Ein Traum wird Wirklichkeit

Transcrição

Ein Traum wird Wirklichkeit
Ein Traum wird Wirklichkeit
PEBBLE BEACH. Gerald R. Hajos feiert Geburtstag. Seinen 50sten. Und das
mit jeder Menge Adrenalin in den Blutbahnen. Am Ende wird aber alles gut.
76 Golfrevue 6/2012
Ein Par zum Geburtstag Gerald Hajos feiert seinen 50er mit fünf
Schlägen am legendären 18. Loch von
Pebble Beach – besser geht’s nicht!
B
esondere Golfrunden zu
meinen (runden) Ge­
burtstagen haben bei
mir Tradition. Der Drei­
ßiger ging sich noch nicht aus, weil mein Golf­
leben erst danach begonnen hat. Aber bereits
zum 35er absolvierte ich mit Valderrama mein
erstes persönliches Highlight. Logischerweise
kurz nach dem Ryder Cup. Zum Vierziger
musste es natürlich der Old Course in St. An­
drews sein, und zu meinem 45. Geburtstag
war ich zum ersten Mal live beim Masters in
Augusta dabei. Freilich nur als Zuschauer.
Aber immerhin!
Zum großen Gerald-Hajos-Fest 5.0 musste
natürlich wieder etwas Außergewöhnliches
her. TPC Sawgrass, Bay Hill, Doral, TPC
Scottsdale und PGA National sind allesamt
interessant, aber ein halbes Jahrhundert feiert
man am besten auf Amerikas Nr. 1: Pebble
Beach.
Allerdings: Es geht die Fama, dass ohne
Tee-Time-Reservierung ein bis zwei Jahre im
Vor­aus nix zu machen sei. On top müsse man
noch im Resort übernachten, was sich in Sum­
me mit über 1.000 Dollar zu Buche schlägt.
Nicht, dass mir mein 50. Wiegenfest das nicht
wert wäre, aber der Zeitpunkt desselben ist
denkbar ungünstig: Ostern! Das heißt auch in
Pebble Beach Hochsaison oder, retourüber­
setzt, Easter Break.
Fotos: Tony Roberts / Corbis
E-Mails ohne Erfolg
Zugegeben: Der Startschuss für das Projekt
„Pebble Beach“ war mit der Wintersaison
2011/2012 ohnedies schon zu spät gefallen.
Aber mithilfe meiner Freunde von der Golf­
revue sollte das trotzdem klappen. Die Monate
vergingen, zahlreiche E-Mails gingen hin und
her, ohne Bestätigung einer Abschlagzeit.
Freundliche Entschuldigungen ob der ungüns­
tigen Terminwahl poppten im Posteingang auf.
Selbst als ich am Tag vor meinem Geburtstag
mit dem Auto aus Los Angeles Richtung Nor­
den aufbrach, um nach sechsstündiger Fahrt
Monterey zu gewinnen, gibt es noch immer
keine verbindliche Zusage. Ich versuche meine
drohende Enttäuschung mit der Aussicht zu
mildern, zumindest einen der vier anderen Re­
sort-Plätze zu spielen. Dermaßen gefestigt, aber
dennoch einigermaßen aufgeregt, passiere ich
das Gate des 17-Mile-Drive, der Einfahrt in das
Del-Monte-Forest-Naturschutzgebiet auf der
Halbinsel Monterey. Zehn weitere Autominu­
Ein Traum in Grün-Weiß-Blau Es ist allein die
Kulisse, die Pebble Beach zu dem macht, was es ist:
Amerikas bester Golfplatz
Kalifornien Reise
ten später bestätigte die Stim­
me des Navigationsgerät das,
was meine Augen schon sa­
hen: das Schild „Pebble Beach
Lodge & Golf Links“. Es folgt Überraschung
Nummer 1: Häufig krächzt eine freundliche
Stimme an den Wechselsprechanlagen der TopGolfclubs dieser Welt: „Sorry, ohne Tee-Time
kein Einlass.“ Nicht so in Pebble Beach, wo
man mich locker-lässig akustisch durchwinkt.
Überraschung Nummer 2: Der Parkplatz
und der Eingang in das riesige Areal gleichen
eher einer Touristenattraktion, Busladungen an
Besuchern bevölkerten die Anlage. Die meisten
sind wohl hier, um Fotos zu machen, Souvenirs
zu kaufen und auf der Terrasse des mächtigen
Clubhauses den atemberaubenden Blick über
die Bucht von Monterey zu genießen. Erleich­
tert von diesem Entree, mische ich mich so­
gleich unter die Bus-Golftouristen und verewi­
ge das weltberühmte 18. Green mit seinem
langgezogenen Bunker und die malerischen
Klippen des Pazifik digital. Sicher ist sicher.
Nach ein bisschen Golf-Sightseeing – im Sei­
tengang des Clubhauses thronen die gläserne
Trophäe, die die Sieger des Pebble Beach Pro/
Am hochstemmen dürfen, und der US-OpenPokal von 2010 samt Foto und Memorabilien
von Graeme McDowell – geht es vorbei am Ho­
tel, dem Puttinggreen, der großen Ehrentafel
aller Turniergewinner und insgesamt sechs (!)
verschiedenen Proshops ins Golfsekretariat.
Die Stunde der Wahrheit schlägt.
Unglaublich, aber wahr
Ich stellte mich höflich dem Herrn hinter dem
Counter vor, erklärte, wer ich bin und dass die
Golfrevue seit einigen Monaten wegen meiner
Golfrunde in Kontakt mit dem Club sei. Sein
„Sorry, we have’nt been informed“ lässt meine
Gesichtszüge entgleisen. Allerdings schlägt das
Pendel der Emotionen sekundenschnell in die
entgegengesetzte Richtung aus: Sein Nachsatz,
dass dies alles überhaupt kein Problem sei, und
die Frage, welche der drei möglichen TeeTimes ich denn gerne morgen in Anspruch
nehmen möchte, lässt mich beinahe auf den
Knien durch den Proshop rutschen. Als hätte
ich gerade den entscheidenden Elfer im Cham­
pions-League-Finale verwertet. Meine hoch­
steigende Euphorie souverän überspielend,
antworte ich: „Ten o’clock would be just fine.“
Beim Greenfee könne er zwar leider nichts
machen, er bietet mir aber großzügigerweise
einen Einkaufsgutschein im Proshop an. Na
bitte: Es ist 17.30 Ortszeit in Kalifornien, und
ich habe für den nächs­
ten Tag, meinen 50. Ge­
burtstag, eine Vormit­
tags-Tee-Time in Pebble
Beach, und der Wetter­
bericht verspricht 22 Kurz & bündig:
Pebble Beach,
Grad und „zero chance of Kalifornien
rain“.
Das Resort:
Ausgeschlafen und in The Lodge, The Inn und Casa Palmero sind die
Resort-Hotels. Packages mit 3 Nächten und
freudiger Erwartung geht 3 Runden Golf beginnen bei 3.500 Dollar.
es dann am Tag der Tage Die plätze:
wieder nach Pebble Gut, Pebble Beach Links ist die Nummer 1,
Beach. Der Starter stellt aber Spyglass Hill, The Links at Spanish Bay,
Del Monte Golf Club oder Peter Haye Golf
mir meine Flightpartner Course sind auch keine Plätze, die man von
vor: ein Amerikaner, ein der Bunkerkante stoßen würde.
Kanadier und ein Japa­ www.pebblebeach.com
ner. Alle drei waren extra
angereist, haben die Nacht im Resort ver­
bracht und die Tee-Times knapp zwei Jahre
zuvor gebucht. Um sicherzugehen, dass sie
­ihren Geburtstag mit einer Runde in Pebble
Beach feiern können. Meine Geschichte lässt
sie zart erschaudern.
Und dann spiele ich jene 18 Loch, die mir
von zig Simulator-Runden und 20 Jahren
Fernsehübertragungen vertrauter sind als je­
des Loch in meinem Heimatclub. Das Hirn
versucht, alles zu ordnen, das eigene Spiel, das
Traumwetter, die Schönheit des Golfplatzes,
die herrlichen Ausblicke auf den Pazifik, die
sagenhaften Villen entlang der Fairways (an­
geblich keine unter 25 Mio. Dollar zu haben)
und die netten, gesprächigen Mitspieler. Am
18. Tee angekommen, liege ich 18 über Par.
Und? Alles egal! Ich stehe tatsächlich an der
berühmten Klippe, vor mir das legendäre
Golf­loch, links der schäumende Pazifik und
der große Bunker links vor dem Grün. Wieder
erscheinen die Bilder von Tiger, Phil, Graeme
und all den anderen im Kopf, die auch schon
hier standen, meist um kurz darauf das Tur­
nier zu gewinnen. Verabschiede dich von
Pebble Beach „in style“, ruft meine innere
Stimme. Drei Schläge und zwei Putts später
kann ich mir das Lüften der Kappe und den
Gruß an die Zuschauer rund ums Green nicht
verkneifen.
Das Bier in der Sportsbar des Clubs und der
unvermeidliche Kaufrausch im Proshop been­
den diesen meinen sehr besonderen, perfekten
Golftag, und als ich dann, den Mustang gesat­
telt, Richtung San Francisco aufbreche, schaue
ich noch einmal in den Rückspiegel. Ein Ge­
fühl der Erleichterung, der unsagbaren Freude
und auch Demut überkommt mich. Aber zum
55er muss es dann ja wohl Augusta werden.z
Golfrevue 6/2012 77

Documentos relacionados