Kurzfassung der Studie zum Verhalten der Schweizer KMU im

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Kurzfassung der Studie zum Verhalten der Schweizer KMU im
Haute école de gestion de Genève
CRAG - Centre de Recherche Appliquée en Gestion
Cahier de recherche (Kurzfassung)
Kurzfassung der Studie zum Verhalten der
Schweizer KMU im Hinblick auf die Nutzung
eines integrierten betrieblichen
Softwaresystems.
Zwischen mangelndem Wissen und
Zufriedenheit.
Catherine Equey Balzli, Professorin HES
Jean Tuberosa, Professor HES
David Maradan, PhD., Forschungsassistent HES
Marie-Eve Zufferey Bersier, Forschungsassistentin HES
Kurzfassung des Forschungsberichts:
Nr. HES-SO/HEG-GE/C--06/13/1--CH
2006
CRAG – Haute Ecole de Gestion de Genève
1
Einleitung
Integrierte betriebliche Softwaresysteme, allgemein bekannt unter dem Namen
Enterprise Resource Planning (ERP)-Systeme, sind Informatikanwendungen, die ein
integriertes Management sämtlicher menschlicher, materieller und finanzieller Ressourcen eines Unternehmens möglich machen.
Die Anbieter solcher Software-Pakete versuchen seit mehr als 10 Jahren, ihre Produkte auch an KMU zu verkaufen. Verstärkt werden diese Bemühungen durch die
Werbung und zahlreiche Presseartikel, die den Eindruck erwecken, dass ERPSysteme für KMU unerlässlich sind, um die Herausforderungen der Konkurrenz und
der Globalisierung erfolgreich meistern zu können. Zwar gibt es eine Fülle von
Literatur über die technischen, praktischen und organisatorischen Aspekte bei der
Einführung und Nutzung von integrierten betrieblichen Softwaresystemen. Dennoch
sind aber zahlreiche Fragen über das Verhalten von Unternehmen im Hinblick auf die
Nutzung eines ERP-Systems nach wie vor unbeantwortet.
Unsere Studie beschäftigt sich in erster Linie mit zwei Fragen, die bis anhin von der
Forschung im Bereich von ERP-Systemen vernachlässigt worden sind:
ƒ
Wie ist der Wissensstand der Schweizer KMU in Bezug auf die Einführung eines integrierten betrieblichen Softwaresystems und wie verhalten sich diese Unternehmen gegenüber diesen neuen Tools?
ƒ
Welcher Typ / welche Kategorie von KMU installiert und nutzt ein ERPSystem?
Unsere Studie liefert Zahlenmaterial über die Nutzung dieser modernen Management-Tools. Diese Daten sollen unter anderem als Entscheidungshilfe für Leiter und
Leiterinnen eines KMU dienen, welche die Installation eines ERP-Systems in Erwägung ziehen.
Die durchgeführte Studie stützt sich auf einen Fragebogen, mit dessen Hilfe Daten
zur Einstellung und zum Entscheid von Unternehmen in Bezug auf die Einrichtung
eines ERP-Systems erhoben wurden.1 Insgesamt wurden 4000 Fragebogen an KMU
des tertiären und sekundären Sektors in den drei Hauptsprachregionen der Schweiz
verschickt. 687 Unternehmen haben sich an der Umfrage beteiligt2, wobei 125 dieser
Unternehmen bereits ein ERP-System einsetzen.
Die in dieser Studie vorgestellten Ergebnisse sind aus einer statistischen Analyse der
Antworten aus dem Fragebogen hervorgegangen. Sie stützen sich hauptsächlich auf
die Methoden der deskriptiven Statistik wie etwa Mittelwerte, Grafiken, welche die
Verteilung einer Variable darstellen, und Korrelationsanalysen.
Die vorliegende Kurzfassung unserer Studie enthält die wichtigsten Ergebnisse unserer Analyse und gibt namentlich Auskunft über den Nutzungsgrad und den Wissensstand der Schweizer KMU im Hinblick auf ERP-Systeme. Die hier vorgestellten Ergebnisse geben einen Überblick über die gewählten Produkte, das Profil der Unternehmen, die ein ERP-System einsetzen, die Merkmale von Einführungsprojekten, die
wichtigsten Erwartungen der Unternehmen an ERP-Systeme sowie die Vorteile und
Schwierigkeiten, die mit der Nutzung dieser Software-Pakete zusammenhängen.
1
Der Fragebogen wurde per Post verschickt und stand zudem auf der Webseite der Haute École de
Genève zur Verfügung. Die rund 60 Fragen, die aufgrund von detaillierten Fallstudien erarbeitet
wurden, konnten online beantwortet werden.
2
Die relativ hohe Beteiligungsrate (17%) wurde dank Follow-up-Anrufen erreicht, die eine Woche
nach Versand der Fragebogen durchgeführt wurden.
2
1
Nutzungsgrad und Wissensstand im Hinblick auf ERP-Système
In der Schweiz ist der Anteil der KMU, die ein ERP-System verwenden, verhältnismässig gering. Er beträgt zwischen 17% und 19% und ist unabhängig von der
Sprachregion, in der das befragte Unternehmen seinen Sitz hat.
Eine Beobachtung der Unternehmen, die kein integriertes betriebliches Informationssystem verwenden, zeigt, dass unsere KMU diese modernen ManagementTools schlecht kennen. Weder die Terminologie von ERP-Systemen noch der Nutzen
dieser Software-Pakete sind klar und eindeutig bekannt, ebensowenig wie die
Vorteile und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit ihrer Einführung. Entsprechend
decken sich die angegebenen Gründe, weshalb kein ERP-System installiert wird,
auch nicht mit den Kritikpunkten, die von KMU angegeben werden, die bereits ein
ERP-System eingeführt haben. Ein Beispiel ist in Abbildung 1 zu sehen: Als Hauptgrund, der gegen eine Installation eines ERP-Systems spricht, werden die Kosten
genannt. Die Kosten gehören jedoch für diejenigen Unternehmen, die bereits ein
ERP-System installiert haben, nicht zu den wichtigsten Problempunkten (s. Punkt 5).
Abb. 1: Gründe für einen Verzicht auf ein ERP-System
zu teuer
keine Angabe
mangelnde
Kenntnisse
nicht notw endig
Firma zu klein
andere
andere Softw are
laufendes Projekt
komplex
2
Profil von KMU, die ein ERP-System verwenden
Mit den Ergebnissen der Umfrage lässt sich ein Profil der Schweizer KMU erstellen,
die ihre Ressourcen mit Hilfe eines integrierten Management-Tools verwalten. Bei
diesen KMU handelt es sich typischerweise um Aktiengesellschaften aus dem sekundären Sektor (Abb. 2), bei denen die Anzahl der Beschäftigten (Tabelle 1),
der Umsatz und die Bilanzsumme über denjenigen eines durchschnittlichen
Schweizer Unternehmens liegen.
3
Abb. 2: ERP-Systeme und Sektoren
80
70
60
50
40
30
20
10
0
sekundär
tertiär
Stichprobe ERP
Schw eiz
Tabelle 1: ERP-Systeme und Unternehmensgrösse
Stichprobe ERP
Schweizer
Unternehmen*
zwischen 1 und 9 bzw. 10 und
49**
52,85%
85,83%
zwischen 50 und 99
21,14%
11,75%
zwischen 100 und 199
18,70%
0,64%
200 und mehr
7,32%
0,38%
Anzahl Beschäftigte
* Eidgenössische Betriebszählung (eBZ) 2001.
** Bei der eBZ wird für die KMU eine Kategorie von 1 bis 9 Beschäftigten und eine
Kategorie von 10 bis 49 Beschäftigten verwendet.
Ebenfalls vermehrt eingesetzt werden ERP-Systeme von Unternehmen, deren Umsatz im Wachsen begriffen sind. KMU, die «sich auf das ERP-Abenteuer einlassen», sind Unternehmen mit grösseren finanziellen Möglichkeiten und einem
höheren Wachstum als der Durchschnitt. So besitzen gegenwärtig nur gerade 7%
der Unternehmen, die einen Umsatzrückgang zu verzeichnen haben, ein ERPSystem.
Trotz allem bedeuten eine kleine Unternehmensgrösse, limitierte finanzielle Ressourcen und eine Positionierung im tertiären Sektor entgegen unseren Erwartungen
jedoch nicht in jedem Fall ein Hindernis für die Installation eines integrierten betrieblichen Softwaresystems. Unsere Analyse hat nämlich ergeben, dass kleine
und mittlere Unternehmen ähnlich zufrieden sind mit der Einführung eines
ERP-Systems wie grosse Unternehmen.
Wichtig ist noch anzumerken, dass 44% der Unternehmen unserer Stichprobe, die
ein ERP-System nutzen, zu einem Konzern gehören (Holding oder andere). Man
kann mit grosser Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass diese KMU weniger
häufig auf ein ERP-System zurückgreifen würden, wenn sie (als Tochtergesellschaften eines Konzerns) von ihrem Konzern nicht dazu gezwungen würden!
4
3
Produktwahl
Unsere KMU wählen ihr ERP-System aufgrund der Qualität und der Beständigkeit
des Anbieters. Die Wahl des Produktes variiert allerdings je nach Sprachregion, in
der das Unternehmen ansässig ist. Deutschschweizer KMU entscheiden sich mehrheitlich für Abacus, Microsoft oder auch SAP, während die KMU in der Westschweiz
vor allem Oracle oder Produkte von anderen, weniger bekannten Anbietern wählen
(Abb. 3).
Die Tatsache, dass sich über 50% der Unternehmen für einen anderen Anbieter
als einen der Marktführer entscheiden, ist überraschend, weil dies nicht dem
Kriterium der «Beständigkeit» des Anbieters entspricht, das die KMU für die
Wahl eines ERP-Systems angeben.
Abb. 3: Gewählte ERP-Anbieter nach Sitzkanton der Unternehmen (in %)
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Abacus
Microsoft
Oracle
Deutschschweizer Kanton
SAP
Autres
Westschweizer Kanton
Die Grösse des Unternehmens hat ebenfalls einen Einfluss auf die Wahl des
Anbieters. Kleine Unternehmen entscheiden sich vornehmlich für Abacus und
Microsoft, während Oracle von den grössten KMU bevorzugt wird (Abb. 4). Im
Gegensatz dazu wird SAP von kleinen und mittleren Unternehmen fast gleich häufig
verwendet. Der Tätigkeitsbereich der einzelnen Unternehmen hat keinen Einfluss auf
die Wahl des Systems.
5
Abb. 4: Gewählte ERP-Anbieter nach Anzahl der Beschäftigten (in %)
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Abacus
10-49 Beschäftigte
Microsoft
Oracle
50-99 Beschäftigte
SAP
100-199 Beschäftigte
Andere
200-249 Beschäftigte
Auffallend ist, dass sich ein grosser Teil der Unternehmen nicht für einen der bekanntesten Anbieter entscheidet: 50,4% der gewählten Anbieter fallen in die
Kategorie «Andere». In dieser Kategorie dominiert kein bestimmtes Software-Paket.
Die Systeme, die unter «Andere» am häufigsten angegeben werden, sind AS400,
Clipper, INERP, JOBdispo, OXAION, OPACC und ProConcept. Gewisse Unternehmen nennen hier also Softwareprogramme, welche die Voraussetzungen eines ERPSystems gar nicht erfüllen (AS400, Clipper). Diese Beobachtung bestätigt das
mangelnde Wissen der KMU über die typischen Merkmale eines ERP-Systems.
Das typische ERP-System, das von Schweizer KMU eingesetzt wird, besteht aus 4
bis 5 Modulen. Über 80% der befragten Unternehmen nutzen ein Finanzmodul (Abb.
5). Danach folgen die Module Einkauf, Human Resources, Lagerverwaltung und
Kundenverwaltung, die von mehr als 50% der KMU benutzt werden, sowie das
Modul Produktion, das von weniger als 40% der befragten Unternehmen eingesetzt
wird.
Abb. 5: Benutzte ERP-Module
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
% des Unternehmen, die dieses Modul besitzen
6
Andere
Verkauft/Kunden
Entscheidungshilfen
Produktion
Lagerverwaltung
Human Resources
Einkauf (SCM)
Finanzen
0%
Projektmanagement
10%
4
Entscheid zur Einführung, wichtigste Erwartungen und Ergebnisse
Die Schweizer KMU entscheiden sich hauptsächlich dann für die Investition in ein
neues Software-Paket, wenn ihr altes System überholt ist. Sie erwarten von einem
ERP-System eine bessere Integration der Verwaltungsoperationen, eine Optimierung
der Information und eine Kostensenkung.
Im Allgemeinen sind die KMU zufrieden mit ihrem ERP-System. 51% der befragten
Unternehmen gaben an, «sehr zufrieden» zu sein (gegenüber 11%, die «wenig zufrieden» waren; s. Tab. 2). Der durchschnittliche Zufriedenheitsindex lag bei 3,8 auf
einer Skala von 1 bis 5. Über 95% der Projekte werden im Hinblick auf die fristgerechte Installierung und die Budgeteinhaltung als erfolgreich bewertet.
Budgetüberschreitungen bei der Einführung von ERP-Systemen sind in der Tat selten (keine Überschreitung in 41% der Fälle und Mehrkosten von weniger als 10%
gegenüber dem ursprünglichen Budget in 36% der Fälle). Nur eine kleine Anzahl
(rund 4,5%) der befragten Unternehmen sahen sich bei der Einführung ihres EPRSystems mit einer problematischen Situation konfrontiert (effektive Mehrkosten von
mehr als 20% gegenüber den budgetierten Kosten). Die Unternehmen, die mit einer
Budgetüberschreitung zu kämpfen hatten, sind jedoch nicht weniger zufrieden mit
ihrem ERP-System als die andern. Sämtliche Unternehmen, die Mehrkosten von
über 20% gegenüber ihrem ursprünglichen Budget zu vergewärtigen hatten, weisen
sogar einen hohen Zufriedenheitsindex auf.
Tabelle 2: Allgemeine Zufriedenheit
Anzahl Unternehmen
% von
Total
zwischen 1 und 2
5
4%
zwischen 2 und 3
9
7%
zwischen 3 und 4
47
38%
zwischen 4 und 5
63
51%
Zufriedenheit
Durchschnitt
3,79 (Skala von1 bis 5)
Tabelle 3 illustriert die Vorteile, die dank dem Einsatz eines ERP-Systems erzielt
werden. Hier nennen fast alle Unternehmen eine Verbesserung der Information und
der Arbeitsqualität.
Die Verbesserung der Information beruht auf einer besseren Verfügbarkeit der Informationen (Abfragegeschwindigkeit), auf der Möglichkeit, neue Informationen zu beschaffen, sowie auf einer Verbesserung der Analysen (in der Reihenfolge ihrer Bedeutung). Der Einsatz eines so genannten Tableau de Bord, das online genutzt werden kann, wurde hingegen weniger oft erwähnt.
7
Tabelle 3: Vorteile im Zusammenhang mit der Nutzung eines ERP-Systems
Ja
Nein
Keine
Angabe
Verbesserung der Information
96%
3%
1%
Kostensenkung
48%
38%
14%
Zeitgewinn
74%
20%
6%
Verbesserung der Arbeitsqualität
95%
5%
0%
Fast 50% der Unternehmen konnten eine Verringerung ihrer Produktionskosten
verzeichnen. Insbesondere die Einführung der Module «Entscheidungshilfen» und
«Lagerverwaltung» hat einen positiven Einfluss auf eine effektive Senkung der Unternehmenskosten.
5
Schwierigkeiten bei der Einführung und Nutzung
Bei der Installation eines ERP-Systems hängen die meisten auftretenden Schwierigkeiten mit der Komplexität des Tools, mit der durch die Einführung bedingten Mehrarbeit sowie mit Anpassungsschwierigkeiten des ERP-Systems an die Geschäftsprozesse des Unternehmens zusammen (Tab. 4). Die Kosten des ERPSystems stellen keine der Hauptschwierigkeiten dar, die von den Unternehmen
genannt werden.
Die weiteren angeführten Schwierigkeiten betreffen die Datenübernahme, die Informatik und in einem kleineren Ausmass die Beziehungen zu den Beraterinnen und
Beratern.
Tabelle 4: Schwierigkeiten bei der Einführung eines ERP-Systems
% der Unternehmen, die mit dieser Art von Schwierigkeit
konfrontiert waren
Komplexität
44,88
Mehrarbeit
37,80
Anpassungsschwierigkeiten des ERP-Systems
an Geschäftsprozesse
32,28
Schwierige Datenübernahme
29,13
Computerprobleme
19,69
Einführungsfristen nicht eingehalten
11,81
Probleme mit Beraterinnen und Beratern
11,02
In Bezug auf die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung der ERPSysteme (Tab. 5) beklagen sich die Unternehmen vor allem über eine mangelnde
Schulung und den Widerstand gegen Veränderungen.
Andere Faktoren, die hier ebenfalls zitiert werden, sind die oft nicht umfassende Nutzung der installierten ERP-Module (11%) sowie Informatikprobleme (10%). Weitere
Beanstandungen betreffen mangelhafte Unterlagen und Informationen sowie eine
ungenügende Benutzerfreundlichkeit der ERP-Systeme. Probleme mit Beraterinnen
und Beratern werden hingegen nur selten erwähnt.
8
Tabelle 5: Schwierigkeiten bei der Nutzung
% der Unternehmen, die mit der folgenden Schwierigkeit konfrontiert waren
Widerstand gegen Veränderungen
31,5
Mangelnde Schulung
29,1
Komplexität
25,2
Mangelhafte Unterlagen
19,7
Mangelhafte Benutzerfreundlichkeit
13,4
Statt der Funktionalitäten, die das ERP-System bietet, wird oft Excel
verwendet
12,6
Schwierigkeiten bei der Umstellung auf neue Versionen / Installation von
neuen Versionen
12,6
Schwierigkeiten bei der Erstellung von Berichten
11,8
Nutzung nur zu 80%
11,0
Informatikprobleme
10,2
Mangelnde Informationen
10,2
Ungenügende Hotline und mangelhafter Support
6,3
Mangelhafter Einbezug der Unternehmensleitung
4,7
Probleme mit Beraterinnen und Beratern
3,2
Der Widerstand gegen Veränderungen ist eine Schwierigkeit, die vor allem von
Unternehmen aus dem sekundären Sektor genannt wird, bei denen das ERP-System
von zahlreichen Beschäftigten genutzt wird. Demgegenüber sind die Unternehmen,
die sich über einen Widerstand gegen Veränderungen seitens ihrer Beschäftigten
beklagt haben, auch jene Unternehmen, die nur eine begrenzte Anzahl ihrer Mitarbeitenden in das ERP-Einführungsprojekt involviert haben. Es scheint zudem, dass
eine positive Korrelation besteht zwischen der Dauer der Reflexionsphase vor der
Einführung des ERP-Systems bzw. der Dauer der Installationsphase auf der einen
Seite und der Frage, ob ein «Widerstand gegen Veränderungen» als Schwierigkeit
wahrgenommen wird, auf der andern Seite.
Eine der Schwierigkeiten bei der Einführung von ERP-Systemen besteht darin,
dieses neue Tool auch tatsächlich in das Unternehmen zu integrieren und damit für
seine adäquate Nutzung nicht von externen Ressourcen – das heisst Beraterinnen
und Beratern – abhängig zu bleiben. Der Grad der Autonomie (auf einer Skala von 1
= schwache Autonomie bis 5 = starke Autonomie) in Bezug auf eine externe
Beratung liegt bei 2,98, was eine ziemlich grosse Unabhängigkeit bedeutet. 13% der
Unternehmen geben jedoch eine schwache Autonomie an.
9
6
Die wichtigsten Merkmale des ERP-Einführungsprojekts
a)
Dauer der Einführungsphase
Die Einführungsphase dauert bei 80% der Unternehmen weniger als ein Jahr und bei
53% dieser Unternehmen weniger als 6 Monate. Die Schnelligkeit der Einführung ist
umgekehrt proportional zur Grösse des ERP-Systems (Anzahl Module, Anzahl
zukünftiger Nutzer und Nutzerinnen). Im Durchschnitt verläuft die Einführung bei
kleinen Unternehmen in der Deutschschweiz schneller. Ebenfalls interessant ist die
Feststellung, dass eine Erhöhung der Anzahl Beraterinnen und Berater (im
Verhältnis zu den Beschäftigten) die Dauer der Installationsphase nicht signifikant
reduziert.
b)
Anzahl der Beteiligten, der Nutzer und Nutzerinnen sowie der Beratenden
Im Durchschnitt beteiligt sich eine beschränkte Anzahl von Beschäftigten an einem
ERP-Einführungsprojekt. Gemäss den Antworten sind in 72% der Fälle weniger als
7% der internen Mitarbeitenden darin involviert.
Im Allgemeinen handelt es sich beim ERP-Projektleiter um den Verwaltungs- und
Finanzdirektor und um eine männliche Person (in 89% der Fälle).
Nach der Einführungphase wird das ERP-System hingegen von einer bedeutenden Anzahl von Beschäftigten genutzt. Über 44% der Unternehmen geben an,
dass die Zahl der Nutzer und Nutzerinnen zwischen 10 und 100 liegt.
Die Anzahl der Berater und Beraterinnen, die für die Einführung des ERP-Systems
erforderlich sind, bleibt hoch. Die Unternehmen schätzen in 71% der Fälle, dass sie
ein hohes Mass an externer Hilfe benötigen, und zwar nahezu eine beratende
Person pro internem Mitarbeiter oder Mitarbeiterin, der oder die am Einführungsprojekt beteiligt ist.
c)
Einführungskosten
Die Kosten im Zusammenhang mit der Einführung und dem Betrieb eines ERPSystems sind niedrig (Tab. 6 und 7). Wie bereits erwähnt ist diese Erkenntnis
interessant, weil die Kosten einer der Hauptfaktoren sind, die von Unternehmen als
Grund für einen Verzicht auf ein ERP-System angeführt werden.
Tabelle 6: Gesamtkosten einer ERP-Einführung
Totale Projektkosten
(% des Umsatzes)
% der Unternehmen in dieser
Kategorie
weniger als 1%
35%
zwischen 1 und 3%
38%
zwischen 3 und 5%
14%
zwischen 5 und 7%
2%
mehr als 7%
2%
keine Angabe
9%
10
Tabelle 7: Betriebskosten eines ERP-Systems
Outsourcing
% der Unternehmen in
dieser Kategorie
Unterhalt
% der Unternehmen in dieser
Kategorie
weniger als 0,5%
67%
64%
zwischen 0,5 und 1%
7%
21%
mehr als 1%
5%
5%
keine Angabe
21%
10%
% des Umsatzes
Tabelle 8: Informatikinvestitionen bei der Einführung eines ERP-Systems
(% der Gesamtkosten)
% der Gesamtkosten
Informatikinvestitionen
% der Unternehmen in jeder Kategorie
weniger als 5%
28%
zwischen 6 und 10%
20%
zwischen 10 und 20%
26%
mehr als 20%
17%
keine Angabe
19%
Tabelle 9: Beratungskosten bei der Einführung eines ERP-Systems
(% der Gesamtkosten)
% der Gesamtkosten
Consulting
% der Unternehmen in jeder Kategorie
weniger als 20%
57%
zwischen 20 und 50%
20%
zwischen 50 und 70%
8%
mehr als 70%
6%
keine Angabe
19%
Tabelle 10: Lizenzkosten bei der Einführung eines ERP-Systems
(% der Gesamtkosten)
% der Gesamtkosten
Lizenz
% der Unternehmen in jeder Kategorie
weniger als 10%
34%
zwischen 10 und 15%
20%
zwischen 15 und 20%
11%
mehr als 20%
24%
keine Angabe
11%
11
Entgegen unseren Erwartungen gibt nur ein sehr kleiner Prozentsatz der befragten Unternehmen an, ihr geplantes Budget für die Einführung des Systems
überschritten zu haben.
Potenzielle Budget-Überschreitungen bei ERP-Einführungsprojekten können deshalb
die finanziellen Befürchtungen von Unternehmen, die kein ERP-System benutzen,
ebenso wenig erklären. Budgetüberschreitungen sind in Tat und Wahrheit selten
und, falls sie vorkommen, nicht markant (keine Überschreitung in 41% der Fälle und
weniger als 10% Mehrkosten gegenüber dem geplanten Budget in 36% der Fälle).
Nur eine kleine Anzahl (rund 4,5%) der befragten Unternehmen gibt an, bei der
Einführung des ERP-Systems mit einer schwierigen Situation konfrontiert gewesen
zu sein (effektive Kosten mehr als 20% über den budgetierten Kosten).3
Schlussfolgerung
Unsere Studie bringt neue Erkenntnisse über den Einsatz, den Nutzen und die Einführung von ERP-Systemen in Schweizer KMU. Auch wenn diese Erkenntnisse
lediglich Tendenzen darstellen, so handelt es sich dennoch um Ergebnisse, die
neuartig sind und sich auf eine repräsentative Stichprobe von Unternehmen
abstützen. Wir sind deshalb der Ansicht, dass die daraus abgeleiteten Empfehlungen
den Leitern und Leiterinnen von KMU als Entscheidungshilfe dienen können.
Die wichtigste Empfehlung für die Anbieter von ERP-Systemen lautet, dass die
Systeme vereinfacht werden müssen. Ebenfalls empfohlen wird eine Verbesserung
der zur Verfügung gestellten Unterlagen und eine Erhöhung der Benutzerfreundlichkeit der ERP-Systeme. Es braucht ausserdem zusätzliche Aufklärungsbemühungen,
da ein Teil der befragten Unternehmen nur über schlechte Kenntnisse über ERPSysteme verfügt. Die Fachhochschulen müssen weiterhin Informationen sammeln
und verbreiten, um den Wissensstand der KMU über diese Management-Tools zu
verbessern, mit deren Hilfe sie ihre Produktivität steigern und ihre Betriebsführung
verbessern können. Die Fachhochschulen können aber auch die mangelnde Schulung im Bereich der ERP-Systeme überbrücken, über die sich unsere KMU beklagen.
Die wichtigste Limitierung unserer Studie hängt eng mit der obigen Aussage über
den mangelhaften Wissensstand zusammen und betrifft das Verständnis des
Fragebogens durch die befragten Unternehmen. Wir haben denn auch in der Tat
festgestellt, dass gewisse Begriffe, die im Fragebogen verwendet wurden, nicht
richtig verstanden worden sind. So ist auch der Begriff ERP an sich für unsere KMU
nicht einfach zu erfassen.
3
Die Unternehmen, die mit einer Budgetüberschreitung konfrontiert waren, zeigen sich jedoch nicht
weniger zufrieden mit ihrem ERP-System als die andern Unternehmen.
12