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Interview |Feico Derschow
Als Sie noch in Frankfurt bei Saatchi & Saatchi
waren, trafen wir uns immer nur einmal im Jahr in
Berlin beim ADC.Erst als Sie in München den Hennessy-Award ins Leben riefen, sahen wir uns öfter.
Welcher Gedanke brachte Sie auf die Idee, mit Studenten der Münchner Filmhochschule Werbespots
zu drehen? Dieses Projekt mit dem Namen HENNESSY AWARD?
Bei Saatchi haben wir immer nach ausländischen Regisseuren gesucht. Deutsche gab es kaum, die konnte
man an einer Hand abzählen. Nun ging ich zurück
nach München und dachte, nun habe ich drei Jahre
lang relativ viel Film gemacht, wollte meine Erfahrung und Verbindungen nutzen. Alle Länder haben eine eigene Erzählweise, die Französische
Verspieltheit, die Holländische Direktheit, der Englische Humor sowieso,
die Amerikanische Ironie. Jedes Land, jede Kultur bringt eine eigene Stil-
Feico Derschow war von 1971 – 2004
als Creative Director tätig in bekannten Agenturen wie GGK, Saatchi
& Saatchi, McCann Erickson, RG
Wiesmeier, Eiler & Riemel. Er gewann
etliche bedeutende nationale und
internationale Creative Awards und ist
seit 1976 Mitglied des ADC Deutschland.Seit 2005 arbeitet er als Dozent
und Creative Consultant und gründet
in München die MCAD
keine deutsche visuelle Stilbildung. Da wurden die Stile der anderen
kopiert. Das muss irgendwie doch zu entwickeln sein, dachte ich. Und
das kann man doch nur, wenn man junge Leute nimmt, die selber auf
der Suche nach einem eigenen Stil sind, nach ihrer Art und Weise einen
machen, dann beschäftigen sie sich damit. Aber die Filmstudenten woll-
Interview: Felicitas Herold-Graf
xx
begeistern und damit deutsche Talente zu aktivieren, das war der Grundgedanke.
In Berlin, im Bus, auf der Fahrt zu einer ADC Veranstaltung, erzählte ich
einem Freund von dieser Idee. Ich war da noch in Frankfurt, er schon
gut“. Da dachte ich, wenn er den Daumen dazu hoch gibt, dann ist es
einen Versuch wert, dann klappt das.
„Wo der Nachwuchs
über sich hinauswächst.“
Im Schwabinger Eckcafé an der Leopoldstrasse bin ich mit Feico Derschow verabredet.
Er kommt mit dem Fahrrad. Den Schal comme il faut geschlungen über dem braunen
Wildlederblouson. Er senkt den Kopf, die Augen schauen groß und suchend über den
oberen Brillenrand. Die Augenbrauen wandern hoch auf die Stirn. Er hat mich gefunden. Feico Derschow mag dieses Café, das blechern scharrende und zischende Geräusch
der italienischen Kaffeemaschine, das Kommen und Gehen.
Es hat geklappt. Von 1990 bis 2000 fand Ihre Assistentin 65 Unternehmer, die 131 Spots sponserten. Davon wurden einige in TV und
Kino gezeigt, ausgezeichnet beim NY Festival und gezeigt beim Lions
Filmhochschule Ludwigsburg dazu, dann Köln, Bremen, Potsdam,
Berlin, Weimar, Hamburg, Bozen, Nürnberg und Mainz. Ihre Idee
fand überall großes Interesse und die Studenten erfuhren eine ganz
Ja, das stimmt. Ich fragte meine damalige Assistentin bei Eiler & Riemel,
Heike Strahlendorf, ob sie mir bei diesem Vorhaben hilft, das ich einmal
im Jahr neben meiner Arbeit plante. Ich fragte einen früheren Kunden
von mir, Hennessy Cognac und Moet & Chandon Champagner, das war
der Günther Schöneis, ob er Interesse hätte, dieses Projekt zu fördern,
zu sponsern.“ Ja was kriegen wir dafür?“ „Ihr bekommt den Namen, den
Namen des Preises“. „ Dann nehmen wir Hennessy Cognac, den trinken
hauptsächlich ältere Leute und wir würden gerne jüngere Leute dafür
gewinnen“. So kam das zustande.
Was ist nun der Unterschied zwischen dem Hennessy Award und der
MCAD ?
Es ist der gleiche Grundgedanke: dem Nachwuchs zu helfen, sich selbst
weiter zu entwickeln. Junge Talente müssen gefördert werden. Talentgemacht. Leute wollen mit Bildung Geld verdienen. Nicht aus ideelle
Gründe. Der Hennessy Award hat Filmstudenten die Möglichkeiten
zu hungrigen, selbstbewussten Persönlichkeiten machen, die sich be-
wusst den Herausforderungen der Branche stellen. In fast vierzig Jahren
Agenturerfahrung stelle ich fest: Nachwuchsleute bewerben sich in der
Agentur mit einer super Mappe. Breit gefächertem Interesse. Die stellt
man ein. Dann kommen sie in das System, werden auf einen ganz kleinen Kreis von Themen und Inhalten gesetzt, arbeiten für die Jobs, die
Kunden, die da sind.
Das ist o.k. Da müssen sie sich beweisen. Sie haben aber dann auch nur
mit den Leuten in der Agentur zu tun, dem Texter, dem CD, dem Berater
und so weiter. Die Entwicklungs -Möglichkeiten, mit dieser begrenzten
Anzahl von Menschen ist gering. Früher hatte man als Einsteiger einen
Paten in der Agentur. Heute hat niemand mehr Zeit dafür. Würde man
diesen jungen Kreativen mit einer Weiterbildung die Möglichkeit geben,
eine große Bandbreite von Topleuten kennenzulernen, mit den Themen, für die diese Menschen brennen, kommen die Studenten an ein
viel reicheres Wissen, Inhalte und Möglichkeiten. Sie entdecken wieder
ihren Ehrgeiz, weiter zu kommen, ihr neues Wissen anzuwenden, haben
frische Energie.
Wie sind die Abend- Arbeitsstunden gestaltet? Mit welcher Ausbildung kommen die jungen Kreativen zur MCAD?
Am ersten Abend kommen sie natürlich unvorbereitet rein, müssen erst
einmal realisieren, was da eigentlich los ist. Ich erzähle ihnen alles, was
da auf sie zukommt, was da passiert, wer alles kommt. Jeden Abend
zwei Stunden. Sie kommen aus der Arbeit, in der sie voll mit ihrem
Krempel zu tun hatten, hatten vielleicht eine halbe Stunde Pause, kommen dann rein, in einen Keller, ohne Ablenkung durch das, was draußen
passiert, der aber ästhetisch und sehr gut ausgestattet ist. Eher wie ein
underground Experimentierlabor. Der Lecturer, so nennen wir sie, die
Referenten, Leute, die in ihrem Fach zu den Besten gehören, die haben
ein Thema, das ihnen am Herzen liegt, welches sie dem Nachwuchs beDa geht es nicht um die Standard-Dinge, denn handwerklich sind die
Studenten alle gut ausgebildet. Meist mit einem sehr guten Diplom,
oder Quereinsteiger, die sich Gestaltung selbst beigebracht haben.
Jeden Abend kommt ein anderer Lecturer mit anderen Inhalten. Aber
Durch vier große Themenblöcke in den acht Wochen decken wir alles
ab. Wie Kreative aktuelle und zukünftige Kommunikationswege besser
nutzen können und wie sie selbst besser voran kommen. Grundsätzlich
dürfen die Studenten immer unterbrechen, Fragen stellen, Klarheit
kommt, möchte die Studenten besser machen, kritischer zu sein, Fragen
zu stellen, Ängste abzubauen. Zum Beispiel gibt es eine Lecture mit dem
Titel: Was bist du wert. Nicht nur, was verdiene ich, sondern was bist
du dir wert, wie ist deine Selbsteinschätzung, was bist du wert deinen
Freunden gegenüber, deinem Vorgesetzten. Was bist du wert als Kreativer bei der Agentur, dem Kunden gegenüber, wie nimmt er dich wahr.
Und was bist du wert, was deine Gesundheit angeht, all diese Aspekte.
Das ist ein Abend, da werden alle gezwungen, sich Gedanken über sich
selbst zu machen, als Person und nicht als ein Name auf der Telefonliste
der Agentur.
Was hat ein junger Kreativer davon, wenn er die MCAD besucht?
Die Grundidee der Schule ist, dass die Studenten in allen Bereichen Erfahrungen sammeln, die sie sonst im normalen Alltag in Agenturen oder
Studium nicht erhalten.
Sie sprachen von einem “Paten“, der junge Kreative an die Hand
nimmt, sie berät, ihre Fragen anhört, sie einführt in die Agenturarbeit. Hatten Sie selbst solch einen Paten?
Interview |Feico Derschow
Ich hatte in meiner ersten Agentur mit meinen CD’s Leute, die sich um
mich gekümmert haben. Die für mich immer Ansprechpartner waren, die
als Pate mich in den nächsten ein, zwei, drei Jahren an die Hand nahmen
und mir verschiedene Aspekte zeigten, das und das zu probieren. Und
vor allem durfte ich durch Fehler selbst lernen. Die haben mich machen
lassen, weil sie wussten, nur so kommt man zu ungewöhnlichen Ideen.
Heute bist du allein gelassen. Heutzutage wird nur noch über Arbeit
gesprochen, nicht mehr über andere Aspekte, menschliche Geschichten
müssen funktionieren. Und der große Unterschied: der Computer hat die
gesamte Art und Weise, wie die Menschen miteinander arbeiten, sowas
von verändert. Früher war es normal, dass wir rausgingen uns haben
inspirieren lassen von dem Leben draußen. Heute denkt man, die Welt
passiert in Google, die Welt passiert in Youtube, passiert auf, auf - ich
weiß nicht wo.
Sind Computer in der MCAD erlaubt?
Wenn jemand einen Computer auf dem Tisch in der MCAD aufmacht,
sag ich: „mach’s zu, mach’s weg, bring’s nie wieder.“ Weil, es geht hier
um Augen, Ohren, um deine Sinne und dass du mal darüber nachdenkst,
was du da tust. Der Computer ist ein Werkzeug, um Ideen zu realisieren.
Nicht um sie zu kreieren. Ich glaube, dass, wenn man etwas aufschreibt,
es dir anders im Kopf hängen bleibt als mit der Tastatur. Es klingt sicher
altmodisch, aber ich glaube, dass es eine menschliche Methode ist, das
Lernen zu erwecken und nicht zu glauben, na gut, ich muss es mir nicht
merken, weil, ich kann’s jederzeit googeln. Da kannst du nicht erwarten,
dass die Menschen auf verrückte Ideen kommen. Also, wir versuchen die
kreative Welt zu retten.
Ein Retter? Ein Retterchen?
Na gut, es ist einen Versuch wert. Ob es gelingt. . . . . . .
Was sagen die Studenten, wenn sie nach zwei Monaten die MCAD
abgeschlossen haben?
Also, die sind alle super begeistert. Der Eindruck, den ich bekomme, ist,
dass es für sie der wichtigste Abschnitt ihres jungen Berufslebens , auch
ihres persönlichen war. Ich bekomme Emails von Leuten, die vor fünf,
sechs Jahren die MCAD gemacht haben, wo sie sich nochmals bedanken
für den Schub, den sie bekommen haben. Dass sie jetzt Sachen machen,
Jobs haben, die sie sich früher nie vorgestellt hatten.
vorstellen? Dank Ihrer langen Berufserfahrung haben Sie guten Kontakt zu hervorragenden Kreativen. Sie zu motivieren, einen Abend
nach München zu kommen, um in der MCAD eine Vortrag zu halten,
kein Problem?
Okay. Zur Open House Lecture kommen Leute, die was sehr Interessantes zu erzählen haben. Leute, die ich kennenlerne, über die ich was
gelesen habe. Wo ich mich frage, wer könnte in München an der MCAD
einen Vortrag halten, der für einen größeren Kreis von Kreativen interessant sein könnte. Was machen die, wie ticken die so, was produzieren
die. Manche haben sehr radikale Sachen erzählt, wo die Zuhörer entsetzt
waren. Das gab dann anschließend eine richtig heftige Diskussion. Aber
und nicht genug davon bekommen können, was ihnen erzählt wird. Es
gibt Vortragende aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Alles Kreative,
Werbung. Ich biete denen eine Plattform in einer Stadt, wo sie möglicherweise sagen:“ ach München“. München hat ja so eine Aura von Läs-
sigkeit. München wird von Kreativen in Frankfurt, Berlin und Hamburg
nicht sehr ernst genommen. Es ist eine Stadt mit einer wahnsinns Lebenskultur, eine Stadt, die sehr klar und deutlich geführt wird. München
hat sehr viel Attraktives. Auch viel Industrie mit vielen Auftraggebern,
die aber glauben, nördlich der Weißwurstgrenze sitzen die besseren Kreativen. Und wenn diese Leute aus Hamburg, Düsseldorf, Berlin, Frankfurt und auch aus der Schweiz, aus Wien kommen, ist es erstens für sie
nach München zu gehen, einen Vortrag zu halten, weil sie neugierig sind,
was hier los ist. Der Rahmen, den wir stellen, ist ja nicht so radikal. Sie
müssen sich ja nicht im Gasteig entblößen. Der MCAD Keller hat eine Intimität. Es ist in einer Größenordnung, wo die sich noch wohlfühlen. Und
zweitens, wo sie auch für sich eine Experimentier - Möglichkeit haben.
Sie können sich einiges erlauben, auch Dinge erzählen, die sie normaler-
kann, ne? Und wenn die jungen Leute gut zu mir sind, dann mache ich
weiter. Wenn eines Tages die jungen Leute sagen: „Du alter Sack, jetzt
brauchen wir Dich nicht mehr“, dann höre ich auf. Kann ja sein.
Ich mache die MCAD auch, um meine eigenen Bedürfnis zu befriedigen.
Ist doch klar. Jeder macht etwas nicht nur, um anderen zu helfen, auch
um sich selbst zu helfen. Ich bleibe aktuell, weiß was läuft, bleibe wach in
der Birne, bin mit jungen Leuten zusammen, was mir immer wichtig war.
Ich war immer interessiert an Leuten, die meinen Stuhl haben wollen, die
meinen Jobstatus haben wollen. Ich habe immer Leute eingestellt, wo
ich das Gefühl hatte, die könnten eines Tages meine Nachfolger werden.
Hat nicht immer geklappt, aber ein paarmal doch.
sich gut verkaufen können, das ist nicht meine Stärke.
Was war Ihr Lieblingsvortrag bei den Open Lectures? Oder darf man
das nicht fragen?
Nein, nein, nein. Das ist nur sehr schwierig.
Meiner war der Vortrag von Ralph Schmerberg.
Ralf Schmerberg war ganz außergewöhnlich. Ralf Schmerberg war pure
Leidenschaft. Er ist den Leuten so nah gekommen, wie du selten so Jemanden kennen lernst. Mike Meiré war sehr klar, sehr strukturiert, er hat
trotz der Magie, die um ihn herumschwebt, den Leuten gezeigt, dass er
geben. Das Witzige bei diesen Vorträgen ist, jeder holt auf seine eigene
Art etwas Überraschendes raus. Mir hat sehr gut gefallen, was Andreas
Grabarz gemacht hat. Er hat, wenn ich mich richtig erinnere, die sechs
Thesen aufgestellt, warum Du nicht gut genug bist als Kreativer. Er hat
viele negative Optionen aufgemacht, er war sehr radikal und die Leute
haben stark darüber nachgedacht. Komm ich jetzt über die Hürde? Wo
steh ich? Das hat mir sehr gut gefallen und ich würde diese Lecture sehr
gern mal wiederholen. Seine Agentur ist die einzige, die die MCAD von
Hamburg aus unterstützt, obwohl sie überhaupt nichts davon hat. Das
macht ihn mir umso sympathischer.
Was war Ihr liebster Workshop?
Also für mich persönlich sind die Fotoworkshops sowieso, nicht nur für
die Studenten, das Highlight. Aus mehreren Gründen. Erstens: ich foto-
das Foto als ein Element sehen, ein digitales Element, das es Heute ist.
Sondern dass sie merken, dass ein Foto Arbeit ist und dass es Teamwork
ist zwischen Art Director und Fotograf, um die Bildidee erst mal klar zu
umreißen und die Umsetzung klar hin zu bekommen, was machbar ist.
Innerhalb eines Budgets, einer Situation, was auch immer. Und Drittens,
weil es eine unheimlich tolle Teamwork- Situation ist. Ich koche mittags
für alle, was ich sehr gerne tue, also habe ich auch viel Spaß daran. Ist für
mich persönlich toll.
Nach all den Jahren wirken Sie immer noch begeistert, wieso?
Weil die Geschichte an sich kein Selbstläufer ist. Vielleicht bekommt sie
Ich muss ständig dafür kämpfen, weil es mir ein persönliches Anliegen
ist, weil mir auch als Kreativer geholfen wurde, will ich die Hilfe, die ich
bekommen habe, auch weitergeben. Es hat mir geholfen, mir selbst zu
helfen. Und wenn zwanzig oder dreißig junge Leute von den Hundert
diesen Geist bekommen haben, sage ich „SUPER – SUPER!“.
Ja, das treibt mich an. Und das wird mich so lange antreiben, wie ich
Die MCAD lebt auch davon, dass sie von der Gemeinschaft akzeptiert
wird, aber leider muss ich die immer wieder persönlich anschieben. Sie
läuft nicht von selbst. Weil sie gemeinnützig ist, zu idealistisch ist. Wie
soll ich Erfolg in Bezug auf die MCAD
ihren Job besser zu verstehen, mehr
Ehrgeiz zu entwickeln, sich selber besser zu verstehen, ihre Ziele gezielter
zu setzen, weiter zu kommen, zufriedener zu sein mit dem, was sie machen. Das sind alles Dinge, die in der
allgemeinen Ratio für Erfolg und so
weiter nur Weichelemente sind. Soft
values werden nicht gelehrt, die musst
du selbst entwickeln. Wir helfen dabei
Was war Ihr schönstes Dankeschön von Ihren Studenten?
Oh, da habe ich einige sehr interessante Sachen. Das Schönste war
witziger Weise von der letzten Gruppe. Die haben mich, weil ich sie bekocht habe, eingeladen, mich auch zu bekochen. Von anderen Gruppen
mit -Dankeschön MCAD-. Mir wurde ein Tagebuch geschenkt, das die
Gruppe, ohne dass ich es mitbekommen habe, machte, mit Fotos, Sprüchen und so... Für mich ist immer das schönste Dankeschön, wenn ich
das Gefühl habe, dass die Leute weitergekommen sind. Und wenn ich
weiß, einigen Studenten einen Turbo gemacht zu haben, dann ist das
schon unheimlich toll.
Gibt es in Deutschland eine vergleichbare Schule wie die MCAD?
Ich behaupte, nein. Sie ist einzigartig. Es kommen manchmal Leute, die
sich bei uns bewerben, die glauben, dass sie da das Fach Kommunikationsdesign, das Fach Kreativer lernen können. Wir lehren kein Handwerk,
wir machen nichts, womit du deinen Beruf erlernen kannst. Am Anfang
war das Konzept: Die MCAD ist die Brücke zwischen Design-Absolventen
und Industrie. Wir stellten dann fest, die Studenten haben drei, vier Jahre
studiert, die wollen nicht nochmal zwei Monate Abends in die Schule
bei unseren Förderern ein Praktikum, einen Arbeitsplatz für die Zeit
organisiert. Daraus sind immer feste Jobs geworden. Heute boomen die
Agenturen, haben zu wenig Talente. Die Absolventen werden direkt aus
der Uni abgeworben. Deshalb sind unsere Studenten heute diejenigen
Talente, die merken, ich will weiter kommen, aber wie? Dafür sind wir
da. Dafür musst Du nicht nur acht Wochen lang jeden Abend nach der
Arbeit kommen, sondern, Du musst auch was tun, musst in dich selbst
investieren. Aber - es ist schwierig. Es geht den meisten zu gut, und die
haben Work-Life Balance im Kopf.
Die Website der MCAD ist so klar und voll von überaus reichhaltigen,
interessanten Informationen – man bekommt gleich Lust mitzumachen. Ist die MCAD bei den Münchener Agenturen bekannt?
Ich würde sagen, jein. Vielleicht zu fünfzig Prozent. München ist keine
Agentur Stadt, das macht die Sache schwieriger. Sie hat sehr viele kleine
Agenturen, drei-, fünf-, bis zehn Mann- Agenturen, die die Industrie füttern. Die Kreativwirtschaft ist ja heute eher digital als analog. Da fast alle
digital arbeiten, ist hier in München fast jeder lieber sein eigener Chef,
da sie alle irgendwelche Connections haben. Die werden immer klein
bleiben. Das Unternehmertum, das in Hamburg, sag ich mal, hat eine andere Qualität. So unterscheidet sich München von Hamburg, aus meiner
Sicht. Da sind die jungen Nachwuchstalente sehr unternehmerisch tätig,
in München eher arbeitfreizeitorientiert.
Als Dozent für Kreativitätstechniken
an der Ohm Hochschule in Nürnberg,
frage ich zu Beginn meiner Vorlesungen: „ Wieviele von euch wollen in die
Werbung?“ Und immer, ich mache
das nun schon seit fünf Jahren, immer
weniger Studenten machen den Finger
hoch.
Und ich sage explizit, es ist kein Kurs
für Werbung. Ich sage, es geht jeden
‘was an. Ob ihr Filmer seid, Produktdemacht und so ‘was, jeder von euch
Gestaltern braucht ‘ne Idee. Ohne Idee
läuft nix. So. Nachher, am Ende des Kurses frag ich: „Wieviele glauben,
in die Werbung zu gehen?“, sind es mindestens ein Drittel. Ich nehme
denen die Angst.
Gern möchte ich dies Interview über die MCAD mit dem Kommentar
einer Ihrer ehemaligen Studentin, Senta Neumann, beenden. Sie
fasste die gesammelten Aussagen der MCAD Studenten in einem
Satz zusammen ... eine Schmiede, die anspornt und den Glauben an
sich selbst festigt.
Ich bedanke mich sehr, Herr Derschow, für dieses Gespräch.

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