Wale in der Eckernförder Bucht einst und jetzt

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Wale in der Eckernförder Bucht einst und jetzt
NATUR UND UMWELT
CARL CHRISTIAN KINZE
UND ANDREAS FRIEDRICH PFANDER
Wale in der Eckernförder Bucht einst und jetzt
Es ist Samstag, 16. April 2005, gegen 20 Uhr. Leicht durchgefroren und
enttäuscht kehren wir zurück nach einer 3-stündigen erfolglosen Suche
in der Eckernförder Bucht. Sechs Tage zuvor war der Wal am Sonntag
um etwa 10.30 Uhr aufgetaucht und mehrfach gesehen worden, ebenso
an den darauf folgenden Tagen, und nun hat er offensichtlich die
Eckernförder Bucht wieder verlassen. Höchstwahrscheinlich handelte
es sich um denselben Finnwal, der erstmals am 21. Dezember 2004 bei
der dänischen Insel Samsö entdeckt worden war, am 26. Dezember
2004 weiter westlich bei Endelave und am 27.12.04 bei Middelfart
erneut gesichtet wurde. Bis zum 19. Januar 2005 wurde er mehrfach in
der Apenrader Förde beobachtet und fotografiert. Auf Grund des
Fotos konnte er eindeutig als Finnwal (Balaenoptera physalus) identifiziert
werden.
Aktuell sind seit 2003 praktisch jedes Jahr, vorwiegend im Frühjahr,
aber auch im Sommer, Finnwale in deutschen Ostseegewässern
aufgetaucht. Durch eine enge dänisch-deutsche Kooperation gelingt es
meist zweifelsfrei, den Weg der Wale zu verfolgen; über Internet und
Telefon werden Informationen weitergegeben. Vor Ort werden die
Wale von der Wasserschutzpolizei, Wissenschaftlern sowie Natur- und
Walschutzorganisationen
(Gesellschaft
zum
Schutz
der
Meeressäugetiere, Greenpeace) engmaschig überwacht. Das
Medieninteresse ist groß, Fotos und Videosequenzen werden im
Internet veröffentlicht.
Vor 100 Jahren war die Öffentlichkeit an Walbeobachtungen in der
Eckernförder Bucht nicht weniger interessiert. Die Zielrichtung war
jedoch eine andere. Am 25. Oktober 1898 erscheint folgende Meldung
in der Eckernförder Zeitung: „Der in letzterer Zeit in der Ostsee bemerkte
Walfisch wurde
Diese Postkarte stellt das Auftauchen eines Wals vor Eckernförde im November
1898 dar. Die überdimensionierte Größe des Tieres vermittelt einen Eindruck,
welche Bedeutung das Ereignis einst für die Stadt und seine Bewohner hatte.
gestern in der hiesigen Förde gesehen.“ Unter dem 26. Oktober 1898 heißt es
dann: „Der seit mehreren Tagen in unserer Förde sich aufhaltende Walf sch zeigt
sich heute morgen in der Nähe des Süder Denkmals, gerade als unsere Fischer dort
ihre Heringswade auswarfen. Bei dieser Gelegenheit gelang es, den Koloss (ca. 10 m
lang) in das Netz zu bringen und verhielt er sich eine Zeit lang ruhig, bis sie die
Wade ungefähr halb eingezogen hatten. Dann wurde er unruhig, zerriss das Netz
und rückte aus.“ Nach diesen Berichten hatte sich der Wal bis zum 23.
November 1898 in der Eckernförder Bucht aufgehalten; die
abschließende Meldung ist charakteristisch für die Einstellung der
damaligen Zeit: „ Der Walfisch, welcher sich seit mehreren Wochen in unserer
Föhrde aufgehalten und sich während dieser Zeit in zuvorkommendster Weise dem
schaulustigen Publikum in unmittelbarer Nähe des Wellenbrechers am äußersten
Ende der Schiffsbrücke zeigte, hat sich seit Sonntag wieder aus derselben entfernt,
nachdem verschiedentlich von hiesigen Einwohnern, wie auch von Kielern per
Dampfer mittelst Harpunen und den verschiedenstartigen Schießgewehren vergeblich
Jagd auf denselben gemacht war. Der Walfisch soll in den letzten Tagen in der
Kieler Föhrde bei Ellerbek gesehen worden sein. Die Länge desselben wurde auf
reichlich
40 Fuß geschätzt.“ Es wird auch über eine Jagdexpedition aus Schleswig
berichtet, die sich auf dem Dampfschiff „Valparaiso“ einschiffte,
jedoch wegen Sturm und Seekrankheit in Lindaunis die Eisenbahn nach
Eckernförde bestieg und schließlich unverrichteter Dinge nach
Schleswig zurückkehren musste. Es existiert ein Foto der
Jagdgesellschaft im Garten des Bahnhofshotels. Der Wal wurde
überdimensioniert auf einer Postkarte verewigt unter dem Titel
„Walfischjagd bei Eckernförde“. Möglicherweise ist dieser Wal
identisch mit dem männlichen 14 m langen Finnwal, der am 14. August
1899 bei Dievenow (heute Dziwnow) an der pommerschen Küste
strandete.
Am 1. März 1911 berichtet die Eckernförder Zeitung: „Das Ereignis des
Tages ist hier natürlich der Walfisch, der sich seit gestern seelenvergnügt in der
Eckernförder Bucht tummelt und von so zahlreichen, glaubwürdigen Leuten
beobachtet wurde, daß kein Zweifel mehr laut wurde. Unter Benutzung des
Motorbootes von W. Dibbert machten sich schon gestern Nachmittag mehrere
Schützen von hier auf die Walfischjagd. Man kam wiederholt zum Schuß und
konnte auch mehrere Treffer verzeichnen. Der Walfisch schien solchen ungastlichen
Empfang nicht weiter übel zu nehmen. Vergnügt und gut gelaunt setzte er seine
Spritzfahrten in der inneren Förde fort, tauchte bald weiter draußen, bald nahe am
Strand auf, und hielt sich aber meist vorschriftsmäßig in der Nähe der roten
Einfahrtstonne. Denn als voll befahrener, alter, ehrlicher Seemann weiß er natürlich
mit den Seezeichen genau Bescheid. Nach den übereinstimmenden Berichten aller
Augenzeugen handelt es sich um einen Wal von gewaltiger Größe, auf dreißig Meter
schätzen ihn die Sachverständigen. Heute morgen wurde das Tier in der Nähe der
Neumannschen Badeanstalten bei der Morgentoilette beobachtet. Er hat uns also
noch nicht wieder verlassen, der gute Wal, und hoffentlich wird er uns noch für
längere Zeit die Ehre seiner Anwesenheit schenken. Es tut so wohl zur
Abwechslung, statt von Heringen, Sielen und Sprotten, auch einmal vornehm,
herablassend von ,unserem Walfisch‘ reden zu können.“
Am Freitag, den 3. März 1911, wird berichtet: „Der Walfisch ist auch heute
Vormittag wieder in der inneren Föhrde beobachtet worden: in der Nähe der
Einfahrtstonne bei der Ringelnatter und an anderen Stellen. Heute Nachmittag
wollen verschiedene hiesige Jäger ihm zu Leibe.“ Und an einer anderenStelle
dieser Ausgabe der Eckernförder Zeitung heißt es weiter: „Die Ellerbeker
Fischer machten in der letzten Nacht recht bedeutende Fänge von Heringen und
Sprotten. Anscheinend hat der in der Eckernförder Bucht auftauchende Wal die
Schwärme vor sich hergetrieben.“ Eine ungefähre Vorstellung von der die
Intensität der Jagdbemühungen vermittelt eine Notiz in der
Eckernförder Zeitung vom 7. März 1911: „Der Walfisch wurde gestern
wiederholt in der mittleren Förde unterhalb Hohenstein und noch etwas weiter
draußen beobachtet. Am Sonnabend wurde von mehreren Motorbooten aus auf den
Walfisch gejagt, u.a. kam Graf Reventlow-Altenhof wiederholt zum Schuß, 5 gute
Treffer wurden wahrgenommen.“ Danach hat der Wal die Eckernförder
Bucht wieder verlassen, wurde vor Alsen gesehen und tauchte am 8.
März 1911 in der Flensburger Förde auf. Folgende Meldung erscheint
in der Eckernförder Zeitung vom 18. März 1911:
„,Unserem Walfisch‘ ist es im weiteren Verlauf seiner Ostseereise schlecht ergangen.
Bekanntlich hatte er sich von hier etwas weiter nach Norden begeben, und war
zunächst in den Gewässern um Alsen aufgetaucht und hatte dann einen Abstecher
in die Flensburger Förde unternommen. Hier ist er von seinem Geschick ereilt
worden. Zur Unterstützung der Fischer von Langballigau, die sogleich die
Walfischjagd energisch aufnahmen, entsandte S.M.S. Württemberg mehrere
Dampfboote unter Führung des Kapitänleutnants Schleuser, und den vereinten
Bemühungen gelang es das seltene Wild zur Strecke zu bringen. Nach einem uns
zugehenden Privat-Telegramm ist der Wal- fi sch auf einer Sandbank bei
Westerholz in nächster Nähe von Langballigau gestrandet. Durch die Fischer hatte
der Riese sich auf die Sandbank treiben lassen, und von dort gab es kein Entrinnen
mehr. Die Länge des gefangenen Wals wird uns auf 15 Meter angegeben: das Tier
ist also erheblich kleiner, als es hier von den Augenzeugen geschätzt wurde.“ Das
Strandungsdatum wird von der Hamburger Zoologin Erna Mohr 20
Strandung eines Finnwals am 17. März 1911 auf einer Sandbank vor
Westerholz, aus: Heimatbuch des Kreises Eckernförde, S. 167, 1928.
Nacht vom 16. auf den 17. März 1911“
angegeben.
1 Der Walkadaver wurde zu einer Sensation. Unter dem 24. März 1911 berichtet die Eckernförder Zeitung, dass 3000
Personen mit Extrazügen der Bahn, 600
bis 800 per Schiff anreisten. Neben dem
Kadaver wurde heiße Wurst, sog. „WalAuf einem Stein am Strand von
wurst“, angeboten, in Anbetracht der
schnell einsetzenden, massiven Verwe- Westerholz erinnert noch heute
eine Inschrift an das Ereignis aus
sungdes Kadavers sicherlich ein zweidem März 1911.
felhaftes Vergnügen. Der Kadaver wurde
dann am 01. April 1911 durch eine Düngerfabrik aus Sonderburg
entsorgt, die auch die Art bestimmte und den Wal vermaß. Er hatte
eine Länge von 19,17 m. Nach Erna Mohr sollen zwei Barten im
Flensburger Museum, das Skelett im Museum in Hannover verblieben
sein, wo es aber nicht mehr auffindbar ist. Am Strand von Westerholz
erinnert noch heute ein Stein an das Ereignis.
In der ersten Novemberhälfte 1943 soll ein Finnwal von 12 bis 13
Metern ebenfalls in der Flensburger Förde „im Fahrwasser bei den
Ochseninseln“ erfolglos beschossen worden sein (Flensburger
Nachrichten vom 16. November 1943). Die Zeitungsmeldung spricht
von einem „Grindwal“ (Globicephala melas), der aber allein schon wegen
der Längenangabe ausscheidet.2 Weitere Sichtungen von Finnwalen
gab es 1957/58 in der Apenrader Förde, außerdem strandete am 26.
Februar 1958 ein 20,6 m langer männlicher Finnwal bei Naesbystrand
auf der dänischen Insel Lolland.
Heutzutage wissen wir, dass Finnwale die Ostsee regelmäßig besuchen.
Offensichtlich kommen sie mit der Topographie des flachen
Randmeeres Ostsee gut zu Recht, sie schwimmen zwischen den Dalben
eines Jachthafens und wurden sogar unter der Brücke von Sonderburg
beobachtet. Finnwale scheinen dem Heringszug im Frühjahr, seltener
im Herbst zu folgen, sie nutzen geschickt flache Buchten oder die
Spundwände der Häfen aus, in denen sie die Schwärme
zusammentreiben. Während unserer vergeblichen Suche am 16. April
2005 sprachen wir auch mit einem Angler, der uns Folgendes
berichtete: Er habe auf seinem Fischfinder zahlreiche Heringe gesehen,
die sich jedoch über ein größeres Gebiet verteilten. Als der Finnwal
neben ihm
Luftaufnahme eines Finnwals, der sich 2006 in der Flensburger Förde aufhielt.
Der Vergleich mit dem Boot ermöglicht eine Schätzung der Länge des
Tieres auf über 10 Meter.
aufgetaucht sei, hätten die Heringe einen Schwarm gebildet, dann sei
der Finnwal abgetaucht und die Heringe seien plötzlich verschwunden.
Es bleibt anzumerken, dass an diesem Tag, einem Sonntag, im
Gegensatz zu den Ellerbeker Fischern vor fast hundert Jahren die
meisten Angler leer ausgingen.
An einem Sonntag im August 1766 (17. August 1766) wurde ein
Buckelwal von Eckernförder Fischern erlegt. Über seinen Fang ist im
städtischen Protokoll von Eckernförde am 21. August 1766 zu lesen3:
„Am vorigen Sonntag, als den 17. des Monates wurde von den hiesigen Fischern,
im Strohme bey hiesiger Schiffbrücke gleich nach 12 Uhr des Mittags ein Fisch von
ganz besonderer und merkwürdiger Größe, nachdem die auf ihn gemachte Jagd von
des Morgens 5 Uhr mithin an die 7 Stunden gedauert hatte, gefangen und getötet.
Die Länge desselben betrug 34 Fuß 7 Zoll und die Dicke 21 Fuß. Die beiden
Flarren oder Floßfedern und der Schwantz sollen getrocknet und wenn es
projektiertermaßen angehen will, auf dem hiesigen Rathaus zum ewigen
Angedenken aufbewahrt werden; eines der Flarren, welches in des Herrn CantzeleyRath Otten Hause gewogen wurde, hat 17 Pfund gewogen. Die auf diesen Fisch
gemachte Jagd, welche man von der Schiffbrücke und
denen daran liegenden Schiffen, wo er gantz nahe vorbey strich, eigentlich zusehen
konnte, war sehr divertissant anzuschauen; und war das Ufer an beiden Teilen mit
Menschen gleichsam besät. Da die nach der Föhrde oder Rhede führende Mündung
des Strohmes mit einigen Böten besetzet war, welche dem Fische den Ausweg in die
Föhrde oder den Hafen, wo er gewis entwischet oder doch nicht zu fangen gewesen
seyn würde, versperreten: so schwamm er immer in einer Länge von 3 bis 400
Schritten im Strohme längs der Schiffbrücke auf und nieder, oder schoß vielmehr so
schnell als ein Pfeil fort und schlepte die Böte, worin die Fischer, welche ihn
harpuniert hatten, sich befanden, mit gleicher Geschwindigkeit hinter sich drein. Bey
einer jeden Tour, die er machte kam er etliche Mahl ein paar Ellen hoch übers
Wasser in die Höhe, um Luft zu schöpfen, da er denn aus seinem Blase-Loch das
Wasser in die Höhe blies, und dabey, so lange er noch nicht matt war, ein Getöhn
fast wie das Brüllen eines Ochsen von sich hören ließe. Und sooft er in die Höhe
kam, schossen die in der Nähe befindlichen Fischer auf ihn mit Harpunen,
Lantzen, Boots-Hacken u. d.gl., wodurch sowohl, als durch etliche 30 Kugeln,
womit die vorhandenen Schützen ihn verwundeten, er endlich gantz abgemattet ward
und sein Leben aufgab… Die Fischer haben ihn bis auf den dritten Tag für Geld
sehen lassen und wohl 100 Mark damit verdient… Es ist fast unglaublich, was für
eine Menge Menschen von Sleswig, Rendsburg, Kiel und den umliegenden Güthern
hierher gekommen sind, um den Fisch zu sehen; allein viele derselben kamen zu
spät, weil er wegen des Gestankes nicht länger als 3 Tage conservieret werden
konnte.“ Von dem Tier, einem Buckelwal oder Megaptera novaeangliae,
wurde von dem Maler Johann Leihammer auf Veranlassung des
Bürgermeisters Classen
Johann Leihamer: In Eckernförde erlegter Buckelwal, 1766, Gouache/Papier,
26 x 44,2 cm, Original im Museum Eckernförde.
„eine Abzeichnung gemachet“. Glaubt man dem Autor des Beitrags
Über Walfische im Eckernförder Hafen“ im Heimatbuch des Kreises
Eckernförde von 1928, so soll die Neugier der Borbyer so groß
gewesen sein, „ daß sie den Prediger in der Kirche allein ließen, um das
ungewohnte Schauspiel zugenießen.“ Weiter schreibt der Chronist, der
fälschlicherweise von einem Finnwal spricht: „Lange Jahre stand am
Ballastberg eine Rippe von dem Wal, und der Porzellanmaler Leihamer ließ ein
Bild von dem Seeungeheuer im Druck erscheinen, welches in vielen Häusern die
Wand zierte.“4
Auch in jüngster Zeit wurden Buckelwale in der Ostsee beobachtet, so
zum Beispiel am 25. Februar 2004 im Hafen von Sonderburg und am
31. März 2006, rechtzeitig zur Tagung der europäischen Walforscher
(ECS – European Cetacean Society), in der Danziger Bucht. Leider ist
dieser Buckelwal am 25. Juli 2006 in Lettland gestrandet bzw. tot
angetrieben worden. Weitere Strandungen in der Ostsee sind
dokumentiert: 1578 bei Liebau in Kurland, 1620 an der Divenow
Mündung und 1803 bei Göteborg. 1806 wurde sowohl bei Petersburg
und Bornholm als auch 1851 bei Tallin/Reval jeweils ein Buckelwal
gefangen und getötet. 1978 und 1979 durchschwamm ein Buckelwal die
nördliche Ostsee und verendete schließlich an der polnischen Küste.
Bei der für das Jahr 1709 angegebenen Strandung vor Ystad handelt es
sich wahrscheinlich eher um den seltenen, im Nordatlantik als
ausgestorben geltenden Grauwal (Eschrichtius robustus), der heutzutage
nur noch im Nordpazifik vorkommt (Kinze, 2005).
C. G. Hanssen berichtet 1833 in seinem „Versuch einer Chronik von
Eckernförde“: „Schon früher hatte man dergleichen Seeungeheuer hier eingefangen.
So 1520 einen großen Fisch, dessen Zunge 300 Pfund wog, und dessen Leber
anderthalb Tonnen Thran gab“. Leider liegen Originalunterlagen, die
wissenschaftlich ausgewertet werden könnten, heute nicht mehr vor, so
dass man auf Vermutungen angewiesen ist. Es wurde bisher
angenommen, dass es sich um einen Wal, möglicherweise um einen
Bartenwal gehandelt hat, aber die angegebenen Massenwerte stimmen
nicht mit den einschlägigen Angaben der Fachliteratur überein.
Die Zunge macht bei Großwalen etwa 5 Prozent des Körpergewichts
aus. Ein Zungengewicht von 300 Pfund oder 150 kg entspräche
demnach einem drei Tonnen schweren Wal. Es kämen also nur
mittelgroße Wale wie Schwertwale,Entenwale oder Zwergwale in Frage.
Bei keiner dieser Arten wiegt die Leber jedoch mehr als 100 kg. Ein
Tranertrag aus der Leber von anderthalb Tonnen deutet aber auf ein
Lebergewicht von 900 kg! Eine so große Lebermasse gibt
Zwischen Meierwik und Glücksburg am 27. Oktober 1928 gestrandeter Zwergwal
oder Minkewal
es bei Dreitonnen-Tieren nur beim Riesenhai (Cetorhinus maximus), bei
dem die Leber 25 bis 30 Prozent des Körpergewichts ausmacht. Zudem
ist die Zunge eines Riesenhais viel leichter vollständig aus dem Mund
abzutrennen als bei einem Wal. 1520 handelte es sich bei dem Fang also
wahrscheinlich gar nicht um einen Riesen-Wal, sondern um einen
Riesenhai.
Weitere Strandungen oder Fänge von Bartenwalen in der Eckernförder
Bucht sind nicht bekannt. Der hier abgebildete Zwergwal oder Minke
(Balaenoptera acutorostrata) strandete am 27. Oktober 1928 in der
Flensburger Förde zwischen Meierwik und Glücksburg, er hatte ein
Gewicht von 2000 Pfund. Bei der letzten Presseveröffentlichung am 22.
Dezember 1994 in „Moin Moin“ wurde immer noch gerätselt, ob es
sich um einen Schnabelwal oder Finnwal gehandelt haben könnte. Das
Foto verdanken wir Herrn Artur Elias aus Flensburg, dessen Vater den
Wal entdeckte und fotografierte. Auf Grund der nebenstehenden
Personen lässt sich die Länge des Wals auf zwischen 4 und 5 m
schätzen, es muss sich danach um ein jugendliches Tier gehandelt
haben.
Anfang September 2000 gab es eine Sichtung eines Zwergwales in der
Flensburger Förde und später eine Strandung bei Heiligenhafen. 1850
strandete ein
Zwergwal bei Flensburg, und zwar nördlich der preußisch-schwedischnorwegischen Demarkationslinie. Das Kieler Museum musste damals
von einem Erwerb absehen, da der genannte Preis der Eigner zu hoch
war. Ob die Eigner dänisch-gesinnte königstreue Flensburger waren
und gerade deshalb hohe Forderungen stellten, wissen wir nicht. Der
wahrscheinliche Strandungsort liegt ziemlich genau an der heutigen
deutsch-dänischen Grenze.
Auf Grund von weiteren Strandungen und Fängen aus angrenzenden
dänischen und deutschen Gewässern in den Jahren 1824, 1839, 1918,
1952, 1953, 1960, 1974, 1976, 1980, 1999, 2001, 2002 und aktuell am
22. April 2007 in der Apenrader Förde muss man annehmen, dass der
Zwergwal neben dem Finnwal der häufigste Bartenwal in der
westlichen Ostsee ist.
Am 5. Juni 2003 wurde ein Zwergwal aus dem südlichen Kattegatt, der
in ein Bundgarn geschwommen war, von dem dänischen
Wissenschaftler Jonas Teilmann mit einem Sender versehen. Die
weitere Reise dieses kleinen eleganten Furchenwals, der bis zu zehn
Meter lang wird, konnte dank Sender und Satellit über 87 Tage verfolgt
werden. Sie verlief über den Norden von England in den Atlantik bis in
die Breite der Kapverdischen Inseln und endete am 28.08.2003 im
Mittelmeer, nachdem die Batterie erschöpft und der Sender abgefallen
war.
Am 21. April 2001 wurde von dem Arnisser Fischer Schock auf dem
Stoller Grund mit dem Grundschleppnetz ein eigenartig geformter
Schädel an die Oberfläche geholt. Auf Grund der Form war sofort
erkennbar, dass es sich hierbei um den Schädel eines jungen Nördlichen
Entenwals oder Döglings (Hyperoodon ampullatus) handelte. Dies legte die
Vermutung nahe, dass es sich um das Jungtier handeln könnte, das am
23. August 1993 zusammen mit seiner Mutter an der Südspitze von
Hiddensee strandete. Das Jungtier, ein Säugling, kam frei und
verschwand. Die Mutter verendete auf der Sandbank und wurde im
Hafen von Stralsund seziert. Neben der reichlich vorhandenen
Muttermilch wurde auch der Mageninhalt untersucht. Auf Grund von
unverdauten Schnäbeln einer Tiefseetintenfi schart gelang der
Nachweis, dass die Entenwale direkt vom norwegischen Schelf in die
Ostsee geschwommen waren. Die Vermessung des 2001 geborgenen
Schädels, der sich im Zoologischen Museum in Kiel befindet, ergab,
dass es sich zwar um ein junges subadultes Tier handelt, nicht aber um
einen Säugling. Damit erübrigt sich eine aufwendige und teure
Untersuchung der DNS zum Nachweis einer möglichen
Verwandtschaft. Der Schädel gehört damit zu einer bisher
nicht bekannten Strandung eines Nördlichen Entenwals in der Kieler
bzw. Eckernförder Bucht.
Erst kürzlich wurden Aufzeichnungen des Pastors Tobias Meier aus
dem Kirchenbuch von Gelting in der Illustrierten Beilage zum
Flensburger Tagesblatt, 1926, „wiedergefunden“. Pastor Meier
beschreibt einen Entenwal, der 1707 an der Küste des östlichen Angeln
gestrandet war. Strandungen von Entenwalen gab es mehrmals auch in
unmittelbarer Nähe der Eckernförder Bucht: 1801 bei Möltenort und
1634 bei Brunsnæs an der
Nordküste der Flensburger
Förde. Ein jugendliches
Tier, das im Januar 2006
die Themse hinauf bis
nach London schwamm,
überlebte diesen Ausflug
nicht – trotz intensiver
Zeitgenössische Darstellung des 1707 bei Gelting
Rettungsversuche und
gestrandeten
Nördlichen Entenwals aus dem
Live-Berichterstattung
Kirchenbuch
Gelting
im Fernsehen.
Im Sommer 1989 fand vor Eckernförde eine Regatta der
Mehrrumpfboote statt. Am 30. Juni 1989 erschienen plötzlich zwei
Delphine, die sich mehrere Stunden in der Umgebung der Regattabahn
aufhielten und als glückliche Vorzeichen angesehen wurden. Sie
konnten schließlich nach einer längeren Suche mit dem Boot der
Wasserschutzpolizei
in
Höhe
der
Tonne
Aschau
als
Weißschnauzendelphine (Lagenorhynchus albirostris) identifiziert werden.
diese Weißschnauzendelphine gehörten zu einer Gruppe von sechs
vermutlich jugendlichen Individuen, die einen Abstecher in die
westliche Ostsee unternommen hatten. Der Verlauf dieser Reise konnte
von dänischen Wissenschaftlern nahezu lückenlos dokumentiert
werden. Der Weißschnauzendelphin ist der zweithäufigste Zahnwal in
den Gewässern der Ostsee. In Kinzes Zusammenstellung von 1575 bis
1991 finden sich 26 Strandungen und Fänge im Bereich der Kieler
Bucht und des Kleinen Beltes. Am 31. Dezember 1857, so berichtet die
Eckernförder Zeitung vom 2. Januar 1858, sei ein Delphin vor
Louisenberg gestrandet und getötet worden, der 400 Pfund gewogen
habe. Weitere Daten außer denen der Zeitungsmeldung sind nicht
bekannt. Es könnte sich möglicherweise um einen Weißschnauzendelphin
gehandelt
haben,
wie
auch
bei
den
fünf
Weißschnauzendelphinen, die am 3. Januar 1862
6 Weißschnauzendelphine im Skagerrak am 27. Mai 2007, Foto: Carsten
Michael Hansen
während der saisonal bedingten Jagd auf den Schweinswal in Middelfart
erbeutet wurden. Auch im September 1851 soll es an der
schleswigschen Küste ein vermehrtes Auftreten von Delphinen
gegeben haben, ohne dass die Art bisher sicher bestimmt werden
konnte. Zwei Weißschnauzendelphine wurden im März 1852 in der
Kieler Bucht erlegt. Die Skelette wurden von dem Kieler Zoologen
Claudius untersucht und in einer auf Latein veröffentlichten Arbeit
beschrieben. Die Schädel dieser beiden männlichen Delphine sollen
sich noch heute im Zoologischen Museum in Kiel befinden.
Für die benachbarten Gewässer der Eckernförder Bucht sind auch
mehrere Funde und Fänge des Großen Tümmlers (Tursiops truncatus)
bekannt, so auch für das Jahr 1870. Am 26. Januar 1870 wurden 49
Tiere einer vielleicht doppelt so großen Schule im Kleinen Belt bei
Middelfart erlegt. Im Juni dieses Jahres strandeten zwei Tiere an der
Ostseite der Kieler Außenförde.5 Nach Angaben der Eckernförder
Zeitung Nr. 52 vom 2. Juli 1870 hatte am 29. Juni in Flensburg „eine von
Cappeln kommende Yacht… einen ca. 300 Pfund wiegenden Tummler im
Schlepptau, den der Schiffer in hiesiger Föhrde todt treibend angetroffen haben
will… ( Auch von hiesigen Fischern sindohnlängst mehrere Delphine treibend
aufgefunden und das Fett derselben ausgekocht worden. Anm d. Red.)“
Im Herbst 1929 ließ sich ein großer Tümmler in Brunsbüttel in den
Nord- Ostseekanal einschleusen, der am 12. Oktober, nachdem er den
Kanal unversehrt durchschwommen hatte, bei Holtenau getötet
wurde.6 Zwei weitere „Tümmler“ sollen am 4. Mai 1933 bei Möltenort
gefangen worden sein.7 Auf Grund des angegebenen Gewichtes von 85
kg wird es sich vermutlich eher um Delphine oder sogar um
Schweinswale gehandelt haben. Erna Mohr berichtet über die Sichtung
eines Großen Tümmlers Mitte April 1930 In der Schlei bei Grauhöft.
Dazu berichtet der Schleibote Nr. 87 vom 12. April 1930: „Ein Tümmler
auch Schweinsfisch genannt wurde dieser Tage in der Schlei bei Grauhöft gesichtet.
Das Tier wird sich bei der Verfolgung eines Heringschwarms verirrt haben. Der
letzte Tümmler wurde im Jahre 1921 in der Schlei bei Rabelsund wahrgenommen.
Die Tiere werden 1,50 bis 2 Meter lang. Die Tümmler, die sich oft auch in Flüsse
verirren, schaden, indem sie auch den Fischern bereits ausgestellte Netze zerreißen.“
Damit wird dieser „Große“ zu einem „Kleinen Tümmler“, der heute –
um den Sachverhalt eindeutig festzulegen – oft als Schweinswal
bezeichnet wird.8 Laut Schultz erfolgten Sichtungen von Großen
Tümmlern bei Lippe/Hohwacht im Sommer 1963 und 1964,
wohingegen es sich bei dem Fund vom 3. April 1963 in der Kieler
Förde bei Bülk nicht um einen Großen Tümmler, sondern einen
Weißschnauzendelphin gehandelt hat. Aus den Jahren 1996 bis 1997
und 2001 bis 2005 wurden etliche Sichtungen des Gewöhnlichen
Delphins (D. delphis) aus der Flensburger Förde, dem Fehmarnsund und
den angrenzenden dänischen Gewässern gemeldet. Dass sie auch der
Eckernförder Bucht einen Besuch abgestattet haben, erscheint
wahrscheinlich. Am 2. Mai 2002 tauchten gegen 16.00 Uhr zwei
Delphine zehn Seemeilen nördlich von Schleimünde in unmittelbarer
Nähe mehrerer Boote auf. Nach Angaben eines Gewährsmannes
hielten sie sich mehrere Minuten in der Umgebung auf und entfernten
sich dann in östlicher Richtung.
1984 tauchte in der Ostsee, wie schon 1964, 1965,1966, 1976, 1981,
1982 und 1983, ein Weißwal oder Beluga (Delphinapterus leucas) auf. Er
wurde auch von einem Fischer in der Eckernförder Bucht gesichtet.
1903 wurde ein jugendliches Tier in der Flensburger Förde erbeutet,
dessen Skelett ins Altonaer Museum kam, wo es leider nicht mehr
auffindbar ist. Der Weißwal, von den Medien scherzhaft als „Moby
Dick“ bezeichnet, der im Mai 1966 den Rhein stromaufwärts bis zum
Rolandseck schwamm, sorgte vielleicht auch dank der erfolglosen
Versuche des Dr. Gewalt aus dem Zoo Duisburg für eine große
öffentliche Aufmerksamkeit. Das Tier erreichte am 16. Juni 1966 um
18.42 Uhr bei Hoek van Holland die Nordsee und hinterließ einen
nachhaltigen Eindruck, der in der Bundesrepublik Deutschland zu
einem Umdenken im Natur- und Umweltschutz führte. 1983 konnte
der Weißwal „Willem“, der die Elbe hinauf schwamm, dank des
Einsatzes der Meeresbiologin und Walschützerin Petra Deimer
(Vorsitzende der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere) am 17.
Januar 1984 den Weg zurück in die Nordsee finden.
Auch echte Exoten besuchen gelegentlich die Ostsee und die Kieler
Bucht: Am 24. November 1861 kam es nicht weit von Eckernförde,
nämlich in Strande, zu einem Ereignis, das man aus heutiger Sicht als
eine echte Sensation werten muss. Brehm schreibt in seinem
„Thierleben“ 14 Jahre später über die Begebenheit: „Grinde, nicht aber
Schwertfische waren es wohl, welche am 24. November 1861 in der Kieler Bucht
sich verirrten und anfänglich die Fischer in nicht geringen Schrecken versetzt hatten.
Als es hell geworden war, sagt Möbius, welcher hierüber berichtet, sah man den
ganzen inneren Teil der Bucht von ihnen belegt. Zu 4 – 6 nebeneinander gereiht
zogen sie herein, dem Hafen zu. Ein Segelboot mit einigen Bootsleuten, welche am
frühen Morgen Möwen zu schießen ausgesegelt waren, folgte ihnen. Ihre
schwarzen,säbelförmigen Rückenfinnen traten hoch aus dem Wasser, wenn sich der
gewaltige Rücken und dann der Kopf heraushob, um das Nasenloch in die Luft zu
tauchen. Als dann verschwanden sie wieder. So wogte ihr schwarzer Körper auf und
nieder und setzte das Wasser, in welchem sie sich kraftvoll tummelten, in Bewegung.
Wenn sie aber über der Oberfläche atmeten, hörte
Kleiner Schwertwal, am 24. November 1861 von Kieler Fischern erlegt, die sich auf
dem Foto zusammen mit ihrer Beute präsentieren.
man ein starkes Pusten und stießen sie im Niedertauchen die Luft aus den Lungen,
so stieg ein Strahl von 1 – 1,5 m Höhe empor. Je näher diese Riesen der Stadt Kiel
kamen, umso mehr Boote sammelten sich hinter ihnen, von beiden Ufern eilten
Schiffer, Fischer und Neugierige herbei. So waren sie in den schmalsten, seichtesten
Teil der Bucht und zum Stranden getrieben worden. Das war der Plan, welchen die
Fischer ausführen wollten. Wirklich gelang es ihnen auch, gegen 30 Tiere von der
wohl mehr als 5-fach starken Schar, welche sich in der Bucht verteilt hatten,
abzuschneiden und vor sich her in den Hafen zu treiben. Schon waren sie hinter den
Schiffen, als unvermutet zwei Boote von Land stießen und gerade in die Herde
zufuhren. Da stob sie auseinander, warf eines jener Boote in die Höhe, so daß es
fast umfiel, und fl oh zwischen ihnen und unter den Fischerbooten ins Weite. Man
hieb und schoss nach den Fliehenden, von denen einer auf 8 – 10 m weit über das
Wasser hin sprang, und brachte endlich drei in seichtes Fahrwasser. Allein von
diesen entkamen doch noch zwei, so daß nur 1 im flachen Schlamme an der Spitze
der Bucht strandete. Zahlreiche Stiche und einige Beilhiebe auf den Kopf töteten den
Gefangenen und er verschied unter lautem Röcheln, welches dem Brüllen eines Bären
glich, während dampfend warmes Blut aus dem Rachen und den Wunden floss.“
Professor Möbius sorgte dafür, dass das Skelett des getöteten Tieres –
es handelte sich um ein weibliches Tier von 4,56 m Länge – in das von
ihm geleitete Zoologischen Museum in Kiel verbracht, präpariert und
ausgestellt wurde. Es handelt sich um den ersten Nachweis des so
genannten Kleinen Schwertwals (Pseudorca crassidens) in gemäßigten
Breiten. Bis dahin war dieses Tier nur aus subfossilen Skelettfunden
durch die Beschreibung von Owen im Jahr 1846 bekannt und galt als
ausgestorben. Der dänische Zoologe J. Th. Reinhardt beschrieb 1862
erstmalig diese Art unter dem heutigen Namen. Weitere Mitglieder
dieser Herde strandeten im Jahr 1862 bei Heiligenhafen, Middelfart,
Kalundborg, an den Küsten von Seeland und Fünen sowie an der
südschwedischen Küste. Diese, die Hochsee bewohnende, Art
gemäßigter Breiten ist sehr anfällig für Strandungen. Nach Kinze sind
zwei, vielleicht drei Vorstöße in die Ostsee dokumentiert: 1862, 1935
und möglicherweise 1871.
Die Eckernförder Zeitung vom 25. Juni 1856 berichtet unter den
lokalen Nachrichten über einen Walfang, der sich bei der dänischen
Insel Strynö zugetragen haben soll. Zwei als „Schwertfische“
bezeichnete Wale „sechzehn bzw. acht Fuß lang“ waren im flachen
Wasser westlich der Insel gestrandet. Der „Dänische Fuß“ betrug 0,314
m. Das ergibt für den größeren der beiden „Schwertfische“ eine Länge
um die fünf, für den kleineren eine Länge von 2,5 Meter; somit handelt
es sich bei den beiden Schwertwalen (Orcinus orca) wahrscheinlich um
Mutter und Kind.
Der Schweinswal (Phocoena phocoena) ist im wahrsten Sinn ein Bewohner
unserer heimischen Küstengewässer. Er wurde in früheren Zeiten
regelmäßig in der Ostsee bejagt; am besten dokumentiert ist die Jagd
durch Fangstatistiken im Kleinen Belt. Sie wurde seit dem Mittelalter
durch die Innung der Middelfarter Schweinswaljäger vom St.
Martinstag im November bis Mariä Lichtmess (2. Februar)
durchgeführt. Die Zunft hatte laut Statut zehn Bootsführer und jedes
Boot eine Besatzung von drei Mann zu stellen. Auf diese Weise
erbeutete man im Gamborg Fjord pro Jahr bzw. Saison
durchschnittlich 1036 Tiere. Möglicherweise vertrug die Population die
Jagd, die nachweislich seit dem 14. Jahrhundert durchgeführt wurde,
ohne dass größere Rückgänge zu verzeichnen waren. Erst als in der
Mitte des 19. Jahrhundert, bedingt durch den steigenden Bedarf an
Waltran für die Straßenbeleuchtung größerer Städte (z. B. Kopenhagen)
und industrielle Fertigung, auch die Fischer von Skaerbaek begannen,
Schweinswale zu jagen und die jährliche Rate im Bereich des Kleinen
Beltes sich verdoppelte, die Population so zurückgegangen, dass die
Jagd 1897 eingestellt wurde. Während der zwei Weltkriege wurde
versucht, die Jagd auf den „Braunfisch“, wie der Schweinswal in
früheren Zeiten wegen seiner braunen Färbung auch genannt wurde,
wieder aufzunehmen, um die Wirtschaft und die Bevölkerung mit Fett
und Eiweiß zu versorgen. Die Ergebnisse waren jedoch nur mäßig, so
dass man die Jagd bei Kriegsende wieder aufgegeben hat.
Heutzutage ist der Schweinswal durch menschliche Aktivitäten in
vielfältiger Weise bedroht. Neben dem Tod durch Ersticken in den
Grundstellnetzen aus feinen Kunststofffäden, die die Tiere mit ihrem
Sonar nicht rechtzeitig orten können, sind es Überfischung sowie
Umweltzerstörung, Vergiftung und die zunehmende Störung durch
Lärm, die den Schweinswalen zu schaffen macht. Dennoch hat sich
diese kleine, elegante Walart in deutschen Küstengewässern, so auch in
der Kieler Bucht, behauptet. Mit einem Gewicht bis zu 60 kg und einer
Länge zwischen 1,40 m und 1,80 m ist der Schweinswal nach Stefan
Bräger der größte in Deutschland noch vorkommende Beutegreifer. Er
ernährt sich in der Ostsee vorwiegend von Dorsch, Hering, Sprotten
und Grundeln; seine Bestandsdichte nimmt nach Osten zu ab, der
Bereich zwischen Eckernförder Bucht und Flensburger Förde hat die
höchste Dichte in deutschen Ostseegewässern. Auf Grund von
genetischen Untersuchungen und Untersuchungen mit Radiosendern
sind insbesondere die weiblichen Tiere sehr ortstreu. Nach einer
Hochrechnung aus den Beifängen und Strandfunden während der
vergangenen 20 Jahre in einem begrenzten Küstenabschnitt zwischen
Eckernförde und Flensburg kann geschlossen werden, dass es im
Bereich der Kieler Bucht ca. 40 bis 60 weibliche geschlechtsreife
Schweinswale gibt. Sie sorgen bislang für ausreichend Nachwuchs, um
den Bestand trotz der hohen Verluste durch die von Menschen
verursachte
Sterblichkeit
während
des
20-jährigen
Beobachtungszeitraums zu sichern. Erschwerend
Preisgekröntes Foto eines springenden Schweinswals am 15. Oktober 2005 im
Hafen von Fredericia/DK, Foto: Ulrik Ramsing
und bedrohlich für den Fortbestand des Schweinswals in unseren
Küstengewässern kommt hinzu, dass mehr als 70 Prozent der als
Beifang in Stellnetzen verendeten Tiere noch nicht geschlechtsreif sind.
Deshalb könnte eine Viruserkrankung, eine Umweltkatastrophe oder
ein ausgedehntes Fischsterben sowie die massenhafte Vermehrung von
Giftalgen das fragile Gleichgewicht zerstören und den Zusammenbruch
des Bestandes bewirken.
2006 wurden sechs verendete Schweinswale in der Umgebung von
Eckernförde gefunden, darunter auch ein 163 cm großes Weibchen, so
dass möglicherweise die örtliche Gruppe, die mehrfach zusammen
gesehen wurde, nicht mehr existiert. Daher erscheint es dringend
erforderlich, den Schutz der Meeressäugetiere in unseren Gewässern
durch internationale Zusammenarbeit und intensive Forschungsarbeit
zu verbessern. Zum Schutz der Kleinwalbestände, insbesondere der
Schweinswale, wurde 1990 ein internationales Abkommen, genannt
ASCOBANS (Agreement Small Cetaceans Of Baltic And North Sea),
geschlossen. Das Komitee trifft sich jährlich und berät über
verbindliche Schutzmaßnahmen. So bleibt zu hoffen, dass in einem
nachfolgenden Aufsatz in zehn bis zwanzig Jahren über effektivere
Maßnahmen zum Schutz der in den Gewässern der Ostsee
vorkommenden Meeressäugetiere berichtet werden kann, die den
Fortbestand der Wale, insbesondere des Schweinswals, gewährleisten.
Sicher werden dann noch weitere historische Daten über Wale in der
EckernförderBucht bekannt sein und neue Erkenntnisse über die
„Walfische“ vorliegen. Vielleicht ist es bis dahin gelungen, auch einen
größeren Furchenwal in der Ostsee mit einem Sender zu versehen. Der
Autor schrieb am Schluss seines Berichtes im Heimatbuch des Kreises
Eckernförde von 1928 „Über Walfische im Eckernförder Hafen“: „So
sind Besuche von Walfischen in unserem offenen Hafen freilich etwas Seltenes; aber
von Zeit zu Zeit erfreut sich unser Städtchen doch dadurch einer gewissen
Berühmtheit.“ Dem ist nichts hinzuzufügen; auch in den nächsten Jahren
ist mit Beginn des Heringszuges mit dem Auftauchen eines Finnwals zu
rechnen, sei es vor Apenrade, in der Flensburger Förde oder in der
Eckernförder Bucht.
Wir danken unseren Familien für die Geduld und Unterstützung. Ein besonderer
Dank gilt Herrn Heinrich Schafstall, Eckernförde, der die Idee hatte, die
historischen Daten über Wale in der Eckernförder Bucht neu zu bearbeiten, und
wertvolles Material zur Verfügung stellte. Weiterhin danken wir der Eckernförder
Zeitung, dem Schleswig-Holstein-Zeitungsverlag und allen, die uns geholfen haben.
Anmerkungen und Quellen:
1 Erna Mohr: „Die Säugetiere Schleswig-Holsteins 1931“. Wolfhardt
Schultz: „Über das Vorkommen von Walen in der Nord- und Ostsee
1970“ – gibt den 17.3.1911 unter Bezug auf Erna Mohr als
Strandungsdatum an.
2 s.a. Wolfhart Schultz: Über das Vorkommen von Walen in der Nordund Ostsee, 1970.
3 zitiert nach Fontenay von Wobeser: Eckernfördes Blütezeit 1920, und
Erna Mohr: Die Säugetiere Schleswig-Holsteins, 1931.
4 Der Autor zitiert C. G. Hanssen: Versuch einer Chronik von
Eckernförde 1833 S. 35/36. Bezüglich der Abbildung ist im
Stadtprotokoll zu lesen: „20.8.1766 producirte Herr Bürgermeister
Classen beiden collegiis eine Abzeichnung des den 17ten dieses
Monaths im hiesigen Hafen gefangenen großen Fisches und proponirte
zugleich ob man nicht zum beständigen Angedencken dieser
esonderen Begebenheit, einen Abris im Archiv deponiren, einen davon
an Herrn Statthalters von Dehn Hochfreyherrl. Eycellence einsenden,
und einem jedem membro magistratis et Deputat, eines ertheilen, und
zu solchem behuf 12 Exemplare machen lassen wolle. H. Leihamer,
welcher das gegenwärtige gemachet, würde auch die Ausfertigung der
übrigen übernehmen“.
5 nach Möbius, 1873; Japha, 1907; Mohr, 1931; Schultz, 1970;
Borkenhagen, 2007.
6 Erna Mohr 1931.
7 Wolfhart Schultz: Über das Vorkommen von Walen in der Nord- und
Ostsee, 1970; Borkenhagen: persönliche Mitteilung, 2007.
8 Damit erweist sich allerdings auch die Aussage als falsch, die in einem
Rundfunkinterview und einer Pressemeldung anlässlich der Sichtung
eines Schweinswals am 28. September 2006 vor Maasholm gemacht
wurde, dass es vorher noch nie Schweinswale in der Schlei gegeben
habe.
9 Laut John K.B. Ford in „Encyclopedia of Marine Mammals“, 2002, S.
669 ff., beträgt die Länge eines Schwertwals bei der Geburt zwischen 2
und 2,5 m. Damit wäre der kleinere Schwertwal
zumindest ein Säugling, wenn nicht sogar ein Neugeborenes.
Ulf Petermann, „Küstenstudie – Eckernförder Bucht“, 2007, Öl auf Leinwand,
30 x 24 cm, WKV 03/07 (Privatbesitz)
GERD PIENING
Bilder aus einem Schuhkarton
– Eckernförder auf Walfang
Ja, man versucht zu sortieren, beginnt mit einem Karton alter Fotos
undvertieft sich in die Bilder und in die Vergangenheit. So fielen mir
Bilder in die Hand, die ich vor etwa 40 Jahren von Arthur Bruhn
geschenkt bekam. Er berichtete mir, dass er 1936/38 mit dem
Walfänger, „Jan Willem“ in die Antarktis zum Walfang gefahren sei.
Hitler führte am 23. März 1933 das so genannte „Fettmonopol“ ein.
Um unabhängig von ausländischen Importen zu sein, ergab sich die
Notwendigkeit des Aufbaus einer eigenen Walfangflotte. Ein 1933
gegründetes Konsortium kaufte einen Tanker auf, der umgerüstet
wurde. Getauft auf den Namen „Jan Willem“, brach er im September
1936, begleitet von 8 Fangbooten, in Richtung Weddell Meer
(Antarktis) auf. In der Saison 1938/39 war in der Antarktis neben den
Walfangflotten Norwegens, Großbritanniens und Japans auch die
deutsche Walfangflotte mit den Schiffen „Jan Willem“, „Walter Rau“,
„Unitas“, „Südmeer“, „Wikinger“ und zwei von den Norwegern
gecharterten Mutterschiffen mit insgesamt 56 Fangbooten tätig. In
dieser Saison starben 14.922 Blauwale, 2079 Buckelwale und 28.009
Finnwale – ein bis dahin nie erreichter Rekord. Auch während des
Zweiten Weltkrieges wurden 1940 und 1941 Walfangexpeditionen
gestartet.
Der Zweite Weltkrieg beendete dann den Walfang für deutsche Schiffe.
Nach dem Krieg heuerte Arthur Bruhn erneut auf einem Walfänger an
und fuhr 1951/52 mit dem Walfangschiff „Olympic Challenger“ wieder
in die Antarktis. Der griechische Reeder Aristoteles Onassis baute
1949/50 einen Tanker in das Fabrikschiff „Olympic Challenger“ um,
mit dem er in den Walfang einstieg. Auf diesem Schiff und den 17
Fangbooten waren insgesamt 519 Deutsche beschäftigt. In Gesprächen
mit ehemaligen Besatzungsmitgliedern kann man erfahren, dass sie
auch heute, 50 Jahre später, nichts auf ihren damaligen Arbeitgeber
kommen lassen. Er gab ihnen nach dem Krieg Arbeit und Hoffnung,
indem er sie als Walfänger auf seinen Schiffen arbeiten ließ. Das ändert
nichts an der Tatsache, dass die Aktivitäten dieses Schiffsmagnaten, der
den Walfang als einträglichen Nebenerwerb betrieb, zu den dunkelsten
Kapiteln des modernen Walfangs zählen. Im September 1954 wurde die
„Olympic Challenger“ samt Ladung wegen illegalen Walfangs vor der
Küste Perus von der Marine aufgebracht, im Hafen Paita
beschlagnahmt und „an die Kette gelegt“. Aristoteles Onassis kassierte
die damals unglaubliche Versicherungssumme von 15 Mio. Dollar für
die Beschlagnahme seines Schiffes. Nachdem die „Olympic Challenger“
wegen wiederholter Verstöße gegen die Richtlinien der IWC
(International Whaling Commission) 1956 samt Ladung erneut
beschlagnahmt worden war, zog Onassis sich aus dem Geschäft zurück.
Sein Partner und Freund Costa Grastos verkaufte die gesamte Flotte
für 8,5 Mio. Dollar an die Japaner, die auch heute noch Walfang
betreiben.
Mit Arthur Bruhn sind auch andere Eckernförder gefahren, deren
Namen ich nicht ermitteln konnte. Er schenkte mir einige Fotografien,
einen Walembryo sowie einen so genannten Walstein, Walzähne und
einen aus einem Walzahn geschnitzten Pinguin. Es liegt mir am Herzen,
dass diese Zeugnisse erhalten bleiben, und daher habe ich mich
entschlossen, sie im Jahrbuch der Geimatgemeinschaft zusammen mit
einigen Erläuterungen zu veröffentlichen.
Ein mittlerer Finnwal, auf der Rückseite als „Gammel“ bezeichnet, der schon zu
lange im Wasser gelegen hat und bereits in Verwesung übergegangen ist. Durch den
Gasdruck im Leib wurde der Penis herausgepresst. Dieser Wal wurde nur
abgespeckt und dann wieder außenbords gehievt. Die Männer sind von links nach
rechts: Willy Wegner, 1. Bootsmann, Arthur Bruhn, 2. Schiffszimmermann, und
W. Schaller, Matrose und Walverarbeiter. Es ist vermerkt, dass W. Schaller wegen
Beleidigung von Leni Riefenstahl 11/2 Jahre inhaftiert wurde.
Links: Entenmuschel, die sich am Wal festgesetzt
hat und so durch die Weltmeere getragen wurde.
Diese Krebstiere (Cirripedier der Gattung
Conchoderma) sitzen bevorzugt an geschützten Stellen
der Wale, zum Beispiel an den Barten oder am
Blasloch, haben eine Art Stiel und ernähren sich von
Plankton, also nicht parasitisch, sondern epibiontisch.
Das rechte Bild zeigt eine
präparierte Walflosse:
Man erkennt deutlich die
fünf Strahlen einer Hand.
Die Flosse vom Orka oder
Schwertwal (Orcinus orca)
wurde von Hans Perkuhn
1951 präpariert.
Das untere Bild zeigt den Embryo eines Pottwals (Physeter macrocephalus),
– kürzer als ein Streichholz. Im Zoologischen Institut der Universität Kiel
nimmt man ein Alter des Embryos von 6 Wochen an. Auf dem Bild erkennt
man deutlich die Anlage für Arme, die rudimentär sind und im Laufe der
Entwicklung in Flossen umgewandelt wurden. Die Länge der Mutter wird mit 18
m angegeben – diese Angabe erscheint sehr hoch, da ausgewachsene weibliche
Pottwale eine durchschnittliche Länge von 11 m bei einem Gewicht von 15 Tonnen
erreichen, ausgewachsene männliche Tiere werden etwa 16 m lang und 55 Tonnen
schwer. Als Fangort wird der Eingang ins Rossmeer genannt.
Walzähne vom Pottwal und Schwertwal sowie ein aus einem Walzahn geschnitzter
Pinguin. Der kleine geschnitzte Pinguin hat leider seinen Schnabel verloren. Das
Zahnmaterial ist Elfenbein.
Arthur Bruhn berichtete mir, dass die Besatzung der Walfangschiffe sich in den
fangfreien Stunden und nach dem Dienst mit Präparationen und Schnitzen
beschäftigte.
Der Pottwal (Physeter macrocephalus) besitzt nur im Unterkiefer 36 bis 52
konisch geformte Zähne, mit denen er seine Beute (Fische, Kalamare und Kraken)
erbeuten und festhalten kann. Diese Zähne, aber auch Knochen und Zähne anderer
Walarten wurden bereits im 18. Jahrhundert an Bord von Walfängern zu
verschiedenen Gebrauchsgegenständen verarbeitet. Die schönsten und künstlerischsten
entstanden jedoch bei der Verarbeitung von Pottwalzähnen etwa ab 1830, häufig
mit der Darstellung von Schiffen oder Szenen, aber auch Blumentöpfen oder
Landschaften. Heute steht „Scrimshaw“ synonym für den Pottwalzahn.
Vom Pottwal stammt auch das präparierte Innenohr, das wie eine Skulptur
wirkt.
Zahnwale, vom 1,60 m großen Schweinswal (Phocoena phocoena) bis zum über 10
m langen Pottwal (Physeter macrocephalus), orientieren sich unter und im Wasser
mit Hilfe von Ultraschall, den sie in einem komplizierten Luftsacksystem unterhalb
des Blaslochs erzeugen und gebündelt über die Melone abstrahlen. Das Echo bzw.
die reflektierte Welle empfangen sie über einen Fettkörper im Unterkiefer, der bis an
die Ohrkapsel reicht, die aber nicht mit dem knöchernen Schädel verbunden ist,
sondern – umgeben von einer gelatinösen Kapsel – durch Bänder befestigt ist. Die
Ultraschallortung der Zahnwale dient einmal zur Orientierung im Element Wasser
und erlaubt zum Beispiel dem abtauchenden Pottwal eine Abschätzung der
Entfernung bis zum Meeresgrund, zudem ermöglicht sie das Aufspüren und
Verfolgen von Fischschwärmen, aber auch von Beutetieren, die sich unter einer
Sandschicht verstecken. Unbewiesen ist bisher die Vermutung, dass Pottwale und
andere Zahnwale mit Hilfe der energiereichen, gezielt eingesetzten Ultraschallwellen
Fische und Kopffüßler lähmen, um sie leichter zu erbeuten.
Für die Durchsicht und die umfangreichen Ergänzungen danke ich
Herrn Dr. Andreas Pfander sehr herzlich.
Sylvia Meisner-Zimmermann, „Insel (2)“, Acryl, 100 x 100 cm, 2007