„Immer am Limit“ - Peking Paris Rally

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„Immer am Limit“ - Peking Paris Rally
Münchner Merkur Nr. 151, Wochenende, 2./3. Juli 2016
Journal
Münchner Merkur
Quälgeister
Mücken – die unbeliebtesten Tiere
des Sommers.
> Seite 3
Das Wochenend-Magazin des Münchner Merkur
Ingo Strolz (li.) und sein Team-Kollege Werner Gassner, der gleichzeitig Mechaniker und Navigator
ist. Sie fahren die Ralley zum zweiten Mal – mit einem American La
France Tourer Speedster, Baujahr
1917. FOTOS: STROLZ-GASSNER-RACING,
ROTHENBERGER, GERARD BROWN
Es gibt sie noch, die echten
Abenteuer für echte Männer. Die Oldtimer-Rallye
Peking–Paris ist eines davon. Unsere Autorin hat
mit einigen Fahrern der
harten Tour gesprochen.
VON CHRISTINE
WALDHAUSER-KÜNLEN
Mit viel Glück haben sie heute,
am 2. Juli, die russische Stadt
Kazan, erreicht. Nein, nicht
komfortabel mit Zug oder
Flugzeug, sondern in ihren
mindestens 40 Jahre alten Oldtimern. Im Bestfall durchgerüttelt, übermüdet, abgemagert,
mit Kratzern und Wunden an
den Händen und von oben bis
unten mit Motorenöl verschmiert, doch ohne größere
Blessuren.
Aber weiß man es? Während
dieser Text geschrieben wird,
leider nicht. Noch kämpfen sie
sich durch die Wüste Gobi und
haben keinen Handyempfang.
Doch drehen wir kurz das Rad
vier Wochen zurück und erzählen, wie sich drei Männer
auf das fast Unmögliche vorbereiten: die 13 695 Kilometer
lange Rallye Peking–Paris – das
härteste Oldtimer-Rennen der
Welt. Nichts für Sonntagsfahrer und Weicheier, aber etwas
für Abenteurer mit Benzin in
den Adern. Am 12. Juni 2016
fiel der Startschuss für die 6.
„Peking to Paris Motor Challenge“. Die 35 Tage lange Herausforderung führt ab Peking
durch die Mongolei, über
Russland, Weißrussland, weiter nach Polen, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Italien, die
Schweiz bis nach Paris.
Täglich müssen die 115 ZweiMann-Teams zwischen 180
und 668 Kilometer bewältigen.
Dabei überqueren sie wackelige Holzbrücken, schaukeln
durch Flussbetten, quälen sich
unzählige Berge hinauf und
wieder hinunter, schlittern
über Querrillen, plumpsen in
badewannen-große Sandlöcher – der reine Wahnsinn.
„Immer am Limit – für Mensch
und Maschine. Man macht etwas, was nicht normal ist“, sagt
Schierling (Landkreis Regensburg) und kümmert sich um einen 76 Jahre alten Chevrolet
Super Deluxe Coupe. Er gehört
Rudi Hug, den er schon auf vielen Rallyes begleitet hat und
nun auch in diesen Wochen als
Mechaniker unterstützt. Würden neuste Geländewagen vermutlich ebenfalls schlapp machen, wie wollen/sollen/können Oldtimer diese Strecke packen? Lassen wir Strolz berichten. Bei seinem vier Tonnen schweren Koloss war vom
Zylinder bis zu den Lagern
nach der Tour 2013 alles mehr
oder weniger ramponiert. Ergebnis: Mehr als 600 Teile wurden neu konstruiert, gegossen
und angefertigt und bis auf die
letzte Schraube wieder neu zusammengesetzt. Für Notfälle
wurde die Rückbank ausgebaut, um Platz für 350 Kilogramm schweres Werkzeug
und Ersatzteile zu machen.
„Auf der vergangenen Rallye
schliefen wir nur vier Tage
mehr als vier Stunden“,
schmunzelt Strolz. Wird nämlich nicht gefahren, muss das
Auto für den nächsten Tag wieder startklar gemacht werden.
In der Gobi sind übrigens auch
die Nächte nicht allzu bequem:
Geschlafen wird nach Nomaden-Art – also im Zelt! „Landschaftlich ein Traum – einfach
überwältigend“, liest man in
Rothenbergers Blog. Die Mongolen seien sehr begeistert.
Und selbst die Polizei habe Fotos mit ihnen und dem Auto
machen wollen, obwohl sie
mit 130 Stundenkilometer Geschwindigkeit in einer „60-erZone“ erwischt worden seien.
Was gibt es noch an Neuigkeiten? „Wir sind die ersten unserer Klasse und müssen unsere
Position jetzt verteidigen, was
hart werden wird.“ Da geht’s
wirklich ans Eingemachte: Eine Teilnehmerin überschlug
sich kürzlich mit ihrem Fahrzeug. „Es ist keine Schickimicki-Tour“, so Strolz. Er hatte
das letzte Mal danach zehn Kilo weniger auf den Rippen.
Viel Zeit zum Essen bleibt
nicht: Rothenberger ernährt
sich tagsüber von Energieriegeln. Schließlich muss Gewicht eingespart werden.
Mehr als Anti-Mücken-Spray,
Zahnbürste, 1 Hose und 1
Hemd haben die Männer nicht
im Gepäck. Frühstück und
Abendessen organisiert der
Straßenschilder auf der Fahrt durch die Mongolei? Fehlanzeige. Dafür jede Menge Einsamkeit.
Veranstalter Endurance Rallye
Association (ERA). In der Go...........................................................................................................................................................................................................................................................................................
bi speist man in VerpflegungsDIE HISTORIE
zelten. „Hier wird man auch
von einem Tankzug begleitet –
Die Idee für das Autorennen
ab Weißrussland müssen wir
Peking-Paris stammt von der
selbst Tankstellen suchen“, so
Pariser Zeitung Le Monde, die
Astaller.
1907 erstmals ihre Leser aufBeim letzten Telefonat vor Rerief, eine Fahrt per Automobil
daktionsschluss am 26. Juni
von Peking nach Paris zu unterwaren „unsere“ Teams gut im
nehmen. 5 von 40 angemelderussischen Omsk angekomten Teilnehmern schafften die
men. Endlich: „Die Mongolei
Verschiffung ihre Fahrzeuge
war heuer viel, viel härter als
nach Peking. Ein italienischer
2013 mit katastrophalen StraPrinz erreichte Paris 60 Tage
ßenverhältnissen und extrem
später als Erster. Es gibt vier
Helmut Rothenberger und Manfred Kategorien, unterteilt nach
schlechtem Wetter“, findet
Schmidt (r.) mit einem Fan.
Übernachtet wird wie bei den Nomaden – im Zelt.
Strolz. Ob er wieder mit blutiJahrgängen der Autos.
gen Händen und verbrannten
Schuhsohlen in Paris einfahren wird? Vermutlich ja, muss
er seinen Schlitten, mittlerweile nur mehr „Das Biest“ genannt, allein mit Muskelkraft
bewegen. Erreicht der Vorarlberger am 17. Juli den Place
Vendôme, so winkt ihm sicher
ein Pokal: Der für die Teilnahme mit dem nun ältesten Auto die Startnummer 1 hatte wegen Motorschadens aufgegeben. „Wir wollen einfach gesund durchkommen“, hofft
Astaller. Noch ist der Weg ist
Das ist die 13 695 Kilometer lange Route der Rallye Peking–Paris – mehr Infos unter www.endurorally.com.
das Ziel…
„Immer am Limit“
Die härteste Oldtimer-Rallye der Welt von Peking nach Paris
Ingo Strolz. Der 45-jährige Hotelier aus dem österreichischen
Lech weiß, wovon er spricht
und beschreibt plastisch, wie
sich diese verflixten Sandkörner in jede Körperöffnung
pressten,
Karosserie
und
Werkzeug schleiften und selbst
seinen Anorak-Reißverschluss
„schafften“. Trotzdem: Er
nimmt das zweite Mal an dem
Rennen teil, und zwar wieder
mit seinem American La
France Tourer Speedster, Baujahr 1917. Beifahrer ist auch
dieses Mal Werner Gassner –
Mechaniker und Navigator.
Straßenschilder durch die
Mongolei? Meist Fehlanzeige
– die Piste führt sie an Wildpferden und Jurten vorbei oder
gleich querfeldein. Trifft man
dann mal auf ein paar über Abwechslung erfreute Nomaden,
so können die auch nur bedingt weiterhelfen. Verlass ist
nur auf das Tracking-System,
wie es die britische Marine im
Einsatz hat, und auf den Mitfahrer – besser gesagt „Leidensgefährten“.
Siehe Rallye 2013, da waren
nicht nur Achsen, sondern
auch Ehen in die Brüche gegangen, und hatten sich einige
Teams so zerstritten, dass sie
tagelang nicht mehr miteinander sprachen. Es gab sogar drei
Tote zu beklagen. „Man muss
sich hundertprozentig aufeinander verlassen können“,
verweist Helmut Rothenberger. Angst habe er nicht – es sei
eher die Erwartung des Ungewissen und das Fahren des Unmöglichen, beschreibt der
66-Jährige Unternehmer aus
Kelkheim. Er „traut“ sich auf
Tour in seinem 1928 Bentley
Supersport, und hat sich mit
Co-Pilot Manfred Schmidt eineinhalb Jahre darauf vorbereitet. „Diese Zeit braucht’s einfach“, meint auch Andreas
Astaller. Der 39-Jährige betreibt ein Autohaus u.a. in
INHALT ......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
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