Person ausbezahlt. Teuerungsbereinigt stiegen die Löhne allerdings kaum. (SDA) In Krisenzeiten ist Bargeld wieder Trumpf In der Schweiz und der EU sind immer mehr Banknoten im Umlauf. Die Anbieter von Plastikgeld haben an diesem Trend keine Freude. Bergbau Doch kein Joint Venture von Rio Tinto und BHP Billiton Von Romeo Regenass Totgesagte leben länger. 2007 hatte Peter Ayliffe, Europa-Chef von Visa, für das Jahr 2012 die bargeldlose Gesellschaft ausgerufen. Doch weit gefehlt: Bargeld erfreut sich weiterhin grosser Beliebtheit. Der Betrag der Euros, die im Umlauf sind, stieg zwischen 2002 und 2008 um 19 Prozent. 2009 erhöhte sich der Wert nochmals um 6 Prozent. Luke Olbrich, Europachef Debitkarten beim US-Kreditkartenriesen Mastercard, warnte vor Finanzfachleuten in Paris deshalb unlängst: «Das Risiko, im Kampf gegen das Bargeld zurückzufallen, ist real. Wir gehen in die falsche Richtung.» In der Schweiz hat die Bargeldmenge in den letzten Jahren noch stärker zugenommen als in der Eurozone. Der Notenumlauf stieg laut Nationalbank von 35,1 Milliarden im Jahr 2002 auf 45,3 Milliarden Franken 2009. Das entspricht einer Steigerung von 29 Prozent. Die Zusammenarbeit des australischen Bergbauriesen Rio Tinto mit seinem heimischen Rivalen ist offenbar geplatzt. Das sagte Rio-Chef Jan du Plessis der australischen Zeitung «Sydney Morning Herald». Geplant war, die Eisenerzproduktion im Westen Australiens in einem Joint Venture zu bündeln. Gemeinsamer Umsatz: 116 Mrd. Dollar. (Reuters) Die Frage Welches Ziel darf man niemals verfehlen? Tausendernoten sind gefragt Für diese Zunahme gibt es laut Nationalbank-Sprecher Werner Abegg verschiedene Gründe. Einerseits sei der Bargeldbedarf in Zeiten tiefer Zinsen traditionell höher, weil dann viele das Geld zu Hause horten würden. «Als Folge der Finanzkrise wurden im Herbst 2008 zudem vor allem Tausendernoten stark nachgefragt, und die sind seither nur zu einem kleinen Teil an die Nationalbank zurückgeflossen.» Lange habe es geheissen, der Umlauf an Bargeld ginge zugunsten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zurück. «Das war in der Schweiz nie der Fall», so Abegg. «Es gab zwar immer einen gewissen Ersatz Richtung bargeldloses Zahlen. Aber der Notenumlauf wuchs stetig, wenn auch nicht im Gleichschritt mit dem Bruttoinlandprodukt.» Der Anteil des Plastikgeldes an den rund 100 Milliarden Franken Umsatz im Schweizer Detailhandel dürfte bei rund 60 Prozent liegen. Das sagt Pierre-André Steim, Präsident des Verbandes Elektronischer Zahlungsverkehr. 30 Mil- Börse Das Bezahlen mit Plastikgeld hat sich nicht so stark etabliert, wie dies prognostiziert worden war. Foto: Gaëtan Bally (Keystone) liarden entfielen auf Zahlkarten wie Maestro, 22 Milliarden auf Kreditkarten, 8 auf Tankkarten und Kundenkarten mit Zahlungsfunktion, etwa Myone von Manor. Bei den Grossverteilern werde leicht weniger Plastikgeld eingesetzt. Coop hat gerade die Schwelle von 50 Prozent geknackt, die Migros erreicht 45 Prozent. Christian Stolz, der Schweiz-Chef von Mastercard Europe, spricht von einem «ungebrochenen Trend hin zur Kartenzahlung». Das gelte sowohl für Debitkarten wie Maestro als auch für Kreditkarten, wobei sich hier das Wachstum des Onlinehandels positiv niederschlägt. Cash-Karte war ein Flop In einem anderen Bereich mussten die Banken und die Kartenfirmen schmerzlich realisieren, dass Plastikgeld nicht immer besser als Bargeld ist. Weil das Verhältnis zwischen den tiefen Nutzungszahlen und den entstehenden Kosten schlecht war, wurde die 1996 mit viel Aufwand eingeführte Cash-Funktion auf Maestro-Karten im September eingestampft. Credit Suisse, UBS, Kantonalbanken, Raiffeisen und RBA-Banken hatten Anfang 2010 entschieden, bei Maestro-Karten keine Aufladefunktion mehr anzubieten. Der Millionenflop zeigt exemplarisch auf, dass auch der bargeldlose Zahlungsverkehr seine Grenzen hat. Einen noch schwereren Stand hat das Plastikgeld in der EU. 2008 erfolgten lediglich 22 Prozent der Transaktionen bargeldlos, in Deutschland waren es immerhin 40 Prozent. Im Sog der Finanzkrise hat Bares sogar an Popularität gewonnen: Ende 2008 verzeichneten die Banken ungewöhnlich hohe Barbezüge an Automaten und Schaltern, die Kreditkarten wurden sparsamer eingesetzt und durch Zahlkarten oder Bares ersetzt. Bis 2014 soll der Anteil des Plastikgelds laut Prognose des European Payments Council auf 37 Prozent ansteigen. In der Schweiz versucht die USFirma Mastercard derzeit, ihre Einnahmen durch neue Gebühren auf der Zahlkarte Maestro zu erhöhen. Der Handel hat bei der Wettbewerbskommission dagegen Klage eingereicht, und FDP-Nationalrat Otto Ineichen wurde mit einer Interpellation beim Bundesrat vorstellig. Für den Plastikgeldexperten Pierre-André Steim ist klar: «Wenn Mastercard durch zusätzliche Gebühren das bargeldlose Einkaufen verteuert, fördert das eine Rückkehr zum Bargeld, die keiner will.» Auch die Cash-Karte sei letztlich an den zu hohen Gebühren gescheitert. Für Analysten sind Gewinnerwartungen eines der wichtigsten Kriterien, um ein Unternehmen einzuschätzen. Wehe der Firma, welche das von ihnen formulierte Ziel verfehlt! Johnson Controls, ein grosser Anbieter von Haustechnik und Autobestandteilen, musste die Erfahrung im Juli machen: Der Gewinn pro Aktie lag einen einzigen Cent unter den Erwartungen, worauf der Kurs um 5 Prozent einbrach. So irreal geht es eben an der Börse zu. Amerikanische Ökonomen beklagen, dass viele Unternehmen jetzt ihre Zahlen schönen, indem sie anders rechnen als im allgemein üblichen GAAP-Standard. Solche Kreativität kann den Börsenkurs, aber auch die ManagerBoni verbessern. Hätte Johnson Controls die Rechnung um einen Penny frisiert, wären die Analysten zufrieden gewesen. Der Finanzchef meinte dazu, er wolle transparente Zahlen liefern, im Guten wie im Schlechten. ( jä)