bespr. zu uwe krüger, meinungsmacht
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bespr. zu uwe krüger, meinungsmacht
Uwe Krüger: Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse. Köln: Herbert von Halem Verlag, ISBN 978-3-86962-070-1, 375 S., 29,50 Euro In westlichen Demokratien gelten Medien als »Vierte Gewalt«, zu deren Aufgaben es u.a. gehört, zu kritisieren und kontrollieren, Zusammenhänge und Hintergründe aufzuzeigen sowie die Bevölkerung mit Informationen zu versorgen. Dabei ist immer wieder beeindruckend, wie übereinstimmend deutsche Leitmedien über relevante außen- und sicherheitspolitische Themen berichten und diese kommentieren – insbesondere dann, wenn die Bevölkerung mehrheitlich anders denkt. Eine Reihe von Faktoren fördert die Vereinheitlichung von publizierten Meinungen auch in westlichen Demokratien. Dazu gehören u.a. Konzentrationsprozesse in der Medienlandschaft, die Verkleinerung von Redaktionen, mangelnde Zeit für gründliche Recherchen, die Übernahme außenproduzierter Artikel, die Abhängigkeit von Anzeigen schaltenden Unternehmen und von Werbeagenturen, auch ein Gefangensein in der eigenen Kultur und in politischen »Selbstverständlichkeiten«. In Krisen-und Kriegssituationen besteht zudem ein erhöhter Druck, erwünschte Informationen zu vermelden und unerwünschte zu verschweigen. Das vorliegende Buch von Uwe Krüger, »Meinungsmacht – Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten«, beleuchtet einen weiteren wichtigen Punkt, nämlich die außerordentliche Nähe von Journalisten, die über Außen-und Sicherheitspolitik schreiben, zu den politischen Eliten. Krüger, Mitarbeiter am Institut für Praktische Journalismus- und Kommunikationsforschung in Leipzig, führte eine Netzwerkanalyse der außen- und sicherheitspolitischen „Journalismuseliten“ (S.117ff) für die Jahre 20022009 durch. Die detaillierte Analyse der Netzwerke von vier führenden Journalisten – Frankenberger (Verantwortlicher Redakteur für Außenpolitik der Frankfurter Allgemeinen Zeitung/FAZ), Kornelius (Ressortleiter Außenpolitik der Süddeutschen Zeitung/SZ), Stürmer (Chefkorrespondent der Welt) und Joffe (Mitherausgeber der Zeit) – fasst Krüger so zusammen: „In allen vieren spielen nicht nur Organisationen eine Rolle, die sich mit Außen-und Sicherheitspolitik beschäftigen, sondern auch speziell mit der Festigung der transatlantischen Beziehungen, also der Partnerschaft zwischen den USA und Deutschland bzw. Europa, die zu einem großen Teil über das gemeinsame Verteidigungsbündnis Nato vermittelt wird.“ (S.139) Beispiel Kornelius (SZ): Er war im untersuchten Zeitraum u.a. Teilnehmer (nicht Berichterstatter!) der Münchner Sicherheitskonferenz, Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Präsidiumsmitglied der Deutschen Atlantischen Gesellschaft. Auch bei Joffe (Zeit) ist ein „transatlantisch geprägtes Elitenmilieu deutlich zu erkennen […]“ (S.137). Den Nutzen seiner Teilnahme an den so genannten Bilderberg-Konferenzen schildert er so: „In zwei, drei Tagen habe ich doch so viel gehört, was ich als Leitartikler in den nächsten sechs Monaten irgendwo unterbringen kann.“ (S.149) Krügers Angebot an die Journalisten, für das vorliegende Buch eine Stellungnahme zu seinen Analyseergebnissen zu verfassen, wurde von keinem der vier angenommen. Wichtig sind daher die journalismus-ethischen Reflektionen von Krüger (S.145ff, 262ff). Insbesondere problematisiert er die Beratertätigkeit bei gewinnorientierten Konzernen (u.a. Joffe/Zeitbeider HypoVereinsbank oder Aust/Spiegel bei der Deutschen Telekom) und die Einbindung in Organisationen der Bundesregierung (u.a. Frankenberger/FAZ, Kornelius/SZ, und Frey/ZDF als Beiräte der Bundesakademie für Sicherheitspolitik; diese wiederum berät die Bundesregierung). Eine kontrollierendkritische Berichterstattung ist angesichts solcher Querverbindungen eher schwierig. Wenig überrascht daher Krügers Befund zur medialen Begleitung der weltweiten Bundeswehreinsätze: Es besteht eine erhebliche Kluft zwischen der eher ablehnenden Bevölkerung und den eher zustimmenden Eliten (Kapitel »Die Ausweitung der Kampfzone durch Eliten und Medien«). Die Ausweitung des »Sicherheitsbegriffs« von der Landesverteidigung (Grundgesetz) hin zur Verteidigung Deutschlands am Hindukusch (SPDVerteidigungsminister Struck im Jahr 2002) wird mit vielen offiziellen Quellen belegt, u.a. mit den Verteidigungspolitischen Richtlinien (seit 1992), dem Weißbuch zur Sicherheitspolitik (2006) und dem Strategisches Konzept der NATO (1999). Die Analyse von Artikeln der vier o.g. Journalisten zwischen Dezember 2002 (Hindukusch) und September 2010 (Beginn der Debatte über die Aussetzung der Wehrpflicht) ergab folgendes Bild: Bei den meisten Artikeln handelte es sich um Kommentare und Leitartikel, und die vier Journalisten wiesen „große Schnittmengen in ihren Argumenten“ auf (S.173). Zu den gemeinsamen Argumentationsmustern (Frames) gehören insbesondere die folgenden: • Das Konzept »Sicherheit« ist sehr breit definiert. • Bedrohungen werden ganz ähnlich wie in den offiziellen Dokumenten thematisiert (dazu zählen – ohne dies kritisch zu hinterfragen – u.a. Rohstoffsicherheit, Sicherheit der Handelswege, Finanzkrise, Terrorismus, zerfallende Staaten, organisierte Kriminalität, ökologische Katastrophen, Epidemien). Die Welt ist also gefährlich(er) geworden. • Deutschland muss das Bündnismit den USA pflegen und mehr Engagement in der NATO zeigen. • Deutschland hat seine militärischen Notwendigkeiten vernachlässigt; die zögernde Bevölkerung muss von größeren Anstrengungen überzeugt werden. Ungeachtet einiger Unterschiede in der Argumentation der Journalisten, alle „verwenden und propagieren den erweiterten Sicherheitsbegriff“ (S.207). Aus den Argumentationsmustern der vier Journalisten lassen sich für ihre Berichterstattung folgende Schlussfolgerungen ziehen: • Die eigenen Anteile an Krisen und Gewalt werden nicht reflektiert. • Frieden als Norm – und die zugrunde liegenden Ausführungen in Grundgesetz und Völkerrecht – werden ebenso wenig thematisiert wie die Zivile Konfliktbearbeitung. • Der Umgang mit Problemen, Risiken und Gefahren wird ausschließlich einer militärischen Logik unterworfen. • Die eigene Sicht gilt als weitgehend »alternativlos«. Mit der Problemdefinition und deren Bewertung gehen häufig Ursachenzuschreibungen und Lösungsansätze einher, die gleichermaßen der militärischen Logik folgen: Wenn Deutschland sich z.B. einer Vielzahl von Bedrohungen ausgesetzt sieht, sollte das Militärbündnis NATO gestärkt werden und Deutschland darin eine aktivere Rolle spielen. Dass die Bedrohungen u.a. Folge der in den letzten Jahrzehnten von NATO-Staaten geführten Kriege und der neoliberalen Wirtschaftsausrichtung sind und dass zudem vorrangige außenpolitische Ziele (ganz im Sinne der UN-Charta) auch eine gerechtere Welt und die Verwirklichung der Menschenrechte sein könnten, wird kaum ernsthaft diskutiert. Beider als Kontrolle gedachten Analyse der Tageszeitungen Frankfurter Rundschau (FR) und tageszeitung (taz) findet Krüger zwar keine ähnliche Argumentation, aber auch kein konsequentes Argumentieren „in eine andere Richtung“ (S.219). Dies dürfte nach Ansicht des Rezensenten daran liegen, dass die Einordnung von FR und taz als »links-liberal« angesichts ihrer üblichen Berichterstattung zu sicherheitspolitischen Themen kühn ist (bei der FR etwa Artikel zu linken südamerikanischen Regierungen, Kuba oder Die Linke; bei der taz z.B. die konfliktverschärfende Berichterstattung zu den Auseinandersetzungen in der Ukraine). Krüger weist methodenkritisch zu Recht darauf hin, dass die Zusammenhänge zwischen Netzwerken und Artikelinhalten nicht kausal interpretiert werden können; ebenso plausibel ist, dass die Journalisten „schon vorher milieukonform“ dachten (S.221). Ein weiteres Kapitel des Bandes befasst sich mit der Berichterstattung über »Die Münchner Sicherheitskonferenz und ihre Gegner in den Leitmedien«. An der jährlich stattfindenden MSC nehmen etwa 300 außen-und sicherheitspolitische Eliten (Politiker, Diplomaten, Militärs, Rüstungs-industrie, Publizisten) teil, die meisten aus Deutschland und weiteren NATO-Staaten. Untersucht wird die Berichterstattung über die MSC in fünf überregionalen Tageszeitungen (Welt, FAZ, SZ, FR und taz) in den Jahren 2007-2010. Krügers Resümee (S. 253): Welt, FAZ und SZ, von denen hochrangige Redakteure auch MSC-Teilnehmer waren, „bildeten den Diskurs auf der MSC umfangreich ab und bewerten die Institution MSC durchweg neutral bis positiv, während sie die Proteste ignorieren (FAZ), marginalisieren (Welt) oder als reines Lokalphänomen behandeln (SZ) und dabei stark negativ bewerteten“. Von besonderer Bedeutung ist die SZ, da sie zu Beginn der MSC eine Sonderbeilage mit Beiträgen von Konferenzteilnehmern veröffentlicht. „Eine kritisch-analytische Distanz zur Konferenz und selbst zur Nato ist hier offenbar nicht vorgesehen […].“ (S. 225) FR und taz übten teilweise Kritik an der MSC und berichteten, wenn auch meist oberflächlich, über die Proteste. Die relevanten Diskussionen auf der von der Friedensbewegung organisierten alternativen »Münchner Friedenskonferenz« blieben bei allen fünf Zeitungen weitestgehend unbeachtet. Für den kritischen Medienkonsumenten sind Krügers Ergebnisse kaum erstaunlich. Friedensbewegte und Friedenswissenschaftler wissen, dass es alternative Informations-möglichkeiten gibt (u.a. ialana.de, imi.de, friedenskooperative.de, ag-friedensforschung.de, ippnw.org). Das Buch belegt aber empirisch fundiert, dass die hoch gelobten Qualitätsmedien auch in westlichen Demokratien ihrer Aufgabe, kritisch und neutral zu berichten, nicht oder äußerst begrenzt nachkommen. Vergleichbare Ergebnisse würde wohl eine Analyse des öffentlich-rechtlichen Fernsehens erbringen, man denke etwa an den Moderator des ZDF heute-journal, Claus Kleber, und seine ausgeprägte Nähe zur offiziellen US-Denkweise. Krügers Buch ist sehr zu empfehlen: Es ist informativ, gut lesbar, enthält viele illustrierende Zeitungszitate, prägnante Zusammenfassungen, Abbildungen, Grafiken, Tabellen und einen umfangreichen Anhang. Gert Sommer