2 Grundlagen

Transcrição

2 Grundlagen
Analysenmesstechnik
in flüssigen Medien
Ein Handbuch für Praktiker
Dr. Jan Bösche
Ulrich Braun
Matthias Kremer
Reinhard Manns
Dr. Jürgen Schleicher
Bemerkung
Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten.
Einleitung
Nach dem Erfolg der ersten Auflage dieses Buches liegt nun eine zweite erweiterte und aktualisierte
Version vor. Die Autoren haben die Informationen aktualisiert und um neue Themen erweitert. Gerne
nehmen wir auch weiterhin Anregungen und Wünsche der Leserschaft entgegen.
Das vorliegende Buch wendet sich an Praktiker, die im täglichen Betrieb mit elektrochemischen
Messgrößen zu tun haben und für die Projektierung, den Einkauf, die Inbetriebnahme und Wartung
der zugehörigen Mess- und Regeltechnik Verantwortung tragen.
Zu den wichtigsten Messgrößen der Umwelt- und Verfahrenstechnik gehören der pH-Wert, die
Redoxspannung, die elektrolytische Leitfähigkeit, gelöster Sauerstoff, freies Chlor, Chlordioxid und
Ozon, Wasserstoffperoxid-Konzentration und Peressigsäure sowie Ammoniak.
Diese Messgrößen sind kapitelweise behandelt. Nach der Vermittlung von Grundlagenwissen werden die Aufbaumöglichkeiten von Messketten vom Sensor über die Armatur zum Messumformer
gezeigt. Anschließend erhält der Leser Beispiele für Anwendungen in der Praxis mit hilfreichen
Tipps. Das Thema Qualitätssicherung, Fehler und Störungen sowie deren Beseitigung behandelt
das nächste Kapitel. Auf die jeweils geltende Gesetze, Vorschriften, Normen und Verordnungen wird
im Kapitel Quellenangaben hingewiesen.
Fulda, im April 2012
Kapitel 1:
Kapitel 2:
Kapitel 3:
Kapitel 4:
Kapitel 5:
Messung des pH-Wertes
Messung der Redoxspannung
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
Reinstwassermessung
Amperometrische Messung von freiem Chlor,
Chlordioxid und Ozon
Kapitel 6: Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
Kapitel 7: Messung von Ammoniak
Kapitel 8: Messung von gelöstem Sauerstoff
Dipl.-Ing. (FH) Matthias Kremer
Ulrich Braun
Dipl.-Ing. (FH) Reinhard Manns
Dipl.-Ing. (FH) Reinhard Manns
Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher
Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher
Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher
Dr. Öznur Brandt
Vielen Dank an Herrn Dr. Jan Bösche (Produktmanager der JUMO GmbH & Co. KG, Fulda) für den ergänzenden
Themenkomplex „Armaturen“ in den Kapiteln 1 und 2.
JUMO GmbH & Co. KG
Moritz-Juchheim-Straße 1
36039 Fulda, Germany
Telefon: +49 661 6003-714
Telefax: +49 661 6003-605
E-Mail: [email protected]
Internet: www.jumo.net
Nachdruck mit Quellennachweis gestattet!
Teilenummer: 00526103
Buchnummer: FAS 637
Druckdatum: 2012-04
ISBN: 978-3-935742-16-0
Messung des pH-Wertes ................................................................
1
Messung der Redoxspannung ........................................................
2
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS ................................
3
Reinstwassermessung ....................................................................
4
Amperometrische Messung von freiem Chlor,
Chlordioxid und Ozon ......................................................................
5
Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure ........................
6
Messung von Ammoniak .................................................................
7
Messung von gelöstem Sauerstoff ................................................
8
1
2
3
4
5
6
7
8
Kapitel 1
Messung des pH-Wertes
Dipl.-Ing. (FH) Matthias Kremer
1
Bemerkung
Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten.
Vorwort
Der pH-Wert ist die wohl häufigste Messgröße in der Analytik. Der pH-Wert hat eine herausragende
Bedeutung in der Wasser- und Umweltanalytik, so wie in nahezu allen Bereichen der Industrie. Ob
in einer Molkerei die Qualität eines Käses stimmt, das Wasser in einer Trinkwasserversorgung Korrosionsschäden verursacht oder die Fällung in einer Aufbereitungsanlage für Galvanikabwässer
Schwermetallionen optimal fällt, hängt u. a. vom pH-Wert ab.
Die grundlegenden elektrochemischen Zusammenhänge und typische Anwendungen will dieses
Buch in allgemein verständlicher Form darstellen. Außerdem werden Hinweise auf den Stand der
Technik bei den Messumformern/Reglern und Sensoren für diese Messgröße gegeben.
Wir bemühen uns, diese Informationen zur pH-Messung stets auf dem neuesten Stand zu halten
und rufen die Leserschaft dazu auf, rege an einem Erfahrungs- und Wissensaustausch mitzuarbeiten. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge entgegen.
1
Fulda, im April 2012
Dipl.-Ing. (FH) Matthias Kremer
Inhalt
1
Einleitung .......................................................................................... 9
2
Grundlagen ..................................................................................... 11
2.1
Allgemeines ....................................................................................................... 11
2.2
Elektrochemische pH-Messung ...................................................................... 13
2.2.1
2.2.2
2.2.3
2.2.4
Aufbau der pH-Messkette ...............................................................................................
pH-Messkette .................................................................................................................
Die pH-Glaselektrode ......................................................................................................
Bezugselektrode .............................................................................................................
3
Messtechnik ................................................................................... 25
3.1
Aufbau einer Prozessmesseinrichtung ........................................................... 25
3.1.1
3.1.2
3.1.3
Messkette ....................................................................................................................... 25
Abgeschirmte Messleitung ............................................................................................. 27
Messumformer/Regler .................................................................................................... 28
3.2
Armaturen .......................................................................................................... 30
3.2.1
3.2.2
3.2.3
Eintaucharmaturen .......................................................................................................... 30
Durchflussarmaturen ....................................................................................................... 32
Wechselarmaturen .......................................................................................................... 33
3.3
Inbetriebnahme der Messeinrichtung ............................................................. 35
3.3.1
3.3.2
3.3.3
3.3.4
3.3.5
Messort ...........................................................................................................................
Messbedingungen ..........................................................................................................
Installation .......................................................................................................................
Kalibrieren .......................................................................................................................
Pufferlösungen ................................................................................................................
3.4
Weitere Methoden zur pH-Messung ............................................................... 39
3.4.1
3.4.2
Elektrochemische Methoden .......................................................................................... 39
Optische Methoden ........................................................................................................ 42
3.5
Digitale pH-/Redox-Sensoren .......................................................................... 43
4
Anwendungen ................................................................................. 45
4.1
Abwasserreinigungsanlagen ........................................................................... 45
4.1.1
4.1.2
Zulauf der Anlage ............................................................................................................ 46
Faulturm .......................................................................................................................... 46
4.2
Bäder .................................................................................................................. 47
13
14
16
19
35
35
36
37
37
4.3
Galvanikbetriebe ............................................................................................... 49
4.3.1
4.3.2
Galvanikbäder ................................................................................................................. 49
Entgiftung ........................................................................................................................ 50
4.4
Kraftwerke ......................................................................................................... 52
4.5
Trinkwasserversorgungsanlagen .................................................................... 53
4.6
Trinkwassertalsperren ...................................................................................... 54
Messung des pH-Wertes
1
Inhalt
1
5
Qualitätssicherung ......................................................................... 55
5.1
Wie genau ist der pH-Messwert? .................................................................... 55
5.2
Dokumentation .................................................................................................. 55
5.3
Wartung ............................................................................................................. 57
5.3.1
5.3.2
Kritische Einflüsse auf die Bezugselektrode ................................................................... 60
Kritische Einflüsse auf die pH-Elektrode ......................................................................... 61
5.4
Reinigen ............................................................................................................. 62
5.5
Kalibrieren ......................................................................................................... 62
5.6
Lagerung der Messkette .................................................................................. 62
6
Quellenangaben ............................................................................. 63
6.1
EU-Richtlinien ................................................................................................... 64
Messung des pH-Wertes
1 Einleitung
Die Erfolgsgeschichte von JUMO ist eng mit der Glastechnik verbunden.
Ihren Ursprung hat sie im Jahr 1907 mit Hermann Juchheim, dem Vater des Firmengründers der
heutigen M. K. JUCHHEIM GmbH & Co KG, MoritzJuchheim. Bereits 1934 wurde in Ilmenau/Thüringen die Firma Gebrüder Juchheim gegründet, die sich mit der Herstellung von Glasthermometernbeschäftigte. Seit 1947 wurden dann Labor- und Industriethermometer am neuen Standort im
hessischen Fulda unter dem Markennamen JUMO produziert.
Basierend auf diesen Erfahrungen im Umgang mit dem Werkstoff Glas begann man in den 1970er
Jahren mit der Produktion von Glasteilen für elektrochemische Sensoren für pH-Wert, Redox-Potenzial, Leitfähigkeit und Temperatur. Aus diesen Anfängen ist die heutige Produktlinie JUMO
Analysenmesstechnik hervorgegangen. Die Produktion von pH- und Redoxelektroden hat inzwischen den Erfolg der Glasthermometer überholt. JUMO ist heute einer der größten Produzenten
von elektrochemischen Sensoren in Europa. Eine Vielzahl von Kunden beziehen ihre Elektroden
aus dem Hause JUMO mit ihrem eigenen Firmenlogo – die Produktion solcher OEM-Versionen und
von Sonderbauformen ist eine unserer Stärken.
Neben den pH- und Redox-Elektroden werden auch die benötigten Schutzarmaturen, elektronischen Messverstärker und Regler gefertigt. Messzellen für elektrolytische Leitfähigkeit, gelöst Sauerstoff, Chlor,Chlordioxid, Ozon und ein patentierter Wasserstoffperoxid-Sensor komplettieren inzwischen das Lieferprogramm.
Die Fertigung von elektrochemischen Sensoren wird heute in teil- und vollautomatisierten Arbeitsschritten vollzogen. Damit wird eine konstanthohe Qualität erreicht. Computergestützte Messplätze, z. B. bei der Endkontrolle, sichern zusätzlich die Einhaltung der qualitätsrelevanten Parameter.
Jede einzelne JUMO-Elektrode ist deshalb vor dem Versand stückgeprüft. Erfahrene Mitarbeiter/innen in der Glasbläserei fertigen vom Einzelsensor bis zur Großserie verschiedenste Bauformen
für nahezualle denkbaren Anwendungsfälle.
Von Anfang an wichtig war die Erarbeitung des Know-Hows der Membrangläser. Deren „Rezepturen“ sind ein wesentlicher Bestandteil einer qualitativ hochwertigen pH-Elektrode. Heute kann
JUMO pH-Membrangläser für die unterschiedlichsten Anwendungen aus eigener Forschung
liefern. Aber auch die anderen Bestandteile einer pH- und Redoxelektrode und deren Gesamtaufbau müssen auf die entsprechende Applikation hin optimiert sein. Flüssige, hochviskose
Bezugselektrolyte und Hochtemperatur-Gels bis 135 °C sorgen mit einem Patronenableitsystem
für eine stabile Referenzspannung; diese ist bei potenziometrischen Messungen ein Garant für reproduzierbare Messwerte.
JUMO pH- und Redoxelektroden finden heute in nahezu allen Bereichen ihren Einsatz: Trink- und
Schwimmbadwasser, kommunale und industrielle Abwässer, Neutralisationsanlagen, Endkontrollen, chemische Industrie, Prozess- und Spülwässer, Lebensmitteltechnik, Labormessungen, Biotechnik und Aquaristik.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
9
1
1 Einleitung
1
10 Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.1
Allgemeines
„pH“ ist vom lateinischen pondus hydrogenii (Gewicht des Wasserstoffs) oder auch vom lateinischen potentia hydrogenii (Wirksamkeit des Wasserstoffs) hergeleitet.
Wasserstoffionen
Beim pH-Wert geht es also um Wasserstoff oder genauer Wasserstoffionen. Seit 1924 ist
nachgewiesen, dass Wasserstoffionen in wässrigen Lösungen nicht existieren. Die für den pH-Wert
verantwortlichen Spezies sind Oxoniumionen (H3O+) bzw. Hydroniumionen (H9O4+). Der Begriff
„Wasserstoffionen“ ist jedoch derart verbreitet, dass es üblich ist, ihn anstelle der Begriffe „Oxoniumionen“ oder „Hydroniumionen“ zu verwenden. Im Wasser und in wässrigen Lösungen entstehen Wasserstoffionen bei der Dissoziation von Säure- oder Wassermolekülen.
Reines Wasser dissoziiert (zerfällt) in Wasserstoffionen (H+) und Hydroxidionen (OH-).
+
H + OH
H2 O
-
(1)
Bei Raumtemperatur entsteht die verschwindend kleine Menge von 10-7 mol/l Wasserstoffionen,
das entspricht 0,0000001 g in einem Liter Wasser.
Eine Säure enthält weit größere Mengen an Wasserstoffionen. Das Chlorwasserstoffmolekül dissoziiert in Salzsäure zu hundert Prozent in Wasserstoffionen und Chloridionen (Cl-).
+
H + Cl
HCl
-
(2)
Salzsäure (HCl) mit einer Konzentration c(HCl) = 1mol/l enthält 1 g/l Wasserstoffionen, also
10 Millionen mal mehr als das reine Wasser.
Auch das Lösen von Alkalien beeinflusst die Menge der Wasserstoffionen in der wässrigen Lösung.
Natriumhydroxid ist in Natronlauge (NaOH) ebenfalls zu nahezu 100 % in Natrium- (Na+) und Hydroxidionen (OH-) zerfallen.
+
Na + OH
NaOH
-
(3)
Je mehr Hydroxidionen vorhanden sind, desto kleiner ist der Anteil an dissoziierten Wassermolekülen. Natronlauge mit einer Konzentration c(NaOH) = 1 mol/l enthält 0,00000000000001 g/l
Wasserstoffionen, also 10 Millionen mal weniger als das reine Wasser. Dafür ist die Hydroxidionenkonzentration 10 Millionen mal größer.
Je mehr Wasserstoff- oder Hydroxidionen eine Lösung enthält, desto aggressiver reagiert sie.
pH-Wert
Die Zahlen für die Wasserstoffionen-Konzentration sind sehr unpraktikabel und unübersichtlich.
Sören Peter Lauritz Sörensen, ein dänischer Chemiker, vereinfachte dies, indem er 1909 den
Begriff „pH“ einführte. Er verwendete einfach den negativen dekadischen Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentrationen.
Wasserstoffionenkonzentration
Exponentialdarstellung
pH-Wert
0, 000 000 000 001 mol/l
10-12 mol/l
12
0, 000 000 1 mol/l
10-7 mol/l
7
1 mol/l
100
0
mol/l
Tabelle 1: pH-Skala mit Konzentrationsangaben
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
11
1
2 Grundlagen
pH-Skale
Die pH-Werte wässriger Lösungen lassen sich in eine pH-Skale einreihen. Diese Skale reicht von
den stark sauren bis zu den stark basischen Lösungen.
Salzsäure
0
1
2
Sauer
Abbildung 1:
1
Wasser
3
4
5
6
7
Neutral
Natronlauge
8
9
10
11
12
13
14
Basisch (Alkalisch)
pH-Skale mit stark sauren bis zu stark basischen Lösungen
Sauer
Sauer sind Lösungen mit einen pH-Wert kleiner als 7, sie enthalten mehr Wasserstoffionen als Hydroxidionen.
Neutral
Neutral sind Lösungen mit einem pH-Wert von 7, sie enthalten gleiche Mengen Wasserstoff- und
Hydroxidionen (der genaue Neutralpunkt hängt von der Temperatur ab).
Basisch
Basisch sind Lösungen mit einen pH-Wert größer als 7, sie enthalten weniger Wasserstoffionen als
Hydroxidionen.
Aktivität
Die Wirkung der Wasserstoffionen hängt jedoch nicht von ihrer Konzentration ab, sondern von ihrer
Aktivität. Lösungen mit gleichen Wasserstoffionen-Konzentrationen können unterschiedlich aggressiv sein. Der Grund ist die gegenseitige Beeinflussung aller in der Lösung enthaltenen Ionen.
Sulfationen in einer Schwefelsäure beeinflussen Wasserstoffionen anders, als z. B. Nitrationen in
einer Salpetersäure.
Eine Chloridkonzentration c(Cl-) = 100 g/l beeinflusst die Wasserstoffionen stärker als eine Chloridkonzentration von c(Cl-) =1 g/l. Die heute gültige Definition des pH bezieht sich daher auf die Aktivität der Wasserstoffionen und nicht mehr auf deren Konzentration.
Definition
„pH ist definiert als der mit (-1) multiplizierte dekadische Logarithmus der molalen Wasserstoffionenaktivität aH, geteilt durch die Einheit der Molalität m0 = 1 mol kg-1“.
Diese Definition gilt für Wasserstoffionenaktivitäten von 100 bis 10-14 mol/l also für einen Bereich
von pH = 0 bis pH = 14.
12
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.2
Elektrochemische pH-Messung
Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten den pH-Wert zu messen: colorimetrisch, photometrisch
oder elektrochemisch (Kapitel 3.4 „Weitere Methoden zur pH-Messung“). Verschiedene Messverfahren können zu unterschiedlichen Messergebnissen führen, die im Prinzip alle richtig sind. Damit
aus dieser Tatsache keine Verwirrung entsteht, ist in der nationalen und internationalen Normung
festgelegt, dass der pH-Wert elektrochemisch mit einer Glaselektroden-Messkette gemessen wird.
Grundlage aller genormten Verfahren zur pH-Messung ist daher das elektrochemische Messprinzip. Eine weltweit gültige Festlegung für den pH-Wert gibt es erst seit 1999 (IUPAC, Provisional
Recommendations). Dies war möglich, nachdem England die eigene pH-Skale zu Gunsten der in
allen anderen Ländern verwendeten Bates-Guggenheim-Konvention aufgab. Irland und viele asiatische Länder verwendeten bis dahin die englische pH-Skale.
1
2.2.1
Aufbau der pH-Messkette
Der Sensor für die Messung ist die pH-Messkette. Sie besteht aus zwei elektrochemischen
Halbelementen, es sind die Mess- und die Bezugselektrode. An der Messelektrode bilden Wasserstoffionen ein vom pH-Wert der Messlösung abhängiges Potenzial. Das Potenzial der Bezugselektrode bleibt vom pH-Wert unabhängig und ist konstant. Die Differenz zwischen den beiden Potenzialen bestimmt das elektrische Signal des Sensors, es ist die Messkettenspannung.
mV
mV
pH
Abbildung 2:
pH
Aufbau des pH-Messkreises
Die pH-Messung erfolgt dabei
• mit einer Glaselektrode (Messelektrode) mit pH-sensitivem Membranglas und
• einer Bezugselektrode (Referenzelektrode) mit möglichst pH- und temperaturunabhängigem
Potenzial oder
• mit einer Einstabmesskette (bauliche Vereinigung von Glas- und Bezugselektrode)
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
13
2 Grundlagen
2.2.2
pH-Messkette
Die bauliche Vereinigung dieser beiden Halbzellen zu einer „pH-Messkette“ (oder auch „pH-Einstabmesskette“) erfolgte erstmals in den 1950er Jahren. Ein Ziel war es, einen in der täglichen
Praxis einfacher verwendbaren Sensor zu erhalten (nur ein Sensorgehäuse, nur ein Anschlusskabel). Auch die Verkleinerung der Probenvolumen bei Labormessungen war nun möglich.
1
1
2
7
6
3
2
5
4
2
4
5
Abbildung 3:
1
3
5
7
14
pH-Glaselektrode, links;
pH-Einstabmesskette (Glas- und Referenzelektrode), mitte;
Referenzelektrode (Bezugselektrode), rechts
Einfüllöffnung
Ag/AgCl-Ableitsystem
Glasmembran
Referenz-Ableitsystem
Messung des pH-Wertes
2
4
6
Innenelektrolyt
Diaphragma
Referentelektrolyt
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
Kennlinie der pH-Messkette
Kennlinie
Spannung
Steilheit: ca. -59 mV/pH
Nullpunkt: ca. pH 7
1
pH
Abbildung 4:
Kennlinie einer pH-Messkette
Den Zusammenhang zwischen pH-Wert und Spannung beschreibt die Nernst-Gleichung:
a2
R T
E = E 0 – ------------ In ----n F
a1
E:
E0:
R:
T:
n:
F:
a1:
a2:
(4)
Messkettenspannung
Standardspannung des Referenzsystems
Allgemeine Gaskonstante (= 8.314 J k-1 mol-1)
Absolute Temperatur [K]
Ladungszahl des Wasserstoffions: n = 1
Faradaykonstante (= 96485 C mol-1)
Aktivität der Wasserstoffionen in der Messlösung
Aktivität der Wasserstoffionen im Innenpuffer (konstant)
R
T 2,303------------------------------
Der Ausdruck
wird in der Praxis als Nernstspannung (k) bezeichnet und stellt die
F
theoretische Steilheit einer pH-Messkette dar.
Bei einer Temperatur vom 25 °C entspricht das einer Spannungsänderung von 0,059 V bzw. 59 mV
pro Zehnerlogarithmus (pH-Einheit).
Eingesetzt in die Nernst‘sche Gleichung ergibt sich nach Zusammenfassung folgende Gleichung:
E = k’
pH – pH 0
(5)
pH: pH der Messlösung
pH0: pH-Koordinate des Kettennullpunktes
k’: tatsächliche (bei der Kalibrierung ermittelte) Steilheit
Der Kettennullpunkt entspricht dem pH-Wert, bei dem die Messkettenspannung E = 0mV beträgt.
Mess- und Bezugelektroden gibt es in verschiedenen Bauformen.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
15
2 Grundlagen
2.2.3
Die pH-Glaselektrode
Die Glaselektrode ist der leistungsfähigste Sensor für die pH-Messung. Ihr Arbeitsbereich deckt
praktisch den gesamten pH-Bereich ab. Lediglich für stark alkalische Lösungen sind spezielle
Membrangläser notwendig. Die Glaselektrode ist von guter Beständigkeit, pH-Messketten können
mehrere Jahre halten und sind in den meisten Messmedien verwendbar. Moderne Bauformen sind
derart robust, dass auch die häufig gefürchtete Zerbrechlichkeit von Glas für die meisten Anwendungsfälle kein Problem darstellt.
1
Wie entsteht das Potenzial an der Glaselektrode?
Das pH-empfindliche Element ist die Glas-Membran, meist eine Kuppe am unteren Ende der pHMesskette. Die Membran besteht aus einem speziellen Silicatglas. An der Oberfläche einer messbereiten Glasmembran sind Wasserstoffionen gebunden.
Abbildung 5:
Potenzialbildung
Die Oberfläche der Membran ist elektrisch negativ geladen. Wasserstoffionen tragen eine positive
elektrische Ladung. Die gebundenen Wasserstoffionen und das Silicat gleichen ihre elektrischen
Ladung gegenseitig aus. Während der Messung tauscht die Membran Wasserstoffionen mit der
Messlösung aus, bis ein Gleichgewicht zwischen beiden Medien eingestellt ist. Die Anzahl der an
der Membran gebundenen Wasserstoffionen hängt von der Aktivität der Wasserstoffionen in der
Messlösung ab. Bei einem niedrigen pH-Wert ist die Aktivität der Wasserstoffionen sehr hoch und
viele Wasserstoffionen bedeuten viele gebundene Ionen an der Membran. Das negative Potenzial
des Silicates ist weitestgehend ausgeglichen. Bei einem hohen pH-Wert ist die Aktivität der Wasserstoffionen sehr gering. Wenig Wasserstoffionen bedeuten wenig gebundene Ionen an der
Membran. Die Membran ist sehr negativ geladen.
Hochohmigkeit
Glas ist ein schlechter elektrischer Leiter, d. h. der Widerstand ist sehr hoch. Die elektrische
Ladung auf dem Membranglas ist sehr gering. Für die Messung bedeutet dies, das sowohl das pHMeter bzw. der pH-Messumformer/-Regler und alle elektrischen Verbindungen einen sehr hohen
Eingangs- bzw. Isolations-Widerstand (R 1012 ) aufweisen müssen. Jeder Kurzschluss (z. B.
Feuchtigkeit, falsche Leitung) verursacht Messfehler und kann die Messkette schädigen. Der
Abstand zwischen der Messkette und dem Messumformer sollte so gering wie möglich sein. Im
einfachsten Fall genügt ein einfacher Zweidraht-Messumformer nahe der Messstelle. Sind größere
Leitungsstrecken zwischen Messelektrode und Messverstärker nicht zu vermeiden kann ein Impedanzwandler zu Stabilisierung des Signals eingesetzt werden. Meist sind diese batteriebetrieben
und senken den Innenwiderstand der pH-Elektrode soweit, dass die Übertragung des pH-Signals
(pH-Spannungspotenzial) störungsfrei möglich ist.
16
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
Membranglas und -formen
Der pH-sensitive Teil der Einstabmesskette besteht aus speziellen Glasmischungen, deren Rezepturen das Know-How der Hersteller darstellen.
Für verschiedene Anwendungsgebiete gibt es auch verschiedene Glassorten, leider gibt es weder
Normen noch einheitliche Bezeichnungen. Da Membranglas egal welcher Sorte im Prinzip „durchsichtig“ ist färben die Hersteller die Gläser mit unbedenklichen Zusätzen zur besseren Unterscheidung ein.
1
Abbildung 6:
Membranglasformen
JUMO bietet z.B. folgende Glassorten:
UW-Glas
Niederohmige, universell einsetzbare Glasmischung
für allgemein wässrige Medien (früher auch „U-Glas“)
HA-/HT-Glas
Hochalkali-/Hochtemperaturglas, für Anwendungen über pH 12 oder bei höheren
Mediumstemperaturen (> 90 °C)
C-Glas
Fluoridbeständigeres Glas (Medien mit Flusssäureanteilen bis 1000 mg/l)
TT-Glas
Tieftemperatur-Glas für spezielle Messungen bei -30 ... +30 °C
CM-Glas
Membranglasmischung besonders geeignet für Einstichelektroden
DS-Glas
Glassorte für Elektroden, die (dampf-)sterilisiert werden müssen
Untersuchungen haben ergeben, dass die meisten heute verwendeten Glassorten sehr gute Linearitäten aufweisen und es hier kaum Qualitätsunterschiede bei den Herstellern gibt. Der Innenwiderstand solcher Glasmembranen bzw. der Einstabmessketten liegt zwischen 20 und 1000 MOhm - je
nach Glassorte und Membranglasform. Man kann sagen, dass hochohmigere Gläser auch
chemisch/thermisch resistenter und deshalb oftmals bei Hochtemperaturelektroden zu finden sind.
Die Hochohmigkeit kann dann aber auch Probleme bei der Messwertstabilität mit sich bringen,
wenn Messverstärker oder Verkabelung gealtert sind. Standardelektroden für Trinkwasseranwendungen liegen meist im Bereich um bzw. unter 100 MOhm (bei 20 °C). Der Innenwiderstand
aller pH-Elektroden steigt während der Lebensdauer ständig an. Extreme pH-Werte und Temperaturen können diesen Prozess beschleunigen.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
17
2 Grundlagen
1
Abbildung 7:
Membranformen
Die optimale Form der Membran richtet sich nach der Anwendung. Für wässrige Lösungen eignen
sich eine Zylinder- oder (Halb-)Kugelform. Diese Membranen sind robust und gut zu reinigen. Für
Messungen im Einstich, z. B. in Obst und Fleisch, sind spitze Nadelmembranen besser geeignet.
Für Messungen auf Oberflächen sorgt eine Flachmembran für den guten Kontakt mit dem Messgut, z. B. Haut oder Papier. Die Kegelmembran ist eine optimale Form für viele Anwendungen im
Prozess. Sie ist robust und hat in fließenden Messlösungen eine gute Selbstreinigungswirkung. Je
nach Bauform der Membran ergeben sich unterschiedliche Innenwiderstände der Elektrode. In der
Regel sind kleine Membranformen auch sehr hochohmig und bedürfen einer besonders sorgfältigen elektrischen Anschaltung an Messverstärker.
18
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.2.4
Bezugselektrode
Die Bezugselektrode ergänzt die pH-Elektroden zur Messkette. Ihre Bauform und ihr Zustand
beeinflusst wesentlich die Zuverlässigkeit der Messwerte und den erforderlichen Wartungsaufwand.
Am weitesten verbreitet ist die Silber/Silberchloridelektrode (Ag/AgCl). Diese Bezugselektrode hat
sich für die meisten Anwendungen gut bewährt und durchgesetzt. Nicht oder nicht mehr so häufig
sind z. B. Kalomel-, Kupfer/Kupferiodid- und Thalamid-Bezugselektroden.
Wie funktioniert eine Silber/Silberchlorid-Bezugselektrode?
1
1
2
3
4
5
6
Abbildung 8:
1
3
5
Referenzelektrode
Anschlusskopf
Glas- oder Kunststoffkörper
Elektrolyt
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2
4
6
Einfüllöffnung
Ableitsystem (Patrone)
Diaphragma
Messung des pH-Wertes
19
2 Grundlagen
Ableitsystem oder Patrone
Das Ableitsystem ist im einfachsten Fall ein mit Silberchlorid beschichteter Silberdraht. Er hat zwei
Funktionen: er verbindet den Elektrolyten mit dem Anschlusskabel und er ist der stabile elektrische
Bezugspunkt für die Spannungsmessung. Der Ableitdraht funktioniert wie eine ionenselektive
Chloridelektrode. Sein Potenzial hängt von der Chloridkonzentration des Bezugselektrolyten ab.
Als Elektrolyt dient eine konzentrierte Kaliumchlorid (KCl-)-Lösung (c (KCl) = 3mol/l). Da die ChloridKonzentration des Elektrolyten nahezu konstant bleibt, ist auch das Potenzial der Bezugselektrode
stabil.
Hochwertigere Industrie- und Prozess-Messketten enthalten anstelle des beschichteten
Silberdrahtes eine mit Silberchlorid gefüllte Patrone (Abbildung 9).
1
Abbildung 9:
Patronenableitsystem
In der Patrone sättigt sich der Elektrolyt mit dem Silberchlorid. Der restliche Elektrolyt innerhalb der
Referenzelektrode bleibt nahezu frei von Silberionen. Bei Referenzelektroden mit diesem Patronenableitsystem gibt es keine Probleme durch schwerlösliche Silberverbindungen, wie das
bekannte „schwarze Diaphragma“, durch Silbersulfid. Bei geringer Leitfähigkeit erübrigt das System die früher übliche spezielle Kaliumchloridlösung (c (KCl) = 1 mol/l).
Elektrolytfüllung der Bezugselektrode
Die Füllung der Referenzelektrode ist je nach Messkettentyp und Anwendung entweder
• eine flüssige Elektrolytlösung (Konsistenz „wie Wasser“)
• eine hochviskoses KCl-Gel (Konsistenz „wie Honig“) oder
• ein stark verfestigtes KCl-Polymerisat (feste Matrix)
Der klassische Elektrolyt ist eine Kaliumchloridlösung c (KCl) = 3 mol/l. Im Labor liefern Messketten
mit einer flüssigen Elektrolytlösung in der Regel die besten Ergebnisse. Diese Elektrolytform stellt
den sichersten Kontakt zur Messlösung her. Anwendung auch bei Schliffelektroden.
Für die kontinuierliche Messung reiner Wässer wie Trink-, Schwimmbecken- oder Grundwasser, ist
die Standzeit einer flüssigen Kaliumchlorid-Lösung zu gering. Der Elektrolytverlust führt selbst bei
einem Keramik-Diaphragma zu unangenehm kurzen Wartungsintervallen von nur wenigen Wochen.
Auch können solche Elektroden nur mit bestimmten Druckarmaturen unter Mediumsdruck betrieben werden.
In diesem Fall hat es sich bewährt, die Elektrolytlösung etwas einzudicken und mit einer Salzvorlage zu versehen (hochviskose Lösung). Die Referenzelektrode ist praktisch „randvoll“ mit
Kaliumchlorid gefüllt. Dieser Vorrat ist spätestens bei der Inbetriebnahme der Messkette in
kristalliner Form (Salzringe oder Salzschüttung) innerhalb der Referenzelektrode sichtbar. Dieser
Vorrat ist eine der Grundlagen für das außergewöhnlich stabile Messverhalten und lange Standzeit
dieser Messketten.
20
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
Das Festelektrolyt-Gel besitzt eine feste Matrix. Es zeichnet sich durch seine hohe Druckbeständigkeit aus, womit diese Messketten die einzig praktikable Lösung für die Messung in
Druckleitung und -behältern sind. Insbesondere bei wechselnden Drücken und Temperaturen in
einer Applikation verhindert das feste Gel ein Eindringen von Messmedium durch Pumpeffekte.
1
Abbildung 10: Salzringe als zusätzliches Salzdepot erhöhen die Standzeit der
pH-Einstabmessketten
Diaphragma
Die elektrische Verbindung zur Messlösung kann z. B. ein für den Elektrolyten durchlässiges Diaphragma herstellen. Elektrolytionen gelangen über das Diaphragma in die Messlösung und sorgen
damit für den Ladungstransport. Je durchlässiger ein Diaphragma ist, desto zuverlässiger funktioniert der Ladungstransport und um so stabiler ist das Potenzial der Bezugselektrode. Der erhöhte
Elektrolytverbrauch vermindert allerdings auch die Standzeit des Elektrolyten. Je durchlässiger ein
Diaphragma ist, um so eher können auch Chemikalien und Stoffe in die Bezugselektrode selbst
eindringen und dort chemische Reaktionen auslösen. Dies kann zum Ausfall der Elektrode führen.
Die richtige Auswahl des Diaphragmas für die jeweilige Applikation ist deshalb sehr wichtig, um die
Standzeit des Sensors zu maximieren.
Wie die Membran ist auch das optimale Diaphragma von der jeweiligen Anwendung abhängig.
Hersteller von pH-Elektroden bieten deshalb meist eine größere Auswahl an verschiedenen Diaphragmen an. Rein elektrisch gesehen stellt das Diaphragma einen nicht gewollten ohmschen
Widerstand dar, der entsprechend die Messeigenschaften von realen pH- oder Redox-Elektroden
verschlechtert.
Abbildung 11: pH-Messkette Keramik- oder Zirkon-Dioxid-Diaphragma
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
21
2 Grundlagen
1
Abbildung 12: Glasfaser-Diaphragma
Abbildung 13: Ringförmiges PTFE-(Teflon©-)Diaphragma
Abbildung 14: Loch-/Ringspalt-Diaphragma (Abb. Ringspalt)
Standard bei hochwertigen Industrie-Elektroden für allgemein wässrige Medien ist heute ein punktförmiges Diaphragma aus Zirkondioxid (Abbildung 11). Dieses hat optimale Diffusionseigenschaften, d. h., der Salzaustausch zwischen Messlösung und Elektrolyt ist sehr linear und
gleichmäßig; insbesondere bei Gel-Elektroden oder Elektroden mit hochviskoser KCl-Lösung ist
dies von Bedeutung. Bei preiswerten Elektroden kommt oftmals eine einfachere Keramikqualität
zum Einsatz.
Je nach Anwendung können bis zu drei Diaphragmen eingeschmolzen werden. Die Erhöhung der
Anzahl der Diaphragmen erlaubt den Einsatz der Elektroden auch bei niedrigen Leitwerten, z. B. im
Reinwasserbereich bis ca. 50 µS/cm. Ausserdem weisen Elektroden mit mehreren Punktdiaphragmen eine geringere Anströmempfindlichkeit auf.
22
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
Für Messungen in Reinstwasser (elektrolytische Leitfähigkeit < 10 µS/cm) empfehlen sich ausschließlich Elektroden mit Schliff-Diaphragma.
Auf der Kapillarwirkung beruht das Funktionsprinzip des Glasfaser-Diaphragmas (Abbildung 12).
Ein Bündel aus Glasfasern wird in eine Gummisicke eingesteckt. Diese werden häufig in Trink- und
Schwimmbadwasser eingesetzt (z. B. JUMO ecoLine-Serie mit Kunststoffschaft).
Das PTFE-Ring-Diaphragma (Teflon©) (Abbildung 13) kommt in Elektroden zum Einsatz, die in sehr
stark verschmutzten Medien eingesetzt werden. Durch die „selbstreinigende“ Wirkung des
Teflonmaterials und die große ringförmige Fläche eignet sich die Elektrode insbesondere auch bei
fett- und ölhaltigen Medien. Klassischer Einsatz zum Beispiel in Kläranlagenzuläufen.
Das Loch-/Ringspalt-Diaphragma (Abbildung 14) ist eigentlich kein Diaphragma, sondern ein
offener Übergang zwischen Festelektrolyt und Messmedium. Dieser Übergang kann punktförmig
(Loch) oder ringförmig (Ringspalt) sein. Eine Verblockung des „Diaphragmas“ (Loch oder Ringspalt)
kann hier so gut wie ausgeschlossen werden, da der verwendete JUMO-Festelektrolyt im Medium
etwas aufquillt und dadurch ein Selbstreinigungseffekt erreicht wird. Einsatz meist in stark verschmutzten Medien, Pasten, Farben, pigmentierten Medien.
Nachteil ist bei herkömmlicher Herstellung ein starkes Aussalzen, da dem physikalischen Effekt der
Osmose kein Hindernis im Weg steht: die Elektrolytlösung mit der höhermolaren Salzlösung neigt
dazu, Salz an das meist salzärmere Messmedium abzugeben und damit einen Ausgleich des osmotischen Druckunterschiedes herzustellen.
Abbildung 15: Schliff-Diaphragma
Das Schliff-Diaphragma ist ein klassisches Diaphragma aus dem Laborbereich, findet sich aber
auch in besonderen Anwendungen der pH- oder Redox-Online-Messtechnik wieder. Ist die
elektrolytische Leitfähigkeit des Messmediums sehr gering, z. B. in Reinstwasseranwendungen,
wird eine pH-Elektrode mit flüssigem KCl-Elektrolyten eingesetzt. Diese wird über einen Schlauch
aus einem separaten KCl-Gefäß ständig mit Elektrolyt versorgt. Das flüssige KCl diffundiert zwischen der Schliffhülse und dem Elektrodenschaft in möglichst definierter Menge durch.
Eine weitere Diaphragma-Bauform ist z. B. das Platin-Diaphragma (ein Bündel von feinen Platindrähten wird zu einem Zopf gewickelt und in den Glasschaft der Bezugselektrode eingeschmolzen).
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
23
1
2 Grundlagen
Auch Diaphragmen aus Holz und anderen Materialien sind hergestellt worden. Alle diese Ausführungen sollten für bestimmte Anwendungen ein Optimum an Funktionssicherheit bieten. Erfolgreich durchgesetzt haben sich aber nur die in Abbildung 11 bis Abbildung 14 dargestellten Versionen.
1
24
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
Die Grundlage der pH-Messtechnik bildet bis heute die Glaselektrode. Sie ist die Methode der nationalen und internationalen Normen und Referenzverfahren. Alle weiteren Methoden dienen dazu,
Anwendungen abzudecken, in denen die Messung mit einer Glaselektrode nicht möglich bzw.
nachteilig ist (z. B. kurze Standzeit oder hoher Wartungsaufwand).
Die pH-Messung erfolgt je nach Anwendung im Labor mit einem Handgerät vor Ort oder in einer
kontinuierlichen Messung im Prozess.
Für alle Anwendungen, bei denen ein vollständiges Bild über das pH-Verhalten des Wassers notwendig ist, gibt es keine Alternative zur Online-Messung, dies trifft selbstverständlich besonders
auf Regeleinrichtungen zu.
Zur Kontrolle der Prozessmesseinrichtung kann ein Handmessgerät eine wertvolle Unterstützung
sein. Bei richtiger Dokumentation geben die Vergleichsmesswerte jederzeit Auskunft über den Zustand des Prozessmesssystems. Kalibrier- und Wartungszeitpunkte lassen sich durch Vergleichsmessungen exakt festlegen.
3.1
Aufbau einer Prozessmesseinrichtung
Der Begriff Messeinrichtung umfasst die komplette, zur pH-Messung verwendete Geräteausstattung, bestehend aus:
• pH-Geber: pH- und Bezugselektrode oder pH-Einstabmesskette
• Eintauch- oder Durchflussarmatur
• abgeschirmtes Messkabel
• Messumformer/Regler (mV-Meter)
3.1.1
Messkette
Abbildung 16: pH-Einstabmessketten
Die pH-Einstabmesskette besteht aus einer pH-Glaselektrode, umgeben von der Bezugselektrode.
Der Schaft kann aus Glas oder auch aus Kunststoff bestehen. Für die Anwendung wichtige Bauelemente sind die Füllung der Bezugselektrode, der Elektrolyt, weiterhin eine Öffnung am unteren
Ende der Bezugselektrode, das Diaphragma, und eine Glaskuppe am unterem Ende der Messkette, die Glasmembran.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
25
1
3 Messtechnik
Elektrolyt und Diaphragma
Der Elektrolyt und das Diaphragma müssen je nach Anwendung aufeinander abgestimmt sein. Für
stark verschmutzende Flüssigkeiten, wie Abwasser, Suspensionen oder Emulsionen, sind verschmutzungsunempfindliche Diaphragmen erforderlich, z. B. Ringspalt oder Schliff. Ein verfestigter
Elektrolyt, Gel- oder Polymerisat mindert den Elektrolytausfluss und somit den Wartungsaufwand.
Für optisch relativ reine Wässer, wie Schwimmbecken- und Trinkwasser, sind Elektrolytlösungen
(evtl. etwas eingedickt) besser geeignet. Aufgrund der geringeren Viskosität sind hier feinporigere
Diaphragmen, z. B. Keramik- oder Glasfaserdiaphragmen, notwendig.
Für viele Anwendungen darf der Elektrolyt keine oder möglichst wenig Silberionen enthalten.
Sulfidhaltige Lösungen, aber auch salzarme Wässer, bilden schwerlösliche Silberverbindungen im
Diaphragma, dies kann zu einer Störung der pH-Messung führen.
1
Membranformen
Die Membran kann je nach Anwendungszweck unterschiedlich ausgeführt sein. Besonders robust
für den betrieblichen Einsatz sind Kugel- und Kuppenmembranen. Diese Messketten sind wenig
abriebempfindlich und leicht zu reinigen.
Integrierter Temperatursensor
Der Temperaturwert ist eine grundlegende Information für die Temperatur-Kompensationsfunktion
des Messumformers, außerdem soll er häufig als zusätzliche Information zum pH-Wert dokumentiert werden. Besonders günstig sind daher Messketten, in denen ein Temperatursensor bereits integriert ist. Für beide Sensoren ist nur eine Einbaustelle und ein Anschlusskabel erforderlich. Ein
Problem war bisher allerdings, dass jeder Hersteller sein eigenes Anschlusssystem entwickelte,
was zu einer Inkompatibilität der Messeinrichtungen verschiedener Hersteller führte. Aufgrund der
berechtigten Forderungen von der Seite der Anwender prüfte ein Expertenkreis des NAMUR (Normierungsarbeitsgemeinschaft für Mess- und Regelungstechnik in der chemischen Industrie) die
unterschiedlichen Anschlusssysteme nach genau definierten Kriterien.
SMEK-Anschlusskopf
Abbildung 17: SMEK-Anschlusskopf (links) und VP-Anschlusskopf (rechts)
Das Ergebnis war eine klare Empfehlung für den von JUMO favorisierten SMEK-Anschluss. Auf
Wunsch sind aber auch Messketten mit den sehr robusten VP (Variopol/Variopin)-Anschlussköpfen
erhältlich. Da es sich bei pH-Messketten um Verschleißteile handelt, sollte gut überlegt sein, ob
Versionen mit integrierten Temperaturfühlern verwendet werden sollten: bei jedem Messkettenwechsel wird der Temperaturfühler mit entsorgt und muss wieder neu mitbezahlt werden.
26
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.1.2
Abgeschirmte Messleitung
1
2
3
4
5
1
Abbildung 18: Abgeschirmte Messleitung
1
3
5
Innenseele
Halbleitende Schicht
Äußere Isolierung
2
4
Innere Isolierung
Kupfergeflecht
Um eine einwandfreie Übertragung des Messsignals zu erhalten, werden in der pH-Messtechnik
nur spezielle Koaxialleitungen verwendet. Sie stellen die elektrische Verbindung zwischen dem
Sensor und dem Messumformer her.
Die pH-Leitungen weisen einen speziellen Aufbau auf. Zusätzlich zu einer Kupferschirmung ist eine
halbleitende Schicht vorhanden. Ungeeignet sind handelsübliche Antennen- oder Computerkabel.
Die Kabel dürfen aufgrund der Hochohmigkeit der pH-Messkette nicht über Klemmen geführt werden. Außerdem ist die Kabelleitungslänge möglichst kurz zu halten – alleine schon wegen der Notwendigkeit der Messkettenkalibrierung. Bei Kabelleitungslängen über 15 m wird z. B. ein auf die
Elektrode aufschraubbarer Impedanzwandler (JUMO-Typenblatt 202995) empfohlen. Er reduziert
den hohen Innenwiderstand der Messkette und erlaubt die fehlerfreie und signalstabilisierte Messwertübertragung an einen nachgeschalteten Messumformer.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
27
3 Messtechnik
3.1.3
Messumformer/Regler
Der Messumformer hat u. a. die Aufgabe, das hochohmige Spannungsssignal der pH-Messkette
auf die pH-Skale umzurechnen und diese Werte als Anzeige- und/oder Normsignal wieder zur Verfügung zu stellen. Der Messumformer enthält in der Regel eine Kalibrierroutine zur Messkettenjustierung mit Pufferlösungen.
Häufig sind die Messumformer auch gleichzeitig als Regler ausgeführt, die z. B. die Dosierung von
Säuren und Laugen zur pH-Wert-Korrektur durchführen können. Außerdem berücksichtigen die
Messumformer die Mediumstemperatur, entweder durch manuelle Eingabemöglichkeiten oder
durch einen eigenen Messeingang für den Temperatursensor.
1
Abbildung 19: pH-Messumformer/Regler JUMO dTRANS pH 02;
Einbaugehäuse (links) und Aufbaugehäuse (rechts)
Abbildung 20: JUMO AQUIS 500 pH - Messumformer/Regler für pH-Wert, Redox-Spannung,
NH3-(Ammoniak-)Konzentration und Temperatur; Aufbaugehäuse (rechts)
28
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
1
Abbildung 21: pH-Messumformer JUMO ecoTRANS pH 03 für die Hutschienenmontage
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
29
3 Messtechnik
3.2
1
Armaturen
Elektrochemische Sensoren sind empfindliche Messgeräte. Um diese zum einen optimal in den
Prozess einbinden zu können und zum anderen vor mechanischer Beschädigung zu schützen, ist
der Einsatz von entsprechenden Armaturen notwendig. Durch optionale Zubehörteile wird zudem
verhindert, dass die Sensoren bei abgelassenem Tank „trocken stehen“ und der Sensor zerstört
wird. Andererseits sollte eine möglichst „trockene“ Entnahme des Sensors zur Prüfung, Reinigung
und Kalibrierung möglich sein. Deshalb sind in der Förderleitung Absperrventile und eine passende
Rohrleitungsführung vorzusehen. Bei Leitungen mit höherem Druck müssen die Sensoren vor
Druckschlägen (Pumpenlauf oder Ventilabschaltungen) geschützt werden. Elektrochemische Sensoren sind optimaler Weise drucklos in einem Bypass zu montieren. Armaturen für einen Sensor
sind zum Einsatz von pH- und Redox-Einstabmessketten geeignet. Es lassen sich typischerweise
drei Arten von Armaturen unterscheiden:
• Eintaucharmaturen
• Durchflussarmaturen und
• Wechselarmaturen
3.2.1
Eintaucharmaturen
Eintauch-Armaturen ermöglichen nicht nur eine Messung an der Oberfläche der Flüssigkeit, sondern auch in der Tiefe. Diverse Befestigungselemente und Zubehörteile ermöglichen die Montage
an fast allen Behältern. Gebräuchlicherweise werden die Eintaucharmaturen aus Polypropylen (PP)
gefertigt und in Eintauchlängen bis 2000 mm geliefert. Es stehen für besondere Zwecke aber auch
andere Materialien (z. B. Edelstahl 1.4404) zur Verfügung. Enthält das Prozessmedium verschmutzende und verblockende Inhaltsstoffe, die die Sensorspitze und das Diaphragma des Sensors verblocken, so ist von Zeit zu Zeit eine Sensorreinigung erforderlich. Um diese Reinigung automatisiert durchzuführen, können Eintaucharmaturen mit einer Sprühreinigung ausgestattet werden
(Abbildung 22). Dazu wird über eine Zuleitung das gewünschte Reinigungsmittel (z. B. Wasser, verdünnte Salzsäure) oder Luft druckbeaufschlagt über eine Reinigungsdüse an die Sensorspitze
geführt. Die Reinigung findet direkt im Prozess statt. Die Reinigungsflüssigkeit wird folglich in den
Prozess eingeblasen. Er ist hierbei zu berücksichtigen, dass der Prozess durch das Reinigungsmittel verunreinigt wird. Diese Art der Reinigung ist in Wasser- und Abwasseranwendungen eher
unbedenklich, verhindert jedoch den Einsatz in hygienischen Anwendungen. Zudem ist die
Reinigungswirkung per se begrenzt.
Abbildung 22: Eintaucharmatur Typ 202821 mit integrierten Sprühreinigungsdüsen
30
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
Wird der Behälter oder Tank diskontinuierlich betrieben, so muss sichergestellt werden, dass die
Sonde nach dem Entleeren nicht trocken steht. Zu diesem Zweck können Eintaucharmaturen mit
einer sogenannten Nasshalteschale ausgerüstet werden. Diese wird am unteren Ende der Armatur
(Abbildung 23) mittig befestigt und funktioniert nach dem Prinzip einer Schaukel. Die Schale besitzt
an einer Seite einen Schwimmkörper. Ist der Behälter mit Flüssigkeit gefüllt, bewirkt der Auftrieb
des Schwimmers, dass die Nasshalteschale sich vom Sensor wegdreht (Abbildung 23, links). Beim
Entleeren des Behälters hingegen schwingt die Nasshalteschale zurück und stülpt sich über die
Sensorspitze. Die verbliebene Restflüssigkeit in der Schale verhindert in diesem Fall das
Austrocknen des Sensors (Abbildung 23, rechts).
1
Abbildung 23: Einsatz einer Nasshalteschale bei gefülltem Behälter (links)
und bei entleertem Behälter (rechts)
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
31
3 Messtechnik
3.2.2
Durchflussarmaturen
Durchflussarmaturen ermöglichen die Messung direkt in Rohrleitungen oder im Bypass dieser Leitungen. Sie schützen die eingebauten Sensoren vor Bruch und sorgen durch Ihre spezielle Bauform für eine korrekte Anströmung des Sensors zur Vermeidung von Messfehlern. Sie sind für den
Einbau von drei Messsensoren (Abbildung 24, links) oder einem Messsensor (Abbildung 24, rechts)
erhältlich. Durch sofortiges Reagieren des Sensors auf Messwertänderungen im Medium werden
die Totzeiten in der Regelstrecke gering gehalten. Bei Armaturen ohne eigenem Durchflussgefäß
muss bauseits sichergestellt werden, dass der Sensor nicht „trocken steht“ (Einbaubeispiel siehe
Abbildung 25).
1
Abbildung 24: Durchflussarmatur Typ 202810/03 mit durchsichtigem Schauglas
für den Einsatz von bis zu drei Sensoren (links)
Ein syphonartiger Aufbau stellt sicher, dass die Sensoren auch bei Unterbrechung
des Durchflusses nicht trocken stehen (links)
und Schrägsitzarmatur Typ 202810/01 für einen Sensor (rechts)
Abbildung 25: Einbaubeispiel Schrägsitzarmatur Typ 202810/01
32
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.2.3
Wechselarmaturen
Für Anwendungen, die keine Unterbrechung des Mediumflusses erlauben, ist der Einsatz von
Wechselarmaturen sinnvoll. Diese fungieren als „Schleuse“ und ermöglichen das Herausnehmen
der Sensoren aus dem Medium zwecks Reinigung, Kalibrierung oder Sensorwechsel unter Prozessbedingungen, ohne durch Absperrventile den Mediumfluss zu unterbrechen. Auch ist ein seitlicher Einbau in einen Behälter möglich, welcher dann eine Sensorentnahme ohne vorherige Behälterentleerung erlaubt. Wechselarmaturen können manuell oder pneumatisch betrieben werden. Zur
optimalen Anbindung an den Prozess stehen dem Anwender unterschiedliche Materialien und Anschlussvarianten zur Verfügung. Einige Varianten bieten zudem eine mechanische Sicherungseinrichtung, die das Einfahren des Tauchrohres der Armatur in den Prozess verhindert, sobald kein
Sensor eingebaut ist. Dies schützt den Bediener vor unbeabsichtigtem Kontakt mit dem Messmedium.
1
2
3
4
Abbildung 26: JUMO Manuelle Wechselarmatur Typ 202822 (links) und JUMO pneumatische
Wechselarmatur Typ 202823 mit integrierter Spülkammer und Einfahrsperre
bei eingebautem Sensor (rechts)
1
3
Antriebseinheit mit Anschlüssen
Spülanschluss „OUT“
2
4
Spülanschlüsse „IN“
Tauchrohr (in Position „Messen“)
Im Gegensatz zur manuellen Wechselarmatur (Abbildung 26, links) lässt sich mit einer pneumatisch
betriebenen Wechselarmatur (Abbildung 26, rechts) mit integrierter Spülkammer die Reinigung des
Sensors automatisieren. Zum Einsatz kommt diese Art von Armatur bei anspruchsvollen Prozessen, bei denen der Sensor besonderen Belastungen ausgesetzt ist und innerhalb kürzester Zeit
verschmutzt (z. B. Messung in der Rauchgaswäsche, wo Feststoffpartikel am Sensor anbacken).
Der Sensor ist (wie auch bei der manuellen Version) in einem beweglichen Tauchrohr (4) fixiert. Um
ihn in den Prozess zu fahren, wird über Pneumatikanschlüsse der Antriebseinheit (1) der Armatur
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
33
1
3 Messtechnik
1
Druckluft zugeführt. Der pneumatische Antrieb fährt das Tauchrohr zusammen mit dem Sensor in
das Prozessmedium. Ist eine Reinigung des Sensors erforderlich, wird der Sensor aus dem Prozess in die Position „Service“ hinein in die Spülkammer der Armatur gefahren. Das Tauchrohr verschließt die Kammer zum Prozess hin. Diese wird durch Dichtungen geschützt, damit keine Prozessflüssigkeit eintreten kann. Beim Erreichen der „Service“ Position befindet sich die Sensorspitze nun in der Spülkammer der Wechselarmatur. Dieser kann durch einen externern Spülanschluss
[„IN“ (2)] eine Reinigungsflüssigkeit druckbeaufschlagt zugeführt werden. Im Inneren der
Spülkammer richten Düsen die Reinigungslösung gezielt auf den Sensor und erlauben eine optimierte Reinigung des Sensors von Belägen und Verschmutzungen. Nach erfolgter Reinigung wird
der Sensor durch die Antriebseinheit wieder in die Position „Messen“ gefahren.
Abbildung 27 zeigt die schematische Darstellung einer vollautomatischen Reinigung mit der
pneumatischen Wechselarmatur Typ 202823, einer optionalen Steuereinheit für die automatische
Steuerung und Überwachung der Wechselarmatur und Reinigungsventile sowie den Messumformer JUMO AQUIS 500 pH mit Waschkontakt zum Starten der Steuereinheit. Die Steuereinheit enthält eine vorkonfigurierte Reinigungssequenz mit Vor- und Nachreinigungsfunktion, die sich in der
Praxis bewährt hat. Die Reinigungszeiten für bis zu zwei Reinigungslösungen, Messintervalle und
Startzeiten können an die jeweilige Anforderung angepasst werden.
Abbildung 27: Schematische Darstellung einer vollautomatischen Reinigung
mit Messumformer JUMO AQUIS 500 pH, Steuerung,
Wechselarmatur Typ 202823, Steuereinheit und Reinigungsventilen
34
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.3
Inbetriebnahme der Messeinrichtung
3.3.1
Messort
Nach der Wahl einer optimalen Messeinrichtung muss diese in Betrieb genommen werden. Die
Inbetriebnahme umfasst nicht nur die Montage der Messeinrichtung, sondern auch die Wahl des
richtigen Messortes. Die Messeinrichtung zeigt jeweils den pH-Wert an, der am Ort der Messung
herrscht. Vorgaben für die Wahl des Messortes geben z. B. anwendungsorientierte Normen und
Verordnungen, wie die DIN 19643 zur Messung des Schwimmbeckenwassers oder das Merkblatt
M 256 der Abwassertechnischen Vereinigung (ATV).
3.3.2
Messbedingungen
1
Die einwandfreie Messung setzt Kenntnisse einiger wichtiger Einflussgrößen der pH-Messung
voraus.
Temperatur
Die Messkettenspannung hängt von deren Temperatur ab. Während die Messkette bei 10 °C für
einen pH = 8 etwa -56 mV abgibt, so sind es für den gleichen Wert bei 25 °C schon -59 mV. Der
Mess-umformer muss die Temperatur der Messkette kennen, um den richtigen pH-Wert berechnen
zu können. Bei relativ konstanter Temperatur genügt es, den Temperaturwert am Messumformer
per Hand einzustellen (z. B. in Bädern). Bei veränderlichen Temperaturverhältnissen ist ein Messumformer mit Temperatursensor zu empfehlen. Das Gerät stellt automatisch den Wert für die
Messkettensteilheit für den aktuellen Temperaturwert ein.
Abweichung von der
eingestellten Temperatur
pH-Wert
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
-20
-0,34
-0,27
-0,20
-0,14
-0,07
0,00
+0,07
+0,14
+0,20
+0,27
+0,34
-15
-0,25
-0,20
-0,15
-0,10
-0,05
0,00
+0,05
+0,10
+0,15
+0,20
+0,25
-10
-0,17
-0,14
-0,10
-0,07
-0,03
0,00
+0,03
+0,07
+0,10
+0,14
+0,17
-5
-0,08
-0,07
-0,05
-0,03
-0,02
0,00
+0,02
+,03
+0,05
+0,07
+0,08
-1
-0,02
-0,01
-0,01
-0,01
0,00
0,00
0,00
+0,01
+0,01
+0,01
+0,02
0
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
1
+0,02
+0,01
+0,01
+0,01
0,00
0,00
0,00
-0,01
-0,01
-0,01
-0,02
5
+0,08
+0,07
+0,05
+0,03
+0,02
0,00
-0,02
-0,03
-0,05
-0,07
-0,08
10
+0,17
+0,14
+0,10
+0,07
+0,03
0,00
-0,03
-0,07
-0,10
-0,14
-0,17
15
+0,25
+0,20
+0,15
+0,10
+0,05
0,00
-0,05
-0,10
-0,15
-0,20
-0,25
20
+0,34
+0,27
+0,20
+0,14
+0,07
0,00
-0,07
-0,14
-0,20
-0,27
-0,34
Die vorher erwähnte Temperaturkompensation berücksichtigt nur die temperaturbedingte
Änderung der Nernst-Spannung! Eine evtl. temperaturabhängige Verschiebung des chemischen
Gleichgewichtes, kann die Temperaturkompensation nicht ausgleichen!
[1] W. Oelßner, J. Zosel, F. Berthold, H. Kaden, Investigation of the dynamic response behaviour of
ISFET pH sensors by means of laser Doppler velocimetry (LDV), Sensors and Actuators, B,
Chem 26-27 (1995) pp. 345-348.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
35
3 Messtechnik
1
Druck
Der Druck wirkt zum einen auf das Referenzsystem der Bezugselektrode und zum anderen auf den
pH-Wert. Der Einfluss auf das Referenzsystem lässt sich durch Wahl einer entsprechend druckfesten Messkette leicht berücksichtigen.
Unter druckfesten oder auch wartungsarmen Elektroden versteht man solche mit einem verfestigten Bezugselektrolyten. Dieser hat den Vorteil, dass kein Messmedium über das Diaphragma in
den Bezugselektrodenraum eindringen kann, da der „feste“ Bezugselektrolyt eindringendem
Messmedium einen mechanischen Widerstand entgegensetzt. Alternativ kann bei Messungen unter Druck natürlich auch eine Elektrode mit flüssigem Bezugselektrolyt verwendet werden, welcher
seinerseits mit einem etwas höheren Druck als das Messmedium beaufschlagt wird. Auf diese Weise ist stets sichergestellt, dass immer Bezugselektrolyt aus dem Diaphragma austritt. Selbstverständlich muss der Verlust der Bezugselektrodenflüssigkeit im Vorratsgefäß regelmäßig ausgeglichen werden. Diesen Wartungsaufwand vermeidet man nach Möglichkeit durch den Einsatz
der bereits erwähnten wartungsarmen Elektroden.
Neben den Auswirkungen auf die pH-Elektrode kann der Druck auch physikalische Vorgänge im
Messmedium hervorrufen, die sich durch pH-Schwankungen bemerkbar machen:
In Wässern, die pH-aktive Gase, wie Ammoniak, Kohlendioxid oder Schwefelwasserstoff enthalten,
ändert der Druck den pH-Wert. In basischen Lösungen nimmt der pH-Wert bei zunehmendem
Druck zu (z. B. NH3 in Wasser) und in sauren nimmt er ab (z. B. SO2 in Wasser). Erfolgt eine Vergleichsmessung unter normalen Druckbedingungen, so ist das Messergebnis entsprechend höher
bzw. tiefer. Häufig erhöht bei niedrigerem Druck ein Ausgasen des gelösten Gases diesen Effekt.
Anströmung
Fast immer finden kontinuierliche Messungen im fließenden Wasser statt. Jede Messkette reagiert
mehr oder weniger stark auf die Wasserbewegung. Während neue Messketten noch relativ
unempfindlich gegenüber Änderungen der Anströmung reagieren, so kann der Effekt bei verbrauchten Messketten erhebliche Messwertabweichungen verursachen.
Eine regelmäßige Kontrolle der Anströmempfindlichkeit gibt Auskunft über den Zustand der Messkette. Bei einer zu großen Anströmempfindlichkeit ist der Austausch der Messkette notwendig.
3.3.3
Installation
Hinweise auf den einwandfreien Betrieb der Messeinrichtung liefert bereits eine systematische Installation einzelner Bauteile.
Zunächst erfolgt die Installation des Messumformers. Die Prüfung mit einem Spannungsgeber (pHSimulator) weist den einwandfreien Betrieb nach.
Als nächster Schritt erfolgt der Anschluss des pH-Gebers (Sensor mit Armatur). Als Nachweis für
den einwandfreien Zustand kann eine Vergleichsmessung des Wassers in einem Eimer (oder sonstigen, nicht geerdeten Gefäßen) und der vorgesehenen Messstelle bringen. Beide Werte sollten unter Berücksichtigung der zeitlichen Veränderungen (Abbauprozesse) übereinstimmen. Bei beiden
Messungen müssen die Membran und das Diaphragma vollständig in das Wasser eintauchen.
Zeigt dieser Test, dass keine Störung vorliegt, beginnt der Anschluss der peripheren Geräte (Schreiber, Dosierung, Regler usw.). Nach Anschluss eines jeden Gerätes ist zu prüfen, ob sich der vom
Messumformer angezeigte Wert signifikant ändert.
36
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.3.4
Kalibrieren
Nach der Installation muss der Messumformer auf die Messkette justiert werden. Hierfür stehen
drei Verfahren zur Verfügung, das Einpunkt-, Zweipunkt- und Dreipunktkalibrierverfahren.
Einpunktkalibrierung
Die Einpunktkalibrierung ist das optimale Verfahren für Anwendungen, bei denen eine Vergleichsmessung mit einem Handgerät einfach möglich ist.
Für dieses Verfahren wird der pH-Wert des Messmediums möglichst nahe der Messstelle des
Messumformers mit einer kalibrierten Handmesseinrichtung gemessen. Der vom Messumformer
angezeigte Wert wird einfach durch Justieren des Kettennullpunktes auf den Wert der Handmesseinrichtung eingestellt. Dabei geht man üblicherweise von einer Steilheit aus, die Nernst-Verhalten
(vergleiche Kapitel 3.3.2 „Messbedingungen“) zeigt, also Steilheit gleich 100 %.
Zweipunktkalibrierung
Die Zweipunktkalibrierung ist das gängige Kalibrierverfahren für die pH-Messung.
Zum Kalibrieren dienen zwei Pufferlösungen, z. B. mit den pH-Werten pH = 7 und pH = 4.
Basische Lösungen bringen aufgrund ihrer Instabilität keine Vorteile. Obwohl Mikroprozessorgeräte
eine beliebige Reihenfolge der Pufferlösungen zulassen, ist es sinnvoll, mit der neutralen Lösung
pH = 7 zu beginnen.
Dreipunktkalibrierung
Soll die Kalibrierung einen besonders großen Messbereich abdecken, so erweitert ein dritter Punkt
den kalibrierten Messbereich. Dieser Wunsch kann z. B. bestehen, wenn der Messbereich von
pH = 4 bis pH = 9 mit erhöhter Anforderung an die Genauigkeit reichen soll.
3.3.5
Pufferlösungen
pH-Pufferlösungen dienen als Kalibriermittel für die pH-Messeinrichtungen. Es handelt sich um
wässrige Lösungen mit bekannten pH-Werten. Nach ihren Eigenschaften sind Pufferlösungen in
primäre Referenz-Pufferlösungen, sekundäre Referenzpufferlösungen und Technische Pufferlösungen unterschieden.
Primäre Referenzpufferlösungen weisen die geringste Unsicherheit der pH-Werte (U(pH) = 0,003)
auf. Sie kommen vorwiegend in den metrologischen Instituten zum Einsatz und sind im Handel
nicht erhältlich.
Sekundäre Referenzpufferlösungen haben die gleiche Zusammensetzung wie primäre Lösungen.
Die Unsicherheit der pH-Werte liegt bei U(pH) = 0,006. Diese Lösungen benötigen Hersteller von
Technischen- und Arbeits-Referenzpufferlösungen, sowie Kontroll- und Qualitätssicherungs-Laboratorien.
Technische Pufferlösungen sind Lösungen für die Praxis, ihre Unsicherheit liegt im Bereich von
U(pH) = 0,01 bis U(pH) = 0,05. Technische Pufferlösungen sind die robusten Lösungen. Sie sind relativ unempfindlich gegenüber Verschmutzungen und Verdünnungen und daher für die Kalibrierung
von Betriebs- und Handmesseinrichtungen bestens geeignet.
pH-Pufferlösungen gibt es für nahezu den gesamten Bereich der pH-Skale. Für die Routine reichen
zwei Lösungen mit pH-Werten von ca. pH = 7 und pH = 4 für einen pH-Bereich von pH = 2 bis
pH = 10. Basische Pufferlösungen sind häufig sehr instabil, und viele pH-Messketten reagieren in
ihnen sehr träge. In den basischen Lösungen sind Minder-Steilheiten daher eher die Regel.
Praktikable Kalibrierungen mit basischen Pufferlösungen sind lediglich unter Luftabschluss der Lösungen und relativ großen Einstellzeiten zu erreichen. Dieser Aufwand lohnt sich nur für Messungen im Labor.
Durch den Luftabschluss wird eine pH-Wert-Veränderung der Pufferlösung durch die Aufnahme
von atmosphärischem Kohlendioxid vermieden.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
37
1
3 Messtechnik
Häufig ist von der Rückführbarkeit der Pufferlösungen die Rede. Die Rückführbarkeit bezieht sich
auf den pH-Wert der pH-Pufferlösung. Es bedeutet, dass der pH-Wert direkt oder über Zwischenlösungen (z. B. sekundäre Referenzpufferlösung) gegen eine primäre Referenzpufferlösung
von Hersteller geprüft wurde.
Beispiel
Technische Pufferlösung
oder
r sekundäre Referenzpufferlösung
Technische Pufferlösung
r primäre Referenzpufferlösung
r primäre Referenzpufferlösung
Die Rückführung der pH-Werte ist eine Grundlage für die Berechnung der Unsicherheit.
1
Hinweis
Beim Kalibrieren muss bedacht werden, dass sich der pH-Wert der Pufferlösung mit der Temperatur ändert.
38
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.4
Weitere Methoden zur pH-Messung
3.4.1
Elektrochemische Methoden
Antimon- und Wismutelektrode
Glaselektroden sind sehr vielseitig einsetzbar. Spezielle Glassorten erweitern den Anwendungsbereich bis in den stark alkalischen Bereich oder auf flusssäurehaltige Lösungen. Dennoch sind dieser Messtechnik Grenzen gesetzt. Bei zu niedrigen pH-Werten greift Flusssäure auch das beste
Glas an und auch eine robuste Glaselektrode erreicht nicht die Beständigkeit eines Metalls. Die Antimonelektrode kann diese Bereiche extremer Anwendungsbedingungen abdecken. Es handelt
sich bei dieser Elektrode einfach um einen Stab aus Antimonmetall. Die Potenzialbildung erfolgt an
der Metalloberfläche. Beim Antimon hängt das Gleichgewicht jedoch von der Hydroxidionenaktivität ab, woraus sich über das Ionenprodukt des Wassers die Wasserstoffionenaktivität berechnen
lässt.
Antimonelektroden sind mechanisch und chemisch sehr robust. Sie eignen sich für Messungen in
Flusssäure oder für die Kontrolle des pH-Wertes bei einer Kalkmilchfällung.
Der Zusammenhang zwischen elektrischem Potenzial und pH-Wert ist nicht so linear wie bei einer
Glaselektrode. Antimonelektroden können bei Temperaturen bis 80 °C im Bereich zwischen pH = 1
und pH = 10 eingesetzt werden.
Der Kettennullpunkt einer Antimonelektrode liegt bei pH0 = 0 ±1,5. Die Steilheit liegt meist im Bereich zwischen k´= 51 mV und k´= 60 mV pro pH.
Auch das Halbmetall Wismut kann in Analogie zum Antimon für pH-Messungen im Bereich zwischen pH = 6 und pH = 10 eingesetzt werden.
Die Messumformer für Antimon- oder Wismutelektroden müssen auf den von den GlaselektrodenMessketten abweichenden Kettennullpunkt justierbar sein, wie z. B. der Messumformer JUMO
dTRANS pH 01.
ISFET
ISFET steht für ionenselektiver Feldeffekttransistor. Diese Sensoren unterscheiden sich weniger
durch das Membranmaterial von den anderen Sensortypen als durch ihre Konstruktion. Diese Sensoren haben sehr kleine Abmessungen, eine kurze Ansprechzeiten [1].
Für die hochohmige pH-Messung mit Glaselektroden ist ein leistungsfähiger Messverstärker (Transistor) notwendig. Die üblichen Messgeräte weisen einen Widerstand von mindestens 1012 O auf.
Der Grund hierfür ist u. a. der hohe Widerstand der Glasmembran. Der Verstärker ist häufig im
Messgerät, in der Armatur oder in einer zwischen der Messkette und dem Messgerät installierten
Einheit eingebaut. Je weiter die Membran vom Verstärker entfernt ist, desto träger und störempfindlicher ist die Signalübertragung. Bei einem langen Übertragungsweg bedeutet jede pHÄnderung ein zeitraubendes Erzeugen und Verschieben von elektrischen Ladungen.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
39
1
3 Messtechnik
S
1
2
3
7
6
4
1
5
Abbildung 28: ISFET-Sensor
1
3
5
7
Bezugselektrode
Gate-Bereich mit H+-ionensensitiver Schicht (z. B. Ta2O5)
p-Si Substrat
Isolation
2
4
6
Messmedium
n-Si Drain
n-Si Source
Bei einer ISFET-Elektrode bildet die Membran eine Einheit mit dem Verstärker. Ein Vorteil ist daher
das gute Ansprechverhalten und die verringerte Störempfindlichkeit. Da eine Miniaturisierung von
Transistoren kein Problem darstellt, sind ISFET-Elektroden eine interessante Alternative im Bereich
biologischer und medizinischer Anwendungen.
In Abhängigkeit vom Membranmaterial weisen ISFET-Elektroden eingeschränkte Messbereiche,
eine schlechtere Linearität, in einigen Fällen Lichtempfindlichkeit, geringere Standzeiten und Beständigkeiten auf. Dies sind sicher einige Gründe dafür, dass ISFET-Elektroden bisher vorwiegend
bei Betriebsmessungen mit Handgeräten und für Labormessungen in der Biologie und Medizin
zum Einsatz kommen. Ein weiterer Nachteil der ISFET-pH-Elektroden ist, dass jede Elektrode nur
mit einem spezifischen Anzeige-/Regelgerät funktioniert. Deswegen sind die ISFET-pH-Elektroden
in der Regel mit gewöhnlichen pH-Metern nicht kompatibel. Daraus folgt, dass diese Elektroden
eine reduzierte Flexibilität bei den entsprechenden Prozessen bieten und durch Glaselektroden
nicht ersetzbar sind.
Schließlich wird auch bei der pH-Messung mit ISFET´s eine Bezugselektrode benötigt. Diese kann
als herkömmliches Bezugssystem ausgeführt sein, was den Größenvorteil des ISFET´s teilweise
wieder zunichte macht. Andere Lösungen in ISFET-Technik, sogenannte REFET´s (Referenzfeldeffekttransistor), wiesen bisher nur eine unzureichende Langzeitstabilität auf.
Die JUMO ISFET-pH-Einstabmesskette ist ein glasloser Sensor zur Erfassung des pH-Wertes von
wässrigen Lösungen. Das Ausgangsignal der JUMO ISFET-pH-Einstabmesskette (sowie der Glaselektrode) kann von einem Anzeige-/Regelgerät, z. B. JUMO AQUIS 500 pH weiter verarbeitet
werden (Abbildung 29).
[2] 3-A Sanitary Standards definieren die Anforderungen an lebensmittelechte Werkstoffe, die auch
für Reinigungs- und Desinfektionsvorgänge geeignet sein müssen. Diese Standards sollen die
Produktqualität sicherstellen und somit die Gesundheit des Endverbrauchers schützen.
40
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
1
Abbildung 29: JUMO AQUIS 500 pH - Messumformer/Regler für pH-Wert, Redox-Spannung,
NH3-(Ammoniak)-Konzentration und Temperatur (links) und
JUMO dTRANS pH 02 - Messumformer/Regler für pH, Redox, Ammoniak,
Einheitssignale und Temperatur (rechts)
Eine JUMO Messkette besteht aus einem ISFET-Sensor, einem Kabel inklusive Vorverstärker und
z. B. einem JUMO AQUIS 500 pH oder einem JUMO dTRANS pH 02 nach Abbildung 29.
Abbildung 30: ISFET-pH-Einstabmessketten für Food-/Getränketechnik mit hygienischem
Design (links) und allgemeine Messungen im Trinkwasserbereich (rechts)
Die ISFET-pH-Einstabmesskette kann in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, Molkereien, Käsereien, Pharmazie sowie in allen hygienischen Produktionsprozessen mit Anforderungen nach 3-A
Sanitary Standards [2], ohne Armaturen eingesetzt werden. Da die ISFET-pH-Einstabmesskette
bruchfest ist, kann sie in allen Prozessen angewendet werden, in denen keine Glaselektroden
eingesetzt werden dürfen. Des Weiteren hat die ISFET-pH-Einstabmesskette eine gute Ansprechgeschwindigkeit und Messgenauigkeit, auch bei niedrigen Temperaturen, und liefert stabile
Messwerte bei Temperaturschwankungen.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
41
3 Messtechnik
3.4.2
Optische Methoden
Colorimetrie
Die einfachste Messeinrichtung besteht aus der Sonne (Tageslicht) als Lichtquelle, einen pHIndikator und dem menschlichen Auge. Es genügt, die Wasserprobe in ein Glasgefäß (Küvette) zu
füllen und eine Indikatorlösung dazu zugeben. Die Indikatorlösung besteht aus einer chemischen
Substanz, die je nach pH-Wert eine unterschiedliche Farbe aufweist. Durch Vergleich der Färbung
mit einer Farbskala ist der pH-Wert einfach zu bestimmen. Es ist eine beliebte Messmethode für
Einzelmessungen z. B. in privaten Schwimmbecken.
1
Hohe Genauigkeitsansprüche kann die Colorimetrie nicht erfüllen. Der Messwert hängt u. a. vom
Tageslicht und dem Farbempfinden des Anwenders ab. Je nach Indikator können die in der Probe
enthaltenen Substanzen oder einfach nur durch gelöste Salze, Farbverfälschungen verursachen.
Die Messbereiche überdecken häufig nur einen engen pH-Bereich.
Test-Stäbchen
Die pH-Messung mit einem Teststäbchen verläuft analog dem colorimetrischen Verfahren. Der pHIndikator ist lediglich auf einen Kunststoffstreifen als Träger aufgetragen. Zur Messung genügt es,
den Streifen in die zu prüfende Lösung zu tauchen und den pH-Wert durch Vergleich mit einer Farbskala zu bestimmen.
Durch die Kombination mehrerer Indikatoren haben Teststäbchen zum Teil recht große Messbereiche. Neben den von der Colorimetrie bekannten Problemen kann es beim Teststäbchen durch das
Ausbluten des Indikators zu zusätzlichen Messabweichungen kommen. Teilweise ist der pHIndikator deswegen chemisch an das Trägermaterial gebunden, um ein Ausbluten zu vermeiden.
Die Unsicherheiten der colorimetrischen Methoden oder der Teststäbchen ist bei weitem größer
als bei den elektrochemischen Methoden. Bei Indikatorstäbchen sind im Handel Produkte erhältlich mit einer pH-Auflösung von pH = 0,5 oder schlechter.
Fotometrie
Auch die fotometrische pH-Messung arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie die Colorimetrie. Die
Messung der Farbintensität erfolgt hier jedoch mit einem Fotometer. Diese Geräte enthalten eine
Lampe als Lichtquelle und ein Siliziumphotoelement als Lichtempfänger. Die fotometrische pHMessung liefert reproduzierbarere Werte wie die Colorimetrie. Durch die größere Empfindlichkeit
des Lichtempfängers ist die Auflösung der Messwerte außerdem besser. Die Messung mit einem
Phenolrotindikator ist eine im Bäderbereich sehr verbreitete Messmethode.
42
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.5
Digitale pH-/Redox-Sensoren
Die Miniaturisierung leistungsfähiger Elektronik ist in den letzten Jahren stark vorangeschritten.
Dies hat auch die Entwickler von Sensoren und Messgeräten dazu beflügelt, neue Ansätze bei der
Messwertbestimmung zu suchen.
Der klassische Aufbau der analogen Messtechnik – insbesondere bei elektrochemischen Messgrößen wie pH und Redox – ist die Trennung des Sensors von weiterführender Elektronik. Dies hat
gute Gründe. Die meisten elektrochemischen Sensoren haben ein vergleichsweise kurzes „Leben“,
da es sich um Verschleißteile handelt. In bestimmten Anwendungen haben pH-Sensoren oft nur
eine Lebensdauer von wenigen Wochen und Monaten. Eine im Sensor integrierte elektronische
Schaltung zur Vorverstärkung oder digitalen Messwertumformung wird damit ebenfalls zum
„Wegwerfprodukt“. Ist der Sensor verschlissen, so werden alle Teile zu Sondermüll. Neben der
ökologischen Seite ist es auch eine ökonomische Frage, ob dies der Anwender auf Dauer möchte.
Alles hat seinen Preis: Die Sensoren mit integrierter digitaler Elektronik sind deutlich teurer als
herkömmliche analoge.
In einigen Nischenanwendungen oder bestimmten Prozessbereichen kann es sinnvoll sein, dass
der Sensor durch eine „Elektronik an Bord“ bestimmte Betriebsdaten, Maximal- und Minimalwerte
oder Grenztemperaturen abspeichert. Solche Daten bringen aber meist nur dem Sensorhersteller
Vorteile: Er kann schnell sehen, ob der Kunde den Sensor stark belastet hat. Damit lassen sich
Gewährleistungsansprüche leichter ablehnen.
Ein echter Vorteil kann sein, dass der Sensor bereits im Betriebslabor kalibriert werden kann. Bei
Messpunkten im Freien oder an schwer zugänglichen Orten wird es der Anwender zu schätzen
wissen, wenn er nicht mit Puffer- und Prüflösungen bei Minustemperaturen hantieren muss.
Nicht zu unterschätzen ist auch die verbesserte Signalübertragung. Ein digitalisiertes Sensorsignal
hat bei der Übertragung Vorteile gegenüber hochohmigen analogen Sensor-Originalsignalen.
Ein Nachteil aller am Markt heute schon erhältlichen digitalen Sensorsysteme ist die fehlende
Absprache der Hersteller untereinander. Die Systeme sind durch die Bank weg proprietär, d. h.
man kann die Sensoren verschiedener Hersteller nicht untereinander austauschen. Die Variantenvielfalt ist oft noch sehr eingeschränkt. Hat man mit den Sensoren eines Herstellers Probleme,
kann man nicht einfach zu einem Sensor eines anderen Herstellers greifen. Gleiches gilt für das
damit verbundere Preis- und Belieferungsdiktat. Damit begibt man sich freiwillig in eine absolute
Abhängigkeit von einem bestimmten Elektrodenhersteller.
Lockangebote („undles“) sollen den Kunden für ein solches digitales Paket bestehend aus Sensor,
Kabel und Messverstärker (warum wird der eigentlich noch benötigt?) begeistern. Spätestens beim
Nachkaufen der verschlissenen Sensoren wird dann richtig Geld verdient. Die Vorgehensweise
wurde hier wohl von den Tintenstrahldruckern abgeschaut – verdient wird mit der Tintenpatrone
(= Verschleissteil) und nicht am Gerät.
Der Anwender muss sich also die Frage stellen, ob ein schneller Einstieg in eines der digitalen Sensorsysteme für den eigenen Anwendungsbereich aus ökonomischer, ökologischer und technischer
Sicht sinnvoll und notwendig ist.
In den meisten Anwendungen sind die Vorteile eines digitalisierten pH- oder Redox-Sensors unterrangig. Der analoge Sensor mit seiner herstellerunabhängigen Verfügbarkeit und seinem für Verschleißteile unschlagbaren Preis-/Leistungsverhältnis ist und bleibt der Marktstandard. Dies kann
man auch der entsprechenden DIN 19263 entnehmen. Dort wird die klassische (analoge) pH- oder
Redox-Elektrode beschrieben und der Standard definiert.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
43
1
3 Messtechnik
1
44
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
pH-Messungen gibt es in allen Bereichen der Technik und des Umweltschutzes. Je nach Anwendung findet die Messung im Labor, mit einem Handgerät vor Ort oder kontinuierlich, z. B. im
Prozess, statt.
Folgende praktische Anwendungsfälle sollen etwas genauer betrachtet werden. Die pH-Messung
in:
• Abwasserreinigungsanlagen
• Bädern
• Galvanikbetrieben
• Kraftwerken
• Trinkwasserversorgungsanlagen sowie
• Trinkwassertalsperren
4.1
Abwasserreinigungsanlagen
pH
2
1
3
4
pH
6
5
Abbildung 31: Schema einer kommunalen Abwasserreinigungsanlage
1
3
5
Sandfang
Belebtschlammbecken
Gasbehälter
2
4
6
Vorklärbecken
Nachklärbecken
Faultum
In Abwasserreinigungsanlagen eingesetzte pH-Messeinrichtungen unterliegen z. T. extremen
Belastungen:
• das Wasser ist stark verschmutzend. In einigen Fällen belasten Inhaltsstoffe oder physikalische
Bedingungen die verwendeten Sensoren
• eine aggressive Umgebungsluft wirkt auf den elektronischen Teil der Messeinrichtungen
• Wartungsarbeiten müssen auch unter rauen Bedingungen möglich sein
Für die Analytik im Abwasser stehen Merkblätter der Abwassertechnischen Vereinigung (ATV) zur
Verfügung. Die pH-Messung ist im Merkblatt M 256 beschrieben.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
45
1
4 Anwendungen
4.1.1
Zulauf der Anlage
Die pH-Messung im Zulauf der Anlage dient dem Schutz der Kanalisation und Gebäude. Abwässer
mit einem pH-Wert unter 6 oder über 9 führen zu kostspieligen Materialschäden. Ein kurzzeitiges
Über- oder Unterschreiten des zulässigen pH-Bereiches hat in der Regel keine Folgen. Die größeren Wassermengen in den Becken der Anlage reichen, um kleinere Säure- oder Basemengen ausreichend zu verdünnen und zu neutralisieren.
Bei langfristigen oder häufigen Überschreitungen ist es jedoch erforderlich, den Verursacher ausfindig zu machen und die Einleitungen zu unterbinden. Soll die Überwachung des Zulaufs wirksam
sein, so muss sie kontinuierlich rund um die Uhr stattfinden. Zur Messung ist eine fest installierte
Messeinrichtung mit entsprechenden Aufzeichnungsmöglichkeiten erforderlich.
1
Messeinrichtung
Ein Problem für die pH-Messung stellen die großen Mengen an Faserverunreinigungen sowie Fett
und Öl dar. Die pH-Messkette verzopft und belegt. Derart verschmutzte Messketten sind extrem
träge und liefern falsche Messwerte.
Die Armatur sollte einen möglichst glatten Schaft haben und an einer Stelle mit möglichst guter
Wasserströmung frei aufgehängt (pendelnd) sein. Zöpfe an der Armatur sollten in regelmäßigen
Abständen entfernt werden.
Um ein schnelles Verstopfen der Bezugselektrode zu vermeiden, sollte sie einen Ringspalt haben.
Grundsätzlich ist je nach Belastung eine 14-tägige Reinigung der Messkette zu empfehlen. Fett
und Ölbeläge auf der Membran lassen sich mit etwas Geschirrspülmittel und warmem Wasser
leicht entfernen.
In Abwasserreinigungsanlagen sind Blitzeinschläge eine der häufigsten Ursachen für schwere
Schäden an der Messeinrichtung. Der Umformer sollte daher über einen guten Überspannungsschutz verfügen.
4.1.2
Faulturm
Allgemeines
Eine weitere Messstelle für den pH-Wert ist der Schlamm im Faulturm. Der pH-Wert wirkt wesentlich auf die Aktivität der Mikroorganismen. Die in diesem anaeroben Prozess vorkommenden
Mikroorganismen reagieren weit sensibler auf ihre Umweltbedingungen als ihre aeroben Verwandten. Bei auch nur geringen pH-Änderungen können Populationen verschwinden und andere
entstehen. Extreme Abweichungen töten die Mikroorganismen schließlich.
Bei einem pH-Wert unter 7 (Neutralpunkt) kippt der Schlamm um (saurer Schlamm), es entstehen
stinkende Faulgase (u. a. Schwefelwasserstoff). Die gewünschte Volumenabnahme geht nun nur
noch langsam und im geringen Umfang voran. Der so entstehende Schlamm ist schleimig und nur
schwer zu entwässern.
Unter basischen Bedingungen im Bereich von pH = 7 bis pH = 8 tritt die gewünschte geruchlose
Methanfaulung ein. Die genaue Überwachung und Einstellung des pH-Wertes ist hier eine Voraussetzung für eine optimale Methangasproduktion.
Messeinrichtung
Die permanente pH-Überwachung ist praktisch nur mit einem direkt in die Hauptleitung
eingebauten Geber, also einer stationären Messeinrichtung zu realisieren. Der Geber ist bei diesen
Messungen erhöhten Belastungen ausgesetzt:
• ein hoher Feststoffanteil des Schlammes führt zu starken Verunreinigungen
• der Überdruck belastet besonders das Referenzsystem der pH-Messkette
• Schwefelwasserstoff vergiftet das Referenzsystem
46
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
Kontrollmessungen
Die stationären Messeinrichtungen sollte direkt im Abwasser, also im Kanal bzw. Becken kontrolliert werden. Biologische Abbauvorgänge oder z. B. Redoxreaktionen können die Aussage einer
noch so genauen Messung im Labor leicht in Frage stellen. Besser ist eine Messung mit einer
Handmesseinrichtung direkt vor Ort.
4.2
Bäder
Die Überwachung der Beckenwässer ist im §11 Bundesseuchengesetz und den Badewasserverordnungen der Länder vorgeschrieben. Nähere Angaben zur Wasseraufbereitung enthält die Norm
DIN 19643. Der pH-Wert und das Chlor sind hierbei die wichtigsten Messgrößen. Der pH-Wert soll
innerhalb eines Bereiches von 6,5 bis 7,5 liegen.
Bei einem pH-Wert über 7 binden Basen einen Teil der sauren Desinfektionsmittel. Je höher der
pH-Wert ist, um so geringer ist die Wirkung der Desinfektionsmittel.
Beispiel
Bei pH = 8 ist die Konzentration der unterchlorigen Säure auf 30 % vermindert. Weiterhin mindern
hohe pH-Werte die Wirkung von Flockungsmitteln und fördern die Bildung von Belägen an den
Beckenwänden. Ab einem pH-Wert über 8 zerstören die Basen schließlich den natürlichen Säureschutz der Haut.
Bei zu tiefen pH-Werten greifen Säuren das Beckenmaterial an, vermindern ihrerseits die Wirkung
der Flockungsmittel und verstärken die Bildung von gebundenem Chlor (Chloraminen).
pH-Wert
Wirkung
Hautreizung
8,5
Kalktrübungen
8,0
Beeinträchtigte Al-Flockung
7,5
7,0
Hallenbadgeruch
6,5
Korrosionserscheinungen
6,0
Beeinträchtigung der Flockung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
47
1
4 Anwendungen
Messung
Eine pH-Regeleinheit in der Wasseraufbereitungsanlage stellt den pH auf einen optimalen Wert von
etwa pH = 7,2 ein. Dieser pH-Wert gewährleistet einen ökonomischen Betrieb der Anlage. Die Einstellung erfolgt durch die kontrollierte Zugabe von Säure oder Lauge. Die Messstelle befindet sich
in der Regel zwischen Faserfänger und Filter. Möglich ist jedoch auch eine Messung direkt im
jeweiligen Becken.
1
4
1
pH
3
2
Abbildung 32: pH-Messung in Badebecken
1
3
Schwimmbecken
Filter
2
4
Rohwasser
Reinwasser
Die pH-Messkette ist im Beckenwasser kaum Verschmutzungen ausgesetzt. Das beste Messverhalten zeigen hier Messketten mit Elektrolytlösung (eventuell etwas eingedickt) und Keramikdiaphragma. Die Bauform muss für einen, wenn auch geringen Überdruck, in der Messleitung ausgelegt sein. Messketten mit einem Referenzelektrolytgel altern sehr schnell. Neben den häufigeren
Ausgaben für neue Messketten sind ein erhöhter Wartungsaufwand und schlechtere Regelergebnisse die Folgen.
48
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
4.3
Galvanikbetriebe
Die pH-Messung dient zur Kontrolle von Galvanikbädern und von Entgiftungsprozessen.
4.3.1
Galvanikbäder
In einem Galvanikbad erhalten Gegenstände aus unedleren Metallen, wie Zink oder Eisen, eine
schützende Oberfläche. Es kann sich hierbei z. B. um eine Kupfer- oder Nickelschicht handeln. Ein
Zinküberzug kann bei Eisen als Korrosionsschutz wirken, wie es die verzinkten Karosserien bei Automobilen belegen.
Das Auftragen der Metallschicht erfolgt meist elektrolytisch in speziellen Elektrolytbädern.
Einige Beispiele hierfür sind:
• Saures Kupferbad:
eine schwefelsaure Kupfersulfatlösung
• Cyanidisches Kupferbad:
eine Lösung von Kupfercyanid, Natriumcyanid und Natriumkarbonat
• Diphosphat-Kupferbad:
eine annährend neutrale Lösung von Kaliumdihydrogenphosphat, Kupferdiphosphat,
Ammoniak und Glanzzusätzen
• Nickelbad:
eine Lösung von Nickelsulfat, Nickelchlorid und Borsäure mit einem pH im Bereich von pH = 3,5
bis pH = 4,5
• Saures Zinkbad:
Zinksulfat, Zinkchlorid, Natriumsulfat und Schwefelsäure mit einem pH im Bereich von pH = 3
bis pH = 4
• Alkalisches Zinkbad:
eine Lösung von Zinkcyanid, Natriumcyanid und Natriumhydroxid
Messung
Galvanikbäder stellen für die pH-Messung, und insbesondere die kontinuierliche Messung besondere Anforderungen.
Die elektrochemische pH-Messung beruht auf der Spannungsmessung im Bereich von hundertstel
bis einigen zehntel Volt, der hierbei fließende Strom ist vernachlässigbar klein. Für eine galvanische
Beschichtung liegen mehr als ein Volt im Bad an und es fließen Ströme bis 10 A pro dm2. Bei einer
geerdeten pH-Messung fließen Ströme über die Bezugselektrode ab. Die Messwertanzeige hängt
in diesem Fall von der Spannung des Galvanisierprozesses ab.
Ein weiteres Problem ist die bis 80 °C reichende Temperatur. Als Faustregel gilt, dass eine Temperaturerhöhung von 10 K die Haltbarkeit der Messkette halbiert. Besonders im oberen Temperaturbereich sind besondere Hochtemperaturmessketten notwendig.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
49
1
4 Anwendungen
4.3.2
1
Entgiftung
Cyanid-Entgiftung
Ein weiteres Beispiel der industriellen Anwendung einer pH-Messung ist die Entfernung von
Cyaniden aus Abwässern. Cyanidhaltiges Abwasser wird in Durchlaufbehandlungsanlagen aufbereitet. Diese bestehen aus den Komponenten
• Reaktor (Behälter)
• Mischer (Rührer)
• Mess- und Regeleinrichtung (Erfassung verschiedener Parameter)
• Dosierglieder (Ventile und Pumpen)
• Chemikalienspeicher (Vorratsbehälter) und
• Konzentratspeicher (Zwischenlagerung)
Cyanid und die Stammverbindung Cyanwasserstoff (HCN) sind sehr giftige Substanzen. Die Giftigkeit beruht darauf, dass beide Stoffe mit schwermetallhaltigen Fermenten (Enzymen) des menschlichen Organismus sehr stabile Komplexe bilden und die Fermente dadurch in ihrer Wirkungsweise blockiert werden. Aus diesem Grund ist die Entfernung des Cyanids aus dem Abwasser
zwingend notwendig. Die wässrige Lösung des Cyanwasserstoffs ist unter dem Namen Blausäure
allgemein bekannt.
Die Entgiftung des cyanidhaltigen Abwassers erfolgt in Teilreaktionen, die im nachfolgenden beschrieben werden:
• Oxidation des Cyanid zu Chlorcyan
• Hydrolyse des Chlorcyan zu Cyanat
• Oxidation des Cyanat zu Kohlensäure und Stickstoff
Entgiftung
Wie schon erwähnt, wird die Entgiftung in Durchlaufbehandlungsanlagen durchgeführt. Hier wird
das Abwasser zunächst dem Reaktor zugeführt.
Für die Entgiftung ist ein pH-Wert von mindestens pH = 10 notwendig, der hier eingestellt wird. Im
sauren pH-Bereichen kommt es zur Bildung von Cyanwasserstoff. Durch Zugabe von Natriumhypochlorit-Lösung (NaOCl) setzt sich das Cyanid zu Chlorcyan (ClCN) um (Reaktion 1). Chlorcyan ist
ein ebenfalls giftiges Gas mit einer hohen Löslichkeit in Wasser (25 Liter ClCN-Gas/Liter Wasser).
Im nächsten Reaktionsschritt erfolgt die Umwandlung in das ungiftige Cyanat (CNO-). Diese Reaktion läuft nur bei sehr hohen pH-Werten ab. Da die erste Teilreaktion nicht pH-abhängig verläuft,
wird schon zu Beginn der Entgiftung der hohe pH-Wert eingestellt. Im Allgemeinen wird die Gesamtreaktion mit einem Überschuss von 20 % an NaOCl durchgeführt.
Bei den eingangs erwähnten Bedingungen ist die Entgiftung innerhalb von max. 20 Minuten abgeschlossen. Um sicherzustellen, dass alles Cyanid umgesetzt wurde, bestehen aber die
genehmigenden Behörden auf Verweilzeiten zwischen 40 und 60 Minuten.
Im letzten Teilabschnitt wird das oben erhaltene Cyanat bei pH-Werten um 7 - 8 zu Kohlensäure
und Stickstoff oxidiert. Diese Reaktion verläuft innerhalb von 30 Minuten (Reaktion 3).
Ist die Entgiftung abgeschlossen, folgen als weitere Schritte die Neutralisation, Sedimentation, Filterpresse und Endkontrolle, bevor das gereinigte Abwasser dem Kanalnetz zugeführt wird.
Reaktion 1:
-
-
2 CN + 2 OCl + 2 H 2 O
2 ClCN + 4 OH
-
(6)
Chlorcyan
50
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
Reaktion 2:
2 ClCN + 4 OH
-
-
-
2 CNO + 2 Cl + 2 H 2 O
(7)
Cyanat
Reaktion 3:
-
2-
-
2 CNO + 3 OCl + H 2 O
-
N 2 + 2 CO 3 + 3 Cl + 2 H
+
(8)
Chromat-Reduktion
Bei der Chromat-Reduktion werden giftige Chromationen in Chrom(III)ionen umgesetzt. Chromat
fällt an bei:
• Elektrolysen (Glanz- und Hartchrom)
• Beiz- und Ätzbädern
• Herstellung von Aluminium
• Chromatierbädern
Entgiftung
Chromat wird im sauren Bereich aus dem Abwasser entfernt. In Abhängigkeit vom pH-Wert bildet
sich im alkalischen Bereich Chromat (CrO42- ); im sauren Bereich Dichromat (Cr2 O72- ).
Im Reaktor wird der pH-Wert und die Redoxspannung erfasst. Liegt der pH-Wert über 2,5 wird entweder mit verdünnter Schwefelsäure oder mit Salzsäure der pH-Wert auf 2,5 eingestellt. Ein konstanter pH-Wert ist für die quantitative Umsetzung der Reaktion erforderlich. Bei der Chromat-Entgiftung ist darauf zu achten, dass keine anderen sauren Abwässer in die Anlage eingeleitet werden.
Die Umwandlung der giftigen Chrom-(VI)-Verbindungen in Chrom-(III)-Verbindungen erfolgt nach
der folgenden Reaktionsgleichung:
2-
CrO 4 + 4 H 2 O + 3 e
-
-
Cr(OH) 3 + 5 OH (alkalisch)
(9)
Chromat
2-
+
Cr 2 O 7 + 14 H + 6 e
-
2 Cr
3+
+ 7 H 2 O (sauer)
(10)
Dichromat
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
51
1
4 Anwendungen
4.4
1
Kraftwerke
In Kraftwerken dient Wasser zur Dampferzeugung. Um gefährliche Ablagerungen1 zu vermeiden,
muss das Kesselspeisewasser frei von gelösten Substanzen sein. Lediglich ein Alkalisierungsmittel, z. B. Ammoniak, darf enthalten sein. Durch Auffangen und Kondensieren des Wasserdampfs
kann das Kondensat wieder zur Kesselspeisung verwendet werden. Bei diesem Kondensat handelt
es sich praktisch um destilliertes Wasser.
Reines Wasser ist besonders bei einem Wert unter pH = 7 sehr aggressiv. Korrosionsschäden
können leicht ein kleines Vermögen kosten. Das Problem ist, dass reines Wasser auch erhebliche
Probleme in Bezug auf die Messtechnik verursacht. Bereits kleinste Verunreinigungen können den
pH-Wert deutlich beeinflussen, eine Probenahme für die Messung ist praktisch nicht machbar. Der
pH-Wert muss im Durchfluss gemessen werden.
Messeinrichtung
Die Analytik des Beckenwassers ist in den DVGW-Merkblättern behandelt. Für pH-Messungen
sind spezielle Messeinrichtungen notwendig.
Kontamination
Alle Teile der Messeinrichtung, die mit dem Wasser in Kontakt kommen, Armatur und Durchflusszelle, sollten aus rostfreiem VA-Stahl bestehen. Sind Kunststoffteile notwendig, so dürfen diese
keine Substanzen an das Wasser abgeben. Die Messkette sollte einen neutralen Elektrolyten enthalten, eine silberchloridhaltige Bezugselektrolytlösung reagiert z. B. sauer. Ideal ist eine
Zweistabmesskette, bei der die Bezugselektrode nach der Messelektrode im Durchflussgefäß
angebracht ist. Aufgrund des relativ hohen Widerstandes des Wassers ist eine Messkette mit
geringem Membranwiderstand zu empfehlen. Auch das Diaphragma sollte einen möglichst kleinen
Widerstand aufweisen, z. B. Ringspaltdiaphragmen. Bei Keramikdiaphragmen steigt der Widerstand durch eindringendes Wasser schnell erheblich an. Die Elektrolytlösung sollte silberfrei sein.
Die Löslichkeit des Silberchlorids nimmt beim Kontakt der Elektrolytlösung mit dem Wasser erheblich ab. Im Diaphragma (Kontaktstelle Elektrolyt/Wasser) entstehen schwerlösliche Silberchlorid-Ablagerungen.
Das Kesselwasser hat eine Leitfähigkeit unter = 50 µS/cm, so dass ein normaler pH-Messumformer für die Messung ausreicht. Beim Kondensat kann die Leitfähigkeit unter = 1 µS/cm betragen.
In diesem Fall ist ein Umformer mit hochohmigem Eingang für die Bezugselektrode zu empfehlen.
Damit elektrische Ladungen abfließen können, muss die Messeinrichtung gut geerdet sein.
Durchfluss
Jede pH-Messkette reagiert auf die Anströmung des Wassers. Je niedriger die Leitfähigkeit und je
höher die Durchflussgeschwindigkeit ist, desto stärker ist dieser Effekt wirksam. Die niedrigen Leitfähigkeiten des Kesselspeisewassers und besonders des Kondensates können den Messwert
leicht mehrere Zehntel, selbst bis zu einer pH-Einheit, ändern. Eine wirksame Maßnahme ist die
Reglung der Durchflussmenge des Messgefäßes.
Alternativ-Verfahren
Alternativ ist es möglich, pH-Werte der Wässer aus den Werten für die Leitfähigkeit oder den
Ammoniakgehalt zu schätzen. Der Leitfähigkeitswert gibt jedoch nur eine Information, wie weit der
pH-Wert maximal vom Neutralpunkt (pH = 7) abweichen kann. Eine Aussage, ob das Wasser sauer
oder basisch reagiert, ist über den Leitfähigkeitswert nicht möglich.
Das Abschätzen aus dem Ammoniakgehalt führt leicht zur Schätzung zu hoher pH-Werte.
1
52
Ein Belag der Kesselwände hat eine wärmeisolierende Wirkung und erhöht den Energieverbrauch. Platzt ein Teil des Belages, so kommt es zur lokalen Überhitzung des Kesselwassers und
unter Umständen zur Kesselexplosion.
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
4.5
Trinkwasserversorgungsanlagen
Allgemeines
Die pH-Messung des Trinkwassers dient der Hygiene und dem Schutz der Leitungsnetze. Die
wesentliche Aussage des pH-Wertes betrifft das Kalk/Kohlensäuregleichgewicht. Der im Wasser
gelöste Kalk steht mit dem gelösten Kohlendioxid in einem chemischen Gleichgewicht. Die
Mengen an Kalk und Kohlendioxid hängen bereits vom verwendeten Rohwasser ab. Enthält das
Wasser zuwenig Kohlendioxid, so scheidet es Kalk ab und belegt die Wasserleitung. Bleibt dieser
Zustand über einen längeren Zeitraum bestehen, so wächst die Leitung zu.
Kritischer ist ein Überschuss von Kohlensäure; er löst die Kalkschicht auf. Ohne schützende Kalkschicht ist das Leitungsmaterial der Korrosion preisgegeben. Durch Lösen von Schwermetallen
oder Eindringen von Fremdwasser kamen in der Vergangenheit wiederholt Menschen zu Schaden
- im Extremfall zu Tode.
Messeinrichtung
Optimal ist der pH-Wert, wenn er dem Calcitsättigungs-pH-Wert entspricht. Es handelt sich hierbei
um einen Wert, der aus der Zusammensetzung des Wassers berechnet wird. Entspricht der pHWert des Wassers diesem Wert, so kommt es weder zu Kalkabscheidungen, noch zum Lösen der
Kalkschutzschicht.
Nach der deutschen Trinkwasserverordnung soll der pH-Wert im Bereich von pH = 6,5 bis pH = 9,5
liegen. Die Calcitlösekapazität (Kalklösevermögen) am Ausgang des Wasserwerks darf einen Wert
ss(CaCO3) = 5 mg/l nicht überschreiten; die Forderung gilt als erfüllt, wenn der pH-Wert am Wasserwerksausgang pH = 7,7 überschreitet. Bei der Mischung von Wasser aus zwei oder mehr Wasserwerken darf die Calcitlösekapazität im Verteilungsnetz den Wert von 20mg/l nicht überschreiten.
Die Calcitlösekapazität und der pH-Wert für das Kalkkohlensäure-Gleichgewicht sind aus der
Zusammensetzung des Wassers berechnete Werte.
Die pH-Messung stellt sicher, dass der pH-Wert des Wassers dem Calcitsättigungs-pH-Wert entspricht bzw. der Wert pH = 7,7 überschritten ist. Bei einem zu geringen pH-Wert ist das Wasser mit
einem entsprechenden Entsäuerungsverfahren zu behandeln.
Die Trinkwasserverordnung gibt vor, dass das zur pH-Messung eingesetzte Messverfahren eine
Richtigkeit von 0,2 pH-Einheiten und einer Präzision von 0,2 pH-Einheiten aufweisen soll.
Bei der Wahl der Messkette sind z. B. der Wasserdruck, die Durchflussgeschwindigkeit und die
Leitfähigkeit wichtige Einflussgrößen.
Da Verschmutzungseffekte keine wesentliche Rolle spielen, ist eine ausreichend druckfeste Messkette mit Bezugselektrolytgel und Keramikdiaphragma für diese Anwendung geeignet.
Eine Einpunktkalibrierung macht den meist aufwändigen Ein- und Ausbau überflüssig, schont die
Messkette und reduziert den Einfluss der Anströmung durch das Trinkwasser.
Vergleichsmessung
Für die Interpretation von Vergleichsmessungen können Druckunterschiede eine wichtige Rolle
spielen. Der Einfluss des Kohlendioxids auf den pH des Wassers hängt u. a. vom Wasserdruck ab.
Dieser kann in den Wasserleitungen leicht 6 bar und mehr betragen. Je höher der Druck ist desto
saurer reagiert das Wasser. Bei einer Drucksenkung gast Kohlendioxid aus, z. B. bei einer
Probenahme. In diesem Fall nimmt der pH-Wert zu.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
53
1
4 Anwendungen
4.6
1
Trinkwassertalsperren
Allgemeines
Der Aufwand für die Trinkwasseraufbereitung hängt vom zur Verfügung stehenden Rohwasser ab.
Eine Quelle für das Trinkwasser sind z. B. Trinkwassertalsperren. Die Beschaffenheit des Wassers
im Versorgungsnetz ist in der Regel sehr konstant. In der Talsperre beeinflusst bereits die Witterung
den Zustand des Wassers (lange Trockenheit, starke Regenfälle). Bei hohem Nährstoffangebot
kann es innerhalb weniger Tage zur Massenentwicklungen von Phytoplankton (Algen) kommen, die
ebenso schnell wieder absterben können. Hochwassereinbrüche wirken innerhalb weniger Stunden. Zur Steuerung der Talsperren sind daher Messeinrichtungen notwendig, die schnell und ohne
großen Aufwand eine Information über den Wasserzustand erlauben, z. B. die Trübung, der Sauerstoffgehalt der pH-Wert, die elektrische Leitfähigkeit und die Wassertemperatur.
Messeinrichtung
Die Messtechnik ist relativ unproblematisch. Je nach Messstelle genügt eine Messkette mit
Eintauch- oder Durchflussarmatur.
54
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
Der Begriff Qualitätssicherung bezog sich früher im wesentlichen auf die Herstellung von Erzeugnissen, z. B. Stereoanlagen, Messgeräte oder Käse. Die Analytik war ein Mittel zum Nachweis der
Qualität. Im Rahmen der GLP und Zertifizierungsmaßnahmen, z. B. nach ISO 9000, mussten sich
auch Laboratorien im Rahmen von Standardarbeitsvorschriften (SOP) stärker mit Fragen zur Qualität von Messverfahren und Messwerten auseinandersetzen. Dieser Prozess setzte sich stetig fort,
so dass heute auch in der Prozessmesstechnik Regeln zur Qualitätssicherung einzuhalten sind.
Beispiele hierfür sind die Merkblätter der LAWA (Länderarbeitsgemeinschaft Wasser), die Richtlinie
in den Deutschen Einheitsverfahren ENV ISO 13530 oder das Merkblatt der Abwassertechnischen
Vereinigung ATV-DVWK M 704.
5.1
Wie genau ist der pH-Messwert?
Eine Antwort zur Genauigkeit von Messwerten ist praktisch nicht möglich. Die Angabe der Genauigkeit setzt voraus, dass der wahre Messwert bekannt ist. Dies ist in der Praxis nicht der Fall.
Schätzen lässt sich die Unsicherheit eines Messwertes. Der Begriff „Schätzen“ sollte jedoch nicht
mit dem Begriff „Ungefähr“ assoziiert werden, sondern mit einer fachkundigen Beurteilung.
Die Angabe, dass die Unsicherheit U(pH) ±0,4 beträgt, sagt aus, dass der wahre pH-Wert der
Mess-lösung mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % maximal um pH = 0,4 vom Messwert abweicht. Bei Halbieren des Wertes für die Unsicherheit beträgt die Wahrscheinlichkeit nur noch
67 %.
Die Kenntnis der Unsicherheit kann besonders für Betriebsmessungen bedeutend sein. Es geht
z. B. um die Frage „Wann ist ein Grenzwert überschritten?“.
Beispiel
Für den pH-Wert ist ein Grenzwert von pH = 7,6 angegeben, und der Messwert ist pH = 7,4 mit
einer Unsicherheit U(pH) ±0,4. Obwohl der Messwert pH = 7,4 noch unter dem Grenzwert liegt, besteht ein Risiko von 67 %, dass eine Grenzwertüberschreitung vorliegt. Es ist somit sehr gut möglich, dass eine Vergleichsmessung einen Messwert von pH = 7,7 ergibt. Erst bei einem Wert von
kleiner pH = 7,2 ist eine Grenzwertüberschreitung nahezu (jedoch nicht völlig) ausgeschlossen.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung tragen wesentlich zur Minderung der Unsicherheit bei.
5.2
Dokumentation
Ein wesentliches Element der Qualitätssicherung ist die Dokumentation aller für die Messung relevanten Informationen. Die Aufzeichnungen dienen als Nachweis für den Zustand der Messeinrichtung und natürlich des Messgutes. Über größere Zeiträume gesammelte Messwerte sind ein gutes
Fundament, auf dem Entscheidungen:
• zur Wartung der Messeinrichtungen
• zur Steuerung der Wasserparameter
• zur Fehlersuche bei Störungen
• oder zum Neuerwerb vom Messmitteln
möglich sind.
Voraussetzung für diese und weitere Möglichkeiten ist die vollständige Dokumentation der Messwerte und der Bedingungen, unter denen die Werte erhalten wurden. Dies umfasst die Messbedingungen, Daten der Kalibrierungen und Prüfungen sowie Angaben zur verwendeten Messeinrichtung.
Die Dokumentation soll vollständig, gut lesbar und verständlich aufgebaut sein, so dass es auch
nach langen Zeiträumen möglich ist, Sachverhalte zu klären.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
55
1
5 Qualitätssicherung
Das Aufzeichnen der Messwerte erfolgt normalerweise bereits durch den Messumformer. Für dosierende und regelnde Messeinrichtungen sind zusätzlich Aufzeichnungen von Messungen mit
Handmessgeräten zu empfehlen. Eine Regeleinrichtung zeigt unabhängig von ihrem Zustand den
Sollwert an. Eine Drift der Messkette gleicht sie z. B. durch eine verstärkte Säure- oder Basedosierung aus. Vergleichswerte zeigen diese Fehldosierung und den Umfang der Abweichung direkt
an.
1
Allgemeine Angaben
Ein Journal sollte alle Daten über die Messstelle, Messeinrichtung und eventuell durchgeführte Serviceleistungen enthalten:
• Bezeichnung und Ort der Messstelle
• Genaue Anschrift eines Ansprechpartners
• Seriennummern der Bauteile der Messeinrichtung
• Anschaffungs- und Inbetriebnahmedatum der Messeinrichtung
• Datum und Grund von Reparaturen
• Name und Anschrift des Dienstleisters für Service- und Reparaturmaßnahmen
Kalibrierdaten
Ein Kalibrierprotokoll sollte folgende Daten enthalten:
• Bezeichnung und Ort der Messstelle
• Seriennummern der Bauteile der Messeinrichtung
• Name des Bearbeiters
• Bezeichnung, Seriennummer und Haltbarkeitsdatum der verwendeten Pufferlösungen
• Art der Kalibrierung (Einpunkt- oder Zweipunktverfahren)
• Datum und Daten der Kalibrierung
(z. B. Anströmverhalten, Ansprechverhalten, Kettennullpunkt, Steilheit)
Messwerte
Aufzeichnungen für die Messwerte sollten zusätzlich Angaben zum Datum, Uhrzeit und relevanten
Begleitparametern enthalten, z. B. Angabe der Temperatur.
Sonstige Angaben
Zur vollständigen Dokumentation gehören die zur Messung verwendeten Verfahrensbeschreibungen, inklusive der Beschreibungen für Kalibrierungen, Justiervorgänge, Wartung und
Lagerung der Messeinrichtung. Weiterhin sollen alle Gebrauchsanleitungen und sonstigen Vorschriften sowie Anweisungen im Dokumentationsordner hinterlegt sein.
56
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
5.3
Wartung
Eine Messeinrichtung und besonders Messketten altern in Abhängigkeit von den Messbedingungen. Verschleiß und Verschmutzungen schränken ihre Zuverlässigkeit ein und verursachen Mess-abweichungen. Regelmäßiges Kalibrieren hilft, unzuverlässige Bauteile zu erkennen und sie, z. B. durch Reinigung, wieder in einen einwandfreien Zustand zu versetzen.
Zwischen den Kalibrierungen ist eine Störung der Messfunktion nur anhand der aufgezeichneten
Messwerte zu erkennen.
Eine Störung kann sich durch streuende oder von bisher gewohnten Erfahrungswerten abweichende Messwerte zeigen. Die Entscheidung, ob ein normales Ereignis vorliegt oder ein Eingreifen notwendig ist, sollte auf Basis der dokumentierten Daten erfolgen.
Streuende Messwerte
Streuende Messwerte allein sind noch kein Hinweis auf eine Störung. Die Streuung kann in normalen Änderungen des Wassers bzw. der Messlösung oder im Messverfahren ihre Ursache haben.
Messgröße
Referenzwert
Messwerte
Beobachtungszeitraum
Abbildung 33: Streuende Messwerte
Das Streuen der Messwerte nimmt mit dem Alter der Messkette mehr und mehr zu. Dieser Effekt
ist bei Handmessgeräten besonders gut zu beobachten. Die Ursache kann eine verbrauchsbedingte Trägheit der Messkette sein. Bei kontinuierlichen Messeinrichtungen macht sich dieser Effekt
durch streuende Kalibrierdaten und meist durch zu kleine Steilheitswerte bemerkbar.
Ursache der Trägheit kann ein verbrauchter Elektrolyt oder eine z. B. mit Kalk verschmutzte
Membran sein.
Eine träge Messkette kostet nicht nur Arbeitszeit, sondern sie kann auch Probleme bei Dosier- und
Regelmesseinrichtungen verursachen.
Das Maß für die Streuung ist die Standardabweichung, z. B. s = 0,07. Dieser Wert sagt aus, dass
zwei von drei Werten maximal um pH = 0,07 vom Mittelwert der Messergebnisse abweichen.
Jeder dritte Wert weicht stärker als pH = 0,07 vom Mittelwert ab. Die LAWA empfiehlt eine Abweichung in Größe des doppelten Wertes der Standardabeichung als Warngrenze, in unserem Beispiel entspricht dies einer Abweichung von pH = 0,14. Diese Abweichung ist so groß, dass kaum
noch ein Zufall hierfür verantwortlich sein kann. Eine Wartung der Messeinrichtung ist dringend zu
empfehlen.
Weicht ein Messwert um mehr als das Dreifache vom Mittelwert ab, so liegt eine Außerkontrollsituation vor, also eine eindeutige Änderung der Messbedingungen oder der Messeinrichtung. Die Klärung der Ursache ist dringend zu empfehlen, auch wenn der Messwert selbst noch innerhalb des
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
57
1
5 Qualitätssicherung
für den Prozess zulässigen Bereiches liegt.
Driftende Messwerte
Der als „Driften“ bezeichnete Vorgang ist eine normale Eigenschaft einer Messeinrichtung. Die
Messeinrichtung (oder bei einer Regeleinrichtung das Handmessgerät) zeigt pH-Werte, die beständig zu- bzw. abnehmen.
Messgröße
Referenzwert
Messwerte
1
Beobachtungszeitraum
Abbildung 34: Driftende Messwerte
Ursache für die Drift ist in der Regel die Bezugselektrode. Der Elektrolytverlust, zunehmende Anströmempfindlichkeit und auch Vergiftungen ändern das Potenzial der Elektrode. Diese Potenzialänderung äußert sich im Driften der Messkette. Das aus dem Elektrolytverlust resultierende
Driften beschleunigt sich am Ende der Standzeit derart, dass nur noch ein Wechsel der Elektrolytlösung oder der Messkette Abhilfe schafft.
Vergiftungen entstehen, wenn z. B. Sulfidionen aus dem Wasser in die Bezugselektrode dringen
und das Silber/Silberchloridsystem in ein Silber/Silbersulfidsystem umwandeln oder das Diaphragma blockieren. Cyanidionen können das Silber/Silberchlorid-System schädigen, indem sie
das Silberchlorid auflösen.
Der Elektrolytverbrauch und die Vergiftung verursachen beim Kalibrieren einen stark verschobenen
Kettennullpunkt. Eine Anströmempfindlichkeit fällt beim Kalibrieren häufig nicht auf. Deutlich zeigt
sich der Effekt beim leichten Bewegen der Messkette im Wasser. Das Messgerät zeigt bei der bewegten Messkette andere Messwerte für das Wasser als im unbewegten Zustand.
58
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
Plötzliche Messabweichungen
Tritt eine deutliche Messwertänderung innerhalb weniger Minuten ein, ist eine elektrische Störung
wahrscheinlich. Es kann jedoch auch einfach sein, dass die Messkette nicht mehr ins Wasser
taucht.
Messgröße
Referenzwert
Messwerte
1
Beobachtungszeitraum
Abbildung 35: Plötzliche Messabweichnung
Eine elektrische Störung verursacht eine konstante Messabweichung. In vielen Fällen tritt die
Messabweichung auch periodisch bei einer ein/ausschaltenden Störspannungsquelle auf.
Extrem instabile Werte
Zeigt der Messumformer unrealistische und sehr instabile Werte an, weist dies auf einen unterbrochenen Stromkreis hin, z. B. Kabelbruch, gebrochene Messkette oder unterbrochenen Kontakt in
einer Buchse. Sehr instabile Werte liefert die Messkette auch bei einem blockierten Diaphragma,
z. B. durch Kalk, Fett oder Öl.
Keine Reaktion
Bleibt der angezeigte Messwert auch nach Wechsel der Messlösung unverändert, so ist dies ein
deutlicher Hinweis auf einen Kurz- oder Nebenschluss. Das Messgerät zeigt meist Werte im Bereich von pH = 7 ±0,5 an.
Feuchtigkeit
Dringt Feuchtigkeit in die elektrischen Verbindungen, so verhält sich die Messkette ähnlich wie eine
verbrauchte Messkette. Im Unterschied zu einer verbrauchten Messkette treten die Symptome
deutlicher und in erheblich kürzerer Zeit auf. Häufig weist die Messkette nach dem Verdunsten der
Feuchtigkeit wieder einwandfreie Werte auf.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
59
5 Qualitätssicherung
5.3.1
Kritische Einflüsse auf die Bezugselektrode
1
1
2
3
Abbildung 36: Bezugselektrode
1
Reduktion
•
•
•
•
3
Vergiftung (Elektrolyt)
•
•
•
•
•
Sulfide
Cyanide
Ammoniak
Schwermetalle
Reduktionsmittel
Beläge (Diaphragma)
•
•
•
•
60
Kurzschluss
Feuchtigkeit im Kabel/Stecker
falsche Leitung
Halbleiterschicht nicht entfernt
2
Ablagerungen
Fette
Protein
organische Substanzen
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
5.3.2
Kritische Einflüsse auf die pH-Elektrode
4
3
1
1
1
3
2
Abbildung 37: pH-Elektrode
1
Chemie
3
• Flusssäure, pH <5
• Hochkonzentrierte Alkalien
• Starke Säuren
Beläge
•
•
•
•
Kalk
Gips
Fette
Proteine
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2
Mechanisch
4
• Haarrisse
• Sand, Steine
• Vibrationen
Alterung
• hohe Temperaturen
• extreme pH-Werte
Messung des pH-Wertes
61
5 Qualitätssicherung
5.4
Reinigen
Zeigt die Messeinrichtung ein Verhalten, das auf eine gestörte Messkettenfunktion hinweist, so ist
das Reinigen eine meist wirkungsvolle Maßnahme, um die Störung zu beheben. Das Reinigungsmittel hängt grundsätzlich von der Art der Verschmutzung ab. In den meisten Fällen reicht warmes
Wasser mit etwas Haushaltsspülmittel, um Fette und Öle zu beseitigen. Kalk- oder Eisenoxidbeläge lassen sich mit Essig, Zitronensäure oder verdünnter Salzsäure entfernen.
Die Membran nie mechanisch reinigen. Auch das Ab- oder Trockenwischen der Membran kann zu
Störungen der Messfunktion führen.
Nach dem Reinigen die Messkette mit entionisiertem Wasser (destilliertes Wasser) spülen.
1
5.5
Kalibrieren
Das Kalibrieren ist nach jeder Wartung (z. B. Reinigen oder Austausch der Messkette), spätestens
nach etwa 3 bis 4 Wochen Betriebsdauer, zu empfehlen.
5.6
Lagerung der Messkette
Messketten sind nur begrenzt lagerfähig. Lagervorräte sollten nach etwa einem Jahr aufgebraucht
sein.
Eine Messkette nicht längere Zeit an einem abgeschalteten Gerät angeschlossen lassen. Die benutzte Messkette gründlich reinigen und einlagern.
Zum Lagern der Messkette
• eine evtl. vorhandene Nachfüllöffnung schließen
• die Schutzkappe mit Elektrolytlösung füllen
• die gereinigte Messkette in die Schutzkappe stecken
• bei längeren Lagerzeiten regelmäßig prüfen, ob genügend Elektrolytlösung in der Schutzkappe
ist
Die Messkette so lagern, dass keine Feuchtigkeit an den Stecker gelangt.
62
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
6 Quellenangaben
Abwasserbehandlungsanlagen sind genehmigungspflichtig. Dadurch ergeben sich für den Betreiber einer solchen Anlage eine Reihe von Pflichten. Diese sind unter anderem:
• Einleitungsgenehmigung der Behörde muss vorliegen
• bei Neuerrichtung bzw. Umbau von Anlagenteilen müssen die Einleitgenehmigungen
neu beantragt werden
• festgelegte Grenzwerte sind einzuhalten
• Abwasser ist, falls gefordert, den Anforderungen entsprechend zu untersuchen
und zu kontrollieren
• die rechtlichen Grundlagen sind in entsprechenden EU-Richtlinien, Bundesgesetzen, Landesgesetzen und kommunalen Bestimmungen festgelegt; die in der Übersicht aufgeführten EU-Richtlinien werden kurz- oder mittelfristig in nationales Recht umgesetzt
Anhand der nachfolgenden Tabellen kann man sehr gut erkennen, dass Planung, Bau, Inbetriebnahme von Abwasserbehandlungsanlagen keine leichte Aufgabe darstellen und man eine Vielzahl von Paragraphen und Bestimmungen zu beachten ist.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung des pH-Wertes
63
1
6 Quellenangaben
6.1
1
EU-Richtlinien
• Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch
(Trinkwasserverordnung - TrinkwV 2001)
• 98/83/EG
Trinkwasserrichtlinie
• DIN 19266
pH-Messung, Referenzlösungen zur Kalibrierung von pH-Messeinrichtungen,
Januar 2000
• DIN 19267
Technische Pufferlösungen vorzugsweise zur Eichung von Technischen Messanlagen,
August 1978
• DIN 19268
pH-Messung von klaren wässrigen Lösungen,
Mai 2007
• DIN 19643-1
Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser,
Teil 1 Allgemeine Anforderungen,
April 1997
• DIN 38404 Teil 5
Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Abwasser- und Schlammuntersuchung,
Physikalische und physikalisch chemische Kenngrößen (Gruppe C),
Bestimmung des pH-Wertes (C5),
Januar 1984
• ISO 10523
Water quality - Determination of pH,
1994
64
Messung des pH-Wertes
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Kapitel 2
Messung der Redoxspannung
Ulrich Braun
2
Bemerkung
Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten.
Vorwort
Neben dem pH-Wert ist die Redoxspannung eine der häufigsten Messgrößen in industriellen und
kommualen Abwasseranlagen sowie in Trink- und Badewasser-Überwachungseinrichtungen.
Die grundlegenden elektrochemischen Zusammenhänge und typische Anwendungen will dieses
Kapitel in allgemein verständlicher Form darstellen. Außerdem werden Hinweise auf den Stand der
Technik bei den Messumformern/Reglern und Sensoren für diese Messgröße gegeben.
Wir bemühen uns, diese Informationen zur Redoxspannungsmessung stets auf dem neuesten
Stand zu halten und rufen die Leserschaft dazu auf, rege an einem Erfahrungs- und Wissensaustausch mitzuarbeiten. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge entgegen.
Fulda, im April 2012
Ulrich Braun
2
Inhalt
1
Einleitung ........................................................................................ 69
1.1
Begriffsbestimmung Oxidation - Reduktion - Redox-Reaktion ................... 69
2
Grundlagen ..................................................................................... 71
2.1
Entstehung der Spannung ............................................................................... 71
2.2
Gleichungen ...................................................................................................... 75
3
Messtechnik ................................................................................... 77
3.1
Armaturen .......................................................................................................... 77
3.1.1
3.1.2
3.1.3
Eintaucharmaturen .......................................................................................................... 77
Durchflussarmaturen ....................................................................................................... 79
Wechselarmaturen .......................................................................................................... 80
3.2
Elektroden ......................................................................................................... 82
3.3
Messleitung ....................................................................................................... 83
3.4
Messumformer .................................................................................................. 83
3.5
Inbetriebnahme der Messung .......................................................................... 84
3.6
Fehlerursachen ................................................................................................. 85
3.6.1
3.6.2
3.6.3
Fehler Bezugselektrode .................................................................................................. 85
Kalibrierung ..................................................................................................................... 85
Negative Einflüsse auf die Messung ............................................................................... 86
3.7
Digitale pH-/Redox-Sensoren ......................................................................... 87
4
Anwendungen ................................................................................. 89
4.1
Cyanid-Entgiftung ............................................................................................. 89
4.2
Chromat-Reduktion .......................................................................................... 91
4.3
Nitritoxidation .................................................................................................... 92
4.4
Schwimmbadbeckenwasser-Überwachung .................................................. 94
5
Qualitätssicherung ......................................................................... 95
5.1
EU-Richtlinien ................................................................................................... 95
6
Quellenangabe ............................................................................... 97
Messung der Redoxspannung
2
Inhalt
2
Messung der Redoxspannung
1 Einleitung
1.1
Begriffsbestimmung Oxidation - Reduktion - Redox-Reaktion
Ein früher zunächst nur sehr schwer zu erklärender Vorgang war das Phänomen der Verbrennung.
Dabei nahm man an, dass jeder brennbare Stoff einen „Feuerstoff“ (Phlogiston) enthalte und dieser
bei der Verbrennung freigesetzt wird. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts erkannte der französische
Chemiker Lavoisier, dass bei der Verbrennung Sauerstoff verbraucht wurde. Er nannte diesen Vorgang Oxidation und übertrug diesen Namen auf alle Vorgänge, bei denen ein Stoff mit Sauerstoff
reagierte. Die Rückführung des entstandenen Metalloxids in seinen ursprünglichen Zustand und
später auch die Abspaltung von Sauerstoff bei einer chemischen Reaktion wurde als Reduktion
bezeichnet. Die Reduktion war somit der gegenteilige Vorgang des Begriffes Oxidation. Auch viele
andere Reaktionen der Chemie unterscheiden sich äußerlich nicht von der Verbrennung, aber an
ihnen ist kein Sauerstoff beteiligt.
Beispiele hierfür sind:
• Reaktion von erhitztem Natrium mit Chlor
• Reaktion von Wasserstoff mit Chlor
• Reaktion von Schwefel mit Chlor
Aus diesem Grund und auf Grundlagen der neuen Untersuchungsmethoden begann man den
Begriffen Oxidation und Reduktion einen neuen Sinn zu geben. Betrachtet man die Vorgänge näher, die sich bei der Verbrennung von Natrium in Chlor abspielen, erkennt man, dass das
Metallatom sein Außenelektron abgibt und zu einem positiv geladenen Ion (Kation) wird. Das
freigewordene Elektron wird vom Chloratom aufgenommen, das dadurch zu einem negativ
geladenen Ion (Anion) wird.
Chloratom (Cl -)
Chloratom (Cl)
18e -
17e17p 18nU
Elektronenaufnahme
17p+
18n0
e11p 12n0
11p +
12n0
Elektronenabgabe
10e -
11e Natriumatom (Na)
Natriumatom (Na+)
Elektronentransfer
Abbildung 1:
Anordnung der Ionen
im Kristallgitter
Kochsalzkristall
Bildung Kochsalz
Die Ursache hierfür liegt in der so genannten Oktett-Regel. Diese besagt, dass viele Atome
Moleküle oder Ionen bilden, bei denen die Anzahl der Elektronen auf der äußeren Schale der eines
Edelgases entspricht. Ihr kennzeichnendes Merkmal ist, dass die äußerste Schale komplett mit
acht Außenelektronen besetzt ist. Diese so genannte Edelgaskonfiguration stellt eine stabile
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
69
2
1 Einleitung
Konfiguration dar. Die meisten Edelgase gehen aus diesem Grund keine oder nur sehr schwer
chemischen Reaktionen mit anderen Stoffen ein.
Grundsätzlich geben Metalle bei Redoxreaktionen Elektronen ab, welche ein Reaktionspartner
aufnimmt. Bei der Reaktion von Wasserstoff mit Chlor findet zwar keine Abgabe von Elektronen
statt, stattdessen wird eine Atombindung gebildet. Dabei wird das Chloratom stärker an das Wasserstoffatom gezogen. Aufgrund dieser Tatsache hat man für diesen Vorgang, bei dem einem
Atom, Ion oder Molekül Elektronen entzogen werden, diesen Vorgang als Oxidation bezeichnet.
Oxidation
=
Elektronenabgabe
Da aber Elektronen nie allein in einem System vorkommen können, ist immer ein Partner dabei, der
diese Elektronen aufnimmt. Im Falle der Reaktion des Natriums ist es das Chloratom. Diesen Vorgang, eine Aufnahme von Elektronen bezeichnet man als Reduktion.
Reduktion
2
=
Elektronenaufnahme
Diese Vorgänge sind immer miteinander gekoppelt. Bei jeder Redox-Reaktion muss die Anzahl der
abgegebenen Elektroden gleich der aufgenommenen Elektronen sein. Man spricht daher auch von
einer Elektronenübertragung.
Redox-Reaktion
=
Elektronenübertragung
Für das oben aufgeführte Beispiel kann man auch sagen, dass das Natrium oxidiert, und dass das
Chlor reduziert worden ist.
+
Na  Na + e
-
Cl + e  Cl
-
(1)
-
Andere typische Beispiele von Redox-Reaktionen sind
• Auflösen von Metallen in Säure
• Oxidation von Eisen-(II) zu Eisen-(III) durch Kaliumpermanganat (KMnO4)
• Oxidation von schwefliger Säure (H2SO3) zu Schwefelsäure (H2SO4) durch KMnO4
70 Messung der Redoxspannung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.1
Entstehung der Spannung
Substanzen, die anderen Stoffen Elektronen wegnehmen können (sie oxidieren können), werden
als Oxidationsmittel bezeichnet. Es sind also nicht nur Stoffe, die leicht Sauerstoff abgeben
können, z. B. Wasserstoffperoxid oder Kaliumpermanganat, sondern alle Stoffe, die in der Lage
sind Elektronen aufzunehmen. Auf der anderen Seite sind alle Stoffe, denen leicht Elektronen entzogen werden können, als Reduktionsmittel zu bezeichnen.
Am Ende des vorigen Kapitels haben wir bereits einige Vorgänge kennengelernt, die druch RedoxReaktionen hervorgerufen werden. Aber auch die bekannten Erscheinungen
• Rosten von Eisen oder
• Grünspanbildung bei Kupferdächern
beruhen auf Redox-Reaktionen.
In der Technik von großer Bedeutung ist die Reduktion von Metalloxiden mit unedlen Metallen. Ein
Beispiel für solch eine Reaktion ist der Hochofenprozess für die Stahlgewinnung. Dabei kommt es
zu einer Redox-Reaktion zwischen den Eisenoxid-Erzen und der zugefügten Kohle als Reduktionsmittel.
Bei den Verdrängungsreaktionen fällt auf, dass man die Stärke von Oxidations- und Reduktionsmitteln leicht in einer „Redoxreihe“ festlegen kann. Dies erreicht man durch einen Vergleich ihrer
Redoxpotenziale. Anhand dieser Redoxreihe kann man den oxidierenden oder reduzierenden
Charakter einer Spezies ablesen.
Reduktionspotenzial
nimmt zu
Tabelle 1:
Metall
Normalpotenzial
in Volt
Redoxsystem
Lithium
-3,05
Li
Kalium
-2,92
K
Calcium
-2,76
Ca
Natrium
-2,71
Na
Magnesium
-2,34
Mg
Aluminium
-1,67
Al
Mangan
-1,05
Mn
Zink
-0,76
Zn
Chrom
-0,56
Cr
Eisen
-0,44
Fe
Kobalt
-0,28
Co
Nickel
-0,23
Ni
Zinn
-0,14
Sn
Blei
-0,12
Pb
Wasserstoff
0,00
1/2H2  H+
Kupfer
+0,35
Cu
Silber
+0,80
Ag
Quecksilber
+0,85
Hg
Platin
+1,2
Pt
Gold
+1,36
Au



















Oxidationspotenzial
nimmt zu
Li+
+ e-
K+
+ e-
Ca2+ + 2 eNa+
+ e-
Mg2+ + 2 eAl3+
+ 3 e-
Mn2+ + 2 eZn2+
+ 2 e-
Cr3+
+ 3 e-
Fe2+
+ 2 e-
Co2+ + 2 eNi2+
+ 2 e-
Sn2+ + 2 ePb2+ + 2 e+ e-
Cu2+ + 2 eAg+
+ e-
Hg2+ + 2 ePt2+
+ 2 e-
Au3+ + 3 e-
Elektrochemische Spannungsreihe
Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
71
2
2 Grundlagen
Folgende Bedeutungen können wir aus dieser Reihe entnehmen:
• auf der linken Seite steht die reduzierte Form
• auf der rechten Seite die oxidierte Form und die Anzahl der abgegebenen Elektronen
• von oben nach unter nimmt das Oxidationspotenzial zu,
d. h. es wird immer schwerer die Elektronen abzugeben
Li ist das Reduktionsmittel (reduzierte Form), das addiert werden kann und Li+ das Oxidationsmittel
(oxidierte Form), das reduziert werden kann.
2
Jedes Metall verdrängt das in der Reihe über ihm stehende Metall aus seiner Salzlösung. Häufig
spricht man von edlen und unedlen Metallen. Die edlen, chemisch nur schwer angreifbaren Metalle
stehen unten in der Spannungsreihe: Silber (Ag), Gold (Au), Platin (Pt).
Dementsprechend sind an der Spitze die unedlen Metalle angesiedelt: Natrium (Na), Kalium (K),
Magnesium (Mg).
Die Ursache für das Entstehen dieser Redox-Spannung ist also im unterschiedlichen Verhalten der
Metalle zu sehen. Ob jetzt ein Metall als Oxidations- oder als Reduktionsmittel wirkt, ist sehr stark
vom Reaktionspartner abhängig. Als Beispiel soll die Reaktion von Kupfer (Cu) mit Silber (Ag) näher
betrachtet werden.
Reaktion Cu/Ag:
Cu + 2 Ag
+
 Cu
2+
+ 2 Ag 
(1)
In dieser Gleichung wirkt Kupfer gegenüber Silber als Reduktionsmittel und es ändern sich die
Oxidationsstufen der eingesetzten Metalle. Dabei ändert sich die Oxidationsstufe des Kupfers von
0 auf +2. Das Silber ändert sich von +1 auf 0. Kupfer gibt also Elektronen ab, die vom Silber
aufgenommen werden.
Ein weiteres Beispiel eines Kupfer-Zink-Elementes zeigt ein anderes Verhalten.
Zn + Cu
2+
 Zn
2+
+ Cu 
(2)
In diesem Fall nimmt das Kupfer Elektronen vom Zink auf und wirkt somit als Oxidationsmittel.
Das Kupfer ändert hier seine Oxidationsstufe von +2 auf 0, während das Zink seine von 0 auf +2
ändert und in Lösung geht.
Den Übergang in eine andere Oxidationsstufe kann man quantitativ und qualitativ erfassen. Für die
oben beschriebenen Reaktionen heißt das: Das Bestreben des Kupfers in den Ionenzustand zu
gehen, hängt in hohem Maße von der Konzentration des Kupfers in der Lösung ab. Je höher die
Konzentration an Kupferionen in der Lösung, desto schwieriger wird es für das Kupfer in Lösung zu
gehen. Für die Messung der Spannungen werden üblicherweise Lösungen mit einer Konzentration
von 1 mol/l verwendet. Der Aufbau einer solchen Messzelle aus einem Metall und seiner entsprechenden Salzlösung nennt man Halbelement (Abbildung 2).
Um die Spannung zu messen, werden zwei Halbelemente zu einem Element zusammengeschlossen. Die zwischen den Metallstäben auftretende Spannung wird als Maß, für das Bestreben eines
Stoffes in Lösung zu gehen, herangezogen. Eine aus zwei Halbelementen zusammengesetzte Zelle
72 Messung der Redoxspannung
Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
wird auch galvanische Zelle genannt. Dabei wird chemische Energie (in Form der Salzlösungen) in
elektrische Energie (Gleichspannung) umgewandelt.
Zn
Pt
Wasserstoff
Zink-Elektrode
++
Zn
Zn
Zn
++
Zn
Zinksulfatlösung
Abbildung 2:
Platinblech
Salzsäure
2
Halbelement (links) und Normal-Wasserstoff-Elektrode (rechts)
Die bekannteste galvanische Zelle ist die Taschenlampenbatterie. In ihr wird aus einem ZinkManganoxid/Kohle-Element die Spannung von 1,5 V erzeugt. Im allgemeinen wird dieses Element
daher auch als „Zink-Kohle-Batterie“ bezeichnet. In Abbildung 3 ist der schemasche Aufbau der
Batterie dargestellt.
1
2
3
4
5
6
Abbildung 3:
1
3
5
Zink-Kohle-Batterie
Metallkappe (+)
Zinkbecher (Anode)
mit Ammoniumchlorid getränkte Pappe
(Elektrolyt)
Ausgabe 2012-04
2
4
6
Kohlestab (Kathode)
Mangan(IV)oxid
Metallboden (-)
Messung der Redoxspannung
73
2 Grundlagen
Für wissenschaftliche Arbeiten hat sich als zweites Halbelement die Normal-Wasserstoff-Elektrode
(NWE) durchgesetzt. Alles was bisher über Metalle gesagt worden ist, trifft auch für den Wasserstoff zu. Das Potenzial (Spannung) wurde willkürlich für die NWE gleich Null gesetzt und ist der
Referenzpunkt für die Ermittlung der Spannungswerte. Die so erhaltenen Spannungen werden als
Standard- oder Normalpotenziale bezeichnet. Die Spannungen sind umso höher, je weiter die
beiden Normalpotenziale auseinanderliegen. Alle Metalle, die in der Reihe über dem Wasserstoff
stehen, verdrängen diesen aus verdünnten Säuren. So löst sich ein Zinkblech in einer verdünnten
Salzsäurelösung unter Wasserstoffbildung auf. Wiederholt man den gleichen Versuch mit einem
Kupferblech passiert nichts, weil Kupfer in der Reihe unter dem Wasserstoff steht und daher keine
Elektronen an diesen abgeben kann. Da die Handhabung einer NWE für industrielle Anwendungen
nicht geeignet ist, wird in der industriellen Messtechnik auf andere Bezugssysteme zurückgegriffen. Als ein Standard hat sich hierbei die Silber-Silberchlorid-Bezugselektrode (Ag/AgCl)
etabliert (Abbildung 4).
2
Abbildung 4:
Bezugselektrode
74 Messung der Redoxspannung
Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.2
Gleichungen
Zahlenmäßig zu erfassen, ist dies über die aus der pH-Messung bekannte Nernst-Gleichung:
RT
E = E 0 – ------- In K
nF
(3)
Bei 25 °C erhält man mit dem Zehnerlogarithmus:
[D]K = [C]
-----------------[A] [B]
0,059
E = E 0 – --------------- Ig K
n
(4)
K = Gleichgewichtskonstante der Reaktion
n = Anzahl der Elektronen
Mit Hilfe der Nernst-Gleichung kann nun rechnerisch der Wert bei unterschiedlichen Konzentrationen1 ermittelt werden. Der Temperatureinfluss auf das Redoxpotenzial ergibt sich aus der
Nernst-Gleichung. Zusätzlich kann die Gleichgewichtslage einer Redoxreaktion durch den pH-Wert
beinflusst werden. Zusammen mit dem Redoxpotenzial gibt man daher noch Temperatur und pHWert an.
Beispiel
Galvanisches Zn/Cu-Element, c = 1 mol/l für beide Lösungen
Reaktionsgleichung:
Zn + Cu
2+
A+B
Zn
2+
+ Cu
(5)
C+D
Die Konzentration von festen Stoffen ist unveränderlich und wird gleich 1 gesetzt. Zn und Cu entfallen. Dadurch ergibt sich für die obige Gleichung folgende Formel:
2+
0,059
Zn
Cu
E = E 0 – --------------- lg ----------------------2+
n
Zn Cu
0,059
1
E = E 0 – --------------- lg --n
1
2+
0,059
cZn
E = E 0 – --------------- lg --------------2+
n
cCu
(6)
0,059
E = 1,10V – --------------- 0 = 1,10V
2
Ändert man jetzt die Konzentration der Kupfersulfatlösung auf einen Wert von c = 0,01 mol/l,
ändert sich der Wert für das erhaltene Normalpotenzial wie folgt:
1
Statt der Aktivität der Komponenten wurde hier näherungsweise die Konzentration verwendet.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
75
2
2 Grundlagen
0,059
1
E = 1,10V – --------------- lg ----------2
0,01
(7)
0,059
E = 1,10V – --------------- lg 100
2
E = 1,10V – 0,059 = 1,04V
Die Spannung ist kleiner geworden. Die Reaktion hat nicht mehr die gleich große Triebkraft wie zu
Anfang mit der konzentrierten Lösung. Hieraus ist aber ersichtlich, dass man mit Hilfe der Normalpotenziale und der Konzentration der beteiligten Lösungen die Spannung des jeweiligen RedoxSystems auch rechnerisch ermitteln kann. Die hierbei erzeugte Spannung bezeichnet man auch als
elektromotorische Kraft (EMK).
2
76 Messung der Redoxspannung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
Die einzelnen Bestandteile, die zur ordnungsgemäßen Funktion einer Redox-Messung benötigt
werden, sollen im Folgenden ausführlicher vorgestellt werden.
3.1
Armaturen
Elektrochemische Sensoren sind empfindliche Messgeräte. Um diese zum einen optimal in den
Prozess einbinden zu können und zum anderen vor mechanischer Beschädigung zu schützen, ist
der Einsatz von entsprechenden Armaturen notwendig. Durch optionale Zubehörteile wird zudem
verhindert, dass die Sensoren bei abgelassenem Tank „trocken stehen“ und der Sensor zerstört
wird. Andererseits sollte eine möglichst „trockene“ Entnahme des Sensors zur Prüfung, Reinigung
und Kalibrierung möglich sein. Deshalb sind in der Förderleitung Absperrventile und eine passende
Rohrleitungsführung vorzusehen. Bei Leitungen mit höherem Druck müssen die Sensoren vor
Druckschlägen (Pumpenlauf oder Ventilabschaltungen) geschützt werden. Elektrochemische Sensoren sind optimaler Weise drucklos in einem Bypass zu montieren. Armaturen für einen Sensor
sind zum Einsatz von pH- und Redox-Einstabmessketten geeignet. Es lassen sich typischerweise
drei Arten von Armaturen unterscheiden:
• Eintaucharmaturen
• Durchflussarmaturen und
• Wechselarmaturen
3.1.1
Eintaucharmaturen
Eintauch-Armaturen ermöglichen nicht nur eine Messung an der Oberfläche der Flüssigkeit, sondern auch in der Tiefe. Diverse Befestigungselemente und Zubehörteile ermöglichen die Montage
an fast allen Behältern. Gebräuchlicherweise werden die Eintaucharmaturen aus Polypropylen (PP)
gefertigt und in Eintauchlängen bis 2000 mm geliefert. Es stehen für besondere Zwecke aber auch
andere Materialien (z. B. Edelstahl 1.4404) zur Verfügung. Enthält das Prozessmedium verschmutzende und verblockende Inhaltsstoffe, die die Sensorspitze und das Diaphragma des Sensors verblocken, so ist von Zeit zu Zeit eine Sensorreinigung erforderlich. Um diese Reinigung automatisiert durchzuführen, können Eintaucharmaturen mit einer Sprühreinigung ausgestattet werden
(Abbildung 5). Dazu wird über eine Zuleitung das gewünschte Reinigungsmittel (z. B. Wasser, verdünnte Salzsäure) oder Luft druckbeaufschlagt über eine Reinigungsdüse an die Sensorspitze
geführt. Die Reinigung findet direkt im Prozess statt. Die Reinigungsflüssigkeit wird folglich in den
Prozess eingeblasen. Er ist hierbei zu berücksichtigen, dass der Prozess durch das Reinigungsmittel verunreinigt wird. Diese Art der Reinigung ist in Wasser- und Abwasseranwendungen eher
unbedenklich, verhindert jedoch den Einsatz in hygienischen Anwendungen. Zudem ist die
Reinigungswirkung per se begrenzt.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
77
2
3 Messtechnik
Abbildung 5:
2
Eintaucharmatur Typ 202821 mit integrierten Sprühreinigungsdüsen
Wird der Behälter oder Tank diskontinuierlich betrieben, so muss sichergestellt werden, dass die
Sonde nach dem Entleeren nicht trocken steht. Zu diesem Zweck können Eintaucharmaturen mit
einer sogenannten Nasshalteschale ausgerüstet werden. Diese wird am unteren Ende der Armatur
(Abbildung 6) mittig befestigt und funktioniert nach dem Prinzip einer Schaukel. Die Schale besitzt
an einer Seite einen Schwimmkörper. Ist der Behälter mit Flüssigkeit gefüllt, bewirkt der Auftrieb
des Schwimmers, dass die Nasshalteschale sich vom Sensor wegdreht (Abbildung 6, links). Beim
Entleeren des Behälters hingegen schwingt die Nasshalteschale zurück und stülpt sich über die
Sensorspitze. Die verbliebene Restflüssigkeit in der Schale verhindert in diesem Fall das
Austrocknen des Sensors (Abbildung 6, rechts).
Abbildung 6:
Einsatz einer Nasshalteschale bei gefülltem Behälter (links)
und bei entleertem Behälter (rechts)
78 Messung der Redoxspannung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.1.2
Durchflussarmaturen
Durchflussarmaturen ermöglichen die Messung direkt in Rohrleitungen oder im Bypass dieser Leitungen. Sie schützen die eingebauten Sensoren vor Bruch und sorgen durch Ihre spezielle Bauform für eine korrekte Anströmung des Sensors zur Vermeidung von Messfehlern. Sie sind für den
Einbau von drei Messsensoren (Abbildung 7, links) oder einem Messsensor (Abbildung 7, rechts)
erhältlich. Durch sofortiges Reagieren des Sensors auf Messwertänderungen im Medium werden
die Totzeiten in der Regelstrecke gering gehalten. Bei Armaturen ohne eigenem Durchflussgefäß
muss bauseits sichergestellt werden, dass der Sensor nicht „trocken steht“ (Einbaubeispiel siehe
Abbildung 8).
2
Abbildung 7:
Durchflussarmatur Typ 202810/03 mit durchsichtigem Schauglas
für den Einsatz von bis zu drei Sensoren (links)
Ein syphonartiger Aufbau stellt sicher, dass die Sensoren auch bei Unterbrechung
des Durchflusses nicht trocken stehen (links)
und Schrägsitzarmatur Typ 202810/01 für einen Sensor (rechts)
Abbildung 8:
Einbaubeispiel Schrägsitzarmatur Typ 202810/01
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
79
3 Messtechnik
3.1.3
Wechselarmaturen
Für Anwendungen, die keine Unterbrechung des Mediumflusses erlauben, ist der Einsatz von
Wechselarmaturen sinnvoll. Diese fungieren als „Schleuse“ und ermöglichen das Herausnehmen
der Sensoren aus dem Medium zwecks Reinigung, Kalibrierung oder Sensorwechsel unter Prozessbedingungen, ohne durch Absperrventile den Mediumfluss zu unterbrechen. Auch ist ein seitlicher Einbau in einen Behälter möglich, welcher dann eine Sensorentnahme ohne vorherige Behälterentleerung erlaubt. Wechselarmaturen können manuell oder pneumatisch betrieben werden. Zur
optimalen Anbindung an den Prozess stehen dem Anwender unterschiedliche Materialien und Anschlussvarianten zur Verfügung. Einige Varianten bieten zudem eine mechanische Sicherungseinrichtung, die das Einfahren des Tauchrohres der Armatur in den Prozess verhindert, sobald kein
Sensor eingebaut ist. Dies schützt den Bediener vor unbeabsichtigtem Kontakt mit dem Messmedium.
2
1
2
3
4
Abbildung 9:
1
3
JUMO Manuelle Wechselarmatur Typ 202822 (links) und JUMO pneumatische
Wechselarmatur Typ 202823 mit integrierter Spülkammer und Einfahrsperre
bei eingebautem Sensor (rechts)
Antriebseinheit mit Anschlüssen
Spülanschluss „OUT“
2
4
Spülanschlüsse „IN“
Tauchrohr (in Position „Messen“)
Im Gegensatz zur manuellen Wechselarmatur (Abbildung 9, links) lässt sich mit einer pneumatisch
betriebenen Wechselarmatur (Abbildung 9, rechts) mit integrierter Spülkammer die Reinigung des
Sensors automatisieren. Zum Einsatz kommt diese Art von Armatur bei anspruchsvollen Prozessen, bei denen der Sensor besonderen Belastungen ausgesetzt ist und innerhalb kürzester Zeit
verschmutzt (z. B. Messung in der Rauchgaswäsche, wo Feststoffpartikel am Sensor anbacken).
Der Sensor ist (wie auch bei der manuellen Version) in einem beweglichen Tauchrohr (4) fixiert. Um
ihn in den Prozess zu fahren, wird über Pneumatikanschlüsse der Antriebseinheit (1) der Armatur
80 Messung der Redoxspannung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
Druckluft zugeführt. Der pneumatische Antrieb fährt das Tauchrohr zusammen mit dem Sensor in
das Prozessmedium. Ist eine Reinigung des Sensors erforderlich, wird der Sensor aus dem Prozess in die Position „Service“ hinein in die Spülkammer der Armatur gefahren. Das Tauchrohr verschließt die Kammer zum Prozess hin. Diese wird durch Dichtungen geschützt, damit keine Prozessflüssigkeit eintreten kann. Beim Erreichen der „Service“ Position befindet sich die Sensorspitze nun in der Spülkammer der Wechselarmatur. Dieser kann durch einen externern Spülanschluss
[„IN“ (2)] eine Reinigungsflüssigkeit druckbeaufschlagt zugeführt werden. Im Inneren der
Spülkammer richten Düsen die Reinigungslösung gezielt auf den Sensor und erlauben eine optimierte Reinigung des Sensors von Belägen und Verschmutzungen. Nach erfolgter Reinigung wird
der Sensor durch die Antriebseinheit wieder in die Position „Messen“ gefahren.
Abbildung 10 zeigt die schematische Darstellung einer vollautomatischen Reinigung mit der
pneumatischen Wechselarmatur Typ 202823, einer optionalen Steuereinheit für die automatische
Steuerung und Überwachung der Wechselarmatur und Reinigungsventile sowie den Messumformer JUMO AQUIS 500 pH mit Waschkontakt zum Starten der Steuereinheit. Die Steuereinheit enthält eine vorkonfigurierte Reinigungssequenz mit Vor- und Nachreinigungsfunktion, die sich in der
Praxis bewährt hat. Die Reinigungszeiten für bis zu zwei Reinigungslösungen, Messintervalle und
Startzeiten können an die jeweilige Anforderung angepasst werden.
2
Abbildung 10: Schematische Darstellung einer vollautomatischen Reinigung
mit Messumformer JUMO AQUIS 500 pH, Steuerung,
Wechselarmatur Typ 202823, Steuereinheit und Reinigungsventilen
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
81
3 Messtechnik
3.2
Elektroden
Metallelektroden bestehen aus einem Glas- oder Kunststoffschaft, an dessen unterem Ende ein
Metallstück bestimmter Form eingeschmolzen ist (Pt-Kuppe, Pt- oder Au-Stift). In Verbindung mit
einer Bezugselektrode entsteht eine komplette Messkette.
Abbildung 11: Platin-Metallelektrode
2
Die Bezugselektrode hat die Aufgabe, bei potenziometrischen Messungen ein konstantes Potenzial zu liefern, gegen welches das Potenzial der Metallelektrode gemessen wird. Sie besteht aus
einem Glas- oder Kunststoffschaft, der mit dem Bezugselektrolyten (häufig 3 molare bzw. gesättigte Kaliumchloridlösung flüssig oder geliert oder mit einem Kaliumchlorid-Festelektrolyt) gefüllt und
mit einem Ableitsystem versehen ist. Ein Diaphragma (Keramik, Glasseide oder PTFE) in der
Schaftwand, stellt die leitende Verbindung zwischen dem Elektrolyten und dem Messmedium her.
Abbildung 12: Bezugselektrode
Eine Redox-Einstabmesskette enthält Metall- und Bezugselektrode in einem Schaft und stellt
somit eine komplette Messkette dar. Es wird nur eine Einbaustelle benötigt.
Abbildung 13: Redox-Einstabmesskette
82 Messung der Redoxspannung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.3
Messleitung
Um eine einwandfreie Übertragung des Messsignals zu erhalten, werden in der pH- und RedoxMesstechnik nur spezielle Koaxialleitungen verwendet. Sie stellen die elektrische Verbindung zwischen dem Sensor und dem Messumformer her.
Die Leitungen weisen einen speziellen Aufbau auf. Zusätzlich zu einer Kupferschirmung ist eine
halbleitende Schicht vorhanden. Ungeeignet sind handelsübliche Antennen- oder Computerkabel.
Die Kabel dürfen nicht über Klemmen geführt werden. Außerdem ist die Kabelleitungslänge möglichst kurz zu halten – alleine schon wegen der Notwendigkeit der Messkettenkalibrierung.
Bei Leitungslängen > 15 m wird der Einsatz eines Impedanzwandlers (JUMO-Typenblatt 202995)
empfohlen. Dieser wird direkt auf die Elektrode aufgeschraubt und kann bei Redox-Messungen zur
Stabilisierung des Signales verwendet werden. Zudem erlaubt er die fehlerfreie Messwertübertragung an einen nachgeschalteten Messumformer.
3.4
Messumformer
Regelung
Der Messumformer hat die Aufgabe, das Signal der Redox-Elektrode aufzubereiten. Im einfachsten
Fall ist dies mit einem Zweidraht-Messumformer zu realisieren. Hierbei wird das Elektrodensignal in
ein Signal von 4 ... 20 mA umgewandelt und kann so direkt an eine nachgeschaltete SPS weitergegeben werden. Hier wird der Redox-Wert angezeigt und geregelt.
Ist eine Anzeige vor Ort erforderlich, kommen Schalttafeleinbaugeräte zum Einsatz. Für die
Montage vor Ort sind Geräte mit Vor-Ort-Gehäusen oder separate Aufbaugehäuse lieferbar.
Die meisten der heute erhältlichen Geräte sind Mikroprozessorgeräte, die individuell an die
jeweilige Messstrecke angepasst werden können. Der Messbereich liegt im Bereich von ±1200 mV.
Für die Regelung einer Redox-Reaktion kommen Grenzwertregler zum Einsatz. Eine punktgenaue
Dosierung der eingesetzten Chemikalien ist meist nicht erforderlich. Ein Überschwingen des
Redox-Wertes ist nicht so problematisch wie bei der pH-Messung, da z. B. bei Entgiftungsreaktionen im Allgemeinen ein Überschuss des Entgiftungsmittels eingesetzt wird.
Der Einsatz eines Impedanzwandler ist normalerweise nicht notwendig. Er kann aber gerade bei
großen Leitungslängen verwendet werden, um das Signal der Messung zu stabilisieren.
Abbildung 14: JUMO AQUIS 500 pH (links), JUMO ecoTRANS pH 03 (mitte) und
JUMO dTRANS pH 02 (rechts)
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
83
2
3 Messtechnik
3.5
Inbetriebnahme der Messung
Je nach Anwendungsfall muss für die Redoxmessung auch auf die richtige Wahl der Elektrode
geachtet werden. Für stark oxidierende Medien, wie z. B. die Chromatreduktion oder die
Cyanidentgiftung, eignen sich Goldelektroden bzw. Einstabmessketten mit Goldstiften. Für Anwendungen im Schwimmbadbereich oder bei der Nitritoxidation kommen Elektroden mit Platin als
Elektrodenmetall zum Einsatz. Ein weiteres wichtiges Kriterium stellen der Elektrolyt und das Diaphragma dar. Für Mediumstemperaturen bis 90 °C können gel-gefüllte Elektroden verwendet werden. Liegen die Temperaturen höher, empfiehlt sich der Einsatz von Flüssig-KCl-Elektroden oder
der Einsatz von Einstabmessketten mit speziellem Hochtemperatur-Elektrolyten. Ist das Messmedium mit starken Verunreinigungen behaftet, werden Elektroden mit Schmutz abweisendem
PTFE-Diaphragma eingesetzt. Es können aber auch Einstabmessketten mit einem festen Bezugselektrolyt und Loch- oder Ringspalt-Diaphragma verwendet werden. Hier ist eine „offene Verbindung“ zwischen Messmedium und Elektrolyt vorhanden. Besteht die Gefahr der Verblockung
durch Ausfällungen oder Ähnliches nicht, kann die Elektrode mit einem Keramik-Diaphragma versehen sein.
2
Hat man die geeignete Elektrode ausgewählt, so ist beim Einbau der Elektrode darauf zu achten,
dass das Metallteil und das Diaphragma gut in die Messlösung eintauchen, da sonst die Messung
nicht funktioniert. Bei industriellen Anwendungen (z. B. Entgiftungsreaktionen) empfiehlt sich der
Einsatz eines Reinigungssprühkopfes um anfallende Verunreinigungen zu entfernen.
Eine Kalibrierung zu Beginn der Messung, wie bei pH-Messungen üblich, ist nicht notwendig. Die
Elektroden sind sofort einsatzbereit. Sollte sich der Messwert nur langsam einstellen, so kann die
Ursache hierfür in einer Passivierung der Metalloberfläche liegen. Abhilfe kann man hier schaffen,
in dem man die Elektrodenoberfläche vorbehandelt.
Hinweise hierzu enthält z. B. die DIN 38404, Teil 6:
•
•
•
•
Entfetten und Reinigen mit Reinigungsmitteln
Spülen mit Wasser
Behandeln mit Salzsäure
Spülen mit Wasser
Die weitere Vorbehandlung richtet sich nach der Höhe der zu erwartenden Redox-Spannung und
nach der verwendeten Metallelektrode. Bei Einsatz von Goldelektroden ist keine weitere Vorbehandlung notwendig.
Platinelektroden werden wie folgt weiterbehandelt:
• bei Messung im oxidierenden Medium:
Spülen mit einer Ammoniak-Lösung, w(NH3) = 25 %
• bei Messung im reduzierenden Medium:
Spülen mit Eisen(II)-sulfat- oder Eisen(III)-citrat-Lösung, Spülen mit Wasser in beiden Fällen
Hat man diese Hinweise beherzigt, steht einer fehlerfreien Redoxmessung nichts mehr im Wege.
84 Messung der Redoxspannung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.6
Fehlerursachen
3.6.1
Fehler Bezugselektrode
Steilheitsänderungen kommen bei Redoxelektroden nicht vor. Treten trotzdem falsche Messwerte
auf, so ist meist eine verschmutzte (kontaminierte) Oberfläche der Elektrode hierfür verantwortlich.
Abhilfe kann hier leicht erreicht werden, indem man die Elektrode einer Reinigung unterzieht (destilliertes Wasser, Überschleifen des Elektrodenmetalls mit feinem Scheuerpulver ohne Bleichmittel
auf Chlor- oder Sauerstoffbasis).
Das Ansprechverhalten der Elektrodenmetalle Gold und Platin hängt von deren Vorgeschichte und
Vorbehandlung ab. Bei einem Wechsel des Mediums mit oxidierenden Eigenschaften zu einem
Medium mit reduzierenden Eigenschaften oder umgekeht, muss ggf. eine längere Wartezeit in Kauf
genommen werden, bis sich ein konstantes Potenzial einstellt. Dies gilt z. B. auch für die JUMOPufferlösung 468 mV.
Auch bei den vermeintlich inerten Metallen Gold und Platin kann ein oxidierendes Medium zu einer
Veränderung der Oberfläche (Bildung einer Oxidschicht) führen. Platin kann in stark reduzierenden
Lösungen Hydride bilden. Die Oberfläche von Redoxelektroden stellt sich erst allmählich auf ein
neues Medium ein. Um diese Zeit abzukürzen, kann man die in DIN 38404, Teil 6 empfohlenen Vorbehandlungen für oxidierende bzw. reduzierende Medien einsetzen (Kapitel 3.5 „Inbetriebnahme
der Messung“).
Pauschale Ratschläge können hier nicht gegeben werden. Die Vorbehandlung ist von dem vorliegenden Messmedium abhängig, ggf. muss eine geeignete Vorbehandlung durch eigene Versuche ermittelt werden. Die Vorbehandlung, die sich als beste Möglichkeit erwiesen hat, sollte dann
immer in der gleichen Weise praktiziert werden.
Die beschriebenen Oberflächenphänomene an den Elektrodenmetallen können dazu führen, dass
die Redoxpotenziale machmal relativ schlecht reproduzierbar sind. Abweichungen von ±25 mV
gelten als normal. Gut reproduzierbare Ergebnisse erhält man nur in stark beschwerten Redoxsystemen mit guter Reversibilität. Der Begriff „Beschwerung“ bei Redoxsystemen findet seine Analogie in „Pufferung“ bei Säure-/Basen-Systemen. Bei maximal beschwerten Systemen gilt
cred = cox , hierzu gehören beispielsweise auch Redoxpuffer.
3.6.2
Kalibrierung
Bei einer Verschiebung der Messwerte kann man eine Ein-Punkt-Kalibrierung durchführen. Bei der
Ein-Punkt-Kalbrierung wird der Elektroden-Nullpunkt mit Hilfe einer Pufferlösung (z. B. JUMOPufferlösung 468 mV) neu bestimmt. Der Abgleich auf den neuen Nullpunkt geschieht automatisch
im Messumformer nach Starten des Kalibrierprozesses.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
85
2
3 Messtechnik
3.6.3
Negative Einflüsse auf die Messung
1
2
2
3
Abbildung 15: Kritische Einflüsse auf das Bezugssystem
1
Reduktion
•
•
•
•
3
Kurzschluss
Feuchtigkeit im Kabel/Stecker
Falsche Leitung
Halbleiterschicht nicht entfernt
2
Vergiftung (Elektrolyt)
•
•
•
•
•
Sulfide
Cyanide
Ammoniak
Schwermetalle
Reduktionsmittel
Beläge (Diaphragma)
•
•
•
•
Ablagerungen
Fette
Protein
Organische Substanzen
Fehlfunktion im Bezugssystem durch
• Feuchtigkeit in der Leitung
• falsche Kontaktierung
• Halbleiterschicht nicht entfernt
• Nebenschluss im Steckerkopf
86 Messung der Redoxspannung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.7
Digitale pH-/Redox-Sensoren
Die Miniaturisierung leistungsfähiger Elektronik ist in den letzten Jahren stark vorangeschritten.
Dies hat auch die Entwickler von Sensoren und Messgeräten dazu beflügelt, neue Ansätze bei der
Messwertbestimmung zu suchen.
Der klassische Aufbau der analogen Messtechnik – insbesondere bei elektrochemischen Messgrößen wie pH und Redox – ist die Trennung des Sensors von weiterführender Elektronik. Dies hat
gute Gründe. Die meisten elektrochemischen Sensoren haben ein vergleichsweise kurzes „Leben“,
da es sich um Verschleißteile handelt. In bestimmten Anwendungen haben pH-Sensoren oft nur
eine Lebensdauer von wenigen Wochen und Monaten. Eine im Sensor integrierte elektronische
Schaltung zur Vorverstärkung oder digitalen Messwertumformung wird damit ebenfalls zum
„Wegwerfprodukt“. Ist der Sensor verschlissen, so werden alle Teile zu Sondermüll. Neben der
ökologischen Seite ist es auch eine ökonomische Frage, ob dies der Anwender auf Dauer möchte.
Alles hat seinen Preis: Die Sensoren mit integrierter digitaler Elektronik sind deutlich teurer als
herkömmliche analoge.
In einigen Nischenanwendungen oder bestimmten Prozessbereichen kann es sinnvoll sein, dass
der Sensor durch eine „Elektronik an Bord“ bestimmte Betriebsdaten, Maximal- und Minimalwerte
oder Grenztemperaturen abspeichert. Solche Daten bringen aber meist nur dem Sensorhersteller
Vorteile: Er kann schnell sehen, ob der Kunde den Sensor stark belastet hat. Damit lassen sich
Gewährleistungsansprüche leichter ablehnen.
Ein echter Vorteil kann sein, dass der Sensor bereits im Betriebslabor kalibriert werden kann. Bei
Messpunkten im Freien oder an schwer zugänglichen Orten wird es der Anwender zu schätzen
wissen, wenn er nicht mit Puffer- und Prüflösungen bei Minustemperaturen hantieren muss.
Nicht zu unterschätzen ist auch die verbesserte Signalübertragung. Ein digitalisiertes Sensorsignal
hat bei der Übertragung Vorteile gegenüber hochohmigen analogen Sensor-Originalsignalen.
Ein Nachteil aller am Markt heute schon erhältlichen digitalen Sensorsysteme ist die fehlende
Absprache der Hersteller untereinander. Die Systeme sind durch die Bank weg proprietär, d. h.
man kann die Sensoren verschiedener Hersteller nicht untereinander austauschen. Die Variantenvielfalt ist oft noch sehr eingeschränkt. Hat man mit den Sensoren eines Herstellers Probleme,
kann man nicht einfach zu einem Sensor eines anderen Herstellers greifen. Gleiches gilt für das
damit verbundere Preis- und Belieferungsdiktat. Damit begibt man sich freiwillig in eine absolute
Abhängigkeit von einem bestimmten Elektrodenhersteller.
Lockangebote („undles“) sollen den Kunden für ein solches digitales Paket bestehend aus Sensor,
Kabel und Messverstärker (warum wird der eigentlich noch benötigt?) begeistern. Spätestens beim
Nachkaufen der verschlissenen Sensoren wird dann richtig Geld verdient. Die Vorgehensweise
wurde hier wohl von den Tintenstrahldruckern abgeschaut – verdient wird mit der Tintenpatrone
(= Verschleissteil) und nicht am Gerät.
Der Anwender muss sich also die Frage stellen, ob ein schneller Einstieg in eines der digitalen Sensorsysteme für den eigenen Anwendungsbereich aus ökonomischer, ökologischer und technischer
Sicht sinnvoll und notwendig ist.
In den meisten Anwendungen sind die Vorteile eines digitalisierten pH- oder Redox-Sensors unterrangig. Der analoge Sensor mit seiner herstellerunabhängigen Verfügbarkeit und seinem für Verschleißteile unschlagbaren Preis-/Leistungsverhältnis ist und bleibt der Marktstandard. Dies kann
man auch der entsprechenden DIN 19263 entnehmen. Dort wird die klassische (analoge) pH- oder
Redox-Elektrode beschrieben und der Standard definiert.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
87
2
3 Messtechnik
2
88 Messung der Redoxspannung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
Die folgenden typischen Anwendungsfälle sollen nachstehend etwas genauer betrachtet werden:
• die Cyanid-Entgiftung
• die Chromat-Reduktion
• die Nitritoxidation und
• die Schwimmbadwasser-Überwachung
Auf die rechtlichen Aspekte wird im Kapitel 5 „Qualitätssicherung“ eingegangen.
4.1
Cyanid-Entgiftung
Entfernung von Cyaniden
Ein Beispiel der industriellen Anwendung einer Redox-Messung ist die Entfernung von Cyaniden
aus Abwässern. Cyanidhaltiges Abwasser wird in Durchlaufbehandlungsanlagen aufbereitet. Diese
bestehen aus den Komponenten:
•
•
•
•
•
•
Reaktor (Behälter)
Mischer (Rührer)
Mess- und Regeleinrichtung (Erfassung verschiedener Parameter)
Dosierglieder (Ventile und Pumpen)
Chemikalienspeicher (Vorratsbehälter) und
Konzentratspeicher (Zwischenlagerung)
2
Cyanid fällt an im Abwasser von:
•
•
•
•
Galvanikbetrieben
Wärmebehandlungsbetrieben
Leiterplattenfertigung und bei
mechanischen Werkstätten
Cyanid und die Stammverbindung Cyanwasserstoff (HCN) sind sehr giftige Substanzen. Die Giftigkeit beruht darauf, dass beide Stoffe mit schwermetallhaltigen Fermenten (Enzymen) des menschlichen Organismus sehr stabile Komplexe bilden und die Fermente dadurch in ihrer Wirkungsweise blockiert werden. Aus diesem Grund ist die Entfernung des Cyanids aus dem Abwasser
zwingend notwendig. Die wässrige Lösung des Cyanwasserstoff ist unter dem Namen Blausäure
allgemein bekannt.
Die Entgiftung des cyanidhaltigen Abwassers erfolgt in Teilreaktionen, die im Nachfolgenden beschrieben werden:
• Oxidation des Cyanid zu Chlorcyan
• Hydrolyse des Chlorcyan zu Cyanat und
• Oxidation des Cyanat zu Kohlensäure und Stickstoff
Entgiftung
Wie schon erwähnt, wird die Entgiftung in Durchlaufbehandlungsanlagen durchgeführt. Hier wird
das Abwasser zunächst dem Reaktor zugeführt. Für die Entgiftung ist ein pH-Wert von pH 10
notwendig, der hier eingestellt wird. Im sauren pH-Bereichen kommt es sonst zur Bildung von
Cyanwasserstoff. Durch Zugabe von Natriumhypochlorit-Lösung (NaOCl) setzt sich das Cyanid zu
Chlorcyan (ClCN) um (Reaktion 1). Chlorcyan ist ein ebenfalls giftiges Gas mit einer hohen Lös-
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
89
4 Anwendungen
lichkeit in Wasser (25 Liter ClCN-Gas/Liter Wasser).
Im nächsten Reaktionsschritt erfolgt die Umwandlung in das ungiftige Cyanat (CNO-) (Reaktion 2).
Diese Reaktion läuft nur bei sehr hohen pH-Werten ab. Da die erste Teilreaktion nicht pH-abhängig
verläuft, wird schon zu Beginn der Entgiftung der hohe pH-Wert eingestellt. Im Allgemeinen wird
die Gesamtreaktion mit einem 20%-igen Überschuss an NaOCl durchgeführt.
Bei den erwähnten Bedingungen ist die Entgiftung innerhalb von max. 20 Minuten abgeschlossen.
Um sicherzustellen, dass alles Cyanid umgesetzt wurde, bestehen aber die genehmigenden
Behörden auf Verweilzeiten zwischen 40 und 60 Minuten.
Im letzten Teilabschnitt wird das oben erhaltene Cyanat bei pH-Werten um 7 - 8 zu Kohlensäure
und Stickstoff oxidiert. Diese Reaktion verläuft innerhalb von 30 Minuten (Reaktion 3).
Ist die Entgiftung abgeschlossen, folgen als weitere Schritte die Neutralisation, die Sedimentation,
die Filterpresse und die Endkontrolle, bevor das gereinigte Abwasser dem Kanalnetz zugeführt
wird.
Reaktion 1:
-
-
2 CN + 2 OCl + 2 H 2 O
2
2 ClCN + 4 OH
-
(8)
Chlorcyan
Reaktion 2:
2 ClCN + 4 OH
-
-
-
2 CNO + 2 Cl + 2 H 2 O
(9)
Cyanat
Reaktion 3:
-
-
2 CNO + 3 OCl + H 2 O
90 Messung der Redoxspannung
2-
-
N 2 + 2 CO 3 + 3 Cl + 2 H
+
(10)
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
2
Abbildung 16: Reaktionsverlauf der Cyanidentgiftung
4.2
Chromat-Reduktion
Bei der Chromat-Reduktion wird das giftige Cr6+ in Cr3+ umgesetzt. Chromat fällt an bei:
•
•
•
•
Elektrolysen (Glanz- und Hartchrom)
Beiz- und Ätzbädern
Herstellung von Aluminium und
Chromatierbädern
Chromat-Entgiftung
Chromat wird im sauren Bereich aus dem Abwasser entfernt. In Abhängigkeit von der Konzentration an H+-Ionen bildet sich im alkalischen Bereich Chromat (CrO42-); im sauren Bereich Dichromat
(Cr2O72-).
Im Reaktor wird der pH-Wert und die Redoxspannung mit einer pH-Einstabmesskette bzw. einer
Gold-Einstabmesskette erfasst. Liegt der pH-Wert über 2,5, wird entweder mit verdünnter
Schwefelsäure oder mit Salzsäure der pH auf 2,5 eingestellt. Ein konstanter pH-Wert ist für die
quantitative Umsetzung der Reaktion erforderlich. Die Umwandlung von Chrom-(VI) in Chrom-(III)
verläuft spontan und äußert sich durch einen Potenzialsprung von einigen 100 mV in Richtung
negativer Werte. Bei der Chromat-Entgiftung ist darauf zu achten, dass keine anderen sauren
Abwässer in die Anlage eingeleitet werden. Diese könnten durch enthaltene Metalle weitere Redoxsysteme bilden, die letztendlich dazu führen, dass der Potenzialsprung nur noch als Drift zu erkennen ist.
Abhilfe kann hier geschaffen werden durch die Zugabe eines starken Reduktionsmittels (z. B. Natriumdithionit). Dadurch werden die anderen Redoxsysteme lahm gelegt. Geringe Mengen sind hier
bereits ausreichend.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
91
4 Anwendungen
Die Umwandlung der giftigen Chrom-(VI)-Verbindungen in Chrom-(III)-Verbindungen erfolgt nach
den folgenden Reaktionsgleichungen:
2-
CrO 4 + 4 H 2 O + 3 e
-
-
Cr(OH) 3 + 5 OH (alkalisch)
(11)
Chromat
2-
+
Cr 2 O 7 + 14 H + 6 e
-
2 Cr
3+
+ 7 H 2 O (sauer)
(12)
Dichromat
Als mögliche Entgiftungsmittel können Schwefeldioxid, Sulfite oder Eisen-(III)-verbindungen verwendet werden. Bei Einsatz von Schwefeldioxid (SO2) müssen diese Anlagen abgedeckt und mit
einer Absaugeinrichtung versehen werden.
2
Abbildung 17: Reaktionsverlauf bei der Chromatentgiftung
Da man Chrom als Schwermetall aus dem Abwasser entfernen möchte, fällt man das im sauren
pH-Bereich lösliche Cr3+ durch Neutralisation als Cr(OH)3 aus.
4.3
Nitritoxidation
Nitrite sind die Salze der salpetrigen Säure HNO2. Als Zwischenprodukte treten Nitrite auch bei der
Nitrifikation und Denitrifikation auf. Diese Zwischenprodukte müssen durch entsprechende
Behandlungsmaßnahmen aus dem Abwasser entfernt werden. Dabei werden die Nitrite zu Nitrat
oxidiert. Die gebräuchlichste Variante der Nitritoxidation ist die Behandlung des Abwassers mit Natriumhypochlorit-Lösung. Diese Reaktion verläuft am schnellsten in schwach saurem Medium bei
92 Messung der Redoxspannung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
pH-Werten von 3 - 4. Der Nachweis der Reaktion wird über eine Redoxmessung überwacht (Potenzialsprung).
Reaktionsgleichung
HNO 2
salpetrige
Säure
+
-
+ HClO
NO 3
Hypochlorit
Nitrat
+ 2H + Cl
-
(13)
Durch Anwesenheit von organischen Verbindungen im Abwasser besteht hierbei jedoch die Gefahr
der Bildung von chlorierten Kohlenwasserstoffen. Dies kann man umgehen, wenn man statt Natriumhypochlorit-Lösung mit Wasserstoffperoxid arbeitet. Auch hierbei erhält man als Endprodukt
der Umsetzung Nitrat.
Der Verlauf der Reaktion ist folgender:
HNO 2
+ H2 O2
NO 3
salpetrige Wasserstoffperoxid
Säure
-
+
+ H + H2 O
(14)
Nitrat
Um die Bildung von nitrosen Gasen im schwachsaurem Medium zu verhindern, empfiehlt sich erst
die geeignete Menge an Wasserstoffperoxid zuzusetzen und dann den geeigneten pH-Wert einzustellen.
Da bei der Oxidation auch Stickoxide entstehen, ist auch hier der Einsatz einer Abdeckung und
einer Absauganlage erforderlich.
nitrithaltig
pH 4
Redoxpotenzial
nitritfrei
nitrithaltig
OCl- -Überschuss
NaOCl-Zugabe
Abbildung 18: Reaktionsverlauf bei der Nitritentgiftung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
93
2
4 Anwendungen
4.4
Schwimmbadbeckenwasser-Überwachung
Im Bundesseuchengesetz ist im §11 festgelegt, wie Schwimm- oder Badebeckenwasser beschaffen sein muss. Es muss so beschaffen sein, dass für den menschlichen Organismus keine
Schädigung zu befürchten ist.
Aus diesem Grund muss Schwimmbeckenwasser einer besonderen Behandlung zugeführt werden. Dabei spielen der pH-Wert und die Redoxspannung eine wichtige Rolle. Der pH-Wert ist wichtig für die Flockung, die Filtration und die Desinfektion des Wassers. So setzt z. B. ein zu hoher pHWert die desinfizierende Wirkung von Hypochlorit herab.
Über die Redoxspannung kann eine Aussage über die keimtötende Wirkung des Schwimmbadwassers gemacht werden. Im Idealfall liegt die Redoxspannung im Bereich von etwa 700 mV. Wird
dieser Wert in größeren Bereichen über- oder unterschritten, müssen entsprechende Eingriffe bei
der Chlordosierung eingeleitet werden.
Die DIN 34408, Teil 6 empfiehlt zur Messung der Redoxspannung in Gewässern eine Durchflussarmatur, um den störenden Einfluss des Luftsauerstoffs auszuschalten.
2
94 Messung der Redoxspannung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
Abwasserbehandlungsanlagen sind genehmigungspflichtig. Dadurch ergeben sich für den Betreiber einer solchen Anlage eine Reihe von Pflichten. Diese sind unter anderem:
• Einleitungsgenehmigung der Behörde muss vorliegen
• bei Neuerrichtung bzw. Umbau von Anlagenteilen
müssen die Einleitgenehmigungen neu beantragt werden
• festgelegte Grenzwerte sind einzuhalten
• Abwasser ist, falls gefordert, den Anforderungen entsprechend
zu untersuchen und zu kontrollieren
Die rechtlichen Grundlagen sind in entsprechenden EU-Richtlinien, Bundesgesetzen, Landesgesetzen und kommunalen Bestimmungen festgelegt. Die in der Übersicht aufgeführten EU-Richtlinien werden kurz oder mittelfristig in nationales Recht umgesetzt. Anhand der nachfolgenden
Tabellen kann man sehr gut erkennen, dass Planung, Bau, Inbetriebnahme von Abwasserbehandlungsanlagen keine leichte Aufgabe darstellt und man eine Vielzahl von Paragraphen und
Bestimmungen zu beachten hat.
5.1
2
EU-Richtlinien
• 98/83/EG
Trinkwasserrichtlinie
• 91/271/EWG
Behandlung von kommunalem Abwasser
• 80/778/EWG
Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch
• 79/869/EWG
Messmethoden, Häufigkeit der Probenahmen und Analysen des Oberflächenwassers
für die Trinkwassergewinnung
• 76/160/EWG
Qualität der Badegewässer
• 75/440/EWG
Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung
• Abwasser-/Entwässerungssatzungen der Gemeinden und Zweckverbände
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
95
5 Qualitätssicherung
2
96 Messung der Redoxspannung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
6 Quellenangabe
• Hollemann-Wiberg
Lehrbuch der Anorganischen Chemie,
de GruyterVerlag Berlin,
1976
• J. Falbe, M. Regitz
Römpp - Chemie Lexikon,
Thieme Verlag Stuttgart,
1992
• W. Funk, P. Schär
Praktikerwissen - Analysenmesstechnik,
Verlag J. Mainz GmbH Aachen,
1996
• L. Hartinger
Handbuch der Abwasser- und Recyclingtechnik,
Hanser-Verlag München,
1991
2
• H. Ebert
Elektrochemie,
Vogel Verlag Würzburg,
1979
• M. Kawecki, G. Braun
Neue Grenzwerte zur Wasser- und Abwasserqualität,
Forum Verlag, Merching
• DIN 38404, Teil 6,
Mai 1984
Bestimmung der Redoxspannung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung der Redoxspannung
97
6 Quellenangabe
2
98 Messung der Redoxspannung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Kapitel 3
Leitfähigkeitsmessung,
Konzentration, TDS
Dipl.-Ing. (FH) Reinhard Manns
3
Bemerkung
Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten.
Vorwort
Die Leitfähigkeitsmessung ist eine einfach durchzuführende Messtechnik zur Bestimmung und
Überwachung der Gesamtsalzkonzentration in Wässern. Sie ist in vielen Bereichen der industriellen
und Umweltanalytik zu finden. Ob es in einer Molkerei um die Reinigung der Abfüllleitungen oder im
Kraftwerk um den Schutz des Kühlsystems geht, stets hängen die richtigen Maßnahmen vom Leitfähigkeitswert ab.
Die zu Grunde liegenden elektrochemischen Zusammenhänge und typischen Anwendungen, stellt
dieses Kapitel in allgemein verständlicher Form dar. Außerdem werden Hinweise auf den Stand der
Technik bei den Messumformern/Reglern und Sensoren für diese Messgröße gegeben.
Wir halten die Informationen zur Leitfähigkeitsmessung, Konzentration und TDS stets auf dem neuesten Stand und rufen unsere Leser dazu auf, rege an einem Erfahrungs- und Wissensaustausch
mitzuarbeiten.
Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge entgegen.
Fulda, im April 2012
Dipl.-Ing. (FH) Reinhard Manns
3
Inhalt
1
Einleitung ...................................................................................... 103
2
Grundlagen ................................................................................... 105
2.1
Motivation von Normen .................................................................................. 105
2.2
Methoden zur Leitfähigkeitsmessung .......................................................... 106
2.2.1
2.2.2
2.2.3
2.2.4
2.2.5
2.2.6
Allgemeines ...................................................................................................................
Die Zellenkonstante ......................................................................................................
Wechselspannung ........................................................................................................
Messprinzipien ..............................................................................................................
Induktiver Sensor ..........................................................................................................
Auswahlhilfe ..................................................................................................................
3
Messtechnik ................................................................................. 113
3.1
Aufbau einer Prozesseinrichtung .................................................................. 113
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
Sensoren .......................................................................................................................
Armaturen .....................................................................................................................
Messumformer/Regler ..................................................................................................
Leitungsmaterial/Anschlussleitung ...............................................................................
3.2
Inbetriebnahme der Messeinrichtung ........................................................... 117
3.2.1
3.2.2
3.2.3
3.2.4
Messort .........................................................................................................................
Kalibrieren/Justieren .....................................................................................................
Messbedingungen ........................................................................................................
Referenzlösungen .........................................................................................................
4
Anwendungen ............................................................................... 123
4.1
Abwasserreinigungsanlagen ......................................................................... 123
4.2
Galvanikanlagen .............................................................................................. 123
4.3
Getränkeabfüllanlagen ................................................................................... 124
4.4
Kraftwerke ....................................................................................................... 125
4.5
Pharmazie ........................................................................................................ 127
4.6
Vollentsalzungsanlagen .................................................................................. 128
4.7
Konzentrationsmessungen ............................................................................ 129
5
Qualitätssicherung ....................................................................... 131
5.1
Dokumentation ................................................................................................ 131
5.2
Wartung ........................................................................................................... 133
5.3
Probleme/Maßnahmen ................................................................................... 135
5.4
Reinigung ......................................................................................................... 136
5.5
Prüfmöglichkeiten vor Ort .............................................................................. 136
5.6
Lagerung des Sensors ................................................................................... 137
106
107
108
109
111
112
113
114
114
116
117
117
119
122
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
3
Inhalt
6
Quellenangabe ............................................................................. 139
3
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
1 Einleitung
Die Messung der elektrolytischen Leitfähigkeit (Konduktometrie) ist nach der pH-Wert-Messung die
in der Betriebsmesstechnik am häufigsten eingesetzte elektrochemische Messmethode. Sie wird
seit mehr als 100 Jahre in der betrieblichen Praxis verwendet. Die üblichen Messwerte bewegen
sich je nach Anwendung beginnend < 1 µS/cm bei Reinstwasser über ca. 1000 µ/S/cm (1 mS/cm)
bei Trinkwasser bis > 100 mS/cm bei Reinigungslösungen (verdünnte Säuren und Laugen).
Die meisten im Wasser gelösten Feststoffe sind Salze. Diese liegen dann als Elektrolyte (hydratisierte Kationen und Anionen) vor. Durch die Messung dieses Parameters kann demzufolge eine
erste schnelle Online-Bewertung der Wasserqualität erfolgen. Je niedriger der gemessene Wert,
umso weniger Salze/Schmutz wird im Wasser vermutet. Im Gegenschluss wird bei hoher Leitfähigkeit eine hohe Salzkonzentration vermutet.
Da diese Messmethode auf alle Salze anspricht, also unspezifisch ist, ist eine Aussage um welches
Salz oder um welche Kombination von Salzen es sich handelt nicht möglich. Diese Eigenheiten und
weitere Punkte werden im weiteren Verlauf behandelt.
3
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
103
1 Einleitung
3
104 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.1
Motivation von Normen
Die Leitfähigkeit2 ( )3 sagt aus, wie gut ein Material den elektrischen Strom leitet. Bei Metallen ist es
die Bewegung von Elektronen, die für den Stromfluss sorgen. Bei wässrigen Lösungen übernehmen Ionen den Ladungstransport. Ionen entstehen beim Lösen von Salzen, Säuren oder
Laugen. Je mehr Ionen in der Flüssigkeit vorhanden sind, desto besser leitet sie den Strom.
Na
Cl
Na+
Abbildung 1:
Cl-
Salze dissoziieren in positiv und negativ gelandene Ionen
Dieser Zusammenhang zwischen der Ionenkonzentration und der Fähigkeit den elektrischen Strom
zu leiten, macht die Leitfähigkeit zu einer interessanten Messgröße in der Wasseranalytik. Sie
eignet sich hervorragend für die Bestimmung der Konzentration der gelösten Salze.
Bei der Leitfähigkeitsmessung liegt das Ergebnis nicht in mg/l oder Prozent vor, sondern als Leitfähigkeitswert in S/m (Siemens pro Meter). In der Praxis sind die Untereinheiten µS/cm und mS/cm
gebräuchlich.
S/m
S/cm
mS/cm
µS/cm
S/m
1
0,01
10
10.000
S/cm
100
1
1.000
1.000.000
mS/cm
0,1
0,001
1
1.000
µS/cm
0,000 1
0,000 001
0,001
1
Tabelle 1:
3
Umrechnung von Leitfähigkeitseinheiten
Einen Bezug für den Zusammenhang zwischen der Salzkonzentration und der Leitfähigkeit gibt die
folgende Tabelle wieder.
Wasser bzw. wässrige Lösung
Leitfähigkeitsbereich bei 25°C
Salzkonzentration
Reinstwasser
0,055 µS/cm
0 mg/l
Vollentsalztes Wasser
0,055 bis 2 µS/cm
0 bis 1 mg/l
Regenwasser
10 bis 50 µS/cm
5 bis 20 mg/l
Grund-, Oberflächen- und Trinkwasser
50 bis 1000 µS/cm
20 bis 50 mg/l
Meerwasser
20 bis 60 mS/cm
10 bis 40 g/l
Kochsalzlösung
77 bis 250 mS/cm
50 bis 250 g/l
Tabelle 2:
2
3
Beispiele für Leitfähigkeitswerte
Genau handelt es sich um die spezifische elektrische Leitfähigkeit.
Das Symbol für elektrische Leitfähigkeit war (Kappa) oder auch (Chi).
Seit 1993 ist es nach europäischer Normung laut EN 27888 (Gamma).
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
105
2 Grundlagen
2.2
Methoden zur Leitfähigkeitsmessung
2.2.1 Allgemeines
Das Grundprinzip der Leitfähigkeitsmessung ist bei allen Methoden gleich: Das Messgerät erzeugt
über die Messlösung eine elektrische Spannung. In Abhängigkeit von der Leitfähigkeit fließt ein
elektrischer Strom. Je nach Methode oder Anwendung hält das Messgerät das Spannungssignal
konstant und registriert die Änderung des elektrischen Stroms oder es hält den Wert für den Strom
konstant und wertet die Spannungsänderung aus.
Spannungsmessung
Strommessung
Elektrisches
Potenzial
Elektrischer Strom
Elektrische Spannung
Elektrisches
Potenzial
3
Abbildung 2:
Schema eines Leitfähigkeitssensors
Beide Messprinzipien basieren auf dem Ohm´schen Gesetz:
U
1
R = ---- = ---I
G
(1)
R: Elektrischer Widerstand
I: Elektrischer Strom
U: Elektrische Spannung bzw. für die Leitfähigkeit umgewandelt
G: Leitwert
I
= ---- K
U
(2)
: (spezifische) elektrische Leitfähigkeit
I: Elektrischer Strom
U: Elektrische Spannung
K: Zellenkonstante
Bei konstanter Spannung nimmt der Strom proportional mit der Leitfähigkeit zu. Bei konstantem
Strom nimmt die Spannung bei steigender Leitfähigkeit ab. Wie aus dem Ohm´schen Gesetz ersichtlich ist, handelt es sich bei Leitfähigkeitsmessungen eigentlich um Widerstandsmessungen.
Der Kehrwert I/U macht aus dem Widerstand den Leitwert.
106 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.2.2 Die Zellenkonstante
Sowohl der Widerstand als auch der Leitwert hängen von den Dimensionen des elektrischen Leiters ab. Die Länge und die Fläche des Leiters bestimmen die Zellenkonstante.
A
Randfeld
L
Randfeld
Abbildung 3:
Schematische Darstellung der aktiven Fläche
Bei einer geringen Länge des Leiters stehen die Elektroden dicht beieinander. Je geringer der
Abstand zwischen den Elektroden ist, desto geringer ist der Widerstand der Messlösung. Der
Einfluss der Elektroden auf die Ionen nimmt zu.
Eine große Fläche des Leiters ist gleichbedeutend mit großen Elektrodenflächen. Je größer die Flächen der Elektroden sind, desto geringer ist der Widerstand der Messlösung. Mit zunehmenden
Flächen gelangen immer mehr Ionen in den Einflussbereich der Elektroden.
Die Fläche des elektrischen Leiters ist in der Regel größer als die Elektrodenfläche. Die Elektroden
wirken nicht nur auf Ionen, die sich direkt zwischen den Elektrodenflächen, sondern auch auf
solche, die sich auf Randfeldern befinden. Der Einfluss der Elektrodenrandfelder auf die Ionen
nimmt mit dem Abstand ab. Begrenzt sein können die Randfelder durch die Konstruktion der Zelle
oder den Einbauort, z. B. Rohrwände.
Diese Einflüsse sind in der Zellenkonstante berücksichtigt:
L
K = --A
(3)
K: Zellenkonstante
L: Länge des Leiters
A: Fläche des Leiters
Somit handelt es sich bei der (spezifischen) elektrischen Leitfähigkeit um eine stoffspezifische
Größe, welche im Gegensatz zum Leitwert G nicht von geometrischen Faktoren abhängt. Den genauen Wert für die Zellenkonstante ergibt eine Kalibrierung mit einer Referenzlösung, deren temperaturabhängige Leitfähigkeit bekannt ist.
Auf die Konstanz der Zellenkonstante haben mehrere Faktoren Einfluss. Es sind mechanische,
chemische und elektrische Faktoren zu nennen.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
107
3
2 Grundlagen
Der mechanische Faktor rührt einerseits von den Fertigungstoleranzen und andererseits von den
während des Betriebs auftretenden temperaturbedingten Längenänderungen ab. Die Fertigungstoleranzen werden durch die Kalibrierung mit Referenzflüssigkeiten ausgeglichen. Temperaturbedingte Längenänderungen werden schon während der Konstruktion der Zelle berücksichtigt und
minimiert. Der chemische Faktor tritt zwangsläufig bei höheren Leitfähigkeiten auf und ist unter
dem Begriff Polarisation bekannt. Gegen diesen Effekt helfen nur Anpassungen der verwendeten
Materialien der Zelle und Optimierung der Messfrequenz des Messumformers.
Der elektrische Faktor fällt bei niedrigsten Leitfähigkeiten ins Gewicht. Hier sind möglichst kleine
Messfrequenzen zu verwenden, damit die kapazitiven Einflüsse des Leitungsmaterials und des
Sensors keine unzulässigen Messwertverfälschungen erzeugen.
Vor allem der chemische Faktor erzwingt verschiedene Zellenausführungen (Zellenkonstanten und
Zellenmaterialien) für die unterschiedlichen Messbereiche.
Zellenkonstante
3
Kapazitive
Einflüsse
Abbildung 4:
Quasi konstante
Zellenkonstante
Polarisationseffekt
Leitfähigkeit
Einflüsse auf die Zellkonstante
2.2.3 Wechselspannung
Der elektrische Strom zwischen den Elektroden hängt von der Bewegung der Ionen in der Messlösung ab. Die Ionen bewegen sich während der Messung auf die jeweils entgegen gesetzt geladene
Elektrode zu. Jedes Ion, das an eine der Elektrodenoberflächen gelangt, gleicht einen Teil der
Spannung zwischen den Elektroden aus. Da es nicht mehr beweglich ist, blockiert es den
Stromfluss. Diesem Effekt (Polarisation) kann eine Wechselspannung entgegenwirken. Durch den
ständigen Wechsel der Polarität gelangt nur eine geringe Ionenmenge an die Elektroden, und dies
auch nur für eine kurze Dauer. Je mehr Ionen die Lösung enthält, also je höher die Leitfähigkeit ist,
desto höher muss die Frequenz sein, die das Messgerät verwendet, um eine Polarisation der Elektroden vorzubeugen.
Moderne Messgeräte (z. B. der Messumformer/Regler JUMO dTRANS CR 02) passen die Messfrequenz dem Messbereich an, um optimale Messergebnisse zu erzielen.
108 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.2.4 Messprinzipien
• konduktives Prinzip: Zwei-Elektrodensensoren, Vier-Elektrodensensoren
• induktives Prinzip
Zwei-Elektrodensensoren
Es ist die einfachste Bauform für einen Leitfähigkeitssensor. Für die allgemeine Betriebsmesstechnik sind Zwei-Elektrodensensoren völlig ausreichend. Diese Zelle besteht aus zwei Elektroden
und einem Schaft, der die beiden Elektroden fixiert. Zwischen den Elektroden liegt eine konstante
Wechselspannung an. Der über die Messlösung fließende Strom ist das Messsignal.
Bei diesem Zellentyp kommt es je nach Anwendungszweck auf die Zellenkonstante und die Beschaffenheit der Elektrodenoberfläche an.
Strommessung
Strom
Spannung
Abbildung 5:
3
Schema eines Zwei-Elektrodensensors
Eine kleine Zellenkonstante bedeutet ein großes Messsignal. Für kleine Leitfähigkeitswerte ist dieser Effekt erwünscht. Bei höheren Messwerten kann es die Aufnahmefähigkeit des Messgerätes
überfordern. Die optimale Zellenkonstante ist somit eine Frage des Messbereiches.
Beispiel-Anwendungen
Leitfähigkeitsbereich
Destillat, Kondensat, Reinst-, vollentsalztes Wasser
< 10 µS/cm
K
0,1 cm-1
Grund-, Oberflächen- und Trinkwasser
< 10 ... 10.000 µS/cm
K
1 cm-1
Meerwasser und Salzlösungen
> 10 mS/cm
K
10 cm-1
Tabelle 3:
Zellenkonstante
Zellenkonstante für verschiedene Leitfähigkeitsbereiche
mit Beispiel-Anwendung
Bei Sensoren mit einer Konstante K 0,1 cm-1 sind die Elektrodenoberflächen glatt, um das Einstellverhalten bei kleinen Leitfähigkeiten zu verbessern.
Sensoren mit einer Konstante K > 0,1 haben raue Elektrodenoberflächen, um die Neigung bei höheren Leitfähigkeitswerten zu polarisieren, zu mindern.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
109
2 Grundlagen
Vier-Elektrodensensoren
Die Sensoren enthalten zwei Elektrodenpaare. Ein Paar misst den Strom, der über die Messlösung
fließt, das zweite die über die Messlösung anliegende Spannung.
Strommessung
Spannung/Strom
Spannung
Spannungsmessung
3
Abbildung 6:
Schema einer Vier-Elektrodensensoren
Vorteil der Vier-Elektrodensensoren ist die Unempfindlichkeit gegenüber störenden Widerständen,
wie z. B. durch lange Anschlussleitungen, Verschmutzungen oder durch Polarisation. Diese Effekte
führen zu Minderbefunden, da sie die von den Elektroden an die Messlösung angelegte Spannung
reduzieren. Das zweite Elektrodenpaar erfasst die Spannung über die Messlösung. Das Messgerät
kann einen störenden Widerstand auf Basis der gemessenen Strom-/Spannungswerte der beiden
Elektrodenpaare durch eine elektronische Anpassung berücksichtigen.
Das Konduktometer berechnet den Leitfähigkeitswert nach der Gleichung (2):
I
= ---- K
U
(4)
: (spezifische) elektrische Leitfähigkeit
I: Elektroscher Strom
U: Elektrische Spannung
K: Zellenkonstante
Ein zusätzlicher Widerstand, z. B. ein Schmutzbelag, verringert den Strom und die Spannung stets
im gleichen Verhältnis. Da das Messgerät beide Größen misst kann es, innerhalb seiner Spezifikationen, den Leitfähigkeitswert berechnen.
Beispielanwendung:
CIP-Prozesse in Pharma-/Bioprozessen reinigen z. B. mit Lauge (Messwerte im mS/cm-Bereich)
und „End-Spülen“ mit z. B. VE-Wasser (Messwert um ca. 5µS/cm).
In Kombination mit entsprechenden Messgeräten (z. B. JUMO dTRANS CR 02 bzw. JUMO AQUIS
500 CR) kannmit einer Messstelle der komplette Prozess überwacht werden.
110 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.2.5 Induktiver Sensor
(1)
(2)
(3)
(4)
Abbildung 7:
1
3
Schematische Darstellung eines induktiven Sensors
Sensorkörper (PEEK)
Temperaturfühler
2
4
3
Messspulen
Flüssigkeitsschleife
Bei dieser Zelle ersetzen zwei Spulen die Elektroden. Eine der Spulen ist die Erregerspule. In dieser
Spule fließt ein Wechselstrom, der ein Magnetfeld im Umfeld der Spule erzeugt. Im Kern der Spule
befindet sich die Messlösung. Das Magnetfeld der Spule induziert in der Messlösung den zur Messung notwendigen Stromfluss.
Der in der Messlösung fließende Strom erzeugt seinerseits ein Magnetfeld. Dieses Magnetfeld
induziert in der zweiten Spule (Empfängerspule) einen Wechselstrom mit der dazugehörigen Spannung.
Die Spannung der Empfängerspule hängt direkt von dem in der Messlösung fließenden Strom, also
von der Leitfähigkeit ab.
Da ein Magnetfeld auch über ein Kunststoff- oder Teflonrohr wirkt, ist kein direkter Kontakt der
Spulen mit der Messlösung notwendig. Die Vorteile dieser kontaktlosen Messtechnik sind offensichtlich. Die Messung aggressiver Medien, wie Säuren oder Laugen, ist problemlos möglich. Hohe
Leitfähigkeiten können keine Polarisationseffekte und somit keine Minderbefunde verursachen.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
111
2 Grundlagen
2.2.6 Auswahlhilfe
Messwert/Anforderung
< ca. 50 µS/cm
Messprinzip
Sensor-Beispiel
• Zwei-ElektrodenPrinzip
Mögliche Anwendung
• Rein- und Reinstwasser
• RO-Wasser
• EDI-Wasser
ca. 50 µS/cm <
• Zwei-ElektrodenPrinzip
• Induktiv
• Trinkwasserüberwachung
• einfache Spülprozesse
• Induktiv
•
•
•
•
• Vier-ElektrodenPrinzip
• CIP
• Bio-/Pharmaprozesse
< ca. 30 mS/cm
saubere Medien
(keine Beläge)
3
> ca. 50 µS/cm
Verschmutzung/Beläge
(z. B. Öl, Fett, Kalk)
möglich
Molkerei, Brauerei
CIP
Konzentrationsmessung
Aufschärfungen
Chemikalien
1 µS/cm < < 600 mS/cm
hohe Dynamik
eine Einbaustelle
Tabelle 4:
Auswahlhilfe
112 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
Das optimale Konduktometer hängt von der jeweiligen Anwendung ab. Im Labor sind es Tischgeräte, vor Ort Handmessgeräte und für eine kontinuierliche Messung im Prozess Messumformer.
Für alle Anwendungen, bei denen ein vollständiges Bild über den Salzgehalt eines Wassers notwendig ist, gibt es keine Alternative zur kontinuierlichen Messung.
3.1
Aufbau einer Prozesseinrichtung
Der Begriff Messeinrichtung umfasst die komplette, zur Leitfähigkeitsmessung verwendete Geräteausstattung, bestehend aus:
•
•
•
•
Leitfähigkeitsgeber (Sensor)
Eintauch- oder Durchflussarmatur
Messumformer (Messgerät)
Anschlussleitung
3.1.1 Sensoren
Zwei- und Vier-Elektrodensensoren bestehen aus einem Schaft und den Elektroden, wichtig für die
Anwendung ist die Zellenkonstante und die Beschaffenheit der Elektrodenoberflächen.
Leitfähigkeit:
10 µS/cm:
> 10 µS/cm bis
10 mS/cm:
> 10 mS/cm:
Abbildung 8:
3
Zwei-Elektrodensensoren K 0,1 /cm,
glatte Elektrodenflächen
Induktive-, Zwei- oder Vier-Elektrodensensoren K 1 /cm,
raue Elektrodenflächen
Induktive- oder Vier-Elektrodensensoren K 1 /cm,
raue Elektroden
Zwei-Elektrodensensoren mit Zellkonstante K = 0,01 (links)
und K = 0,1 (rechts)
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
113
3 Messtechnik
3.1.2 Armaturen
Armaturen dienen der Befestigung und dem Schutz des Sensors. Eintaucharmaturen ermöglichen
nicht nur eine Messung an der Oberfläche der Flüssigkeit, sondern auch in der Tiefe. Diverse
Befestigungselemente und Zubehörteile ermöglichen die Montage an fast allen Behältern.
Gebräuchlicherweise werden die Eintaucharmaturen aus Polypropylen (PP) gefertigt und in
Eintauchlängen bis 2000 mm geliefert.
Es stehen für besondere Zwecke aber auch andere Materialien (z. B. V4A) zur Verfügung.
Durchflussarmaturen ermöglichen die Messung direkt in Messgutförderleitungen oder im Bypass
dieser Leitungen.
Für alle Armaturen gilt, dass sie gut zugänglich angebracht sein müssen, um die regelmäßige Wartung und Prüfung der Sensoren zu ermöglichen. Ein Wechsel des Sensors sollte jederzeit ohne
größeren Aufwand realisierbar sein.
Bei der Montage der Sensoren ist darauf zu achten, dass das Randfeld (Kapitel 2.2.2 „Die
Zellenkonstante“) nicht gestört wird. D. h. es muss immer ein Mindestabstand zwischen Sensor
und begrenzender Fläche (Rohrwandung, Behälterwandung ö. ä.) eingehalten werden.
3.1.3 Messumformer/Regler
3
Der Messumformer hat die Aufgabe, das Signal des Sensors aufzubereiten. Hierbei wird das Sensorsignal in ein Normsignal (z. B. Stromsignal I = 4 ... 20 mA) umgewandelt und kann so direkt an
eine nachgeschaltete SPS oder Dosiereinheit weitergegeben werden. Diese übernehmen die Anzeige und die Regelung der Leitfähigkeit. Ist eine Anzeige vor Ort erforderlich, kommen entsprechende Schalttafeleinbaugeräte zum Einsatz. Für die Montage vor Ort sind entsprechende
Aufbaugehäuse oder spezielle Geräte mit Vor-Ort-Gehäusen lieferbar. Die meisten der heute erhältlichen Geräte sind Mikroprozessorgeräte, die individuell an die jeweilige Messstrecke angepasst
werden können. Diese Anpassung umfasst einerseits die Kalibrierung der Zellenkonstante und
andererseits die Kalibrierung des Temperaturkoeffizienten (Kapitel 3.2.2 „Kalibrieren/Justieren“).
Für die Regelung der Leitfähigkeit kommen hauptsächlich Grenzwertregler zum Einsatz.
Abbildung 9:
Messumformer/Regler für Leitfähigkeit, TDS, Widerstand, Einheitssignale und
Temperatur JUMO dTRANS CR 02;
Schalttafelgehäuse (links) und Aufbaugehäuse (rechts)
114 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
Abbildung 10: JUMO AQUIS 500 CR - Messumformer/Regler für Leitfähigkeit, TDS,
Widerstand und Temperatur
3
Abbildung 11: Kopfmessumformer JUMO CTI-750 - mit Edelstahlgehäuse (rechts),
abgesetzte Version mit Kunststoffgehäuse (links)
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
115
3 Messtechnik
3.1.4 Leitungsmaterial/Anschlussleitung
Aufgrund der modernen und präzisen Messtechnik der heutigen Messumformer sind nur noch wenige Punkte bei der Wahl des Leitungsmaterials zu berücksichtigen wie z. B.
• als Leitungsmaterial sollte eine abgeschirmte Steuerleitung zum Einsatz kommen
• die Leitungsführung sollte stets direkt sein, d. h. Klemmdosen, nachträgliche Kabelverlängerungen oder Zwischenstecker sollten vermieden werden
• die Leitungen nicht parallel zu Leitungen größerer elektrischer Verbraucher führen
Geeignete Anschlussleitung: z. B. JUMO-Typ 2990-9 (Längenangabe) - 0
3
116 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.2
Inbetriebnahme der Messeinrichtung
3.2.1 Messort
Nach der Wahl einer optimalen Messeinrichtung folgt die Inbetriebnahme. Sie umfasst nicht nur die
Montage der Messeinrichtung, sondern auch die Wahl des richtigen Messortes. Die Messeinrichtung zeigt jeweils nur den Leitfähigkeitswert an, der am Ort der Messung herrscht. Vorgaben für die
Wahl des Messortes geben z. B. anwendungsorientierte Normen und Verordnungen.
3.2.2 Kalibrieren/Justieren
Für die Installation genügt es, die Zellenkonstante auf die Angaben in der Anleitung zum Sensor
einzustellen. Zur Prüfung der einwandfreien Funktion des Messumformers sind Prüfwiderstände
erhältlich. Diese Widerstände simulieren einen definierten Leitfähigkeitswert. Während der Prüfung
muss der Temperaturkoeffizient auf 0%/K eingestellt sein!
Kalibrieren der Zellenkonstante
Produktionsbedingt unterliegen die Zellenkonstanten handelsüblicher Zellenabweichungen von bis
zu ±10%. Dies erscheint nur bei erster Betrachtung sehr ungenau zu sein – ein falsch eingestellter
Temperaturkoeffizient kann wesentlich größere Messfehler zur Folge haben.
Im Normalfall, d. h. bei höheren Leitfähigkeitsmessbereichen, spielt die „Ungenauigkeit“ der
Zellenkonstanten praktisch keine Rolle. Bei Inbetriebnahme einer Leitfähigkeitsmessstelle können
– bei höheren Anforderungen an die Messgenauigkeit – Sensor, Messleitung und Messumformer
durch den Inbetriebnehmer oder bei Wartungen durch den Servicetechniker, aufeinander abgestimmt werden. Hierzu bieten moderne Messumformer (z. B. der JUMO dTRANS CR 02) umfangreiche Möglichkeiten (z. B. automatische Bestimmung der Zellenkonstanten, Kalibrieren mit Referenzlösungen.). Die Zeitabstände zwischen zwei Kalibrierungen sind vom Einsatzgebiet des Sensors abhängig.
Der Temperaturkoeffizient ( )
Die Leitfähigkeit einer Lösung ist temperaturabhängig; deshalb müssen für eine ordnungsgemäße
Messung sowohl die Temperatur als auch der Temperaturkoeffizient der Messlösung bekannt sein.
Die Temperatur kann entweder mit einem Temperaturfühler (z. B. Pt100 oder Pt1000) automatisch
gemessen werden oder sie muss vom Anwender manuell eingestellt werden. Der Temperaturkoeffizient kann vom Leitfähigkeits-Messumformer automatisch ermittelt oder manuell eingegeben werden. Auch hier stellt der JUMO dTRANS CR 02 entsprechende Kalibrierroutinen zur Verfügung.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
117
3
3 Messtechnik
T [°C]
0,00
0,50
1,00
1,50
2,00
2,50
0
0,0
-12,5
-25,0
-37,5
-50,0
-62,5
10
0,0
-7,5
-15,0
-22,5
-30,0
-37,5
20
0,0
-2,5
-5,0
-7,5
-10,0
-12,5
25
0,0
0,0
0,0
0,0
0,0
0,0
30
0,0
2,5
5,0
7,5
10,0
12,5
40
0,0
7,5
15,0
22,5
30,0
37,5
50
0,0
12,5
25,0
37,5
50,0
62,5
60
0,0
17,5
35,0
52,5
70,0
87,5
70
0,0
22,5
45,0
67,5
90,0
112,5
75
0,0
25,0
50,0
75,0
100,0
125,0
80
0,0
27,5
55,0
82,5
110,0
137,5
90
0,0
32,5
65,5
97,5
130,0
162,5
100
0,0
37,5
75,0
112,5
150,0
187,5
Tabelle 5:
3
Tk [%/K]
Änderung der Leitfähigkeit in % in Abhängigkeit der tatsächlichen Temperatur
[°C] und des tatsächlichen Temperaturkoeffizienten [%/K],
Referenztemperatur 25 °C
Leitfähigkeit
Leitfähigkeit 2
bei 75 °C
Leitfähigkeit 1
bei 25 °C
25 °C
75 °C
Temperatur
Abbildung 12: Leitfähigkeit einer Lösung bei unterschiedlichen Temperaturen.
Im Beispiel ist die Leitfähigkeit 2 ca. doppelt so hoch wie die Leitfähigkeit 1.
Beispiel
Bei einer tatsächlichen Temperatur von 75 °C und einem realen Temperaturkoeffizienten von 2 %/K
ändert sich die Leitfähigkeit um 100 %; d. h. sie verdoppelt sich!
118 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
Konsequenz
Ein Gerät ohne Temperaturkompensation zeigt im Gegensatz zu einem Gerät mit korrekt eingestellter Temperaturkompensation den doppelten Wert an.
3.2.3 Messbedingungen
Die einwandfreie Messung setzt Kenntnisse einiger wichtiger Einflussgrößen der Leitfähigkeitsmessung voraus.
Temperatur/Temperaturkoeffizient/Referenztemperatur
Die Leitfähigkeit hängt außer von der Salzkonzentration auch von der Temperatur ab. Da nur die
Salzkonzentration von Interesse ist, kompensiert das Messgerät den Temperatureinfluss. Es
rechnet den gemessenen Leitfähigkeitswert auf eine Referenztemperatur um. Das heißt, das Messgerät zeigt nicht den Leitfähigkeitswert an, den die Messlösung gerade hat, sondern einen Wert,
den die Lösung bei der Referenztemperatur haben würde. Bei einer geänderten Messlösungstemperatur bleibt der angezeigte Wert unverändert.
T [°C]
Tk [%/K]
0,00
0,50
1,00
1,50
2,00
2,50
3,00
0
-50,0
-37,5
-25,0
-12,5
0,0
12,5
25,0
10
-30,0
-22,5
-15,0
-7,5
0,0
7,5
15,0
20
-10,0
-7,5
-5,0
-2,5
0,0
2,5
5,0
25
0,0
0,0
0,0
0,0
0,0
0,0
0,0
30
10,0
7,5
5,0
2,5
0,0
-2,5
-5,0
40
30,0
22,5
15,0
7,5
0,0
-7,5
-15,0
50
50,0
37,5
25,0
12,5
0,0
-12,5
-25,0
60
70,0
52,5
35,0
17,5
0,0
-17,5
-35,0
70
90,0
67,5
45,0
22,5
0,0
-22,5
-45,0
75
100,0
75,0
50,0
25,0
0,0
-25,0
-50,0
80
110,0
82,5
55,0
27,5
0,0
-27,5
-55,0
90
130,0
97,5
65,0
32,5
0,0
-32,5
-65,0
100
150,0
112,5
75,0
37,5
0,0
-37,5
-75,0
Tabelle 6:
3
Anzeigefehler in % bei falsch eingestelltem Temperaturkoeffizienten,
Temperaturkoeffizient der Messlösung 2,0 %/K, Referenztemperatur 25 °C
Beispiel
Bei einer aktuellen Temperatur von 75 °C und einem am Gerät eingestellten Temperaturkoeffizienten von 1 %/K ist der angezeigte Messwert bezogen auf den tatsächlichen Wert um 50 % zu hoch.
Die Referenztemperatur ist je nach Anwendung auf 25 °C oder 20 °C festgelegt. Hierbei sind die
Leitfähigkeitswerte bezogen auf T = 20 °C stets niedriger als die auf T = 25 °C bezogenen Werte.
Für Trinkwasser (Temperaturkoeffizient ca. 2,1 %/K) beträgt der Unterschied der Anzeigewerte
10,5 %.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
119
3 Messtechnik
T[°C]
Tk [%/K]
0,00
0,50
1,00
1,50
2,00
2,50
3,00
0
50
40
30
20
10
0
-10
10
30
25
20
15
10
5
0
20
10
10
10
10
10
10
10
25
0
2,5
5
7,5
10
12,5
15
30
-10
-5
0
5
10
15
20
40
-30
-20
-10
0
10
20
30
50
-50
-35
-20
-5
10
25
40
60
-70
-50
-30
-10
10
30
50
70
-90
-65
-40
-15
10
35
60
75
-100
-72,5
-45
-17,5
10
37,5
65
80
-110
-80
-50
-20
10
40
70
90
-130
-95
-60
-25
10
45
80
100
-150
-110
-70
-30
10
50
90
Tabelle 7:
3
Anzeigedifferenz in % bei unterschiedlicher Referenztemperatur von Betriebsund Referenzmessgerät sowie abweichender Einstellung des Temperaturkoeffizienten am Referenzmessgerät, Temperaturkoeffizient beim Betriebsmessgerät
2,0 %/K, Referenztemperatur am Betriebsmessgerät 25 °C, Referenztemperatur
am Referenzmessgerät 20 °C
Beispiel
Bei einer aktuellen Temperatur von 40 °C und einem am Referenzgerät eingestellten Temperaturkoeffizienten von 2,5 %/K zeigt das Betriebsmessgerät 20 % mehr an, als das Referenzgerät.
Jede Messlösung zeigt ein individuelles Temperaturverhalten. Bei Grund-, Oberflächen-, Trink- und
kommunalem Abwasser nimmt die Leitfähigkeit, bezogen auf den Leitfähigkeitswert bei T = 25 °C,
um 2,1 %/K zu.
Für die Temperaturkompensation, also das Umrechnen auf den Wert einer Referenztemperatur,
enthält das Messgerät eine mathematische Funktion, die Temperaturkompensationsfunktion. Der
Temperaturkoeffizient kennzeichnet das Temperaturverhalten der Messlösung und muss dementsprechend eingestellt sein.
Messlösung
Temperaturkoeffizient
Temperaturbereich
Kaliumchlorid C(KCl) = 0,01 mol/l
(25 °C)
1,9 %/K
= 18 ... 25 °C
Phosphorsäure C(H3PO4) = 0,01 mol/l
(25 °C)
0,9 %/K
= 18 ... 25 °C
Salzsäure C(HCl) =0,01 mol/l
(25 °C)
1,4 %/K
= 18 ... 25 °C
Tabelle 8:
Beispiele für Temperaturkoeffizienten
Die Leistungsfähigkeit der Temperaturkompensation ist einfach prüfbar:
• Messlösung auf Referenztemperatur (±1 K) temperieren
• Leitfähigkeit messen und notieren
120 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
• Messlösung um ca. 10 K erwärmen bzw. abkühlen. Es dürfen keine Substanzen durch chemische Reaktionen, Ausfällungen oder Ausgasen, verlorengehen
• die Differenz zum Wert bei der Referenztemperatur entspricht der Messabweichung aufgrund
der Temperaturkompensation; gegebenenfalls den Temperaturkoeffizienten auf das Verhalten
der Messlösung einstellen
Höhe h
Schmutz und Beläge
Lösung
ite
Bre
b
Länge l
3
Abbildung 13: Reale Elektroden in einer Messlösung
Schmutz auf den Elektroden führt, durch die Verringerung der Fläche der Elektrode, zu einem
kleineren Messwert. Bei einem Zwei-Elektrodensensor erhält das Messgerät nur das Stromsignal.
Für den Spannungswert verwendet es die an die Elektroden des Sensors angelegte Klemmspannung. Bei einem Belag auf den Elektroden erhält das Gerät nur das geringere Stromsignal und berechnet einen zu kleinen Wert für die Leitfähigkeit.
Vor einer Messung sollte sichergestellt sein, dass der Sensor einen einwandfreien Zustand
aufweist. Der Zustand lässt sich mit einer Referenzlösung feststellen:
•
•
•
•
Temperaturkoeffizient am Messumformer auf 0 %/K stellen
Referenzlösung auf die Referenztemperatur ±1 K temperieren (20 °C oder 25 °C)
Sensor mit etwas Referenzlösung spülen
Leitfähigkeit der Referenzlösung messen und mit dem Soll-Wert für die Referenzlösung vergleichen
Kaliumchloridkonzentration
Leitfähigkeit bei 20 °C
Leitfähigkeit bei 25 °C
C(KCl) = 0,01 mol/l
1278 µS/cm
1413 µS/cm
C(KCl) = 0,1 mol/l
12,2 mS/cm
12,9 mS/cm
C(KCl) = 3 mol/l
275 mS/cm
298 mS/cm
Tabelle 9:
Leitfähigkeiten typischer Referenzlösungen
• bei einer zu großen Messabweichung die Elektroden des Sensors reinigen
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
121
3 Messtechnik
Polarisation
Zur Messung wird eine Wechselspannung verwendet. Das Messgerät erhöht die Frequenz mit zunehmender Leitfähigkeit. Bei Zwei-Elektrodensensoren gibt es jedoch stets eine maximale Leitfähigkeit, ab der die Polarisation nicht mehr vollständig zu unterbinden ist, es kommt zu deutlichen
Minderbefunden. Diese Minderbefunde treten bei induktiven und Vier-Elektrodensensoren nicht
auf.
3.2.4 Referenzlösungen
Referenzlösungen dienen als Kalibriermittel für die Messeinrichtung. Es handelt sich um wässrige
Kaliumchloridlösungen mit bekannten Leitfähigkeitswerten. Nach ihren Eigenschaften sind Referenzlösungen in primäre Referenzlösungen, sekundäre Referenzlösungen und Arbeits-Referenzlösungen unterschieden.
Primäre Referenzlösungen weisen die geringste Unsicherheit der Leitfähigkeitswerte
(U( ) = 0,03 %) auf. Sie werden vorwiegend in den metrologischen Instituten eingesetzt.
Sekundäre Referenzpufferlösungen haben die gleiche Zusammensetzung primärer Lösungen.
Die Unsicherheit der Leitfähigkeitswerte liegt bei U( ) = 0,12 %.
Arbeits-Referenzlösungen sind Lösungen für die Praxis; ihre Unsicherheit hängt vom Hersteller
ab, sollten jedoch im Bereich von U( ) ±0,4 % bis U( ) ±1 % liegen. Arbeits-Referenzlösungen sind
bestens für Kalibrierungen von Betriebs- und Handmesseinrichtungen geeignet.
3
Referenzlösungen gibt es für den Bereich von etwa 100 µS/cm bis zu 10 mS/cm. Für höhere Werte
stehen Empfehlungen für die Herstellung entsprechender Lösungen zur Verfügung.
Es genügt eine der Lösungen, um den oberen Teil des zulässigen Messbereiches zu prüfen. Störende Einflüsse, wie die Polarisation oder Schmutz, wirken sich hier am deutlichsten aus.
Häufig ist von der Rückführbarkeit der Referenzlösungen die Rede. Die Rückführbarkeit bezieht
sich auf deren Leitfähigkeitswert. Es bedeutet, dass der Leitfähigkeitswert direkt oder über Zwischenlösungen (z. B. sekundäre Referenzlösung) gegen eine primäre Referenzlösung vom Hersteller geprüft wurde.
Beispiel
Arbeits-Referenzlösung
r
sekundäre Referenzlösung r
primäre Referenzlösung
oder
r
Arbeits-Referenzlösung
r
primäre Referenzlösung
Die Rückführung der Leitfähigkeitswerte ist eine Grundlage für die Berechnung der Unsicherheit.
122 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
Leitfähigkeitsmessungen sind in vielen Bereichen der Technik und des Umweltschutzes von
Bedeutung. Je nach Anwendung findet die Messung im Labor, mit einem Handgerät vor Ort oder
kontinuierlich, z. B. im Prozess, statt.
Folgende praktische Anwendungsfälle sollen etwas genauer betrachtet werden:
Die Leitfähigkeitsmessung in
•
•
•
•
•
•
•
Abwasserreinigungsanlagen
Galvanikanlagen
Getränkeabbfüllanlagen
Kraftwerken
Pharmazie
Vollentsalzungsanlagen und
Konzentrationsmessungen
4.1
Abwasserreinigungsanlagen
Die Leitfähigkeit häuslicher Abwässer ist etwas höher als die des in der Gegend verwendeten
Trinkwassers. Je höher der Leitfähigkeitswert für das Trinkwasser ist, desto geringer fällt die relative Zunahme bei den Abwasserwerten aus. Leitfähigkeitsmesseinrichtungen sind in kommunalen
Abwasserreinigungsanlagen nur vorhanden, wenn industrielle Einleitungen eine stärkere Zunahme
der Leitfähigkeit erwarten lassen. Häufiger sind Leitfähigkeitsmesseinrichtungen in industriellen
Anlagen vertreten, wie folgende Beispiele zeigen sollen.
Die Messeinrichtung hängt von der Art der Verschmutzungen, der Temperatur oder auch chemischen Angriffen ab.
In Bezug auf Verschmutzungen sind Vier-Elektrodensensoren (Messungen in Becken und
Gerinnen) oder induktive Sensoren (Messungen in Leitungen oder bei aggressiven Abwässern) optimal.
Bei Abwässern, die mit signifikanten Mengen an Chemikalien belastet sind und/oder große Temperaturschwankungen aufweisen, sollte der Messumformer einen ausreichend großen Einstellbereich für den Temperaturkoeffizienten zur Verfügung stellen.
4.2
Galvanikanlagen
Das Wasser der Spülbäder fließt in einem Kreislauf. Ein Ionenaustauscher entsalzt es, bevor es zurück in das Spülbecken gelangt. Die ionogenen Inhaltsstoffe des Spülwassers halten die Ionenaustauscherharze zurück. Diese Substanzen fallen bei der Regeneration in konzentrierter Form
jedoch in geringen Flüssigkeitsmengen an.
Der Ionenaustauscher reagiert nicht auf das Volumen des Wassers, sondern auf dessen Salzlast.
Da sich durch die Regeneration der Harze der Gesamtsalzgehalt im Abwasser mindestens verdoppelt, kommt es auf ein Minimieren des Gesamtsalzeintrages an. Dies lässt sich durch Standspülen
oder langsam durchflossenes Vorspülen erreichen.
Die Konzentration einer einzelnen Standspüle soll im Mittel 10 % des vorhergegangenen Prozesswassers nicht überschreiten. Sehr günstig ist daher eine Vorspülkaskade.
Das Reinwasser soll für die meisten Zwecke eine Leitfähigkeit von weniger 30 µS/cm besitzen.
Eine Standardmesseinrichtung ist für diese Anwendung ausreichend.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
123
3
4 Anwendungen
4.3
Getränkeabfüllanlagen
Getränkeabfüllanlagen, sei es für Bier, Limonade, Milch oder Wein, stellen besonders hohe
Anforderungen hinsichtlich der Hygiene. Dies gilt in Hinsicht auf den Verbraucherschutz als auch
für die Haltbarkeit der Getränke.
Nach einem Abfüllvorgang werden die Tanks und Leitungen gründlich gereinigt. Wichtig ist ein anschließender Spülvorgang, der das Reinigungsmittel vollständig beseitigt. Ein zu langer Spülvorgang erhöht zum einen die Kosten für die Frischwasserzufuhr, zum anderen nimmt das Abwasservolumen unnötig zu.
Die Leitfähigkeitsmessung bietet gleichzeitig die Möglichkeit, die Konzentration des Reinigungsmittels zu kontrollieren und den genauen Zeitpunkt für dessen anschließende Beseitigung zu bestimmen.
Der Sensor muss den manchmal sehr aggressiven und heißen Reinigungsmitteln widerstehen
können und für die bisweilen sehr hohen Leitfähigkeitswerten geeignet sein. Ideal für diese Anwendung ist die induktive Messtechnik, da die Messeinrichtung selbst keinen Kontakt mit der
Messlösung hat.
3
Frischwasser
pH
i. Lf.
CIP-Rücklauf
Heißwasser
Stapelwasser
i.Lf.
Lauge
i.Lf.
Säure
CIP-Vorlauf
Zum
Abwassersammeltank
(Neutralisation/
Endkontrolle/Kanal)
pH
i.Lf.
Getränkeproduktion, Abfüllanlage usw.
Der Messumformer sollte variabel auf das Temperaturverhalten der Messlösung einstellbar sein, da
die Temperatur und das Temperaturverhalten der Spüllösungen zwischen den Spülvorgängen stark
variieren können.
Abbildung 14: Prinzipbild einer CIP-Anlage
124 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
4.4
Kraftwerke
Allgemeines
Für den Gebrauch in Kraftwerken ist besonders reines Wasser notwendig. Dieses Wasser hat den
Nachteil, dass es sehr aggressiv ist und erhebliche Korrosionsschäden verursachen kann. Erst
nachdem ein Wasser eine Anzahl an Vorbehandlungsschritten durchlaufen hat, ist es im Kraftwerk
verwendbar.
Kesselspeisewasser
Das Kesselwasser dient zur Dampferzeugung. Beim Verdampfungsprozess bleiben gelöste Verunreinigungen zurück, sodass deren Konzentration mit der Zeit zunimmt. Bei zu hohen Konzentrationen lagern sich gefährliche Deckschichten an den Kesselwänden ab. Die Wärmeisolation der
Deckschicht kann die Leistungsfähigkeit des Kessels leicht um mehr als 10 % mindern.
Beschädigungen der Deckschicht in Verbindung mit einer lokalen Überhitzung des Wasser führten
in der Vergangenheit wiederholt zu Kesselexplosionen. Das Zuführen von Kesselspeisewasser
dient daher nicht nur als Ersatz für das verdampfte Kesselwasser, sondern es muss gleichzeitig die
Konzentration der Verunreinigungen senken. Das Kesselspeisewasser selbst soll möglichst frei von
gelösten Substanzen sein, lediglich ein Alkalisierungsmittel, z. B. Ammoniak, darf vorhanden sein.
Die Grenze für die Wasserverunreinigungen ist über den Langlier-Index aus der Leitfähigkeit berechenbar. Sie ist für das Kesselspeisewasser auf (25 °C) = 0,2 µS/cm festgelegt.
Kondensat
Das durch Kondensieren des Wasserdampfs aufgefangene Wasser hat eine derartige hohe
Reinheit, dass es direkt wieder zur Kesselspeisung verwendbar ist. Es handelt sich praktisch um
destilliertes Wasser.
Allerdings können Verunreinigungen durch ein Leck der Kondensatorkühlung in das Kondensat
gelangen. Selbst kleine Leckagen lassen sich jedoch durch einen Vergleich der Leitfähigkeitswerte,
vor und nach der Kühlung, sofort feststellen.
Kühlwasser
Um die Generatoren vor Korrosionsschäden zu schützen, ist auch hier eine hohe Reinheit des
Wassers im Kühlwasserkreislauf notwendig. Ein hoher Sicherheitsgrad vor Korrosionsschäden
lässt sich durch drei im System angeordnete Leitfähigkeitsmessstellen erreichen. Ist bei zwei der
drei Messstellen der Grenzwert überschritten, wird eine Notabschaltung ausgelöst.
Messung
Reines Wasser stellt erhebliche Anforderungen an die verwendete Messtechnik. Bereits kleinste
Verunreinigungen aus der Luft oder des Materials der Messeinrichtung können die Leitfähigkeit
deutlich erhöhen. Die Leitfähigkeitsmessung wird daher im Durchfluss gemessen. Das Material des
Sensors und des Durchflussgefäßes dürfen nicht selbst die Leitfähigkeit beeinflussen, wie es z. B.
bei Verwendung von Glas der Fall ist. Für diese Anwendung haben sich Sensoren und Gefäße aus
VA-Stahl bestens bewährt.
Reinstwasser hat eine sehr niedrige Leitfähigkeit. Eine Zellenkonstante von K = 0,1 cm-1, besser
K = 0,01 cm-1, ist eine Voraussetzung für ein ausreichendes Messsignal des Sensors.
Eine weitere Maßnahme zur Verstärkung des Messsignals ist ein vor dem Sensor angebrachter,
stark saurer Ionenaustauscher. Er verstärkt das Signal um einen Faktor 3 bis 4, weil enthaltene Kationen gegen Wasserstoffionen mit einer höheren Äquivalenzleitfähigkeit ausgetauscht werden.
Des Weiteren beseitigt der Austauscher den störenden Einfluss des Alkalisierungsmittels.
Eine bedeutende Eigenschaft des Messumformers ist die Temperaturkompensation. Beim
Kondensator ist die Temperatur vor dem Kühler deutlich höher als dahinter. Um auch kleine Leitfähigkeitsdifferenzen sicher erkennen zu können, muss der Umformer die beiden Werte zuverlässig
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
125
3
4 Anwendungen
auf die Referenztemperatur kompensieren. Im Kühlsystem unterscheiden sich die Temperaturen
durch die räumliche Trennung der Messstellen. Erst eine zuverlässige Temperaturkompensation
macht den Vergleich der Messwerte möglich.
Das Temperaturverhalten bei diesen sehr niedrigen Leitfähigkeiten hängt von zwei Faktoren ab.
Es sind
• die Eigenleitfähigkeit des Wassers und
• die Leitfähigkeit der gelösten Substanzen
Leitfähigkeit in µS/cm
0,300
0,250
0,200
0,150
0,100
0,050
0,000
0
10
3
20
30
40
50
60
Temperatur in °C
Abbildung 15: Gesamtleitfähigkeit des Wassers (helle Linie),
Eigenleitfähigkeit des Wassers (schwarze Linie)
Das Temperaturverhalten der Eigenleitfähigkeit des Wasser entsteht im Wesentlichen durch die
Dissoziation der Wassermoleküle und die Viskosität des Wassers. Dieses Verhalten ist sehr stark
ausgeprägt.
Moderne Messumformer für Leitfähigkeitsmessung im Reinstwasser berücksichtigen diese
Zusammenhänge bei der Temperaturkompensation automatisch (siehe auch Kapitel „Reinstwassermessung“).
126 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
4.5
Pharmazie
Die pharmazeutische Industrie verwendet Wasser, das den Anforderungen der nach USP (water
conductivity <645>) entsprechen muss. Die Entscheidung, ob ein Wasser geeignet ist oder nicht,
hängt von der Leitfähigkeit und vom pH-Wert ab.
Messung
Die Leitfähigkeitsmessung erfolgt unkompensiert. Die Messwertewerte dürfen hierbei die Grenzwerte folgender Tabelle nicht übersteigen:
Temperatur in °C
Leitfähigkeit in µS/cm
Temperatur in °C
Leitfähigkeit in µS/cm
0
0,6
55
2,1
5
0,8
60
2,2
10
0,9
65
2,4
15
1,0
70
2,5
20
1,1
75
2,7
25
1,3
80
2,7
30
1,4
85
2,7
35
1,5
90
2,7
40
1,7
95
2,9
45
1,8
100
3,1
50
1,9
-
-
3
Tabelle 10: USP-Grenzwerte nach water conductivity <645>, Stage 1
Kohlensäuretest (Stage 2)
Sollte der Wert dennoch höher sein, gibt es noch zwei Testverfahren, bei deren positivem Ergebnis
die Verwendung des Wassers noch zulässig ist.
Die Wasserprobe wird bei einer Temperatur von = 25 ±1 °C stark gerührt. Beträgt der Leitfähigkeitswert maximal 2,1 µS/cm, so ist das Wasser für die Produktion nutzbar. Bei einem höheren
Wert muss eine pH-Messung die Entscheidung über die Verwendbarkeit des Wassers bringen.
pH-Test
Ein Zusatz von 0,3 ml gesättigte Kaliumchloridlösung pro 100ml Wasserprobe erfolgt, um die pHMessung zu stabilisieren. Die Temperatur soll während der Messung konstant 25 ±1 °C betragen.
Der gemessene pH-Wert muss nun zwischen 5,0 und 7,0 liegen. Weiterhin darf die Leitfähigkeit der
Messlösung die folgenden Tabellenwerte nicht übersteigen.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
127
4 Anwendungen
pH
Leitfähigkeit in µS/cm
pH
Leitfähigkeit in µS/cm
5.0
4,7
6.1
2.4
5,1
4,1
6.2
2.5
5.2
3,6
6,3
2.4
5.3
3.3
6,4
2.3
5,4
3,0
6.5
2.2
5,5
2.8
6.6
2.1
5,6
2.6
6.7
2,6
5.7
2.5
6.8
3,1
5,8
2,4
6,9
3,8
5,9
2.4
7,0
4.6
6.0
2,4
Tabelle 11: USP-Grenzwerte nach water conductivity <645>, Stage 3
3
Für die Verwendung in der pharmazeutischen Industrie muss der Hersteller des Leitfähigkeitsmessgerätes ein Kalibrierzertifikat liefern.
Die Auflösung des Gerätes muss mindestens 0,1 µS/cm betragen.
Die Unsicherheit des Gerätes (ohne Unsicherheit der Zelle) soll höchstens U( ) ±0,1 uS/cm betragen. Die maximale Unsicherheit bezogen auf den Sensor beträgt U( ) ±2 %.
4.6
Vollentsalzungsanlagen
Entionisiertes Wasser gehört in analytischen Laboratorien und auch in vielen Bereichen der Industrie zu einer selbstverständlichen Gegebenheit.
Das Wasser entsteht vorwiegend in Ionenaustauscheranlagen, aber auch durch Umkehr-Osmose
und Destillation.
Die Leitfähigkeit soll dem vorgesehenen Verwendungszweck angepasst sein. Verschiedene
„Laborwasserqualitäten“ werden z. B. in DIN ISO 3696 („Wasser für analytische Zwecke“) oder in
ASTM D 1193-99e1 („Standard specification for reagent water“) definiert.
Besonders Ionenaustauscher haben nur eine begrenzte Kapazität. Ist diese überschritten, können
zuerst Natrium- bzw. Chloridionen die Barriere, die der Austauscher darstellt, durchbrechen. Die
Leitfähigkeit des Wassers nimmt zu und zeigt die Erschöpfung des Austauschermaterials an.
Eine kontinuierliche Überwachung verhindert, dass Wasser einer minderen Qualität zum Gebrauch
kommt. Der Sensor und das Durchflussgefäß sollten aus Stahl bestehen. Materialien wie Glas verursachen Überbefunde durch die Abgabe von ionischen Bestandteilen.
Beim Messumformer ist die Temperaturkompensation bedeutend. Das Temperaturverhalten bei
sehr niedrigen Leitfähigkeiten hängt von zwei Faktoren ab. Es sind
• die Eigenleitfähigkeit des Wassers
• und die Leitfähigkeit der gelösten Substanzen
Nach Erschöpfung des Austauschermaterials durchdringen zuerst Natrium- und Chloridionen den
Austauscher. Diese Ionen weisen ein eigenes Temperaturverhalten auf. Moderne Messumformer
für Leitfähigkeitsmessung im Reinstwasser berücksichtigen diese Zusammenhänge bei der Temperatur-Kompensation automatisch.
128 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
Konzentrationsmessungen
Leitfähigkeit in S/cm
4.7
KCl
HCl
H2SO4
NaOH
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
0
5
10 15 20 25 30 35 40 50 60 70 80
Konzentration in Gew. % bei 20 °C
Abbildung 16: Konzentrationsabhängigkeit der Leitfähigkeit (für verschiedene Stoffe)
Ein Leitfähigkeitsmesswert gibt keine Information über die Art der gelösten Substanzen. Den
Messwert können beliebige Ionen erzeugt haben. Für Lösungen wechselnder oder einer
unbekannten Zusammensetzung steht der Leitfähigkeitsmesswert stellvertretend für einen Konzentrationswert.
Anders sieht es für Lösungen bekannter Zusammensetzungen aus. In diesem Fall kann die Leitfähigkeitsmessung sehr genaue Konzentrationswerte liefern. Auf Basis einer Tabelle oder einer
Kalibrierfunktion ist die Umrechnung des Leitfähigkeitswertes direkt in den entsprechenden Konzentrationswert möglich.
In einigen Anwendungsbereichen ist die Anzeige eines Konzentrationswertes anstelle des Leitfähigkeitswertes üblich (z. B. Aufschärfen von Säuren bzw. Laugen).
Der Zusammenhang von Leitfähigkeit und Konzentration von Säuren und Laugen ist in weiten Bereichen nicht linear und kann daher nur von mikroprozessor gesteuerten Geräten in benötigter Genauigkeit reproduzierbar dargestellt werden.
JUMO CTI-750
zur Visualisierung
DC 24 V
NaOH
Konzentration 0 ... 10 Gew.% Natronlauge (NaOH)
Temperatur 30 ... 50 °C
Abbildung 17: Der JUMO CTI-750 errechnet direkt die aktuelle Konzentration
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
129
3
4 Anwendungen
TDS (Total Dissolved Solids oder der in Deutschland gebräuchliche Begriff Filtrattrockenrückstand)
Dieser Wert ist z. B. für die Grundwasseranalytik und auch den Kraftwerksbereich von Bedeutung.
Weiterhin wird dieser Wert zur Bewertung der Trinkwasserqualität (z. B. in den USA, arabischen
und asiatischen Ländern) herangezogen.
Verschiedene Organisationen haben zu diesem Thema Grenzwerte veröffentlicht.
• WHO (World Health Organisation) < 1000 mg/l
• USEPA (United States Environmental Protection Agency) < 500 mg/l
Die normgerechte Bestimmung erfolgt gravimetrisch, d. h.
• Probe filtrieren
• Filtrat eindampfen
• Rückstand wiegen
Zur Online-Messung benutzt man die Leitfähigkeitsmessung. Es genügt ein einziges Mal, den Umrechnungsfaktor zu bestimmen. Er entspricht dem Verhältnis zwischen dem Leitfähigkeitswert des
Wassers und dem Wert für den gravimetrisch bestimmten Filtrattrockenrückstand. Der Faktor bewegt sich im Bereich von 0,55 bis 1,0. Ein allgemein üblicher Wert für Trinkwasser liegt bei ca. 0,67.
Bei modernen Geräten, wie z. B. dem JUMO AQUIS 500 CR, kann dieser Faktor individuell
eingegeben und damit eine möglichst exakte Messung erreicht werden.
3
Salinität
In der Meerwasseranalytik ist die Angabe der Salinität gebräuchlich. Früher bezog sich der Salinitätswert in ‰ auf die International Oceanographic Tables (IOT), in denen die Leitfähigkeitswerte
auf eine Salzlösung bezogen sind, deren Zusammensetzung der mittleren Zusammensetzung von
Meerwasser entspricht. Heute ist der Salinitätswert dimensionslos und auf eine Kaliumchloridlösung (32,4356 g/Kg) bezogen.
Natriumchloridäquivalent
Im Kraftwerksbereich ist das Natriumchloridäquivalent gebräuchlich. Dieser Wert gibt die Leitfähigkeit in mg/l NaCl wieder. Diese Angabe beruht auf der Kenntnis, dass Natrium- und Chloridionen zuerst durch die Ionenaustauscheranlage schlüpfen.
130 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
Der Begriff Qualitätssicherung bezog sich früher im Wesentlichen auf die Herstellung von Erzeugnissen, z. B. Stereoanlagen, Messgeräte oder Käse. Die Analytik war ein Mittel zum Nachweis der
Qualität. Im Rahmen der GLP und Zertifizierungsmaßnahmen, z. B. nach ISO 9000 mussten sich
auch Laboratorien im Rahmen von Standardarbeitsvorschriften (SOP) stärker mit Fragen zur Qualität von Messverfahren und Messwerten auseinandersetzen. Dieser Prozess setzte sich stetig fort,
sodass heute auch in der Prozessmesstechnik Regeln zur Qualitätssicherung einzuhalten sind.
Beispiele hierfür sind die Merkblätter der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), die Richtlinie
in den Deutschen Einheitsverfahren ENV ISO 13530 oder das Merkblatt der Abwassertechnischen
Vereinigung ATV-DVWK M 704.
Wie genau ist ein Leitfähigkeitsmesswert?
Eine Antwort zur Genauigkeit von Messwerten ist praktisch nicht möglich. Die Angabe der Genauigkeit setzt voraus, dass der wahre Messwert bekannt ist - dies ist in der Praxis nicht der Fall.
Schätzen lässt sich die Unsicherheit eines Messwertes. Der Begriff „schätzen“ sollte jedoch nicht
mit dem Begriff „ungefähr“ assoziiert werden, sondern mit einer fachkundigen Beurteilung.
Die Angabe, dass die Unsicherheit U( ) ±5 % beträgt, sagt aus, dass der wahre Leitfähigkeitswert
der Messlösung mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % um nicht mehr als,
±25 µS/cm von
einem Messwert = 500 µS/cm abweicht. Bei Halbieren des Wertes für die Unsicherheit beträgt
die Wahrscheinlichkeit nur noch 67 %.
Die Kenntnis der Unsicherheit kann besonders für Betriebsmessungen bedeutend sein.
Es geht z. B. um die Frage, wann ist ein Grenzwert überschritten.
Beispiel
Für die Leitfähigkeit ist ein Grenzwert von = 1000 µS/cm angegeben und der Messwert ist
= 970 µS/cm mit einer Unsicherheit U( ) ±6 %. Obwohl der Messwert = 970 µS/cm noch unter
dem Grenzwert liegt, besteht ein Risiko, dass eine Grenzwertüberschreitung vorliegt. Erst bei
einem Wert von kleiner = 940 µS/cm ist eine Grenzwertüberschreitung nahezu - jedoch nicht
völlig - ausgeschlossen.
Maßnahmen zur Qualitätssicherung tragen wesentlich zur Minderung der Unsicherheit bei.
5.1
Dokumentation
Ein wesentliches Element der Qualitätssicherung ist die Dokumentation aller für die Messung relevanten Informationen. Die Aufzeichnungen dienen als Nachweis für den Zustand der Messeinrichtung und natürlich des Messgutes. Über größere Zeiträume gesammelte Messwerte sind ein gutes
Fundament, auf dem Entscheidungen möglich sind, z. B.:
•
•
•
•
zur Wartung der Messeinrichtungen
zur Steuerung der Wasserparameter
zur Fehlersuche bei Störungen oder
für den Neuerwerb von Messmitteln
Voraussetzung für diese und weitere Möglichkeiten ist die vollständige Dokumentation der Messwerte und der Bedingungen, unter denen die Werte erhalten wurden. Dies umfasst die Messbedingungen, Daten der Kalibrierungen und Prüfungen sowie Angaben zur verwendeten Messeinrichtung.
Die Dokumentation soll vollständig, gut lesbar und verständlich aufgebaut sein, sodass es auch
nach langen Zeiträumen möglich ist, Sachverhalte zu klären.
Die Messwerte werden normalerweise bereits durch den Messumformer aufgezeichnet.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
131
3
5 Qualitätssicherung
Allgemeine Angaben
Ein Journal sollte alle Daten über die Messstelle, die Messeinrichtung und eventuell durchgeführte
Serviceleistungen enthalten:
•
•
•
•
•
•
Bezeichnung und Ort der Messstelle
genaue Anschrift eines Ansprechpartners
Seriennummern der Bauteile der Messeinrichtung
Anschaffungs- und Inbetriebnahmedatum der Messeinrichtung
Datum und Grund von Reparaturen sowie
Name und Anschrift des Dienstleisters für Service- und Reparaturmaßnahmen
Kalibrierdaten
Ein Kalibrierprotokoll sollte folgende Daten enthalten:
•
•
•
•
•
3
Bezeichnung und Ort der Messstelle
Seriennummern der Bauteile der Messeinrichtung
Name des Bearbeiters
Bezeichnung, Seriennummer und Haltbarkeitsdatum der verwendeten Referenzlösungen sowie
Datum und Daten der Kalibrierung
(z. B. Messwert, Temperaturwert, Soll-Wert der Referenzlösung)
Messwerte
Aufzeichnungen für die Messwerte sollten zusätzlich Angaben zum Datum, Uhrzeit und relevanten
Begleitparametern enthalten, z. B. Angabe der Temperatur.
Sonstige Angaben
Zur vollständigen Dokumentation gehören die zur Messung verwendete Verfahrensbeschreibungen
inklusive der Beschreibungen für Kalibrierungen, Justiervorgänge, Wartung und Lagerung der
Messeinrichtung. Weiterhin sollen alle Gebrauchsanleitungen und sonstigen Vorschriften sowie Anweisungen im Dokumentationsordner hinterlegt sein.
132 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
5.2
Wartung
Eine Messeinrichtung, und besonders Sensoren, altern in Abhängigkeit von den Messbedingungen. Verschleiß und Verschmutzungen schränken ihre Zuverlässigkeit ein und verursachen Messabweichungen. Regelmäßige Prüfungen helfen unzuverlässige Bauteile zu erkennen
und sie z. B. durch Reinigung wieder in einen einwandfreien Zustand zu versetzen.
Zwischen den Kalibrierungen ist eine Störung der Messfunktion nur anhand der aufgezeichneten
Messwerte zu erkennen.
Eine Störung kann sich durch streuende oder von bisher gewohnten Erfahrungswerten abweichende Messwerte zeigen. Die Entscheidung, ob ein normales Ereignis vorliegt oder ein Eingreifen notwendig ist, sollte auf Basis der dokumentierten Daten erfolgen.
Streuende Messwerte
Streuende Messwerte allein sind noch kein Hinweis auf eine Störung. Die Streuung hat meist in
normalen Änderungen des Wassers bzw. der Messlösung oder im Messverfahren ihre Ursache.
Messgröße
Ein Grund, warum eine Messeinrichtung streuende Werte verursachen kann, ist z. B. eine falsch
eingestellte Temperaturkompensation. Das Messgerät reagiert nun auf Temperaturänderungen mit
streuenden Messwerten.
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Referenzwerte
Messwerte
3
0
2
4
6
8
Beobachtungszeitraum
10
Abbildung 18: Die Messwerte streuen unregelmäßig um die Sollwerte
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
133
5 Qualitätssicherung
Messgröße
Driftende Messwerte
„Driften“ bezeichnet den Vorgang beständig zu- bzw. abnehmender Werte.
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Referenzwerte
Messwerte
0
2
4
6
8
Beobachtungszeitraum
10
Abbildung 19: Die Abweichung zwischen des Mess- und Sollwerten nimmt mit der Zeit zu
Plötzliche Messabweichungen
Tritt eine deutliche Messwertänderung innerhalb weniger Minuten ein, ist eine elektrische Störung
wahrscheinlich. Es kann jedoch auch einfach sein, dass der Sensor nicht mehr ins Wasser taucht.
Messgröße
3
Zunehmende Werte stehen nicht mit der Messeinrichtung in Verbindung. Die Ursache
abnehmender Werte kann auf eine Verschmutzung einer Zwei-Elektrodensensoren bei einer Leitfähigkeit über 100 µS/cm zurückzuführen sein. Schmutzbeläge erhöhen den Widerstand auf den
Elektroden, sodass der Strom abnimmt.
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Referenzwerte
Messwerte
0
2
4
6
8
Beobachtungszeitraum
10
Abbildung 20: Innerhalb weniger Minuten tritt eine deutliche Abweichung vom Sollwert auf
134 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
5.3
Probleme/Maßnahmen
Problem
Keine Messwertanzeige
bzw. stetiger Ausgang
Messwertanzeige „000“
bzw.
Stetiger Ausgang „0 %“
Falsche oder
schwankende
Messwertanzeige
mögliche Ursache
Spannungsversorgung fehlt
Maßnahme
Spannungsversorgung prüfen, Klemmen prüfen
Sensor nicht im Medium
eingetaucht,
Behälterniveau zu niedrig
Durchflussarmatur verstopft
Sensor derfekt
Fühlerleitung defekt
Sensor nicht tief genug
eingetaucht
Keine Durchmischung
Behälter füllen
Luftblasen
Elektrische Störungen
Durchflussarmatur reinigen
Sensor prüfen
Fühlerleitung prüfen
Behälter bzw. Durchflussarmatur füllen
Für gute Durchmischung sorgen,
beim Sensor auf allseitig ca. 5mm freie
Umspülung achten
Montageort prüfen
Spannungsversorgung auf unzulässige Störungen (z. B. schlechte Isolation von Frequenzumrichtern) prüfen,
Leitungsmaterial der Fühlerleitung prüfen
(abgeschirmte Leitungen verwenden),
Leitungsführung prüfen (keine parallele Verlegung
zu größeren elektrischen Verbrauchern)
Beläge auf den Messflächen Sensoren reinigen, siehe Kapitel 5.4 „Reinigung“
Temperaturkoeffizient
Temperaturkoeffizient korrekt ermitteln,
nicht korrekt
siehe Kapitel 3.2.2 „Kalibrieren/Justieren“
Unterschiedliche Temperatur- siehe Kapitel 3.2.3 „Messbedingungen“
koeffizienten von Betriebsund Referenzmessgerät
Unterschiedliche Referenzsiehe Kapitel 3.2.3 „Messbedingungen“
temperaturen von Betriebsund Referenzmessgerät
Polarisation
Bei hohen Leitfähigkeiten (größer ca. 10mS/cm)
induktives Messprinzip verwenden,
siehe Kapitel 2.2.4 „Messprinzipien“ bzw.
Kapitel 3.1.1 „Sensoren“
Tabelle 12: Möglichkeiten zur Problembeseitigung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
135
3
5 Qualitätssicherung
5.4
Reinigung
Tritt bei der Prüfung in der Referenzlösung eine zu große Messabweichung auf, so ist das Reinigen
oder der Austausch des Sensors die einzig wirkungsvolle Maßnahme, um die Störung zu beheben.
Das Reinigungsmittel hängt grundsätzlich von der Art der Verschmutzung ab. In den meisten Fällen
reicht warmes Wasser mit etwas Haushaltsspülmittel, um Fette und Öle zu beseitigen. Kalk- oder
Eisenoxidbeläge lassen sich mit Essig, Zitronensäure oder verdünnter Salzsäure entfernen.
Hinweis
Sensoren mit platinierten Platinelektroden niemals mechanisch reinigen.
Jegliche mechanische Berührung schädigt die platinierte Oberfläche und ist lediglich durch eine
neue Platinierung zu beheben.
5.5
Prüfmöglichkeiten vor Ort
Immer wieder wird dem Hersteller von Mess- und Regeltechnik die Frage nach der Messsicherheit
bei Dauermessung gestellt. Insbesondere bei Reinstwasser sind Vergleichsmessungen oft nur über
Laboranalysen möglich.
Folgende Möglichkeiten stehen dem Anlagenbetreiber vor Ort zur Verfügung:
3
Prüfen des Messumformers
Der Messumformer kann mit Präzisionswiderständen geprüft werden.
Hier ist jedoch davon auszugehen, dass der Messumformer (unter normalen Umständen) seine
abgeglichene Genauigkeit nicht verloren hat.
Beispiel:
Vorbereitung
Abschaltung der Temperaturkompensation, d. h. den Temperaturkoeffizienten auf 0 %/K einstellen
bzw. die manuelle Temperaturvorgabe auf Referenztemperatur einstellen (meist 25 °C).
Berechnung des zu erwartenden Anzeigewertes:
K
Y = ---R
(5)
K: Zellenkonstante (Einstellung des Messumformers) [1 /cm]
R: Widerstandswert des Referenzwiderstandes [ ]
Y: Anzeige des Gerätes [µS/cm bzw. mS/cm]
Wertebeispiel
Im Betrieb ist am Messumformer ein Leitfähigkeitssensor mit der Zellenkonstante 1,0 [1/cm] angeschlossen. An Stelle des Leitfähigkeitssensors soll nun ein Widerstand mit 1000 [W] angeschlossen werden.
1,0
[1/cm] = 0,001 [S/cm] = 1 mS/cm = 1.000 µS/cm
-------------------------1000 [
(6)
Der Messumformer sollte 1 mS/cm bzw. 1.000 µS/cm anzeigen.
Es sind natürlich die Genauigkeiten des Messumformers und des Widerstandes zu berücksichtigen.
136 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
Neubestimmung der Zellenkonstanten
Da der Sensor dem Messmedium und den darin enthaltenen Inhaltsstoffen ausgesetzt ist, ist es
sinnvoll, sie in regelmäßigen Abständen zu prüfen (Bestimmung der Zellenkonstanten).
Prüfintervalle
Die Festlegung der Prüfintervalle obliegt dem Anlagenbetreiber oder aber gesetzlichen Bestimmungen. Bei diesem Vorgang wird der Messumformer auf die neue (veränderte) Zellenkonstante abgestimmt.
Vergleichsmessung
Durch eine Vergleichsmessung mit einem Referenzgerät kann die Zellenkonstante der Reinstwassersensor neu bestimmt werden. Hier ist darauf zu achten, dass bei beiden Messgeräten
(JUMO- und Referenzgerät) die Temperaturkompensation ausgeschaltet ist, d. h. auf 0 %/K steht.
Damit wird erreicht, dass der aktuell an der Leitfähigkeitssensor anliegende Wert angezeigt wird.
Eventuell unterschiedliche Anzeigewerte, bedingt durch unterschiedlich arbeitende Temperaturkompensationen, werden dadurch vermieden.
Bestimmung beim Hersteller
Sind beim Anwender keine entsprechenden Mess- und Prüfmittel vorhanden, kann die Zellenkonstante des Sensors auch beim Hersteller (z. B. JUMO) neu bestimmt werden.
In diesem Fall kann es angebracht sein, einen zweiten ausgemessenen Leitfähigkeitssensor vor Ort
zu haben, um Stillstandszeiten zu vermeiden.
5.6
3
Lagerung des Sensors
Leitfähigkeitssensoren lassen sich problemlos trocken aufbewahren und sind gut lagerfähig.
Hinweis
Ablagerungen durch Staub, Rückstände von verdunstetem Kondenswasser, Oberflächenveränderungen durch aggresive Atmosphären u. a. m. verändern die Zellenkonstante (Kapitel 5.3
„Probleme/Maßnahmen“).
Sensoren mit platinierten Platinelektroden unbedingt in entionisiertem Wasser aufbewahren. Ein
Austrocknen schädigt die platinierte Oberfläche und ist lediglich durch eine neue Platinierung zu
beheben.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
137
5 Qualitätssicherung
3
138 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
6 Quellenangabe
• ASTM D1125
Standard Test Methods for Electrical Conductivity and Resistivity of Water
• ASTM D1193
Standard Specfication for Reagent Water
• ASTM D 5391
Standard Test Method for Electrical Conductivity
and Resistivity of a Flowing High Purity Water Sample
• DIN V EN V 13005
Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen,
Deutsche Fassung ENV 13005
• DIN EN 27888
Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit
• DIN ISO 3696,
Wasser für analytische Zwecke
• Kremer M.,
Dokumentierte Reinheit, Dokumentierte Reinheit von Messsytemen für Reinstwasser,
Chemie Technik 29, Nr. 5,
2000
3
• Morash K. R., Thornton R. D. …,
Measurement of the resistivity of high-purity water at elevated temperature,
Ultra-pure water journal,
1994
• United States Pharmacopeia, (USP), water conductivity <645> in der aktuellen Fassung
• Physikalisch-Technische Bundesanstalt,
Rückführbare Bestimmung der elektrolytischen Leitfähigkeit,
www.ptb.de
• Wu Y. C.,
Absolute Determination of Electric Conductivity
for Primary Standard KCl Solutions from 0 to 50 °C,
Journal of Solution Chemistry, Vol. 20, No. 4,
1991
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
139
6 Quellenangabe
3
140 Leitfähigkeitsmessung, Konzentration, TDS
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Kapitel 4
Reinstwassermessung
Dipl.-Ing. (FH) Reinhard Manns
4
Bemerkung
Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten.
Vorwort
Als Hersteller von Messsystemen (Messumformer/Regler und Sensor) zur Widerstands- bzw. Leitfähigkeits- und pH-Messung werden wir nahezu täglich mit der bei den Endkunden, Anwendern und
Projektierern herrschenden Unsicherheit bezüglich der messtechnisch korrekten Methoden und
Geräte für Reinstwasser konfrontiert.
Um hier Hilfestellung zu geben, wurde dieses Buch erstellt. Diese soll die wesentlichen Begriffe und
Hintergründe zur Reinstwassermessung allgemein verständlich erläutern und damit zur „Entmystifizierung“ beitragen. Außerdem stellt sie die bei Drucklegung allgemein gültigen Verfahren zur
Kalibrierung und Prüfung einer Reinstwasser-Messstelle dar, die sich derzeit noch stark an
amerikanischen Vorgaben (USP/ASTM) orientiert.
Wir bemühen uns, diese Informationen zur Reinstwassermessung stets auf dem neuesten Stand zu
halten und rufen die Leserschaft dazu auf, rege an einem Erfahrungs- und Wissensaustausch mitzuarbeiten. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge entgegen.
Fulda, imApril 2012
Dipl.-Ing. (FH) Reinhard Manns
4
Inhalt
1
Einleitung ...................................................................................... 145
2
Grundlagen ................................................................................... 147
2.1
Die Messung .................................................................................................... 147
2.2
Bestandteile einer Messkette ........................................................................ 148
2.2.1
Funktionsprinzip ............................................................................................................ 148
2.3
Kontrolle der Wasserqualität ......................................................................... 149
2.3.1
2.3.2
2.3.3
2.3.4
2.3.5
Zellenkonstante .............................................................................................................
Vorgehensweise der Hersteller zur werkseitigen Bestimmung
der Zellenkonstante gemäß ASTM D 5391-99 sowie ASTM D 1125-95 ......................
Materialien und Prozessanschlüsse ..............................................................................
Qualitätssicherung bei der Sensorfertigung .................................................................
Prüfzeugnisse ...............................................................................................................
2.4
Total Organic Carbon - TOC .......................................................................... 152
2.4.1
2.4.2
2.4.3
2.4.4
Allgemeines ...................................................................................................................
TOC-Messprinzip ..........................................................................................................
Differenzierung zwischen TIC und TOC ........................................................................
TOC in Reinstwasser in den Arzneibüchern: USP und Ph. Eur. ...................................
2.5
pH-Messtechnik in Reinstwasser ................................................................. 154
2.5.1
Gerätetechnik bei der pH-Messung .............................................................................. 156
3
Messtechnik ................................................................................. 159
3.1
Messumformer/Regler ................................................................................... 159
149
150
150
151
151
152
152
153
153
3.2
Temperaturkompensation .............................................................................. 160
3.2.1
3.2.2
3.2.3
Temperaturkompensation bei „höheren“ Leitfähigkeiten ............................................. 161
Besonderheit von Reinstwasser ................................................................................... 161
Unkompensierter Betrieb .............................................................................................. 161
3.3
USP-Kontakt ................................................................................................... 162
3.4
Ph. Eur.-Grenzwerte ........................................................................................ 163
3.5
Sensoren .......................................................................................................... 164
3.6
Leitungsmaterial/Anschlusskabel ................................................................. 164
4
Anwendungen ............................................................................... 165
4.1
Anwendungsgebiete ....................................................................................... 165
4.2
Herstellung ...................................................................................................... 165
4.3
Anlagenbeispiel ............................................................................................... 165
4.4
Besonderheiten im Umgang mit Reinstwasser ........................................... 166
5
Qualitätssicherung ....................................................................... 167
5.1
Qualitätssicherung bei der Messumformer-Fertigung ................................ 167
5.2
Prüfzeugnisse .................................................................................................. 168
Reinstwassermessung
4
Inhalt
5.2.1
5.2.2
5.2.3
4
5.2.4
5.2.5
5.2.6
Prüfzeugnisse für Messumformer .................................................................................
Zellenkonstante .............................................................................................................
Vorgehensweise der Hersteller zur werkseitigen Bestimmung
der Zellenkonstante gemäß ASTM D 5391-99 sowie ASTM D 1125-95 ......................
Materialien und Prozessanschlüsse ..............................................................................
Qualitätssicherung bei der Sensorfertigung .................................................................
Prüfzeugnisse ...............................................................................................................
5.3
Prüfmöglichkeiten vor Ort .............................................................................. 171
5.3.1
5.3.2
5.3.3
5.3.4
5.3.5
Überprüfung des Messumformers ................................................................................
Neubestimmung der Zellenkonstanten .........................................................................
Überprüfungsintervalle ..................................................................................................
Vergleichsmessung .......................................................................................................
Bestimmung beim Hersteller .........................................................................................
6
Quellenangabe ............................................................................. 173
6.1
Normen, Arzneibücher, Richtlinien ................................................................ 173
6.1.1
6.1.2
6.1.3
6.1.4
ASTM-Standards ..........................................................................................................
Arzneibücher .................................................................................................................
VDI-Richtlinien ..............................................................................................................
DIN-/ISO-/EN-Normen ..................................................................................................
6.2
Literatur ........................................................................................................... 176
7
Anhang .......................................................................................... 177
7.1
Beispiel eines Prüfprotokolls für die Sensoren ............................................ 177
7.2
Beispiele für Prüfprotokolle von Messumformern ....................................... 178
Reinstwassermessung
168
168
169
169
170
170
171
171
171
171
171
173
174
175
175
1 Einleitung
Bei der Messung von Reinstwasser handelt es sich um ein sehr spezielles Teilgebiet der Leitfähigkeitsmesstechnik. Wie der Begriff schon erahnen lässt, handelt es sich um Wasser in seiner
reinsten Form, d. h. ohne jegliche Verunreinigung.
Diese Qualität macht es zu einem interessanten Material für unterschiedliche Einsatzfälle. Hier
seien nur beispielhaft folgende Bereiche genannt:
• als Reinigungsmittel in der Halbleiterindustrie
• in der Lebensmittelindustrie als Reinigungsgang nach dem eigentlichen Spülen mit Reinigungsmitteln
• in der Pharmaindustrie zu Reinigungs- und Verdünnungszwecken
Die oben aufgeführten Bereiche erfordern eine entsprechende Qualitätskontrolle. Diese kann auf
zwei Wegen erfolgen: durch Laboruntersuchungen (Stichprobenkontrollen) und durch OnlineMesstechnik.
Als relativ einfache Online-Messung kommt die Leitfähigkeitsmessung zum Einsatz.
Die notwendigen Wasserqualitäten bewegen sich im Leitfähigkeitsbereich < 1 µS/cm (bei 25 °C).
Wie bei allen speziellen Teilgebieten (Randbereichen) sind auch hier besondere Maßnahmen bezüglich Messung und Handhabung erforderlich.
4
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
145
1 Einleitung
4
146 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.1
Die Messung
Über eine kontinuierliche Leitfähigkeitsmessung kann die Wasserqualität schnell und sicher kontrolliert werden. Grundsätzlich ist die Leitfähigkeit des Messmediums von der Anzahl, der Ladungszahl und der Beweglichkeit der Ionen abhängig. Ein Leitfähigkeitssensor erfasst die Summe aller in
der Lösung befindlicher Ionen.
Die Messung erfolgt mit Leitfähigkeitsensoren, die nach dem Zwei-Elektroden-Verfahren arbeiten.
Bei dieser Anwendung sind die Elektroden konzentrisch angeordnet, wobei die äußere die innere
Elektrode abschirmt.
Da die elektrolytische Leitfähigkeit stark temperaturabhängig ist, wird der Messwert der gemessenen Flüssigkeit normalerweise auf die international anerkannte Referenztemperatur von 25 °C
bezogen (temperaturkompensiert). Hier bildet ein spezielles Bewertungsverfahren nach USP (water
conductivity <645>) eine Ausnahme, dort muss unkompensiert gemessen werden.
Die Qualität von Reinstwasser (ultra pure water, purified water, water for injection usw.) ist in
einigen Normen bzw. Empfehlungen beschrieben, z. B. bei ASTM (American Society For Testing
and Materials), Pharmacopoea Europaea (Ph. Eur.) USP (United States Pharmacopeia) und DINoder ISO-Normen. Aufgrund der hohen Akzeptanz der US-amerikanischen Normen und
Empfehlungen kommen diese praktisch weltweit zur Anwendung oder lehnen sich andere Vorgaben an diese an.
Nachfolgend sind typische Leitfähigkeitsbereiche aufgeführt - Referenztemperatur 25 °C:
• Brauch-/Rohwasser
ca. 300 - 800 µS/cm
• teilentsalztes Wasser
ca. 20 µS/cm
• Reinwasser (VE-Wasser)
ca. 2 - 10 µS/cm
• Reinstwasser
0,055 - 1 µS/cm
4
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
147
2 Grundlagen
2.2
Bestandteile einer Messkette
Eine komplette Messkette für Reinstwassermessungen besteht aus:
• Reinstwasser-Messumfomer/Regler
• Reinstwassersensor mit exakt vermessener Zellenkonstante
• Temperaturfühler (meist in der Reinstwassersensor integriert)
• Anschlussleitung
2.2.1 Funktionsprinzip
Höhe h
Messumformer/Regler
Lösung
ite
Bre
b
Länge l
4
Abbildung 1:
Das Messprinzip ist die konduktive Leitfähigkeitsmessung mit einer ZweiElektrodensensor
Eine Zwei-Elektrodensensor besteht aus zwei leitfähigen Messelektroden (bei Reinstwasser aus
Edelstahl oder Titan), die in einer bestimmten Geometrie angeordnet sind. Diesen geometrischen
Zusammenhang aus Abstand der Sensoren zueinander (Länge l) und wirksame Messfläche A (Breite b x Höhe h = Fläche A) nennt man Zellenkonstante K (Einheit [1/cm]).
Bei Reinstwasser muss diese Zellenkonstante K = 0,01 betragen (größerer Zellenkonstanten, z. B.
K = 0,1; K = 1,0 bedeuten auch größere Messbereiche).
Reale Sensoren weisen oft einen koaxialen Aufbau auf, d. h. die beiden Messelektroden sind konzentrisch angeordnet. Außerdem ist in diesen Sensoren meist ein Temperaturfühler zur Erfassung
der Mediumstemperatur integriert.
Der Messumformer beaufschlagt der Zwei-Elektrodensensor mit einer Wechselspannung. Es stellt
sich aufgrund des elektrischen Widerstandes der Messlösung ein Wechselstrom ein, der durch den
Messumformer unter Berücksichtigung der Zellenkonstante und eventuell der Mediumstemperatur
in die Leitfähigkeit (bzw. den Widerstand) der Messlösung umgerechnet wird.
Weiterführende Informationen entnehmen Sie dem Kapitel 3 „Messtechnik“.
148 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.3
Kontrolle der Wasserqualität
Zur Kontrolle der Qualität von Reinstwasser werden neben Laboranalytik folgende Online-Messmethoden eingesetzt: elektrische Leitfähigkeit, Total Organic Carbon (TOC) und pH-Wert sowie
ggf. Partikelmessung.
Über die Leitfähigkeit erfasst man Verunreinigungen, die in ionischer Form vorliegen. Hierzu gehören in erster Linie anorganische Ionen, wie z. B. Na+, Ca2+, Mg2+, Cl-, SO42-, aber auch organische
Ionen, wie z. B. dissoziierte Carbonsäuren.
Ungeladene organische Verunreinigungen werden über eine Leitfähigkeitsmessung nicht erfasst.
Diese Lücke wird durch die TOC-Messung geschlossen. Zur TOC-Bestimmung gibt es verschiedene Ansätze. Alle Verfahren beruhen darauf, dass man organische Verbindungen zu Kohlendioxid (CO2 ) oxidiert und das gebildete CO2 bestimmt.
Saure oder alkalische Verunreinigungen werden neben Leitfähigkeitsmessungen auch über die Veränderung des pH-Wertes erkannt.
Partikel, die besonders in der Halbleitertechnik stören, werden durch die Partikelmessung z. B.
über Laserstreuung bestimmt.
2.3.1 Zellenkonstante
Der in Kapitel 2.2 „Bestandteile einer Messkette“ beschriebene geometrische Faktor Zellenkonstante K spielt insbesondere bei der Reinstwassermesstechnik eine wichtige Rolle.
Produktionsbedingt unterliegen die Zellenkonstanten handelsüblicher Zellen Abweichungen von
bis zu ±10 %. Dies erscheint nur bei erster Betrachtung sehr ungenau zu sein - ein falsch eingestellter Temperaturkoeffizient kann wesentlich größere Messfehler zur Folge haben.
Nach USP muss die Zellenkonstante auf ±2% genau bekannt sein. JUMO-Sensoren können mit
einem ASTM-Prüfzeugnis, in dem die genaue Zellenkonstante bescheinigt wird, geliefert werden.
Zur individuellen Kalibrierung der Leitfähigkeitssensoren bieten moderne Messumformer umfangreiche Möglichkeiten (z. B. automatische Bestimmung der Zellenkonstanten, Kalibrieren mit Prüflösungen). Damit werden Temperatur, Temperaturkoeffizient und Zellenkonstante berücksichtigt.
Besonderheit Reinstwasser
Durch die ASTM-Temperaturkompensation (Kapitel 3.2.2 „Besonderheit von Reinstwasser“) entfällt
der mögliche Messfehler durch einen falsch eingestellten Temperaturkoeffizienten. Hier überwiegt
der Einfluss des Messfehlers aufgrund nicht exakter Zellenkonstanten.
Auch Reinstwassersensoren können o. g. Abweichungen von ihrer nominellen Zellenkonstanten K
= 0,01 haben.
Leider gibt es keine praktisch verwendbaren Prüf- oder Kalibrierflüssigkeiten für den Reinstwasserbereich, d. h. unter 10 µS/cm. Flüssigkeiten mit solchen Leitfähigkeitswerten liefern keine stabilen
Referenzwerte, da sie sofort Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen und sich dadurch verändern.
Reinstwasser-Messkette vorbereiten
Es ist daher erforderlich, dass man Reinstwassersensoren mit einer exakt vermessenen Zellenkonstante einsetzt. Bei solchen Sensoren hat der Hersteller ein Prüfzeugnis, z. B. das sogenannte
„ASTM-Prüfzeugnis“ erstellt, in dem die Zellenkonstante auf mehrere Kommastellen genau eingetragen wurde. Bei der Inbetriebnahme der Messstelle muss nur noch diese exakte Zellenkonstante
in den Messumformer einprogrammiert werden; danach ist dier Sensor messbereit.
Regelwerke
Die Vorgehensweise bei der werkseitigen Bestimmung der exakten Zellenkonstante ist in einem
Regelwerk der ASTM festgelegt worden. Europäische Regelungen gibt es noch nicht.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
149
4
2 Grundlagen
2.3.2 Vorgehensweise der Hersteller zur werkseitigen Bestimmung
der Zellenkonstante gemäß ASTM D 5391-99 sowie ASTM D 1125-95
Die Bestimmung der Zellenkonstante erfolgt mittels einer Vergleichsmessung. Die verwendete
Flüssigkeit hat hierbei eine Leitfähigkeit im Bereich von 5 ... 10 µS/cm.
Die ASTM D 5391-99 geht davon aus, dass die in diesem Leitfähigkeitsbereich bestimmte
Zellenkonstante auch bei kleineren Leitfähigkeiten (Reinstwasserbereich) Gültigkeit hat.
Aufbau
Der apparative Aufbau besteht aus einem Reinstwasser-Kreislauf, einer Leitfähigkeits-Referenzmessung und des zu vermessenden Sensors. Diese ist an einen Labor-Leitfähigkeitsmessumformer angeschlossen. Nachdem sich ein stabiler Leitwert eingestellt hat (kontrolliert durch die Leitfähigkeits-Referenzmessung, die unkompensiert durchgeführt wird), wird mit dem Labor-Leitfähigkeitsmessumformer die Zellenkonstante des zu vermessenden Leitfähigkeitssensors bestimmt.
In der USP (water conductivity <645>) wird eine Genauigkeit der bestimmten Zellenkonstante von
±2 % gefordert.
Diese Anforderung wird bei JUMO erfüllt.
Messergebnis
Das Messergebnis wird mit den relevanten Daten in das entsprechende Prüfprotokoll eingetragen.
Die verwendeten Prüfmittel und -geräte sind auf nationale und internationale Normale rückführbar.
2.3.3 Materialien und Prozessanschlüsse
4
Die für den Reinstwassersensor verwendeten Materialien richten sich nach den Anforderungen des
Einsatzfalles bzw. nach den vorliegenden Gegebenheiten am Messort. Gleiches gilt für den Prozessanschluss des Sensors.
Entscheidend bei der Auswahl sind u. a. folgende Gesichtspunkte:
• Prozessdruck
• Temperatur des Mediums
• Material der Verrohrung, in die die Messstelle eingebaut werden soll
• hygienische Anforderungen
Als Standardmaterial für die Sensoren findet man Edelstähle, z. B. 1.4435; AISI316L oder
DIN 1.4571. Für ultrareine Wässer empfiehlt sich Titan als Material für die Elektroden.
Bei den Prozessanschlüssen ist JUMO ebenfalls variabel:
• Einschraubgewinde nach DIN oder NPT in verschiedenen Größen
• (Tri-)Clamp
• Milchkegel
• nach Kundenwunsch
Für besonders hygienische Anforderungen stehen Ausführungen komplett in poliertem Edelstahl
mit Oberflächenrauigkeit < 0,8 µ zur Verfügung.
150 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.3.4 Qualitätssicherung bei der Sensorfertigung
JUMO ist zertifiziert nach ISO 9001.
Alle JUMO-Prüfmittel und -geräte sind auf nationale und internationale Normale rückführbar.
JUMO verfügt über eine hohe Fertigungstiefe, d. h. bereits die Rohteile der Sensoren werden im
eigenen Haus auf modernsten CNC-Maschinen gefertigt. Dadurch ist eine hohe, gleichbleibende
Qualität sichergestellt. Da alle Sensoren einer Einzelstückprüfung unterworfen sind, ist ein größtmögliches Maß an Qualität gewährleistet.
Ein JUMO-Reinstwassersensor zum Einsatz in sensiblen Bereichen wie Lebensmitteltechnik oder
Pharmazie erfüllt natürlich alle Anforderungen des Marktes bzw. maßgeblicher Organisationen:
• USP Angabe der Zellenkonstante mit einer Genauigkeit von ±2 %
• Material nach EHEDG (European Hygienic Equipment Design Group):
u. a. DIN-Nr. 1.4404, DIN-Nr. 1.4435, AISI316L, DIN-Nr. 1.4571
• Oberflächenrauigkeit nach EHEDG (European Hygienic Equipment Design Group):
Ra <= 0,8 µm
• Dichtungs- und Körpermaterialien FDA (Food and Drug Administration
(amerikanische „Lebensmittelbehörde“)) bzw. BGA (Bundesgesundheitsamt (alte Bezeichnung))
zugelassen: u. a. EPDM, PVDF
Alle aufgeführten Punkte werden von JUMO-Leitfähigkeitssensoren erfüllt.
2.3.5 Prüfzeugnisse
Grundsätzliche Anmerkungen zu Prüfzeugnissen siehe Kapitel 2.3.5 „Prüfzeugnisse“.
Prüfzeugnisse für Sensoren
Insbesondere für Sensoren können folgende Prüfzeugnisse angefordert werden (Werksbescheinigungen und Abnahmeprüfzeugnisse nach EN 10204/DIN 50049):
• ASTM-Prüfzeugnis - Aufpreis nach aktueller Preisliste „Exakt vermessene Zellenkonstante“
• Werksbescheinigung 2.1 - kostenlos
• Werkszeugnis 2.2 - Kosten nach Aufwand
• Abnahmeprüfzeugnis 3.1 - Kosten nach Aufwand
(z. B. Materialbestätigung Edelstahl 1.4571, Bestätigung der Rauhigkeit o. ä.)
• FDA-Bestätigung: - verwendete Kunststoffe (Isolator und O-Ringe) sind FDA-gelistet
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
151
4
2 Grundlagen
2.4
Total Organic Carbon - TOC
2.4.1 Allgemeines
Die Messung der elektrischen Leitfähigkeit im Reinstwasser wird ergänzt durch eine andere Messmethode, mit welcher (nicht-ionische) organische Verunreinigungen erfasst werden.
Obwohl JUMO kein Anbieter von TOC-Messtechnik ist, soll hier kurz auf das in der ReinstwasserMesstechnik häufig eingesetzte Verfahren eingegangen werden.
Die TOC-Messtechnik ist Bestandteil vieler Regelwerke über Reinstwasser, so werden z. B. TOCWerte in Arzneibüchern (USP, Ph. Eur.), in DIN- und ASTM-Normen genannt.
Begriffe und Abkürzungen
Im Zusammenhang mit TOC-Bestimmungen gibt es noch weitere verwandte Begriffe und Abkürzungen, die hier kurz erwähnt werden sollen:
• TC (total carbon): gesamter Kohlenstoff
• TOC (total organic carbon): gesamter organischer Kohlenstoff
• TIC (total inorganic carbon): gesamter anorganischer Kohlenstoff
• DOC (dissolved organic carbon): gelöster organischer Kohlenstoff
• VOC (volatile organic carbon): flüchtiger organischer Kohlenstoff
Es besteht folgender Zusammenhang:
TC = TIC + TOC
4
(1)
2.4.2 TOC-Messprinzip
Generell wird bei der Bestimmung des TOC das organische Material zu Kohlendioxid oxidiert,
welches anschließend quantitativ bestimmt wird. Die Bestimmung des CO2 erfolgt häufig durch
Infrarotspektroskopie oder auch Konduktometrie.
Im ersten Fall kann Kohlendioxid selektiv über die Absorption im Nahinfrarot-Bereich(NIR)-Bereich
erfasst werden. Im zweiten Fall misst man die durch Kohlendioxid verursachte Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit der Probenlösung.
Verfahren
Zur Oxidation der organischen Bestandteile zu Kohlendioxid können verschiedene Verfahren
eingesetzt werden:
• thermische Oxidation mit Sauerstoff oder synthetischer Luft bei Temperaturen bis zu 1200 C,
ggf. Einsatz von Katalysatoren, z. B. Platin
• nasschemische Oxidation, beispielsweise mit Natriumperoxodisulfat, Kaliumdichromat
oder Kaliumpermanganat
• Oxidation durch UV-Bestrahlung (Aufschluss), ggf. mit Zusatz von Sauerstoff
oder chemischem Oxidationsmittel
Einsatzgebiete
Die letzte der drei Methoden wird häufig als Online-Methode zur Bestimmung des TOC in Reinstwasser eingesetzt. Die beiden ersten Methoden werden dagegen häufig in Bereichen eingesetzt,
wo höhere TOC-Werte zu bestimmen sind, z. B. im Abwasserbereich.
152 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.4.3 Differenzierung zwischen TIC und TOC
Direkt- oder Austreibmethode
TIC muss vor der Bestimmung des TOC durch Ansäuern und Ausblasen entfernt werden, d. h.
physikalisch gelöstes CO2 bzw. Hydrogencarbonate oder Carbonate werden in Form von Kohlendioxid ausgetrieben. Bei diesem Schritt können auch leichtflüchtige organische Komponenten
verdampfen (VOC, z. B. Benzol, Haloforme).
Indirektmethode
In zwei getrennten Untersuchungen werden TC und TIC bestimmt.
Der TOC ergibt sich dann aus der Differenz von TC und TIC.
Bei Reinstwasser wird häufig die erste Methode verwendet, da hier davon ausgegangen werden
kann, dass keine leichtflüchtigen organischen Bestandteile (VOC) enthalten sind.
2.4.4 TOC in Reinstwasser in den Arzneibüchern: USP und Ph. Eur.
Die TOC-Bestimmung im Reinstwasser wird im USP und im Ph. Eur. beschrieben, wobei die Monographie im Ph. Eur. in fast allen Einzelheiten dem USP entspricht. Eine bestimmte Oxidationsoder Bestimmungsmethode wird nicht vorgegeben.
Die Eignung der Methode muss in einem „system suitability test“ nachgewiesen werden:
Hierzu wird das System mit einer bekanntermaßen schwer oxidierbaren Substanz (1,4-Benzochinon) im Vergleich zu einer leicht oxidierbaren Referenzsubstanz (Saccharose) getestet, wobei
der Blindwert des Wassers berücksichtigt wird.
Eine weitere Anforderung der Arzneibücher Ph. Eur. und USP ist, dass das Messsystem zwischen
anorganisch und organisch gebundenem Kohlenstoff unterscheiden kann und eine Erfassungsgrenze für TOC von mindestens 0,05 mg/l besitzt.
Beide Arzneibücher fordern eine TOC-Obergrenze von 0,5 mg C/l (500 ppb).
4
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
153
2 Grundlagen
2.5
pH-Messtechnik in Reinstwasser
In manchen Bereichen wird auch eine pH-Messung in Reinstwasser vorgeschrieben. Bei einer pHMessungen in Reinstwasser ist man messtechnisch vor Probleme gestellt, die sich hauptsächlich
aus der geringen Leitfähigkeit bzw. der geringen Ionenstärke des Reinstwassers ergeben. Je
geringer die Leitfähigkeit ist, umso größer werden diese Probleme.
Diaphragmawiderstand
Ein wesentlicher Teil der Probleme bei der pH-Messung im Reinstwasser tritt am Diaphragma der
Bezugselektrode auf. DIN 19264 fordert für den Diaphragmawiderstand eine Obergrenze von 5 k ,
damit der Spannungsabfall am Diaphragma der Bezugselektrode möglichst gering bleibt.
Der Diaphragmawiderstand wird durch schlecht leitendes Reinstwasser, welches trotz des entgegen gerichtetem Elektrolytflusses in das Diaphragma eindiffundiert, noch zusätzlich vergrößert.
Um den Diaphragmawiderstand durch das zurück diffundierende Messwasser nicht zu hoch werden zu lassen, sollte mit einer relativ hohen Ausflussrate des Bezugselektrolyten gearbeitet werden. Aus diesem Grund sollte von einer Verwendung von Elektroden mit verfestigtem Bezugselektrolyten abgesehen werden.
Ausbreitungswiderstand
Direkt hinter dem Diaphragma der Bezugselektrode, wo die elektrolytische Leitung durch im
Reinstwasser enthaltene Ionen übernommen werden muss, tritt der sogenannte Ausbreitungswiderstand auf. Der Bezugselektrolyt der in das Messwasser eintritt, übernimmt hier zumindest
teilweise die Stromleitung. Der Ausbreitungswiderstand ist von der Art und Fläche der eingesetzten
Diaphragmen abhängig.
4
Tabelle 1:
Diaphragma
Durchmesser
Ausbreitungswiderstand
Keramik
0,6 mm
6600 k
Keramik
1,0 mm
4000 k
Keramik
3× 1,0 mm
1300 k
Ausbreitungswiderstände verschiedener Diaphragmen in vollentsalztem Wasser
nach Galster [2]
Da die Anströmung auf den Ausbreitungswiderstand Einfluss hat, sollte diese während der
Messung möglichst konstant sein.
Diffusionspotenzial
Ein weiteres Problem bei der pH-Messung in Reinstwasser ist das Diffusionspotenzial, das sich an
der Grenzfläche bildet, an der das Reinstwasser und die Elektrolytlösung miteinander in Kontakt
kommen. Das Diffusionspotenzial entsteht durch die unterschiedlichen Wanderungsgeschwindigkeiten der am Ladungstransport beteiligten Ionen und geht in das Gesamtpotenzial mit
ein. Bei der Diffusion der Ionen von der konzentrierteren Seite des Bezugselektrolyten in das
Reinstwasser sind Anionen und Kationen nicht genau gleich schnell, d. h. die eine Ionensorte wird
die andere „überholen“. Deswegen kommt es zu einer Ladungstrennung und damit zur Ausbildung
des Diffusionspotenzials. Der Ladungstrennung wirkt das sich damit aufbauende elektrische Feld
entgegen. Letztendlich stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein.
154 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
Meist verwendet man KCl als Bezugselektrolyt, weil hier die Wanderungsgeschwindigkeiten von
Anion und Kation sehr ähnlich sind. Dennoch kommt es auch hier zur Ausbildung eines Diffusionspotenzials. Die Größe des sich ausbildenden Diffusionspotenzials kann nach Henderson [3] berechnet werden.
Mit der Gleichung von Henderson kann gezeigt werden, dass im Falle von Reinstwasser die Größe
des Diffusionspotenzials mit sinkender Konzentration des Bezugselektrolyten abnimmt [4]. Die
Konzentration des Bezugselektrolyten kann jedoch nicht beliebig herabgesetzt werden, da es
sonst zu Fehlern bei der Kalibrierung in Pufferlösungen kommt. Meist wählt man daher einen Kompromiss und verwendet z. B. 1 mol/l KCl als Bezugselektrolyt. Außerdem vermindert man mit der
Absenkung der KCl-Konzentration das Risiko einer Verblockung des Diaphragmas durch ausfallendes AgCl. AgCl ist in einer höher konzentrierten KCl-Lösung besser löslich als in einer weniger konzentrierten, deswegen kann es ausfallen, wenn der Bezugselektrolyt durch in das Diaphragma eintretendes Reinstwasser verdünnt wird.
Schirmung und Erdung
Da infolge der geringen Leitfähigkeit des Reinstwassers elektrostatische Aufladungen nur langsam
abfließen können, ist eine gute Schirmung und Erdung der Messlösung zu empfehlen. Alle Erdleitungen sollten an einem Punkt zusammengeführt werden und nur dort geerdet werden.
Schwacher Puffer
Naturgemäß ist Reinstwasser nur schwach oder überhaupt nicht gepuffert. Daher können schon
geringste Spuren von pH-Wert beeinflussenden Stoffen aus der Umgebungsluft oder aus Installationsbestandteilen (z. B. CO2 aus der Luft oder Alkalien aus Glas) den pH-Wert des Reinstwassers
stark verändern. Der pH-Wert von Reinstwasser sinkt beispielsweise von 7 auf einen Wert von etwa
5,4 ab, wenn das Wasser mit Luft gesättigt ist [4]. Bereits bei 1 % Sättigung mit Luft fällt der pHWert des Reinstwassers auf 6,4. Um den Zutritt von Kohlendioxid aus der Luft zu verhindern, muss
daher in jedem Fall mit einer abgeschlossenen Durchflussarmatur gearbeitet werden. Am besten
verwendet man eine entsprechend geerdete Armatur aus Metall.
Zusätze
Gelegentlich wird empfohlen, dem Reinstwasser neutrale Salze, z. B. KCl, zuzusetzen, um die Leitfähigkeit des Wassers zu erhöhen und dadurch die pH-Messung zu vereinfachen. So gibt beispielsweise das USP für verschiedene abgepackte Wasserqualitäten (z. B. Sterile Purified Water,
Bacteriostatic Water for Injection, Sterile Water for Inhalation, Sterile Water for Injection) vor, 0,3 ml
gesättigte KCl-Lösung auf 100 ml Testlösung zuzusetzen und anschließend den pH-Wert zu messen. In der Literatur [2] wird hiervon abgeraten, da die Veränderung der Ionenstärke oder eingeschleppte Verunreinigungen in dem schwach gepufferten Wasser einen großen Einfluss auf den
pH-Wert haben können.
Pufferlösungen
Zur Kalibrierung der Messketten für den Einsatz in Reinstwasser sollten statt technischer Pufferlösungen nach DIN 19267 die weniger konzentrierten Standardpufferlösungen nach DIN 19266 verwendet werden. Hierdurch ist der Gedächtniseffekt im Diaphragma der Bezugselektrode, der z. B.
durch die Schichtung von Bezugselektrolyt/Reinstwasser/Pufferlösung entsteht, weniger stark
ausgeprägt bzw. wird schneller abgebaut. Die Verwendung der Standardpufferlösungen mit niedrigeren Ionenstärken bringt außerdem den Vorteil, dass die Diffusionspotenziale, die am Diaphragma
zwischen Bezugselektrolyt und Reinstwasser bzw. Bezugselektrolyt und Standardpufferlösung entstehen, näher beieinander liegen. Der Fehler aus der Annahme, dass das Diffusionspotenzial bei
Kalibrierung und Messung gleich sind, wird dadurch klein gehalten.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
155
4
2 Grundlagen
2.5.1 Gerätetechnik bei der pH-Messung
Wenn eine Online-pH-Messung von Wasser mit niedriger Leitfähigkeit durchgeführt werden soll,
empfehlen wir folgende JUMO-Geräte, um Probleme zu minimieren, welche zwangsläufig bei dieser Art von Messung auftreten:
• Schliff-Einstabmesskette mit flüssigem Bezugselektrolyten
in Verbindung mit einem KCl-Vorratsgefäß
4
Abbildung 2:
Einstabmesskette mit 3× Keramikdiaphragmen und KCl-Vorratsgefäß
• Messumformer/Regler für pH-Wert (Typ JUMO dTRANS pH 02)
Abbildung 3:
JUMO AQUIS 500 pH (links), JUMO ecoTRANS pH 03 (mitte) und
JUMO dTRANS pH 02 (rechts)
156 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
KCl-Vorrat
Messumformer/Regler
JUMO dTRANS pH 02
KCl-Anschluss
für Glas-Einstabmessketten
Erdanschluss
Bauseitiger
Bypass (drucklos)
VA-Verrohrung
Abbildung 4:
Offener Auslauf
Kanal oder Rückführung
4
Beispiel einer Messkette zur Reinstwassermessung
Die Erdung der Metallarmatur muss mit eventuell vorhandenen anderen Erdleitungen
zusammengefasst werden.
Als Bezugselektrolyt sollte statt der üblichen 3 mol/l KCl nur 1 mol/l KCl verwendet werden.
Zur Kalibrierung verwendet man vorzugsweise die verdünnten Standard-Pufferlösungen nach
DIN 19266 anstelle der technischen Pufferlösungen nach DIN 19267.
Die Online-pH-Messung erfolgt am besten im freien Auslauf, weil so Diaphragma-Probleme durch
Druckschwankungen vermieden werden.
Durch den gewollten Bezugselektrolyt-Verlust am Diaphragma wird das Messwasser mit KCl
kontaminiert. Es muss daher geprüft werden, ob das Messwasser in den Reinstwasserstrom zurück geführt (also vor eine Aufbereitungsstufe (Ionentauscher oder Umkehrosmose) geführt) oder
verworfen werden soll.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
157
2 Grundlagen
4
158 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.1
Messumformer/Regler
Abbildung 5:
JUMO AQUIS 500 CR (links), JUMO ecoTRANS Lf 03 (mitte) und
JUMO dTRANS CR 02 (rechts; erfüllt USP <645>)
Rückblick
In der Anfangszeit der Reinstwassermesstechnik wurden analoge Schaltungen eingesetzt, die mit
speziellen Anpassungen der Leitfähigkeitsmessung von Reinstwasser und dessen Temperaturkompensation ausgestattet waren.
Diese analogen Messumformer weisen zwei Schwächen auf:
• es ist schwierig, die exakte Zellenkonstante einzustellen
• bei der Temperaturkompensation des spezifischen Widerstandes bzw. der Leitfähigkeit von
Reinstwasser kann nicht mit einem konstanten Temperaturkoeffizienten Tk gearbeitet werden;
auch komfortablere Geräte, die den Tk durch eine nichtlineare Funktion (NTC-Kompensation)
nachzubilden versuchen, lassen sich nur begrenzt anwenden;
diese Funktion hat nur Gültigkeit für Reinstwasser ohne Verunreinigung
Stand der Technik
Heute setzt man Mikroprozessor-Messumformer ein.
Durch diese Technik stehen dem Hersteller und damit auch dem Anwender eine Vielzahl von Möglichkeiten offen.
JUMO-Reinstwasser-Messumformer bieten folgende Möglichkeiten:
• numerische (exakte) Eingabe der Zellenkonstanten
• Temperaturkompensation nach ASTM D 1125-95
• Grenzwertüberwachung nach USP (water conductivity <645>)
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
159
4
3 Messtechnik
3.2
Temperaturkompensation
Leitfähigkeit wässriger Lösungen
Die Leitfähigkeit wässriger Lösungen setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, z. B.:
• der Eigenleitfähigkeit von Wasser infolge Autoprotolyse werden H3O+- und OH--Ionen
abgebildet (0,055 µS/cm bei 25 °C)
• und der Leitfähigkeit zusätzlich vorhandener Inhaltsstoffe (Salze, Verschmutzungen etc.)
Leitfähigkeit bei wechselnden Temperaturen
Die Leitfähigkeit einer Flüssigkeit ist stark temperaturabhängig, d. h. bei wechselnden Temperaturen verändert sich die gemessene Leitfähigkeit.
Je nach chemischer Zusammensetzung wässriger Medien kann sich die Leitfähigkeit in unterschiedlicher Weise mit der Temperatur ändern.
Referenztemperatur
Um Messwerte miteinander vergleichen zu können, werden Leitfähigkeitsangaben meist auf die international gebräuchliche Referenztemperatur von 25 °C bezogen.
Temperaturkompensation
Die Leitfähigkeits- bzw. Reinstwassermessumformer müssen deshalb die Temperatur des
Mediums berücksichtigen:
• manuelle Temperaturkompensation (Tk): In den Messumformer wird die Mediumstemperatur
einprogrammiert bzw. an einem Potenziometer eingestellt
• automatische Temperaturkompensation (Tk): Über einen Temperaturfühler (meist in den Sensor
integriert) wird stets die aktuelle Mediumstemperatur dem Messumformer zur Verfügung gestellt
• eine Funktion muss das Temperaturverhalten der speziellen Wasserqualität (z. B. in
Abhängigkeit von enthaltenen Verunreinigungen im Reinstwasser) möglichst genau beschreiben
4
Temperaturkoeffizient (Alpha)
Damit der Messumformer die tatsächlich gemessenen Leitfähigkeiten auf die Leitfähigkeit bei
25 °C umrechnen kann, muss ein Faktor bekannt sein, den man Temperaturkoeffizient (Alpha)
nennt.
Alpha ist ein Maß für die prozentuale Veränderung der Leitfähigkeit je Kelvin, Einheit [%/K].
160 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.2.1 Temperaturkompensation bei „höheren“ Leitfähigkeiten
In höheren Leitfähigkeitsmessbereichen (ab ca. 10 µS/cm) bestimmen die zusätzlichen Inhaltsstoffe im Wesentlichen die Leitfähigkeit und die Temperaturabhängigkeit. Die Eigenleitfähigkeit des
Wassers wird durch die Leitfähigkeit und Eigenschaften der anderen Inhaltsstoffe überdeckt.
Typisch für allgemein wässrige Medien ist ein Alphawert zwischen 0 ... 5 %/K. Hier geht man von
linearen Zusammenhängen aus.
Um korrekte Messwerte zu erhalten, muss der Messumformer eine Einstellmöglichkeit für Alpha
bieten.
H
Hinweis
Geräte mit fest voreingestelltem Alphawert, wie man sie leider immer noch bei einigen
Billiganbietern findet, sollte man heute nicht mehr einsetzen.
Hier werden nur „Hausnummern“ gemessen.
3.2.2 Besonderheit von Reinstwasser
Bei Reinstwasser liegen keine linearen Verhältnisse vor. Der Alphawert kann bis zu 20 %/K betragen. Hier spielt die Eigenleitfähigkeit des Wassers die entscheidende Rolle.
Industrielle Herstellung von Reinstwasser
Bei der industriellen Herstellung von Reinstwasser handelt es sich meist um mehrstufige Aufbereitungsprozesse, welche häufig Umkehrosmose und Ionenaustausch als Aufbereitungsverfahren
beinhalten. Dabei werden fast immer Ionen-Austauscher verwendet, welche aus Kationen- und
Anionen-Austauscher-Harzen bestehen. Diese Harze geben bei Erschöpfung (d. h. Überladung)
zuerst Natrium- und/oder Chlorid-Ionen, also Kochsalz (Natriumchlorid), an das Reinstwasser ab,
was in der Temperaturkompensationseinstellung bei JUMO-Geräten berücksichtigt werden kann.
Wirkung von Verunreinigungen
JUMO-Reinstwasser-Messumformer berücksichtigen neben der nichtlinearen Temperaturabhängigkeit
des Reinstwassers auch die Wirkung von Verunreinigungen durch Spuren von Säuren (z. B. Salzsäure),
Alkalien (z. B. Natronlauge) und Salzen (z. B. Kochsalz); (beschrieben in der ASTM D 1125-95, gültig für
JUMO-Geräte der Typen JUMO AQUIS 500 CR, JUMO dTRANS CR 02 und JUMO ecoTRANS Lf 03).
ASTM D 1125-95 und ASTM D 5391-99 (American Society for Testing and Materials)
Diese Organisation legt in ihren standardisierten Prüf- und Analyseverfahren auch Methoden zur
Bestimmung der elektrolytischen Leitfähigkeit von Wasser und Reinstwasser fest: (Designation)
D 1125-95. In dieser Abhandlung sind die Abhängigkeiten des Reinstwasser-Messwertes von der
Temperatur und verschiedenartigen Verunreinigungen angegeben. Formeln für verschiedene Verunreinigungen sind in der Betriebssoftware der JUMO-Messumformer enthalten.
3.2.3 Unkompensierter Betrieb
Unkompensierte Anzeige der Leitfähigkeit
Bei bestimmten Anwendungen kann es notwendig sein, die Leitfähigkeit unkompensiert anzeigen
zu lassen (JUMO-Geräte der Typen AQUIS 500 CR, dTRANS CR 02 und ecoTRANS Lf 03 bieten diese Möglichkeit). Dies kann dann der Fall sein, wenn keine der vorgenannten speziellen Kompensationen zum Einsatz kommen kann oder eigene Leitfähigkeitstabellen zum Einsatz kommen sollen.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
161
4
3 Messtechnik
3.3
USP-Kontakt
USP (United States Pharmacopeia Convention)
Die USP gibt u. a. Regelwerke und Empfehlungen für den Bereich Pharmazie heraus.
Diese Vorgaben bilden einen weltweiten „Quasi-Standard“. Europäischer Vorgaben oder Normen
lehnen sich häufig an diese Regelwerke an.
Die Veröffentlichung USP Physical test method „water conductivity <645>“ befasst sich mit der
Messung der Leitfähigkeit des Reinstwassers.
USP-Kontakt
Mit den Messumformern/Reglern JUMO AQUIS 500 CR, JUMO dTRANS CR 02 und JUMO
ecoTRANS Lf 03 ist es möglich, die Qualität des Reinstwassers gemäß der Vorgabe von USP
Stage 1 online zu überwachen.
Die USP enthält eine Tabelle, die abhängig von der Temperatur einen Grenzwert für die Leitfähigkeit
vorgibt. Bleibt die Leitfähigkeit unterhalb dieses Grenzwertes, erfüllt das Reinstwasser die
Anforderungen nach USP.
H
4
Hinweis
Bei dieser Überwachung ist es notwendig,
dass die Temperaturkompensation ausgeschaltet ist.
Temperatur °C
max. Leitfähigkeit in µS/cm
(unkompensiert)
Temperatur °C
max. Leitfähigkeit in µS/cm
(unkompensiert)
0
0,6
55
2,1
5
0,8
60
2,2
10
0,9
65
2,4
15
1,0
70
2,5
20
1,1
75
2,7
25
1,3
80
2,7
30
1,4
85
2,7
35
1,5
90
2,7
40
1,7
95
2,9
45
1,8
100
3,1
50
1,9
Tabelle 2:
Auszug aus USP
Es ist möglich, entsprechend der beschriebenen Tabelle die Leitfähigkeit unkompensiert überwachen zu lassen. Wird die Leitfähigkeit bei der entsprechenden Temperatur überschritten, schaltet der konfigurierte Kontakt.
Die JUMO-Messumformer bieten serienmäßig folgende zusätzliche Möglichkeit:
Tritt der Fall ein, dass die Prozesstemperatur gerade um einen Umschaltwert herum schwankt,
kann man eine Temperaturhysterese aktivieren, mit der man immer auf der sicheren Seite der
Überwachung liegt. Im Einzelnen heißt dies, wenn die Temperatur z. B. zwischen 55,5 °C und
54,3 °C schwankt, hat der überwachte Grenzwert von 1,9 µS/cm durchgehend Gültigkeit (Temperaturhysterese hier 1 K, um den Umschaltpunkt für vom niedrigeren Leitwert zum höheren Leitwert um 1 K heraufzulegen). Durch diese Maßnahme kann ein Schwingen der Anlage verhindert
werden (z. B. höhere Anlagensicherheit, Kostenreduzierung).
162 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.4
Ph. Eur.-Grenzwerte
Im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) wird ein größerer Toleranzbereich für die Leitfähigkeit von
gereinigtem Wasser („purified water“) zugelassen, als im USP. Erlaubt sind maximal 4,3 µS/cm bei
20 °C (USP lässt zum Vergleich bei purified water nur 1,1 µS/cm bei 20 °C als oberen Grenzwert für
die Leitfähigkeit zu).
Temperatur °C
Leitfähigkeit in µS/cm
Temperatur °C
Leitfähigkeit in µS/cm
0
2,4
60
8,1
10
3,6
70
9,1
20
4,3
75
9,7
25
5,1
80
9,7
30
5,4
90
9,7
40
6,5
100
10,2
50
7,1
Tabelle 3:
Ph. Eur.-Grenzwerte
Bei Wasser für Injektionszwecke („water for injection“, WFI) und auch bei „Hochgereinigtem Wasser“ („highly purified water“, HPW) sind die Anforderungen höher. Hier lässt das Ph. Eur., wie auch
USP, maximal 1,1 µS/cm bei 20 °C zu.
Wasserqualität
gemäß Tabelle
JUMO
AQUIS 500 CR
JUMO
dTRANS Lf 01
JUMO
ecoTRANS Lf 03
1 (Seite 12)
ja
ja
ja
HPW (Ph. Eur.)
1
ja
ja
ja
WFI (Ph. Eur.)
1
ja
ja
ja
WFI (USP)
1
ja
ja
ja
2 (Seite 13)
ja
ja
nein
PW (USP)
PW (Ph. Eur.)
Tabelle 4:
PW
HPW
4
Der Anwender von JUMO-Geräten kann o. a. Wasserqualitäten wählen
„purified Water“
„highly purified water“,
„Hochgereinigtes Wasser“,
„Aqua valde purificata“
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
WFI
„water for injection“,
„Wasser für Injektionszwecke“,
„Aqua ad iniectabilia“
Reinstwassermessung
163
3 Messtechnik
3.5
Sensoren
Abbildung 6:
JUMO tecLine CR - Konduktive Leitfähigkeitssensoren
in Edelstahl- bzw. Titanausführung
Bei der Reinstwasser-Messung kommen konduktive Zwei-Elektrodensensoren zum Einsatz. Hier
sind die beiden Elektroden des Sensors konzentrisch angeordnet, wobei die äußere die innere
Elektrode abschirmt.
3.6
4
Leitungsmaterial/Anschlusskabel
Aufgrund der modernen und präzisen Messumformer sind nur noch wenige Punkte bei der Wahl
des Leitungsmaterials zu berücksichtigen, wie z. B.
• als Leitungsmaterial kommt eine abgeschirmte Steuerleitung zum Einsatz
• Leitungslängen bis ca. 50 m (abhängig von den Umgebungsbedingungen)
stellen für moderne Messumformer, wie die JUMO-Geräte JUMO AQUIS 500 CR,
JUMO dTRANS Lf 01 und JUMO ecoTRANS CR 02, kein Problem dar
• die Kabelführung sollte stets direkt sein, d. h. Klemmdosen, nachträgliche Kabelverlängerungen
oder Zwischenstecker sollten vermieden werden
Geeigneter JUMO-Typ: 2990-9 (Längenangabe) - 0
164 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
4.1
Anwendungsgebiete
Reines Wasser wird in den unterschiedlichsten Produktionsprozessen benötigt, z. B.
• in der Halbleiterfertigung
• bei der Herstellung von Arzneimitteln, Lebensmitteln und Kosmetik
• zur Versorgung von Dampferzeugern
• in der optischen und chemischen Industrie und
• in anderen Prozessen, bei denen es auf hohe bzw. höchste Qualität (Reinheit)
des verwendeten Wassers ankommt
4.2
Herstellung
Zur Herstellung von Reinstwasser kommen im Allgemeinen Ionentauscher- und Umkehr-Osmoseanlagen zum Einsatz. Je nach den Anforderungen, die an das Reinstwasser gestellt werden,
müssen noch verschiedene Aufbereitungsschritte vor- bzw. nachgeschaltet werden [1]
4.3
Anlagenbeispiel
4
Abbildung 7:
Reinstwasseraufbereitung mit kombinierter Abwasserbehandlung [1]
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
165
4 Anwendungen
4.4
Besonderheiten im Umgang mit Reinstwasser
• das Reinstwasser muss zur Sicherstellung der geforderten Wasserqualität
ständig in Bewegung sein
• das Gesamtsystem muss weitestgehend totraumfrei sein
• der Messwert kann (je nach Anlage) abhängig von der Auströmung sein.
Das ist bei der Auslegung der Einbaustelle zu beachten
• Reinstwasser greift CrNi-Stahl an;
Korrossionsabtrag von 0,01 bis 0,05 µm/Jahr.;
Eventuell Titan vorsehen
• Änderung der Leitfähigkeit und des pH-Wertes,
wenn Reinstwasser 24 Stunden der Umgebungsluft ausgesetzt wird
Leitfähigkeitsanstieg
pH-Wert-Absenkung
von 0,05 µS/cm auf 3 bis 4 µS/cm!
von pH 7 auf pH 5,5 bis 5,2!
Diese Änderungen werden durch die Bildung von Hydrogencarbonat-Ionen, die durch die
Aufnahme von Kohlendioxid CO2 aus der Luft entstehen, hervorgerufen.
4
166 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
5.1
Qualitätssicherung bei der Messumformer-Fertigung
JUMO ist zertifiziert nach ISO 9001.
Alle JUMO-Prüfmittel und -geräte sind auf nationale und internationale Normale rückführbar.
Modernste Fertigungsmethoden
Die Messumformer basieren weitestgehend auf SMD-bestückten Baugruppen, die auf automatisierten Fertigungsstraßen produziert werden. Durch diese Vorgehensweise wird ein hohes Maß an
gleichbleibender Qualität gewährleistet.
Der Abgleich der Messumformer geschieht auf elektrischem Weg mit Präzisionswiderständen.
Die JUMO-Reinstwassermessumformer sind in modernster Mikroprozessortechnik aufgebaut.
Anforderungen nach USP
erfüllt JUMO?
Messgerätekalibrierung mittels rückführbarer Präzisionswiderstände
ja
Messwertauflösung besser 0,1 µS/cm
ja
Genauigkeit des Messgerätes besser 0,1 µS/cm
ja
automatische Temperaturkompensation im Messumformer
ja
Referenztemperatur des Messgerätes muss 25 °C betragen
ja
Genauigkeit der Temperaturmessung besser als ±2 °C
ja
Tabelle 5:
Anforderungen nach „USP“ (water conductivity <645>)
an die Messumformer bzw. den werkseitigen Messumformerabgleich
Die JUMO-Messumformer übertreffen die gestellten Mindestforderungen in den meisten
Punkten!
4
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
167
5 Qualitätssicherung
5.2
Prüfzeugnisse
Grundsätzliches
Der Einsatz von Messtechnik in Bereichen der Qualitätssicherung oder der Pharmazie rufen vermehrt eine Unsicherheit des Anlagenbetreibers hinsichtlich benötigter „Zertifikate“ hervor.
Kein Prüfzeugnis macht eine Messung „genauer“ oder „zuverlässiger“. Prüfzeugnisse sind grundsätzlich nur Qualitätsbescheinigungen zum Prüfzeitpunkt. Durch die Zertifizierung nach ISO 9001
ist eine grundlegende Qualitätssicherung gegeben, d. h. die technischen Daten nach Datenblättern
müssen vom Lieferanten eingehalten werden.
Vor der Anforderung von zusätzlichen Zeugnissen, die dann doch nur ablegt und nicht mehr benötigt werden, sollte man sich also darüber im Klaren sein, was wirklich benötigt wird. Da einige
Zeugnisse Aufpreise kosten und eventuell die Lieferzeiten verlängern, sollte dies umso mehr
beachtet werden.
5.2.1 Prüfzeugnisse für Messumformer
Die Messumformer können mit folgenden Prüfzeugnissen (nach EN 10204/DIN 50049) geliefert
werden:
• Werksbescheinigung 2.1 - kostenlos
• Werkszeugnis 2.2 - Kosten nach Aufwand
• Abnahmeprüfzeugnis 3.1 - Kosten nach Aufwand
(3.1-Zeugnisse sind Materialprüfzeugnisse, bei Messumformern i. d. R. nicht notwendig)
5.2.2 Zellenkonstante
4
Der in Kapitel 2.2 „Bestandteile einer Messkette“ beschriebene geometrische Faktor Zellenkonstante K spielt insbesondere bei der Reinstwassermesstechnik eine wichtige Rolle.
Produktionsbedingt unterliegen die Zellenkonstanten handelsüblicher Zellen Abweichungen von
bis zu ±10 %. Dies erscheint nur bei erster Betrachtung sehr ungenau zu sein - ein falsch eingestellter Temperaturkoeffizient kann wesentlich größere Messfehler zur Folge haben.
Nach USP muss die Zellenkonstante auf ±2 % genau bekannt sein. JUMO-Sensoren können mit
einem ASTM-Prüfzeugnis, in dem die genaue Zellenkonstante bescheinigt wird, geliefert werden.
Zur individuellen Kalibrierung der Leitfähigkeitssensoren bieten moderne Messumformer umfangreiche Möglichkeiten (z. B. automatische Bestimmung der Zellenkonstanten, Kalibrieren mit Prüflösungen). Damit werden Temperatur, Temperaturkoeffizient und Zellenkonstante berücksichtigt.
Besonderheit Reinstwasser
Durch die ASTM-Temperaturkompensation (Kapitel 3.2.2 „Besonderheit von Reinstwasser“) entfällt
der mögliche Messfehler durch einen falsch eingestellten Temperaturkoeffizienten. Hier überwiegt
der Einfluss des Messfehlers aufgrund nicht exakter Zellenkonstanten.
Auch Reinstwassersensoren können o. g. Abweichungen von ihrer nominellen Zellenkonstanten K
= 0,01 haben.
Leider gibt es keine praktisch verwendbaren Prüf- oder Kalibrierflüssigkeiten für den Reinstwasserbereich, d. h. unter 10 µS/cm. Flüssigkeiten mit solchen Leitfähigkeitswerten liefern keine stabilen
Referenzwerte, da sie sofort Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen und sich dadurch verändern.
Reinstwasser-Messkette vorbereiten
Es ist daher erforderlich, dass man Reinstwassersensoren mit einer exakt vermessenen Zellenkonstante einsetzt. Bei solchen Sensoren hat der Hersteller ein Prüfzeugnis, z. B. das sogenannte
„ASTM-Prüfzeugnis“ erstellt, in dem die Zellenkonstante auf mehrere Kommastellen genau einge-
168 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
tragen wurde. Bei der Inbetriebnahme der Messstelle muss nur noch diese exakte Zellenkonstante
in den Messumformer einprogrammiert werden; danach ist der Sensor messbereit.
Regelwerke
Die Vorgehensweise bei der werkseitigen Bestimmung der exakten Zellenkonstante ist in einem
Regelwerk der ASTM festgelegt worden. Europäische Regelungen gibt es noch nicht.
5.2.3 Vorgehensweise der Hersteller zur werkseitigen Bestimmung
der Zellenkonstante gemäß ASTM D 5391-99 sowie ASTM D 1125-95
Die Zellenkonstante wird durch eine Vergleichsmessung bestimmt. Die verwendete Flüssigkeit hat
hierbei eine Leitfähigkeit im Bereich von 5 ... 10 µS/cm.
Die ASTM D 5391-99 geht davon aus, dass die in diesem Leitfähigkeitsbereich bestimmte
Zellenkonstante auch bei kleineren Leitfähigkeiten (Reinstwasserbereich) Gültigkeit hat.
Aufbau
Der Aufbau besteht aus einem Reinstwasser-Kreislauf, einer Leitfähigkeits-Referenzmessung und
des zu vermessenden Sensors. Diese ist an einen Labor-Leitfähigkeitsmessumformer angeschlossen. Nachdem sich ein stabiler Leitwert eingestellt hat (kontrolliert durch die Leitfähigkeits-Referenzmessung, die unkompensiert durchgeführt wird), wird mit dem Labor-Leitfähigkeitsmessumformer die Zellenkonstante des zu vermessenden Leitfähigkeitssensors bestimmt. In der USP
(water conductivity <645>) wird eine Genauigkeit der bestimmten Zellenkonstante von ±2 %
gefordert.
Diese Anforderung wird bei JUMO erfüllt.
Messergebnis
Das Messergebnis wird mit den relevanten Daten in das entsprechende Prüfprotokoll eingetragen.
Die verwendeten Prüfmittel und -geräte sind auf nationale und internationale Normale rückführbar.
4
5.2.4 Materialien und Prozessanschlüsse
Die für den Reinstwassersensor verwendeten Materialien richten sich nach den Anforderungen des
Einsatzfalles bzw. nach den vorliegenden Gegebenheiten am Messort. Gleiches gilt für den Prozessanschluss des Sensors.
Entscheidend bei der Auswahl sind u. a. folgende Gesichtspunkte:
• Prozessdruck
• Temperatur des Mediums
• Material der Verrohrung, in die die Messstelle eingebaut werden soll
• hygienische Anforderungen
Als Standardmaterial für die Sensoren findet man Edelstähle, z. B. 1.4435; AISI316L oder
DIN 1.4571. Für ultrareine Wässer empfiehlt sich Titan als Material für die Elektroden.
Bei den Prozessanschlüssen ist JUMO ebenfalls variabel:
• Einschraubgewinde nach DIN oder NPT in verschiedenen Größen
• (Tri-) Clamp
• Milchkegel
• nach Kundenwunsch
Für besonders hygienische Anforderungen stehen Ausführungen komplett in poliertem Edelstahl
mit einer Oberflächenrauigkeit < 0,8 µ zur Verfügung.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
169
5 Qualitätssicherung
5.2.5 Qualitätssicherung bei der Sensorfertigung
JUMO ist zertifiziert nach ISO 9001.
Alle JUMO-Prüfmittel und -geräte sind auf nationale und internationale Normale rückführbar.
JUMO verfügt über eine hohe Fertigungstiefe, d. h. bereits die Rohteile der Sensoren werden im
eigenen Haus auf modernsten CNC-Maschinen gefertigt. Dadurch ist eine hohe, gleichbleibende
Qualität sichergestellt. Da alle Sensoren einer Einzelstückprüfung unterworfen sind, ist ein größtmögliches Maß an Qualität gewährleistet.
Ein JUMO-Reinstwassersensor zum Einsatz in sensiblen Bereichen wie Lebensmitteltechnik oder
Pharmazie erfüllt natürlich alle Anforderungen des Marktes bzw. maßgeblicher Organisationen:
• USP Angabe der Zellenkonstante mit einer Genauigkeit von ±2 %
• Material nach EHEDG (European Hygienic Equipment Design Group):
u. a. DIN-Nr. 1.4404, DIN-Nr. 1.4435, AISI316L, DIN-Nr. 1.4571
• Oberflächenrauigkeit nach EHEDG (European Hygienic Equipment Design Group):
Ra <= 0,8 µm
• Dichtungs- und Körpermaterialien FDA (Food and Drug Administration
(amerikanische „Lebensmittelbehörde“)) bzw. BGA (Bundesgesundheitsamt (alte Bezeichnung))
zugelassen: u. a. EPDM, PVDF
Alle aufgeführten Punkte werden von JUMO-Leitfähigkeitssenosren erfüllt.
5.2.6 Prüfzeugnisse
Grundsätzliche Anmerkungen zu Prüfzeugnissen siehe Kapitel 5.2 „Prüfzeugnisse“.
4
Prüfzeugnisse für Sensoren
Insbesondere für Sensoren können folgende Prüfzeugnisse angefordert werden (Werksbescheinigungen und Abnahmeprüfzeugnisse nach EN 10204/DIN 50049):
• ASTM-Prüfzeugnis - Aufpreis nach aktueller Preisliste „Exakt vermessene Zellenkonstante“
• Werksbescheinigung 2.1 - kostenlos
• Werkszeugnis 2.2 - Kosten nach Aufwand
• Abnahmeprüfzeugnis 3.1 - Kosten nach Aufwand
(z. B. Materialbestätigung Edelstahl 1.4571, Bestätigung der Rauhigkeit o. ä.)
• FDA-Bestätigung: - verwendete Kunststoffe (Isolator und O-Ringe) sind FDA-gelistet
170 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
5.3
Prüfmöglichkeiten vor Ort
Immer wieder wird dem Hersteller von Mess- und Regeltechnik die Frage nach der Messsicherheit
bei Dauermessung gestellt. Insbesondere bei Reinstwasser sind Vergleichsmessungen oft nur über
Laboranalysen möglich.
Folgende Möglichkeiten stehen dem Anlagenbetreiber vor Ort zur Verfügung:
5.3.1 Überprüfung des Messumformers
Der Messumformer kann mit Präzisionswiderständen überprüft werden. Hier ist jedoch davon auszugehen, dass der Messumformer (unter normalen Umständen) seine abgeglichene Genauigkeit
nicht verloren hat (siehe auch unter „Leitfähigkeitmessung, Konzentration, TDS“ im Kapitel 5.5
„Prüfmöglichkeiten vor Ort“).
5.3.2 Neubestimmung der Zellenkonstanten
Da die Sensoren dem Messmedium und den darin enthaltenen Inhaltsstoffen ausgesetzt sind, ist
es sinnvoll, sie in regelmäßigen Abständen zu überprüfen (Bestimmung der Zellenkonstanten).
5.3.3 Überprüfungsintervalle
Die Festlegung der Überprüfungsintervalle obliegt dem Anlagenbetreiber oder aber gesetzlichen
Bestimmungen. Bei diesem Vorgang wird der Messumformer auf die neue (veränderte) Zellenkonstante abgestimmt.
5.3.4 Vergleichsmessung
Durch eine Vergleichsmessung mit einem Referenzgerät kann die Zellenkonstante der Reinstwassersensoren neu bestimmt werden.
Hier ist darauf zu achten, dass bei beiden Messgeräten (JUMO- und Referenzgerät) die Temperaturkompensation ausgeschaltet ist, d. h. der Temperaturkoeffizient auf 0 %/K steht.
5.3.5 Bestimmung beim Hersteller
Sind beim Anwender keine entsprechenden Mess- und Prüfmittel vorhanden, kann die Zellenkonstante des Sensors auch beim Hersteller (JUMO) neu bestimmt werden.
Hier kann es angebracht sein, einen zweiten ausgemessenen Leitfähigkeitssensor vor Ort zu
haben, um Stillstandszeiten zu vermeiden.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
171
4
5 Qualitätssicherung
4
172 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
6 Quellenangabe
6.1
Normen, Arzneibücher, Richtlinien
6.1.1 ASTM-Standards
• ASTM D 1125
Standard Test Methods for Electrical Conductivity and Resistivity of Water
• ASTM D 1129
Terminology Relating to Water
• ASTM D 1193
Standard Specification for Reagent Water
• ASTM D 1293
Standard Test Methods for pH of Water
• ASTM D 2777
Standard Practice for Determination of Precision and Bias of Applicable Test Methods
of Committee Dd-19 on Water
• ASTM D 3370
Standard Practices for Sampling Water from Closed Conduits
• ASTM D 3864
Standard Guide for Continual On-Line Monitoring Systems for Water Analysis
• ASTM D 4453
Standard Practice for Handling of High Purity Water Samples
• ASTM D 4519
Standard Test Method for On-Line Determination of Anions and Carbon Dioxide
in High Purity Water by Cation Exchange and Degassed Cation Conductivity
4
• ASTM D 5127
Standard Guide for Ultra Pure Water Used in the Electronics and Semiconductor Industry
• ASTM D 5128
Standard Test Method for On-Line pH Measurement of Water of Low Conductivity
• ASTM D 5391
Standard Test Method for Electrical Conductivity and Resistivity
of a Flowing High Purity Water Sample
• ASTM D 5464
Standard Test Method for pH Measurement of Water of Low Conductivity
• ASTM D 6569
Standard Test Method for On-Line Measurement of pH
• ASTM E70
Standard Test Method for pH of Aqueous Solutions With the Glas Electrode
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
173
6 Quellenangabe
TOC
• ASTM D 4839
Standard Test Method for Total Carbon and Organic Carbon in Water by Ultraviolet,
or Persulfate Oxidation, or Both, and Infrared Detection
• ASTM D 5173
Standard Test Method for On-line Monitoring of Carbon Compounds in Water
by Chemical Oxidation, by UV Light Oxidation, by Both or by High Temperature Combustion
Followed by Gas Phase NDIR or by Electrolytic Conductivity
• ASTM D 5997
Standard Test Method for On-Line Monitoring of Total Carbon, Inorganic Carbon in Water
by Ultraviolet, Persulfate Oxidation, and Membrane Conductivity Detection
• ASTM D 6317
Standard Test Method for Low Level Determination of Total Carbon, Inorganic Carbon and
Organic Carbon in Water by Ultraviolet, Persulfate Oxidation,
and Membrane Conductivity Detection
6.1.2 Arzneibücher
Ph. EUR.
Methoden:
• 2.2.3 - pH-Wert – Potenziometrische Methode
• 2.2.44 - Gesamter organischer Kohlenstoff in Wasser zum pharmazeutischen Gebrauch
Monographien:
4
• Gereinigtes Wasser
• Hochgereinigtes Wasser
• Wasser für Injektionszwecke
USP
Physical Tests
• <643> - Total Organic Carbon
• <645> - Water Conductivity
Official Monographs:
• Water for Injection
• Bacteriostatic Water for Injection
• Sterile Water for Inhalation
• Sterile Water for Injection
• Sterile Water for Irrigation
• Purified Water
• Sterile Purified Water
174 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
6 Quellenangabe
6.1.3 VDI-Richtlinien
• VDI 2083 Blatt 13.1 Reinraumtechnik Qualität, Erzeugung und Verteilung von Reinstwasser - Grundlagen
• VDI 2083 Blatt 13.2 Reinraumtechnik Qualität, Erzeugung und Verteilung von Reinstwasser - Mikroelektronik und andere technische
Anwendungen
• VDI 3870 Blatt 10
Messen von Regeninhaltsstoffen – Messen des pH-Wertes in Regenwasser
6.1.4 DIN-/ISO-/EN-Normen
• DIN ISO 3696 (ISO 3696)
Wasser für analytische Zwecke, Anforderungen und Prüfungen
• DIN EN 1484
Wasseranalytik – Anleitungen zur Bestimmung des gesamten organischen Kohlenstoffs (TOC)
und des gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC)
• DIN EN 27888
Wasserbeschaffenheit – Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit (= ISO 7888)
• ISO 8245
Wasserbeschaffenheit – Anleitung zur Bestimmung des gesamten organischen Kohlenstoffs
(TOC) und des gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC)
• ISO 10523
Wasserbeschaffenheit – Bestimmung des pH-Wertes
• DIN 19260
pH-Messung – Allgemeine Begriffe
4
• DIN 19261
pH-Messung – Messverfahren mit Verwendung potentiometrischer Zellen – Begriffe
• DIN 19262
Steckbuchse und Stecker geschirmt für pH-Elektroden
• DIN 19263 (Entwurf)
pH-Messung - pH-Messketten
• DIN 19265
pH-/Redox-Messung - pH-/Redox-Messumformer-Anforderungen
• DIN 19266
pH-Messung – Referenzpufferlösungen zur Kalibrierung von pH-Messeinrichtungen
• DIN 19267
pH-Messung;
Technische Pufferlösungen, vorzugsweise zur Eichung von technischen pH-Meßanlagen
• DIN 19268 (Entwurf)
pH-Messung von wässrigen Lösungen mit pH-Messketten, mit pH-Glaselektroden
und Abschätzung der Messunsicherheit
• DIN 38404-5
Deutsche Einheitsverfahren zur Wasser-, Abwasser- und Schlammuntersuchung;
Physikalische und physikalisch-chemische Kenngrößen (Gruppe C);
Bestimmung des pH-Wertes (C5)
• EHEDG, 1995
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
175
6 Quellenangabe
6.2
Literatur
[1]
K. Marquardt, Rein- und Reinstwasseraufbereitung, Expert Verlag,
Renningen Malmsheim 1994
[2]
H. Galster, pH-Messung, VCH Verlagsgesellschaft mbH,
Weinheim 1990
[3]
P. Henderson, Z. Phys. Chemie 59, 118 – 127 (1907)
[4]
H. Galster, VGB Kraftwerkstechnik 59, 885 – 889 (1979)
4
176 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
7 Anhang
7.1
Beispiel eines Prüfprotokolls für die Sensoren
4
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
177
7 Anhang
7.2
Beispiele für Prüfprotokolle von Messumformern
-802*PE+&R.*
0RULW]-XFKKHLP6WUD‰H
)XOGD*HUPDQ\
7HOHIRQ (0DLO PDLO#MXPRQHW
,QWHUQHW ZZZMXPRQHW
&DOLEUDWLRQ&HUWLILFDWH
'HYLFH
71
6:9HUVLRQ
'DWHRIFDOLEUDWLRQ
G75$16&5
)1U
7\SH
7HVWHU,'
7HVWV\VWHP
.$/
0HDVXUHPHQW5HVXOWV
5DQJH
$QDORJ,QSXW>N2KP@
$QDORJ,QSXW>N2KP@
$QDORJ,QSXW>9@
$QDORJ,QSXW>P$@
$QDORJ,QSXW>37@
$QDORJ,QSXW>37@
$QDORJ2XWSXW>9@
$QDORJ2XWSXW>P$@
5DQJH&5
5DQJH&5
5DQJH&5
5DQJH&5
5DQJH&5
5DQJH&5
5DQJH&5
4
$FWXDOYDOXH
7HVWYDOXH
8QLW
Ÿ
Ÿ
9
P$
Ÿ
Ÿ
9
P$
—6
—6
—6
—6
P6
P6
6
6WDWXV
RN
RN
RN
RN
RN
RN
RN
RN
RN
RN
RN
RN
RN
RN
RN
7HVW5HVXOWV
.H\ERDUG
5HOD\V
'LVSOD\
RN
RN
RN
9ROVXSSO\WUDQVP
%LQ,Q
RN
RN
T e s t in s trum e n ts :
&RQGXFWLYLW\
RN
2SWLRQ
2SWLRQ
2SWLRQ
RN
RN
RN
C a lib ra te d w ith :
D C -S o u rc e :
R T D S im u la to r:
C u rre n t- V o lta g e m e a s u rin g in stru m e nt:
K ro h n -H ite M o d e l 5 2 3 F L U K E 8 5 0 8 A R efe re n c e M u ltim e te r
M E A T E S T M -6 1 2
D K D -K -0 0 9 0 2 P ru e f-N r.: 1 7 4 0 1
A g ile n t T e c h n o lo g ies
F LU K E 732 D C R EFE RE N C E S TA N D A R D
34970A
D K D -K -0 1 9 0 1 P ru e f-N r.: 4 8 4 6
A ll J U M O p ro d u cts fe atu re a c o n sta n t m a n u factu rin g c o n tro l s ystem . A d ju stm e n t a n d c o n tro l is e ffe cte d w ith
m e as u rin g d e vic e s a n d s ys te m s ba s e d o n th e re g u la tio ns of n atio n a l a n d in te rn a tio n a l n o rm s a n d sta n d a rd s .
178 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
7 Anhang
4
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Reinstwassermessung
179
7 Anhang
4
180 Reinstwassermessung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Kapitel 5
Amperometrische Messung
von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher
5
Bemerkung
Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten.
Vorwort
Aus hygienischen Gründen muss das Trinkwasser oder sonstiges Wasser, mit dem Menschen direkt
oder indirekt in Kontakt kommen, häufig mit Mitteln behandelt werden, welche enthaltene Mikroorganismen abtöten. Sehr oft werden für diesen Zweck Chlor, Chlorverbindungen oder Ozon als Desinfektionsmittel eingesetzt. In diesem sensiblen Bereich ist eine hohe Sicherheit für den Verbraucher
unbedingt erforderlich, deswegen setzt man Anlagen ein, die vollautomatisch die Desinfektionsmittelkonzentration überwachen, regeln und dokumentieren.
Die beste Möglichkeit zur Überwachung der Desinfektionsmittelkonzentration sind amperometrische Sensoren. In diesem Kapitel sollen die elektrochemischen Grundlagen und die Anwendungstechnik solcher Sensoren in verständlicher Form für den interessierten Leser dargestellt werden.
Wir bemühen uns, die Informationen zur amperometrischen Messung von Chlor, Chlordioxid und
Ozon in Wasser stets auf dem neuesten Stand zu halten. Im Zweifelsfall konsultieren Sie bitte die
aktuellen gesetzlichen Vorschriften und betreffenden Normen. Unsere Leser sind zu einem regen Erfahrungs- und Wissensaustausch aufgerufen. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge auf.
Fulda, im April 2012
Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher
5
Inhalt
1
Einleitung ...................................................................................... 185
1.1
Grundlagen der mikrobiologischen Wasseraufbereitung ........................... 185
1.1.1
1.1.2
1.1.3
1.1.4
Vorschriften zur hygienischen Wasserqualität ..............................................................
Zugelassene Desinfektionsmittel für Trink- und Badewasser .......................................
Behandlung von Wasser mit Oxidationsmitteln ............................................................
Kriterien für die hygienische Wasserqualität .................................................................
2
Grundlagen ................................................................................... 189
2.1
Chlorung von Wasser ..................................................................................... 189
2.1.1
Definitionen ................................................................................................................... 191
2.2
Einsatz von Chlordioxid als Aufbereitungsmittel für Wasser ..................... 192
2.3
Einsatz von Ozon als Aufbereitungsmittel für Wasser ................................ 192
2.4
Vor- und Nachteile von Chlor, Chlordioxid und Ozon
als Aufbereitungsmittel für Wasser ............................................................... 193
2.4.1
2.4.2
2.4.3
Chlor ............................................................................................................................. 193
Chlordioxid .................................................................................................................... 193
Ozon .............................................................................................................................. 194
185
186
186
187
2.5
Analytische Bestimmungsmethoden ............................................................ 195
2.5.1
2.5.2
2.5.3
2.5.4
Bestimmung von Chlor nach DIN EN ISO 7393-2 (früher DIN 38408-G4) ....................
Bestimmung von Chlordioxid nach DIN 38408-G5 ......................................................
Bestimmung von Ozon nach DIN 38408-G3 ................................................................
Kontinuierliche Messverfahren für Desinfektionsmittelkonzentrationen .......................
2.6
Weitere Aufbereitungsmittel .......................................................................... 197
2.7
Amperometrische Sensoren .......................................................................... 198
2.7.1
2.7.2
2.7.3
Reaktionen an Metalloberflächen, Nernstsche Diffusionsschicht ................................ 201
Zwei-Elektroden-System .............................................................................................. 202
Drei-Elektroden-System ................................................................................................ 204
2.8
Chemische Vorgänge an der Messelektrode ............................................... 205
2.8.1
2.8.2
Temperaturabhängigkeit ............................................................................................... 205
Kalibrierprozedur ........................................................................................................... 205
3
Messtechnik ................................................................................. 207
3.1
Aufbau der JUMO-Messzellen
für freies Chlor, Chlordioxid und Ozon .......................................................... 207
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
3.1.5
Elektroden .....................................................................................................................
Membrantypen ..............................................................................................................
Elektrolyt .......................................................................................................................
Anströmung ..................................................................................................................
Temperaturkompensation .............................................................................................
3.2
Spezielle Messzellen- und Membrantypen
für besondere Anwendungen ........................................................................ 211
3.2.1
3.2.2
Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pH-Empfindlichkeit ...................................... 211
Tensid- und chemikalienfeste Membranen
zur Messung von Chlordioxid und Ozon ...................................................................... 212
195
195
196
196
208
208
210
210
210
Amperometrische Messung von Chlor, Chlordioxid und Ozon
5
Inhalt
3.3
Wahl der Messstelle, Installation
und elektrischer Anschluss des Sensors ..................................................... 213
4
Anwendungen ............................................................................... 215
4.1
Anwendungen der amperometrischen Chlor-, Chlordioxidund Ozonmessung .......................................................................................... 215
4.2
Unverträglichkeiten mit dem Messmedium ................................................. 215
5
Qualitätssicherung ....................................................................... 217
5.1
Fehler und Störungen bei der Messung
mit amperometrischen Sensoren .................................................................. 217
6
Quellenangabe ............................................................................. 219
6.1
Normen und Verordnungen aus dem Bereich
der Wasseraufbereitung mit Chlor, Chlordioxid und Ozon ......................... 219
6.2
Literatur ........................................................................................................... 220
5
Amperometrische Messung von Chlor, Chlordioxid und Ozon
1 Einleitung
Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel: Ohne ausreichende Wasseraufnahme kann ein Mensch
nur kurze Zeit existieren. Viele unserer übrigen Lebens- und Nahrungsmittel enthalten zu einem
großen Teil ebenfalls Wasser, werden mit Wasser versetzt oder kommen bei ihrer Zubereitung mit
Wasser in Kontakt. Es ist daher eine existenzielle Frage für die Menschheit Wasser in ausreichender Menge sowie in guter chemischer und mikrobiologischer Qualität zur Verfügung zu
haben.
Gewöhnlich wird unser Trinkwasser aus dem Grund- oder Oberflächenwasser gewonnen und
gelangt über meist lokale Netzwerke zum Verbraucher. Je nach vorliegender Wasserqualität müssen noch verschiedene chemische, physikalische und mikrobiologische Aufarbeitungsschritte vorgeschaltet werden, bis eine Qualität erreicht ist, die dem Verbraucher über das Rohrleitungsnetz
zur Verfügung gestellt werden kann.
Hier ist die hygienische Qualität des Wassers von besonderer Bedeutung: Während bei chemischen Verunreinigungen eine bestimmte Mindestkonzentration vorliegen muss, damit eine biologische Wirkung eintritt, können bereits wenige Krankheitserreger im Wasser ausreichen, um verschiedene schwere Krankheiten auszulösen. Bei günstigen Wachstumsbedingungen und einem
ausreichenden Nährstoffangebot vermehren sich die Krankheitserreger sogar im Wasserleitungsnetz. In vielen Entwicklungsländern treten Epidemien auf, die durch Krankheitserreger im Wasser
ausgelöst werden. Noch 1919 und 1926 kamen in Pforzheim und Hannover mehrere hundert Menschen bei Typhusepidemien um. Der hygienischen Aufbereitung des Trinkwassers ist einer der
wesentlichen Fortschritte der öffentlichen Gesundheit des 20. Jahrhunderts zu verdanken.
Nicht nur das Wasser, welches direkt vom Menschen aufgenommen wird, sondern auch das Wasser, das in irgendeiner Weise in Kontakt mit Menschen kommt, muss über eine einwandfreie hygienische Qualität verfügen. Dies beinhaltet z. B. auch Badewasser in Schwimmbädern und Waschoder Spülwasser in Lebensmittel verarbeitenden Betrieben.
1.1
Grundlagen der mikrobiologischen Wasseraufbereitung
1.1.1 Vorschriften zur hygienischen Wasserqualität
Die hygienischen Anforderungen, die an Wasser zu stellen sind, werden in verschiedenen Gesetzen
und Verordnungen festgelegt:
Trinkwasser
„Wasser für den menschlichen Gebrauch muss frei von Krankheitserregern, genusstauglich und
rein sein. Dieses Erfordernis gilt als erfüllt, wenn bei der Wassergewinnung, der Wasseraufbereitung und der Verteilung, die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden und
das Wasser für den menschlichen Gebrauch den Anforderungen der §§5 bis 7 entspricht.“
(Trinkwasserverordnung 2001 (TrinkwV 2001, 2. Abschnitt §4).
Badewasser
„Schwimm- oder Badebeckenwasser in öffentlichen Bädern oder Gewerbebetrieben muss so beschaffen sein, dass durch seinen Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit durch
Krankheitserreger nicht zu besorgen ist. Schwimm- oder Badebecken, einschließlich ihrer Wasseraufbereitungsanlagen, unterliegen insoweit der Überwachung durch das Gesundheitsamt“ (§11
Bundes-Seuchengesetz, BSeuchG).
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
185
5
1 Einleitung
1.1.2 Zugelassene Desinfektionsmittel für Trink- und Badewasser
Zulässige Desinfektionsmittel für Trinkwasser
gemäß Trinkwasserverordnung 2001, 3. Abschnitt, §11 „Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren“ sind:
• Chlor(gas) (Cl2)
• Natriumhypochlorit (NaOCl), Calciumhypochlorit (Ca(OCl)2),
Magnesiumhypochlorit (Mg(OCl)2) oder Chlorkalk (CaCl(OCl))
• Chlordioxid (ClO2)
• Ozon (O3)
Zulässige Desinfektionsmittel für Badewasser
gemäß DIN 19643-1 (Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser) sind:
- Chlor(gas) (Cl2)
- Natriumhypochlorit (NaOCl)
- Calciumhypochlorit (Ca(OCl)2)
Grundsätzlich
Bei den zur Desinfektion von Wasser eingesetzten Desinfektionsmitteln handelt es sich ausschließlich um Oxidationsmittel.
1.1.3 Behandlung von Wasser mit Oxidationsmitteln
Desinfektion/Entkeimung
Die Behandlung von Wasser dient in erster Linie der Abtötung oder Verringerung enthaltener Mikroorganismen (Bakterien, Viren usw.). Diesen Vorgang kann man auch als Desinfektion oder Entkeimung bezeichnen. Die primäre Funktion der Inaktivierung pathogener Mikroorganismen
(Krankheitserreger) wird ergänzt durch weitere qualitätsverbessernde Effekte des Oxidationsmittels:
5
• Oxidation von Fe(II+) und Mn(II+) zu Fe (III+) und Mn(IV+),
die sich als Eisenhydroxid bzw. Manganoxid niederschlagen und so entfernt werden können
• durch eine Restkonzentration an Desinfektionsmittel wird eine Verschlechterung der mikrobiologischen Qualität des Wassers auf dem Weg zum Verbraucher vermieden
• Beseitigung von unerwünschten Geruchs- und Geschmacksstoffen durch Oxidation
• Verbesserung der Effizienz bei Koagulation und Filtration (Entfernung von Fremdstoffen)
• Entfernung von Verfärbungen des Wassers,
die z. B. durch Huminstoffe hervorgerufen sein können
• Verhinderung von Algenwachstum beispielsweise in Filtern und Sedimentationsbecken
Nebenprodukte
Bei der Behandlung des Wassers ist man bestrebt, dass sich möglichst wenige unerwünschte
Nebenprodukte bei der Desinfektion, wie z. B. Trihalogenmethane, bilden. Dies kann in gewissem
Maße durch die Bedingungen (Chlormenge, Temperatur, pH-Wert, ...) gesteuert werden, bei denen
die Desinfektion erfolgt. Aber auch durch eine Vorbehandlung mit Ozon können z. B. bereits die
Vorläufer von unerwünschten Nebenprodukten im Wasser, die mit Chlor reagieren würden, entfernt
werden.
186 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
1 Einleitung
1.1.4 Kriterien für die hygienische Wasserqualität
Qualitätsindikatoren
Ein direkter Nachweis, dass im Trinkwasser keine Krankheitserreger (pathogene Keime) enthalten
sind, kann routinemässig nicht erbracht werden. Man hat daher Grenz- bzw. Richtwerte für Indikatoren festgelegt, die auf ein mögliches Vorhandensein von Krankheitserregern hinweisen. Indikatorkeime sind z. B. Escherichia Coli (E.coli), coliforme Bakterien und Enterokokken. Diese dürfen in
einer Probemenge von 100 ml Wasser nicht enthalten sein (Anl. 1, Teil I, TrinkwV 2001).
Darüber hinaus ist eine Obergrenze für die Summe aller enthaltenen Keime festgelegt: „In Trinkwasser soll die Koloniezahl den Grenzwert von 100 je ml bei einer Bebrütungstemperatur von
22 C und bei einer Bebrütungstemperatur von 36 C nicht überschreiten.“ (Anl. 3, TrinkwV 2001).
Der Grenzwert von 100 Kolonien je ml bei einer Bebrütungstemperatur von 22 °C gilt für Wasserproben am Zapfhahn des Verbrauchers. Unmittelbar nach Abschluss der Aufbereitung dürfen in
diesem Fall nicht mehr als 20 Kolonien je ml enthalten sein.
Die Koloniezahl ist ein Indikator für die Reinheit des Wassers. Also ein Parameter an dem sich eine
Verbesserung (Erniedrigung) bzw. Verschlechterung (Erhöhung) der mikrobiologischen Qualität
ablesen lässt.
Die mikrobiologischen Anforderungen für Badebeckenwasser können DIN 19643, Teil 1 entnommen werden. Bei den Koloniezahlen gelten die gleichen Grenzwerte wie bei Trinkwasser; die Keime
Pseudomonas Aeroginosa, E.coli und Legionella pneumophila dürfen in einer 100-ml-Probe des
Beckenwassers nicht nachweisbar sein.
5
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
187
1 Einleitung
5
188 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.1
Chlorung von Wasser
Standard
Die Chlorung ist das am häufigsten eingesetzte Desinfektionsverfahren für Wasser. Es gibt verschiedene Methoden dem Wasser Chlor oder entsprechende Verbindungen zuzusetzen (Kapitel 1.1.2
„Zugelassene Desinfektionsmittel für Trink- und Badewasser“). In der Praxis geht man meistens so
vor, dass man zunächst eine Lösung von Chlorgas bzw. Hypochloriten in Wasser herstellt und diese
dann dem aufzubereitenden Wasser in der erforderlichen Menge zudosiert. Entsprechende Ausgangslösungen können auch vor Ort durch die Elektrolyse von wässrigen Natriumchloridlösungen
hergestellt werden, das hierbei entstehende Chlorgas löst sich dann sofort im Wasser.
Chlorgas
Die keimtötende Wirkung von Chlorgas (Cl2) beruht hauptsächlich auf der sich in Wasser bildenden
unterchlorigen oder hypochlorigen Säure (HOCl):
Cl2
+
H2O
HOCl
+
HCl
(hypochlorige Säure)
(1)
(Salzsäure)
Bei der Reaktion von Cl2 mit Wasser (H2O) bilden sich hypochlorige Säure (HOCl) und Salzsäure
(HCl). Die Salzsäure verursacht als starke Säure eine pH-Wert Absenkung, wenn keine Pufferwirkung im Wasser vorhanden ist. Aus diesem Grund muss der pH-Wert ggf. mit Lauge auf den
gewünschten Wert eingestellt werden. Bei der obigen Reaktion handelt es sich um eine
Gleichgewichtsreaktion. Die Lage des Gleichgewichts ist von pH-Wert und Temperatur abhängig.
Hypochlorige Säure
HOCl ist eine schwache Säure (pks = 7,5). Bei höheren pH-Werten dissoziiert HOCl zunehmend unter Bildung von Hypochlorit-Ionen ClO-:
HOCl
+
OH-
H2O
+
OCl-
(2)
Die Hypochlorit-Ionen besitzen ebenfalls eine desinfizierende Wirkung, jedoch in weitaus geringerem Ausmaß als HOCl. Daher haben Wässer mit zunehmendem pH-Wert einen zunehmenden
Chlorbedarf bzw. erfordern eine längere Einwirkzeit oder höhere Einwirkungstemperaturen.
Hypochlorite
Eine andere Möglichkeit zur Desinfektion von Wasser bietet der Einsatz von Hypochloriten, z.B.
Natriumhypochlorit (NaOCl).
NaOCl
+
H2O
HOCl
(hypochlorige Säure)
+
NaOH
(3)
(Natriumhydroxid)
Das bei der Reaktion entstehende Natriumhydroxid verursacht als starke Base bei schwach gepuffertem Wasser eine pH-Erhöhung, die ggf. durch Zugabe einer Säure auf den richtigen pH-Wert
korrigiert werden muss.
Bitte beachten Sie beim Einsatz von Hypochlorit-Lösungen, dass diese instabil sind und sich zersetzen können. Die Zersetzung wird begünstigt durch Temperaturerhöhung, Licht, Lagerzeit und
die Anwesenheit von Metallionen. Durch die Zersetzung bildet sich neben anderen Reaktionsprodukten auch Chlorat, was als Inhaltsstoff von Trink- und Badewasser nicht erwünscht ist.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
189
5
2 Grundlagen
Temperatur- und pH-Wert-Abhängigkeit
Die Lage des Gleichgewichts zwischen in Wasser gelöstem Chlorgas (Cl2(aq.)), hypochloriger Säure (HOCl) und Hypochlorit (OCl-) ist neben der Temperatur in erster Linie vom pH-Wert abhängig.
Cl2(aq.)
OCl-
HOCl
(pH-abhängiges Gleichgewicht)
(4)
Das Mengenverhältnis
von HOCl und OCl- wird anhand der folgenden Abbildung erläutert:
100
90
80
HOCl-Anteil [%]
70
60
50
5°C
20°C
40
30
20
10
0
5
6
7
8
9
10
11
12
pH-Wert
5
Abbildung 1:
Existenzbereiche von hypochloriger Säure und Hypochlorit in Abhängigkeit
vom pH-Wert für 5°C und 20°C
Dargestellt ist der prozentuale Anteil von HOCl, der Anteil von OCl- ergibt sich aus:
100-[HOCl]
Für die einzelnen pH-Bereiche gilt gemäß Abbildung 1:
pH-Bereich
vorherrschende Komponente
Beispiel
3–6
HOCl
Bei 20 °C HOCl > 95 %
6–9
Gemische von HOCl und OCl-
Bei pH 7 und 20 °C
80 % HOCl,
20 % OCl-
Bei pH 8 und 20 °C
28 % HOCl,
72 % OCl-
>9
OCl-
Bei pH 9 und 20 °C HOCl < 5 %
Im niedrigeren pH-Bereich unter 3 liegt neben HOCl zunehmend auch noch undissoziiertes physikalisch im Wasser gelöstes Cl2-Gas vor.
190 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
Temperaturabhängigkeit
Je niedriger die Temperatur ist, desto höher ist bei vorgegebenem pH-Wert der Anteil an HOCl.
Bei der Desinfektion von Wasser muss der pH-Wert eingeregelt und dann eingehalten werden. Bei
zu hohen pH-Werten nimmt die Keimtötungsgeschwindigkeit stark ab, bei zu niedrigen pH-Werten
besteht Korrosionsgefahr.
Anmerkung
Prinzipielle pH-Grenzwerte für Trinkwasser:
• EG-Richtlinie über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch
(98/83/EG vom 3. November 1998): 6,5 bis 9,5
• WHO-Guideline Value: < 8,0
• Anlage 3 TrinkwV 2001: ⱖ 6,5 und ⱕ 9,5
Zusatzbemerkungen: „Das Wasser sollte nicht korrosiv wirken. Die berechnete Calcitlösekapazität am Ausgang des Wasserwerks darf 5mg/l CaCO3 nicht überschreiten; diese Forderung gilt
als erfüllt, wenn der pH-Wert am Wasserwerkausgang ⱖ 7,7 ist. Bei der Mischung von Wasser
aus zwei oder mehr Wasserwerken darf die Calcitlösekapazität im Verteilungsnetzwerk den Wert
von 10mg/l nicht überschreiten.“ (TrinkwV 2001, Anl. 3, Lfd-Nr. 18)
Die pH-Grenzwerte für Badebeckenwasser sind in DIN 19643 (Aufbereitung von Schwimm- und
Badebeckenwasser) festgelegt. Für Badebeckenwasser gilt im Allgemeinen pH 6,5 - 7,6 (Süßwasser) bzw. pH 6,5 - 7,8 (Meerwasser) – Sonderfälle, siehe Norm.
In der Praxis
Im Interesse einer effektiven Desinfektion wird man bei Zusatz von Cl2 oder NaOCl eher einen pHWert in dem unteren pH-Sollbereich einstellen. Andererseits ist zu beachten, dass im sauren Bereich eine verstärkte Korrosion an Metall, Beton usw. auftritt. In der Praxis wird man deshalb als
Kompromiss einen pH-Wert einstellen, der etwa im Bereich von 7,2 und 7,4 liegt.
2.1.1 Definitionen
Kennzahlen
Nach DIN EN ISO 7393-2 (früher DIN 38408-G4) unterscheidet man folgende Kennzahlen für die
Chlorkonzentration in Wasser:
• Freies Chlor: Cl2 (aq.), HOCl, OCl- (je nach vorliegendem pH-Wert).
• Gebundenes Chlor: Chloramine (NH2Cl, NHCl2, NCl3 und organische Chloramine,
z. B. CH3NHCl).
• Gesamtchlor: Summe des freien und des gebundenen Chlors.
5
Dosierung
Die Chlorkonzentration in Wasser, das mit Chlor oder Hypochloriten versetzt wurde, gibt man als
freies Chlor in mg/l Cl2 an.
Trinkwasser
Je nach Qualität des Rohwassers dürfen in Trinkwasser bis zu 1,2 mg/l Cl2 zugesetzt werden. Nach
Abschluss der Aufbereitung darf die Konzentration an freiem Chlor 0,3 mg/l nicht überschreiten.
Gemäß Trinkwasser-Verordnung muss Trinkwasser bei der Desinfektion mit Chlor nach der Aufbereitung eine Restkonzentration von 0,1 mg/l Cl2 aufweisen. In besonderen Fällen erlaubt die Trinkwasser-Verordnung einen Zusatz von bis zu 6 mg/l Cl2 (TrinkwV 2001. 3. Abschn. § 11).
Badebeckenwasser
Hier gelten nach DIN 19643-Teil 1 (Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser) folgende
Grenzwerte für freies Chlor: Allgemein 0,3 - 0,6 mg/l Cl2 und in Warmsprudelbecken 0,7 - 1,0 mg/l
Cl2.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
191
2 Grundlagen
Bitte beachten Sie weitere Einschränkungen in DIN 19643!
Für gebundenes Chlor und Trihalogenmethane berechnet als Chloroform werden in DIN 19643,
Teil 1 obere Grenzwerte von 0,2 mg/l und 0,02 mg/l angegeben.
Bitte beachten Sie auch hier weitere Einschränkungen und Sonderfälle in DIN 19643!
2.2
Einsatz von Chlordioxid als Aufbereitungsmittel für Wasser
Wirkung
Chlordioxid (ClO2) löst sich als Gas in Wasser. Eine Hydrolyse wie bei Chlor läuft nicht ab. Die Desinfektionswirkung von Chlordioxid beruht auf einer Oxidationsreaktion der unerwünschten Wasserinhaltsstoffe, bei welcher Chlordioxid zu Chlorit (ClO2- ) reduziert wird.
Vorsicht!
Chlordioxid kann wegen seiner Explosivität nicht in komprimierter Form oder in höherkonzentrierten Lösungen gelagert werden. Man stellt ClO2 deswegen am Ort der Verwendung aus Natriumchlorit (NaClO2) und Chlor (Cl2) oder Natriumhypochlorit (NaClO) bzw. aus Natriumchlorit und
Salzsäure (HCl) her:
2 NaClO2
+
Cl2
2 ClO2
+
2 NaCl
(5)
2 NaClO2
+
HOCl
2 ClO2
+
NaCl
+
NaOH
(6)
5 NaClO2
+
4 HCl
4 ClO2
+
5 NaCl
+
2 H2O
(7)
In Abhängigkeit von den Reaktionsbedingungen bei der Herstellung von ClO2 ist als unerwünschte
Nebenreaktion die Bildung von Chlorat (ClO3-) möglich.
Dosierung
Chlordioxid darf dem Trinkwasser bis zu einer Konzentration von 0,4 mg/l zugesetzt werden. Nach
Abschluss der Aufbereitung muss die Konzentration von Chlordioxid zwischen 0,05 und 0,2 mg/l
(TrinkwV 2001. 3. Abschn. §11) liegen.
5
2.3
Einsatz von Ozon als Aufbereitungsmittel für Wasser
Wirkung
Ozon ist eines der stärksten verfügbaren Oxidationsmittel, welches sehr schnell mit Verunreinigungen im Wasser reagiert und diese dadurch unschädlich macht. Ozon kann sich im Wasser
in einem komplexen Mechanismus zu freien Hydroxyl-Radikalen zersetzen. Freie HydroxylRadikale gehören zu den stärksten in Wasser vorkommenden Oxidationsmitteln. Die Oxidation von
Wasserinhaltsstoffen kann entweder indirekt über die sehr reaktiven Hydroxyl-Radikale oder direkt
über Ozon erfolgen. Welcher Oxidationsmechanismus bevorzugt abläuft, hängt von den herrschenden Bedingungen (höherer pH, Anwesenheit von UV-Strahlung
begünstigen HydroxylRadikale) ab. Trotzdem ist das Oxidationsvermögen des Ozons in der Wasseraufbereitung nur wenig vom pH-Wert abhängig.
Ozon kann neben seiner eigentlichen Aufgabe der Desinfektion auch eingesetzt werden zur
• Oxidation anorganischer Inhaltsstoffe einschließlich Fe (II+), Mn (II+) und Sulfiden
• Oxidation von organischen Verschmutzungen einschließlich farb-, geruchs- und geschmacksverändernden Stoffen sowie phenolischen Verschmutzungen und Pestiziden
192 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
• bei Ozonbehandlung im Vorfeld einer Chlorung: Reduktion des erforderlichen Chlorbedarfs und
Verminderung von Inhaltsstoffen, die mit Chlor störende Nebenprodukte bilden würden
Erzeugung
Ozon wird direkt am Ort der Verwendung durch elektrische Entladung oder auf elektrolytischem
Wege hergestellt. Zur Erzeugung des Ozons wird je nach Verfahren Luft oder Sauerstoff verwendet.
Dosierung
Bei Ozon erlaubt die Trinkwasser-Verordnung einen Zusatz von max. 10 mg/l Ozon. Der obere
Grenzwert nach der Aufbereitung beträgt 0,05 mg/l (TrinkwV 2001. 3. Abschn. §11).
Wegen seiner hohen Reaktivität wird das Ozon meistens schnell aufgezehrt, bei langen Rohrleitungswegen kann es daher erforderlich sein, das Wasser auf dem Weg zum Verbraucher vor
Wiederverkeimung z. B. durch Zugabe von Chlor zu schützen.
2.4
Vor- und Nachteile von Chlor, Chlordioxid und Ozon
als Aufbereitungsmittel für Wasser
2.4.1 Chlor
Vorteile
• erprobtes, sicheres und wirtschaftliches Desinfektionsmittel
• inaktiviert ein breites Spektrum im Wasser vorkommender Krankheitserreger
• Restkonzentration im Wasser kann leicht gemessen und geregelt werden
• Mn (II+), Fe(II+) und Hydrogensulfide werden oxidiert
Nachteile:
• pH-abhängige Desinfektionswirkung
• Bildung unerwünschter Nebenprodukte möglich,
z. B. Trihalogenmethan-Bildung aus Fulvin- und Huminsäuren
(
gesundheitsschädlich, cancerogen?)
• Chloramin-Bildung bei Anwesenheit von Ammoniak oder Aminen
(Schwimmbad
unangenehmer Geruch, Reizung von Augen und Schleimhäuten,
gesundheitsschädlich)
• Chlorphenolbildung, sofern Wasser phenolhaltig
(
Beeinträchtigung von Geruch und Geschmack)
• hohes Gefährdungspotential bei unkontrolliertem Austritt von Chlorgas
5
2.4.2 Chlordioxid
Vorteile
• Desinfektionswirkung weniger stark vom pH-Wert abhängig als bei Chlor
• ClO2 besitzt stärkere Desinfektions(Oxidations-)wirkung als Chlor
• unangenehme Geruchs- und Geschmacksstoffe (z. B. aus Phenolen, Algen...)
im Wasser werden oxidiert (Umwandlung in geruchs- und geschmacksneutrale Stoffe)
• Mn (II+) und Fe(II+) werden oxidiert, auch in komplexierter Form
• ClO2 ist in Wasser sehr stabil. Nach abgeschlossener Zehrung kann ein Überschuß längere Zeit
aufrecht erhalten werden (Vermeidung von Wiederverkeimung bei langen Leitungswegen)
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
193
2 Grundlagen
• mit Ammoniak bildet ClO2 keine Chloramine
• Trihalogenmethane werden nicht gebildet, da die Ausgangsverbindungen oxidiert werden;
die Bildung anderer organischer Halogenverbindungen kann durch die exakte Kontrolle
der Reaktionsbedingungen vermieden werden
• mit Phenolen werden keine übelriechenden Chlorphenole gebildet
• Geruchs- und Geschmacksgrenze ist höher als bei Chlor
Nachteile
• erheblich teurer als Chlorung
• Chlorit und Chlorat können als unerwünschte Nebenprodukte bei der Herstellung von ClO2
gebildet werden
• Zersetzung von ClO2 durch Sonnenlicht
• hohes Gefährdungspotential bei unkontrolliertem Austritt von Chlordioxid
2.4.3 Ozon
Vorteile
(Kapitel 2.3 „Einsatz von Ozon als Aufbereitungsmittel für Wasser“)
• starkes Desinfektionsmittel (stärker als Cl2 und ClO2), daher nur kurze Einwirkzeit erforderlich.
• die biozide Wirkung ist pH-unabhängig
• wirkt durch Oxidation organischer Stoffe (z. B. Huminstoffe) verbessernd auf Geruch, Geschmack und Farbe des Wassers
• bei der Zersetzung von Ozon bildet sich nur gelöster Sauerstoff („rückstandsfrei“)
• Ozon bildet keine halogenhaltigen Nebenprodukte
(Ausnahme: wenn Br--Ionen im Wasser vorhanden sind
Bildung von Bromat-Ionen, Bromoform, bromierte Essigsäure usw.)
5
Nachteile
• relativ hohe Kosten (Anlage, Energie...).
• bei Verwendung von Luft zur Herstellung von O3 ist die Bildung von Stickoxiden
als unerwünschten Nebenprodukten möglich (
Bildung organischer Nitroverbindungen)
• Bildung von unerwünschten Nebenprodukten im Wasser möglich: Aldehyde, Ketone, Carbonsäuren, Bromat und bromierte organische Verbindungen in Anwesenheit von Bromid-Ionen
• wegen seiner hohen Reaktivität baut sich das Ozon relativ schnell ab; gegen eine eventuelle
Wiederverkeimung des Wassers oder eine Biofilmbildung im Verteilersystem muss daher ein
sekundäres Desinfektionsmittel eingesetzt werden
• Ozon ist korrosiv und hoch-toxisch (Gefahr bei unkontrolliertem Entweichen)
194 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.5
Analytische Bestimmungsmethoden
2.5.1 Bestimmung von Chlor nach DIN EN ISO 7393-2 (früher DIN 38408-G4)
Die photometrische Bestimmung
von Chlor mit der DPD-Methode (DPD = N,N-Diethyl-p-phenylendiamin) basiert auf
Reaktionsgleichung:
H C2H5
Cl2
pH 6-7
C2H5
-
HSO4
N
H2N
+
+
+
C2H5
C2H5
2
HN
H2N
+
HSO4
C2H5
+
Cl
N
+
-
N
+
folgender
-
C2H5
roter Farbstoff
Abbildung 2:
Reaktionsgleichung für die Umsetzung von DPD mit Chlor
(aus L.A. Hütter, Wasser und Wasseruntersuchung, 6. Auflage, Verlag Salle
Sauerländer, Frankfurt/M, 1994)
Methode
Als Messgröße dient die Absorption im Maximum des UV/VIS-Spektrums des roten Farbstoffs, der
durch die Reaktion von DPD mit Cl2 gebildet wird. Die Absorption ist proportional zur vorhandenen
Farbstoffkonzentration bzw. zur vorliegenden Konzentration an freiem Chlor .
In Abwesenheit von Iodid-Ionen wird lediglich das freie Chlor erfasst. Gibt man anschließend
Kaliumiodid zu, setzen die in der Probe vorhandenen Chlorsubstitutionsprodukte eine stöchiometrische Menge Iod frei, welches entsprechend der obigen Gleichung anstelle von Cl2 mit DPD
reagiert. Als Ergebnis erhält man die Gesamtchlorkonzentration. Die Differenz von Gesamtchlor
und freiem Chlor ergibt das gebundene Chlor.
Neben der DPD-Methode gibt es noch zwei weitere Verfahren zur Chlorbestimmung: ein titrimetrisches Verfahren mit DPD als Indikator (DIN EN ISO 7393-1) und ein iodometrisches Verfahren (DIN
EN ISO 7393-3).
2.5.2 Bestimmung von Chlordioxid nach DIN 38408-G5
Titration
Dieses Verfahren basiert auf der Oxidation von DPD durch ClO2. Der gebildete Farbstoff wird durch
die Titration mit Ammoniumeisen(II)sulfat-Lösung entfärbt. Aus dem Verbrauch der Lösung berechnet sich die Konzentration des Chlordioxids.
Alternativ
hierzu ist auch eine photometrische Bestimmung von ClO2 mit DPD möglich. Wie beim Chlor berechnet sich die Konzentration des ClO2 aus der Absorption mit einem chlordioxidspezifischen
Faktor.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
195
5
2 Grundlagen
2.5.3 Bestimmung von Ozon nach DIN 38408-G3
Drei Methoden
In dieser Norm werden drei Methoden zur Bestimmung von Ozon aufgeführt: Eine iodometrische
Titration und zwei photometrische Bestimmungen mittels DPD oder Indigotrisulfonat. Hiervon wird
wahrscheinlich die DPD-Methode am häufigsten im Bereich der Betriebskontrolle eingesetzt. Ozon
reagiert wie Chlor und Chlordioxid mit DPD ebenfalls zu einem roten Farbstoff. Die Ozonkonzentration wird aus der gemessenen Absorption mittels eines ozonspezifischen Faktors berechnet.
2.5.4 Kontinuierliche Messverfahren für Desinfektionsmittelkonzentrationen
Kontinuierliche Messung
Bei den vorher vorgestellten Bestimmungsmethoden handelt es sich nicht um kontinuierliche
(online) Messverfahren, sondern es werden zu bestimmten Zeitpunkten Proben entnommen und
Einzelmessungen durchgeführt.
Die DIN 19643 gibt für die Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser eine kontinuierliche Messung, Regelung und Aufzeichnung von freiem Chlor und pH-Wert vor (Ausnahme: Kaltwassertauchbecken < 2 m3).
Für die Regelung der Desinfektionsmittelkonzentration ist es von Vorteil, wenn dauernd ein elektrisches Signal zur Verfügung steht, das der Desinfektionsmittelkonzentration proportional ist. Dieses
Signal kann dann als Eingangssignal für die Steuerung einer Dosieranlage für das Desinfektionsmittel verwendet werden, d. h. die Konzentration kann vollautomatisch geregelt werden.
5
196 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.6
Weitere Aufbereitungsmittel
Die im Kapitel 1.1.2 „Zugelassene Desinfektionsmittel für Trink- und Badewasser“ aufgeführten
Desinfektionsmittel für Trink- und Badewasser (Cl2, NaOCl, Ca(OCl)2, Mg(OCl)2, CaCl(OCl), ClO2,
O3) sind in folgenden offiziellen Dokumenten als Aufbereitungsstoffe aufgeführt:
• „Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß §11 Trinkwasserverordnung
2001, 15. Änderung, Stand Juni 2011“ (in jeweils aktuellster Form verfügbar auf der Internetseite
des Umweltbundesamtes: www.uba.de)
• DIN 19643 „Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser“
Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe anderer Mittel, welche auch zur Desinfektion von Wasser
eingesetzt werden können. Der Einsatz dieser Mittel findet dabei offenbar hauptsächlich in privaten
Schwimmbädern statt oder beschränkt sich auf andere Anwendungen.
Als Chlorabspalter werden beispielsweise in diesem Zusammenhang verschiedene organische
Verbindungen eingesetzt: Dazu gehören Chloramin- oder Cyanursäure-Derivate.
Stellvertretend seien erwähnt:
• Dichlorisocyanursäure
• Trichlorisocyanursäure
Wenn Sie beim Einsatz eines organischen Chlorabspalters die Verwendung einer Chlormesszelle
planen, setzen Sie sich bitte zunächst mit JUMO in Verbindung, ob der Einsatz eines amperometrischen Sensors möglich ist.
Als Alternative zu Chlor und seinen Verbindungen können auch das Halogen Brom oder dessen
Verbindungen zur Wasserdesinfektion eingesetzt werden. Brom oder Bromverbindungen befinden
sich allerdings ebenfalls in keiner der oben angeführten Auflistungen über Mittel zur Wasseraufbereitung, daher ist auch der Einsatz dieser Mittel weitgehend auf den Bereich privater Schwimmbekken oder anderer Sonderanwendungen begrenzt.
Im Prinzip ist auch bei Brom oder dessen Verbindungen ein Einsatz von amperometrischen Sensoren denkbar. Allerdings müssen die Sensoren hierfür speziell angepasst sein.
5
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
197
2 Grundlagen
2.7
Amperometrische Sensoren
Eine Möglichkeit zur kontinuierlichen Bestimmung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon bietet
die elektrochemische Bestimmung mittels amperometrischer Sensoren.
Messprinzip
Der zu bestimmende Analyt (z. B. Chlor) reagiert an der Arbeitselektrode (Kathode). Man misst
einen zur Analytkonzentration in der Lösung proportionalen Strom.
Ausführung
Amperometrische Sensoren lassen sich nach folgenden Kriterien einteilen (siehe Abbildung 3):
• Zwei-Elektroden-Systeme
• Drei-Elektroden-Systeme mit potenziostatischer Schaltung
Die Sensoren gibt es sowohl in offener als auch in membranbedeckter Ausführung.
zum Messumformer
5
1
2
3
6
5
4
5
Zwei-Elektroden-System
Abbildung 3:
1
3
5
Drei-Elektroden-System
Schematische Darstellung amperometrischer Sensoren
in Zwei- und Drei-Elektroden-Bauweise
Bezugselektrode (BE)
Elektrolyt
Isolation
2
4
6
198 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
Diaphragma
Mess- und Arbeitselektrode (ME)
Gegenelektrode (GE)
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
Bei direktem Elektrodenkontakt
durch das zu untersuchende Wasser ist eine Inaktivierung der Elektrode durch Ablagerung von
Schmutz oder durch elektrochemische Nebenreaktionen möglich. In diesem Fall ist eine kontinuierliche Reinigung der Elektroden durch Quarzsand bzw. durch Glas- oder Teflonkugeln erforderlich.
Das anströmende Messwasser sorgt hier in einer speziellen Durchflussarmatur für die Verwirbelung
der zur Reinigung vorgesehenen o. g. Partikel. Durch den ständigen Kontakt der Partikel mit den
Elektrodenoberflächen werden diese frei von Verunreinigungen gehalten.
Zu einer offenen Messzelle gehört immer auch ein darauf abgestimmtes Reinigungssystem. Beim
Betrieb einer offenen Messzelle ohne Reinigungseinrichtung nimmt der Strom, den die Messzelle
liefert, durch Belagbildung auf der Elektrodenoberfläche schnell ab.
JUMO liefert sowhl Messumformer als auch Sensoren für die Messung von Desinfektionsmitteln.
Ein Beispiel für eine offene Messzelle mit 12 mm Glasschaft und PG 13,5-Gewinde zeigt die
folgende Abbildung:
5
Abbildung 4:
Offene Messzelle mit 12 mm Glasschaft und PG 13,5-Gewinde
Bei dieser Messzelle handelt es sich um ein Drei-Elektroden-System. An der Stirnfläche des Glasschaftes befinden sich die Arbeits- und die Gegenelektrode. Die Silber-/Silberchlorid-Bezugselektrode steht über das poröse Diaphragma mit der Messlösung in Kontakt. Der Bezugselektrolyt ist
für eine möglichst lange Standzeit mit einem Kaliumchlorid-Vorrat versehen. JUMO hat beim
Patentamt Schutzrechte für diese Messzellenbauweise angemeldet.
Geschützte Elektroden
Eine Möglichkeit störende Verunreinigungen von den Elektroden fernzuhalten, ist der Abschluss
der Messzelle durch eine Membran (Abbildung 5). Der elektrolytgefüllte Elektrodenraum ist somit
vor direktem Kontakt mit dem Messwasser geschützt. Verunreinigungen können nicht mehr auf
den Elektrodenoberflächen abgelagert werden, während der zu bestimmende Analyt ungehindert
durch die Membran hindurchtreten kann. Die Diffusion des Analyten durch die Membran sorgt
dafür, dass sich die Konzentrationen zu beiden Seiten der Membran angleichen.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
199
2 Grundlagen
Die Messzellenauswahl ist druckabhängig
Membran bedeckte Messzellen können nur bis zu einem Druck von etwa 1 bar eingesetzt werden;
dabei dürfen keine Druckschwankungen auftreten.
zum Messumformer
Abbildung 5:
5
1
3
5
Isolation
Elektrolyt
Membran
1
1
1
2
3
4
5
Schematische Darstellung eines Membran bedeckten amperometrischen
Sensors in Zwei-Elektroden-Bauweise
2
4
Gegenelektrode (GE)
Messelektrode mit Elektrolytschicht
Vorteile Membran bedeckter Zellen
• keine Verschmutzung der Elektroden
• definierte Elektrolytzusammensetzung im Probenraum
• geringe Durchflussabhängigkeit des Messsignals
• geringe Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Messwassers
Hinweis
Durch die definierte Zusammensetzung des Elektrolyten bei einer Membran bedeckten Messzelle
ist der Zellenstrom in Abwesenheit des Analyten gleich Null. Hierdurch wird eine aufwändige
Kalibrierprozedur vermieden. Es muss nur die Steilheit ermittelt werden.
200 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.7.1 Reaktionen an Metalloberflächen, Nernstsche Diffusionsschicht
Um die Funktionsweise amperometrischer Messzellen zu verstehen, muss man sich die
Transportphänomene betrachten, die den Transport der reagierenden Teilchen an die Elektrodenoberfläche bewerkstelligen. Betrachten wir hierzu die Strömungsprofile an der Oberfläche einer
Elektrode (Abbildung 6):
1
2
3
4
5
Abbildung 6:
Strömungsprofile an einer Elektrodenoberfläche
1
3
Elektrode (Kathode)
Nernst’sche Diffusionsschicht
5
(Dicke 10-2 - 10-3 cm)
Bereich turbulenter Strömung
2
4
Elektrodenoberfläche
Bereich laminarer Strömung
In den Bereichen mit laminarer und turbulenter Strömung erfolgt der Teilchentransport durch Konvektion. Die Konvektion wird z. B. durch Rühren oder Schütteln hervorgerufen. Im Bereich der
Nernstschen Diffusionsschicht erfolgt der Teilchentransport ausschließlich durch Diffusion. Rühren
hat auf die Vorgänge im Bereich der Nernstschen Diffusionsschicht keinen Einfluss. Der Teilchentransport wird hier durch steigende Temperatur bzw. sinkende Viskosität des Messmediums beschleunigt.
Die Dicke der Nernstschen Diffusionsschicht (ca. 10-2 bis 10-3 cm) ist von der Rührgeschwindigkeit
und der Viskosität der Lösung abhängig.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
201
5
2 Grundlagen
2.7.2 Zwei-Elektroden-System
Prinzip
Ein Zwei-Elektroden-System besteht aus Messelektrode (ME) und Gegenelektrode (GE). Zwischen
ME und GE wird eine bestimmte Spannung (Polarisationsspannung) angelegt. Bei dieser Spannung reagiert idealerweise nur der zu bestimmende Analyt (also das zu bestimmende Desinfektionsmittel). Die folgende Abbildung 7 zeigt vier verschiedene Bereiche:
I
Keine Reaktion des Analyten an der Arbeitselektrode, da die angelegte Spannung zu niedrig
ist.
II
Die Reduktion des Analyten an der Kathode setzt ein, die angelegte Spannung ist jedoch noch
nicht groß genug, um in den Bereich des Diffusionsgrenzstromes zu gelangen, d.h. nicht alle
Analytmoleküle an der Elektrodenoberfläche werden sofort reduziert.
Das zu Y gehörende Potential (Abbildung 7 und Abbildung 8) nennt man auch das „Halbstufenpotenzial“ des Analyten. Dieses Potential besitzt einen für den Analyten charakteristischen Wert.
III
Messbereich: Der gesamte Analyt an der Elektrodenoberfläche wird sofort reduziert. Die Reaktionsgeschwindigkeit wird allein durch die Diffusion der Analytmoleküle durch die Nernstsche
Diffusionsschicht an die Kathodenoberfläche bestimmt.
IV
Unerwünschte Reaktionen von Oxidationsmitteln, die schwerer zu reduzieren sind als der
Analyt, treten auf.
Strom
I
II
III
IV
Diffusionsgrenzstrom I G
Z
IG
2
5
Y
X
0
Spannung
Abbildung 7:
Schematische Darstellung des Stromflusses in Abhängigkeit von der
angelegten Spannung in einer amperometrischen Messzelle
202 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
Konzentrationsprofile
Wenn man sich die Konzentrationsprofile eines Analyten A an der Grenzschicht Elektrode/Lösung
in Abhängigkeit von der Entfernung zur Elektrodenoberfläche betrachtet, ergibt sich in einer
gerührten Lösung folgendes Bild (Abbildung 8):
Konzentration
Analyt
I
CA
II
X
Y
CA /2
Z
0
Abstand zur Elektrodenoberfläche
Abbildung 8:
I
Konzentrationsprofile des Analyten A an der Grenzfläche Elektrode/Lösung
(gerührte Lösung)
Nernst’sche Diffusionsschicht
(ruhende Lösung)
II
Gerührte Lösung
(mit laminaren und turbulenten Bereichen)
Die Kurvenäste X, Y und Z in Abbildung 8 entsprechen den Punkten X, Y und Z in Abbildung 7.
Nach dem Anlegen einer Spannung
wird Analyt A an der Elektrodenoberfläche verbraucht und reagiert gemäß folgender Reaktionsgleichung zum Produkt P:
A
+
n e-
pn-
(8)
Die Höhe der angelegten Spannung
beeinflusst die Zahl der Analytmoleküle, die an der Elektrodenoberfläche reagieren. Bei Spannungen im Bereich III (Abbildung 7, Spannung Z) reagiert jedes Molekül A sofort, wenn es die
Kathodenoberfläche erreicht hat. Die Konzentration von A direkt an der Kathodenoberfläche ist
daher gleich Null. Es entsteht ein Konzentrations-Gradient des Analyten A in einer dünnen Grenzschicht (Nernstsche Diffusionsschicht) zwischen der Mess- oder Arbeitselektrode (ME) und dem
Elektrolyten. Durch diese Grenzschicht müssen die beteiligten Spezies hindurchtreten. Der
Transportvorgang des Analyten durch die Nernstsche Diffusionsschicht an die Kathodenoberfläche
ist der langsamste und damit der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Gesamtreaktion. Die
Geschwindigkeit der Kathodenreaktion wird somit durch die Nachlieferung des Oxidationsmittels
an die Kathodenoberfläche bestimmt (Konzentrations-polarisation). Hierdurch wird der Stromfluss
zwischen Anode und Kathode limitiert (Diffusionsgrenzstrom).
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
203
5
2 Grundlagen
Messprinzip
Der im Bereich III (Abbildung 7) fließende Strom (Diffusionsgrenzstrom) ist proportional zur Konzentration des Analyten im Messmedium. Messgrösse ist der Spannungsabfall, den der Strom über
einen Widerstand hervorruft. Über die Größe des Widerstands kann die Größe des Ausgangssignals variiert werden. Das Ausgangssignal wird hochohmig mit einem Volt- bzw. pH-Meter
gemessen. Nach dem Anlegen der Polarisationsspannung (Bereich III, Abbildung 7) muss die Zeit
abgewartet werden, bis sich das Gleichgewicht zwischen Elektrode und umgebender Lösung bzgl.
der Nachlieferung des Analyten an die Kathode eingestellt hat. Diese sogenannte Polarisationszeit
kann einige Minuten oder gar Stunden betragen, wenn der Sensor erstmalig in das Medium
eingebracht wird.
2.7.3 Drei-Elektroden-System
Potenzialkonstanz
Beim Drei-Elektroden-System erhöht sich die Selektivität durch die bessere Potenzialkonstanz:
Das System besteht aus der Mess- oder Arbeitselektrode (ME), der Gegenelektrode (GE) und einer
Bezugselektrode (BE). Über eine potenziostatische Schaltung wird das Potenzial zwischen ME und
BE auf dem für die Durchtrittsreaktion erforderlichen Wert gehalten. Die BE bleibt stromlos. Der
Strom fließt über die GE. Auch im Falle der Drei-Elektroden-Messzelle ist der Diffusionsgrenzstrom
proportional zur Konzentration des Analyten.
Sofern es sich um ein Messmedium bekannter Zusammensetzung handelt, d. h. es wird gezielt nur
ein Analyt zugesetzt, kann auch ein Zwei-Elektroden-System zur Messung des Analyten eingesetzt
werden.
5
204 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.8
Chemische Vorgänge an der Messelektrode
Die Messelektrode (auch als Arbeitselektrode bezeichnet) besteht aus einem Edelmetall wie Platin
oder Gold und ist als Kathode geschaltet, d.h. hier wird der Analyt als Oxidationsmittel reduziert.
Schematisch, beispielhaft für Chlor:
Cl2
+
2 e-
2 Cl-
(9)
Die Gegenelektrode besteht häufig aus Silber. An der GE als Anode findet eine Oxidation als
Gegenreaktion statt, z.B.:
Ag0
Ag+
+
e-
(10)
Messfehler
Ein Zwei-Elektroden-System hat den Nachteil, dass sich das Potenzial zwischen ME und GE
ändern kann. Dies gilt insbesondere bei einem offenen System, weil sich hier infolge
schwankender Messwasserzusammensetzung die Gegebenheiten an den Elektroden ändern
können. Wenn sich das Potenzial ändert, können auch andere im zu untersuchenden Wasser enthaltene Oxidationsmittel mit einer Polarisationsspannung in einem ähnlichen Bereich reagieren und
das Ergebnis verfälschen.
2.8.1 Temperaturabhängigkeit
Der Diffusionsvorgang ist temperaturabhängig. Der Diffusionsgrenzstrom nimmt mit steigender
Temperatur zu. Die Temperaturabhängigkeit bei Zwei- und Drei-Elektroden-Messzellen lässt sich
durch den Einbau eines Temperatursensors berücksichtigen. Bei JUMO-Sensoren werden messzellenspezifische Temperatureffekte durch entsprechende NTC-Widerstände berücksichtigt.
2.8.2 Kalibrierprozedur
Nullpunkt
Die Kalibrierprozedur umfasst normalerweise den Abgleich von Nullpunkt und Steilheit. Im Falle
Membran bedeckter Sensoren enthält der Elektrodenraum aber einen definierten Elektrolyten, bei
dem der Sensor kein Nullsignal zeigt. Somit ist in diesem Falle kein Nullpunktsabgleich mit analytfreiem Wasser erforderlich. Die Kalibrierung vereinfacht sich dadurch erheblich, weil der Analyt
nicht über einen parallelgeschalteten Aktivkohlefilter oder eine ähnliche Einrichtung aus dem Messmedium entfernt werden muss.
Steilheit
Zum Abgleich der Steilheit wird eine mit einer Referenzmethode (z. B. DPD-Methode) ermittelte
Analytkonzentration verwendet. Die Steilheit wird so angepasst, dass dem unkalibrierten Stromsignal der amperometrischen Messzelle die mit der Referenzmethode ermittelte Analytkonzentration zugeordnet wird. Die Probe zur Ermittlung des Referenzwertes sollte möglichst nahe der Sensoreinbaustelle entnommen werden.
Testsysteme
Entsprechende Testsysteme zur Ermittlung der Konzentration von freiem Chlor, Chlordioxid oder
Ozon können im Handel bezogen werden. Testsysteme auf photometrischer Basis führen unter
anderem die Firmen VWR International (früher Merck), Marcherey-Nagel usw.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
205
5
2 Grundlagen
5
206 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.1
Aufbau der JUMO-Messzellen
für freies Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO-Messzellen
Bei den JUMO-Messzellen handelt es sich um Membran bedeckte amperometrische Zwei- oder
Drei-Elektrodenmesssysteme (Abbildung 9). Die im Schaft der Messzellen integrierte Elektronik
liefert ein unkalibriertes Signal von 4 ... 20 mA, das beispielsweise durch das Anzeige- und
Regelgerät JUMO AQUIS 500 AS (JUMO-Typenblatt 202568) und den Messumformer/Regler
JUMO dTRANS AS 02 (JUMO-Typenblatt 202553) weiterverarbeitet werden kann. Das Gerät übernimmt zwei Funktionen: Es stellt die notwendige Versorgungsspannung zur Verfügung und erlaubt
die einfache Kalibrierung des Messsystems. Die Messzellen können aber auch an andere Anzeiger,
Regler, Schreiber oder SPS-Systeme angeschlossen werden, sofern diese Spannungsversorgung
und Kalibrierung erlauben. Für freies Chlor, Chlordioxid und Ozon sind jeweils verschiedene Messbereiche erhältlich, siehe JUMO-Typenblatt 202630.
Abbildung 9:
Anzeige- und Regelgerät JUMO AQUIS 500 AS mit JUMO-Chlormesszelle
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
5
207
3 Messtechnik
Abbildung 10: Messumformer/Regler JUMO dTRANS pH 02
1
3
5
JUMO dTRANS pH 02,
Typ 202551
JUMO-Strömungswächter,
Typ 202630
JUMO-Kompensationsthermometer,
Typ 201085
2
4
JUMO-Messzelle für freies Chlor,
Typ 202630
JUMO pH-Einstabmesskette,
Typ 201005 oder Typ 201020
3.1.1 Elektroden
5
Aufbau der Zwei-Elektrodenmesszelle
Die Arbeitselektrode (Kathode) besteht aus Gold (Au). Die Anode, welche die Funktion einer
kombinierten Bezugs- und Gegenelektrode wahrnimmt, besteht aus Silber (Ag) und ist mit einem
Überzug aus Silberchlorid (AgCl) versehen.
Aufbau der Drei-Elektroden-Messzelle
Zwei-Elektrodenmesszellen arbeiten nach dem potenziostatischen Prinzip. Bezugs- und Gegenelektrode sind getrennt. Das Potenzial der Bezugselektrode ist infolge ihrer Hochohmigkeit besonders konstant. Der Strom fließt über die Gegenelektrode. Auch hier besteht die Arbeitselektrode aus Gold und die Bezugselektrode aus Ag/AgCl. Die Gegenelektrode besteht aus Edelstahl.
3.1.2 Membrantypen
Die Selektivität der Messzellen kann durch die Auswahl des Membrantyps gesteuert werden:
Hydrophobe, mikroporöse Membran
Infolge ihrer hydrophoben Eigenschaften kann die Membran nicht durch Wasser (oder allgemein
durch polare Stoffe) benetzt werden. Ebenso werden ionische Stoffe durch die Membran zurückgehalten. Bei Chlormesszellen führt dies beispielsweise dazu, dass Hypochlorit-Anionen nicht
durch die Membran in den Elektrolytraum vordringen können. OCl- wird deshalb nicht durch die
208 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
Messzelle erfasst. Die Barrierewirkung der Membran gilt sowohl für Stoffe im Messwasser als auch
im Elektrolytraum.
Wenn die Membran mit Tensiden aus Wasch-, Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln in Kontakt
kommt, gehen die hydrophoben Eigenschaften der Membran verloren und die Membran wird
durchlässig. Deswegen muss der Kontakt mit diesen Stoffen unbedingt vermieden werden. Ebenso
muss die Verunreinigung der Membran durch Schmutz oder Chemikalien vermieden werden.
Messzellen mit hydrophober, mikroporöser Membran können nur in Trink- oder Schwimmbadwasser-Qualität eingesetzt werden. Hydrophobe Membranen werden bei Messzellen für freies Chlor,
Chlordioxid und Ozon eingesetzt.
Im Falle von Chlordioxid und Ozon kann auch eine chemikalien- und tensidunempfindliche
Membran eingesetzt werden. Diese Option gibt es für Chlor nicht, da dieser Membrantyp für Chlor
undurchlässig ist.
Chemikalien- und tensidunempfindliche Membran
Dieser Membrantyp besitzt keine Poren. Der Analyt (ClO2, O3) tritt mittels eines „physikalischen Lösungsprozesses“ durch die Membran hindurch. Der Vorteil dieses Membrantyps ist die
Unempfindlichkeit gegenüber vielen Chemikalien und gegenüber Tensiden.
Sofern sich Verunreinigungen auf der Membran abgesetzt haben, können diese vorsichtig mit einer
Bürste entfernt werden.
Hydrophile, mikroporöse Membran
Durch diesen Membrantyp können sowohl polare als auch ionische Stoffe hindurchtreten. Das hat
den Vorteil, dass hier auch das Hypochlorit-Ion gemeinsam mit einem Gegen-Ion durch die
Membran treten kann.
Sowohl Ionen aus dem Messwasser als auch aus dem Elektrolyt können die Membran passieren.
Der Ionenfluss vom Messwasser in den Elektrolyt ist gewünscht. Der Austritt von Ionen aus dem
Elektrolyt in das Messwasser ist nicht wünschenswert, da dadurch der Elektrolyt mit der Zeit seine
Funktion nicht mehr wahrnehmen kann. Es gibt verschiedene Möglichkeiten den Austausch und
damit den Verdünnungsprozess des Elektrolyten zu verlangsamen:
• Erhöhung der Viskosität des Elektrolyten
• Reduktion der Durchtrittsfläche
Durch diese Maßnahmen wird natürlich auch die Ansprechgeschwindigkeit der Messzelle etwas
verlangsamt. Letztlich muss also ein Kompromiss zwischen Standzeit und Ansprechgeschwindigkeit gefunden werden.
Messzellen mit hydrophiler Membran können ebenfalls nur in Trink- oder SchwimmbadwasserQualität eingesetzt werden.
Tensidhaltiges Messmedium kann zu einem beschleunigten Austausch von Elektrolyt/Messmedium führen. Ob eine Messzelle mit hydrophiler Membran in tensidhaltigem Wasser betrieben
werden kann, muss im Einzelfall geprüft werden, da angesichts der Verschiedenartigkeit eingesetzter Tenside und Tensidkonzentrationen keine allgemeinen Aussagen zur Standzeit gemacht werden
können. Die hydrophile Membrane wird in der Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pHAbhängigkeit eingesetzt.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
209
5
3 Messtechnik
3.1.3 Elektrolyt
Der Elektrolytraum der Elektrode (und auch deren Membrankappe) sind mit Elektrolyt gefüllt. Im
Elektrolyt bildet die Bezugselektrode (beim Drei-Elektroden-System) bzw. die kombinierte Bezugsund Gegenelektrode (beim Zwei-Elektroden-System) ein konstantes Potential aus.
Als Elektrolyt wird meist eine wässrige Alkalihalogenid-haltige Lösung verwendet. Die Elektrolytlösung kann auch zusätzliche Komponenten enthalten, welche für die Messfunktion entscheidend
sind. Dies sind z. B. Puffersubstanzen im Falle der Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pHAbhängigkeit.
3.1.4 Anströmung
Damit ein Signal erhalten wird, ist eine Mindestanströmgeschwindigkeit von 15 cm/s erforderlich.
Das entspricht etwa einer Durchflussmenge von 30 l/h, wenn die Messzelle in eine JUMO-Armatur
eingebaut ist. Oberhalb dieser Mindestanströmgeschwindigkeit besteht nur eine geringe
Durchflussabhängigkeit des Messsignals.
3.1.5 Temperaturkompensation
Das Messsignal amperometrischer Messzellen ist temperaturabhängig. Bei höherer Temperatur
wird die Membran durchlässiger für den Analyten und der Diffusionsgrenzstrom steigt an. Diesen
messzellenspezifischen Effekt gleicht eine automatische Temperaturkompensation mit einem integrierten NTC-Widerstand aus.
5
210 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.2
Spezielle Messzellen- und Membrantypen
für besondere Anwendungen
3.2.1 Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pH-Empfindlichkeit
Freies Chlor liegt im Wasser als HOCl und OCl- vor. Das Verhältnis dieser beiden unterschiedlichen
Chlorspezies ändert sich in Abhängigkeit des pH-Wertes des Wassers. Dieses Verhalten wird durch
die Dissoziationskurve beschrieben. Herkömmliche Messzellen für freies Chlor (mit hydrophober
mikroporöser Membran) sprechen nur auf HOCl an. Der OCl--Anteil der Messlösung wird nicht
berücksichtigt. Wenn sich nach der Kalibrierung der Messzelle der pH-Wert des Messlösung
ändert, entsteht dadurch ein Messfehler. Bei der Bestimmung von freiem Chlor mit herkömmlichen
Messzellen muss der pH-Wert nach der Kalibrierung der Messzelle konstant gehalten werden
( pH ⱕ 0.05). In Abbildung 11 werden die Zusammenhänge schematisch anhand einer Grafik erklärt.
Zusammensetzung
des freien Chlors
HOCl
S0
Zusammensetzung
des freien Chlors
OCl Das Messsignal
ist um diesen Anteil
zu klein
OCl
HOCl
-
S0
pH-Erhöhung
OCl -
Kalibrierung
HOCl
OCl -
S0 = Steilheit
S0
pH-Verringerung
5
Das Messsignal
ist um diesen Anteil
zu groß
Abbildung 11: Schematischer Einfluss von pH-Wertänderungen
auf das Ausgangssignal einer herkömmlichen Messzelle
• wird der pH-Wert der Messlösung verringert, dann vergrößert sich der HOCl-Anteil und
der OCl--Anteil verkleinert sich
das Messsignal vergrößert sich um den Messfehler
• wird der pH-Wert der Messlösung erhöht, dann verkleinert sich der HOCl-Anteil und
der OCl--Anteil vergrößert sich
das Messsignal verkleinert sich um den Messfehler
Messzelle mit reduzierter pH-Abhängigkeit
Wenn eine pH-Regelung zu aufwändig oder nicht möglich ist, bietet sich der Einsatz der JUMOMesszelle für freies Chlor mit reduzierter pH-Abhängigkeit an. Die hydrophile Membran dieser amperometrischen Messzelle lässt sowohl hypochlorige Säure als auch Hypochlorit vom Messwasser
durch die Membran in den Elektrodenraum gelangen.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
211
3 Messtechnik
Hier stellt ein gepufferter Elektrolyt ein bestimmtes Verhältnis von HOCl und OCl- ein. Da der
eigentliche Messvorgang im Elektrolytraum der Messzelle abläuft, ist das Messsignal im Bereich
von pH 5 bis 7 unverfälscht. Im Bereich von pH 7 bis 10,5 beträgt der Empfindlichkeitsverlust
(Messfehler) lediglich 10 % je pH-Stufe.
Zum Vergleich
Die JUMO-Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pH-Abhängigkeit liefert bei pH 10 noch ca.
70 % des Original-Signals von pH 7. Die Messzelle ist im Bereich von pH 4 bis 12 einsetzbar.
Eine herkömmliche Messzelle für freies Chlor liefert bei pH 9 nur noch ca. 5% des Original-Signals
von pH 7. Eine Messung ist schon ab pH 8 praktisch nicht mehr möglich.
Aufbau der Messzelle
Die JUMO-Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pH-Abhängigkeit ist ein potenziostatischer
Drei-Elektrodensensor mit mikroporöser, hydrophiler Membran und Spezialelektrolyt. Die Arbeitselektrode besteht aus Gold, die hochohmige Bezugselektrode aus Silber/Silberhalogenid und die
stromdurchflossene Gegenelektrode aus Edelstahl.
Einsatzbedingungen
Die Messzelle kann in Wasser mit Trink- oder Schwimmbadwasser-Qualität eingesetzt werden.
Tensidverträglichkeit muss im Einzelfall geprüft werden (vergleiche Kapitel 3.1.2 „Membrantypen“).
Geeignete Chlorungsmittel sind z. B. anorganische Chlorverbindungen wie Chlorgas (Cl2), NaOCl,
Ca(OCl)2, CaCl(OCl). Messgröße ist das freie Chlor. Gebundenes Chlor (Chloramine) wird nicht erfasst.
Die erforderliche Membrananströmung beträgt wie auch bei den übrigen Messzellen 15 cm/s.
Wenn die Messzelle in eine JUMO-Durchflussarmatur eingebaut ist, entspricht das einer
Durchflussmenge von 30 l/min.
Nullabgleich/Temperaturkompensation
Ein Nullabgleich ist nicht erforderlich, da die Messzelle nullstromfrei arbeitet.
Eine Temperaturkompensation ist in der Messzelle integriert.
5
3.2.2 Tensid- und chemikalienfeste Membranen
zur Messung von Chlordioxid und Ozon
Messzellen mit einer hydrophoben, mikroporösen Membran werden durch Tenside geschädigt
(Kapitel 3.1.2 „Membrantypen“). Durch die Wirkung der Tenside verliert eine solche Membran ihre
hydrophoben Eigenschaften. Messwasser kann in den Elektrolyten eintreten und Elektrolyt durch
die Membran austreten. Die Funktion der Messzelle ist gestört.
Wenn das Messwasser mit Tensiden oder anderen Chemikalien belastet ist, bietet sich der Einsatz
der JUMO Messzelle mit tensid- und chemikalienfester Membran an. Auf Anfrage sind Messzellen
mit dieser Membran für die Messung von Chlordioxid und Ozon lieferbar (nicht für freies Chlor).
Die Membran dieser besonderen Messzelle besitzt keine Poren. Der Analyt wandert durch einen
„physikalischen Lösungsprozess“ durch die Membran. Die Funktion gleicht einer herkömmlichen
Zwei-Elektrodenmesszelle.
Der Einsatztemperaturbereich erweitert sich durch die besondere Membran auf 0 ... 55 °C.
212 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.3
Wahl der Messstelle, Installation
und elektrischer Anschluss des Sensors
Die Armatur
Zum Einbau der JUMO-Sensoren wird eine spezielle Durchflussarmatur (Abbildung 12) empfohlen,
die in Bezug auf die Sensoranströmung optimiert ist.
Abbildung 12: Durchflussarmatur für JUMO-Sensoren
Anströmung
Zur einwandfreien Funktion des Sensors ist eine Mindestanströmungsgeschwindigkeit von 15 cm/
s einzuhalten; das entspricht einer Mindestdurchflussmenge von 30 l/h in der JUMO-Durchflussarmatur. Die Mindestanströmungsgeschwindigkeit kann mit einem Strömungswächter (1) überwacht
werden. Eine passende Armatur (2) für den Strömungswächter ist lieferbar (siehe Abbildung 13).
5
1
2
Abbildung 13: Strömungsüberwachung mit Strömungswächter
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
213
3 Messtechnik
Schutzschaltung
Der optionale Strömungswächter schaltet das Anzeige- und Regelgerät JUMO dTRANS Az 01, der
Messumformer/Regler JUMO dTRANS AS 02 und das Anzeige- und Regelgerät JUMO
AQUIS 500 AS bei Unterschreitung der Mindestanströmgeschwindigkeit in Stellung „Hold“, damit
wird eine Überdosierung des Desinfektionsmittels vermieden.
Die JUMO-Messzellen können unter konstantem Druck (bis ca. 1 bar) betrieben werden. Dadurch
wird eine einfache Messwasser-Rückführung ermöglicht.
Über den Zweileiteranschluss 4 ... 20 mA wird die Messzelle sowohl mit Spannung (DC 24 V) versorgt als auch das das unkalibrierte Messsignal an das Auswertegerät übermittelt. Die Messzellen
können an beliebige Anzeiger, Regler, Schreiber oder SPS-Systeme angeschlossen werden, sofern diese die vorgenannten Funktionen übernehmen.
5
214 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
4.1
Anwendungen der amperometrischen Chlor-, Chlordioxidund Ozonmessung
Voraussetzungen
Die Anwendung eines herkömmlichen Membran bedeckten amperometrischen Sensors setzt eine
bestimmte Wasserqualität voraus. Es muss sich um Trinkwasser, Schwimmbadwasser oder trinkwasserähnliche Qualität handeln. Bei stärkerer Verunreinigung des Wassers kann der Sensor durch
die Verschmutzung der Membran in seiner Funktion beeinträchtigt werden. In folgenden Bereichen
kann ein Membran bedeckter Sensor verwendet werden:
•
•
•
•
Trinkwasser
Schwimmbadwasser
Prozess-, Betriebs-, Produktionswasser sowie
Kreislaufsysteme, wie z. B. Kühlkreisläufe (sofern es sich um trinkwasserähnliche Qualität oder
Schwimmbadwasser handelt)
Ausnahme
Eine Ausnahme bilden Messzellen mit Chemikalien- und tensidunempfindlicher Membran, Kapitel
3.2.2 „Tensid- und chemikalienfeste Membranen zur Messung von Chlordioxid und Ozon“. Diese
Messzellen können auch in tensid- und chemikalienbelastete Wasserqualitäten (schlechter als
Trink- oder Schwimmbadwasser) eingesetzt werden (auf Anfrage für Chlordioxid und Ozon erhältlich, nicht für Chlor).
4.2
Unverträglichkeiten mit dem Messmedium
Herkömmliche Membran bedeckte Messzellen1 vertragen keine:
• Tenside (oberflächenaktive Stoffe, Waschmittel...): Wenn die hydrophobe Membran einer Messzelle in Kontakt mit Tensiden kommt, führen diese dazu, dass die Membran anschließend durch
Wasser benetzt werden kann. Somit kann das Wasser durch Hohlräume in der porösen Polymermembran hindurchtreten, dadurch wird der Elektrolyt innerhalb der Messzelle verdünnt und
das Messsignal beginnt zu driften. Außerdem führt der Verlust der hydrophoben Eigenschaften
dazu, dass die Membran jetzt auch für ionische Komponenten beiderseits der Membran durchlässig ist.
Bei der Messzelle für freies Chlor mit reduzierter pH-Abhängigkeit (Typ 202630/41, mit hydrophiler Membran) muss fallweise geprüft werden, ob die Standzeit der Messzelle durch das Tensid eingeschränkt wird
• Hydrophoben Stoffe (z. B. mineralische Öle...): Hydrophobe Stoffe können in die poröse
Membran eindringen und durch das Ausfüllen der Porenstruktur den Analyttransport durch die
Membran erschweren oder unmöglich machen
In beiden Fällen wird der Sensor in seiner Funktion gestört.
Reinigung der Messzelle oder Austausch von Membrane und Messzellenelektrolyt können diese
Störungen beheben. Vor einem erneuten Einsatz der Messzelle müssen die störenden Substanzen
aus dem Messwasser entfernt oder das Wasser komplett ausgetauscht werden.
1
Eine Ausnahme bilden Messzellen mit Chemikalien- und tensidunempfindlicher Membran,
Kapitel 3.2.2 „Tensid- und chemikalienfeste Membranen zur Messung von Chlordioxid und
Ozon“.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
215
5
4 Anwendungen
5
216 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
5.1
Fehler und Störungen bei der Messung
mit amperometrischen Sensoren
Fehler
Ursache
Abhilfe
Vorbeugende Maßnahmen
(1) Zu geringer
Sensorwert.
Kalibrierung falsch.
Kalibrierung mit DPD-Metho- Evtl. Sensor häufiger kalide wiederholen.
brieren.
pH-Wert bei Messung höher pH-Wert bei Messung und
pH-Regelung verbessern.
als bei Kalibrierung (nur bei Kalibrierung konstanthalten, Ggf. Sensor mit reduzierter
Chlor).
pH 0,05.
pH-Abhängigkeit einsetzen.
Belag an der Spitze des
(2) Zu geringer
Elektrodenfingers.
Sensorwert;
Sensor läßt sich
nicht auf DPDWert abgleichen.
Sensoranströmung
zu gering.
(3) Wie (2), oder Membranzerstörung:
auch Abnahme Elektrolyt tritt aus /
Messwasser tritt ein.
des Sensorwerts bzw.
gleichbleibender
Sensorwert bei
Zunahme des
DPD-Werts.
Einwirkung von Tensiden aus
Wasch- und Reinigungsmitteln auf die Membran. Die
hydrophoben Eigenschaften
der Membran gehen verloren; der Durchtritt von Wasser oder Ionen ist möglich.
Wartungsintervalle verkürElektrodenfingerspitze mit
beiliegendem Spezialpapier zen.
abschmirgeln, neuen Elektrolyt einfüllen (Unbedingt Gebrauchsanleitung beachten!).
Erhöhung und Verbesserung
der Sensoranströmung.
Elektrodenfingerspitze mit
beiliegendem Spezialpapier
abschmirgeln. Neuen Elektrolyt einfüllen. Membrankappe erneuern (Unbedingt Gebrauchsanleitung
beachten!).
Sollte die Messzelle auch
dann nicht funktionieren, ist
u. U. der Belag an der Anode/ Bezugselektrode beschädigt. In diesem Fall
muss die Messzelle an den
Hersteller gesendet werden.
Membranbeschädigung vermeiden. Sensor bei aufgeschraubter Membrankappe
nicht aufstoßen. Anströmung von groben Teilen oder
Glassplittern vermeiden.
wie (3), zusätzlich Wasserwechsel vor erneutem Einsatz des Chlorsensors erforderlich (Beseitigung aller
Tensidspuren).
Tensideinwirkung auf Membran vermeiden, nach Reinigung der Anlage Reinigungsmittel und andere Desinfektionsmittel vollständig wegspülen.
Ausnahme: Messzelle mit
chemikalien- und tensidunempfindlicher Membran
(nicht für Chlor).
(4) Sensorwert
zu hoch gegenüber DPD.
Kalibrierung falsch.
Kalibrierung mit DPD-Metho- Ggf. Sensor häufiger kalibriede wiederholen.
ren.
pH-Wert ist bei der Messung pH-Wert bei der Messung
niedriger als bei der Kalibrie- und Kalibrierung konstant
rung (nur bei Chlor).
halten ( pH 0,05).
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
pH-Regelung verbessern.
Ggf. Sensor mit reduzierter
pH-Abhängigkeit einsetzen.
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
217
5
5 Qualitätssicherung
Fehler
Ursache
Abhilfe
Neben Analyt noch weiteres Zusatz dieser Stoffe unterOxidationsmittel enthalten, lassen, Wasserwechsel.
z. B. Cl2, ClO2, O3, H2O2,
Sensor lässt sich Chlor auf Cyanursäurebasis...
nicht auf DPDWert abgleichen.
(5) Sensorwert
zu hoch gegenüber DPD.
5
Vorbeugende Maßnahmen
Reinigungs- und Desinfektionsmittel nach Einsatz vollständig entfernen.
Nur ein Desinfektionsmittel
verwenden, z. B. NaOCl,
Ca(OCl)2, CaCl(OCl), ClO2,
O3, Cl2 (auch elektrolytisch
erzeugt).
(6) DPD- und
Sensorwert stimmen überein,
Trend Redoxmessung stimmt,
aber Sollwert
wird nicht eingehalten.
Reglerparameter falsch
Reglerparameter optimieren
Pro Zeiteinheit zu dosierte
Desinfektionsmittelmenge ist
zu hoch, Konzentrationsüberschreitung bevor Messwasser die Messzelle erreicht.
Zugabemenge pro Zeiteinheit vermindern, Desinfektionsmittelkonzentration in
Zugabelösung vermindern.
Anlagendurchströmung ist
zu langsam.
Durchmischung verbessern. Bauliche Maßnahmen treffen zur Verbesserung der
Durchmischung.
(7) Sensorwert
und DPD-Wert
stimmen nicht
überein. Sensorwerte schwanken: zuviel / zuwenig. Trend der
Redoxmessung
stimmt mit dem
Sensorwert
überein.
Falsche Reglerparameter für Reglerparameter optimieren.
Säuredosierung (chlorspezifisch).
Pro Zeiteinheit zu dosierte
Säuremenge ist zu hoch.
Übersäuerung tritt auf, bevor das Messwasser die pHElektrode erreicht hat (chlorspezifisch).
Säurezugabemenge pro Zeiteinheit vermindern. Säurekonzentration in Zugabelösung vermindern.
Zu langsame Anlagendurchströmung.
Durchmischung verbessern. Bauliche Maßnahmen zur
Verbesserung der Durchmischung ergreifen.
(8) Ungewöhnlich
träges Ansprechverhalten des
Sensors.
Membran teilweise blockiert
durch Verschmutzungen wie
Kalk oder Öl. Desinfektionsmittelzutritt zum Sensor ist
behindert.
Membran- und Elektrolytwechsel, Reinigung des
Elektrodenfingers (unbedingt Gebrauchsanweisung
beachten!).
(9) Schwankender Messwert
Stromausfall.
Analyt hat sich im Elektrolyt
angereichert.
Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität treffen.
Warten, bis der Analyt an der
Kathode umgesetzt wurde.
Wenn das zu lange dauert:
Elektrolyt wechseln.
(10) Keine Kali- Falschen Elektrolyt eingefüllt. Elektrolyt tauschen.
brierung möglich
Vorher mit Wasser reinigen
und trocknen.
(11) Messwertschwankungen
(z. B. beim Ziehen einer Wasserprobe aus
einer Messwasserleitung)
Elektrolyt verwechslungssicher lagern.
Druckschwankungen bewe- Für konstante Druckverhält- Messung im „freien Auslauf“
gen die Membran auf und
nisse sorgen.
unter Atmosphärendruck.
ab.
218 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
6 Quellenangabe
6.1
Normen und Verordnungen aus dem Bereich
der Wasseraufbereitung mit Chlor, Chlordioxid und Ozon
• DIN 19627
Ozonerzeugungsanlagen zur Wasseraufbereitung
• DIN 19643-1
Aufbeitung von Schwimm- und Badebeckenwasser – Teil 1: Allgemeine Anforderungen
• DIN 19643-2
Aufbeitung von Schwimm- und Badebeckenwasser – Teil 2:
Verfahrenskombination: Adsorption, Flockung, Filtration, Chlorung
• DIN 19643-3
Aufbeitung von Schwimm- und Badebeckenwasser – Teil 3:
Verfahrenskombination: Flockung, Filtration, Ozonung, Sorptionsfiltration
• DIN 19643-4
Aufbeitung von Schwimm- und Badebeckenwasser – Teil 4:
Verfahrenskombination: Flockung, Ozonung, Mehrschichtfiltration, Chlorung
• DIN 19643-5
Aufbeitung von Schwimm- und Badebeckenwasser – Teil 5:
Verfahrenskombination: Flockung, Filtration, Adsorption an Aktivkornkohle, Chlorung
• DIN 38408-3
Bestimmung von Ozon
• DIN 38408-5
Bestimmung von Chlordioxid
• DIN EN 937
Produkte zur Aufbereitung von Wasser für den menschlichen Gebrauch – Chlor
• DIN EN 1278
Produkte zur Aufbereitung von Wasser für den menschlichen Gebrauch – Ozon
• DIN EN 12671
Produkte zur Aufbereitung von Wasser für den menschlichen Gebrauch - Chlordioxid
• DIN EN ISO 7393-1
Wasserbeschaffenheit – Bestimmung von freiem Chlor und Gesamtchlor – Teil 1:
Titrimetrisches Verfahren mit N,N-Diethyl-1,4-Phenylendiamin
• DIN EN ISO 7393-2
Wasserbeschaffenheit – Bestimmung von freiem Chlor und Gesamtchlor – Teil 2:
Colorimetrisches Verfahren mit N,N-Diethyl-1,4-Phenylendiamin für Routinekontrollen
• DIN EN ISO 7393-3
Wasserbeschaffenheit – Bestimmung von freiem Chlor und Gesamtchlor – Teil 3:
Iodometrisches Verfahren zur Bestimmung von Gesamtchlor
• ISO 7393-1
Wasserbeschaffenheit – Bestimmung von freiem Chlor und Gesamtchlor – Teil 1:
Titrimetrisches Titrationsverfahren mit N,N-Diethyl-1,4-Phenylendiamin
• ISO 7393-2
Wasserbeschaffenheit – Bestimmung von freiem Chlor und Gesamtchlor – Teil 2:
Colorimetrisches Verfahren mit N,N-Diethyl-1,4-Phenylendiamin für Routinekontrollen
• ISO 7393-3
Wasserbeschaffenheit – Bestimmung von freiem Chlor und Gesamtchlor – Teil 3:
Iodometrisches Titrationsverfahren zur Bestimmung des Gesamtchlors
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
5
219
6 Quellenangabe
• TrinkwV 2011
Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, Trinkwasserverordnung - TrinkwV 2001 (Novellierung der TrinkwV vom 21. Mai 2001, nationale Umsetzung von 98/
83/EG
• Bundesgesundheitsblatt 45 (2002) 10, 827-845,
„Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren“ gemäß §11 TrinkwV 2001.
• 76/160/EWG
Richtlinie des Rates vom ... über die Qualität der Badegewässer und deren Bewirtschaftung ...
• 79/869/EWG
Richtlinie des Rates vom ... über die Meßmethoden sowie über die Häufigkeit der
Probennahmen und der Analysen des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung in den
Mitgliedstaaten
• 80/778/EWG
Richtlinie des Rates vom ... über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch
• 98/83/EG
Richtlinie des Rates über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch vom ...
• 2000/60/EG
Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom ... zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik
6.2
5
Literatur
• L.A. Hütter, Wasser und Wasseruntersuchung, 6. Auflage, Verlag Salle
Sauerländer, Frankfurt/M, 1994.
• A.F. Hollemann, E. Wiberg, Lehrbuch der anorganischen Chemie, 81.-90.
Auflage, Verlag de Gruyter, Berlin, 1976.
• D.A. Skoog, J.J. Leary, Instrumentelle Analytik, Deutsche Übersetzung der
4. Auflage, Springer Verlag, Berlin 1996.
• K. Hancke, Wasseraufbereitung: Chemie und chemische Verfahrenstechnik,
5. Aufl., Springer-Verlag, Berlin, 2000.
• K. H. Wallhäußer, Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Konservierung,
Keimidentifizierung, Betriebshygiene, 5. Aufl., Thieme-Verlag, Stuttgart, 1995.
• Office of Water, United States Environmental Protection Agency (EPA)
Guidance Manual: Alternative Disinfectants and Oxidants, April 1999.
Hinweis
Informationen zur Arbeitssicherheit und allgemeine Angaben über Chlor, Chlordioxid, Ozon, Natronbleichlauge usw. finden sich in der GESTIS-Stoffdatenbank des Berufsgenossenschaftlichen
Instituts für Arbeitssicherheit. Die Informationen können im Internet unter folgender Adresse abgerufen werden: http://www.hvbg.de/
220 Amperometrische Messung von freiem Chlor, Chlordioxid und Ozon
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Kapitel 6
Messung von
Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher
6
Bemerkung
Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten.
Vorwort
Unser Ziel ist, die „Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure“ stets auf dem neuesten Stand
zu halten. Im Zweifelsfall konsultieren Sie bitte die aktuellen gesetzlichen Vorschriften und betreffenden Normen. Unsere Leser sind zu einem regen Erfahrungs- und Wissensaustausch aufgerufen. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge auf.
Fulda, im April 2012
Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher
6
Inhalt
1
Einleitung ...................................................................................... 225
1.1
Wasserstoffperoxid (WP) ................................................................................ 225
1.2
Peressigsäure (PES) ....................................................................................... 225
2
Grundlagen ................................................................................... 227
2.1
Analytische Bestimmungsmethoden ............................................................ 227
2.1.1
2.1.2
2.1.3
für WP ........................................................................................................................... 227
für PES .......................................................................................................................... 227
Kontinuierliche Messverfahren für WP und PES ........................................................... 227
2.2
Messung von WP und PES mit amperometrischen Sensoren .................... 228
2.2.1
2.2.2
2.2.3
2.2.4
Reaktionen an Metalloberflächen, Nernst’sche Diffusionsschicht ...............................
Zwei-Elektroden-System ..............................................................................................
Chemische Vorgänge an der Messelektrode ................................................................
Temperaturabhängigkeit ...............................................................................................
3
Messtechnik ................................................................................. 235
3.1
Aufbau der JUMO-Messzellen WP/PES ....................................................... 235
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
3.1.5
Elektroden .....................................................................................................................
Gummielastische Membran ..........................................................................................
Elektrolyt .......................................................................................................................
Anströmung ..................................................................................................................
Temperaturkompensation .............................................................................................
3.2
Wahl der Messstelle, Installation und elektrischer Anschluss
des Sensors ..................................................................................................... 236
3.3
Allgemeine Betriebshinweise ........................................................................ 238
4
Anwendungen ............................................................................... 239
5
Qualitätssicherung ....................................................................... 241
5.1
Kalibrierprozedur ............................................................................................ 241
5.2
Fehler und Störungen bei der Messung
mit amperometrischen Sensoren .................................................................. 242
6
Quellenangabe ............................................................................. 243
6.1
Normen und Verordnungen aus dem Bereich der Messung von WP ......... 243
6.2
Literatur ........................................................................................................... 243
230
231
233
233
235
235
235
236
236
Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
6
Inhalt
6
Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
1 Einleitung
1.1
Wasserstoffperoxid (WP)
Wasserstoffperoxid (im Folgenden WP genannt) wird z. B. für die Sterilisation der Oberflächen von
Primärpackmitteln, die bei der aseptischen Abfüllung von Lebensmitteln eingesetzt werden, verwendet. WP ist in der Regel durch geeignete Zusätze (z. B. Natriumphosphate und -stannate,
Chelat-Bildner, Schwefelsäure, Phosphorsäure) gegen Zersetzung stabilisiert. Eine unerwünschte
Zersetzung des WP in Wasser und Sauerstoff kann durch Metalle, Alkalien und Staub verursacht
werden.
1.2
Peressigsäure (PES)
Peressigsäure (im Folgenden PES genannt) wird z. B. in der chemischen Industrie, in der Papier-/
Zellstoffindustrie, in der Lebensmittel-/Getränkeherstellung, im Pharmabereich als Reaktionspartner oder Desinfektions- und Sterilisationsmittel eingesetzt.
Auch bei PES kann eine Zersetzung auftreten. Diese wird beschleunigt durch höhere Temperaturen
und Schwermetallspuren, wie z. B. Eisen und Kupfer.
PES mit der chemischen Formel CH3CO-OOH wird durch Reaktion von Essigsäure und WP hergestellt.
6
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
225
1 Einleitung
6
226 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.1
Analytische Bestimmungsmethoden
2.1.1 für WP
WP kann nicht mit der DPD-Methode (wie z. B. Chlor) bestimmt werden. Als Bestimmungsmethoden kommen z. B. verschiedene manganometrische oder jodometrische Titrationen in Frage:
•
DIN 38409-15 „Bestimmung von Wasserstoffperoxid“
•
ISO/DIS 7157 „Bestimmung des Gehalts an Wasserstoffperoxid - Titrimetrisches Verfahren“
oder auch:
•
Ph.Eur. (Europäisches Arzneibuch), Monographie Wasserstoffperoxid, Gehaltsbestimmung
2.1.2 für PES
Für PES können prinzipiell die gleichen Methoden wie für WP eingesetzt werden, wenn man das
Molekulargewicht von PES berücksichtigt.
Eine Bestimmungsmethode findet sich z. B. auch im Internet unter folgender Adresse:
http://www.peroxygen-chemicals.net.
2.1.3 Kontinuierliche Messverfahren für WP und PES
Kontinuierliche Messung
Bei den vorher vorgestellten Bestimmungsmethoden handelt es sich nicht um kontinuierliche
(online) Messverfahren, sondern es werden zu bestimmten Zeitpunkten Proben entnommen und
Konzentrationsbestimmungen durchgeführt.
Bei den genannten Untersuchungsverfahren handelt es sich um relativ zeit- und personalaufwändige Laboruntersuchungen.
Für die Regelung des Desinfektionsmittelgehalts ist es von Vorteil, wenn dauernd ein elektrisches
Signal zur Verfügung steht, das der Desinfektionsmittelkonzentration proportional ist. Dieses Signal
kann dann als Eingangssignal für die Steuerung einer Dosieranlage für das Desinfektionsmittel verwendet werden, d. h. der Gehalt kann vollautomatisch geregelt werden.
Zur Überwachung der WP- und PES-Konzentration können Membran bedeckte amperometrische
Messzellen eingesetzt werden.
6
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
227
2 Grundlagen
2.2
Messung von WP und PES mit amperometrischen Sensoren
Eine Möglichkeit zur kontinuierlichen Bestimmung von WP und PES bietet die elektrochemische
Bestimmung mit Hilfe von amperometrischen Sensoren.
Messprinzip
WP/PES reagiert an der Arbeitselektrode (Kathode). Man misst einen zur Analytkonzentration in der
Lösung proportionalen Strom.
Ausführung
Der grundsätzliche Aufbau von amperometrischen Sensoren, die nach dem Zwei-Elektrodenprinzip
arbeiten, ist in Abbildung 1 dargestellt.
zum Messumformer
1
3
1
2
Abbildung 1:
6
1
3
Schematische Darstellung amperometrischer Sensoren
in Zwei-Elektroden-Bauweise
Isolation
Gegenelektrode
2
Messelektrode
Die Sensoren gibt es sowohl in offener als auch in Membran bedeckter Ausführung. Wegen der
Vorteile Membran bedeckter Messzellen bietet JUMO ausschließlich diesen Sensortyp an.
Bei direktem Elektrodenkontakt
Durch das zu untersuchende Wasser ist eine Inaktivierung der Elektrode durch Ablagerung von
Schmutz oder durch elektrochemische Nebenreaktionen möglich. In diesem Fall ist eine kontinuierliche Reinigung der Elektroden durch Quarzsand bzw. durch Glas- oder Teflonkugeln erforderlich.
Das anströmende Messwasser sorgt hier in einer speziellen Durchflussarmatur für die Verwirbelung
der zur Reinigung vorgesehenen o. g. Partikel. Durch den ständigen Kontakt der Partikel mit den
Elektrodenoberflächen werden diese frei von Verunreinigungen gehalten. JUMO bietet „offene“
Systeme nicht an.
228 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
Geschützt
Eine Möglichkeit störende Verunreinigungen von den Elektroden fern zu halten, ist der Abschluss
der Messzelle durch eine Membran (Abbildung 2). Der elektrolytgefüllte Elektrodenraum ist somit
vor direktem Kontakt mit dem Messwasser geschützt. Verunreinigungen können nicht mehr auf
den Elektrodenoberflächen abgelagert werden, während der zu bestimmende Analyt ungehindert
durch die Membran hindurchtreten kann. Die Diffusion des Analyten durch die Membran sorgt
dafür, dass sich die Konzentrationen zu beiden Seiten der Membran angleichen.
zum Messumformer
1
1
2
3
4
5
1
Abbildung 2:
1
3
5
Schematische Darstellung eines Membran bedeckten amperometrischen
Sensors in Zwei-Elektroden-Bauweise
Isolation
Elektrolyt
Membran
2
4
Gegenelektrode
Messelektrode mit Elektrolytschicht
Vorteile Membran bedeckter Zellen
6
•
keine Verschmutzung der Elektroden
•
definierte Elektrolytzusammensetzung im Probenraum
•
geringe Durchflussabhängigkeit des Messsignals
•
geringe Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Messwassers
Hinweis
Durch die definierte Zusammensetzung des Elektrolyten bei einer Membran bedeckten Messzelle
ist der Zellenstrom in Abwesenheit des Analyten gleich Null. Hierdurch wird eine aufwändige
Kalibrierprozedur vermieden. Es muss nur die Steilheit ermittelt werden.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
229
2 Grundlagen
2.2.1 Reaktionen an Metalloberflächen, Nernst’sche Diffusionsschicht
Um die Funktionsweise amperometrischer Messzellen zu verstehen, muss man sich die
Transportphänomene betrachten, die den Transport der reagierenden Teilchen an die Elektrodenoberfläche bewerkstelligen. Betrachten wir hierzu die Strömungsprofile an der Oberfläche einer
Elektrode (Abbildung 3):
1
2
3
4
5
Abbildung 3:
Strömungsprofile an einer Elektrodenoberfläche
1
3
Elektrode (Kathode)
Nernst’sche Diffusionsschicht
5
(Dicke 10-2 - 10-3 cm)
Bereich turbulenter Strömung
2
4
Elektrodenoberfläche
Bereich laminarer Strömung
In Bereichen mit laminarer und turbulenter Strömung erfolgt der Teilchentransport durch Konvektion. Die Konvektion wird z. B. durch Rühren oder Schütteln hervorgerufen. Im Bereich der
Nernst’schen Diffusionsschicht erfolgt der Teilchentransport ausschließlich durch Diffusion. Rühren
hat auf die Vorgänge im Bereich der Nernst’schen Diffusionsschicht keinen Einfluss. Der Teilchentransport wird hier durch steigende Temperatur bzw. sinkende Viskosität des Messmediums beschleunigt.
Die Dicke der Nernst’schen Diffusionsschicht (ca. 10-2 bis 10-3 cm) ist von der Rührgeschwindigkeit und der Viskosität der Lösung abhängig.
6
230 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.2.2 Zwei-Elektroden-System
Prinzip
Ein Zwei-Elektroden-System besteht aus Messelektrode (ME) und Gegenelektrode (GE). Zwischen
ME und GE wird eine bestimmte Spannung (Polarisationsspannung) angelegt. Bei dieser Spannung reagiert idealerweise nur der zu bestimmende Analyt (also das zu bestimmende Desinfektionsmittel). Die folgende Abbildung 4 zeigt vier verschiedene Bereiche:
I
keine Reaktion des Analyten an der Arbeitselektrode, da die angelegte Spannung zu niedrig ist
II
die Reduktion des Analyten an der Kathode setzt ein, die angelegte Spannung ist jedoch noch
nicht groß genug, um in den Bereich des Diffusionsgrenzstromes zu gelangen, d. h. nicht alle
Analytmoleküle an der Elektrodenoberfläche werden sofort reduziert;
das zu Y gehörende Potenzial (Abbildung 4 und 5) nennt man auch das „Halbstufenpotenzial“
des Analyten. Dieses Potential besitzt einen für den Analyten charakteristischen Wert
III
Messbereich: Der gesamte Analyt an der Elektrodenoberfläche wird sofort reduziert. Die Reaktionsgeschwindigkeit wird allein durch die Diffusion der Analytmoleküle durch die Nernst’sche
Diffusionsschicht an die Kathodenoberfläche bestimmt
IV
unerwünschte Reaktionen von Oxidationsmitteln, die schwerer zu reduzieren sind als der
Analyt, treten auf
Strom
I
II
III
IV
Diffussionsgrenzstrom I G
Z
IG
2
Y
X
0
Spannung
Abbildung 4:
Schematische Darstellung des Stromflusses in Abhängigkeit
von der angelegten Spannung in einer amperometrischen Messzelle
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
6
231
2 Grundlagen
Konzentrationsprofile
Wenn man sich die Konzentrationsprofile eines Analyten A an der Grenzschicht Elektrode/Lösung
in Abhängigkeit von der Entfernung zur Elektrodenoberfläche betrachtet, ergibt sich in einer
gerührten Lösung folgendes Bild (Abbildung 5):
Konzentration
Analyt
I
CA
II
X
Y
CA /2
Z
0
Abstand zur Elektrodenoberfläche
Abbildung 5:
I
Konzentrationsprofile des Analyten A an der Grenzfläche
Elektrode/Lösung (gerührte Lösung)
Nernst’sche Diffusionsschicht
(ruhende Lösung)
II
Gerührte Lösung
(mit laminaren und turbulenten Bereichen)
Die Kurvenäste X, Y und Z in Abbildung 5 entsprechen den Punkten X, Y und Z in Abbildung 4.
Nach dem Anlegen einer Spannung
wird Analyt A an der Elektrodenoberfläche verbraucht und reagiert gemäß folgender Reaktionsgleichung zum Produkt P:
A
6
+
n e-
pn-
(1)
Die Höhe der angelegten Spannung
beeinflusst die Zahl der Analytmoleküle, die an der Elektrodenoberfläche reagieren. Bei Spannungen im Bereich III (Abbildung 4, Spannung Z) reagiert jedes Molekül A sofort, wenn es die
Kathodenoberfläche erreicht hat. Die Konzentration von A direkt an der Kathodenoberfläche ist
daher gleich Null. Es entsteht ein Konzentrations-Gradient des Analyten A in einer dünnen Grenzschicht (Nernst’sche Diffusionsschicht) zwischen der Mess- oder Arbeitselektrode (ME) und dem
Elektrolyten. Durch diese Grenzschicht müssen die beteiligten Spezies hindurchtreten. Der
Transportvorgang des Analyten durch die Nernst’sche Diffusionsschicht an die Kathodenoberfläche ist der langsamste und damit der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Gesamtreaktion.
Die Geschwindigkeit der Kathodenreaktion wird somit durch die Nachlieferung des Oxidationsmittels an die Kathodenoberfläche bestimmt (Konzentrationspolarisation). Hierdurch wird der
Stromfluss zwischen Anode und Kathode limitiert (Diffusionsgrenzstrom).
232 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
Messprinzip
Der im Bereich III (Abbildung 4) fließende Strom (Diffusionsgrenzstrom) ist proportional zur Konzentration des Analyten im Messmedium. Messgrösse ist der Spannungsabfall den der Strom über
einen Widerstand hervorruft. Über die Größe des Widerstands kann die Größe des Ausgangssignals variiert werden. Das Ausgangssignal wird hochohmig mit einem Volt- bzw. pH-Meter
gemessen. Nach dem Anlegen der Polarisationsspannung (Bereich III, Abbildung 4) muss die Zeit
abgewartet werden, bis sich das Gleichgewicht zwischen Elektrode und umgebender Lösung bzgl.
der Nachlieferung des Analyten an die Kathode eingestellt hat. Diese so genannte Polarisationszeit
kann einige Minuten oder gar Stunden betragen, wenn der Sensor erstmalig in das Medium
eingebracht wird.
2.2.3 Chemische Vorgänge an der Messelektrode
Die Messelektrode (auch als Arbeitselektrode bezeichnet) besteht aus einem Edelmetall wie Platin
oder Gold und ist als Kathode geschaltet, d. h. hier wird der Analyt als Oxidationsmittel reduziert.
Die Gegenelektrode besteht häufig aus Silber. An der GE als Anode findet eine Oxidation als
Gegenreaktion statt.
2.2.4 Temperaturabhängigkeit
Der Diffusionsvorgang ist temperaturabhängig. Der Diffusionsgrenzstrom nimmt mit steigender
Temperatur zu. Die Temperaturabhängigkeit lässt sich durch den Einbau eines Temperatursensors
berücksichtigen. Bei JUMO-Sensoren werden messzellenspezifische Temperatureffekte durch
geeignete NTC-Widerstände berücksichtigt.
6
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
233
2 Grundlagen
6
234 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.1
Aufbau der JUMO-Messzellen WP/PES
JUMO-Messzellen
Bei den JUMO-Messzellen handelt es sich um Membran bedeckte amperometrische Zwei-Elektrodenmesssysteme (Abbildung 6). Die im Schaft der Messzellen integrierte Elektronik liefert ein
unkalibriertes Signal von 4 ... 20mA, das beispielsweise durch das Anzeige- und Regelgerät
JUMO AQUIS 500 AS (JUMO-Typenblatt 202568) oder den Messumformer/Regler JUMO
dTRANS AS 02 (JUMO-Typenblatt 202553) weiterverarbeitet werden kann. Das Gerät übernimmt
zwei Funktionen: Es stellt die notwendige Versorgungsspannung zur Verfügung und erlaubt die
einfache Kalibrierung des Messsystems. Die Messzellen können aber auch an andere Anzeiger,
Regler, Schreiber oder SPS-Systeme angeschlossen werden, sofern diese Spannungsversorgung
und Kalibrierung erlauben. Die Messzellen sind für verschiedene Messbereiche erhältlich.
Abbildung 6:
Anzeige-/Reglergerät JUMO AQUIS 500 AS (links) und Messumformer/Regler
JUMO dTRANS AS 02 (rechts)
3.1.1 Elektroden
Aufbau der Zwei-Elektrodenmesszelle
Die Arbeitselektrode (Kathode) besteht aus Gold (Au). Die Anode, welche die Funktion einer
kombinierten Bezugs- und Gegenelektrode wahrnimmt, besteht aus Silber (Ag) und ist mit einem
Überzug aus Silberhalogenid versehen.
3.1.2 Gummielastische Membran
Die „gummielastische“ Membran ist nicht porös. Der Analyt muss in Form eines „physikalischen
Lösungsprozesses“ durch die Membran treten. Ein Vorteil dieser Membran ist ihre Chemikalienund Tensidunempfindlichkeit. Dieser Membrantyp wird in Messzellen für WP und PES eingesetzt.
Die „gummielastische“ Membran eignet sich aber auch für Chlordioxid- und Ozon-Messzellen.
Sondermesszellen sind auf Anfrage erhältlich.
3.1.3 Elektrolyt
Der Elektrolytraum der Elektrode (und auch deren Membrankappe) sind mit Elektrolyt gefüllt. Im
Elektrolyt bildet die kombinierte Bezugs- und Gegenelektrode ein konstantes Potenzial aus.
Als Elektrolyt wird eine wässrige alkalihalogenidhaltige Lösung verwendet. Die Elektrolytlösung
kann auch zusätzliche Komponenten enthalten, welche für die Messfunktion entscheidend sind.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
235
6
3 Messtechnik
3.1.4 Anströmung
Damit ein Signal erhalten wird, ist eine Mindestanströmgeschwindigkeit von 15 cm/s erforderlich.
Das entspricht etwa einer Durchflussmenge von 30 l/h, wenn die Messzelle in eine JUMO-Armatur
eingebaut ist. Oberhalb dieser Mindestanströmgeschwindigkeit besteht nur eine geringe
Durchflussabhängigkeit des Messsignals.
3.1.5 Temperaturkompensation
Das Messsignal amperometrischer Messzellen ist temperaturabhängig. Bei höherer Temperatur
wird die Membran durchlässiger für den Analyten und der Diffusionsgrenzstrom steigt an. Diesen
messzellenspezifischen Effekt gleicht eine automatische Temperaturkompensation mit einem integrierten NTC-Widerstand aus.
3.2
Wahl der Messstelle, Installation und elektrischer Anschluss
des Sensors
Die Armatur
Zum Einbau der JUMO-Sensoren wird eine spezielle Durchflussarmatur (Abbildung 6) empfohlen,
die in Bezug auf die Sensoranströmung optimiert ist.
6
Abbildung 6:
Durchflussarmatur für JUMO-Sensoren
Anströmung
Zur einwandfreien Funktion des Sensors ist eine Mindestanströmungsgeschwindigkeit von
15 cm/s einzuhalten; das entspricht einer Mindestdurchflussmenge von 30 l/h in der JUMODurchflussarmatur. Wenn das Einhalten der Mindestanströmgeschwindigkeit nicht auf andere Weise gewährleistet werden kann, sollte die Überwachung der Mindestanströmungsgeschwindigkeit
mit einem JUMO-Strömungswächter (1) erfolgen. Eine passende Armatur (2) für den Strömungswächter ist lieferbar (Abbildung 6).
236 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
1
2
Abbildung 6:
Strömungsüberwachung mit Strömungswächter
Schutzschaltung
Der optionale Strömungswächter schaltet das Anzeige- und Regelgerät JUMO dTRANS AS 02
oder der JUMO AQUIS 500 AS bei Unterschreitung der Mindestanströmgeschwindigkeit in
Stellung „Hold“, damit wird eine Überdosierung des Desinfektionsmittels vermieden.
Über den Zweileiteranschluss 4 ... 20 mA wird die Messzelle sowohl mit Spannung (DC 24 V) versorgt als auch das unkalibrierte Messsignal an das Auswertegerät übermittelt. Die Messzellen
können an beliebige Anzeiger, Regler, Schreiber oder SPS-Systeme angeschlossen werden, sofern
diese die vorgenannten Funktionen übernehmen.
6
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
237
3 Messtechnik
3.3
Allgemeine Betriebshinweise
• die Messung ist ausschließlich in einer geeigneten Durchflussarmatur möglich
(z. B. JUMO-Durchflussarmatur Typ 202810/72-102-86, siehe JUMO-Typenblatt 202630)
• die Messzelle sollte möglichst drucklos mit freiem Auslauf des Messwassers betrieben werden;
wenn das nicht möglich ist, kann die Messzelle auch unter konstantem Druck bis zu 1 bar
betrieben werden. Dadurch wird eine einfache Messwasser-Rückführung ermöglicht
• Druckschwankungen müssen vermieden werden
• beim Betrieb unter Druck dürfen keine Luftblasen im Wasser mitgeführt werden
• im drucklosen Betrieb bei freiem Auslauf des Messwassers stören Luftblasen nicht, sofern sie
die Membran nicht abdecken. Luftblasen vor der Membran verfälschen das Messsignal
• der Messumformer und die angeschlossene Messzelle müssen permanent in Betrieb bleiben;
die Messzelle darf nicht trocken stehen
• die messempfindlichen Teile nicht mit den Händen berühren
• die Membrankappe erst bei der Inbetriebnahme aufschrauben
6
238 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
Wasserstoffperoxid und Peressigsäure verwendet man allgemein zu Oxidations-, Bleich- oder Desinfektionszwecken in der pharmazeutischen oder lebensmitteltechnischen Industrie. Dabei werden
die Mittel z. B. in Abfüllanlagen für Medizinprodukte, Arzneimittel, Getränke, Milch, Bier
eingesetzt.
In diesen Bereichen werden beispielsweise Primärpackmittel vor der Aufnahme des Füllgutes mit
WP oder PES desinfiziert. Dabei ist WP besonders beliebt, denn es bildet mit Sauerstoff und Wasser nur ungefährliche Zersetzungsprodukte.
6
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
239
4 Anwendungen
6
240 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
5.1
Kalibrierprozedur
Nullpunkt
Die Kalibrierprozedur umfasst normalerweise den Abgleich von Nullpunkt und Steilheit. Im Falle
Membran bedeckter Sensoren enthält der Elektrodenraum aber einen definierten Elektrolyten, bei
dem der Sensor kein Nullsignal zeigt. Somit ist in diesem Falle kein Nullpunktabgleich mit analytfreiem Wasser erforderlich. Die Kalibrierung vereinfacht sich dadurch erheblich, weil der Analyt zuvor nicht aus dem Messmedium entfernt werden muss!
Steilheit
Zum Abgleich der Steilheit wird eine mit einer Referenzmethode (Kapitel 2.1 „Analytische Bestimmungsmethoden“, Kapitel 2.1.1 „für WP“, Kapitel 2.1.2 „für PES“) ermittelte Analytkonzentration verwendet. Die Steilheit wird so angepasst, dass dem unkalibrierten Stromsignal der amperometrischen Messzelle die mit der Referenzmethode ermittelte Analytkonzentration zugeordnet
wird.
6
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
241
5 Qualitätssicherung
5.2
Fehler und Störungen bei der Messung
mit amperometrischen Sensoren
Fehler/Störung
mögliche Ursache
Behebung
Vorbeugende
Maßnahmen
Zu geringes oder
zu hohes Ausgangssignal der Messzelle.
Kalibrierung falsch.
Kalibrierung
wiederholen.
Ggf. Messzelle
häufiger kalibrieren.
Zu geringes Ausgangssignal der Messzelle.
Belag an der
Elektrodenfingerspitze
(Messelektrode).
Elektrodenfingerspitze
reinigen.
Ggf. Wartungsintervalle
verkürzen.
Anströmung erhöhen.
Mindestanströmung
überwachen.
Messzelle lässt sich nicht Anströmung der
Messzelle zu gering.
auf den Referenzwert
abgleichen.
Membran zerstört: Elek- Membrankappe
trolyt tritt aus - Messwas- erneuern.
Messzelle lässt sich nicht ser tritt ein.
auf den Referenzwert
abgleichen.
Zu geringes Ausgangssignal der Messzelle.
Abnehmendes oder gleich
bleibendes Ausgangssignal der Messzelle bei
steigendem Referenzwert.
Membranbeschädigung
vermeiden.
Sensor bei aufgeschraubter Membrankappe
nicht aufstoßen.
Anströmung von groben
Teilen oder Glassplittern
vermeiden.
Schwankendes Signal.
Neben dem Analyten sind Zusatz dieser Stoffe
im Messwasser noch
unterlassen;
weitere
Oxidationsmittel
Wasserwechsel.
Messzelle lässt sich nicht
enthalten, z. B. ClO2, O3.
auf den Referenzwert
abgleichen.
Zu hohes Ausgangssignal der Messzelle.
Ungewöhnlich träges
Ansprechverhalten des
Sensors.
6
Membran teilweise
blockiert durch
Verschmutzungen wie
Kalk oder Öl.
Desinfektionsmittel-Zutritt
zum Sensor ist behindert.
242 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
Reinigungs- und
Desinfektionsmittel nach
Einsatz vollständig
entfernen.
Desinfektionsmittel nur
einzeln verwenden
(keine Kombinationen).
Membrankappe erneuern; Maßnahmen zur Verzusätzlich Wasserwechsel besserung der Wasservor erneutem Einsatz der qualität treffen.
Messzelle (Beseitigung
aller Verunreinigungen).
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
6 Quellenangabe
6.1
Normen und Verordnungen aus dem Bereich der Messung von WP
• DIN 38409
Bestimmung von Wasserstoffperoxid
• DIN EN 902
Produkte zur Aufbereitung vom Wasser für den menschlichen Gebrauch - Wasserstoffperoxid
• ISO/DIS 7157
Bestimmung des Gehalts von Wasserstoffperoxid - Titrimetrisches Verfahren
• Ph.Eur.
(Europäisches Arzneibuch), Monographie Wasserstoffperoxid, Gehaltsbestimmung
6.2
Literatur
• H. Römpp, Lexikon Chemie, Thieme Verlag, Stuttgart, 10. Aufl., 1997
• K.H. Wallhäußer, Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Konservierung,
Thieme Verlag, Stuttgart, 5. Aufl., 1995
Hinweis
Informationen zur Arbeitssicherheit und allgemeine Angaben über Wasserstoffperoxid finden
sich in der GESTIS-Stoffdatenbank des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitssicherheit.
Die Informationen können im Internet unter folgender Adresse abgerufen werden:
http://www.hvbg.de/.
6
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
243
6 Quellenangabe
6
244 Messung von Wasserstoffperoxid/Peressigsäure
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Kapitel 7
Messung von Ammoniak
Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher
7
Bemerkung
Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten.
Vorwort
In den verschiedensten Anwendungsfeldern gibt es Bedarf für eine Messung der Ammoniakkonzentration in wässriger Lösung. Stellvertretend für viele weitere Einsatzgebiete sollen hier Kühlmedienund Laboranwendungen genannt werden. Eine schnelle und einfache Möglichkeit zur Messung von
Ammoniak bietet ein Membran bedeckter gassensitiver Sensor auf potenziometrischer Basis.
Für eine erfolgreiche Messung sind verschiedene Dinge bei Umgang und Einsatz des Ammoniaksensors zu beachten. Dieses Buch soll dem Anwender diesbezüglich praktische Hilfestellung
geben. Besonderer Wert wird dabei auf die beiden oben genannten Anwendungsfälle gelegt.
Außerdem wird auch kurz auf den Aufbau und die Funktionsweise des Sensors eingegangen.
Fulda, im April 2012
Dr. rer. nat. Dipl.-Chem. (Univ.) Jürgen Schleicher
7
Inhalt
1
Einleitung ....................................................................................... 249
1.1
Was ist Ammoniak? ........................................................................................ 249
1.2
Typische Anwendungsgebiete für Ammoniaksensoren ............................. 249
2
Grundlagen .................................................................................... 251
2.1
Aufbau und Funktionsweise .......................................................................... 251
2.2
pH-Abhängigkeit ............................................................................................. 253
3
Messtechnik .................................................................................. 255
3.1
Neuer JUMO-Ammoniaksensor .................................................................... 255
3.2
Konzentrationsbereich ................................................................................... 255
3.3
Allgemeine Hinweise zur Durchführung von Ammoniakmessungen ......... 255
3.4
Besonderheiten ............................................................................................... 256
4
Anwendungen................................................................................ 257
4.1
Zweck einer Ammoniak-Messung ................................................................ 257
4.2
Anwendungsfall Kühlmedienüberwachung .................................................. 257
4.3
Hintergrund einer Ammoniak-Leckageüberwachung
in Kühlkreisläufen ........................................................................................... 259
4.4
Anwendungsfall Labormessungen mit Kalibrierung ................................... 261
4.5
Vorgehensweise bei Labormessungen ......................................................... 262
4.6
Weitere Hinweise zum Umgang mit dem Ammoniaksensor ...................... 262
5
Qualitätssicherung ........................................................................ 265
5.1
Überprüfung der Sensorfunktion .................................................................. 265
5.2
Herstellung der benötigten Lösungen .......................................................... 265
6
Quellenangabe .............................................................................. 267
6.1
Weiterführende Literatur ................................................................................ 267
7
Messung von Ammoniak
Inhalt
7
Messung von Ammoniak
1 Einleitung
1.1
Was ist Ammoniak?
Bei Ammoniak (NH3) handelt es sich um ein giftiges, stechend riechendes, farbloses Gas, welches
zu Tränen reizt. Ammoniak löst sich leicht in Wasser. Die basisch reagierende wässrige Lösung bezeichnet man als Ammoniakwasser oder auch Salmiakgeist. In Verbindung mit Säuren bildet
Ammoniak Salze, welche in Wasser in Ammoniumionen (NH4+) und ein korrespondierendes Anion
dissoziieren. In der Natur entsteht Ammoniak durch die Zersetzung stickstoffhaltiger pflanzlicher
oder tierischer Substanzen. Die hohe Verdampfungswärme des Ammoniaks wird in technischen
Kältemaschinen genutzt, wo Ammoniak die ozonschädlichen halogenierten Kältemittel auf FCKWBasis ersetzen kann.
1.2
Typische Anwendungsgebiete für Ammoniaksensoren
Mit dem JUMO-Ammoniaksensor (Abbildung 1) kann Ammoniak (NH3) in wässrigen Lösungen
gemessen werden. Ammoniak steht in wässriger Lösung in einem pH-abhängigen Gleichgewicht
mit Ammoniumionen. Sofern die Ammoniumionen durch Zugabe von Lauge in Ammoniak verwandelt werden, erfasst der Sensor natürlich auch den hieraus entstandenen Ammoniak. Ammoniumionen selbst werden nicht erfasst.
Abbildung 1:
Ammoniaksensor mit Membrankappe (oben), ohne Membrankappe (unten)
Als typische Anwendungsbereiche für den Ammoniaksensor sollen erwähnt werden:
• Leckageüberwachung in Kühlanlagen,
z. B. Großkühlhäuser zur Lagerung von Lebensmitteln, Eisstadien, Kühlanlagen in Supermärkten
• Ammoniakbestimmung
in Frisch-, Salz- und Seewasser, Kesselspeisewasser, Fischzuchtanlagen, galvanischen Bädern,
im Abwasser von Gaswäschern, in der Abwasserkontrolle, im Lebensmittelbereich (z. B. in Wein
und Bier), im Labor
Die Messung findet direkt im flüssigen Messmedium statt. Somit ist keine zeitaufwändige und
komplizierte Probenaufarbeitung erforderlich. Es können auch gefärbte oder trübe Proben gemessen werden. Sofern der pH-Wert unter etwa 7,5 liegt, muss vor der Messung Lauge zur Verschiebung des chemischen Gleichgewichts von Ammoniumionen in Richtung Ammoniak zugegeben werden.
Wenn die Probe die Sensormembran schädigende Substanzen, wie Öle, Fette oder Tenside enthält, dann kann die Ammoniakmessung trotzdem direkt, allerdings unter Verwendung der so genannten „head space“-Technik erfolgen. In diesem Falle ist eine Schädigung des Sensors ausgeschlossen, da kein direkter Probenkontakt des Sensors besteht: Es wird in einem gasdichten Raum
über dem Messmedium gemessen. Der gasdichte Raum über dem Messmedium steht mit dem
flüssigen Messmedium bezüglich des Ammoniaks im Gleichgewicht.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Ammoniak
249
7
1 Einleitung
Die einfache Probenvorbehandlung macht die Ermittlung der Ammoniakkonzentration zu einer
schnell durchzuführenden und ökonomischen Bestimmung, die in einem weiten Konzentrationsbereich mit hoher Genauigkeit angewendet werden kann.
Natürlich können auch in anderen Medien, wie in Düngemitteln oder Bodenproben, Ammoniakkonzentrationen gemessen werden, wenn eine entsprechende Probenaufarbeitung vorgeschaltet wird,
d. h. die Herstellung einer wässrigen Lösung mit einer Ammoniakkonzentration im Sensormessbereich und Einstellung eines geeigneten pH-Werts der Probe.
7
250 Messung von Ammoniak
JUMO, FAS 631, Ausgabe 2012-01
2 Grundlagen
2.1
Aufbau und Funktionsweise
Der schematische Aufbau des Ammoniaksensors wird in Abbildung 2 gezeigt: Der Ammoniaksensor besteht aus einer pH-Glaselektrode und einer Referenzelektrode, die sich in einem
gemeinsamen Elektrolyten befinden, der durch eine hydrophobe, gaspermeable Membran vom
Messmedium abgetrennt ist.
1
2
3
4
5
6
Abbildung 2:
1
3
5
Schematischer Aufbau des Ammoniaksensors
Ableitung des Bezugssystems (Ag/AgCl)
Innenpuffer
Glasmembran
2
4
6
Elektrolyt
Innenableitung (Ag/AgCl)
gasdurchlässige PTFE-Membran
Zwischen der hydrophoben Membran und der pH-Glaselektrode befindet sich eine dünne
Elektrolytschicht, deren pH-Wert sich erhöht, wenn NH3-Gas durch die Membran tritt. Die chemischen Vorgänge in der Elektrolytschicht werden durch folgende Reaktionsgleichung beschrieben.
NH 3 + H 2 O
+
-
NH 4 + OH
(1)
Das heißt: NH3 wirkt als Base und erhöht somit den pH-Wert in der dünnen Elektrolytschicht vor
der pH-Glaselektrode. Weil sich zwischen der hydrophoben PTFE-Membran und der Glaselektrode
nur ein sehr geringes Flüssigkeitsvolumen befindet, reagiert die Elektrode bereits auf kleinste
Ammoniakmengen sehr empfindlich.
In einer stark vereinfachten Herleitung ergibt sich folgender Zusammenhang des Sensorsignals von
der Ammoniakkonzentration im Messmedium: Die Reaktion (Gleichung ) wird durch das Massenwirkungsgesetz beschrieben:
+
-
K = [NH 4 ] [OH ]/[NH 3 ]
(2)
K = Gleichgewichtskonstante
[x] = Konzentration Komponente x
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Ammoniak
251
7
2 Grundlagen
Der Elektrolyt enthält eine relativ hohe Konzentration an Ammoniumchlorid, so dass die Konzentration der Ammoniumionen in der dünnen Elektrolytschicht als konstant angesehen werden kann,
wenn eine geringe Menge NH3 durch die Membran tritt und sich gemäß obiger Reaktionsgleichung
daraus NH4+ bildet. Infolgedessen kann die Ammoniumionenkonzentration in die Gleichgewichtskonstante K´ einbezogen werden.
-
K´ = [OH ]/[NH 3 ]
oder
OH
-
NH 3
(3)
Somit ergibt sich unter Verwendung der Nernst-Gleichung folgende Abhängigkeit:
E = E 0 – Slog NH 3
(4)
E = Elektrodenpotenzial
E0 = Standardelektrodenpotenzial
S = Steilheit, f(T)
Die Glasmembran (Abbildung 2, (5)) ist flach oder leicht konvex ausgebildet, damit sich zwischen
Membranglas und hydrophober Membran ein möglichst dünner Elektrolytfilm bilden kann, der für
kurze Ansprechzeit und hohe Empfindlichkeit sorgt. Die lokale pH-Wert-Änderung in dem dünnen
Elektrolytfilm infolge Ammoniak-Eintritt wird durch die pH-Elektrode detektiert.
7
252 Messung von Ammoniak
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.2
pH-Abhängigkeit
Ammoniak (NH3) steht nach obiger Reaktionsgleichung (Gleichung 1) in wässriger Lösung in einem
pH-abhängigen Gleichgewicht mit Ammoniumionen (NH4+). Die Abhängigkeit ist in Abbildung 3
dargestellt.
3
100
NH3 (Ammoniak)
Anteil in %
80
60
2
40
20
NH4+ (Ammonium-Ion)
1
0
6
7
8
9
10
11
12
pH-Wert des Mediums (25°C)
Abbildung 3:
pH-Abhängigkeit des Gleichgewichts zwischen Ammoniak und Ammoniumionen
1
nur NH4+-Ionen (Ammonium) vorhanden)
3
nur NH3 (Ammoniak) vorhanden
2
das Verhältnis von NH4+-Ionen (Ammonium)
und NH3 (Ammoniak) ist 1:1
Sofern in der Lösung überwiegend Ammoniumionen vorliegen, was im sauren Bereich der Fall ist,
müssen diese durch Zugabe einer starken Lauge (z. B. NaOH) in Ammoniak (NH3) umgewandelt
werden (Zugabe von 10 N NaOH-Lösung zu Messmedium bis pH 11), da die Membran nur für
Ammoniak durchlässig ist (Wasser in flüssigem Aggregatzustand oder ionische Inhaltsstoffe wie
Ammoniumionen können die Membran nicht passieren).
7
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Ammoniak
253
2 Grundlagen
7
254 Messung von Ammoniak
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.1
Neuer JUMO-Ammoniaksensor
Vorteil des JUMO-Ammoniaksensors ist, dass vorgefertigte Membrankappen erhältlich sind, so
dass ein manuelles Aufspannen der empfindlichen Membran entfällt. Die Membrankappe wird
beim JUMO-Sensor als komplette Einheit gewechselt (Abbildung 1). Bei den heute noch üblichen
Systemen müssen die Membranen mit Handschuhen und einer Pinzette getauscht werden. Bei
dieser Art von manuellem Membranwechsel müssen mechanische Beschädigungen oder Verschmutzungen der Membran beispielsweise durch Berührung mit bloßen Händen vermieden werden. Ebenfalls darf die Membran beim manuellen Aufspannen weder Falten bilden, noch darf sie
überstreckt werden. Diese zeitaufwändigen und häufig fehlerbehafteten „Geduldsspiele“ entfallen
beim JUMO-Ammoniaksensor, da hier einfach nur die gesamte Membrankappe gewechselt wird.
3.2
Konzentrationsbereich
Die potenziometrische Messung von Ammoniak liefert eine lineare Abhängigkeit in halblogarithmischer Auftragung über einen weiten Konzentrationsbereich, welcher in der nachfolgenden Umrechnungstabelle für verschiedene Konzentrationseinheiten angedeutet ist:
mol/l
ppm als N
ppm als NH3
5 × 10-7
7 × 10-3
8,5 × 10-3
10-6
1,4 × 10-2
1,7 × 10-2
...
...
...
10-1
1400
1700
1
14000
17000
Tabelle 1:
Umrechnungstabelle für verschiedene Konzentrationseinheiten
Bei besonders niedrigen Konzentrationen gemäß oben stehender Tabelle kann sich die Ansprechzeit erheblich verlängern. Eventuell kann man die Ansprechzeit durch Verdünnung des Elektrolyten
um den Faktor 10 mit destilliertem Wasser verbessern.
Besonders bei hoher Konzentration besteht die Gefahr von Minderbefunden durch Ammoniakverlust. Daher sollten Proben möglichst sofort gemessen werden. Ammoniakverluste lassen sich auch
durch Abdecken oder Handhabung im verschlossenen Gefäß verringern. Wenn Lauge zugesetzt
wird, dann sollte man das erst unmittelbar vor der Messung tun.
3.3
Allgemeine Hinweise zur Durchführung von Ammoniakmessungen
Als Kalibrierverfahren kommen bei der potenziometrischen Ammoniakmessung die direkte
Kalibrierung mit einer Serie von Kalibrierlösungen oder das Additionsverfahren in Frage. Bei letzterem wird zu einer Probe unbekannter Konzentration eine bekannte Menge einer Standardlösung
gegeben und aus der Signalzunahme auf die Ausgangskonzentration zurückgerechnet.
Beim Kalibrieren und Messen sollte stets darauf geachtet werden, dass Probe und Kalibrierlösungen die gleiche Temperatur haben, da ansonsten Wasserdampftransport durch die Membran
zu einer Drift der Elektrode führen kann. Außerdem wirkt sich die Temperatur auch auf die Sensorsteilheit aus (Temperaturabhängigkeit gemäß Nernst-Gleichung). Prinzipiell kann mit dem Ammoniak-Sensor im Temperaturbereich zwischen 0 ... 50 °C gemessen werden. Zur Herstellung von Lösungen für Kalibrierzwecke verwendet man am besten Ammoniumchlorid. Der pH-Wert der
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Ammoniak
255
7
3 Messtechnik
Kalibrierlösungen wird mit einer starken Base auf pH
in gleicher Weise vorbereitet.
3.4
11 eingestellt. Die Probenlösungen werden
Besonderheiten
Eine Färbung oder Trübung des Messmediums stört die Messung nicht. Auch die meisten ionischen Stoffe im Messmedium stören nicht, da sie die hydrophobe Membran nicht passieren
können. Störend auswirken können sich beispielsweise flüchtige Amine. Dazu gehören u. a.
Methylamin, Ethylamin und Hydrazin. Diese Stoffe reagieren im Sensorelektrolyt ebenfalls
alkalisch. Damit werden bei der Anwesenheit dieser Stoffe neben Ammoniak zu hohe Konzentrationen vorgetäuscht.
Wenn das Messmedium Tenside aus Wasch- und Reinigungsmitteln oder Lösungsmittel enthält,
welche die hydrophoben Eigenschaften der Membran beeinträchtigen können, dann sollte im Gasraum über dem Messmedium gemessen werden. Bei dieser sogenannten „head space“-Technik
muss eine geeignete gasdichte Vorrichtung verwendet werden, in welche der Ammoniaksensor
eingebaut wird. Die gasdichte Vorrichtung kann beispielsweise ein mit einem durchbohrten
Stopfen versehener Erlenmeyerkolben sein. In den durchbohrten Stopfen steckt man den Ammoniaksensor, so dass dieser sich über der Flüssigkeitsoberfläche im Erlenmeyerkolben befindet. Eine
Messung in „head space“-Technik ist auch sinnvoll, wenn Öle und Fette enthalten sind, weil sie die
Membran blockieren und so die Ansprechzeit der Elektrode negativ beeinflussen können.
Die Sensormembran ist mechanisch sehr empfindlich und darf keinesfalls berührt werden.
Eine mechanische Reinigung ist nicht möglich. Es können keine Messungen unter Druck
durchgeführt werden, da dies wegen der Kompression von unvermeidlichen Luftblasen im
Sensorelektrolyt zu einer Verformung und Schädigung der nicht elastischen Membran führen
kann. Sollte das Messmedium mit Druck beaufschlagt sein, dann empfiehlt JUMO den
Einsatz seiner Wechselarmatur (Abbildung 6). Hier wird der Mediumsdruck auf Atmosphärendruck reduziert.
7
256 Messung von Ammoniak
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
4.1
Zweck einer Ammoniak-Messung
Die Ammoniak-Messung kann verschiedene Zielrichtungen verfolgen:
• Messung der „relativen Ammoniakkonzentration“ mit reduzierten Anforderungen an die Genauigkeit, z. B. in der Kühlmittelüberwachung; Unterscheidung zwischen Abwesenheit von Ammoniak, Zunahme oder Abnahme der Ammoniakkonzentration
• Messung der „absoluten Ammoniakkonzentration“ mit hohen Anforderungen an die Genauigkeit: Laboranwendungen mit dem Ziel einer möglichst genauen Bestimmung der Ammoniakkonzentration
4.2
Anwendungsfall Kühlmedienüberwachung
In der Kühlmedienüberwachung geht es dem Anlagenbetreiber eher darum, eine Ammoniakleckage im Primärkreislauf schnell über eine qualitative Ammoniakdetektion im Sekundärkreislauf zu
entdecken. Die Messung der genauen Ammoniakkonzentration im Sekundärkreislauf ist nur von
untergeordneter Bedeutung, weil es gilt, durch schnelle Gegenmaßnahmen Schäden an der Anlage
und deren Umfeld zu verhindern.
In diesem Fall bietet sich ein Ammoniaksensor zur Überwachung des Sekundärkreislaufes an, weil
dieser wegen möglicher Pufferwirkung des Kältemediums im Sekundärkreislauf wesentlich
schneller reagiert als beispielsweise eine pH-Messung. Selbstverständlich muss der pH-Wert des
Kältemediums größer als etwa 8 sein, damit zumindest ein geringer Anteil freies Ammoniak im
Gleichgewicht mit Ammoniumionen vorliegt (Abbildung 3).
In den Messumformern JUMO dTRANS pH 02, Typ 202551, und JUMO AQUIS 500, Typ 202560,
ist der Zusammenhang zwischen der Elektrodenspannung und der Ammoniakkonzentration in
Wasser in Form einer typischen Kennlinie (Abbildung 5) abgelegt. Beide Messumformer können
somit aus der gemessenen Elektrodenspannung die Ammoniakkonzentration berechnen und direkt
in der Konzentrationseinheit „parts per million“ (ppm) anzeigen (Abbildung 4).
7
Abbildung 4:
Anzeige der Ammoniakkonzentration am JUMO AQUIS 500
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Ammoniak
257
4 Anwendungen
Die im Messumformer abgelegte Kennlinie gilt natürlich nur für bestimmte Randbedingungen, wie
Mediumszusammensetzung und pH-Wert, außerdem spielen individuelle Sensoreigenschaften
eine Rolle. Wird von diesen Randbedingungen abgewichen oder verwendet man unterschiedliche
Elektroden, beeinflusst dies auch den angezeigten Konzentrationswert. Dies ist in der Kühlmittelüberwachung aber unerheblich, da es lediglich darum geht, eine relative Erhöhung der Ammoniakkonzentration zu detektieren. Die individuellen Eigenschaften des speziellen Sensors werden
über die Kalibrierung des Nullpunkts berücksichtigt. Die Software ist in ihrer Funktionalität besonders auf die Kühlmedienüberwachung abgestimmt. Zunächst wird die Sensorspannung in
Abwesenheit von Ammoniak ermittelt und die in Abbildung 5 dargestellte Kurve entsprechend verschoben. Die Steilheit berechnet sich gemäß der Nernst-Gleichung. Dazu ist eine automatische
Temperatur-Erfassung mit Pt100 und Pt1000 oder auch eine manuelle Eingabe der Temperatur
möglich.
Sensorspannung [mV]
200
100
Steilheit S
58,16mV/Dekade (20°C)
0
-100
0,1
1
10
100
Ammoniakkonzentration [ppm]
Abbildung 5:
JUMO dTRANS pH 02 und JUMO AQUIS 500 –
Abhängigkeit der Elektrodenspannung von der Ammoniakkonzentration
7
258 Messung von Ammoniak
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
4.3
Hintergrund einer Ammoniak-Leckageüberwachung
in Kühlkreisläufen
55
20
35
163
Die JUMO-Ammoniaksensor kann zur Überwachung von Kühlkreislaufsystemen auf Ammoniakaustritt eingesetzt werden. Bei größeren Kühlanlagen oder auch bei Eissportanlagen verwendet
man häufig Ammoniak als Kältemittel im primären Kühlkreislauf. Im sekundären Kühlkreislauf verwendet man dagegen einfacher handhabbare und ungefährlichere Medien, wie Salzsolen oder diverse Kühlmedien, auf Basis von Glykol/Wasser-Gemischen oder wässrigen Lösungen organischer
Salze (einige gebräuchliche Handelsnamen sind: Glykosol®, Pekasol®, Tyfoxit®, …)4.
20
ø35
1
G1 /4A
ø60
Abbildung 6:
4
7
Wechselarmatur zum Einsatz in Kühlkreislauf-Anwendungen
Im Artikel erwähnte Warenzeichen: Glykosol®, Pekasol®: proKÜHLSOLE GmbH
Tyfoxit®: TYFOROP Chemie GmbH
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Ammoniak
259
4 Anwendungen
In Kühlanlagen muss in jedem Fall eine Ammoniakleckage frühzeitig entdeckt werden, damit es
nicht zu einer Korrosion von Kupfer- oder Buntmetallrohren im Sekundärkreislauf kommen kann.
Der Einsatz einer gleichfalls denkbaren pH-Messung scheidet in der Praxis aus, da hier mit erheblich höheren unteren Nachweisgrenzen infolge Pufferwirkung des Messmediums gerechnet
werden muss. Selbst bei schon sehr geringen Ammoniakkonzentrationen kann es durch Korrosion
zu Durchbrüchen im Rohrleitungssystem infolge der Bildung des stabilen Kupfertetramminkomplexes [Cu(NH3)4]2+ kommen.
Für diesen Anwendungsfall kann der JUMO-Ammoniaksensor in einer für Kühlkreisläufe optimierten Wechselarmatur (Abbildung 4) eingesetzt werden. Der Mediumsdruck, der im Bereich bis
zu 6bar (idealerweise meist 2 ... 3 bar) liegen kann, muss auf Atmosphärendruck reduziert werden,
so dass der Membran bedeckte Ammoniaksensor drucklos eingesetzt wird. Überschüssiges
Kühlmedium, das über eine zur Druckreduktion eingesetzte poröse PTFE-Scheibe in die Wechselarmatur eintritt, wird über einen Überlauf abgeführt, an welchen ein Schlauch zur Ableitung
angeschlossen werden kann. Sollten in einem speziellen Fall die Druckverhältnisse von den beschriebenen Größenordnungen abweichen, muss durch Variation der Dicke oder Porosität der
PTFE-Scheibe der Messmediumsfluss durch die Armatur angepasst werden. Um den Durchfluss
einzustellen, kann man die Teflonscheibe beispielsweise auch anbohren, wenn die durchtretende
Mediumsmenge zu gering ist. Bei zu hohem Durchfluss kann evtl. eine Blende vor der Teflonscheibe helfen, den Durchfluss zu reduzieren. Einerseits soll nicht zu viel Messmedium durch die
Armatur verloren gehen, andererseits muss eine akzeptable Totzeit bei einer Ammoniakleckage erreicht werden. Während der Totzeit findet die Verteilung des Ammoniaks im Messmedium statt und
das Totvolumen bis zur Erreichung des Sensors muss überwunden werden. Natürlich muss auch
die Viskosität des Messmediums bei der Einstellung des Mediumsdurchsatzes durch die Armatur
berücksichtigt werden. Bei höheren Viskositäten tritt weniger Medium durch die Armatur als bei
niedrigeren. Es wird die Kontrolle der austretenden Messmediumsmenge empfohlen: Normalerweise sollten einige Milliliter pro Tag ausreichen.
Die Ansprechzeit im Falle eines Ammoniakaustritts hängt auch davon ab, wie schnell sich der
Ammoniak im Gesamtsystem verteilt und letztendlich den Sensor in der Armatur erreicht. Dies ist
bei der Auslegung der Anlage und bei der Einstellung des Mediumsdurchflusses durch die Armatur
zu berücksichtigen.
Es muss sichergestellt werden, dass sich die in der Armatur zur Druckreduktion eingesetzte poröse
PTFE-Scheibe nicht im Laufe der Zeit durch im Messmedium befindliche Partikel oder Schmutz zusetzt. Dadurch könnte der Durchfluss durch die Armatur soweit reduziert oder gar gestoppt werden, so dass eine evtl. Ammoniakleckage zu spät oder überhaupt nicht erkannt wird.
Es wird vorgeschlagen, die Anlage bezüglich des Mediumsdurchsatzes in regelmäßigen Abständen
zu überprüfen. Bei der Wahl des Zeitintervalls für die Überprüfung ist die spezielle Beschaffenheit
des Messmediums zu berücksichtigen: In Messmedien, welche die poröse PTFE-Scheibe in der
Armatur blockieren können, sollte häufiger kontrolliert werden, ob ein bestimmter MindestDurchfluss vorhanden ist. Im Bedarfsfall muss ein Filter vor der Armatur eingebaut werden.
7
260 Messung von Ammoniak
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
4.4
Anwendungsfall Labormessungen mit Kalibrierung
Selbstverständlich eignet sich der Sensor auch für Messungen, mit denen der Anwender die
Ammoniakkonzentration möglichst genau ermitteln möchte. In diesem Fall ist ein größerer
Aufwand bei der Kalibrierung erforderlich, um die verschiedenen Einflüsse auf die Messung zu
berücksichtigen. Für die Messungen kann ein im Spannungsanzeigemodus [mV] betriebenes pHMeter (z. B. auch JUMO dTRANS pH oder Rd oder JUMO AQUIS 500) oder ein so genanntes
„Ionenmeter“ [ppm] verwendet werden.
Es gibt zwei Verfahren Ammoniak quantitativ zu messen:
• Direktmessung nach Mehrpunktkalibrierung
• Standardadditionsverfahren
Im ersten Fall ist die Erstellung einer Kalibrierkurve mit Referenzlösungen bekannter Ammoniakkonzentration erforderlich: Die Konzentration der Referenzlösungen sollte den erwarteten Konzentrationsbereich der Proben beinhalten. Die Kalibrierlösungen und Probenlösungen müssen in
gleicher Weise behandelt werden: Um eine hohe Messgenauigkeit zu erzielen, sollte das chemische Gleichgewicht zwischen Ammoniumionen und Ammoniak möglichst weit in Richtung Ammoniak verschoben sein.
Dies erreicht man durch Zugabe von Lauge, mit welcher man einen pH-Wert 11 einstellt. Die Einstellung des pH-Werts erfolgt sowohl bei der Probelösung mit unbekannter Konzentration als auch
bei den Kalibrierlösungen. Außerdem muss die Messung von Proben und Referenzlösungen bei
der gleichen Temperatur erfolgen, weil sonst Temperatureffekte das Messergebnis beeinflussen
können.
Die Kalibrierung wird mit der Referenzlösung mit der niedrigsten Konzentration begonnen und zu
höheren Konzentrationen hin fortgesetzt. Vor dem Wechsel in das nachfolgende Probengefäß ist
der Sensor mit ammoniakfreiem destilliertem Wasser abzuspülen und mit einem weichen Papiertuch abzutupfen (hierbei darf die Membran nicht berührt werden!).
Als Resultat dieser Kalibrierung erhält man eine Kalibrierkurve, welche nach den aus der Analytik
bekannten Verfahren ausgewertet werden kann. Bei einigen Labormessgeräten („Ionenmeter“)
übernimmt das Messgerät die Auswertung, so dass nach abgeschlossener Kalibrierung direkt die
Konzentration angezeigt wird. Bei einer länger andauernden Messreihe sollte zwischendurch die
Kalibrierung wiederholt werden.
Beim Standardadditionsverfahren setzt man zu der Probe mit der unbekannten Konzentration eine
(mehrere) bekannte Menge(n) Ammoniak in Form von Ammoniumchlorid-Lösung zu. Aus der
Signalzunahme nach dem „Aufstocken“ kann auf die unbekannte Ausgangskonzentration zurück
geschlossen werden, wobei gegebenenfalls das vergrößerte Volumen der aufgestockten Gesamtlösung in die Berechnung einbezogen werden muss. Bei der Standardadditionsmethode lassen
sich matrixspezifische Einflüsse ausschalten, welche bei der Erstellung einer Kalibrierkurve (erstes
Verfahren) unberücksichtigt bleiben. Die oben gemachten Hinweise zur Verschiebung des chemischen Gleichgewichts in Richtung Ammoniak gelten auch beim Standardadditionsverfahren.
7
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Ammoniak
261
4 Anwendungen
4.5
Vorgehensweise bei Labormessungen
Damit das chemische Gleichgewicht zwischen Ammoniumionen und Ammoniak möglichst vollständig auf die Seite von Ammoniak verschoben wird, müssen die Proben mit unbekannter Konzentration und die Standardlösungen für die Kalibrierung unmittelbar vor der Messung mit Lauge
versetzt werden. Man kann beispielsweise so vorgehen, dass man 100 ml Standardlösung bzw.
100 ml Probe mit 1 ml 10 molarer Natronlauge versetzt, bis der pH-Wert bei mindestens 11 liegt
(bei Proben mit niedrigem pH-Wert kann es erforderlich werden, eine größere Menge Natronlauge
zuzusetzen, damit wenigstens pH 11 erreicht wird. Im Zweifelsfall muss der pH-Wert gemessen
werden).
Im Interesse einer schnellen Messwerteinstellung sollte man Proben und Standardlösungen mit
einem Magnetrührstäbchen und Magnetrührer gerührt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass
sich die Proben und Standards nicht unter dem Einfluss des Magnetrührers erwärmen. Notfalls
muss eine thermisch isolierende Platte zwischen Gefäß und Rührerplatte gelegt werden. Der
Ammoniaksensor sollte an einem Stativ befestigt werden und so in das auf dem Rührer befindliche
Probengefäß eingetaucht werden, dass der Sensor weder den Boden des Gefäßes noch den
Magnetrührstab berührt. Vor der Sensormembran befindliche Luftblasen müssen entfernt werden.
4.6
Weitere Hinweise zum Umgang mit dem Ammoniaksensor
Sofern der Ammoniaksensor in Medien eingesetzt werden soll, in welchen Salze oder Lösungsmittel in höherer Konzentration, beispielsweise zu Frostschutzgründen, gelöst sind, dann muss bei
Verwendung des Standardelektrolyten mit Drifterscheinungen gerechnet werden.
Die Sensordrift wird durch Diffusion von Wasserdampf durch die Sensormembran verursacht. Es
handelt sich dabei um einen Osmosevorgang durch eine semipermeable Membran, bei welchem
Wassermoleküle von der Seite mit der niedrigeren Spezieskonzentration auf die Seite mit der höheren Konzentration diffundieren. Osmose ist eine kolligative Eigenschaft, welche nur von der Zahl
gelöster Spezies (Gesamtzahl gelöster Moleküle und Ionen) abhängt und nicht von deren Art oder
Eigenschaften.
Wenn Wasserdampf aus dem Sensorelektrolyt durch die semipermeable Membran in das Messmedium tritt, mit dem Ziel die Spezieskonzentration zu beiden Seiten der Membran anzugleichen,
dann wird der Sensor währenddessen kontinuierlich driften. Natürlich ist es nicht möglich und
dadurch nicht beabsichtigt, mit dem kleinen Elektrolytvolumen im Ammoniaksensor einen Konzentrationsausgleich zu bewerkstelligen. Da das Messmedium in seiner Zusammensetzung vorgegeben und nicht veränderbar ist, können gewöhnlich nur Anpassungen auf der Seite des Sensorelektrolyts vorgenommen werden.
7
JUMO liefert für diesen Zweck einen speziell angepassten Sensorelektrolyt, welcher beispielsweise
in Kältemedien auf Basis von Glykolen oder Carbonsäuresalzen eingesetzt werden sollte. Natürlich
kann der Sensorelektrolyt nicht auf jede denkbare individuelle Mediumszusammensetzung abgestimmt werden. Aber durch die Anhebung der Elektrolytkonzentration werden die Drifterscheinungen auf jeden Fall vermindert. Als hochohmiger elektrochemischer Sensor muss beim Ammoniaksensor mit einer erhöhten Driftneigung des Sensors gerechnet werden. Dies sollte bei der Wahl
von Grenzwerten zur Alarmierung bei einer Ammoniakleckage berücksichtigt werden.
Der Spezialelektrolyt kann bei Temperaturen bis zu -8 °C eingesetzt werden. Wenn erforderlich,
muss der Ammoniaksensor bei tiefen Temperaturen in Kombination mit einem Impedanzwandler
eingesetzt werden, da der elektrische Widerstand der Glasmembran mit abnehmender Temperatur
zunimmt.
262 Messung von Ammoniak
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungen
Bei Labormessungen hat man selbstverständlich auch die Möglichkeit die Probelösung entsprechend zu verdünnen, wenn es zu Drifterscheinungen infolge höher konzentrierter Begleitstoffe
kommt.
Wenn der Ammoniaksensor an Luft gelagert wird, kann es zu einem Verlust von Wasser (-dampf)
aus dem Elektrolyt kommen. Deswegen sollte der Sensor in dem mitgelieferten Aufbewahrungsgefäß in Elektrolytflüssigkeit gelagert werden.
Bei Messung und Kalibrierung sollte darauf geachtet werden, dass sich keine Luftblasen vor der
Sensormembran befinden, weil dann der Ammoniakzutritt durch die Membran behindert sein kann.
Aus diesem Grund kann es in manchen Fällen sinnvoll sein, den Sensor in einem Winkel einzusetzen, der 20° von der Vertikalen abweicht, damit die Ansammlung von Luftblasen verhindert wird.
Damit es nicht zu Analytverlusten kommt, sollte das Verhältnis der Oberfläche zum Probenvolumen
klein sein (z. B. Verwendung eines Enghals-Erlenmeyerkolbens).
Wenn ammoniakhaltige Proben vor der Analyse für längere Zeit aufbewahrt werden sollen, dann
empfiehlt sich eine Konservierung durch Zugabe von Säure (z. B. 1 ml 0,5 molare Salzsäure pro Liter Probe). Die Probe kann dann in einem verschlossenen Gefäß aufbewahrt werden. Vor der
eigentlichen Messung muss man die Probe wieder nach dem oben beschriebenen Verfahren
alkalisch machen.
Die gleichzeitige Anwesenheit von Chlor neben Ammoniak stört die Messung, weil sich Chloramine
bilden. Eine Störung durch Chlor in gechlortem Schwimmbad- oder Trinkwasser kann durch vorherige Zugabe von Natriumthiosulfat verhindert werden.
In Gegenwart von manchen Schwermetallionen (z. B. Cu2+, Zn2+, Hg2+) kann die Messung durch
die Bildung von Komplexverbindungen des Ammoniaks gestört werden. Manche Komplexbildner
wie Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) und dessen Salze sind in der Lage den Ammoniak aus
den Metallkomplexen freizusetzen, so dass eine Messung mit dem Ammoniaksensor möglich wird.
Außerdem wird durch die Zugabe von EDTA eine eventuelle Ausflockung von Metallhydroxiden
beim Alkalisieren der Proben verhindert.
7
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Ammoniak
263
4 Anwendungen
7
264 Messung von Ammoniak
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
5.1
Überprüfung der Sensorfunktion
Zur Überprüfung der Sensorfunktion stellt man sich zwei Prüflösungen her, die sich um den Faktor
10 in ihrer Ammoniumchlorid-Konzentration unterscheiden. Es wird folgende Vorgehensweise vorgeschlagen:
5.2
Herstellung der benötigten Lösungen
In einen 100ml Messkolben gibt man 1 ml 0.1 mol/l Ammoniumchlorid-Lösung und füllt mit ammoniakfreiem destilliertem Wasser auf 100ml auf. Für die Ammoniakmessung überführt man die Lösung in ein Becherglas und fügt unmittelbar vor der Messung 1 ml 10 molare Natronlauge hinzu
(= Prüflösung 1). Während der Messung bei 25 °C wird die Lösung mit einem Magnetrührer und
einem Rührstäbchen gerührt.
In einen zweiten 100 ml Messkolben gibt man 10 ml 0.1 mol/l Ammoniumchlorid-Lösung und füllt
auf 100 ml auf. Nach Überführung in ein Becherglas und Zugabe von 1 ml 10 molarer Natronlauge
wird wie oben gemessen (= Prüflösung 2).
Die in Prüflösung 1 gemessene Sensorspannung sollte um mindestens 50 mV über der in Prüflösung 2 gemessenen liegen.
Herstellung der 10 molaren Natronlauge:
40 g NaOH löst man im 100 ml Messkolben in etwa 80 ml ammoniakfreiem destilliertem Wasser.
Dabei erwärmt sich die Lösung etwas. Nach Abkühlung auf 20 °C füllt man mit destilliertem Wasser
auf 100 ml auf.
Herstellung der 0.1 mol/l Ammoniumchlorid-Lösung:
0,535 g Ammoniumchlorid werden in einem 100 ml Messkolben zunächst in einer Teilmenge
ammoniakfreiem destilliertem Wasser aufgelöst und nach Abkühlung auf 20 °C auf 100 ml
aufgefüllt.
7
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Ammoniak
265
5 Qualitätssicherung
7
266 Messung von Ammoniak
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
6 Quellenangabe
6.1
Weiterführende Literatur
• D. Midgley, K. Torrance, Potentiometric Water Analysis, Wiley, 1991
• D. A. Skoog, J.J. Leary, Instrumentelle Analytik, Springer-Verlag, 1996
7
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Ammoniak
267
6 Quellenangabe
7
268 Messung von Ammoniak
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Kapitel 8
Messung von gelöstem Sauerstoff
Dr. Jan Bösche
Bemerkung
Diese Broschüre wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für mögliche Irrtümer übernehmen wir keine Gewähr. Maßgebend sind in jedem Fall die Betriebsanleitungen zu den entsprechenden Geräten.
8
Vorwort
Sauerstoff ist lebensnotwendig. Er ist essenziell für alle biologischen Organismen und bildet Grundvoraussetzung für die Atmungsvorgänge der aeroben Lebewesen.
Die Menge des in Wasser gelösten Sauerstoffs ist einer der wichtigsten Parameter in industriellen
und kommunalen Abwasseranlagen sowie in Fischzuchtanlagen. Dieser Wert muss daher kontinuierlich erfasst, überwacht und geregelt werden.
Grundlegende elektrochemischen Zusammenhänge und typische Anwendungen will dieses Buch in
allgemein verständlicher Form darstellen. Außerdem werden Hinweise auf den Stand der Technik
bei den Messumformern/Reglern und Sensoren für diese Messgröße gegeben.
Wir bemühen uns, diese „Informationen zur Sauerstoffmessung“ stets auf dem neuesten Stand zu
halten und rufen die Leserschaft dazu auf, rege an einem Erfahrungs- und Wissensaustausch mitzuarbeiten. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Diskussionsbeiträge entgegen.
Fulda, im April 2012
Dr. Öznur Brandt
8
Inhalt
1
Einleitung ....................................................................................... 273
1.1
Eigenschaften von Sauerstoff ....................................................................... 273
2
Grundlagen .................................................................................... 275
2.1
Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit von Sauerstoff ............................ 275
2.2
Druckabhängigkeit der Löslichkeit von Sauerstoff ..................................... 275
2.3
Salinität (Salzgehalt) ....................................................................................... 275
2.4
Anwendungsbereiche ..................................................................................... 275
2.5
Analytische Bestimmungsmethoden ............................................................ 276
2.6
Elektrochemische Messverfahren ................................................................. 276
2.7
Optisches Messverfahren (LDO) ................................................................... 281
3
Messtechnik .................................................................................. 283
3.1
Aufbau des Zweidraht-Messumformers JUMO dTRANS O2 01
für gelösten Sauerstoff (DO) .......................................................................... 283
3.2
Funktion des Zweidraht-Messumformers JUMO dTRANS O2 01
für gelösten Sauerstoff (DO) .......................................................................... 285
3.3
Beeinflussung des Messsignals .................................................................... 286
3.4
Kalibrierung ..................................................................................................... 287
4
Anwendungsbereiche ................................................................... 289
4.1
Regelung der Sauerstoffzufuhr in Kläranlagen ............................................ 289
4.2
Fischzuchtanlagen .......................................................................................... 289
4.3
Bierherstellung ................................................................................................ 290
4.4
Fermentation ................................................................................................... 290
5
Qualitätssicherung ........................................................................ 291
5.1
Fehler und Störungen bei der Sauerstoffmessung
mit amperometrischen Sensoren .................................................................. 291
6
Quellenangabe .............................................................................. 293
8
Messung von Sauerstoff
Inhalt
8
Messung von Sauerstoff
1 Einleitung
1.1
Eigenschaften von Sauerstoff
Auf der Erde kommt das Element Sauerstoff häufiger vor als jedes andere. Entdeckt wurde es in
1777 durch den schwedischen Chemiker Carl Wilhelm Scheele. Elementarer Sauerstoff (O) tritt in
der Natur in verschiedenen Formen auf: Am bekanntesten ist das zweiatomige Molekül (O2). Von
ihm ist die Rede, wenn wir von Sauerstoff sprechen. Und in dieser Form ist elementarer Sauerstoff
in Gewässern gelöst.
Daneben gibt es das dreiatomige Molekül (O3): Ozon. Hierbei handelt es sich um eines der
stärksten verfügbaren Oxidationsmittel; es reagiert sehr schnell mit Verunreinigungen im Wasser
und macht diese dadurch unschädlich.
JUMO-Analysenmesstechnik beschäftigt sich mit der Messung von in Wasser gelöstem Sauerstoff
(engl.: DO - dissolved oxygen).
8
Ausgabe 2012-04
Messung von Sauerstoff
273
1 Einleitung
8
274 Messung von Sauerstoff
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.1
Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit von Sauerstoff
Sauerstoff ist bei Zimmertemperaturen ein farbloses Gas, das weder Geruch noch Geschmack hat.
Er ist in Wasser wenig löslich. Zudem ist seine Löslichkeit stark temperaturabhängig: Je höher die
Temperaturen, desto geringer ist sie.
Temperatur °C
0
10
20
30
50
70
90
Tabelle 1:
2.2
Sauerstofflöslichkeit mg/l
14,6
11,3
9,1
7,5
5,5
3,8
1,6
Sauerstofflöslichkeit in Wasser bei verschiedenen Temperaturen
Druckabhängigkeit der Löslichkeit von Sauerstoff
Der Druck hat – im Vergleich zur Temperatur – entgegengesetzte Wirkung: Je höher er ist, umso
mehr Sauerstoff ist im Wasser löslich. Bei der Sauerstoffmessung muss der Luftdruck berücksichtigt werden.
2.3
Salinität (Salzgehalt)
Die Salinität bezeichnet die Menge der im Wasser gelösten Salze (in Gew.-%).
Die Löslichkeit von Sauerstoff nimmt mit steigendem Gehalt an gelösten Substanzen ab. Beispielsweise hat Sauerstoff in Meerwasser eine um etwa 1 bis 3 mg/l geringere Löslichkeit als in Süßwasser.
2.4
Anwendungsbereiche
Der Sauerstoffgehalt ist ein Indikator für den Zustand eines Gewässers und liefert Hinweise zum
Verschmutzungsgrad. Wenn organische Verschmutzungen vorhanden sind, sinkt der Sauerstoffgehalt im Wasser.
Die Messung von gelöstem Sauerstoff findet in der Wasser- und Abwassertechnik vielfache Anwendung. Einige Einsatzgebiete sind:
• Messung des Sauerstoffgehaltes in Belebungsbecken
• Kontrolle des Sauerstoffgehaltes im Ablauf einer Kläranlage
• Messung und Regelung des Sauerstoffgehaltes für Fischteiche und Fischfarmen
mit Süß- und Salzwasser
• Überwachung öffentlicher Gewässer, z. B. Flüsse, Seen, Stauseen
• Anreicherung von Trinkwasser mit Sauerstoff
8
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Sauerstoff
275
2 Grundlagen
2.5
Analytische Bestimmungsmethoden
Zur Bestimmung der Sauerstoffkonzentration in einer Lösung kommt die Winkler-Methode zum
Einsatz. Diese Methode beruht auf der Oxidation von Mn2+ zu Mn4+ durch den gelösten Sauerstoff.
Durch Zugabe von H2SO4 wird eine dem Sauerstoff äquivalente Menge Jod freigesetzt. Diese wird
durch Titration mit Natriumthiosulfat berechnet.
2.6
Elektrochemische Messverfahren
Eine Möglichkeit zur kontinuierlichen Messung von gelöstem Sauerstoff bietet die elektrochemische Bestimmung mittels amperometrischer Sensoren.
Um die Funktionsweise amperometrischer Messzellen zu verstehen, muss man sich die
Transportphänomene betrachten, die den Transport der reagierenden Teilchen an die Elektrodenoberfläche bewerkstelligen.
Betrachten wir hierzu die Strömungsprofile an der Oberfläche einer Elektrode (Abbildung 1):
1
2
3
4
5
Abbildung 1:
Strömungsprofile an einer Elektrodenoberfläche
1
3
Elektrode (Kathode)
Nernst’sche Diffusionsschicht
5
(Dicke 10-2 bis 10-3 cm)
Bereich turbulenter Strömung
2
4
Elektrodenoberfläche
Bereich laminarer Strömung
Amperometrische Sensoren lassen sich wie folgt einteilen:
• Zwei-Elektroden-System (Clark-Sensoren)
• Drei-Elektroden-System mit potenziostatischer Schaltung
Diese Sensoren gibt es sowohl in membranbedeckter als auch in membranloser Ausführung.
Vorteile membranbedeckter Zellen:
• keine Verschmutzung der Elektroden
• definierte Elektrolytzusammensetzung im Probenraum
• geringe Durchflussabhängigkeit des Messsignals
• geringe Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Messwassers
8
276 Messung von Sauerstoff
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.6.1
Zwei-Elektroden-System nach Clark
Ein Zwei-Elektroden-System besteht aus einer Kathode als Messelektrode (ME) und einer Anode
als Gegenelektrode (GE), die über eine Elektrolytlösung in Verbindung stehen. Zwischen ihnen wird
eine konstante Spannung angelegt, die Sauerstoff elektrochemisch reagieren lässt. Die Intensität
des Stroms ist proportional zum molekularen Sauerstoff, der bei der elektrochemischen Reaktion
umgesetzt wird.
zum Messumformer
Abbildung 2:
1
3
5
1
1
1
2
3
4
5
Schematische Darstellung eines membranbedeckten amperometrischen Sensors in Zwei-Elektroden-Bauweise
Isolation
Elektrolyt
Membran
2
4
Gegenelektrode (GE)
Messelektrode mit Elektrolytschicht
Vom Messmedium sind diese Elektroden durch eine Membran getrennt, welche nur für die Sauerstoffmoleküle durchlässig ist. Die Kathode, an der der durch die Membran diffundierte Sauerstoff
elektrochemisch umgesetzt wird, hat über einen dünnen Elektrolytfilm direkten Kontakt mit der
Membran.
Diese Sensoren werden nach ihrem Erfinder Dr. Leland Clark als „Clark-Sensoren“ bezeichnet. Ihr
wesentlicher Vorteil besteht darin, dass sie sofort ein verwertbares elektrisches Signal liefern sowie
im Betrieb relativ robust und kostengünstig sind.
8
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Sauerstoff
277
2 Grundlagen
Elektrochemischer Ablauf
Die folgende Abbildung zeigt vier verschiedene Bereiche:
I
keine Reaktion des Analyten an der Arbeitselektrode,
da die angelegte Spannung zu niedrig ist
II
die Reduktion des Analyten an der Kathode setzt ein, die angelegte Spannung ist jedoch
noch nicht groß genug, um in den Bereich des Diffusionsgrenzstromes zu gelangen,
d. h., nicht alle Analytmoleküle an der Elektrodenoberfläche werden sofort reduziert;
das zu Y gehörende Potenzial nennt man auch das „Halbstufenpotenzial“ des Analyten;
dieses Potenzial besitzt einen für den Analyten charakteristischen Wert
III
Messbereich: Der gesamte Analyt an der Elektrodenoberfläche wird sofort reduziert;
die Reaktionsgeschwindigkeit wird allein durch die Diffusion der Analytmoleküle durch
die Nernst‘sche Diffusionsschicht an die Kathodenoberfläche bestimmt
IV
unerwünschte Reaktionen von Oxidationsmitteln, die schwerer zu reduzieren sind als
der Analyt, treten auf
Strom
I
II
III
IV
Diffussionsgrenzstrom I G
Z
IG
2
Y
X
0
Spannung
Abbildung 3:
Schematische Darstellung des Stromflusses in Abhängigkeit von der
angelegten Spannung in einer amperometrischen Messzelle
8
278 Messung von Sauerstoff
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.6.2
Drei-Elektroden-System
Beim Drei-Elektroden-System erhöht sich die Selektivität durch die bessere Potenzialkonstanz:
Das System besteht aus der Mess- oder Arbeitselektrode (ME), der Gegenelektrode (GE) und einer
Bezugselektrode (BE). Über eine potenziostatische Schaltung wird das Potenzial zwischen ME und
BE auf dem für die Durchtrittsreaktion erforderlichen Wert gehalten. Die BE bleibt stromlos. Der
Strom fließt über die GE. Auch im Falle der Drei-Elektroden-Messzelle ist der Diffusionsgrenzstrom
proportional zur Konzentration des Analyten.
Sofern es sich um ein Messmedium bekannter Zusammensetzung handelt, d. h., es wird gezielt
nur ein Analyt zugesetzt, kann auch ein Zwei-Elektroden-System zur Messung des Analyten eingesetzt werden.
zum Messumformer
5
1
2
3
6
5
4
Abbildung 4:
1
3
5
2.6.3
Schematische Darstellung amperometrischer Sensoren in Drei-ElektrodenBauweise
Bezugselektrode (BE)
Elektrolyt
Isolation
2
4
6
Diaphragma
Mess- und Arbeitselektrode (ME)
Gegenelektrode (GE)
Anströmung bei amperometrischen Sensoren
Ein amperometrisch arbeitender Sauerstoffsensor benötigt immer eine Anströmung durch das
Messmedium, da der Sensor den Sauerstoff während der Konzentrationsmessung in einer chemischen Reaktion – Kapitel 3.2 „Funktion des Zweidraht-Messumformers JUMO dTRANS O2 01 für
gelösten Sauerstoff (DO)“ – verbraucht. Für eine einwandfreie Sensorfunktion muss daher immer
Sauerstoff durch frisches Messmedium nachgeliefert werden. Gewöhnlich reicht hierzu die natürliche Bewegung des Belebtschlammes in einem Belebungsbecken aus, die beispielsweise durch
Einblasen von Luft oder durch Konvektion verursacht wird.
8
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Sauerstoff
279
2 Grundlagen
2.6.4
Kalibrierung amperometrischer Sensoren
Die Kalibrierung amperometrischer Sauerstoffsensoren erfolgt in wasserdampfgesättigter Luft: Für
eine bestimmte Temperatur ist in wasserdampfgesättigter Luft die dann herrschende Sauerstoffkonzentration bekannt (Tabelle 1). Wasserdampfgesättigte Luft befindet sich in geringer Entfernung (einige Zentimeter) oberhalb einer Wasseroberfläche (beispielsweise bei einem wassergefüllten Eimer). Die Kenntnis der Sauerstoffkonzentration unter den geschilderten Bedingungen
zieht man zur Kalibrierung der Sauerstoffsensoren heran.
8
280 Messung von Sauerstoff
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
2 Grundlagen
2.7
Optisches Messverfahren (LDO)
Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung des Sauerstoffgehalts ist die Nutzung eines optischen
Sensors. Dieses Verfahren basiert auf der Löschung (= strahlungslose Deaktivierung) der Fluoreszenz durch Sauerstoff: Auf der Innenseite einer Membran befindet sich eine sauerstoffsensitive
Schicht in Form eines Fluoreszenzfarbstoffes. Hierfür werden beispielsweise Rubidiumkomplexe
verwendet. Diese lassen sich auch über chemische Bindungen an der Membranoberfläche immobilisieren. Die sauerstoffsensitive Schicht wird von einer blauen Leuchtdiode angeregt und sendet
„Fluoreszenzlicht“ aus. Ist auf der dem Messmedium zugewandten Membranseite Sauerstoff vorhanden, passiert dieser die Membran und erreicht den Fluoreszenzfarbstoff. Dort wird ein Teil der
Fluoreszenz durch den Sauerstoff gelöscht (strahlungslos deaktiviert). Dadurch verringert sich das
ausgestrahlte „Fluoreszenzlicht“, die Fluoreszenzintensität sinkt. Dies wird durch einen Detektor,
beispielsweise eine Fotodiode, gemessen. Der Zusammenhang zwischen der Fluoreszenzintensität
und der Sauerstoffkonzentration wird quantitativ durch die Stern-Volmer-Gleichung beschrieben.
Diese Gleichung lässt sich zur Ermittlung der Sauerstoffkonzentration heranziehen.
Die Berechnung der Sauerstoffkonzentration kann auch über eine Auswertung der Fluoreszenzlebensdauer (Abklingzeit) oder der Fluoreszenzquantenausbeute erfolgen.
1
Abbildung 5:
1
3
5
5
2
4
3
Schematische Darstellung eines LDO-Sensors
Fotodiode
rückgestrahltes rotes Licht
LED
2
4
Referenz-LED
eingestrahltes blaues Licht
Ein Vorteil dieser Methode liegt darin, dass zur Messung des Sauerstoffs kein Elektrolyt benötigt
wird. Andererseits verbrauchen optische Sensoren relativ viel elektrische Energie und sind zudem
auch teurer als elektrochemische Sauerstoffsensoren.
Prinzipiell ist eine Reinigung des LDO-Sensors (luminescent dissolved oxygen) nicht erforderlich,
aber schon bei normalem Betrieb (z. B. im Bereich kommunale Abwässer) kann Schmutz, der sich
auf dem Sensor sammelt, dessen Messeigenschaften beeinflussen. Die Bildung von Biofilmen beispielsweise zehrt Sauerstoff und kann die Ansprechzeiten des Sensors erhöhen. Eine regelmäßige
Reinigung und Wartung des Messinstruments ist also auch bei diesem Verfahren notwendig.
Die Geräte werden werkseitig kalibriert ausgeliefert, trotzdem ist eine regelmäßige Kalibrierung
durch den Anwender (gemäß Herstellerangaben) erforderlich. Im Sinne einer laufenden Qualitätskontrolle ist es ohnehin gute Betriebspraxis, auch optische Sensoren in regelmäßigen Abständen
zu überprüfen. Einen Grund für regelmäßige Kontrolle bildet das potenzielle Ausbleichen des Fluoreszenzfarbstoffs durch Sonnenlicht: Wenn die Sensoren in Bereichen eingesetzt werden, in denen
Tageslicht die Membran mit dem Fluoreszenzfarbstoff erreicht, dann kann dieser „ausbleichen“,
und die Sensorkappe muss eventuell vorzeitig ausgetauscht werden.
Da optische Sensoren keine kostengünstige Alternative darstellen, kommen weltweit am
häufigsten elektrochemische Sensoren zum Einsatz.
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Sauerstoff
281
8
2 Grundlagen
8
282 Messung von Sauerstoff
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.1
Aufbau des Zweidraht-Messumformers JUMO dTRANS O2 01
für gelösten Sauerstoff (DO)
Das Gerät eignet sich zur kontinuierlichen Messung von in Wasser gelöstem Sauerstoff.
Abbildung 6:
JUMO dTRANS O2 01 – Zweidraht-Messumformer (links)
mit Bedieneinheit (rechts)
Bedieneinheit
(Standardausführung)
Zweidrahtverbindung
Istwertausgang
Sauerstoff
(4 ... 20 mA)1
SERVICE
PGM
EXIT
CAL
Zweidrahtverbindung
Istwertausgang
Temperatur
(4 ... 20 mA)2
ZweileiterMessumformer
für gelösten
Sauerstoff (DO)
Abbildung 7:
Zwei separate
Spannungsversorgungen
DC 24 V für den
Zweidraht-Messumformer
JUMO dTRANS O2 01
und den ZweidrahtMessumformer
Temperatur
SPS ,
Visualisierung
o. Ä.
1 frei skalierbar
2 fest eingestellt:
0 ... 50 °C entsprechen 4 ... 20 mA
JUMO dTRANS O2 01 – Maximalausführung
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
8
Messung von Sauerstoff
283
3 Messtechnik
1
2
4
Abbildung 8:
3
Aufbau des Zweidraht-Messumformers JUMO dTRANS O2 01
Der Sauerstoffmessumformer besteht aus
1
3
Gehäuse mit Messumformer-Elektronik
Sensormodul
2
4
Anschlussleitung
Schutzkorb
Die Messzelle für gelösten Sauerstoff ist eine membranbedeckte galvanische Zelle mit alkalischem
Elektrolyten.
Die Zelle besteht aus
• dem Zellenkörper mit den beiden Anschlusskontakten zur Auswerteeinheit
• der Silberkathode
• der Bleianode
• dem Elektrolyten
• der sauerstoffdurchlässigen (aber nicht porösen) Teflonmembran, welche die Grenzfläche
zwischen Zelleninnerem und Messmedium darstellt
8
284 Messung von Sauerstoff
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.2
Funktion des Zweidraht-Messumformers JUMO dTRANS O2 01
für gelösten Sauerstoff (DO)
Der Messumformer arbeitet nach dem Zweidraht-Prinzip, d. h., in die Versorgung des Messumformers ist das Ausgangssignal (4 ... 20 mA) eingeprägt. Das Ausgangssignal ist galvanisch getrennt
vom Messmedium.
Der Sensor benötigt keine Fremdspannungsversorgung, da er die zur Sauerstoffreduktion notwendige Mindestspannung von etwa 850 mV über die beiden Teilreaktionen (1) und (2) selbst erzeugt.
(1)
O2 + 2H2O + 4e-
(2)
2Pb + 4OH-
Summe
O2 + 2Pb -> 2PbO
4OH- E° (O2) = +401 mV
2PbO + 2H2O + 4e-
E° (Pb) = -576 mV
(kathodische Reaktion)
(anodische Reaktion)
E° = 977 mV
Stellt man zwischen Kathode und Anode eine elektrische Verbindung über einen Arbeitswiderstand
her, so fließt ein Strom, der linear-proportional zum umgesetzten Sauerstoff und damit zum im
Messmedium gelösten Sauerstoff ist.
Der Sensor ist nullstromfrei, d. h., bei Abwesenheit von Sauerstoff ist keine Spannung und damit
auch kein Messstrom vorhanden.
8
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Sauerstoff
285
3 Messtechnik
3.3
Beeinflussung des Messsignals
Das Messsignal wird von folgenden Faktoren beeinflusst:
• Sauerstoffdurchlässigkeit der Membran
• Sättigungslöslichkeit von Sauerstoff in Wasser
• Salinität (Salzgehalt) des Wassers
• Dampfdruck des Wassers
Diese Faktoren sind temperaturabhängig.
Die Sauerstoffdurchlässigkeit der Membran ist bauartbedingt. Sie hängt von Material, Dicke und
Verformung der Membran ab.
Die übrigen Faktoren beschreiben physikalische Phänomene, die z. B. in der DIN EN 25814
tabelliert sind.
Alle genannten Faktoren und ihre Temperaturabhängigkeit werden von der mikroprozessorgesteuerten Auswerteelektronik berücksichtigt und kompensiert.
Druckschwankungen im Messmedium haben auch Auswirkungen auf das Ausgangssignal.
Der Einfluss des Luftdrucks
Bei der heute üblichen Methode der Kalibrierung (Erfassung des Messsignals an wasserdampfgesättigter Luft) muss der Luftdruck berücksichtigt werden, da sich die erwähnten Tabellen auf Normal-Luftdruck (1013 mbar) beziehen.
Dazu wird bei der Installation des Messgeräts entweder
• die Höhenlage über Normalnull eingegeben (da die wetterbedingten Luftdruckschwankungen
die Messgröße nur geringfügig beeinflussen, müssen sie nicht automatisch berücksichtigt werden)
• oder der aktuelle Luftdruck gemessen und am Messumformer eingegeben
Der JUMO dTRANS O2 01 bietet beide Eingabemöglichkeiten. Die Eingaben werden mit dem
Setup-Programm oder an der Bedieneinheit vorgenommen.
Salinität
Die Salinität bezeichnet die Menge der in Wasser gelösten Salze (in Gew.-%). Sie hat einen Einfluss
auf die Löslichkeit von Sauerstoff in Wasser.
8
286 Messung von Sauerstoff
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
3 Messtechnik
3.4
Kalibrierung
Bei der Kalibrierung wird der Messumformer den charakteristischen Eigenschaften des Sensormoduls angepasst.
Sauerstoffzellen müssen vor der Kalibrierung zunächst „einlaufen“. Das bedeutet, dass die
Messzelle an den Messumformer angeschlossen und in wasserdampfgesättigter Luft so lange betrieben wird, bis der angezeigte Wert sich nicht mehr ändert.
Mit Wasserdampf gesättigte Luft befindet sich einige Zentimeter über einer Wasseroberfläche. Die
Sauerstoffmesszelle sollte möglichst nahe der Wasseroberfläche sein, jedoch nicht nass werden!
Erst wenn sich ein möglichst stabiler Messwert eingestellt hat, ist eine Kalibrierung sinnvoll. Bei
dieser geht man beispielsweise folgendermaßen vor:
Ein im Einsatz befindlicher Sensor wird aus dem Messmedium genommen und vorsichtig mit klarem Wasser und einer weichen Bürste oder einem Lappen gereinigt. Danach trocknet man ihn sorgfältig durch vorsichtiges Abwischen mit einem sauberen Papiertuch und platziert ihn so in der
wasserdampfgesättigten Luft, dass er trocken bleibt. Nach Verstreichen der Einlaufzeit bleibt der
angezeigte Messwert nahezu konstant. Nun kann mit der Kalibrierung begonnen werden. Beim
JUMO dTRANS O2 01 prüft die Software die Stabilität des Sensorsignals. Bei stabilem Signal wird
die reale Sensorsteilheit berechnet und in Prozent des theoretischen Steilheitswertes ausgedrückt.
Bei manchen Sensoren muss im Rahmen der Kalibrierung auch der Nullpunkt des Sensors bestimmt werden. Man kann hierzu dem Messmedium eine ausreichende Menge Natriumsulfit zusetzen, welches den vorhandenen Sauerstoff zerstört. Eine Kalibrierung des Nullpunkts ist beim
JUMO dTRANS O2 01 nicht notwendig, da der Sensor nullstromfrei arbeitet.
8
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Sauerstoff
287
3 Messtechnik
8
288 Messung von Sauerstoff
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
4 Anwendungsbereiche
4.1
Regelung der Sauerstoffzufuhr in Kläranlagen
Die biologische Reinigung von Abwasser findet in sogenannten Belebungsbecken statt. Bevor das
Abwasser in diese Becken gelangt, wird es mit Belebtschlamm versetzt. Dieser beinhaltet eine Unzahl von Mikroorganismen, z. B. Bakterien, die in der Lage sind, die im Abwasser gelösten und fein
zerteilten organischen Schmutzstoffe (Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorverbindungen) abzubauen. Um den Mikroorganismen optimale Lebensbedingungen zu verschaffen, müssen die
Belebungsbecken ständig mit Sauerstoff (O2) versorgt werden. Der Eintrag von Sauerstoff in das
Wasser erfolgt über Gebläse.
Durch die Sauerstoffzufuhr wird Ammoniumstickstoff (NH4-N) über Nitrit (NO2-) zu Nitratstickstoff
(NO3-) umgewandelt. Diese Umwandlung, die als Nitrifikation bezeichnet wird, wird von speziellen
Bakterien – Nitrosomonas (NH4-N zu NO2-N) und Nitrobacter (NO2-N zu NO3-N) – durchgeführt.
Die gesamte Reaktion sieht dann wie folgt aus:
+
-
NH 4 + 2O2
NO 3 + H 2 O + 4H
+
(1)
Der gebildete Nitratstickstoff wird dann von Bakterien unter Abwesenheit von gelöstem Sauerstoff
zu elementarem Stickstoff (N2) reduziert. Der freie Stickstoff (N2) kann in die Atmosphäre entweichen. Diesen Vorgang bezeichnet man als Denitrifikation. Die zugehörige Gleichung lautet
folgendermaßen:
-
-
2NO 3 + 10e + 12H
+
N 2 + 6H 2 O
(2)
Da die Belüftung als größter Einzelenergieverbraucher 50 bis 80 % des Stromverbrauchs einer
Kläranlage verursacht, ist der erste und offensichtliche Ansatzpunkt für Energieeinsparung der
Sauerstoffgehalt im Belebungsbecken. Des Weiteren benötigen die Nitrosomonas und Nitrobacter
konstante Temperaturen und ausreichend Sauerstoffzufuhr. In Kläranlagen muss für die Bakterien
ein bestimmter Sauerstoffgehalt gegeben sein, damit der Prozess des Stickstoffabbaus nicht zum
Erliegen kommt. Hierzu ist die Bestimmung sowie die kontinuierliche Regelung des Sauerstoffgehalts im Belebungsbecken unbedingt erforderlich.
4.2
Fischzuchtanlagen
Wie Menschen sind auch Fische auf Sauerstoff angewiesen, benötigen ihn zum Atmen. Außerdem
bildet die optimale Sauerstoffversorgung einen sehr wichtigen Faktor für die Erhöhung der Fischproduktion.
Einige Fischarten benötigen sehr sauerstoffreiches Wasser, andere kommen auch mit weniger Sauerstoff aus (z. B. Süßwasserfische). Der Sauerstoffgehalt des Wassers sollte allerdings einen Mittelwert von 6 mg/l nicht unterschreiten.
Um den optimalen Sauerstoffgehalt in Fischzuchtanlagen zu erreichen, kommt reiner Sauerstoff
zum Einsatz. Dessen Löslichkeit liegt im Vergleich zu der von Luftsauerstoff um das Fünffache höher. Die Belüftung mit reinem Sauerstoff erfordert allerdings mehr Energie. Aus Kosten- und Energiespargründen ist man daher bestrebt, genau so viel Sauerstoff in die Fischzuchtanlage einzubringen, wie gerade benötigt wird.
Um eine Sauerstoff-Überversorgung und entsprechende Kosten zu vermeiden, ist die zuverlässige
und kontinuierliche Messung und Regelung des Sauerstoffgehalts in Fischzuchtanlagen unerlässlich.
8
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Sauerstoff
289
4 Anwendungsbereiche
4.3
Bierherstellung
Die Sauerstoffmessung spielt eine wichtige Rolle im Brauprozess: Ob während der Filtration oder
bei der Abfüllung, der Sauerstoffgehalt muss in verschiedenen Prozessschritten erfasst und geregelt werden.
Für die Haltbarkeit des Bieres ist es wichtig, dass im fertigen Produkt kein Sauerstoff mehr enthalten ist. Hohe Sauerstoffkonzentrationen haben zudem eine negative Auswirkung auf seinen Geschmack und seine Farbe; der Sauerstoffgehalt muss daher minimiert werden. Hierzu ist die kontinuierliche Überwachung dieses Parameters erforderlich.
Die Sauerstoffmessung in der Bierherstellung erfolgt vorwiegend im ppb-Bereich (< 100 ppb).
Spezielle Sensoren für niedrige Sauerstoffkonzentrationen sind auf dem Markt erhältlich.
4.4
Fermentation
Die Fermentation, ein Kernprozess bei der Herstellung biologischer Wirkstoffe, ist ein Prozess der
„weißen“ Biotechnologie. Hier werden Mikroorganismen oder Enzyme zur Herstellung von chemischen oder biochemischen Produkten genutzt. Bei der Fermentation hängt die Qualität des herzustellenden Wirkstoffs sehr stark von den Prozessbedingungen ab.
Je nach Organismus und Produkt kann Fermentation mit aeroben (sauerstoffabhängigen) oder
anaeroben (sauerstofffreien) Mikroorganismen durchgeführt werden. Die aeroben Mikroorganismen
benötigen Sauerstoff zum Leben. Im Gegensatz dazu wirkt der Sauerstoff bei anaeroben Mikroorganismen toxisch. Daher muss die Fermentation bei anaeroben Ansätzen ohne Sauerstoff erfolgen.
Da die Mikroorganismen sensibel gegenüber dem Sauerstoffgehalt sind, muss dieser Wert zuverlässig kontrolliert werden.
Der Markt eröffnet dem Anwender verschiedene Möglichkeiten, diesen Prozess mit hygienischen
Sauerstoffsensoren zu überwachen.
8
290 Messung von Sauerstoff
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
5 Qualitätssicherung
5.1
Fehler und Störungen bei der Sauerstoffmessung
mit amperometrischen Sensoren
Fehler/Störung
Mögliche Ursache
Behebung
Keine Anzeige
Keine Spannungsversorgung
Spannungsversorgung prüfen
Keine Sensorreaktion
Anzeigewert zu hoch
Elektrischen Anschluss prüfen
Fehlende Kurzschlussbrücke
Installation prüfen
Keine Anströmung
Anströmung prüfen und ggf. herstellen
Membran belegt
Membran reinigen
Sensor beschädigt
Sensor wechseln, danach erneut kalibrieren
Kalibrierung in Atmosphäre mit
zu geringer Sauerstoffsättigung
durchgeführt (z. B. in der Atmosphäre eines abgedeckten
Belebungsbeckens)
Erneute Kalibrierung in Atmosphäre mit normaler Sauerstoffsättigung (z. B. über der
Oberfläche eines mit Wasser gefüllten Eimers)
Messzellen-Membran reinigen und/oder
stabiles Ausgangssignal abwarten,
danach erneut kalibrieren
Sensor beschädigt
Anzeigewert zu niedrig
Anzeigewert stark
schwankend
Sensor wechseln, danach erneut kalibrieren
Messzellen-Membran reinigen und/oder
stabiles Ausgangssignal abwarten,
danach erneut kalibrieren
Keine Anströmung
Anströmung prüfen und ggf. herstellen
Sensor beschädigt
Sensor wechseln, danach erneut kalibrieren
Störeinstrahlung
auf die Messleitung
Spannungsversorgung prüfen
Ansprechzeit zu groß
Einbauort prüfen
Filterzeit (Zeitkonstante) O2 per Setup-Programm herabsetzen
Schutzmembran abnehmen
Hinweis:
Die Schutzmembran bildet einen zusätzlichen
Schutz vor mechanischen Beschädigungen
des Sensormoduls.
Bei Messung im Bereich
niedriger Sauerstoffkonzentration:
ist der Anzeigewert zu
hoch, wird der erwartete
Messwert nicht erreicht,
fällt die Anzeige unerwartet nach Kalibrierung
Die Einlaufzeit war zu kurz.
Der Elektrolyt in der Messzelle
enthält noch überschüssigen
Sauerstoff, der während der
Einlaufphase an der Kathode
verbraucht wird.
Einlaufzeiten ausreichend lang wählen.
Erst kalibrieren, wenn der Anzeigewert konstant ist.
8
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Sauerstoff
291
5 Qualitätssicherung
8
292 Messung von Sauerstoff
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
6 Quellenangabe
• Linde AG
Lebenselixier für erfolgreiche Fischzucht
Reiner Sauerstoff steigert die Produktion ganz natürlich
www.linde-gas.de
8
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Messung von Sauerstoff
293
6 Quellenangabe
8
294 Messung von Sauerstoff
JUMO, FAS 637, Ausgabe 2012-04
Fachliteratur von JUMO –
Lehrreiches für Einsteiger und Praktiker
Nicht nur bei der Herstellung von JUMO-Produkten, auch beim späteren Einsatz ist Know-How gefragt.
Deshalb bieten wir unseren Anwendern von uns erstellte Publikationen zu Themen der Mess- und Regelungstechnik an.
Die Publikationen sollen Einsteigern und Praktikern die unterschiedlichsten Anwendungsgebiete schrittweise
näher bringen. Hierbei werden überwiegend allgemeine Themenbereiche, zum Teil aber auch JUMO-spezifische Anwendungen, erläutert.
Zusätzlich zur JUMO-Fachliteratur, bieten wir Ihnen neben unseren Software-Downloads die Möglichkeit der
direkten Online-Bestellung von Prospekten und CD-ROM-Katalogen.
Elektrische Temperaturmessung
Regelungstechnik
mit Thermoelementen
und Widerstandsthermometern
Matthias Nau
Grundlagen für den Praktiker
Manfred Schleicher
FAS 146
Teile-Nr.: 00074750
ISBN: 978-3-935742-06-1
kostenfrei
FAS 525
Teile-Nr.: 00314836
ISBN: 978-3-935742-00-9
kostenfrei
Explosionsschutz in Europa
Reinstwassermessung
Elektrische Betriebsmittel
Grundlagen, Richtlinien, Normen
Jürgen Kuhlmei
Reinhard Manns
FAS 547
Teile-Nr.: 00324966
ISBN: 978-3-935742-08-5
kostenfrei
FAS 614
Teile-Nr.: 00369643
kostenfrei
Messung der Redoxspannung
Amperometrische Messung
von freiem Chlor, Chlordioxid
und Ozon
Ulrich Braun
Dr. Jürgen Schleicher
FAS 615
Teile-Nr.: 00373848
kostenfrei
FAS 619
Teile-Nr.: 00394969
kostenfrei
Thyristor-Leistungssteller
Messung des pH-Wertes
Grundlagen und Tipps für den Praktiker
Manfred Schleicher, Winfried Schneider
Matthias Kremer
FAS 620
Teile-Nr.: 00398728
ISBN: 978-3-935742-04-7
kostenfrei
FAS 622
Teile-Nr.: 00403231
kostenfrei
Fachliteratur von JUMO –
Lehrreiches für Einsteiger und Praktiker
Leitfähigkeitsmessung,
Konzentration, TDS
Messunsicherheit einer
Temperaturmesskette
Reinhard Manns
mit Beispielrechnungen
Gerd Scheller, Stefan Krummeck
FAS 624
Teile-Nr.: 00411335
kostenfrei
FAS 625
Teile-Nr.: 00413510
ISBN: 978-3-935742-12-2
kostenfrei
Messung von Wasserstoffperoxid/
Peressigsäure
Funktionale Sicherheit SIL
Dr. Jürgen Schleicher
Dr. Thomas Reus
Matthias Garbsch
FAS 628
Teile-Nr.: 00420695
kostenfrei
FAS 630
Teile-Nr.: 00463374
kostenfrei
Messung von Ammoniak
Analysenmesstechnik
in flüssigen Medien
Dr. Jürgen Schleicher
Ein Handbuch für Praktiker
Dr. Öznur Brandt, Ulrich Braun,
Matthias Kremer, Reinhard Manns,
Dr. Jürgen Schleicher
FAS 631
Teile-Nr.: 00481786
kostenfrei
FAS 637
Teile-Nr.: 00526103
ISBN: 978-3-935742-16-0
kostenfrei
Besuchen Sie unsere Website auf www.jumo.net und überzeugen Sie sich von der umfangreichen Produktpalette für die verschiedensten Einsatzgebiete. Dort finden Sie weitere Informationen und die richtigen Ansprechpartner für Ihre Wünsche, Fragen, Anregungen und Bestellungen.

Documentos relacionados