Design Patterns für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum

Transcrição

Design Patterns für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
Design Patterns für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
DISSERTATION
der Universität St. Gallen
Hochschule für Wirtschafts-,
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)
zur Erlangung der Würde einer
Doktorin der Wirtschaftswissenschaften
vorgelegt von
Martina Klose
aus
Deutschland
Genehmigt auf Antrag der Herren
Prof. Dr. Beat Schmid
und
Prof. Dr. Roman Boutellier
Dissertation Nr. 2628
digicenter GmbH, St. Gallen 2002
Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und
Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der
vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen
Anschauungen Stellung zu nehmen.
St. Gallen, den 29. Januar 2002
Der Rektor:
Prof. Dr. Peter Gomez
Vorwort
Das Vorwort, wohl die meist gelesenen Zeilen jeder Dissertation, gibt dem Autor die Möglichkeit, noch einmal seine Arbeit retrospektiv zu betrachten und vor allem denen zu danken, die ihn oder in diesem Falle sie auf diesem erfahrungsreichen Weg begleitet und unterstützt haben. Das Vorwort gestattet es jedoch auch, noch einmal innezuhalten und über die
Entwicklung und die Motivation der eigenen Arbeit zu reflektieren. Beiden Anliegen soll
auch dieses Vorwort gerecht werden
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Assistenztätigkeit am mcminstitute der
Universität St. Gallen. Diese Zeit fiel in eine turbulente Periode innerhalb der Entwicklung
des Electronic Business (eBusiness). Begonnen habe ich meine Arbeit in der Boom-Phase des
eBusiness, die geprägt war von grosser Kreativität, Optimismus und Euphorie. Diese Goldgräberstimmung wurde dann sehr abrupt abgelöst von einer Phase ebenso grosser Ernüchterung oder gar Niedergeschlagenheit angesichts der ausbleibenden nachhaltigen Geschäftserfolge im eBusiness. Nach diesen beiden extremen Ausschlägen des eBusiness-Stimmungspendels verringerte sich schliesslich dessen Amplitude. Es wurde versucht, die Potentiale
des eBusiness realistisch einzuschätzen und dabei dessen Besonderheiten und Schwierigkeiten nicht aus dem Auge zu verlieren. Nicht ausschliesslich die Möglichkeiten der Technologie, sondern der durch deren Einsatz induzierte Wert vor allem für den Kunden wurde wieder in den Vordergrund gerückt.
Diese miterlebte Entwicklung lieferte den Impetus für diese Arbeit. Ausgangspunkt bildete
die Beobachtung, dass sich durch die Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologie in der Wirtschaft und in den privaten Haushalten die Schnittstelle zwischen
Kunde und Unternehmen immer stärker auf elektronische Medien abstützt. Dabei bietet der
Einsatz neuer Medien weitreichende Nutzenpotentiale insbesondere für den Kunden. Diese
umzusetzen bedarf jedoch einer sorgfältigen Ausgestaltung der – digitalen – Produkte sowie
aller Interaktionsbeziehungen zwischen Kunde und Produkt respektive Unternehmen. Dabei
erhalten insbesondere die kommunikativen Aspekte eine zunehmende Bedeutung: Der Kunde muss das Produkt oder die Dienstleitung kennen, verstehen und von seinem Wert überzeugt werden. Er muss weiterhin bei der Auswahl und der Transaktion, bei der Anwendung
sowie der Nachbetreuung optimal unterstützt werden. Alle Phasen des Customer Buying
Cycle sind somit durch den Einsatz neuer Medien auf ihren Wert für den Kunden auszurichten. Dies stellt hohe Anforderungen an die Ausgestaltung und somit an das Design digitaler
Produkte und des sie umgebenden digitalen Wirtschaftsraumes. Mit der Entwicklung einer
Patternsprache zur Unterstützung des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte soll die
vorliegende Arbeit einen Schritt in die Richtung einer nachhaltig erfolgreichen Nutzung
digitaler Medien beschreiten.
Nun aber zu den bereits angekündigten Danksagungen, die zu Recht im Zentrum eines Vorwortes stehen sollten, denn eine solche Arbeit entsteht nie alleine, sondern immer auf der
Basis fachkundiger Unterstützung und vor allem auf der Grundlage eines starken persönlichen Umfeldes aus Familie und guten Freunden.
I
II
Zunächst möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Beat Schmid für die wissenschaftliche Betreuung und die Möglichkeit zur Arbeit in einem interdisziplinären und praxisnahen Umfeld bedanken. Seine Forschungsarbeiten sowie die Diskussionen mit ihm motivierten und inspirierten diese Arbeit. Herrn Prof. Dr. Roman Boutellier danke ich herzlich für die Übernahme
des Korreferats.
Ein besonderer Dank geht an Frau Prof. Dr. Ulrike Lechner. Die Diskussionen mit ihr halfen
mir sehr, die eigenen Gedanken zu ordnen, zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Sie motivierte und bestärkte mich immer wieder in meiner Arbeit und trug so entscheidend zum
Gelingen meiner Dissertation bei.
Für das extrem zügige Korrekturlesen meiner Dissertation danke ich meinen Kollegen
Markus Lenz, Peter Aschmoneit, Christian Müller, Oliver Sukowski und vor allem auch Julia
Gerhard.
Das Schreiben einer solchen Arbeit ist ein bisweilen zäher und einsamer Weg. Dass insbesondere letzteres nicht so war, verdanke ich einem Umfeld aus motivierenden Kollegen und
Freunden. Sie halfen mir durch gemeinsames Arbeiten auf Projekten und durch fachliche
Diskussionen bei meiner Forschungsarbeit. Vor allem gaben sie mir jedoch einen starken
persönlichen Rückhalt und sorgten dafür, dass die anderen Aspekte meines Lebens in dieser
Zeit nicht zu kurz kamen. Besonders bedanken möchte ich mich bei Anna-Martina Kröll,
Bernd Schopp, Sabine Einwiller, Marcus Dimpfel, Dr. Christoph Hoffmann, Axel Röpnack,
Veith Körner, Dr. Hans-Dieter Zimmermann, Markus Lenz, Oliver Sukowski, Markus
Greunz, Peter Aschmoneit und bei Kai Bartlmae.
An exponierter Stelle, am Ende dieses Vorwortes, möchte ich von ganzem Herzen meiner Familie, d.h. meinen Eltern Monika und Hans-Werner Klose sowie meiner Schwester Claudia
und deren Familie für all das danken, das sie mir an unterschiedlichen Stationen meines
Lebens mit auf den Weg gegeben haben. Meine Eltern haben mir meine Ausbildung
ermöglicht und mich vor allen Dingen während der ganzen Zeit unterstützt und in meinem
Tun ermutigt und bestätigt. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet.
St. Gallen, im Februar 2002
Martina Klose
Inhaltsübersicht
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A Einleitung
XI
XV
XVII
1
B Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
19
C Inhaltliche Grundlagen
35
D Methodische Grundlagen
105
E
Entwicklung der Patternsprache
193
F
Zusammenfassung und Ausblick
349
Literaturverzeichnis
359
III
IV
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A Einleitung
A 1 Motivation und Ausgangslage
A 1.1 Auswirkungen der Digitalisierung auf Produktion und
Nachfrage
A 1.2 Auswirkungen der Digitalisierung auf das Design digitaler
Produkte
A 1.3 Defizite beim Produktdesign
XI
XV
XVII
1
1
2
2
4
A 2 Bestehende Lösungsansätze
A 2.1 Patternansatz
A 2.2 Modelle von Medien und Theatermetapher
5
5
6
A 3 Zielsetzung
6
A 4 Nutzen der Arbeit
8
A 5 Methodisches Vorgehen
A 5.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung und
Forschungskonzeption
A 5.2 Methodisches Vorgehen in dieser Arbeit
9
9
12
A 6 Disposition der Arbeit
15
B Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
19
B 1 Die beiden Sichten des Produktes als Problemlösung
19
B 2 Die beiden Seiten der Implementation
23
B 3 Dimensionen eines Produktes
24
B 4 Bedeutungsverschiebung zwischen Produkt I und II
27
B 5 Konkretisierung: Kundenzentriertes Design
29
B 6 Konkretisierung: Kundenzentriertes Design digitaler Produkte im
digitalen Wirtschaftsraum
31
C Inhaltliche Grundlagen
C 1 Charakteristika digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
35
35
V
VI
C 1.1 Definition des digitalen Produktes
C 1.2 Kategorisierung
35
38
C 1.2.1 Digitales Produkt versus digitales Abbild eines Produktes
38
C 1.2.2 Digitales Gut versus digitales Informationsgut
39
C 1.2.3 Digitales Produkt versus digitale Dienstleistung
39
C 1.2.4 Interaktivität und Produkttyp
40
C 1.2.5 Produkte, Prozess und Agenten
40
C 1.2.6 Geschäftsmodell
41
C 1.2.7 Eigenes Kategorisierungsschema
44
C 1.3 Eigenschaften und Auswirkungen digitaler Produkte
C 1.3.1 Eigenschaften
46
46
C 1.3.1.1 Verschleissfreiheit und Dauerhaftigkeit
46
C 1.3.1.2 Reproduzierbarkeit und Skalierbarkeit
47
C 1.3.1.3 Multimedialität
48
C 1.3.1.4 Vernetztheit
48
C 1.3.1.5 Ubiquität
49
C 1.3.1.6 Aktivität und Informationsverarbeitungspotential
49
C 1.3.1.7 Interaktivität
49
C 1.3.1.8 Veränderbarkeit und Anpassbarkeit
51
C 1.3.1.9 Intelligenz
52
C 1.3.2 Allgemeine ökonomische Auswirkungen
C 1.3.2.1 Globalisierung des Wirtschaftsraumes
53
53
C 1.3.2.2 Hohe Stückkostendegression und positive FeedbackEffekte
53
C 1.3.2.3 Netzwerkeffekte
54
C 1.3.2.4 Wechselkosten und Lock-In Effekte
54
C 1.3.3 Kundenbezogene Auswirkungen
56
C 1.3.3.1 Automatisierung, Anpassbarkeit und
Individualisierung
56
C 1.3.3.2 Steigerung der Kundenmacht durch Transparenz
und Communities
56
C 1.3.3.3 Unsicherheit: Erfahrungsgut, Self Service und
Konsumentenwissen, Gläserner Kunde und
anonymer Wirtschaftsraum
C 1.4 Wert eines digitalen Produktes
C 1.4.1 Ökonomische Werttheorien
58
60
60
C 1.4.1.1 Objektivistische Werttheorien
61
C 1.4.1.2 Subjektivistische Werttheorien
61
Design Patterns für digitale Produkte
VII
C 1.4.2 Kundenwert digitaler Produkte: „Content“ und „Context“
eines Produktes
62
C 1.4.2.1 Konstituierende Komponenten des Kundenwertes
62
C 1.4.2.2 Möglichkeiten der positiven Beeinflussung des
Kundenwertes
C 2 Anwendungskontext digitaler Produkte
C 2.1 Modell der Kunde-Produkt-Interaktion
63
66
67
C 2.1.1 Customer Buying Cycle
67
C 2.1.2 Geschäftstransaktion
69
C 2.1.3 Adoption
71
C 2.1.4 Integriertes Phasenmodell
79
C 2.1.5 Zusammenführung der Modelle
80
C 2.2 Konsumentenverhalten
81
C 2.2.1 Psychologische Ansätze
C 2.2.1.1 Motivationstheorien
81
82
C 2.2.1.1.1 Homöostatische Motivationstheorien
82
C 2.2.1.1.2 Humanistische Motivationstheorien
83
C 2.2.1.1.3 Aktivationstheoretische
Motivationstheorien
C 2.2.1.1.4 Zusammenfassung
84
84
C 2.2.1.2 Einstellungstheoretische Erklärungsansätze
85
C 2.2.1.3 Wahrnehmung
87
C 2.2.1.4 Denken / Entscheidungsverhalten
89
C 2.2.1.5 Lerntheorien
91
C 2.2.1.5.1 Reiz-Reaktionstheorien
91
C 2.2.1.5.2 Kognitive Lerntheorien
92
C 2.2.1.5.3 Zusammenfassung
93
C 2.2.2 Soziologische Ansätze
93
C 2.2.2.1 Gruppenforschung, Rollentheorie und
Referenzgruppenmodell
94
C 2.2.2.2 Meinungsführerkonzepte, mehrstufige
Kommunikation und soziales Lernen
96
C 2.2.2.3 Diffusionstheorie – Innovator versus Imitator
98
D Methodische Grundlagen
D 1 Patternansatz
D 1.1 Design Patterns und Design Patternsprachen
105
105
105
D 1.1.1 Patterndefinition
106
D 1.1.2 Patternstruktur
107
VIII
D 1.1.3 Patternkataloge, Patternsysteme und Patternsprachen
109
D 1.1.4 Quality without a name
111
D 1.1.5 Prozess der Anwendung: Piecemeal Growth
112
D 1.1.6 Ableitung und Validierung von Patterns
112
D 1.2 Warum Design Patterns?
112
D 1.2.1 Patterns zur Unterstützung des Designprozesses
114
D 1.2.2 Patterns als Basis des Knowledge Managements
115
D 1.2.3 Patterns als universelle Designsprache
116
D 1.3 Diskussion alternativer Möglichkeiten der
Wissensrepräsentation
117
D 1.3.1 Wissensrepräsentation im Software Engineering
117
D 1.3.2 Wissensrepräsentation im HCI
119
D 2 Einordnung in die Patternforschung
D 2.1 Patterns in der Architektur
120
121
D 2.1.1 Bewertung
124
D 2.1.2 Zusammenfassung
125
D 2.2 Patterns im Software Engineering
126
D 2.2.1 Design Patterns der GoF
129
D 2.2.2 Analysis Patterns von Fowler
132
D 2.2.3 Bewertung
133
D 2.2.4 Zusammenfassung
134
D 2.3 Patterns im HCI
135
D 2.3.1 Common Ground
141
D 2.3.2 Interdisziplinäre Patternsprache
144
D 2.3.3 Weitere Patternansätze
148
D 2.3.4 Bewertung
149
D 2.3.5 Zusammenfassung
150
D 2.4 Patterns für das Design von Hypermedia-Applikationen
151
D 2.4.1 Pattern Systems for Hypermedia
154
D 2.4.2 Weitere ausgewählte Patternsammlungen
157
D 2.4.3 Bewertung
159
D 2.4.4 Zusammenfassung
159
D 2.5 Patterns für web-basierte Electronic Commerce-Applikationen
161
D 2.5.1 Patterns for E-Commerce Applications
161
D 2.5.2 Usability Patterns for Applications on the World Wide Web
163
D 2.5.3 The Design of Sites
166
D 2.5.4 Bewertung
173
D 2.5.5 Zusammenfassung
174
D 2.6 Fazit: Anforderung an Patternsprache für digitale Produkte
175
Design Patterns für digitale Produkte
D 3 Modelle von Medien zur Beschreibung digitaler Interaktionsräume
D 3.1 Medienmodell
D 3.2 Medienreferenzmodell für Geschäftsmedien
IX
178
178
181
D 3.2.1 Schichten des Medienreferenzmodells
182
D 3.2.2 Die Phasen des Medienreferenzmodells
184
D 3.2.3 Einordnung in das Design digitaler Produkte:
Geschäftsmedien als Kommunikations- und
Transaktionsmedien
D 3.3 Theatermetapher
D 3.3.1 Theatermetapher: Konzept
187
188
189
D 3.3.2 Einordnung der Theatermetapher in das Design digitaler
Produkte
E
191
Entwicklung der Patternsprache
193
E1
194
194
195
Metapatternsprache und Entwicklungsrahmen
E 1.1 Zielsetzung und Ausrichtung der Patternsprache
E 1.2 Metapatternsprache
E 1.2.1 Struktur der Sprache
195
E 1.2.2 Struktur der Patterns
199
E 1.3 Methodik: Herleitung und Validierung
E 1.4 Cases
E2
202
204
E 1.4.1 Amazon.com Inc.
205
E 1.4.2 Dell Computer Corp.
207
E 1.4.3 eBay Inc.
208
E 1.4.4 Jobfair24
210
Patternsprache für digitale Produkte
E 2.1 Awareness
212
213
E 2.1.1 Awareness abstrakt
214
E 2.1.2 Eingliederung in etabliertes Produkt
217
E 2.1.3 Eingliederung in aktives Suchverhalten
220
E 2.1.4 Eingliederung in das soziale Netzwerk
225
E 2.1.5 Awareness durch Produkt
229
E 2.2 Überzeugung
232
E 2.2.1 Überzeugung abstrakt
232
E 2.2.2 Persönlicher Nutzen
234
E 2.2.3 Integration in Anwender-Community
237
E 2.2.4 Eingliederung in das soziale Netzwerk
241
E 2.2.5 Eingliederung in etabliertes Produkt
242
E 2.3 Entscheidung / Absicht
243
X
E 2.3.1 Entscheidung / Absicht abstrakt
243
E 2.3.2 Risikominderung durch das Produkt
245
E 2.3.3 Risikominderung durch Dritte
248
E 2.3.4 Risikominimierung durch die Anwender-Community
251
E 2.3.5 Probeweise Anwendung
252
E 2.3.6 Anreizmechanismen
254
E 2.3.7 Eingliederung in Interessen-Communities
257
E 2.3.8 Integration in etabliertes Produkt (Problemlöser)
262
E 2.4 Wissen
E 2.4.1 Wissen abstrakt
263
E 2.4.2 FAQ
267
E 2.4.3 Demo
271
E 2.4.4 Expertengespräch
273
E 2.4.5 Hilfe-Community
276
E 2.5 Verhandlung
280
E 2.5.1 Verhandlung abstrakt
280
E 2.5.2 Automatisierter Bedürfnis-Produkt-Abgleich
285
E 2.5.3 Beratungsgespräch
294
E 2.5.4 Auktion
297
E 2.5.5 Checkout
303
E 2.5.6 Registration
309
E 2.6 Abwicklung
311
E 2.6.1 Abwicklung abstrakt
312
E 2.6.2 Transparente und flexible Abwicklung
314
E 2.6.3 Treuhanddienst
317
E 2.6.4 Online-Versicherung
321
E 2.6.5 Online-Schiedsgericht
325
E 2.7 Kundenbetreuung
F
262
329
E 2.7.1 Kundenbetreuung abstrakt
329
E 2.7.2 Support
332
E 2.7.3 Individuelle Kundenbetreuung
337
E 2.7.4 Community
341
Zusammenfassung und Ausblick
349
F1
Ergebnisse
349
F2
Besonderheiten des Ansatzes
351
F3
Ausblick
355
Literaturverzeichnis
359
Abbildungsverzeichnis
Abbildung A 5-1: Iterativer Forschungsprozess ............................................................................ 11
Abbildung A 6-1: Aufbau der Arbeit ............................................................................................... 15
Abbildung B 1-1: Produkt als Bindeglied zwischen Produzent und Kunde.............................. 20
Abbildung B 1-2: Die beiden Blickwinkel auf das Produkt .......................................................... 22
Abbildung B 2-1: Die beiden Seiten der Implementation eines Produktes ................................ 23
Abbildung B 3-1: Semiotische Dimensionen eines Produktes...................................................... 25
Abbildung C 1-1: Klassifikation digitaler Produkte ...................................................................... 45
Abbildung C 2-1: Customer Buying Cycle...................................................................................... 68
Abbildung C 2-2: Phasenmodell einer Geschäftstransaktion....................................................... 69
Abbildung C 2-3: Phasenmodell des Adoptionsprozesses ........................................................... 72
Abbildung C 2-4: Integriertes Phasenmodell von Schmid............................................................ 79
Abbildung C 2-5: Gesamtmodell der Kunde-Produkt-Interaktion ............................................. 81
Abbildung D 3-1: Medienmodell.................................................................................................... 179
Abbildung D 3-2: Medienreferenzmodell ..................................................................................... 181
Abbildung D 3-3: Architektur eines Mediums ............................................................................. 182
Abbildung D 3-4: Agenten-Architektur......................................................................................... 184
Abbildung D 3-5: Geschäftsmedium als Kommunikationsmedium und Transaktionsmedium ..................................................................................................................................... 188
Abbildung D 3-6: Theatermetapher als Operationalisierung des Medienreferenzmodells ...................................................................................................................................... 189
Abbildung E 1-1: Integriertes Modell der Kunde-Produkt / Anbieter-Interaktion mit
den zentralen zeitlichen Übergängen. Sie werden in der konkreten Patternsprache
erweitert und erläutert. ........................................................................................................... 196
Abbildung E 1-2: Beispielhafte Darstellung der Struktur der Metasprache ............................ 198
Abbildung E 1-3: Methodik zur Herleitung der Patternsprache ............................................... 203
Abbildung E 2-1: Überblick über die entwickelte Patternsprache............................................. 212
Abbildung E 2-2: Überblick über die Awarenesspatterns .......................................................... 214
Abbildung E 2-3: Diagramm Awareness abstrakt ....................................................................... 215
Abbildung E 2-4: Beispiel Integration von amazon.com sowohl als Problemlöser (unten
links) als auch als Werbetreibender (oben rechts) in die Community Site
ivillage.com; Zugriff 21.10.2001. ............................................................................................ 217
XI
XII
Abbildung E 2-5: Diagramm Eingliederung in etabliertes Produkt.......................................... 220
Abbildung E 2-6: yahoo.com als Beispiel für einen Verzeichnisdienst mit
Positionierung von Dell.com an exponierter Position, Zugriff 11.10.2001. ..................... 221
Abbildung E 2-7: Beispiel für die Möglichkeiten der zentralen Positionierung innerhalb
der Ergebnisliste bestimmter Anfragen, hier der Positionierung von amazon.com
auf die Anfrage „Buch“, bei Google.com, Zugriff 11.10.2001............................................ 222
Abbildung E 2-8: Diagramm Einordnung in aktives Suchverhalten ........................................ 225
Abbildung E 2-9: Beispiel für die Integration in das soziale Umfeld durch die
Möglichkeit des E-Mail Versandes interessanter Stellenanzeigen bei Jobfair24.de,
Zugriff 15.10.2001..................................................................................................................... 226
Abbildung E 2-10: Diagramm Eingliederung in soziales Netzwerk ......................................... 229
Abbildung E 2-11: Beispiel der Schaffung von Awareness für die Jobfair24.de durch
eine prägnante Darstellung des Services mit einer Betonung der Besonderheiten,
Zugriff 21.10.2001..................................................................................................................... 230
Abbildung E 2-12: Diagramm Awareness durch Produkt.......................................................... 231
Abbildung E 2-13: Übersicht Überzeugungspatterns.................................................................. 232
Abbildung E 2-14: Diagramm Überzeugung abstrakt................................................................. 233
Abbildung E 2-15: Beispiel Nutzendarstellung bei Jobfair24.de mit der klaren
Herausarbeitung der Vorteile des eigenen Services insbesondere gegenüber
anderen Anbietern, Zugriff 21.10.2001.................................................................................. 235
Abbildung E 2-16: Diagramm Persönlicher Nutzen .................................................................... 237
Abbildung E 2-17: Beispiel Integration in Anwender-Community durch die Publikation
der Meinungen anderer über die Jobfair24.de, Zugriff 15.10.2001. .................................. 238
Abbildung E 2-18: Diagramm Integration in Anwender-Community ..................................... 241
Abbildung E 2-19: Übersicht Entscheidungspatterns.................................................................. 243
Abbildung E 2-20: Diagramm Entscheidung / Absicht abstrakt............................................... 244
Abbildung E 2-21: Beispiel Privacy Policy bei dell.com, Zugriff 15.10.2001. ........................... 246
Abbildung E 2-22: Diagramm Risikominderung durch Produkt .............................................. 247
Abbildung E 2-23: Beispiel Risikominderung durch Gütesiegel und OnlineVersicherung bei dell.de, Zugriff 15.10.2001....................................................................... 249
Abbildung E 2-24: Diagramm Risikominderung durch Dritte .................................................. 251
Abbildung E 2-25: Beispiel probeweise Anwendung bei Jobfair24.de, Zugriff
20.10.2001. ................................................................................................................................. 253
Abbildung E 2-26: Diagramm probeweise Anwendung............................................................. 254
Abbildung E 2-27: Beispiel Anreizmechanismen bei amazon.de, Zugriff 20.10.2001............. 255
Design Patterns für digitale Produkte
XIII
Abbildung E 2-28: Diagramm Anreizmechanismen.................................................................... 256
Abbildung E 2-29: Illustration Integration in Interessen-Community durch Etablierung
einer Diskussionsgruppe über das eigene Produkt resp. über das durch das
Produkt gelöste „Problem“, Zugriff 15.10.2001. .................................................................. 258
Abbildung E 2-30: Diagramm Integration in Interessen-Community ...................................... 261
Abbildung E 2-31: Übersicht Wissenspatterns ............................................................................. 262
Abbildung E 2-32: Beispiel Wissensübermittlung im Zuge der Anwendung der
Auktion (linke Seite) und in einer separaten Sektion (rechte Seite) bei eBay.com,
Zugriff 21.10.2001..................................................................................................................... 264
Abbildung E 2-33: Beispiel Integration einer Feedbackschleife zur Verbesserung des
Hilfeangebots bei dell.com, Zugriff 21.10.2001.................................................................... 265
Abbildung E 2-34: Diagramm Wissen abstrakt ............................................................................ 266
Abbildung E 2-35: Beispiel FAQs bei eBay.com, Zugriff 21.10.2001. ........................................ 268
Abbildung E 2-36: Diagramm FAQ................................................................................................ 270
Abbildung E 2-37 Beispiel für eine Online-Demo in Form von „WebRides“ bei
eBay.com, Zugriff 21.10.2001.................................................................................................. 271
Abbildung E 2-38: Diagramm Demo ............................................................................................. 273
Abbildung E 2-39: Beispiel: Expertengespräch telefonische oder via E-Mail bei
eBay.com, Zugriff 21.10.2001.................................................................................................. 274
Abbildung E 2-40: Diagramm Expertengespräch ........................................................................ 276
Abbildung E 2-41: Beispiel für eine Hilfe-Community bei eBay.com, Zugriff 20.10.2001. .... 277
Abbildung E 2-42: Diagramm Hilfe-Community......................................................................... 279
Abbildung E 2-43: Übersicht Verhandlungspatterns .................................................................. 280
Abbildung E 2-44: Diagramm Verhandlung abstrakt ................................................................. 283
Abbildung E 2-45: Beispiel Bedürfnis-Produkt Abgleich bei amazon.com, Zugriff
15.10.2001. ................................................................................................................................. 287
Abbildung E 2-46: Produktkonfigurator bei dell.com, Zugriff 15.10.2001. .............................. 288
Abbildung E 2-47: Diagramm Automatischer Bedürfnis-Produkt Abgleich ........................... 293
Abbildung E 2-48: Diagramm Beratungsgespräch ...................................................................... 297
Abbildung E 2-49: Beispiel Auktionsseite von eBay.com, Zugriff 8.10.2001............................ 299
Abbildung E 2-50: Diagramm Auktion ......................................................................................... 302
Abbildung E 2-51: Beispiel Checkout-Prozesse bei amazon.de, Zugriff 15.10.2001................ 304
Abbildung E 2-52: Diagramm Checkout Prozess......................................................................... 308
XIV
Abbildung E 2-53: Ausschnitt aus dem Registrationsprozess von eBay.com, Zugriff
15.10.2001. ................................................................................................................................. 310
Abbildung E 2-54: Übersicht Abwicklungspatterns .................................................................... 312
Abbildung E 2-55: Diagramm Abwicklung .................................................................................. 313
Abbildung E 2-56: Beispiel für die Statusanzeige und einfache Möglichkeiten zu
Stornierung von Bestellungen bei amazon.de, Zugriff 8.10.2001...................................... 315
Abbildung E 2-57: Diagramm Transparente und effiziente Abwicklung ................................ 317
Abbildung E 2-58: Beispiel Integration eines Treuhandservices bei eBay.com, Zugriff
20.10.2001. ................................................................................................................................. 319
Abbildung E 2-59: Diagramm Treuhänder ................................................................................... 321
Abbildung E 2-60: Beispiel Versicherung von eBay.com gegen Betrugsfälle, Zugriff
20.10.2001. ................................................................................................................................. 322
Abbildung E 2-61: Beispiel eines Online-Versicherungsanbieters, Zugriff 20.10.2001. .......... 323
Abbildung E 2-62: Diagramm Online-Versicherung ................................................................... 325
Abbildung E 2-63: Beispiel eines Online-Schiedsgerichtes integriert in eBay.com,
Zugriff 15.10.2001..................................................................................................................... 326
Abbildung E 2-64: Diagramm Online-Schiedsgericht ................................................................. 328
Abbildung E 2-65: Überblick Patterns der Kundenbetreuung ................................................... 329
Abbildung E 2-66: Diagramm Kundenbetreuung........................................................................ 330
Abbildung E 2-67: Beispiel für individualisierte Supportseiten bei dell.com (rechte
Seite) und die Möglichkeit für deren einfache Konfiguration (linke Seite), Zugriff
15.10.2001. ................................................................................................................................. 333
Abbildung E 2-68: Diagramm Support.......................................................................................... 336
Abbildung E 2-69: Beispiel Kundenbetreuung bei amazon.com; Zusammenstellung der
Benutzerpräferenzen (linke Seite) und Beispiel eines Newsletter-Beitrags (rechte
Seite), Zugriff 15.10.2001. ........................................................................................................ 338
Abbildung E 2-70: Diagramm individuelle Kundenbetreuung ................................................. 340
Abbildung E 2-71: Beispiel Community bei eBay.com; Übersicht über die
verschiedenen Discussion Boards und Ausschnitt aus einer Diskussionsrunde,
Zugriff 15.10.2001..................................................................................................................... 342
Abbildung E 2-72: Diagramm Community................................................................................... 347
Tabellenverzeichnis
Tabelle A 5-1:Gegenüberstellung: Theoretische und Anwendungsorientierte Wissenschaften (aus (Ulrich 1998: 163)) ................................................................................................ 9
Tabelle B 5-1: Anforderungen an Phasen der Geschäftstransaktion ........................................... 31
Tabelle C 1-1: Literaturübersicht über Definitionen des Begriffs „digitales Produkt“............. 37
Tabelle C 1-2: Übersicht über die Geschäftsmodelle von Timmmers, betrachtet aus der
Kundenperspektive ................................................................................................................... 44
Tabelle D 1-1: Literaturübersicht über Patterndefinitionen........................................................ 107
Tabelle D 1-2: Literaturübersicht über Definitionen von Patternsprachen .............................. 110
Tabelle D 1-3: Literaturübersicht über die Einsatzmöglichkeiten von Patterns ...................... 114
Tabelle D 2-1: Übersicht über Architekturpatterns...................................................................... 126
Tabelle D 2-2: Übersicht über Software Engineering Patterns ................................................... 135
Tabelle D 2-3: Übersicht über HCI Patternforschung.................................................................. 151
Tabelle D 2-4: Übersicht über Hypermedia Patternforschung................................................... 161
Tabelle D 2-5: Thematische Kategorisierung der Patterns der Patternsammlung
„Design of Sites“ ...................................................................................................................... 169
Tabelle D 2-6: Übersicht über Patterns zur Gestaltung von EC-Applikationen ...................... 175
Tabelle E 1-1: Vergleich von amazon.com mit ihren Konkurrenten bzgl. der
Ausrichtung auf das Wohl ihrer Kunden an Hand einer Punkteskala mit einem
Maximalwert von 10 Punkten, s.: Gomez.com im Juli 2001............................................... 206
Tabelle E 1-2: Ranking der Auktionsplattformen in den US im Mai 2001. Quelle:
Nielsen NetRatings & Harris Interactive eCommercePulse. ............................................. 210
XV
XVI
Abkürzungsverzeichnis
B-to-C.......................... Business-to-Consumer
BM ............................... Business Media oder Business Medium
bzw.............................. Beziehungsweise
CBC ............................. Customer Buying Cycle
CCEM ......................... Competence Center Electronic Markets
CHI.............................. Computer-Human-Interaction
E-… ............................. Electronisch- … (Englisch: electronic)
EC................................ Electronic Commerce
etc. ............................... et cetera
FAQ............................. Frequently Asekd Questions
GOF............................. Gang of Four
HCI.............................. Human Computer Interaction
HSG............................. Universität St. Gallen – Hochschule für Wirtschaft-, Rechts- und Sozialwissenschaft
IKT .............................. Informations- und Kommunikationstechnologie
IT ................................. Informationstechnik (Information Technology)
i.d.R............................. in der Regel
KAP............................. Knowledge-Attitude-Practice
KM .............................. Knowledge Media
Mio. ............................. Millionen
MKM........................... Medien- und Kommunikationsmanagement
MRM ........................... Medienreferenzmodell
OOHDM..................... Object-Oriented Hypermedia Design Method
OOPSLA..................... Object-Oriented Programming, Languages & Applications
PLoP............................ Pattern Languages of Program Design
QWAN........................ Quality without a name
resp.............................. respektive
SNF.............................. Swiss National Foundation
u.a................................ unter anderem
u.U............................... unter Umständen
vgl................................ vergleiche
Web ............................. World Wide Web oder auch WWW
WWW ......................... World Wide Web
z.B................................ zum Beispiel
z.T................................ zum Teil
XVII
XVIII
A Einleitung
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, eine „Patternsprache für das Design digitaler Produkte
im digitalen Wirtschaftsraum“ zu entwickeln. Mit dem Patternansatz nutzt die Arbeit einen
bereits in anderen Designdisziplinen, wie dem Software Engineering und der Architektur,
etablierten Ansatz zur Wissensspeicherung erfolgreicher Designs, um den Designprozess digitaler Produkte zu unterstützen. Die hier entwickelte Patternsprache zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sie neben der für den Patternansatz üblichen Fundierung auf bewährten und erfolgreichen Best Practice Lösungen zusätzlich auf einem theoretischen Fundament aufbaut: (1) den Theorien über das Verhalten der Zielgruppe, d.h. der Kunden, sowie (2) dem Wissen über die Besonderheiten, Möglichkeiten und Beschränkungen digitaler
Medien. Das Produktdesign wird dabei aus einer kundenzentrierten Perspektive betrachtet.
Die Qualität bemisst sich daher am Wert des Produktes für den Kunden.
Dieser erste Teil soll in die Arbeit einführen. Zunächst wird die Ausgangslage dargestellt
und die Problemstellung motiviert. Im Anschluss daran werden bestehende Lösungsansätze
vorgestellt. Im Zentrum dieses ersten Teils stehen dann die Darlegung der Zielsetzung der
Arbeit sowie deren Nutzen für die Wissenschaft und die Praxis. Im Anschluss daran wird
die bei der Erarbeitung der Zielsetzung verfolgte Methodik festgelegt. Eine Übersicht über
die Struktur der vorliegenden Arbeit schliesst diesen einleitenden Teil ab.
A 1 Motivation und Ausgangslage
Die zunehmenden Fortschritte und die Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologie haben weitreichende Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Schmid
(2001d: 44) spricht hier von einer zweiten Industrialisierungswelle, der Industrialisierung der
Information.
Die Grundlage für diese Entwicklung bildet die zunehmende Digitalisierung und Formalisierung von Information und von informationsverarbeitenden Prozessen. Deren formale Codierung ermöglicht ihre Verarbeitung resp. Ausführung durch Rechnersysteme und induziert somit eine zunehmende Mechanisierung und Automatisierung der ökonomischen
Leistungserstellung. Die Verbindung der Rechnersysteme mit Telekommunikationsnetzen
gestattet die Übertragung der codierten Information über den Raum. Dadurch entsteht eine
globale „Infosphäre“, in der auf die darin enthaltenen Informationsobjekte unabhängig vom
Ort ihrer Erzeugung und Speicherung zugegriffen werden kann.
„Die Transformation des Informationsbestandes, auf dem unsere Gesellschaft und Wirtschaft basiert, in eine für Computer lesbare und bearbeitbare Form erfolgt in horrendem Tempo. Der Produktionsfaktor Information erhält eine neue Gestalt.“ (Schmid 2000b: 183)
Digitalisierung und Vernetzung wirken sich sowohl auf die Produktionsseite als auch auf
die Nachfragerseite des Wirtschaftssystems aus. Sie bewirken eine Machtverschiebung vom
Anbieter zum Nachfrager sowie damit verbunden eine Bedeutungsverschiebung von der
Produktion zur Kommunikation (Schmid 2000b: 191 f.). Dadurch ergeben sich weitreichende
1
2
Einleitung
Konsequenzen für das Design (digitaler) Produkte sowie deren Einbettung in einen digitalen
Wirtschaftsraum. Diese Aspekte werden in den folgenden Unterabschnitten weiter erläutert.
A 1.1 Auswirkungen der Digitalisierung auf Produktion und
Nachfrage
Die mit der Digitalisierung verbundene Mechanisierung und Automatisierung führt zu einer
Steigerung der Effizienz innerhalb der Produktion. Dies betrifft sowohl die rein produktionstechnischen Abläufe als auch die Organisation der menschlichen Arbeitskraft. Mit der
systematischen und zielgerichteten Nutzung von IT-Systemen innerhalb der Unternehmung
im Zusammenhang mit einer zunehmenden Prozessausrichtung der Unternehmensorganisation beschäftigten sich in den 1980er und 90er Jahren die zahlreichen Vertreter des „Business Process Reenigneerings“.1
Die informationstechnische Vernetzung der Wirtschaft und der Unternehmen wirkt sich nun
jedoch auch zunehmend auf die Gestaltung und informationstechnische Unterstützung der
zwischenbetrieblichen Beziehungen aus. Unternehmen profitieren von diesem globalen und
zunehmend digitalisierten Wirtschaftsraum durch günstigere Beschaffungsmöglichkeiten
sowie niedrigere Kosten bei der Koordination mit Geschäftspartnern. Die sinkenden
Transaktionskosten und die mit der Globalisierung des digitalen Wirtschaftsraumes einhergehende Transparenz fördern dabei eine zunehmend marktliche Gestaltung der Wirtschaft
(vgl. (Malone et al. 1987)).
Durch die Globalisierung des Wirtschaftsraumes erhöht sich die Anzahl der erreichbaren
und somit potentiellen Kunden eines Unternehmens. Gleichzeitig steigt jedoch auch die Anzahl der direkten Konkurrenten. Der Kunde und insbesondere seine Aufmerksamkeit wird
somit zur begrenzten Ressource. Dies induziert eine Verschiebung der Machtverhältnisse
von den Anbietern zu den Kunden (Evans & Wurster 1997: 82).2
A 1.2 Auswirkungen der Digitalisierung auf das Design digitaler
Produkte
Der Erfolg eines Unternehmens hängt also verstärkt von einer möglichst optimalen Befriedigung des Kundenbedürfnisses und der Ausrichtung der Produkte auf deren Wert für den
Kunden ab. Dabei umfasst dieser Kundenwert neben dem Wert des Produktes selbst auch
den Wert des Kontextes, d.h. der Ausgestaltung des Erwerbsprozesses, der Anwendung und
der After Sales Betreuung (Dichtl 1991: 149). Alle Szenen, in denen Kunde und Produkt im
Zuge der Leistungserstellung miteinander interagieren, müssen auf die Wünsche des Kunden ausgerichtet werden. Digitale Produkte haben durch das interaktive digitale Medium, in
1 Vgl. insbesondere Hammer und Champy (1993) als Begründer und zentrale Vertreter des Business
Process Reengineerings.
2 Man spricht hier häufig auch von einer Verschiebung von Verkäufermärkten zu Käufermärkten.
Design Patterns für digitale Produkte
3
das sie eingebunden sind, weitreichende Möglichkeiten, diesen Anforderungen gerecht zu
werden. Beispielsweise kann das Produkt individuell auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten werden, wobei der Kunde mit Hilfe von Konfiguratoren die individuelle Zusammenstellung der Leistung selbständig durchführen kann. Der Kontextwert kann z.B. im Zuge
der Nachbetreuung durch eine in die Anwendung integrierte und stets aktualisierte
Supportdienstleistung, die den Kunden optimal bei der Anwendung des Produktes
unterstützt oder im Zuge des Erwerbsprozesses, u.a. durch eine transparente und flexible
Abwicklung, gesteigert werden.
Sowohl mit dem Gebrauch als auch mit dem Erwerb des Produktes ist weiterhin eine Menge
von Kundenwissen verbunden, das für den Erfolg eines Produktes entscheidend ist: Wissen
über die Existenz einer neuen Problemlösung, Wissen über seine Bedeutung für den Einzelnen und seine Bedeutung innerhalb des sozialen Umfeldes, Wissen über dessen Anwendung
und Wissen über dessen Erwerb (Rogers 1995). Mangelndes Wissen über ein Produkt ist einer der zentralen Faktoren, die für das Scheitern von Neuprodukteinführungen und Innovationen verantwortlich sind (Boutellier & Völker 1997: 53 ff.; Witt 2001). Während sich die
technische Implementation eines neuen Produktes, d.h. die Zeit von der Entwicklung der
ersten Produktidee bis zur Umsetzung in ein Produkt, insbesondere durch die bereits beschriebenen IKT-bedingten Produktivitätszuwächse immer stärker beschleunigt, unterliegt
der Erwerb des benötigten Produktwissens immer noch den gleichen Restriktionen des
menschlichen Gehirns resp. der entsprechenden kognitiven Prozesse (Schmid 2000b: 192).
Die wachsende Diskrepanz zwischen dem Aufwand für die Implementation des Produktes
in den Köpfen der potentiellen Kunden und dem Aufwand für die Implementation des
Produktes in dessen Form induziert somit eine Bedeutungsverschiebung weg von der
Produktion des Produktes hin zur Kommunikation des Produktes. Wie bereits betont,
betrifft dies alle Interaktionsprozesse zwischen Produkt und Kunde vor und während des
Erwerbs und der Anwendung des Produktes. Diese Interaktionsprozesse sind dabei in einen
in zunehmendem Masse digitalisierten Wirtschaftsraum eingebettet, in dem der Anteil der
dort angebotenen digitalen Produkte ständig steigt.
Die Überwindung des Unterschiedes zwischen dem benötigten Wissen und dem vorhandenen Wissen wird durch Kommunikation geschlossen. Dabei spielt das Produkt selbst eine
entscheidende Rolle bei der Kommunikation seiner Funktionsweise und in beschränktem
Masse auch seiner Bedeutung (Schmid 2001c: 26 ff.). Digitale Produkte und Interaktionsräume bieten durch ihre Interaktivität und die Möglichkeiten der multimedialen Darstellung
weitreichende Möglichkeiten, dem Kunden das Verständnis des Produktes zu erleichtern.
Sie stellen durch den starken Selbstbedienungscharakter und den hohen Automatisierungsgrad jedoch auch besondere Anforderungen an eine verständliche Gestaltung des Produktes.
Das durch das Produkt vermittelte Wissen reicht jedoch zumeist nicht aus, um die Funktionsweise und vor allem auch die Bedeutung des Produktes für das Individuum und das soziale Umfeld zu kommunizieren. Weiterhin muss zunächst auch das Wissen über die Existenz des Produktes verbreitet werden. Dieses Wissen bildet die Voraussetzung dafür, dass
ein Kunde das Produkt überhaupt wahrnimmt und den Wunsch entwickelt, das Produkt zu
besitzen. Es initiiert die eigentliche Geschäftstransaktion und die spätere Anwendung des
4
Einleitung
Produktes. Die Übermittlung dieses Wissens bedarf der expliziten Kommunikation über das
Produkt. Der neue digitale Interaktionsraum bietet auch hier vielfältige Möglichkeiten, diese
Kommunikation zu unterstützen. Alle genannten Aspekte müssen beim Design der das Produkt umgebenden Interaktionsräume berücksichtigt werden.
Aus der obigen Argumentation lassen sich zusammenfassend folgende Anforderungen an
ein kundenzentriertes Design digitaler Produkte in einem digitalen Wirtschaftsraum ableiten:
• Das Produkt und die umgebenden Interaktionsräume müssen auf den Kundenwert
ausgerichtet werden. Der Wert eines Produktes setzt sich dabei zusammen aus dem
Wert des Produktes selbst und dem Wert seines Kontextes und somit dem Wert aller
Interaktionsprozesse vom Erwerb des Produktes über die Anwendung bis zur After
Sales Betreuung. Beim Design eines Produktes sind somit alle Interaktionsbeziehungen
zwischen Kunde und Produkt auf die Interessen und Wünsche des Kunden auszurichten.
• An das Design dieser Interaktionsprozesse wird weiterhin die Forderung nach einer
für den Kunden verständlichen Darstellung gestellt. Sie reduziert den Aufwand für die
Implementation des Produktes in den Köpfen der Anwender.
• Schliesslich ist beim Design eines Produktes die Kommunikation über das Produkt zu
beachten, d.h. das Design der Interaktionsprozesse, die dem eigentlichen Erwerb und
der Anwendung des Produktes vorausgehen und in denen das Wissen über die Existenz und die Bedeutung des Produktes aufgebaut wird.
Insbesondere die Kommunikation über das Produkt findet vielfach auch ausserhalb des digitalen Wirtschaftsraumes unter Verwendung traditioneller Medien, wie Messen, Werbung
in Zeitschriften etc., statt. In dieser Arbeit interessiert jedoch ausschliesslich die Gestaltung
digitaler Medien und der dadurch aufgespannten digitalen Interaktionsräume.
A 1.3 Defizite beim Produktdesign
Trotz der Bedeutung des Designs digitaler Produkte aus einer kundenorientierten Perspektive finden sich in Forschung und Praxis noch kaum pragmatische Methoden zur zielgerichteten Unterstützung des Designprozesses.3 Die Entwicklung einer solchen Methode wird
durch die Interdisziplinarität des Designs digitaler Produkte erschwert. Zu berücksichtigen
sind dabei insbesondere:
• Prinzipien aus dem Marketing und dem Konsumentenverhalten: zur Bestimmung der
Anforderungen und Bedürfnisse sowie der Verhaltensweisen des Kunden, die bei der
Ausgestaltung der Interaktionsbeziehungen zu berücksichtigen sind.
3 Diese Defizite werden in Kapitel D 2 bei der Darstellung der bestehenden Patternansätze ausführlich
erläutert.
Design Patterns für digitale Produkte
5
• Prinzipien aus dem Bereich der Human Computer Interaction (HCI)-Forschung: zur
Realisierung der Schnittstellen zwischen Kunde und Produkt resp. dessen menschlichen oder künstlichen Vertretern.
• Prinzipien des Software Engineerings: zur Realisierung der Interaktionsräume und
insbesondere zur Realisierung der geforderten Funktionalität.
Existierende Methoden beziehen sich zumeist lediglich auf einen Blickwindel des Designs
und vernachlässigen die Interdisziplinarität des Designprozesses.
Das Ziel dieser Arbeit ist es somit, einen pragmatischen Ansatz zu entwickeln, mit dessen
Hilfe das kundenzentrierte Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum unterstützt werden kann.
A 2 Bestehende Lösungsansätze
Bevor die Zielsetzung der Arbeit weiter konkretisiert wird, sollen im folgenden Abschnitt
die bestehenden Ansätze vorgestellt werden, die für die Entwicklung einer solchen Designunterstützung genutzt werden können.
A 2.1 Patternansatz
In verschiedenen Designdisziplinen, insbesondere im Software Engineering, in der Architektur und in jüngster Zeit ebenfalls in der HCI-Forschung, hat sich der Einsatz von Design
Patterns zur Unterstützung des Designprozesses bewährt.
Design Patterns beschreiben erfolgreiche und bewährte Lösungen von wiederkehrenden Designproblemen. Sie erfassen die Problemsituation sowie die Lösung auf einem Abstraktionsniveau, das konkret genug ist, um eine gezielte Anwendung der Patterns zur Problemlösung
zu ermöglichen, und abstrakt genug, um die Übertragbarkeit auf viele konkrete Anwendungssituationen zu gestatten. Die Beschreibung erfolgt dabei in einer Sprache, die auch von
Design-Novizen und Fachfremden verstanden werden kann. In dieser Funktion als Lingua
Franca werden Design Patterns daher den Anforderungen eines interdisziplinären Designprozesses gerecht. Weiterhin bilden sie eine Grundlage für die strukturierte Speicherung und
somit das Management von Designwissen. Insbesondere in der Architektur als auch im HCI
wird die Qualität der Lösungen an der resultierenden „Zufriedenheit“ des Anwenders gemessen. Diese sogenannte Quality without a name entspricht somit prinzipiell der Ausrichtung, die dem Design digitaler Produkte zugrunde gelegt werden soll.
Design Patterns leiten sich aus der Analyse erfolgreicher Designpraxis ab. Sie „formalisieren“ das Wissen, das in den Köpfen erfahrener Designer gespeichert ist und in erfolgreichen
Anwendungen widergespiegelt wird. Die Beschreibung der Patterns liefert jedoch für jedes
Lösungsmuster weiterhin eine rationale Begründung ihrer Funktionsweise, die das Verständnis und die Anwendung der Lösung erleichtert und ihre Validität argumentativ untermauert. Diese theoretische Säule der Patterns ist hier besonders wichtig, da es sich beim
Design digitaler Produkte um eine noch sehr junge und dynamische Designdisziplin han-
6
Einleitung
delt, bei der das Praxiswissen noch nicht gefestigt ist und die konstante Weiterentwicklung
allein schon des technologischen Umfeldes eine rein empirische Fundierung nicht gestattet.4
A 2.2 Modelle von Medien und Theatermetapher
Der Patternansatz gibt lediglich einen Rahmen zur Herleitung, zur Beschreibung und zum
systematischen Einsatz von Designwissen. Ein Patternsystem legt jedoch noch nicht den Designgegenstand sowie die Mittel zur Beschreibung der Designkonzepte fest. Am Institut für
Medien- und Kommunikationsmanagement wurden mit den Modellen von Medien konkrete
Möglichkeiten zur Beschreibung und Entwicklung – digitaler – Interaktionsräume entwickelt
(Schmid 1997c; Schmid 1999a; Schmid 2001b).
Die Modelle zeichnen sich dadurch aus, dass sie sowohl die organisatorischen und im Anwendungsfall betriebswirtschaftlichen Aspekte als auch die informationstechnischen Aspekte der Umsetzung zu erfassen gestatten. Das Medienmodell beschreibt mit seinen drei
Komponenten der Organisation, dem logischen Raum und dem Kanalsystem die konstituierenden Elemente eines digitalen Interaktionsraumes (Schmid 1997c), das Medienreferenzmodell
ordnet das Medienmodell in den Anwendungskontext ein (Schmid 1999a). Zur
Operationalisierung dieser Modelle wurde die Theatermetapher entwickelt. Sie nutzt die
Analogien, die zwischen dem Design eines digitalen Interaktionsraumes und dem Design
eines Theaterstückes gezogen werden können (Schmid 2001b).
Das Medienmodell, das Medienreferenzmodell sowie die Theatermetapher liefern somit den
formalen Rahmen für das Design digitaler Produkte und des sie umgebenden Wirtschaftsraums.
A 3 Zielsetzung
Nach der Darlegung der Ausgangslage, der Problemsituation und der Vorstellung der bestehenden Basiskonzepte wird in diesem Abschnitt die Zielsetzung der Arbeit konkretisiert.
Die generelle Forderung nach einer pragmatischen Methode zur Unterstützung des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum manifestiert sich in der
folgenden Zielsetzung:
Entwicklung einer Patternsprache für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
Dabei konzentriert sich diese Arbeit vorrangig auf die Betrachtung von Produkten, die auf
das Endkundensegment ausgerichtet sind. Wie bereits erläutert, ist der Begriff des Designs
digitaler Produkte in dieser Arbeit sehr breit gefasst. Er umfasst das Design aller digitalen
Interaktionsräume innerhalb der Kunde-Produkt-Interaktion, von der ersten Begegnung
zwischen Kunde und Produkt über den Erwerb bis zur Nachbetreuung. Ein digitales
4 Bei den meisten bestehenden Ansätzen beruht diese hier als theoretisch bezeichnete Säule jedoch
nicht auf Theorien im eigentlichen Sinne. Sie liefern stattdessen lediglich eine rein
argumentative Begründung respektive Motivation der Lösung (s. Kapitel D 2)
Design Patterns für digitale Produkte
7
Produkt wird dabei verstanden als ein digitales Gut respektive eine digitale Dienstleistung
oder aber die digitale Abbildung eines physischen Gutes, das über digitale Kanäle vertrieben
wird.5 Während die Ausgestaltung der Anwendungsphase in höchstem Masse abhängig
vom jeweiligen Produkttypus ist, lassen sich für die Phasen, die der eigentlichen
Anwendung vor- und nachgelagert sind, generische Pattern identifizieren, die unabhängig
vom speziellen Produkttypus beim Design digitaler Produkte genutzt werden können.
Daher liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Entwicklung einer Patternsprache, welche
diese generischen Phasen erfasst. Für die Anwendungsphase sind nach der in dieser Arbeit
vorgestellten Vorgehensweise produktgruppenspezifische Sub-Patternsprachen zu entwerfen. Diese können jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Weiterhin steht in
dieser Arbeit die Betrachtung der aktuell vorherrschenden „Browser-Schnittstelle“ zwischen
Kunde und Produkt im Vordergrund.
Aus der übergeordneten Zielsetzung lassen sich nun weitere Forschungsziele ableiten:
• Konkretisierung des Verständnisses des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte
im digitalen Wirtschaftsraum unter Berücksichtigung der Bedeutung des Kundenwertes sowie der Kommunikation über und durch das Produkt,
• Bestimmung der Charakteristika digitaler Produkte und des digitalen Wirtschaftsraumes und Ableitung der Konsequenzen für das kundenzentrierte Design,
• Bestimmung des Anwendungskontextes digitaler Produkte zur Ableitung der Szenen
der Kunde-Produkt-Interaktionsbeziehung,
• Analyse des Konsumentenverhaltens zur Ableitung von Gestaltungshinweisen für die
einzelnen Szenen,
• Analyse des Patternansatzes und Herausarbeitung der Vorteile des Ansatzes gegenüber anderen Methoden zur Unterstützung des Designprozesses und zur Speicherung
von Designwissen sowie Analyse bestehender Patternsysteme und Bestimmung ihrer
Defizite bezüglich des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte,
• Entwicklung einer Metasprache, welche die Struktur der Patterns und die Beziehungen
zwischen den Patterns festlegt, durch die sich die Patterns zu einer Designsprache ergänzen; diese Metasprache ist Voraussetzung für die konsistenzerhaltende Weiterentwicklung der konkreten Patternsprachen über die Zeit,
• Ableitung der Design Patterns für digitale Produkte auf der Grundlage der erarbeiteten theoretischen Kenntnisse und der Analyse von Best Practice Cases aus der Praxis,
• Anwendung der Modelle von Medien und der Theatermetapher zur Darstellung der
Lösung.
5 Eine genaue Definition von digitalen Produkten sowie vom Design digitalen Produkten erfolgt in
den Kapiteln B und C der Arbeit.
8
Einleitung
A 4 Nutzen der Arbeit
Diese Arbeit richtet sich sowohl an die Wissenschaft als auch an die Praxis. Durch sie ergeben sich die folgenden Nutzenpotentiale:
1.
Unterstützung der Designer bei der Erstellung erfolgreicher digitaler Produkte: Die
informale Beschreibung der Lösungen in Form von Problem-Lösungs-Kombinationen gestattet die einfache Anwendung der Patterns auch für Design-Novizen.
2.
Unterstützung der Entdeckung und Etablierung von wiederkehrenden Mustern in der
Kunde-Produkt Interaktion: Die im Zuge der Umsetzung der Patterns in den konkreten Designlösungen wiederkehrenden Muster fördern das Verständnis der Produkte durch den Kunden und erleichtern das Design von verständlichen Produkten
durch die Produktdesigner. Die entwickelten Patterns können dann auch die
Grundlage für die Entwicklung (technischer) Frameworks bilden, die eine direkte
Umsetzung der Lösungen gestatten.
3.
Unterstützung des multidisziplinären Designprozesses: Das Design erfordert die Zusammenarbeit von Stakeholdern verschiedener Disziplinen mit entsprechend unterschiedlichen Anforderungen an das Design: der Kunde, der Schnittstellendesigner,
der Software-Ingenieur etc. Die hier entwickelte Sprache soll die verschiedenen
Sichten dieser Stakeholder auf das Produkt erfassen. Als Lingua Franca soll sie einen
partizipativen Designprozess unterstützen, in den alle Stakeholder frühzeitig integriert werden.
4.
Grundlage für das Management von Designwissen: Patterns bilden die Grundlage zur
Bewahrung, Verbreitung und Weiterentwicklung guten Designwissens. Sie bieten
somit eine Basis für das Knowledge Managements sowohl im Unternehmenskontext
als auch innerhalb der wissenschaftlichen Community.
5.
Integration von Theorie und Praxis: Die Patternsprache basiert auf zwei Säulen, einer
theoretischen und einer praktischen. Durch die systematische Integration und explizite Erfassung theoretischer Kenntnisse in den Patterns gestattet die Sprache eine
sukzessive Erweiterung, im Zuge derer neue Möglichkeiten der Technologie sowie
neue Erkenntnisse über das Konsumentenverhalten in neue Gestaltungsmöglichkeiten umgesetzt werden. Umgekehrt führt die praktische Säule mit der Ableitung
von in der Praxis funktionierenden Lösungen zur Überprüfung und Weiterentwicklung des theoretischen Fundaments.
6.
Integration verschiedener Disziplinen: Aufgrund ihrer interdisziplinären Ausrichtung
gestattet die Patternsprache eine Zusammenführung verschiedener Designdisziplinen in einem Ansatz und bildet somit die Grundlage für das Studium des Zusammenspiels der verschiedenen Disziplinen.
Die ersten drei Potentiale sind vor allem für die Anwendung der Patternsprache im Unternehmenskontext entscheidend. Die Punkte vier und fünf richten sich sowohl an die Praxis
als auch an die wissenschaftliche Community. Die Integration von Theorie und Praxis durch
die Patternsprache gestattet dabei eine intensivere Zusammenarbeit zwischen diesen beiden
Design Patterns für digitale Produkte
9
Zielgruppen dieser Arbeit. Mit der Integration verschiedener Disziplinen liefert die Patternsprache schliesslich einen wesentlichen Beitrag für die Wissenschaft.
A 5 Methodisches Vorgehen
Dieser Abschnitt erläutert die Einordnung der vorliegenden Forschungsarbeit in die Wissenschaftstheorie, die Forschungskonzeption und das dieser Arbeit zugrundegelegte methodische Vorgehen.
A 5.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung und
Forschungskonzeption
Die Forschung gliedert sich, positioniert an der Schnittstelle zwischen Informatik und wirtschaftswissenschaftlicher Forschung, in die Tradition der angewandten sozialwissenschaftlichen Forschung im Ulrich’schen Sinne ein (Ulrich 1984: 168 ff.). Ziel der
anwendungsorientierten Forschung ist die „Erfassung typischer Probleme der Praxis und die
Prüfung der von ihr entwickelten Gestaltungsmodelle“ (Ulrich 1981: 10). Im Vordergrund
der angewandten Forschung steht somit nicht primär der Zuwachs der Erkenntnissicherung
als vielmehr das Verständnis und die dadurch mögliche Gestaltung der Realität. Damit
grenzt sie sich von einer rein theoretischen nach Wahrheitsfindung strebenden Forschung
ab. Tabelle A 5-1 stellt die zentralen Unterschiede der hier verfolgten anwendungsorientierten Forschung und der dazu komplementären theoretischen Wissenschaften
gegenüber.
Theoretische
Wissenschaften
Anwendungsorientierte Wissenschaften
Entstehung der Probleme
In der Wissenschaft
In der Praxis
Abgrenzung der Probleme
Durch Theoriezusammenhang
Durch Praxiszusammenhang
Forschungsziele
Theorieentwicklung und –prü- Entwerfen möglicher Wirklichfung, Erklärung der bestehenden keiten
Wirklichkeit
Angestrebte Aussagen
Deskriptiv, wertfrei
Normativ, wertend
Forschungsregulativ
Wahrheit
Nützlichkeit
Forschungskriterien
Allgemeingültigkeit,
Bestäti- Praktische Problemlösungskraft
gungsgrad,
Erklärungskraft, von Modellen und Methoden
Prognosekraft von Theorien
Tabelle A 5-1:Gegenüberstellung: Theoretische und Anwendungsorientierte Wissenschaften
(aus (Ulrich 1998: 163))
10
Einleitung
Probst und Romhardt (1997: 131 f.) stellen fünf Forderungen an ein anwendungsorientiertes
Wissensmanagement, die sich ebenfalls auf die anwendungsorientierte Forschung übertragen lassen:6 (1) die Anschlussfähigkeit, (2) die Problemorientierung, (3) die Verständlichkeit,
(4) die Handlungsorientierung und (5) die Instrumentalisierung der entwickelten Konzepte.
Alle fünf Anforderungen werden durch den in dieser Arbeit zugrundegelegten Patternansatz erfüllt:
1.
Anschlussfähigkeit: Diese Eigenschaft fordert die Schaffung einer gemeinsamen Sprache und die Einordnung der entwickelten in die bereits bestehenden Konzepte. Die
hier entwickelte Patternsprache erhebt den Anspruch, im Sinne einer Lingua Franca
eine gemeinsame Sprache für alle am Designprozess beteiligten Akteure zu bilden.
Die Sprache selbst soll es weiterhin ermöglichen, bestehende Patternansätze sowie
auch bestehende Theorien zu integrieren.
2.
Problemlösungsorientierung: Sie fordert von den Arbeiten, dass sie zur Lösung
konkreter Probleme beitragen. Die hier entwickelte Patternsprache soll das Defizit
innerhalb der Designpraxis bzgl. gezielter und pragmatischer Methoden zur Designunterstützung schliessen und wird somit auch dieser Anforderung gerecht.
3.
Verständlichkeit: Patterns stellen Designwissen in einer wenig formalen und daher
auch für Laien verständlichen Sprache dar. Sie werden daher der Anforderung an
die Verständlichkeit gerecht.
4.
Handlungsorientierung: Patternsprachen geben konkrete Empfehlungen, wie immer
wiederkehrende Designprobleme zu lösen sind. Sie erfüllen also auch die Forderung nach der Entwicklung handlungsorientierter Konzepte.
5.
Instrumentenbereitstellung: Patternsprachen dienen im Sinne eines Instruments der
Anwendung im Zuge des Designprozesses. Die Arbeit stellt somit direkt ein Instrument zur Anwendung des in der Patternsprache abgebildeten Problemlösungswissens zur Verfügung.
Die zugrundegelegte Forschungskonzeption basiert prinzipiell auf der „Konstruktionsstrategie empirischer Forschung“ (Kubicek 1976), bei der ausgehend von einem theoretischen
Grundverständnis ein Bezugsrahmen, in diesem Fall die Patterns, erarbeitet wird, der dann
durch die Erfahrungen der Praxis validiert und angepasst wird.
Ausgangspunkt der Arbeit waren die Probleme der Praxis beim kundenzentrierten Design
digitaler Produkte in einer in zunehmendem Masse digitalisierten Wirtschaft. Hier fehlen
bisher systematische Methoden zur Unterstützung des interdisziplinären Designprozesses.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde somit ein aktuelles Problem der Praxis aufgegriffen und
unter Einbezug theoretischer Kenntnisse und der Analyse erfolgreicher Beispiele aus der Designpraxis Lösungen in Form eines Patternsystems erarbeitet. Damit leistet die vorliegende
Arbeit einen Beitrag zur realitätsorientierten Forschung.
6 Der Patternansatz gliedert sich dabei ebenfalls in die Disziplin des Wissensmanagements ein.
Design Patterns für digitale Produkte
11
Gemäss Tomczak (1992) ist eine realitätsorientierte Forschung charakterisiert durch (1) „[den
Versuch] praktisch relevante Probleme und Phänomene auf dem Wege eines theoriegeleiteten Empirismus zu beschreiben, zu erklären und zu lösen“, (2) „[den] Objektbereich durch
gezielte Erfahrungsgewinnung selbst kennenzulernen“ und (3) „theoretisch geleitete Fragen
an die Realität zu stellen.“ Forschung wird dabei als iterativer Lernprozess begriffen
(Tomczak 1992: 84). Er ist in Abbildung A 5-1 dargestellt.
Ausgehend von einem theoretischen Vorverständnis, das in dieser Arbeit durch ein umfassendes Literaturstudium sowie persönliche und praktische Erfahrungen gewonnen werden
konnte, werden Fragen an die Realität gestellt. Im Zuge der Arbeit sind dabei insbesondere
das Wissen über das Konsumentenverhalten sowie die Besonderheiten digitaler Produkte
entscheidend. Das aus der Sammlung von Daten sowie auf der Grundlage des (theoretischen) Vorverständnisses entwickelte Realitätsbild wird dann kritisch reflektiert und führt
durch eine Differenzierung und Abstraktion zu einer Anpassung des theoretischen Verständnisses. In dieser Arbeit beruht die Datensammlung vorrangig auf der qualitativen Methode der Analyse ausgewählter Best Practice Cases.
Fragen an die
Realität
LiteraturLiteratur
Analyse
analyse
Cases
Theoretisches
(Vor -) Verständnis
Sammlung von
Daten
Anwendung in der
Designpraxis
Persönliche
Erfahrungen
Abstraktion,
Differenzierung,
etc.
Kritische
Reflektion des
gewonnenen
Weltbildes
Abbildung A 5-1: Iterativer Forschungsprozess7
Die hier entwickelte Patternsprache ist somit das Ergebnis der wiederholten kritischen Reflexion des gewonnenen Realitätsbildes sowie der anschliessenden Abstraktion und Differenzierung. Sie beruht auf dem in der Graphik illustrierten Wechselspiel zwischen Praxis und
Theorie, in dem sie auf einer theoretischen Fundierung aufsetzt und dabei die in der Praxis
funktionierenden Designlösungen widerspiegelt.8
7 In Anlehnung an (Tomczak 1992: 84).
8 Box und Luceno (1997: 9) sagen dazu: „So since all models are wrong, it is very important to know
what to worry about; or to put it in another way, what models are likely to produce procedures
that work in practice (where exact assumptions are never true). Obviously, a good approach ist
to consider the properties of procedures that do seem to work in practice. In fact to obtain a
useful procedure one needs both empiricism and theory. But more than that one needs
continuous iteration between them.”
12
Einleitung
A 5.2 Methodisches Vorgehen in dieser Arbeit
Wie im vorangegangenen Abschnitt bereits erläutert wurde, basiert die hier zu entwickelnde
Patternsprache für digitale Produkte generell auf drei Säulen:
1.
dem theoretischen Vorwissen über digitale Produkte und über das
Konsumentenverhalten sowie dem methodischen Wissen über den in dieser Arbeit
verwendeten Patternansatz und die Modellen und Methoden zur Beschreibung und
Entwicklung von digitalen Interaktionsräumen in Form der Modelle von Medien.
Im Zuge der Vorstellung der Patternansätze interessiert insbesondere deren Bedeutung und vor allem auch deren Defizite in bezug auf das kundenzentrierte Design digitaler Produkte, woraus sich die in dieser Arbeit zu schliessende Forschungslücke ableitet.
2.
den eigenen Erfahrungen mit dem Design digitaler Produkte aus Praxisprojekten
und
3.
der Analyse erfolgreicher Realisierungen digitaler Produkte in der Praxis.
Dementsprechend beruht das methodische Vorgehen dieser Arbeit auf der Erarbeitung der
inhaltlichen und methodischen Grundlagen im Zuge eines Literaturstudiums, der Aufbereitung der eigenen Erfahrungen, die im Zuge der Arbeiten am Institut gewonnen werden
konnten sowie der Auswertung von Best Practice Cases. Es gliedert sich dabei in den zyklischen Forschungsprozess ein (vgl. Abschnitt A 5.1).
Literaturstudium
Voraussetzung für das – kundenzentrierte – Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum sind fundierte Kenntnisse über die Besonderheiten digitaler Produkte sowie des
sie umgebenden digitalen Wirtschafsraumes und weiterhin Wissen über das Verhalten von
Konsumenten beim Erwerbs- und Anwendungsprozess eines Produktes. Sie bilden die inhaltlich theoretische Säule der Arbeit und wurden in einem ersten Schritt dieser Forschungsarbeit durch ein intensives Literaturstudium erarbeitet.
Die methodische Grundlage bilden der Patternansatz und die Modelle von Medien. Auch
dieses Wissen wurde vorrangig im Zuge eines Literaturstudiums erworben. In bezug auf
den Patternansatz wurde neben der Aufbereitung der diesem Ansatz zugrundeliegenden
methodischen Prinzipien ein Schwerpunkt auf die Erarbeitung einer Übersicht über bereits
bestehende Patternansätze in den für die Arbeit relevanten Disziplinen gelegt. Sie ermöglichen eine Einordnung der eigenen Arbeit und zeigen insbesondere das bestehende Forschungsdefizit im Bereich der Patternforschung zur Unterstützung des kundenzentrierten
Designs digitaler Produkte auf.
Erfahrungswissen aus Forschungstätigkeit:
Die theoretischen Kenntnisse konnten durch eigene Erfahrungen mit dem Design digitaler
Produkte im Rahmen einer Assistenztätigkeit am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement erlangt werden. Die Autorin engagierte sich dabei in den beiden Forschungsbereichen Kompetenzzentrum Elektronische Märkte (CCEM) und Forschungsgruppe Computational Media und arbeitete an verschiedenen praxisorientierten Forschungsprojekten mit.
Design Patterns für digitale Produkte
13
CCEM: Das Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement unter der Leitung von
Herrn Prof. Dr. Beat Schmid ist eine der ersten Institutionen, die sich intensiv mit der Erforschung der wirtschaftlichen und technischen Aspekte elektronischer Märkte beschäftigten.
Es zählt mittlerweile zu den führenden Forschungsinstitutionen in diesem Bereich. Eine tragende Säule dieser Forschungsaktivitäten sind Kompetenzzentren, in denen Wissenschaftler
und Vertreter der Praxis gemeinsam für beide Seiten relevante Fragestellungen bearbeiten.
Das Kompetenzzentrum Elektronische Märkte (Competence Center Electronic Markets) befindet sich mittlerweile in der fünften Dreijahresperiode. Gegründet wurde es bereits im
Jahre 1989. In der ersten Phase, dem CCEM1, wurden die grundlegenden Konzepte und
Prinzipien elektronischer Märkte erarbeitet. Im Vordergrund stand die Untersuchung ökonomischer Koordinationsmechanismen sowie der Architektur elektronischer Märkte. Bereits
hier wurde die Grundlage des später entwickelten Medienreferenzmodells zur Gestaltung
digitaler Interaktionsräume gelegt. Im Zentrum der zweiten Phase, dem CCEM2, stand die
Entwicklung generischer Marktdienste für die Waren- und Finanzlogistik. Besonders hervorzuheben sind die Arbeiten zu einem Computer – integrierten Logistikdienst, CIL. Die
dritte Phase, das CCEM3 beschäftigte sich mit den strategischen Aspekten elektronischer
Märkte. In dieser Arbeit entstand insbesondere das Referenzmodell elektronische Märkte,
die Grundlage des in dieser Arbeit verwendeten Medienreferenzmodells. Im Mittelpunkt der
Arbeiten der vierten Phase des Kompetenzzentrums, des CCEM4, stand das Management
von Geschäftsmedien, verstanden als Plattform zum Austausch von Gütern, Werten, Informationen und Leistungen. Die fünfte Phase, das CCEM5, beschäftigt sich aktuell mit nachhaltigen Geschäftsmodellen in digitalen Medien. Die eigenen Arbeiten im Bereich des Designs digitaler Medien gliedern sich vorrangig in die vierte Phase des CCEM ein.
Forschungsgruppe Computational Media: Die Forschungsgruppe Computational Media, gegründet 1997 unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Ulrike Lechner, setzte ihren Fokus auf die
Erarbeitung theoretischer Konzepte zum Design und zur Modellierung von Medien. Ziel
war die Formalisierung von Medien als Grundlage ihrer technischen Realisierung. Dazu
wurden die Komponenten der Modelle von Medien, dem Medienmodell und dem Medienreferenzmodell, mit formalen Methoden aus der theoretischen Informatik sowie mit semiformalen Methoden aus dem Bereich des Software Engineerings beschrieben (Klose et al.
1999b; Lechner et al. 1999a). Die resultierenden Spezifikationen ermöglichen die Umsetzung
der so gestalteten Medien in Informations- und Kommunikationstechnologie. Im Zentrum
der eigenen Arbeiten innerhalb der Forschungsgruppe stand die semiformale Modellierung
von Medien, sowie die Konkretisierung und Validierung der bestehenden Modellierungsansätze durch deren Übertragung auf konkrete Anwendungsfälle (Hoffmann et al. 1999b; Klose
1999; Klose & Lechner 1999b; Klose & Lechner 2000; Lechner et al. 1999b).
Projektarbeit: Weitere Erfahrungen konnten im Zuge der Mitarbeit an diversen Forschungsprojekten gewonnen werden:
• LogEC II und III: Im Zentrum dieser beiden Forschungsprojekte stand die Untersuchung der Potentiale elektronischer Medien für die Logistikbranche. Die beiden Projekte wurden in Zusammenarbeit mit der DANZAS Stiftung für Logistik sowie dem
Institut für Technologiemanagement (ITEM) an der Universität St. Gallen, Bereich In-
14
Einleitung
novationsmanagement und Logistik, durchgeführt. Die Zielsetzung von LogEC II bestand in der Entwicklung möglicher Geschäftsmodelle – und somit elektronischer Produkte – eines Logistikdienstleisters in der digitalen Ökonomie. Für die Modellierung
der entsprechenden Geschäftsmedien wurden die Modelle von Medien, insbesondere
das Medienreferenzmodell, verwendet (Hoffmann et al. 1999b; Hoffmann et al. 1999a;
Hoffmann 2001; Hoffmann & Klose 2000; Klose et al. 1999a). In LogEC III wurde dann
das Konzept eines „Logistikhubs“, eines Geschäftsmediums für die Realisierung der in
LogEC II entwickelten Geschäftsmodelle, verfeinert. Auch hier bildete das Medienmodell die Grundlage der Arbeit (Klose et al. 2000).
• Abdra II: Ziel des Projektes ABDRA II (Auction Based Distributed Resource Allocation)
war die Untersuchung und Implementierung von Allokationsmechanismen für Informationsmärkte. Neben dem Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement
bestand das Projektteam aus Vertretern des Instituts für Informatik an der Universität
Zürich sowie, als Praxispartner, aus Mitarbeitern der UBS AG. Auf Basis des Medienmodells wurden Designmodelle für einen Informationsmarkt auf dem firmeneigenen
Intranet des Praxispartners entwickelt und prototypisch realisiert (Hengartner et al.
2000a; Hengartner et al. 2000b; Klose & Lechner 1999a; Klose & Lechner 1999c).
• Reference Model Electronic Markets: Dieses Projekt gliedert sich in das vom Schweizer
Nationalfonds geförderte Forschungsprogramm CNEC (Competence Network Electronic Commerce) ein. Ziel war es, auf der Grundlage des bestehenden Medienreferenzmodells einen Strukturrahmen für das Design und die Entwicklung von Elektronischen Märkten zu entwickeln, in den sich insbesondere die verschiedenen Projekte des
Kompetenznetzwerkes, aber auch allgemein Arbeiten und Ansätze aus der Forschung
und Praxis Elektronischer Märkte eingliedern lassen.
Auch in diesen Arbeiten konnten somit weitreichende Erkenntnisse über das Design digitaler Produkte, insbesondere in bezug auf die Anforderungen des Kunden, die Möglichkeiten
und Charakteristika digitaler Produkte sowie deren Umsetzung beim Design digitaler Produkte gewonnen werden.
Cases (Best Practice)
Das Konzept der Patternforschung besteht darin, in der Designpraxis bewährte Lösungen
auf wiederkehrende Designprobleme zu entdecken und diese systematisch zu erfassen. Die
Analyse von Best Practice Beispielen bildet somit einen zentralen Teil dieser Arbeit. Im Falle
digitaler Produkte wird diese Vorgehensweise jedoch dadurch erschwert, dass noch wenige
Beispiele zu finden sind, welche die Möglichkeiten digitaler Produkte und die Anforderungen der Kunden optimal befriedigen. Verschiedene Anwendungen können dabei als Best
Practices für lediglich einzelne Aspekte resp. Szenen der Kunde-Produkt-Interaktion angesehen werden. Um das fehlende Best Practice Wissen zu kompensieren, wird zur Herleitung
der Patterns weiterhin das im Literaturstudium gewonnene theoretische Wissen genutzt.
Die Best Practice Beispiele zeichnen sich vorrangig durch ihren Erfolg bei ihrem Kundenkreis aus. Als weiteres Unterscheidungskriterium dient der Innovationsgrad des dem Produkt zugrundegelegten Geschäftsmodells aus der Sicht ihrer potentiellen Kunden. Je innovativer das Produkt ist, desto aufwendiger und zentraler gestaltet sich die Kommunikation
Design Patterns für digitale Produkte
15
des Produktes (durch und über das Produkt). Daher betrachten wir neben den etablierten
digitalen Produkten wie amazon.com, dell.com und ebay.com, bei denen es sich um Produkte
mit geringem oder mittlerem Innovationsgrad handelt, auch innovative Produkte wie
jobfair24.de.
A 6 Disposition der Arbeit
Der Aufbau der Arbeit ist in Abbildung A 6-1 graphisch dargestellt. Danach gliedert sich die
Arbeit in 11 Kapiteln, die sich sechs Teilen zuteilen lassen.
A: Einleitung
B: Des ign digitaler Produkte im digitalen Wirts chafts raum
Produkt I und II
C: Inhaltliche Grundlage
Charakteris tika
digitaler Produkte
im digitalen
Wirts chafts raum
(Kap. C 1)
Anwendungs kontext
digitaler Produkte
Modell der KundeProdukt-Interaktion
Kons umentenverhalten
(Kap. C 2)
D: Methodis che Grundlage
Patternans atz
(Kap. D 1)
Einordnung in die
Patternfors chung
(Kap. D 2)
Modelle von Medien
zur Bes chreibung
digitaler
Interaktions räume
(Kap. D 3)
E: Entwicklung der Patterns prache
Metapatterns prache und Entwicklungs rahmen (Kap. E 1)
Patterns prache für das Des ign digitaler Produkte (Kap. E 2)
F: Zus ammenfas s ung und Aus blick
Abbildung A 6-1: Aufbau der Arbeit
Der vorliegende erste Teil A führt in die Arbeit ein. Dabei werden nach der Darstellung der
Ausgangslage und der Illustration der Problemstellung (A 1) bestehende Lösungsansätze
vorgestellt (A 2). Im Zentrum steht dann die Darlegung der Zielsetzung der Arbeit und der
hinführenden Unterziele sowie des Nutzens der Arbeit für die Wissenschaft und die Praxis
(A 3 und A 4). Anschliessend wird die der Arbeit zugrundegelegte Forschungsmethodik erläutert (A 5) und die Disposition der Dissertation vorgestellt (A 6).
Der zweite Teil bildet den Ordnungsrahmen dieser Arbeit. Hier wird die zunehmende Bedeutung des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte erläutert und das in dieser Arbeit
zugrundegelegte Verständnis von Design konkretisiert. Dieses Kapitel baut dabei sehr stark
16
Einleitung
auf den aktuellen Arbeiten über Produktdesign am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement auf. Zunächst werden die beiden Sichten des Produktes als Problemlösung
(B 1) sowie die dadurch induzierten zwei Arten der Implementation eines Produktdesigns
dargelegt (B 2). Dabei wird das Produkt zum einen aus der Sicht des Kunden und zum anderen aus der Sicht der Produktion betrachtet. Beide Blickwinkel müssen beim Design berücksichtigt werden. Ein Produkt aus der Sicht des Kunden hat neben seiner Funktion auch den
Charakter eines Zeichens. Dabei können drei verschieden Wirkungsdimensionen eines Produktes identifiziert werden, die beim Design beachtet werden müssen und daher in diesem
Kapitel dargelegt werden (B 3). Anschliessend wird erläutert, wie sich die Veränderungen in
der Wirtschaft auf eine Verschiebung zwischen den beiden Designperspektiven, zu Gunsten
der Kundensicht, auswirkt (B 4). Im Zentrum dieses zweiten Teils der Arbeit steht dann die
Festlegung des Begriffsverständnisses von Produktdesign (B 5) und dessen Konkretisierung
zum kundenzentrierten Design digitaler Produkte in einem digitalen Wirtschaftsraum (B 6).
Nach dieser Einführung wird in den nächsten zwei Kapiteln die inhaltlich theoretische
Grundlage dieser Arbeit gelegt (Teil C). Kapitel C 1 analysiert die Charakteristika digitaler
Produkte im digitalen Wirtschaftsraum. Ziel ist es, die Eigenschaften und Besonderheiten
digitaler Produkte zu erkennen und ihre Auswirkungen auf das Design zu verstehen. In einem ersten Schritt wird das Verständnis eines digitalen Produktes konkretisiert (C 1.1). Dabei werden die verschiedenen Definitionen, die sich in der Literatur finden lassen, gegenübergestellt und daraus eine eigene Definition abgeleitet (C 1.2). Digitale Produkte lassen
sich weiterhin, wie „traditionelle“ Produkte, in Kategorien einteilen. Die bestehenden Kategorisierungsschemata werden gegenübergestellt und in einem eigenen umfassenden Schema
konsolidiert (C 1.3). Im Zentrum dieses Kapitels steht dann die Darlegung der Charakteristika digitaler Produkte und die Ableitung der ökonomischen und kundenbezogenen Auswirkungen dieser Eigenschaften (C 1.4). Abschliessend wird der für diese Arbeit zentrale
Wertbegriff eines digitalen Produktes konkretisiert (C 1.5). Er ist im Zuge des Designs eines
Produktes zu maximieren. Kapitel C 2, ebenfalls dem inhaltlichen Grundlagenblock zuzuordnen, dient der Ableitung der Szenen des Theaterstückes der Kunde-Produkt-Interaktion
und liefert die theoretischen Grundlagen für deren Ausgestaltung. Im ersten Teil dieses Kapitels (C 2.1) wird der Anwendungskontext digitaler Produkte durch die Darlegung und Integration etablierter Phasenmodelle definiert. Ergebnis ist die Festlegung der Szenen. Der
zweite Teil (C 2.2) legt die zentralen Theorien zur Erklärung des Konsumentenverhaltens
dar. Dabei wird generell zwischen den psychologischen und den soziologischen Ansätzen
unterschieden. Diese Theorien helfen bei der Gestaltung der Interaktionsprozesse in den verschiedenen Szenen.
Im Anschluss an diesen inhaltlichen Grundlagenteil folgt der methodische Grundlagenteil D.
In Kapitel D 1 wird der in dieser Arbeit zugrundegelegte Patternansatz vorgestellt. Ziel ist
es, diesen Ansatz der Designunterstützung und des Wissensmanagements zu verstehen und
seine Vorteile gegenüber alternativen Ansätzen zu diskutieren. Dazu werden zunächst die
zentralen Begriffe der Design Patterns und der Patternsprache definiert und die damit verbundene Methodik zur Ableitung und Anwendung der Patterns erläutert (D 1.1). Im Anschluss werden die Besonderheiten und Vorteile von Design Patterns erläutert (D 1.2). Eine
Design Patterns für digitale Produkte
17
Gegenüberstellung und Abgrenzung gegenüber alternativen Möglichkeiten der Wissensrepräsentation schliesst das Kapitel ab (D 1.3). Nach dieser allgemeinen Einführung des Patternansatzes gibt Kapitel D 2 eine Einordnung in die aktuelle Patternforschung. Neben der Darstellung der Arbeiten in den einzelnen Disziplinen werden insbesondere deren Defizite in
bezug auf das in dieser Arbeit verfolgte Ziel, die Entwicklung einer Patternsprache für digitale Produkte, dargelegt. Im Einzelnen untersucht werden die Patternansätze aus der Architektur (D 2.1), dem Software Engineering (D 2.2), dem HCI (D 2.3), den Hypermedia-Applikationen (D 2.4) und den Electronic Commerce Anwendungen (D 2.5). Die Ableitung der
Anforderungen an eine Patternsprache für digitale Produkte schliesst das Kapitel ab (D 2.6).
In Kapitel D 3 werden dann die Basiskonstrukte zur Modellierung digitaler Interaktionsräume eingeführt. Sie bilden die Basis für die Darstellung der Lösungsstrukturen innerhalb
der Design Patterns. Hier werden die am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement entwickelten Modelle von Medien, das Medienmodell (D 3.1) und das Medienreferenzmodell (D 3.2) sowie deren Operationalisierung in Form der Theatermetapher (D 3.3),
dargelegt.
Der zentrale fünfte Teil E dieser Arbeit umfasst dann die eigentliche Herleitung der Patternsprache. Im zugehörigen Kapitel E 1 wird zunächst die Zielsetzung und die Ausrichtung der
Patternsprache konkretisiert (E 1.1). Im Anschluss daran wird eine Metapatternsprache entwickelt. Sie definiert die Struktur der Sprache, d.h. insbesondere die Beziehungen zwischen
den Patterns sowie die Struktur der Patterns selbst (E 1.2). Anschliessend wird das Vorgehen
zur Ableitung der Patterns, d.h. der Inhalte der Patternsprache, bestimmt (E 1.3). Abschliessend werden die vier Best Practice Cases vorgestellt, welche die praktische Fundierung der
Patterns bilden (E 1.4). Die Entwicklung der konkreten Patternsprache für digitale Produkte
ist dann Gegenstand des Kapitels E 2. Gemäss den identifizierten Phasen der Kunde –Produkt-Interaktion werden hier die Patterns der zugehörigen Szenen und ihre Beziehungen zu
anderen Patterns erfasst. Das Kapitel gliedert sich dementsprechend in die Darstellung der
Awarenesspatterns, (E 2.1), der Überzeugungspatterns (E 2.2), der Entscheidungs- resp. Absichtspatterns (E 2.3), der Wissenspatterns (E 2.4), der Verhandlungspatterns (E 2.5), der
Abwicklungspatterns (E 2.6), und der Kundenbetreuungspatterns (E 2.7). Die Überprüfung
der Patterns erfolgt dabei direkt im Zuge der Beschreibung der Patterns durch die theoretische Fundierung sowie deren Implementierung in Best Practice Cases.
Den Abschluss dieser Arbeit bildet mit Teil F eine Zusammenfassung der Arbeit und ein
Ausblick auf weiterführende Forschungsarbeiten.
18
Einleitung
B
Design digitaler Produkte im digitalen
Wirtschaftsraum
Ziel dieses Teils B der Arbeit ist es, den für die vorliegende Arbeit zentralen Begriff des
Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum zu definieren. Dabei wird insbesondere die besondere Stellung und Bedeutung eines kundenzentrierten Produktdesigns in
der digitalen Ökonomie aufgezeigt.
Zunächst wird das hier zugrundegelegte Verständnis von Produkten definiert und dessen
zentrale Positionierung als Bindeglied innerhalb der Wertschöpfungskette erläutert. Aus dieser Funktion werden die beiden Betrachtungsebenen abgeleitet, die beim Design eines Produktes berücksichtigt werden müssen: das produktionsorientierte Design und das kundenorientierte Design. Diese beiden Perspektiven stellen unterschiedliche Anforderungen an das
Design und induzieren zwei auf die jeweiligen Zielgruppen ausgerichtete Implementierungsarten. Sie werden in einem eigenen Kapitel erläutert. Die Bedeutung des Produktes aus
der in dieser Arbeit zentralen kundenorientierten Perspektive wird anschliessend näher spezifiziert. Dabei wird das Produkt sowohl aus einer funktionalen als auch aus einer semiotischen Perspektive betrachtet. Anschliessend wird erläutert, wie und warum sich die Bedeutung der beiden Betrachtungsebenen und der zugehörigen Implementierungen durch die
zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft zu Gunsten der kundenorientierten Sichtweise
verschiebt. Aus den zuvor gewonnenen Erkenntnissen wird schliesslich das in dieser Arbeit
zugrundegelegte ganzheitliche Verständnis eines kundenzentrierten Designs von Produkten
abgeleitet. Dieses wird im abschliessenden Kapitel zur Definition des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum verfeinert.
B 1 Die beiden Sichten des Produktes als Problemlösung
Unsere arbeitsteilige Wirtschaft beruht darauf, dass die Menschen nicht alle ihre Bedürfnisse
selbst befriedigen, sondern sich auf die Erzeugung bestimmter Produkte spezialisieren, diese
Produkte auch anderen anbieten und dafür eigene Bedürfnisse durch Produkte anderer Anbieter befriedigen lassen.9 Die Art der Spezialisierung hängt dabei sowohl von den zur
Verfügung stehenden Ressourcen, insbesondere dem Herstellungswissen, sowie auch von
der Marktsituation, insbesondere von der Nachfrage- und Konkurrenzsituation ab.10
Das Geschäftsmodell jedes Unternehmens beruht somit grundsätzlich auf der Bereitstellung
eines Produktes, welches die Bedürfnisse einer bestimmten Kundengruppe befriedigt.
9 s. z.B. (Jost 1999)
10 Diese Betrachtung der Marktsituation oder der vorhandenen Ressourcen spiegelt sich in den
Betrachtungsebene der beiden konkurrierenden Wettbewerbsstrategien der maket-based view
und der resource-based view wider. Härtsch (2001) argumentiert hierbei, dass in der digitalen
Ökonomie beide Betrachtungsweisen berücksichtigt werden müssen.
19
20
Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
Als Produkt wird alles bezeichnet, was auf einem Markt angeboten werden kann, um Bedürfnisse
oder Wünsche zu befriedigen. (Kotler 1999: 29)
In Anlehnung an Schmid (2001d: 47) erfüllt ein Produkt somit die Funktion einer Problemlösung, die es dem potentiellen Kunden gestattet, von einer Ist-Situation in einen angestrebten
Ziel-Zustand zu gelangen.11
Produzent
Produkt
Kunde
Intermediär
Abbildung B 1-1: Produkt als Bindeglied zwischen Produzent und Kunde12
Das Produkt bildet somit das Bindeglied zwischen Produzent und Nachfrager. Der Produzent stellt das Produkt her; der Kunde wendet das Produkt an, um damit sein Problem zu lösen (s. Abbildung B 1-1). Intermediäre können die Interaktion zwischen Kunde und Produzent erleichtern: Sie bringen Anbieter und Nachfrager zusammen, unterstützen die Verhandlungen zwischen den beiden Parteien sowie die Abwicklung der Transaktion. Intermediäre können durch die Bereitstellung und Vermittlung von Wissen aber auch die Anwendung des Produktes selbst erleichtern.13
Für den erfolgreichen Einsatz des Produktes im Zuge der Problemlösung müssen Produzent
und Anwender über umfangreiches Wissen verfügen: Der Produzent über Wissen über die
Herstellung des Produktes, der Anwender über die Existenz, die Bedeutung, den Erwerb
und die Anwendung des Produktes.
Beide Stakeholder stellen dabei unterschiedliche Anforderungen an das Produkt. Der Benutzer möchte das Produkt optimal und einfach für die Lösung seiner Probleme einsetzen können, der Produzent möchte das Produkt möglichst effizient und kostensparend herstellen
können. Beide Parteien sind an einem einfachen und reibungslosen Austausch des Produktes
interessiert.
11 Schmid (2001a) und Schmid Isler (2001a) unterscheiden hier genauer zwischen einem (1)
Transformations-Wunsch des Kunden, dem Übergang in einen Zustand, in dem ein Bedürfnis
befriedigt wird, und einem (2) Homöostasie-Wunsch des Kunden, dem Verbleib in einem Zustand, in dem ein Bedürfnis bereits befriedigt ist.
12 In Anlehnung an (Schmid 2001d: 45).
13 Im Zuge der Digitalisierung verändern sich insbesondere die Intermediärsstrukturen. Bestehende
Intermediärsfunktionen, insbesondere die des traditionellen Handels fallen weg, neue Intermediärstypen kommen meist im Zuge der Bereitstellung von Information hinzu. s. (Sarkar et al.
1995).
Design Patterns für digitale Produkte
21
Die Aufgabe des Designs und des Designers ist es, diese Lücke zwischen Sichtweise und
Anforderungen des Kunden und Sichtweise und Anforderungen der Produktion zu schliessen. Das Produktdesign umfasst daher die beiden folgenden Aufgaben (Schmid 2001d: 47):
1.
Das kundenorientierte Design: Es beschreibt die Sicht des Kunden auf das Produkt
und umfasst dabei zwei Aspekte: das Produkt als Funktion und das Produkt als Zeichen (Schmid 2001c: 22 ff.).
Unter dem funktionalen Blickwinkel steht das Problemlösungspotential des Produktes aus der Sicht des Kunden im Vordergrund, d.h. welches Kundenproblem auf
welche Art und Weise gelöst wird. Ziel ist es, die – individuellen - Bedürfnisse des
Kunden möglichst optimal zu befriedigen und somit den Kundenwert des Produktes
zu erhöhen. Der Begriff des Kundenwertes wird in Abschnitt C 1.4 noch ausführlich
erläutert.
Dabei muss die Sprache des Produktes eingänglich und leicht verständlich sein und
das Produkt in einer für den Kunden ansprechenden Art und Weise präsentiert
werden. Der Kunde muss das Produkt lesen und verstehen können. Bei der Gestaltung der Kundenschnittstelle ist daher von Implementierungsdetails weitestgehend
zu abstrahieren (Schmid 2001d: 47). Neben der Lesbarkeit der Funktion des Produktes ist für den Kunden ausserdem die Lesbarkeit der Bedeutung des Produktes für
ihn selbst aber vor allem auch für sein soziales Umfeld essentiell. Dieses Wissen
über die Bedeutung ist entscheidend für das initiale Interesse am Produkt, die Ausbildung einer Kaufabsicht sowie auch der langfristigen Zufriedenheit mit dem Produkt. Der diese Aspekte subsumierende Zeichencharakter des Produktes ist daher
ebenfalls beim Design aus der kundenorientierten Perspektive zu erfassen.
2.
Das produktionsorientierte Design: Es definiert das Produkt aus der Sicht des
Produzenten und spezifiziert somit die Details, die für die Herstellung des Produktes benötigt werden. Hier ist zwischen dem technischen Design und dem organisatorischen Design zu differenzieren. Das technische Design umfasst das konzeptuelle
Design der Funktionalität eines Produktes aus der Sicht der Ingenieure. Es liefert
somit Angaben für die konkrete technische Herstellung des Produktes. Das organisatorische Design definiert den komplementären Aspekt der Arbeitsorganisation
und des Managements der inner- und zwischenbetrieblichen Abläufe.
Diese beiden Aspekte werden im folgenden auch namentlich unterschieden: Das Produkt
aus Sicht der Produktion wird als Produkt I, das Produkt aus Sicht des Kunden als Produkt II bezeichnet (Schmid 2000b), (s. Abbildung B 1-2).
22
Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
Designer
Produkt I
Produzent
Produkt II
Produkt
Kunde
Abbildung B 1-2: Die beiden Blickwinkel auf das Produkt14
Die beiden Designperspektiven können sehr gut am Beispiel der Architektur verdeutlicht
werden: Ein Architekt muss beim Design eines Gebäudes sowohl die Wünsche des Kunden als auch die Anforderungen und Beschränkungen der Produktion beachten. Während
beim Kunden eher die Aspekte der Funktionalität aber auch der Ästhetik eine Rolle spielen, sind bei der Produktion u.a. die Anforderungen der Statik und der Strom- und Wasserversorgung des Gebäudes entscheidend. Das Design umfasst daher verschiedene Darstellungen des selben Produktes aus dem jeweiligen Blickwinkel der unterschiedlichen
Stakeholder, namentlich des Kunden sowie der verschiedenen am Bau beteiligten Spezialisten. Die entsprechenden Designs manifestieren sich in verschiedenen Darstellungsformen. Dem Kunden wird oftmals ein plastisches Modell des fertigen Gebäudes präsentiert.
Baupläne und Detailpläne mit der Verlegung der elektrischen Leitungen und der Wasserversorgung interessieren für die technische Realisierung des Hauses; Projektpläne und
Ablaufstrukturen sowie die Verteilung der organisatorischen Verantwortlichkeiten und
die Befehlsstruktur steuern die organisatorische Umsetzung der technischen Lösung.
Das Design eines Produktes bedarf daher des fundierten Wissens über beide Seiten
(Schmid 2001d: 48). Der Designer muss die Welt der potentiellen Kunden kennen, um
mögliche Probleme identifizieren und die Produkte in einer Art und Weise darstellen zu
können, die der Kunde versteht und schätzt. Er muss aber auch die Möglichkeiten und
Beschränkungen der Produktion kennen. Insbesondere die technische Seite der Produktion liefert hier Ideen für – vom technischen Standpunkt aus – neuartige und dominante
Lösungskonzepte. Die technischen und organisatorischen Möglichkeiten beschränken jedoch auch die Umsetzbarkeit einer Lösung.
Wie aus der obigen Definition deutlich wird, sind beim Design eines Produktes aus der
kundenorientierten Perspektive sowohl die funktionalen Aspekte als auch die Wissensaspekte eines Produktes zu beachten. Ein Produkt muss unter dem funktionalen Gesichtspunkt so gestaltet sein, dass es ein Problem des Kunden möglichst optimal löst. Dabei
sind alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion vom Erwerb über die Anwendung bis
zur After Sales Betreuung zu berücksichtigen. Damit ein Produkt diese Funktion des
14 In Anlehnung an (Schmid 2001d: 47).
Design Patterns für digitale Produkte
23
Problemlösers einnehmen kann, muss der Kunde über Wissen über das Produkt verfügen. Dieses umfasst neben dem Anwendungswissen das Wissen über seine Bedeutung
auch im sozialen Umfeld sowie zunächst auch über die Existenz des Produktes. Diese
beiden Aspekte des Produktes als Funktion und des Produktes als Zeichen werden nach
der Erklärung der beiden Implementationsaspekte in Abschnitt B 3 näher erläutert.
B 2 Die beiden Seiten der Implementation
Die unterschiedlichen Perspektiven von Produzent und Kunde auf das Produkt müssen
ebenfalls bei der Umsetzung des Designs berücksichtigt werden. Dies induziert zwei Arten
der Implementation, die Implementation I und die Implementation II (Schmid 2001d: 48):
1.
Implementation I: Sie betrachtet die Umsetzung des Designs in das – physische oder
digitale15 – Produkt. Hierzu müssen die zugehörigen technischen und organisatorischen Abläufe definiert und umgesetzt werden.16
2.
Implementation II: Sie betrachtet die Implementation des Produktes in den Köpfen
der potentiellen Anwender. Diese müssen zunächst von der neuen Problemlösung
erfahren, sie akzeptieren und wertschätzen, sie einfach und sicher erwerben und
schliesslich auch richtig anwenden können; die Implementation II vermittelt also
Wissen über das Produkt.
Die beiden Arten der Implementation werden in der folgenden Abbildung B 2-1 noch einmal
graphisch veranschaulicht.
Produktdesign
Implementation I
Produktion
Implementation II
Produkt
Kunde
Abbildung B 2-1: Die beiden Seiten der Implementation eines Produktes17
Das Design repräsentiert und transportiert somit Wissen über das Produkt. Es informiert den
Kunden und den Produzenten über die für sie wesentlichen Aspekte des Produktes. Schmid
15 Ein virtuelles Produkt entspricht dabei einem digitalen Produkt im engeren Sinne; s. Definition in
Abschnitt C 1.1.
16 Für eine Diskussion der organisatorischen Aspekten der Implementation I im Zuge der
Neuprodukteinführung siehe z. B. (Boutellier & Lach 2000; Lach 2001).
17 In Anlehnung an (Schmid 2001d: 49).
24
Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
(2001c: 36) leitet die Unterscheidung zwischen Implementation I und II daher direkt aus der
eigentlichen Bedeutung des Begriffs „Information“ her. Dabei lässt sich Information auf das
lateinische Wort „informare“, für „Einformen“, zurückführen. Diese Einformung findet im
Zuge der Implementation I in der Form und im Zuge der Implementation II in den Gehirnen
der Anwender statt.
Die beiden Implementierungsrichtungen sind zwei verschiedenen Disziplinen mit unterschiedlichen Kulturen zuzuordnen. Die Implementation I ist Aufgabe der Ingenieure und
Betriebswirtschaftler. Bei ihnen stehen v. a. Aspekte der Effizienz im Vordergrund. Die
Implementation II ist dagegen die Aufgabe der Kommunikation und des Marketings. Sie
muss die „weicheren Faktoren“ berücksichtigen, wie Einstellungen, Emotionen und Lebensstil, etc. (Schmid 2001c: 22 ff.).
Wie in Abbildung B 2-1 dargestellt manifestiert sich die Implementation II sowohl durch
Kommunikation über das Produkt als auch durch die Kommunikation des Produktes selbst.
Das Produkt transportiert Wissen vor allem über seine Anwendung aber bedingt auch über
seine Bedeutung und seinen Anwendungskontext. Idealerweise sollte das Produkt daher so
gestaltet werden, dass es weitestgehend für sich selbst spricht und somit wenig Lernaufwand beim Kunden erfordert. Sein Wissensstand und das Anwendungsumfeld des Produktes bestimmen dabei, wie der Nutzer das Produkt interpretiert und „liest“. Diese beiden
zentralen Einflussfaktoren auf die Lesbarkeit des Produktes müssen beim Design explizit berücksichtigt werden.
B 3 Dimensionen eines Produktes
Wie im Abschnitt B 1 bereits kurz erläutert wurde, müssen beim Design des Produktes aus
Sicht des Kunden zwei Aspekte betrachtet werden: die Funktion des Produktes als Problemlösung und das Wissen, das mit einem Produkt verbunden ist.
Unter funktionalen Gesichtspunkten, wird vom Produkt erwartet, dass es das Problem des
Kunden optimal löst. Hierbei muss der gesamte Lebenszyklus des Produktes aus Sicht des
Kunden vom Erwerb des Produktes über die Anwendung bis zur After-Sales Betreuung auf
die Bedürfnisse des Kunden ausgerichtet werden. Das Optimierungskriterium ist der Kundenwert, als Mass für die Güte und Qualität des Produktes aus Sicht des Kunden. Aufgrund
der Bedeutung des Kundenwertes für diese Arbeit ist er Gegenstand eines eigenen Abschnittes C 1.4.
Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts sollen nun die Wissensdimensionen eines Produktes
aus der Sicht des Kunden näher analysiert und erläutert werden. Sie bestimmen, welches
Wissen mit einem Produkt verbunden ist und dem Kunden kommuniziert werden muss,
damit dieser das Produkt versteht, überhaupt anwenden möchte und richtig anwenden
kann.
Für die Erfassung dieser Wissensdimensionen wird das Produkt als Zeichen interpretiert
und somit aus einer semiotischen Perspektive betrachtet (Schmid 2001c: 26ff.; Schmid 2001b:
2 f.). Die Semiotik unterscheidet bei Zeichen drei verschiedene Betrachtungsebenen: die Syntax, die Semantik und die Pragmatik (Schmid 2001c: 26ff.).
Design Patterns für digitale Produkte
25
• Die syntaktische oder strukturelle Dimension: Sie umfasst die Sprache, mit der das Produkt anzusprechen und zu bedienen ist, sowie die Sprache, mit der das Produkt beschrieben werden kann. Die Syntax gewährleistet somit die Lesbarkeit des Produktes.
• Die semantische oder Bedeutungs-Dimension: Sie umfasst die Bedeutung und den Zweck
eines Produktes. Sie definiert, was ein Produkt darstellt und welche Operationen man
mit dem Produkt ausführen kann. Während die syntaktische Dimension dem Benutzer
verständlich macht, wie ein Produkt zu bedienen ist, verdeutlicht die semantische Dimension, wozu das Produkt angewendet werden kann, d.h. welche Möglichkeiten das
Produkt dem Anwender prinzipiell bietet. Beispielsweise beschreibt die Syntax des
Produktes, wo und wie ein Auto gestartet werden kann, die Semantik legt fest, dass
und wie man damit die Strecke von A nach B zurücklegen kann (Schmid 2001c: 28).
• Die pragmatische oder institutionelle Dimension: Sie bettet die Anwendung des Produktes
in den sozialen Kontext ein. Die pragmatische Dimension regelt, unter welchen Bedingungen die verschiedenen durch die Semantik beschriebenen Anwendungsmöglichkeiten zulässig sind. Im Falles des Autos definiert sie beispielsweise, dass das Fahren
eines Autos zur Zurücklegung einer Strecke auf öffentlichen Wegen den Besitz eines
Führerscheines erfordert (Schmid 2001c: 28). Weiterhin legt die Pragmatik auch die
soziale Bedeutung des Produktes und somit seinen Wert in der Gesellschaft fest.
Die semantische Dimension ordnet das Produkt, beschrieben mit den syntaktischen Mitteln
der Produktsprache, in den Anwendungskontext ein. Sie spannt einen Raum möglicher Aktionen des Anwenders auf. Dieser Raum wird durch die pragmatische Dimension auf die –
sozial – akzeptierten Möglichkeiten eingeschränkt. Diese Ebenen beziehen sich nicht nur auf
die eigentliche Anwendung, sondern auch auf die Bedeutung des Produktes: So wird ein
Auto durch seine Marke beschrieben (syntaktisch Dimension). Sie sagt aus, wer das Produkt
vertreibt und um welchen Wagentyp es sich handelt (semantische Dimension). Die Marke
ist jedoch weiterhin mit einem bestimmten Image verbunden, d.h. mit ihrer Bedeutung
innerhalb bestimmter sozialer Gemeinschaften (pragmatische Dimension).18
Semantik
Semiotische
Triade nach
Pierce
Syntax
Pragmatik
Abbildung B 3-1: Semiotische Dimensionen eines Produktes
18 In dieser Arbeit soll die pragmatische Ebene im Bezug auf die Bedeutung des Produktes nicht nur
auf das soziale Umfeld eingeschränkt werden. Für viele Anwender hat ein Produkt auch eine
persönlichen Bedeutung. Sie ist vorrangig das Ergebnis seiner eigenen Einstellungen und Überzeugungen. Diese Bedeutung hängt je nach Personentyp mehr oder weniger mit der Bedeutung
des Produkte innerhalb der sozialen Gemeinschaft zusammen.
26
Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
Die drei Dimensionen, sowie deren Zusammenhänge spiegeln sich in der Triade von Pierce
wider, wie sie in Abbildung B 3-1 dargestellt ist.19
Die drei Dimensionen seien im folgenden durch zwei ausführlichere Beispiele erläutert, einem aus der physischen und einem aus der elektronischen Welt.
Als Beispiel für ein physisches Produkt wird wieder das Auto betrachtet. Die syntaktische
Dimension der Sprache eines Autos umfasst die Mittel zur Beschreibung des Produktes, z.B.
die Marke oder auch die Farbe sowie die Mittel zur Bedienung des Fahrzeugs.
Zur zielgerichteten Anwendung muss der Anwender wissen, was sich hinter einer Marke
verbirgt, welcher Nutzen mit dem Gebrauch eines Autos zu erzielen ist und welche Operationen es zulässt: die Semantik des Autos. Die Marke repräsentiert primär den Hersteller eines
Wagens. Sein Nutzen liegt z.B. in der schnellen und bequemen Zurücklegung einer bestimmten Strecke.
Die pragmatische Dimension umfasst schliesslich das Wissen darüber, wie das Produkt in
das gesellschaftliche Umfeld eingebettet ist. Es definiert die soziale Bedeutung des Produktes
und regelt dessen Anwendung im gesellschaftlichen Kontext. So muss der Anwender wissen, welche Bedeutung eine bestimmte Automarke in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen
hat. Er muss weiterhin die Regeln kennen, welche die Verwendung eines Autos, aber auch
seinen Erwerb beschränken und lenken. In diesem Beispiel sind dies z.B. die Regeln der
Strassenverkehrsordnung. Das semantische und pragmatische Anwendungswissen, das mit
einem Auto verbunden ist, ist recht komplex und kann nicht alleine durch das Produkt selbst
vermittelt werden. Es muss in Fahrschulen explizit vermittelt werden.
Bei einem digitalen Produkt, wie dem Online-Buchhändler amazon.com, umfasst die Syntax
die sprachlichen Mittel der Interaktionsschnittstelle: die Formen, Worte und Ikonen, die zur
Darstellung des Produktes und der Interaktion mit dem Produkt verwendet werden können
(Schmid-Isler 2001a). Die Semantik beschreibt die Bedeutung, i.d.R. Funktionen, die sich hinter diesen „Worten“ im allgemeinsten Sinne verbergen, in diesem Anwendungsbeispiel z.B.
ein Navigationsbaum oder eine Suchfunktion für das Auffinden von Produkten im Zuge einer Kauftransaktion. Die Pragmatik steuert die konkrete Anwendung des Produktes im – sozialen – Anwendungskontext. Sie definiert beispielsweise, dass ein Kunde erst dann eine bestimmte Einkaufsoption benutzen darf, wenn er sich registriert hat. Dem Kunden muss dabei
sowohl vermittelt werden, wie er mit der Anwendung des Produktes sein Problem optimal
lösen kann, als auch, an welche Regelungen und Erwartungshaltungen er sich zu halten hat.
Neben dem Anwendungswissen muss dem Kunden weiterhin die soziale Bedeutung des
Produktes vermittelt werden. Dies geschieht bei amazon.com z.B. über die Sichtbarmachung
der Community. Sie spiegelt die soziale Akzeptanz sowie das dem Dienst entgegengebrachte
Vertrauen wider.
19 Siehe. z.B. (Nöth 2000).
Design Patterns für digitale Produkte
27
Die verschiedenen Wissensarten sollten insbesondere was die Anwendung des Produktes
betrifft weitestgehend direkt durch die geeignete Gestaltung der Interaktionsbeziehungen
mit dem Produkt und die lesbare Abbildung im Produkt direkt durch das Produkt selbst
kommuniziert werden; die Syntax des Produktes sollte somit die Semantik und die Pragmatik des Produktes lesbar machen(vgl. (Schmid 2001c)).
Insbesondere der Nutzen des Produktes, dessen soziale Bedeutung, aber auch das Wissen
über die Existenz des Produktes können jedoch nur bedingt durch das Produkt selbst kommuniziert werden. Aber selbst das Anwendungswissen muss, wie am Beispiel des Autos gezeigt wurde, vor oder im Zuge der eigentlichen Nutzung kommuniziert werden. Dieses Wissen ist Ergebnis der expliziten Kommunikation über das Produkt.
Digitale Produkte haben durch ihre Interaktivität und ihre Einbettung in einen digitalen Interaktions- und Wirtschaftsraum die Möglichkeit, diese beiden Designaspekte zu integrieren.
Wie beschrieben bietet amazon.com bspw. Information über die Anwendung des Services auf
ihrer Web Site an. Die soziale Bedeutung wird u.a. durch die Sichtbarkeit der Anwendergemeinschaft ebenfalls direkt auf ihrer Web Site kommuniziert.
Die Aspekte der beiden Kommunikationsarten sowie der Besonderheiten digitaler Produkte
werden in den folgenden beiden Abschnitten wieder aufgegriffen. Sie bilden die Grundlage
der in dieser Arbeit verwendeten Definition des kundenzentrierten Produktdesigns und des
Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum.
In dieser Arbeit werden die soeben erläuterten Wissensperspektiven vorrangig unter der
ökonomischen Perspektive betrachtet. Hier interessiert daher, wie sich die einzelnen Wissensarten auf die Akzeptanz des Produktes durch den Kunden auswirken und wie und
wann das Wissen – möglichst mit Hilfe digitaler Medien – entwickelt werden kann.
B 4 Bedeutungsverschiebung zwischen Produkt I und II
Die Fortschritte und Verbreitung der IKT induzieren weitreichende Veränderungen der
wirtschaftlichen Situation, die sich auf die Bedeutung der beiden Sichtweisen auf das Produkt und der damit verbundenen Implementierungsarten auswirken. Die Diskussion dieser
Veränderungen und ihrer Auswirkungen ist Gegenstand des vorliegenden Abschnittes.
Der Einsatz der IKT wirkt sich beschleunigend und effizienzsteigernd auf die Produktionsseite und somit die Implementation I aus: Die Digitalisierung der Information und die Abbildung von Abläufen in Software ermöglichen eine Automatisierung weiter Teile der Produktion. Weiterhin wird auch die Koordination der inner- und zwischenbetrieblichen Leistungserstellung durch vernetzte Informationssysteme unterstützt und optimiert. IKT führt
somit insgesamt zu Kosteneinsparungen und Produktivitätssteigerungen bei der Herstellung
von Produkten (Schmid 2000b; Schmid 2001d). Die Folge sind immer kürzere Zeiten der
Produktentwicklung, eine hohe Innovationsrate, kombiniert mit immer kürzeren Produktlebenszyklen.
Die Implementation neuer Ideen und Problemlösungen in den Köpfen der potentiellen Kunden, die Implementation II, unterliegt jedoch weiterhin den gleichen Beschränkungen. Die
28
Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
zugrundeliegenden kognitiven Prinzipien und Abläufe haben sich über die Zeit kaum verändert (Schmid 2001d: 48 f.). Die Beschleunigung der Implementation I bei gleichbleibender
Geschwindigkeit der Implementation II induziert daher eine Bedeutungsverschiebung zu
Gunsten der Implementation II und der kundenorientierten Designperspektive (digitaler)
Produkte. Durch die hohe Innovationsrate und die kurzen Produktlebenszyklen müssen die
Produkte in immer kürzeren Zeiträumen vermarktet werden.
Gleichzeitig steigt auch die Anzahl konkurrierender Problemlösungen, die in einem immer
stärker globalisierten Wirtschaftsraum angeboten werden. Die Unternehmen konkurrieren
somit um die weichen Ressourcen der potentiellen Kunden, d.h. ihre Aufmerksamkeit, ihre
Einstellungen zu den Produkten und ihr Wissen über die Funktionsfähigkeit und Bedeutung
von Produkten sowie das Vertrauen zu den Produkten und insbesondere den Anbietern. Die
Zeit und die Aufmerksamkeit des Kunden werden somit zur zentralen beschränkten Ressource (Schmid 2001c: 22 ff.). Auch dies trägt zu einer Verschiebung der beiden
Designperspektiven in Richtung des kundenorientierten Designs bei.
Erfolgreiche Unternehmen parallelisieren daher bereits heute die Entwicklung und die
Kommunikation eines Produktes (Boutellier & Völker 1997: 53 ff.). Man denke hier z.B. an
den Mobilfunkmarkt. Hier wurden und werden Neuerungen lange vor Abschluss der Entwicklung und Produktion kommuniziert (Schmid 2001d: 48 f.). Diese Massnahmen sind vorrangig auf den Gewinn der Aufmerksamkeit des Kunden ausgerichtet. Anwendungswissen
wird hier kaum vermittelt. Eine noch stärkere Integration von Produktion und Kommunikation findet sich ansonsten vor allem im Bereich der Softwareentwicklung. Hier wird der potentielle Anwender durch die frühzeitige Herausgabe von Betaversionen sehr früh in die
Entwicklung des Produktes mit einbezogen.
Schliesslich ändern sich ausserdem die Anforderungen des Kunden an die Hersteller von
Produkten. Nicht zuletzt durch die bereits angesprochene verschärfte Konkurrenzsituation
innerhalb eines zunehmend globalisierten Marktes erhöht sich die Machtposition des Kunden und damit seine Anforderungen insbesondere an die funktionalen Aspekte des Produktes (vgl. (Boutellier & Kiss 1996: 24))20. Die Kunden werden selbstbewusster und
selbständiger und möchten sich ihre Produkte nach ihren Vorstellungen zusammenstellen
(lassen). Das Produkt sollte möglichst individuell auf die Problemsituation und die Präferenzen des Kunden zugeschnitten werden. Alle Phasen vom Erwerb über die Anwendung bis
zur After-Sales Betreuung sind dabei auf die Erhöhung des Kundenwertes auszurichten.
Aus der umfassenden Betrachtung des Designs digitaler Produkte in den vorangegangenen
Abschnitten wird im folgenden Abschnitt die hier verwendete Definition des kundenzentrierten Designs von Produkten abgeleitet.
20 Boutellier und Kiss (1996) sagen dazu: „Um die Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen müssen De-
sign und Styling in erster Linie auf den Kundennutzen ausgerichtet sein. Erst an zweiter Stelle
kommen Aspekte wie interne Rationalisierungspotentiale, Kosten., Material- und Zeiteinsparungen.“
Design Patterns für digitale Produkte
29
B 5 Konkretisierung: Kundenzentriertes Design
Wie in den vorangegangenen Abschnitten ausführlich erläutert wurde, muss das Design eines Produktes aus der Sicht des Kunden sowohl den Anforderungen an seine Funktionalität
als auch an seine Zeichenfunktion genügen.
Unter funktionalen Gesichtspunkten muss das Produkt in allen Phasen der Kunde-ProduktInteraktion auf den Kundenwert ausgerichtet werden. Dies betrifft neben der eigentlichen
Anwendung des Produktes auch den Erwerb des Produktes sowie die Kundenbetreuung
nach dem Erwerb des Produktes. Der Erwerb unterteilt sich dabei weiter in die Aushandlung und die Abwicklung eines Kaufvertrages.21
Aus der Zeichenperspektive muss Wissen über das Produkt während des Erwerbs und der
Anwendung des Produktes durch das Produkt selbst und vor allem auch im Vorfeld der eigentlichen Geschäftstransaktion durch die explizite Kommunikation über das Produkt vermittelt werden. Ziel dieser Kommunikation über das Produkt ist es, dem Kunden ein rasches
Verständnis vom Produkt und dessen Bedeutung zu vermitteln, das es ihm ermöglicht, eine
Einstellung zum Produkt zu entwickeln, und ihn schliesslich dazu motiviert, eine Kaufabsicht auszubilden. Diese Einstellung und das Wissen über die Bedeutung des Produktes
kann im Zuge der Anwendung weiter ausgebaut und gefestigt werden.
Die Aufgabe des Produktdesigns aus der kundenorientierten Sicht umfasst daher das Design
aller Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion, im Zuge derer zunächst Wissen über ein Produkt, seine Existenz, seine Bedeutung und gegebenenfalls auch seine Anwendung sowie
über die Möglichkeiten und den Ablauf des Produkterwerbs vermittelt wird und anschliessend das Produkt erworben und genutzt wird.22
Nach dem Unterschied der Anforderungen an die Gestaltung und die Art der Kommunikation, werden im folgenden vereinfachend lediglich zwei Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion unterschieden: die Wissensphase sowie die Erwerbs- und die Anwendungsphase.
Nach den soeben erfolgten Erläuterungen ergeben sich die Anforderungen an diese Phasen
wie folgt:
1.
Wissensphase: Sie erfüllt die Funktion der Übermittlung des Wissens über das Produkt und seine Erwerbs- und Anwendungssituationen, also die Implementation II
im eigentlichen Sinne.
Ziel ist es, dem Kunden Wissen über die Existenz und ein Verständnis für die Bedeutung des Produktes (auch im sozialen Umfeld) zu vermitteln, das es dem Kunden gestattet, eine Einstellung bezüglich des Produktes und letztendlich eine konkrete Kaufabsicht auszubilden. Dieses Wissen ist die Voraussetzung für die eigentli-
21 Die genauen Phasen und die zugehörigen Kundenziele sind Gegenstand des Kapitels C 2.
22 Dabei steht in dieser Arbeit die Gestaltung der Phasen im Vordergrund, die der eigentlichen
Anwendung vor- und nachgelagert sind.
30
Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
che Kaufentscheidung sowie für den Abschluss der Transaktion. Auch für die Anwendung reicht das durch das Produkt selbst vermittelte Wissen häufig nicht aus.
Wissen muss daher bereits vor der eigentlichen Anwendung des Produktes im Zuge
der Kommunikation über das Produkt explizit übermittelt werden.
Man beachte, dass bereits diese Interaktionen zwischen Kunde und Produkt resp.
dessen Vertretern im Rahmen der Wissensphase in einer Sprache stattfinden muss,
die vom Kunden verstanden wird.
2.
Erwerbs- und Anwendungsphase: Diese Phase umfasst den Erwerb und die Anwendung des Produktes.
Neben der Anwendung im engeren Sinne muss auch der Erwerb des Produktes einfach, verständlich, sicher und effizient gestaltet sein. Van Duyne et al. (2000) weisen
darauf hin, dass viele Online-Transaktionen daran scheitern, dass der Kunde beim
Abschluss der Transaktion nicht genügend unterstützt wird und die Transaktion in
Folge dessen frühzeitig abbricht. Der Kunde stellt an die Gestaltung dieser, der eigentlichen Anwendung im engeren Sinne vorgelagerten, Phase vor allem die Anforderung der zielgerichteten Unterstützung (Produkt als Funktion) beim erfolgreichen
Abschluss einer Transaktion sowie die Verständlichkeit der Abläufe (Produkt als
Zeichen).23
Die Anwendung des Produktes soll dem Kunden dann die individuell auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Lösung seiner Probleme ermöglichen (Produkt als Funktion). Das Design der Interaktionsbeziehung muss den Kunden bei der optimalen
Anwendung des Produktes unterstützen. Dazu muss die Schnittstelle leicht verständlich sein und deshalb möglichst direkt das Wissen über seinen Gebrauch vermitteln. In beschränktem Masse kann eine ansprechende Gestaltung ebenfalls Wissen über den persönlichen Nutzen sowie die soziale Bedeutung des Produktes vermitteln (Produkt als Zeichen).
Die einzelnen Anforderungen an das Design der Phasen einer Geschäftstransaktion aus der
Sicht des Kunden sind in der folgenden Tabelle noch einmal zusammengefasst.
Funktion
Wissen
Erwerb /
Transaktion im
engeren Sinne
Anwendung
Vermittlung von Wissen
über Existenz, Bedeutung und
Anwendung des Produktes
Unterstützung des ef- Problemlösung nach
fizienten und sicheren den individuellen BeErwerbs des Produk- dürfnissen des Kun-
und des Erwerbsprozesses
tes
den
23 Weiterhin spielen hier weitere Aspekte wie die der Sicherheit der Transaktion eine entscheidende
Rolle.
Design Patterns für digitale Produkte
31
Zeichen
Anforderungen an verständliche, ansprechende Gestaltung
Einordnung
Implementation II
Kommunikation über Produkt Zusätzlich: Kommunikation durch das
/ Implementation II im engeren Produkt
Sinne
Anforderungen an verständliche, ansprechende, vertrauenserweckende Gestaltung
Tabelle B 5-1: Anforderungen an Phasen der Geschäftstransaktion
Aus der obigen Argumentation ergibt sich die folgende Definition des kundenzentrierten
Produktdesigns:
Definition: Das kundenzentrierte Produktdesign umfasst das Design aller Interaktionsbeziehungen
zwischen dem Kunden und dem Produkt resp. seiner symbolischen Repräsentation im Zuge der gesamten Geschäftstransaktion, von der ersten Begegnung über den Erwerb bis zur Anwendung des
Produktes. Das Design muss den funktionalen Anforderungen genügen und somit dem Kunden die
Erreichung der jeweiligen Ziele ermöglichen und dabei den Kundenwert maximieren. Das Design
muss weiterhin der Zeichenfunktion des Produktes gerecht werden und somit lesbar und ansprechend
gestaltet sein. Die funktionale Anforderung an das Design der Wissensphase ist die Übermittlung des
Wissens, das für die Initiierung der Transaktion, für die Durchführung der Transaktion und für die
Produktanwendung benötigt wird.
Die Interaktionsbeziehungen zwischen Kunde und Produkt während aller Phasen der
Kunde-Produkt-Interaktion werden in Kapitel C 2.1 ausführlich erläutert. Die beiden Phasen
werden dabei verfeinert und ihre zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhänge definiert.
B 6 Konkretisierung: Kundenzentriertes Design digitaler
Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
Im vorangegangenen Abschnitt wurde generell das in dieser Arbeit zu Grunde gelegte Verständnis von Produktdesign definiert. Nachfolgend soll dieser Begriff in bezug auf das Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum weiter verfeinert werden. Hierbei muss
den weiterführenden Erläuterungen des Kapitels C 1 vorgegriffen werden, in dem die Eigenschaften digitaler Produkte und digitaler Medien im Detail erläutert werden.
Digitale Produkte zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit dem Kunden interagieren können
und somit einen gemeinsamen Interaktionsraum aufspannen. Dadurch bieten sich weitreichende Möglichkeiten zur Erhöhung des Kundenwertes der einzelnen Phasen: durch die
Automatisierung erhöhen sich Effizienz und Bequemlichkeit des Produkterwerbs, die Abbildung der Prozesse und der Kundenprofile in IKT-Systeme ermöglicht die Transparenz der
Prozesse sowie die Individualisierung des Produktangebots, etc. Insbesondere kann auch
das Wissen über die optimale Anwendung des Produktes direkt in den Interaktionsraum
integriert werden. Durch den hohen Automationsgrad und den hohen Selbstbedienungscharakter erhöhen sich jedoch die Anforderungen an eine lesbare Gestaltung der Kundenschnittstelle.
Das Produkt selbst ist weiterhin in einen digitalisierten Informations- und Wirtschaftsraum
eingebettet. Alle Phasen der Transaktion einschliesslich der Wissensphase können und müs-
32
Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
sen ebenfalls in diesen digitalen Interaktionsraum abgebildet werden. Dieser Raum kann dabei vom Anbieter des Produktes z.T. selbst gestaltet werden. Das Produkt muss sich jedoch
im Zuge einer Geschäftstransaktion auch in die von anderen Anbietern gestalteten Interaktionsräume einfügen. Dabei handelt es sich insbesondere um Interaktionsräume von Intermediären, die zwischen Kunden und Herstellern vermitteln, sowie von komplementären
Anbietern, mit denen das Produkt resp. sein Anbieter kooperiert, um gemeinsam ein komplexes Bedürfnis des Kunden zu befriedigen.
Diese Einbindung in die verschiedenen digitaler Interaktionsräume soll hier am Beispiel von
amazon.com illustriert werden. Das Produkt selbst, ein Online Shop u.a. für Bücher, löst das
Problem des Kunden, bestimmte Waren günstig einkaufen zu können. Dahinter können sich
vielfältige spezifische Motivationen und Bedürfnisse verbergen: die Suche nach einem Geschenk, die Suche nach Fachliteratur, Vergnügen, etc. Zur Lösung der entsprechenden Probleme stellt amazon.com dem Kunden verschiedene Möglichkeiten zur Abwicklung der gesamten Kauftransaktion zur Verfügung. Diese reichen von der Suche nach Büchern, über die
Auswahl und die Ablage in einem Einkaufskorb, den Abschluss eines Kaufvertrages sowie
die Initiierung der Zahlung und der transparenten Lieferung. Gemäss den Anforderungen
eines kundenzentrierten Designs sollten diese Abläufe so gestaltet werden, dass sie auf den
Kundenwert ausgerichtet sind und vom Kunden leicht verstanden werden. Der Kundenwert
wird hier insbesondere durch die Individualisierung des Angebots, durch ein umfassendes
und verständliches Informationsangebot und durch effiziente Prozesse beim Vertragsabschluss und der Abwicklung erhöht. Die Lesbarkeit wird von amazon.com vor allem durch
die Verwendung von Metaphern, wie z.B. Einkaufskörben, sowie durch den Rückgriff auf
bereits etabliertes Wissen z.B. über die Stichwort- und Kategoriensuche gewährleistet.
Weiterhin deckt der Informationsraum auch die der Anwendung vorgelagerten Phasen der
Geschäftstransaktion ab. Beispielsweise wird Wissen über die richtige Anwendung des Online-Dienstes durch verschiedene Informationsseiten kommuniziert. Die Bedeutung des Produktes in der Gesellschaft wird u.a. durch die sichtbaren Kommentare der Community aufgezeigt. Dadurch wird vor allem die Akzeptanz des Services innerhalb einer breiten Anwendergemeinschaft sowie das dem Service entgegengebrachte Vertrauen kommuniziert. Die
Aufmerksamkeit wird zum einen durch die Gestaltung der Eingangsseite des Produktes, d.h.
des Informationsraumes aber auch durch dessen Einbindung in die Informationsräume anderer Produkte geweckt. So finden sich Hinweise mit direkten Verlinkungen auf das Angebot von amazon.com auf bekannten Intermediär-Web Sites, wie z.B. yahoo.com, oder etablierten Community Sites, wie ivillage.com.
Voraussetzung für den Erfolg eines digitalen Produktes in einem digitalen Wirtschaftsraum
ist die gezielte Gestaltung aller dieser Interaktionsräume und der darin stattfindenden
Interaktionsbeziehungen mit den (potentiellen) Kunden sowie den weiteren Beteiligten. Wie
gezeigt, umfasst dies neben der aktiven Gestaltung des eigenen Interaktionsraumes auch die
optimale Eingliederung des Produktes in andere Interaktionsräume und somit den gesamten
digitalen Wirtschaftsraum.
Design Patterns für digitale Produkte
33
Die obige Definition des kundenzentrierten Produktdesigns kann daher folgendermassen
zum kundenzentrierten Design digitaler Produkte in einem digitalen Wirtschaftsraum konkretisiert werden:
Definition: Das kundenzentrierte Design digitaler Produkte umfasst das kundenzentrierte Design
aller digitalen Interaktionsräume, in denen der Kunde und das Produkt resp. seine Repräsentation
im Zuge der gesamten Kunde-Produkt-Interaktionsbeziehung, von der ersten Begegnung über den
Erwerb bis zur Anwendung des Produktes, interagieren. Das Design muss den funktionalen Anforderungen genügen und somit dem Kunden die Erreichung der jeweiligen Ziele ermöglichen und dabei
den Kundenwert maximieren. Das Design muss weiterhin der Zeichenfunktion des Produktes gerecht
werden und somit lesbar und ansprechend gestaltet sein. Die funktionale Anforderung an das Design
der Wissensphase ist die Übermittlung des Wissens, das für die Initiierung der Transaktion, für die
Durchführung der Transaktion und für die Produktanwendung benötigt wird.
Der Autorin dieser Arbeit ist bewusst, dass digitale Produkte ebenfalls in nicht-digitale Informations- und Interaktionsräume eingebunden sind. Insbesondere bei der Implementation
II im engeren Sinne und somit der Gestaltung der Wissensphase spielen traditionelle Medien
auch heute noch eine entscheidende Rolle. Im Rahmen dieser Arbeit sollen jedoch ausschliesslich die Möglichkeiten digitaler Interaktions- und Wirtschaftsräume betrachtet werden. Als Schnittstelle wird dabei die aktuell gängige Browser-Schnittstelle zugrundegelegt.
Zur Modellierung dieser Interaktionsräume wurden von Schmid (1997c; 1999a) die Modelle
von Medien entwickelt. Sie werden auch in dieser Arbeit zum Design der Interaktionsräume
digitaler Produkte verwendet. Die Modelle werden in Kapitel D 3 erläutert. In den folgenden
beiden Kapiteln werden jedoch zunächst die inhaltlichen Grundlagen für das Design digitaler Produkte gelegt. Dazu werden in Kapitel C 1 die Charakteristika digitaler Produkte analysiert und im Zuge dessen insbesondere der Begriff des Kundenwertes digitaler Produkte
konkretisiert. Die Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion sowie die theoretischen Kenntnisse
über das Konsumentenverhalten, welche bei der Gestaltung dieser Phasen zu beachten sind,
sind dann Gegenstand des Kapitels C 2.
34
Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
C
Inhaltliche Grundlagen
Ziel des folgenden Teils C ist es, die inhaltliche Basis für die Ableitung der Patternsprache
für digitale Produkte zu legen. Dabei werden zunächst in Kapitel C 1 die Charakteristika digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum analysiert. Weiterhin wird in diesem Kapitel
das in dieser Arbeit zugrundegelegte Verständnis des Kundenwertes eines Produktes festgelegt und die Möglichkeiten digitaler Produkte zur Steigerung des so definierten Kundenwerts dargelegt. Gegenstand des Kapitels C 2 ist die Analyse des Anwendungskontextes digitaler Produkte. Durch eine Diskussion, Gegenüberstellung und Integration verschiedener
etablierter Phasenmodelle werden zunächst in Abschnitt C 2.1 die zentralen Phasen der
Kunde-Produkt-Interaktion bestimmt, die beim ganzheitlichen Design digitaler Produkte zu
gestalten und dabei auf die Optimierung des Kundenwertes auszurichten sind.24
Für das Design der Szenen der einzelnen Phasen ist neben dem Wissen über die Potentiale
und Beschränkungen digitaler Produkte und Wirtschaftsräume, das mit Kapitel C 1
geschaffen wurde, insbesondere das Wissen über das Verhalten der Konsumenten entscheidend. Die diesbezüglichen Theorien werden im zweiten Abschnitt C 2.2 des Kapitels C 2
dargelegt.
C 1 Charakteristika digitaler Produkte im digitalen
Wirtschaftsraum
In diesem Kapitel wird der Begriff des „Digitalen Produktes“ eingeführt. Ziel ist es, das in
dieser Arbeit zugrundegelegte Verständnis eines digitalen Produktes festzulegen und die
Besonderheiten digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum zu analysieren. Weiterhin
wird hier der bereits im Teil B eingeführte Begriff des Kundenwertes genau definiert und die
Möglichkeiten zur Erhöhung des Kundenwerts mit Hilfe digitaler Produkte diskutiert.
C 1.1 Definition des digitalen Produktes
In der wissenschaftlichen Literatur wird eine Vielzahl von Begriffen und Definitionen im Bereich digitaler Produkte verwendet, über die Tabelle C 1-1 einen Überblick geben soll:
(Whinston et al. 1997: "Information is a primary example of a digital product, for example knowl61 f.)
edge-based goods that can be digitized and transferred over a digital network.
Information goods include a wide range of traditionally paper-based products
such as books, magazines, news papers, journals, photographs, maps, and
other graphics. [....] Clearly, these are all transparent examples of products
that exist as physical products but that can easily be digitized for the electronic market place. [...] Anything that one can send and receive over the
24 Hier wird somit die in Kapitel B 5 eingeführte noch recht grobe Strukturierung der Kunde-Produkt-
Interaktion in eine Wissens- und eine Erwerbs- resp. Anwendungsphase weiter verfeinert.
35
36
Inhaltliche Grundlagen
Internet has the potential to be a digital product."
(Shapiro
1999: 3)
&
Varian "We use the term information very broadly. Essentially, anything that can be
digitized - encoded as a stream of bits - is information. For our purposes,
baseball scores, books, databases, magazines, movies, music, stock quotes, and
Web pages are all information goods."
(Varian 1998: 3)
“I take this to be anything that can be digitized – a book, a movie, a record, a
telephone conversation”
(Clarke 2000)
“Digital goods and services are those that can be delivered using the information infrastructure. Hence, for digital goods and services, the marketplace
provides a context sufficient for the entire procurement process. Digital goods
and services include: (1) documents, including articles and books; (2) data, including statistics; (3) reference information, including dictionaries and encyclopedias; (4) news; (5) weather forecasts; (6) projected sound, such as
speeches and musical performances; (7) projected videos and video-withsound, including television, video-conferencing and video-clips; (8) interactive voice, such as telephone conversations and tele-conferencing; (9) interactive video and video-with-sound, such as video-conferencing; (10) images, including structured graphics such as diagrams and musical scores, and photographs; (11) entertainment, infotainment, edutainment and education via
multi-media; (12) bookings and tickets for live events; (13) software, quite
generally; (14) commerce in insurance; (15) commerce in money, including
foreign currencies; (16) commerce in securities, and financial derivatives such
as stock-based, interest-rate-based and index-based options, and (17) commerce in commodities, and commodities derivatives such as futures.”
(Brandtweiner
37)
2000: „Ein digitales Gut ist ein Gut, das in elektronischer Form, also vercodiert als
Menge von Bits und Bytes vorliegt und somit über eine Netzwerkinfrastruktur geliefert werden kann, z.B. Computerprogramme.
Ein Informationsgut ist ein Gut, das wegen seines Inhalts (Content) gekauft
wird. Das Gut ist eigentlich der Inhalt, sprich die Information bzw. das Wissen, wofür es steht. Beispiele sind Bücher, Lexika, Tageszeitungen, Magazine
und Bedienungsanleitungen.
Ein digitales Informationsgut ist ein Gut, das beide Eigenschaften in sich vereint.“
(Meier 2001)
Das digitale Produkt ist die Gesamtheit der Produktdaten, welche im Innovationsprozess (Primärentwicklung) erzeugt, konsistent verwaltet und über
den Lebenszyklus laufend ergänzt (Sekundär-Entwicklung) werden und das
reale Produkt hinreichend genau repräsentieren, um von Unternehmensprozessen mittels Diensten genutzt zu werden.
(Stelzer 2000: 836)
„Unter digitalen Gütern versteht man immaterielle Mittel zur Bedürfnisbefriedigung, die sich mit Hilfe von Informationssystemen entwickeln, vertreiben oder anwenden lassen. Es sind Produkte oder Dienstleistungen, die in
Form von Binärdaten dargestellt, übertragen und verarbeitet werden können.“
(Antoci et al. 2000)
The term digital product refers to information-based products, delivered via
electronic networks, such as software, […] now free of the physical forms that
Design Patterns für digitale Produkte
37
normally carried […] product customization and differentiation
(Schmid-Isler 2001b)
„A digital product is interactive, it includes the information necessary to be
processed, i.e. it is an agent.
A digital product can be
•
Embedded in digital media, i.e. it is a digital representation of a realworld product such as a car, an elevator, a book, etc.
•
Consisting of digital information only, such as software, computer
games, MP3, files, etc.
A digital product combines the advantages of a living (interactive, dialoguing)
information carrier with the advantages of a dead (non interactive but persisting across time and space) information carrier.”
(Diese Definition ergänzt die allgemeine Definition von Produkten:
“A product is the result of planning, it is man-made (artificial). A product answers / solves the question / problem of a client. A product is an intermediary between supplier and customer. A product acts as good / service for consumption AND as sign for communication. A product has three structural
dimensions: Semantics, Syntax , Pragmatics. Semantics is the product’s objective purpose, its meaning. Syntax is the product’s language (form, style).
Pragmatics is the products subjective usability in a given situation with a
given client.”)
Tabelle C 1-1: Literaturübersicht über Definitionen des Begriffs „digitales Produkt“
Die meisten der in der Tabelle aufgeführten Definitionen, Whinston et al. (1997), Shapiro und
Varian (1999), Varian (1998) und Clarke (2000), charakterisieren ein digitales Produkt durch
eine der beiden resp. beide der folgenden Eigenschaften:
1.
ihre digitale Ausprägung; digitale Produkte bestehen somit aus Bits und Bytes und
2.
die Möglichkeit, ein digitales Produkt über elektronische Kanäle zu erwerben.
Das digitale Format des Produktes ermöglicht es, den gesamten Produktlebenszyklus von
der Erzeugung über den Vertrieb bis zur Anwendung mit Hilfe von IKT-Systemen abzuwickeln (Brandtweiner et al. 1998; Stelzer 2000).
Die Digitalisierbarkeit sowie der Vertrieb über digitale Kanäle sind jedoch lediglich ein notwendiges, jedoch kein hinreichendes Kriterium dafür, etwas als digitales Gut bezeichnen zu
können. Erst ihr potentieller Nutzen für eine bestimmte Zielgruppe macht eine Menge von
Bits und Bytes zu einem wirklichen Produkt. Digitale Produkte können daher genauer als
„immaterielle Mittel zur Bedürfnisbefriedigung, die sich mit Hilfe von Informationssystemen entwickeln, vertreiben oder anwenden lassen“ (Stelzer 2000: 836) definiert werden.
Schmid-Isler (2001b) erweitert die Definition des digitalen Produktes um digitale Abbilder
realer Produkte. Digitale Produkte sind nicht nur Binärdaten, die selbst eine Problemlösung
darstellen, sondern auch digitale Abbildungen resp. Vertreter realer Güter. In diesem Fall
bedarf die Abwicklung, zumindest was die Auslieferung betrifft, einer physischen Infrastruktur. Auch die Anwendung findet in der Regel ausserhalb der IKT-Infrastruktur (resp.
des digitalen Wirtschaftsraumes) statt.
38
Inhaltliche Grundlagen
Schmid-Isler (2001b) betont weiterhin die Interaktivität als konstituierendes Merkmal digitaler Produkte. Diese Eigenschaft beruht darauf, dass alle Informationen über die Anwendung
eines Produktes in das Produkt resp. seine digitale Umgebung eingebettet werden können.
Die obigen Definitionen betrachten digitale Produkte stets aus der Sicht des Kunden: Produkte sind Problemlösungen, die über digitale Kanäle vertrieben und bei rein digitalen Produkten auch mit Hilfe von Informationssystemen erzeugt und angewendet werden können.
Meier (2001) betrachtet digitale Produkte dagegen aus dem Blickwinkel der Produktion. Er
versteht unter einem digitalen Produkt die digitale Repräsentation eines realen Produktes
aus unternehmensinterner Sicht. Ein digitales Produkt umfasst somit alle Produktdaten, die
in den verschiedenen Geschäftsprozessen benötigt werden: Daten für die Produktionssteuerung, die Kostenrechnung, die Dokumentation, die Optimierung, die Simulation, die Visualisierung und die Konstruktion. Diese Repräsentation wird über den Lebenszyklus des Produktes kontinuierlich weitergeführt (s. auch (Kunz et al. 1999; Kunz & Meier 2001)).
In dieser Arbeit steht die Kundensicht eines digitalen Produktes und somit sein Charakter
als Problemlösung sowie seine Interaktionsprozesse mit dem Kunden im Zuge des Erwerbs
und der Anwendung des Produktes im Vordergrund. Dabei unterscheiden wir zwischen digitalen Produkten und digitalisierten Produkten:
Definition: Ein digitales Produkt im engeren Sinne ist eine digitale Problemlösung, die sich mit Hilfe
einer IKT-Infrastruktur entwickeln, vertreiben und anwenden lässt. Ein digitalisiertes Produkt ist ein
digitales Abbild einer realen Problemlösung, die mit Hilfe einer IKT-Infrastruktur vermarktet wird.
Ihre Abwicklung und Anwendung bedarf jedoch einer physischen Infrastruktur. Digitale Produkte
subsumieren sowohl digitale Produkte im engeren Sinne als auch digitalisierte – physische – Produkte.
C 1.2 Kategorisierung
Nachdem im vorangegangenen Abschnitt der Begriff des digitalen Produktes allgemein eingeführt wurde, werden im folgenden die verschiedenen in der Fachliteratur zu findenden
Klassifikationsschemata digitaler Produkte erläutert. Darauf aufbauend wird zum Abschluss
dieses Abschnittes ein eigenes Kategorisierungsschema entwickelt, das die verschiedenen
Klassifikationen vereint.
C 1.2.1 Digitales Produkt versus digitales Abbild eines Produktes
Ein Unterscheidungsmerkmal digitaler Produkte wurde bereits im Rahmen der allgemeinen
Definition digitaler Güter berücksichtigt. Dort wurde zwischen digitalen Gütern im engeren
Sinne und digitalisierten Gütern unterschieden. Digitale Produkte im engeren Sinne sind
rein digitale Problemlösungen. Beispiele sind CDs, virtuelle Bücher, Informationsdienste, etc.
Digitalisierte Produkte umfassen dagegen lediglich digitale Repräsentationen realer Güter.
Sie nutzen die Möglichkeiten digitaler Medien zur Anbahnung und Abwicklung von Geschäftstransaktionen und insgesamt zur Kommunikation mit dem Kunden. Zur Abwicklung
der Transaktion werden jedoch aufgrund der physischen Ausprägung der Güter auch physische Transportkanäle benötigt.
Design Patterns für digitale Produkte
39
Das Potential digitalisierter Güter zeigt sich vor allem beim Mass Customization von Produkten, d.h. der Massenanfertigung individualisierter Produkte, bei der die Möglichkeiten
einer weltumspannenden IKT-Infrastruktur zum Vertrieb speziell auf den Kunden zugeschnittener physischer Produkte genutzt werden (vgl. (Piller 2000)).25 Dabei wird der Kunde
direkt in den Produktionsprozess integriert. Das Produkt wird nach seinen Wünschen zusammengestellt, angefertigt und direkt an ihn ausgeliefert.
C 1.2.2 Digitales Gut versus digitales Informationsgut
Brandtweiner (2000: 37) unterscheidet zwischen digitalen Produkten im allgemeinen und
digitalen Informationsgütern im speziellen. Seine Definition eines digitalen Produktes im
allgemeinen entspricht dabei dem in dieser Arbeit zu Grunde gelegtem Verständnis eines
digitalen Produktes im engeren Sinne, d.h. eines Codestückes im Sinne einer digitalen Problemlösung.
Digitale Informationsgüter sind dagegen eine besondere Art von digitalen Gütern. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Wert direkt aus den übermittelten Inhalten besteht. Typische
Beispiele sind Online-Zeitschriften und Bücher. Programme resp. Online-Applikationen und
-Dienste sind dagegen zwar digitale Produkte, stellen jedoch keine digitalen Informationsprodukte dar.
C 1.2.3 Digitales Produkt versus digitale Dienstleistung
Häufig findet man die Unterscheidung zwischen digitalen Produkten und digitalen Dienstleistungen (s. z.B. (Bieberbach & Hermann 1999; Bode 1997)). Sie beruht auf der bereits bei
materiellen Gütern etablierten Differenzierung zwischen Produkt und Dienstleistung. Danach unterscheiden sich Dienstleistungen von Produkten durch den wesentlichen Beitrag
des Kunden bei der Erstellung der Leistung. Der Nachfrager fungiert somit als externer Produktionsfaktor. Produkte können dagegen ohne Beteiligung des Kunden und somit autonom
vom Produzenten hergestellt werden. Beispiele digitaler Dienstleistungen sind Online-Versicherungen oder Online-Steuerberatungen. Digitale Produkte umfassen Bücher, aber auch
Software.
Das in Abschnitt C 1.2.1 angesprochene Mass Customization von Produkten nimmt dabei
eine Zwitterposition zwischen Produkt und Dienstleistung ein. Das Gut selbst ist ein Produkt nach obiger Definition. Der Kunde wird jedoch sehr stark in den Produktionsprozess
integriert. Somit erhält das Gut ebenfalls einen Dienstleistungscharakter. Durch die generelle
Tendenz zur Individualisierung und zur Anpassung an die Wünsche und Präferenzen des
25 Die Herstellung dieser individualisierten Produkte stellt hohe Anforderungen an die Produktion.
Eine geeignete Modularisierung der Produkte muss gewährleisten, dass die individualisierten
Produkte effizient aus Standardbauteilen zusammengesetzt werden können (Piller 2000). Dies
wirkt sich auf das Design des digitalen Produktes I aus.
40
Inhaltliche Grundlagen
Kunden erhöht sich der Dienstleistungscharakter digitaler Produkte stetig.26 Weiterhin nutzen insbesondere die Produzenten physischer Produkte das digitale Medium immer mehr
dazu, um ihre Produkte durch Informationen und digitalisierte Dienstleistungen zu erweitern, auf ihre Kunden zuzuschneiden und sich dadurch von ihren Konkurrenten zu differenzieren (Kotha 1995).
C 1.2.4 Interaktivität und Produkttyp
Whinston et al. (1997) schlagen eine Kategorisierung nach den beiden Kriterien Interaktivität
und Produkttyp vor. Die Charakterisierung nach der Interaktivität deckt sich dabei weitestgehend mit der Unterscheidung zwischen digitalen Dienstleistungen und digitalen Produkten aus Abschnitt C 1.2.3. Die Autoren unterscheiden zwischen interaktiven Gütern („interactive goods“) und gelieferten Gütern („delivered goods“). Interaktive Güter bedürfen, wie
Dienstleistungen, der aktiven Teilnahme der Nachfrager an der Leistungserstellung. Sie basieren auf Echtzeit-Anwendungen, bei denen eine Art Frage- und Antwort-Prozess zwischen
dem Kunden und dem Produkt abläuft. Beispiele für interaktive Güter umfassen OnlineKonsultationen eines Arztes, Rechtsanwaltes oder Steuerberaters. Dagegen werden „delivered goods“ durch einmaliges Herunterladen des entsprechenden Codestückes ausgeliefert. Sie erfordern nach dem Abschluss der Transaktion keine weiteren Interaktionen zwischen Kunde und Anbieter.27
Das zweite Kriterium teilt digitale Produkte in drei Produkttypen ein (Whinston et al. 1997:
63 f.):
1.
Informations- und Unterhaltungsgüter: Beispiele sind Online-Zeitungen, Online-Bücher, Audio- und Video-Dateien.
2.
Symbole, Tokens und Konzepte: Dazu zählen Reservierungen und Tickets für Reisen
und Veranstaltungen sowie komplexere Konzepte wie elektronische Zahlungsmittel.
3.
Prozesse und Dienste: Sie umfassen elektronische Dienste im weitesten Sinne, wie
Messagingsysteme und Online-Auktionen.
Brandtweiner (2000: 34) kritisiert an dieser Einteilung, dass sie zwar plausibel, dabei aber
relativ willkürlich sei. Eine höhere Logik der Einteilung sei dabei nicht zu erkennen.
C 1.2.5 Produkte, Prozess und Agenten
Whinston et al. (1997: 18) schlagen ein Charakterisierungsschema der digitalen Wirtschaft
nach dem Grad der Digitalisierung vor. Ein Wirtschaftssystem besteht für sie generell aus
26 Idealerweise wird die Individualisierung weitgehend automatisiert, so dass sie möglichst wenig
Aufwand vom Kunden erfordert.
27 Man beachte hierbei, dass gelieferte Produkte sehr wohl interaktiv in der eigentlichen Anwendung
sein können, wie dies bei allen Software-Applikationen mehr oder weniger der Fall ist.
Design Patterns für digitale Produkte
41
den Komponenten Produkt, Prozess und Teilnehmer. Diese können jeweils die Ausprägung
„physisch“ oder „digital“ einnehmen. Eine digitale Wirtschaft in Reinform ist dadurch charakterisiert, dass sowohl die Produkte als auch die Prozesse und die Teilnehmer digital sind.
Die traditionelle Wirtschaft basiert dagegen auf physischen Produkten, Prozessen und Teilnehmern.
Auch wenn diese Charakterisierung auf ganze Wirtschaftssysteme ausgerichtet ist, so kann
sie ebenfalls zur Charakterisierung digitaler Produkte in einem weitgefassten Sinne eingesetzt werden. Dabei wird nicht nur das Produkt selbst, sondern auch der Kundenprozess
sowie die beteiligten Interaktionsparteien in die Betrachtung mit einbezogen. So zeichnet
sich das digitalisierte Produkt gemäss der Definition aus Abschnitt C 1.1 dadurch aus, dass
zwar das eigentliche Produkt physischer Natur ist, dagegen die Prozesse weitgehend digitalisiert ablaufen. Andererseits können auch digitale Produkte im engeren Sinne über traditionelle Wege vertrieben werden.
Bei der Charakterisierung digitaler Produkte kann daher nicht nur das Produkt selbst, sondern auch die (Kauf-) Umgebung berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang weisen
insbesondere Han und Han (2000) darauf hin, dass sich der Kundenwert eines Produktes sowohl aus dem Wert des Produktes selbst, dem „Content“, als auch aus dem Wert der Interaktionsprozesse mit dem Kunden während und nach dem Erwerb des Produktes, dem
„Kontext“, ergibt. Diese Interaktionsprozesse können dabei auch als – unentgeltliche –
digitale Dienstleistungen angesehen werden und stellen somit ebenfalls digitale Güter im
weitesten Sinne dar. Dieser Aspekt des Wertes eines Produktes als Summe von Inhalt und
Kontext (Content und Context) ist für diese Arbeit zentral und wird daher in Abschnitt C 1.4
noch einmal aufgegriffen und näher erläutert.
Nach dem Kategorisierungsschema von Whinston et al. (1997) werden digitale Produkte und
die mit ihnen verbundenen Prozesse also nach dem Grad ihrer Digitalisierung eingeteilt. Der
Digitalisierungsgrad steigt dabei mit der Anzahl der digitalen Komponenten: Produkt, Prozess und Teilnehmer. Dabei sollten entweder die Produkte oder die Prozesse digital resp. digitalisiert sein, um von einer digitalen Leistungserstellung sprechen zu können.
C 1.2.6 Geschäftsmodell
Verschiedenste Autoren haben sich mit der Entwicklung von Geschäftsmodellen für die digitale Wirtschaft beschäftigt: vgl. z.B. (Armour 2000; Berryman et al. 1998; Boulton et al. 2000;
Gulati & Garino 2000; Kaplan & Sawhney 2000; Kotha 1998; Laudon & Laudon 2000; Lief
1999; Stähler 2001; Tapscott et al. 2000; Timmers 1998; Timmers 1999; Winter 2000). Ein Geschäftsmodell beschreibt die konstituierenden Komponenten der wirtschaftlichen Tätigkeit
eines Unternehmens oder einer Wertschöpfungskette; „es ist eine Abstraktion wie ein Geschäft funktioniert“ (Stähler 2001: 42). Wie bereits in Abschnitt B 1 erläutert, beruht jedes Geschäftsmodell letztendlich auf dem Wert, den es seinen Kunden liefert, seiner „value proposition“. Weiterhin beschreibt ein Geschäftsmodell, wie die entsprechende Leistung – das
42
Inhaltliche Grundlagen
Produkt – erstellt wird und wie das Unternehmen aus der Leistungserstellung Einnahmen
generiert.28 Für die Definition eines digitalen Produktes aus der Aussensicht des Kunden
sind dabei die Value Proposition sowie die damit verbundenen Interaktionsprozesse zwischen Kunde und Produkt im Zuge des Erwerbs und der Anwendung wesentlich. Sie können zur Charakterisierung digitaler Produkte genutzt werden.
Die wohl bekannteste Kategorisierung von digitalen Geschäftsmodellen stammt von Paul
Timmers (Timmers 1998; Timmers 1999). Er konzentriert sich dabei auf Geschäftsmodelle für
elektronische Märkte und somit auf diejenigen Dienstleistungen, die auf elektronischen
Märkten angeboten werden können. Er charakterisiert seine Geschäftsmodelle durch die
Wertschöpfungsstufe, auf die sie sich beziehen, sowie die Art der Interaktionsbeziehung
zwischen den beteiligten Parteien. Dabei unterscheidet er nach Porter neun Wertschöpfungsstufen: die primären Aktivitäten der Eingangslogistik, der Produktion, der Ausgangslogistik,
des Marketings und des Verkaufs und der Dienstleistungen sowie die unterstützenden Aktivitäten der technischen Entwicklung, der Beschaffung, des Human Resource Managements
und der Unternehmensinfrastruktur. Bei den Interaktionsformen differenziert er zwischen 1zu-1, 1-zu-n, n-zu-1 und n-zu-n Beziehungen. Aus den sich daraus ergebenden Möglichkeiten wählt er zehn aus, die bereits in der Praxis wenigstens ansatzweise implementiert wurden.
Wir betrachten diese Geschäftsmodelle vorrangig aus der Perspektive der Value Proposition
für den Kunden. In der folgenden Tabelle wird daher jedes der zehn Geschäftsmodelle mit
einer kurzen Beschreibung der Dienstleistung sowie mit seinem Kundenwert, der Value
Proposition, erfasst.
Geschäftsmodell
Beschreibung
Value Proposition
E-Shop
Unterstützung der Kauftransaktion
zumeist im B-to-C Bereich.
•
Geringere Preise
•
Grössere Auswahl
Dabei sollten alle Phasen der Trans- •
aktion von der Wissensphase bis zur •
Abwicklung erfasst sein.
Die Wissensphase bezieht sich vor
Bessere Information
Annehmlichkeit des Kaufprozesses
(inklusive 7 * 24 Verfügbarkeit des
Shops)
allem auf die angebotenen Produkte.
E-Procurement
Unterstützung des elektronischen
Einkaufs von Produkten.
Dies entspricht gewissermassen einer E-Shop Lösung resp. einem
Marktplatz für den Einkauf.
Für den Einkäufer:
•
Günstigere Preise durch grössere
Auswahl
•
Zeitersparnis und Kostenreduktion
durch Verringerung der Transaktionskosten (Such-, Verhandlungs-
28 Bei dieser Definition beziehen wir uns vorrangig auf Stähler (2001) Er konsolidiert die zentralen
Definitionen von Geschäftsmodellen, die in der Literatur zu finden sind (s. u.a. (Amit & Zott
2000; Hamel 2001: 65-112; Selz 1999: 106; Tapscott et al. 2000: 4; Timmers 1998: 4; Venkatraman
& Henderson 1998)).
Design Patterns für digitale Produkte
43
und Abwicklungskosten)
Für den Verkäufer:
E-Auction
•
Grösserer Abnahmemarkt
•
Zeit- und Kostenersparnis
Unterstützung der Verhandlung auf Für Bieter und Nachfrager:
der Grundlage von Auktionsmecha- • Kosten- und Zeitersparnis
nismen.
Meist werden hier weitere Dienste
zur Unterstützung einer kompletten
Geschäftstransaktion angeboten.
E-Mall
Ansammlung verschiedener EShops.
Für Nachfrager:
•
Vorteile der E-Shops
•
Einfacher Zugang zu verschiedenen
Spezial-Shops
Für Shop-Besitzer:
•
Kostenreduktion durch günstige
Abwicklung
•
Ausnutzung des Benutzerstroms,
der durch das Gesamtangebot generiert wird.
Third Party Market-
Unterstützung der Online-Ver-
place
marktung von Gütern durch das
Hosting von Web-Plattformen mit
Transaktionsdiensten.
Für Nachfrager:
•
Vorteile der E-Shops, des E-Procure-
ments
Für Anbieter von Leistungen:
•
Kostenreduktion
•
Keine Notwendigkeit zum Aufbau
und zum Erhalt eigener Transaktionsplattformen
Virtuelle Gemeinschaft
•
Unterstützung einer Gemeinschaft
mit gleichem Interesse durch die zur
•
Verfügungstellung von Kommunikationsmöglichkeiten sowie zumeist
weiteren Informationsdiensten.
Value Chain Service
Unterstützung bestimmter Stufen
Provider
der Geschäftstransaktion: z.B. Zahlungs- und Logistikdienstleistungen.
Value Chain Inte-
Integration mehrere Stufen der
grator
Wertschöpfungskette.
•
Möglichkeit zum sozialen Austausch innerhalb der Gemeinschaft
Gezielte Informationsversorgung
über bestimmte Themen
Kosten- und Zeitersparnis durch
Outsourcing bestimmter Geschäftsfunktionen.
•
Kostenersparnis durch effizientere
Abwicklung des gesamten Wertschöpfungsprozesses
Collaboration Platform
Unterstützung der Zusammenarbeit •
in Teams durch die zur Verfügungsstellung bestimmter Werkzeuge sowie einer Informationsplattform.
Information Brokerage,
Kosten- und Zeitersparnis durch
effiziente Zusammenarbeit in verteilten Teams ohne den Ressourcenaufwand für den Aufbau und den
Erhalt der Plattform
Informationsdienstleister:
Value Proposition von Informations-
•
dienstleistern:
Unterstützung des Wissensauf-
44
Inhaltliche Grundlagen
Vertrauensdienstleist
ungen und weitere
Dienstleistungen
baus im Zuge der eigenen
Problemlösung oder aber im
Zuge der ersten Phase einer Geschäftstransaktion
Vertrauensdienste:
•
• Reduktion der Suchkosten
Von Vertrauensdiensten:
•
Grundlage, Erleichterung und z.T.
sogar Voraussetzung für die Geschäftstätigkeit.
Unterstützung von Transaktionen in anonymen Wirtschaftsräumen
Tabelle C 1-2: Übersicht über die Geschäftsmodelle von Timmmers, betrachtet aus der Kundenperspektive
Mit seinen zehn Geschäftsmodellen liefert Timmers eine gute Übersicht über die möglichen
wertstiftenden Geschäftsaktivitäten auf elektronischen Märkten. Was jedoch fehlt, ist deren
klare Charakterisierung.
Betrachtet man die verschiedenen Geschäftsmodelle unter dem Blickwinkel des zugrundeliegenden Kundenbedürfnisses, so liegt die folgende Einteilung nahe:
1.
Verkauf von Leistungen, d.h. generell Produkten (E-Shop, E-Procurement)
2.
Unterstützung des gesamten Wertschöpfungsprozesses, d.h. der Abwicklung einer
Geschäftstransaktion oder der gemeinsamen Erstellung von Leistungen (Third Party
Marketplace, Collaboration Platform, E-Procurement, E-Mall, E-Auction, Value
Chain Integrator)
3.
Unterstützung einzelner Tätigkeiten (Phasen) des Wertschöpfungsprozesses (Value
Chain Service Provider, Information Broker)
Virtuelle Communities lassen sich je nach ihrer Ausrichtung in alle drei Kategorien eingliedern. Sie können selbst eine Dienstleistung darstellen, können die gemeinsame Erstellung von Leistungen (vorrangig Wissen) ermöglichen29 und als Dienst insbesondere
die Wissensphasen einer Geschäftstransaktion unterstützen.30
C 1.2.7 Eigenes Kategorisierungsschema
In diesem letzen Abschnitt sollen die verschiedenen Kategorisierungsschemata konsolidiert
werden und in ein umfassendes Schema integriert werden. Dabei wird jeweils die Sicht der
Nachfrager des „Produktes“ im Sinne einer Problemlösung im weitesten Sinne eingenommen.
Die Kategorisierung basiert grundsätzlich auf dem im vorangegangenen Abschnitt eingeführten dreistufigen Charakterisierungsschema und verfeinert dieses um die Unterschei-
29 Hier sei insbesondere auf Communities of Practice zum inner- und zwischenbetrieblichen Knowledge
Management hingewiesen (s. z.B. (Schoen 2000)).
30 Diese Bezeichungen beziehen sich auf die Erläuterungen in Abschnitt B 5. Gemäss den Ausführun-
gen im Abschnitt C 2.1 resp. C 2.1.5 umfassen sie die Phasen der Awarenessschaffung, der
Überzeugung, der Entscheidung und der Wissensvermittlung.
Design Patterns für digitale Produkte
45
dungskriterien der Abschnitte C 1.2.1 bis C 1.2.5. Dieses Klassifikationsschema ist in der
Abbildung C 1-1 noch einmal graphisch veranschaulicht:
Digitalisierungsgrad
Produkt
Dienstleistung
Informationsgut
Primäres
digitales Produkt
Applikation
Anbieter
Kunde
Plattform
Betreiber
Integrator
Unterstützungsdienste
Produkt
Dienst A
Dienst B
Dienst Z
(Information
Broker)
(Value Chain
Service)
(Vertrauensdienst)
Abbildung C 1-1: Klassifikation digitaler Produkte
Digitale Produkte können hiernach in die folgenden drei Hauptkategorien unterteilt werden:
1.
Primäres digitales Produkt: Angebot eines Produktes im Sinne einer Problemlösung
für den Kunden.
2.
Integrator: Unterstützung und Koordination der Erbringung der primären
Dienstleistung durch das Angebot von Transaktionsplattformen mit Werkzeugen
zur Unterstützung der verschiedenen Phasen einer Geschäftstransaktion.
3.
Unterstützungsdienste: Unterstützung der einzelnen Phasen einer Geschäftstransaktion im Zuge der Erbringung der primären Dienstleistung.
Die Produkte der Kategorie 3 ermöglichen somit die Erbringung der Dienste der Kategorie 2.
Die Produkte der Kategorie 1 können durch die folgenden Kriterien näher charakterisiert
werden:
1.
Produkt- oder Dienstleistungscharakter der angebotenen
(Klassifikation aus den Abschnitten C 1.2.3 und C 1.2.4)
Problemlösung
2.
Informationsgut versus Applikation (Klassifikation aus den Abschnitten C 1.2.2)
Digitalisierungsgrad des gesamten Wertschöpfungsprozesses aus Sicht des Kunden: Dabei
sollten insbesondere die Interaktionsprozesse zwischen Nachfrager und Anbieter auf
46
Inhaltliche Grundlagen
elektronischen Medien abgebildet sein. (Klassifikation aus den Abschnitten C 1.2.5 und
C 1.2.1).
Man beachte, dass es sich bei den Integratoren und Unterstützungsdiensten stets um digitale
Dienstleistungen handelt.
C 1.3 Eigenschaften und Auswirkungen digitaler Produkte
Nachdem in den letzten beiden Abschnitten das in dieser Arbeit zu Grunde gelegte Verständnis von digitalen Produkten definiert und verfeinert wurde, werden in diesem Abschnitt die spezifischen Charakteristika digitaler Produkte analysiert. Dabei werden sowohl
die Produkte als auch der sie umgebende digitale Wirtschafsraum in die Betrachtung mit
eingeschlossen.31 Weiterhin werden die durch diese Eigenschaften induzierten ökonomischen Auswirkungen sowie die Besonderheiten und Potentiale aus Sicht der Online-Kunden
diskutiert.
C 1.3.1 Eigenschaften
Im folgenden untersuchen wir die zentralen Charakteristika digitaler Produkte und des sie
umgebenden digitalen Wirtschaftsraumes.
C 1.3.1.1 Verschleissfreiheit und Dauerhaftigkeit
Eine wesentliche Eigenschaft eines digitalen Gutes ist seine Dauerhaftigkeit und Verschleissfreiheit: Ein neu erstelltes Produkt ist somit so gut wie ein bereits oftmalig gebrauchtes. Ein
digitales Produkt wird daher auch nicht konsumiert, sondern lediglich genutzt (Machlup
1984: 131).32 Whinston et al. (1997) sprechen statt von Verschleissfreiheit von der
Unzerstörbarkeit eines digitalen Produktes. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend, da
auch ein digitales Produkt selbstverständlich durch Löschung oder Korruption des
Binärcodes zerstört werden kann (Brandtweiner 2000: 34).
Stähler (2001: 184) weist weiterhin darauf hin, dass auch die Dauerhaftigkeit im Sinne der
unbegrenzten Anwendbarkeit eines digitalen Produktes beschränkt sein kann. Voraussetzung für die Anwendung eines digitalen Produktes ist die Existenz einer Anwendungsumgebung, die das Programmstück resp. die digitalisierten Informationen lesen, interpretieren
und ausführen kann. Ist diese nicht mehr vorhanden, so ist das digitale Produkt unbrauchbar.
31 Es wird der gesamte Prozess der Interaktion zwischen Nachfrager und Produktes von der ersten
Wahrnehmung durch den Kunden, über den Erwerb bis zur Anwendung des Produktes betrachtet.
32 Dabei wird hier nicht der Informationswert eines digitalen Informationsproduktes betrachtet. Er ist
i.d.R. sehr stark zeitabhängig (vgl. (Shapiro & Varian 1999)).
Design Patterns für digitale Produkte
47
Hilfreich für die Gewährleistung der Dauerhaftigkeit eines digitalen Produktes ist die Plattformunabhängigkeit der codierten Information und Programmlogik. Mit Hilfe von Standardisierungsbestrebungen versucht man dieser Anforderung in den letzten Jahren mehr und
mehr gerecht zu werden. Prominente Beispiele sind XML und deren diverse Sub-Sprachen
zur plattformunabhängigen Beschreibung von Informationen sowie die plattformunabhängigen Programmiersprache Java.33
C 1.3.1.2 Reproduzierbarkeit und Skalierbarkeit
Eine weitere zentrale Eigenschaft digitaler Güter ist deren einfache Reproduzierbarkeit. Ein
digitales Produkt kann durch einfaches Kopieren ohne Wertverlust beliebig oft reproduziert
werden. Nach der Produktion des ersten Exemplars, die mit sehr hohem Aufwand verbunden sein kann, verursacht die Produktion aller weiteren Exemplare annähernd keinen weiteren Kostenaufwand, die Grenzkosten der Produktion streben daher gegen Null (s. z.B.
(Binmore 1999; Shapiro & Varian 1999; Whinston et al. 1997: 69 ff.)).
Von Reproduktion spricht man vor allem in bezug auf digitale Güter, die an den Kunden
ausgeliefert werden; nach der in Abschnitt C 1.2.4 vorgestellten Terminologie von Whinston
et al. (1997) handelt es sich dabei um „delivered goods“. Bei automatisierten Dienstleistungen ist statt der Reproduzierbarkeit eher die Skalierbarkeit des zugrunde liegenden Systems
entscheidend. Skalierbarkeit ist ein Mass dafür, in wie weit eine Applikation gleichzeitig von
mehreren Anwendern genutzt werden kann, ohne dabei merkliche Abfälle in der Nutzungsqualität nach sich zu ziehen (s. u.a. (Rosenfeld & Monville 1998)). Die Skalierbarkeit beruht
auf der Parallelisierung der Abläufe, d.h. der Leistungserstellungsprozesse. Um einer starken Benutzerfrequentierung standhalten zu können, reicht es bei einer geeigneten Strukturierung der Software zumeist aus, die Hardware-Ausstattung anzupassen.34 Auch hier sind
die durch eine steigende Anzahl von Anwendern entstehenden Zusatzkosten weitestgehend
zu vernachlässigen. Dies gilt jedoch nur bei einem hohen Automatisierungsgrad der Dienstleistung. Erfordern Dienstleistungen jedoch die aktive und intensive Mitarbeit menschlicher
Leistungsträger, so unterliegen sie bezüglich der realisierbaren Skaleneffekten den gleichen
Beschränkungen wie traditionelle Dienstleistungen (Stelzer 2000).
Abschliessend, sei darauf hingewiesen, dass die einfache Reproduzierbarkeit digitaler Produkte auch Gefahren für die Hersteller in Form der Verletzungen ihres Copyrights mit sich
bringt (s. u.a. (Burkert 2000; Burkert 2001)). Möglichkeiten, diesen Gefahren zu begegnen,
33 zu XML s. u.a. (Rothfuss 2001; Stanfeder 2001), zu Java u.a. (Austermann & Lange 2001; Perrone
2000).
34 Weiterhin werden hier besondere Anforderungen an das Anwendungsprogramm gestellt. Es muss
sichergestellt werden, dass sich die parallelen Programmläufe nicht stören und das System in
einen inkonsistenten Zustand überführen. Diese Probleme werden seit Jahren insbesondere
auch im Bereich der Datenbankforschung bearbeitet (s. (Vossen 2001) als generelles Referenzwerk für Datenbanken und (Loeser 2001) für den Einsatz von Datenbanken im Web-Umfeld)
48
Inhaltliche Grundlagen
umfassen technische und institutionelle Massnahmen. Für eine kurze Diskussion der Copyrightproblematik sei z.B. auf Brandtweiner (2000: 42 ff.) verwiesen.
C 1.3.1.3 Multimedialität
Digitale Produkte und Interaktionsräume sind inhärent multimedial. Alle Medientypen
(nach dem traditionellen Sprachgebrauch) können gespeichert, übertragen, verarbeitet und
dargestellt sowie beliebig kombiniert werden: „Sie [digitale Medien] sind fähig, [...] Information textlich, bildlich, akustisch, kinetisch oder auf andere sinnlich erfahrbare Weise zu äussern“ (Schmid 1997a: 110).
Diese Eigenschaft, zusammen mit der Interaktivität, Ubiquität und der Möglichkeit zur Abbildung beliebiger Abläufe35, gestattet die Gestaltung ganz neuer Erlebniswelten im Sinne
verteilter virtueller Interaktionsräume (Churchill 2001; MacDonald & Vince 1994; Schmid
1997a), in denen Menschen über physische Distanzen hinweg in Echtzeit miteinander oder
auch mit künstlichen Agenten interagieren können. Am weitesten fortgeschritten sind diese
Entwicklungen im Bereich der Unterhaltungsindustrie und namentlich bei der Konzeption
von Computerspielen.
Die Möglichkeiten multimedialer Darstellungsarten sind jedoch mit Bedacht einzusetzen,
um die gewünschte Wirkung bei den Anwendern zu erreichen. So eignet sich der Einsatz
von dreidimensionalen multimedialen Darstellungsmethoden besonders für Unterhaltungsapplikationen, während dies im Zusammenhang mit kommerziellen Anwendungen schnell
unseriös und verwirrend wirken kann (s. auch (Stähler 2001: 132)). Weiterhin weisen
verschiedene Darstellungsarten unterschiedliche Übermittlungsqualitäten auf (s. u.a. (Lang
2000: 309)). So haben beispielsweise Bilder eine hohe Expressivität und sind sehr einprägsam, Textinformationen zeichnen sich dagegen durch eine hohe Genauigkeit aus.
C 1.3.1.4 Vernetztheit
Eine weitere grundlegende Eigenschaft digitaler Interaktionsräume ist deren Vernetztheit.
Der Zugriff auf Informationen, die an einer beliebigen Stelle des Interaktionsraumes gespeichert sind, ist von jedem Zugangspunkt aus möglich. Die Vernetztheit bildet somit die Voraussetzung für die Ubiquität und die Interaktivität über räumliche Distanzen hinweg (s. Abschnitte C 1.3.1.5 und C 1.3.1.7).
Die Vernetzung ermöglicht weiterhin die einfache, schnelle und flexible Verknüpfung verschiedener auf dem Netz verteilter Informationsobjekte zur Konstruktion komplexerer Informationsobjekte. Sie gestattet eine dynamische Nutzung von Synergiepotentialen komplementärer Angebote in einem globalen Interaktions- und Wirtschaftsraum (Schmid 2001c:
14). Die Fähigkeit des Computers, Informationen zu verarbeiten, ermöglicht es dabei, einzelne Angebote nicht nur einfach zu kombinieren oder im einfachsten Fall miteinander zu
verlinken. Die entsprechenden Inhalte oder Angebote können auch weiter verarbeitet und so
35 S. Abschnitte C 1.3.1.7 (Interaktivität), C 1.3.1.5 (Ubiquität), C 1.3.1.6 (Aktivität).
Design Patterns für digitale Produkte
49
zu einem qualitativ hochwertigeren Produkt kombiniert werden, das mehr ist als die Summe
seiner Teile. Ein gutes Beispiel sind (Online-) Reiseveranstalter. Sie kombinieren die Angebote verschiedener Anbieter diverser Transport- und Übernachtungsmöglichkeiten mit Veranstaltern von Ausflügen, etc. und bündeln diese zu einem Komplettangebot, das den individuellen Reisewünschen eines Kunden entspricht. Diese Bündelung kann bei Bedarf jeweils
dynamisch aus den aktuellen Angeboten erfolgen (s. auch (Selz 1999)).
C 1.3.1.5 Ubiquität
Digitale Produkte und Interaktionsräume zeichnen sich weiterhin durch die Ubiquität der in
ihnen transportieren Informationen aus. Durch die Vernetzung der aktiven Informationsträger (der Computer) sind Informationen und Produkte von jedem an das Netz angeschlossenen Zugangsgerät aus zugreifbar. Dadurch wird ein globaler Interaktionsraum aufgespannt
(Schmid 1997a: 110).
Informationen und digitale Produkte können jedoch nicht nur über den Raum transportiert
werden. Die aktiven Elemente des Netzwerkes gestatten ausserdem die Speicherung digitaler Informationsobjekte und somit den Transport über die Zeit.
C 1.3.1.6 Aktivität und Informationsverarbeitungspotential
(Vernetzte) Computer haben nicht nur die Möglichkeit, Daten zu speichern und zu transportieren. Wesentlich ist ihre Fähigkeit zur Verarbeitung von Informationen. Beliebige berechenbare Probleme können mit Hilfe des Computers gelöst werden. Für eine detaillierte Diskussion der Möglichkeiten und Beschränkungen von Computern sei insbesondere auf
(Heintz 1993) und (Zemanek 2001) verwiesen. Computer können so den Menschen bei
komplexen Berechnungsproblemen unterstützen sowie von regelmässigen Routineaufgaben
entlasten. Die informationsverarbeitenden Fähigkeiten eines Computers bilden weiterhin die
Grundlage der interaktiven Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Sie wird im
folgenden Abschnitt ausführlich erläutert.
Schmid (1999b: 287) weist darauf hin, dass der Computer das erste Trägermedium neben
dem Menschen ist, das Informationen nicht nur speichern und übertragen, sondern weiterhin aktiv verarbeiten und daraus seine eigenen Handlungen ableiten kann. Ein Computer
verfügt somit in gewissem Sinne nicht nur über Daten, sondern über (Handlungs-) Wissen.36
C 1.3.1.7 Interaktivität
Die Besonderheit von digitalen Produkten und Interaktionsräumen ist ihre Interaktivität (s.
auch (Schmid-Isler 2001b)). Dabei unterscheiden wir zwischen der Interaktivität zwischen
Menschen und der Interaktivität zwischen Mensch und Maschine resp. Maschine und Ma-
36 Stefik (1988) bezeichnet den Computer daher auch als „Next Knowledge Medium“.
50
Inhaltliche Grundlagen
schine.37 Diverse Kommunikationsdienste ermöglichen es Menschen, über das Medium zu
interagieren: Beispielswiese können im Business Kontext durch die Möglichkeiten der synchronen (Chat-) Kommunikation Verkaufsgespräche durchgeführt werden. Der Gegenpart
des Kunden kann dabei auch künstlich sein. Dazu ist das Wissen des Verkäufers in Software
und somit in einem künstlichen Agenten abzubilden. Dabei kann nicht nur dessen statisches
(deklaratives) Wissen, sondern auch sein Handlungswissen (sein prozedurales Wissen) erfasst werden. Dies gestattet es dem künstliche Verkäufer, aktiv auf die Eingaben und Aktionen des Kunden zu reagieren. Im Extremfall können sowohl der Anbieter als auch der Nachfrager durch künstliche Agenten repräsentiert werden (s. z.B. (Chavez & Maes 1996; Foner
1995; Kephart & Greenwald 2000)).
Die Interaktionsfähigkeit digitaler Produkte und Informationsräume basiert auf der Integration der Telekommunikationskomponente und der Computerkomponente. Erstere ermöglicht die Kommunikation zwischen Menschen sowie auch zwischen Maschinen unabhängig
von deren physischem Aufenthaltsort.38 Die Mensch-Maschine resp. Maschine-MaschineInteraktion wird jedoch erst durch die informationsverarbeitenden Komponenten, den
Computer, ermöglicht. Sie gestattet es, Informationen nicht nur zu speichern, sondern weiterhin aktiv zu verarbeiten und durch entsprechende (multimediale) Ausgaben oder Veränderungen der Gestalt der digitalen Umgebung auf wahrgenommene Reize (dies sind u.a. die
Eingaben eines menschlichen Agenten) reagieren zu können.
Interaktionen werden dabei allgemein als Aktionen verstanden, die sich auf einen anderen
Agenten beziehen (Schmid 2002). Sie sind somit Teil eines Prozesses, bei dem sich Folge-Aktionen auf vorangegangene Aktionen beziehen, oder allgemein die Wahl einer Folge-Aktion
durch die vorangegangenen Aktionen bedingt wird. Dabei kann der Grad der Interaktivität
anhand der Anzahl vorangegangener Aktionen, die bei der Wahl der nächsten Aktion
berücksichtigt werden, gemessen werden (Rafaeli 1988: 111).39
Die Möglichkeiten zur Beobachtung resp. Protokollierung und Verbarbeitung von Benutzerinformationen und insbesondere des Benutzerverhaltens ermöglicht es den künstlichen Agenten oder Umgebungen, nicht nur reaktiv auf die Eingaben und Anfragen eines
anderen menschlichen oder künstlichen Agenten zu reagieren, sondern pro-aktiv zu han-
37 Steuer (1992) spricht hier von Personen-Interaktivität und Maschinen-Interaktivität. Hoffman und
Novak (1996: 53) unterscheiden gleichermassen zwischen Interaktivität durch versus Interaktivität mit einem Medium.
38 Dabei können künstliche Agenten dieses Übertragungsmedium nicht nur nutzen, um Informatio-
nen auszutauschen. Sie können über dieser Medium selbst an andere Orte transportiert werden.
39 Diese verschiedenen Arten der Interaktionsbeziehungen finden sich auch in der Automatentheorie
der Informatik. Dort unterscheiden man insbesondere zwischen Automaten mit und ohne inneren Zustand, d.h. Gedächtnis. Bei zustandslosen Automaten hängt die nächste Aktion lediglich von der aktuellen Eingabe ab. Automaten mit Gedächtnis gestatten dagegen einen höheren
Grad an Interaktivität. Für einen Überblick über die Automatentheorie siehe z.B. (Hopcroft
1997).
Design Patterns für digitale Produkte
51
deln. Diese Eigenschaft wird im Zuge von Informationsdiensten auch häufig als Pushmechanismus bezeichnet. So bietet der Online-Bookstore amazon.com seinen Kunden zu einem
von ihm zuvor ausgewählten Buch weitere Informationen an. Weiterhin benachrichtigt
amazon.com seine Kunden aktiv über Neuerscheinungen, die in ihr Interessenprofil passen.
Diese Proaktivität spielt weiterhin für die Benutzerführung im Zuge der Anwendung eines
Produktes eine Rolle. Hier kann das System den Kunden pro-aktiv durch die zielgerichtete
Anwendung hindurchführen.
Die zentrale Schwierigkeit bei der Ausnutzung der interaktiven Potentiale digitaler Medien
(und Produkte) liegt in der unterschiedlichen „Sprache“ von menschlichen und künstlichen
Agenten. Die Ausgaben und auch die Handlungen der künstlichen Agenten müssen so gestaltet werden, dass sie vom menschlichen Gegenüber verstanden werden. Weiterhin muss
aber auch der Mensch eine Sprache verwenden, die vom künstlichen Agenten verstanden
wird. Dabei bietet die Mensch-Maschine oder die Maschine-Maschine-Kommunikation weniger Möglichkeiten zur expliziten Behebung von Missverständnissen, wie dies in der zwischenmenschlichen Interaktion möglich ist. Die Ausnutzung der interaktiven Potentiale bedarf daher einer sorgfältigen Gestaltung der Interaktionsbeziehungen und deren Abbildung
in das System. Diskrepanzen in der Sprache der beteiligten Agenten führen ansonsten zu
Missverständnissen und Unsicherheiten, die insbesondere im kommerziellen Umfeld äusserst negative Folgen, beispielsweise den Abbruch der Transaktion, nach sich ziehen können.
Mit den Aspekten der Verständlichkeit der Mensch-Maschine-Interaktion beschäftigt sich ein
eigener Zweig innerhalb der Informatikforschung der Human Computer Interaction Forschung (s. u.a. (Helander et al. 1997; Norman 1998a) sowie Abschnitt D 2.3).
C 1.3.1.8 Veränderbarkeit und Anpassbarkeit
Die Digitalisierung von Inhalten und Abläufen gestattet eine einfache Anpassung der digitalen Güter und ihrer Umgebungen. Whinston et al. (1997) sprechen hier auch von
Transmutabilität. Besonders einfach ist eine Anpassung der z.B. auf einer Web Site präsentierten Inhalte. Diese Eigenschaft ermöglicht es, ohne grossen Aufwand das eigene Angebot
zu aktualisieren. Vereinfacht wird dies durch eine Anbindung an sekundäre Datenquellen,
wie z.B. Datenbanken, die stets die aktuellen Produkt- und Preisinformationen speichern
und verwalten. Weiterhin können auch die Abläufe sowie die Gesamtstruktur eines Angebotes geändert werden. Deren unaufwendige Anpassung bedarf jedoch einer modularen Gestaltung des Produktes und seiner Umgebung sowie zunächst einer expliziten formalen Modellierung der Strukturen und Abläufe (Klose & Lechner 2000). Insbesondere im Vergleich
zu physischen Gütern und Verkaufsumgebungen sind Veränderungen aber auch hier in der
Regel sehr viel einfacher, schneller und kostengünstiger vorzunehmen.
Die Abbildung in Software und die sich dadurch ergebende – relativ – einfache Modifikation
und Anpassung der Produkte und Interaktionsräume bilden die Voraussetzung für die Individualisierung des Internet-Angebotes eines Unternehmens. Sie werden in Abschnitt
C 1.3.3.1 eingehend erläutert.
52
Inhaltliche Grundlagen
C 1.3.1.9 Intelligenz
Aufgrund der Fähigkeit digitaler Produkte und Interaktionsräume, Informationen speichern
und verarbeiten zu können, wie dies bereits in den Abschnitten C 1.3.1.6 und C 1.3.1.7 erläutert wurde, können sie intelligentes Verhalten zeigen.40 Dabei kann man genauer zwischen wissensspeichernden, lernenden und pro-aktiven Produkten unterscheiden (Bullinger
1997).41
Wissensspeichernde Produkte protokollieren die Nutzung eines Produktes oder Services.
Durch eine geeignete Strukturierung gestatten die aufbereiteten Daten Rückschlüsse insbesondere auf das Nutzer- und Nutzungsverhalten aber auch auf objektive oder subjektive
Schwachstellen des Systems. In der Regel werden die Daten zunächst in sogenannten Datawarehouses zusammengeführt und integriert. Die Möglichkeiten zur Auswertung und Ableitung von Wissen reichen von einfachen Datenbankauswertungen bis hin zu hochentwickelten Datamining-Techniken, welche die Ableitung komplexer Zusammenhänge gestatten
(vgl. (Adriaans & Zantinge 1996)).
Ein bekanntes Beispiel für ein Produkt mit wissensspeichernden Elementen sind Online
Shops, wie amazon.com. Dort wird das Kaufverhalten der Kunden protokolliert. Die Korrelationen zwischen dem Kaufverhalten einzelner Kunden zeigen mögliche Cross-Selling Potentiale auf. Weiterhin werden häufig in eigentlich physischen Produkten Nutzungsdaten gespeichert, wodurch anfallende Wartungsarbeiten entdeckt und erleichtert werden können.
Eine Protokollierung der Kommunikationsströme in Netzwerken unterstützt z.B. das Netzwerkmanagement.
Lernende Produkte nutzen die Möglichkeiten der Wissensspeicherung und -verarbeitung zur
Anpassung der Funktionalität oder der Interaktionsschnittstelle zum Anwender.
Prominente Beispiele für Produkte mit lernenden Elemententen sind wiederum Online
Shops mit personalisierten Eingangsseiten. Sie nutzen das protokollierte Verhalten des Kunden, um ihm eine individuell auf seine Interessen zugeschnittene Startseite zu präsentieren.
Ansonsten wird vor allem in Büroanwendungen von der Lernfähigkeit der Software
Gebrauch gemacht. Dabei wird die Schnittstelle der Anwendung an das Nutzungsverhalten
des Anwenders angepasst: Häufig genutzte Funktionen werden an prominenter Stelle positioniert, wenig genutzte Funktionen versteckt.
Proaktive Produkte nutzen ebenfalls die Möglichkeiten zur Speicherung und Verarbeitung
von Informationen. Sie nehmen ihre Umwelt bewusst wahr und reagieren aktiv auf verschiedene Umweltsituationen.
Auch hier sind Online Shops ein gutes Beispiel. Neben wissensspeichernden und lernenden
Elementen umfassen sie auch proaktive Komponenten. So präsentieren sie dem Kunden
40 Dabei soll hier nicht weiter diskustiert werden, wodurch sie intelligentes Verhalten auszeichnet.
41 Auch hier kann man wiederum darüber diskutieren, in wie weit gespeicherte Daten wirklich als
Wissen zu.bezeichnen sind.
Design Patterns für digitale Produkte
53
nach dessen Auswahl bestimmter Produkte pro-aktiv mögliche Komplementär- oder Alternativprodukte. Ein weiteres Beispiel sind die Hilfsprogramme von Office-Anwendungen, die
dem Anwender in Problemsituationen aktiv Hilfe anbieten.
C 1.3.2 Allgemeine ökonomische Auswirkungen
Nachdem im vorangegangenen Abschnitt die Charakteristika digitaler Produkte und digitaler Interaktionsräume im Detail erläutert wurden, werden im folgenden die wesentlichen
ökonomischen Auswirkungen dieser Eigenschaften kurz skizziert.
C 1.3.2.1 Globalisierung des Wirtschaftsraumes
Die Vernetzung aller Marktteilnehmer über offene Netzstrukturen ermöglicht die Vergrösserung des Marktes. Diese kann marginal sein, im üblichen Fall ist sie aber so substanziell, dass
man von einer Globalisierung des Wirtschaftsraums sprechen kann. Die Anzahl der direkt
erreichbaren Kunden und die der Anbieter, der von einem Unternehmen selbst benötigten
oder zu dem von ihm erstellten Produkt komplementären Leistungen, vergrössert sich.
Gleichzeitig steigt jedoch auch die Anzahl direkter Konkurrenten.
Die Globalisierung bringt somit weitreichende Möglichkeiten zur Steigung des Kundenkreises bei gleichzeitiger Reduktion der Kosten für den Ein- und Verkauf sowie zur dynamischen Kooperation mit komplementären Geschäftspartnern mit sich. Weiterhin induziert jedoch auch einen höheren Konkurrenzdruck. Die Zeit und die Aufmerksamkeit des Kunden
werden zur beschränkten Ressource (s. Abschnitt B 4).
In den folgenden Abschnitten wir die ökonomische Situation, die sich durch die Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaft ergibt, näher erläutert und Möglichkeiten aufgezeigt, wie diese Besonderheiten genutzt werden können.
C 1.3.2.2 Hohe Stückkostendegression und positive Feedback-Effekte
Wie in Abschnitt C 1.3.1.2 erläutert, sind digitale Produkte sehr einfach reproduzierbar.
Selbst Dienstleistungen sind bei einem hohen Automatisierungsgrad gut skalierbar. Bei rein
digitalen Gütern kann neben der Produktion der gesamte Absatz des Produktes weitgehend
digitalisiert (und automatisiert werden). Die variablen Kosten für die Produktion und die
Transaktion sind daher annähernd gleich Null, was mit der Erhöhung der Ausbringungsmenge zu einem raschen Absinken der Stückkosten führt.42
Diese Stückkostendegression zieht sogenannte „positive Feedback-Effekte“ nach sich
(Arthur 1996): Die mit zunehmender Anzahl von Verkäufen rasch sinkenden Stückpreise
führen dazu, dass der Anbieter die Preise weiter senken kann. Dadurch erhöht sich sein
Marktanteil, was sich wiederum auf die Stückkosten auswirkt und dem Anbieter weitere
42 Die Kosten sinken dabei umso schneller, je grösser die Diskrepanz zwischen den Kosten der
Erstproduktion und den Kosten der Folgeproduktionen ist.
54
Inhaltliche Grundlagen
Preissenkungen ermöglicht. Durch diesen Kreislauf wird die nachziehende Konkurrenz im
Extremfall sukzessive aus dem Markt gedrängt. Durch geschicktes Ausnutzen dieser positiven Feedback-Effekte kann ein Anbieter digitaler Produkte sehr rasch eine dominante
Marktposition aufbauen.
C 1.3.2.3 Netzwerkeffekte
Netzwerkeffekte bezeichnen generell Korrelationen zwischen dem Nutzen eines Produktes
und der Anzahl von Individuen (resp. Organisationen), die dieses Produkt verwenden
(Shapiro & Varian 1999: 45). Netzwerkeffekte treten auch in der traditionellen Wirtschaft auf,
gewinnen jedoch insbesondere durch den hohen Vernetzungsgrad in der digitalen Wirtschaft an Bedeutung. Sie finden sich sowohl auf der Nachfragerseite als auch auf der Anbieterseite.
Auf der Nachfragerseite treten Netzwerkeffekte vor allem bei Produkten auf, die zur Kommunikation oder zur Zusammenarbeit genutzt werden. Beispiele sind Anwendungssoftware,
Messaging-Systeme, aber auch elektronische Marktplätze. Ihre Anwendbarkeit resp. ihr
Nutzen steigt mit jedem weiteren Anwender des Produktes. Bei allen Produkten erhöht sich
aber auch mit zunehmender Anzahl an Nutzern generell der Erfahrungsfundus und das
Wissen über das Produkt. Digitale Medien erleichtern durch die Vernetzung insbesondere
der Kunden untereinander den Erfahrungsaustausch und somit den Wissensaufbau innerhalb der Kunden-Community. Somit erhöht sich durch die Community direkt der Nutzen
eines Produktes für den Einzelnen. Wird das Wissen an die Anbieter weitergeleitet, fördert
dies eine rasche Anpassung an sich ändernde Kundenwünsche sowie die Durchführung von
Produktverbesserungen. Durch den „Zusammenschluss“ der Kunden steigt weiterhin deren
Machtposition gegenüber dem Anbieter.
Auf der Angebotsseite beruhen die positiven Netzwerkeigenschaften auf den sogenannten
Systemeigenschaften vieler Produkte (Stelzer 2000: 838). Bei Systemprodukten wird der Kundenwert eines Produktes durch die Existenz weiterer Produkte mitbestimmt. Ein typisches
Beispiel sind Betriebssysteme und Anwendungssoftware. Der Kunde wird nur dann ein Betriebssystem kaufen, wenn es ein reichhaltiges Angebot an Anwendungssoftware gibt. Umgekehrt ist eine Anwendungssoftware nur dann nützlich, wenn sie durch ein Betriebssystem
unterstützt wird. Der Nutzen und die Attraktivität der beiden Produkte bedingen sich somit
gegenseitig. Die starke Tendenz innerhalb der digitalen Ökonomie zur Spezialisierung der
Unternehmen aufgrund sinkender Transaktionskosten fördert die Ausbildung derartiger
Systemprodukte. Bezeichnend für die digitale Ökonomie ist daher nicht mehr die Konkurrenz von Einzelprodukten, sondern die Konkurrenz ganzer Systeme (vrgl. z.B. (Tapscott et
al. 2000) und (Selz 1999)).
C 1.3.2.4 Wechselkosten und Lock-In Effekte
Ein Produkt induziert nicht nur Kosten im Zuge seiner Anschaffung. Weitere Kosten entstehen bei der Anwendung des Produktes. Sie umfassen den Lernaufwand, der für eine optimale Nutzung des Produktes benötigt wird, und vor allem im geschäftlichen Anwendungsbereich auch Kosten für die organisatorische und technische Integration des Produktes in
Design Patterns für digitale Produkte
55
den internen Arbeitsbetrieb. Man denke bspw. an den Einsatz eines elektronischen Marktplatzes, der sowohl die Anbindung der internen Systeme, die Anpassung der Arbeitsabläufe
als auch das Erlernen des Umgangs mit dem neuen System erfordert. Der Lernaufwand dominiert die Kosten im Kontext privater Endanwendungen.
Bei einem Produktwechsel fallen neben den erneuten Anschaffungskosten weitere Kosten
an. Erfolgter Integrations- und Lernaufwand sowie die Erfahrungen des Anwenders mit
dem Produkt werden wertlos. Man spricht hier auch von den Opportunitätskosten und Sunk
Costs, die ein Wechsel mit sich bringt.
Bei digitalen Produkten wird dieser Effekt durch die Lernfähigkeit und Adaptivität der Produkte verstärkt. Wie in Abschnitt C 1.3.1.8 erläutert, können Produkte an die besonderen
Wünsche und Bedürfnisse des Kunden individuell angepasst werden. Die entsprechenden
Einstellungen können im einfachsten Fall vom Anwender selbst vorgenommen werden.
Weiterhin kann das System aber auch durch die Beobachtung des Kunden selbst Rückschlüsse auf dessen Verhalten und dessen Präferenzen ziehen und das Produkt eigenständig
anpassen. Das automatische Lernen erfordert Zeit. Die Einstellungen und vor allem das vom
System erlernte Wissen geht bei einem Wechsel zumeist verloren. Diese Wechselkosten verringern die Neigung und Bereitschaft des Kunden zum Wechsel des Produktes und bewirken somit ein Lock-in des Anwenders.
Man beachte jedoch, dass diese Lock-In Effekt nur dann auftreten, wenn die Produkte nicht
standardisiert sind. Um Wechselkosten zu vermeiden, müssen daher insbesondere die
Schnittstellen zu technischen Systemen, aber vor allem auch zum Anwender, vereinheitlicht
werden. Die Lock-In Effekte, die auf der automatisch resp. vom Produkt erlernten Individualisierung der Produkte beruhen, sind dabei schwieriger zu umgehen. Hierfür müsste die
Darstellung der Präferenzen und des Verhaltens standardisiert werden und im Sinne einer
eigenen Nutzerrepräsentation vom Produkt getrennt verwaltet werden. Auch die Anpassung der Nutzerdarstellung müsste durch eine eigene Komponente unabhängig vom Produkt erfolgen. Durch diese Trennung von Benutzerrepräsentation und Produkt würde sich
insbesondere die „Machtposition“ des Kunden verstärken. Die Arbeiten in diesem Bereich
befinden sich jedoch noch in den sehr frühen Anfängen (vgl. (Schmid 2000a: 199)).
Weiterhin sei darauf hingewiesen, dass auch die bereits in Abschnitt C 1.3.2.2 eingeführten
positiven Feedback Effekte zu Lock-In Effekten führen. Bei digitalen Produkten spielen hier
insbesondere die Benutzer-Community und die sich dadurch ergebenden Erfahrungsvorteile
eine Rolle. Durch die breite Anwendung des Produktes steigt der Kundenwert der mit dem
Produkt assoziierten Anwender–Community. Aber auch hier könnten die Lock-In Effekte
vermieden werden, indem die Community nicht mit dem konkreten Produkt, sondern mit
einer ganzen Produktklasse verbunden wird. Eine Standardisierung der Produkte unterstützt auch hier die Reduktion der Lock-In Effekte.
Die hier beschriebenen Möglichkeiten zum Lock-In der Anwender sind nur eine Möglichkeit
der „Bindung“ des Kunden. Die Gefahr entstehender Sunk Costs kann dabei potentielle
Kunden auch vom Erwerb des Produktes gänzlich abhalten. Kunden können jedoch weiterhin durch die – oftmals auch nur subjektiv empfundene – Überlegenheit eines Produktes
56
Inhaltliche Grundlagen
und somit den Kundenwert eines Produktes gebunden werden. Diese Aspekte werden ausführlich in Abschnitt C 1.4 behandelt.
C 1.3.3 Kundenbezogene Auswirkungen
Zentral für diese Arbeit sind die Auswirkungen der Eigenschaften digitaler Produkte und
Medien auf den Kunden. In diesem Abschnitt werden daher, abgeleitet aus den in Abschnitt
C 1.3.1 dargelegten Charakteristika, die positiven und negativen Auswirkungen der Digitalisierung der Wirtschaft aus der Sicht des Kunden erläutert. Dabei werden zunächst mit der
Automatisierung, Individualisierung und der Steigerung der Macht des Kunden die positiven Effekte für den Kunden erläutert. Anschliessend werden die negativen Auswirkungen
analysiert: die Unsicherheit und der Aufwand, der mit dem Agieren in digitalen Wirtschafträumen und mit der Anwendung digitaler Produkte verbunden sein kann.
C 1.3.3.1 Automatisierung, Anpassbarkeit und Individualisierung
Der grosse Vorteil digitaler Produkte und digitaler Interaktionsräume ist ihr hoher Automationsgrad, ihre Flexibilität und ihre Anpassbarkeit: Die Produkte als auch die Interaktionsprozesse können in Software abgebildet werden. Dies ermöglicht den Erwerb und die Anwendung der Produkte unabhängig vom Ort und der Zeit des (potentiellen) Kunden, wodurch die Bequemlichkeit der Anwendung steigt. Bei einer geeigneten Strukturierung der
Software gestatten digitale Produkte weiterhin eine einfache Anpassung der Produkte, der
Prozesse und der Schnittstellengestaltung an die Bedürfnisse und individuellen Wünsche
des Kunden.
Die „Intelligenz“ eines Produktes, mit seiner Fähigkeit, das Verhalten der Kunden zu analysieren, ermöglicht weiterhin die automatisierte und kontinuierliche Anpassung des Produktes und seiner Transaktionsumgebung. Die Einstellungen müssen dabei nicht durch den
Kunden selbst vorgenommen werden, sondern werden weitgehend selbständig vom System
durchgeführt. Die Software hat weiterhin die Möglichkeit, durch die Verknüpfung unterschiedlicher Informationen über den Kunden, über das Verhalten anderer Kunden und über
das Produkt selbst ein auf den Einzelnen zugeschnittenes Service-Angebot zusammenzustellen und zu implementieren (vgl. (Gilmore 2000) und (Bullinger 1997)).43
C 1.3.3.2 Steigerung der Kundenmacht durch Transparenz und Communities
Die Vernetzung des Wirtschaftsraumes sowie die Digitalisierung der Angebote induzieren –
potentiell – eine Steigerung der Kundenmacht.
Die digitale Abbildung der Angebote und vor allem der Information über die Angebote führen bei deren gleichzeitiger Vernetzung und somit Erreichbarkeit in einem globalen Informationsraum prinzipiell zur Steigerung der Transparenz des Marktes: Die Informationsko-
43 Man beachte hierbei jedoch die in Abschnitt C 1.3.1.9 diskutierten Beschränkungen des „intelligen-
ten“ Verhaltens der digitalen Produkte und Medien.
Design Patterns für digitale Produkte
57
sten der Nachfrager sinken. Sie können somit mit wenig Aufwand verschiedene Produkte
miteinander vergleichen (Malone et al. 1987). Dadurch reduziert sich die Informationsasymmetrie zwischen Anbieter und Nachfrager.44 Weiterhin treten neue Intermediäre, sogenannte
Infomediäre, auf, welche die Nachfrager bei ihrer Informationssuche unterstützen (Sarkar et
al. 1995). Die Digitalisierung der Angebote ermöglicht hier weiterhin den Einsatz künstlicher
Agenten (Brenner et al. 2001; Klose & Lechner 1999a; Klose & Lechner 1999c; Leonard 1997).
Man beachte jedoch, dass dieses Potential bisher nur bedingt ausgenutzt werden kann. Eine
mangelnde Strukturierung des Informations- und Wirtschaftsraumes sowie eine fehlende
Standardisierung der Angebote und Angebotsbeschreibungen erschwert den Vergleich verschiedener Anbieter und somit die Schaffung von Transparenz. Für einen sinnvollen Vergleich sollten zudem neben dem Preis weitere Kriterien, wie die Qualität und das Angebot
zusätzlicher Dienstleistungen, mit berücksichtigt werden (Bichler 1999; Teich et al. 1998)
Die Machtverschiebung zu Gunsten des Kunden auf der Grundlage zunehmender Markttransparenz beruht auf der Digitalisierung und Vernetzung der Angebote. Besondere Bedeutung hat weiterhin die Vernetzung der Abnehmer untereinander. Einzelpersonen können
sich aufgrund eines gemeinsamen Interesses flexibel zu Gemeinschaften zusammenschliessen. Dieses gemeinsame Interesse kann sich dabei letztendlich in einem gemeinsamen Bedürfnis manifestieren, das mit Hilfe von Produkten befriedigt werden kann. Innerhalb entstehender Communities werden dann Informationen über neue Angebote weitergegeben
und Erfahrungen mit bestehenden Anbietern und Angeboten ausgetauscht. Communities
stellen daher ein weiteres Werkzeug zur Steigerung der Markttransparenz dar. Durch das
gemeinsame Auftreten und ihr kollektiv geschaffenes Wissen wird ausserdem die Position
der Abnehmer gegenüber den Anbietern gestärkt.
Die Entstehung von Communities wird häufig durch die Produktanbieter selbst initiiert. Die
durch die Beobachtung dieser Kunden-Communities gewonnenen Informationen können
dabei generell zum Vorteil der einzelnen Kunden eingesetzt werden (vgl. z.B. (Hagel III &
Armstrong 1997)). So nutzen die Anbieter die Community-Information dazu, ihre Kunden
besser kennenzulernen und damit ihre Angebote besser auf die Kunden-Community zuzuschneiden. Weiterhin liefern ihnen Communities wertvolle Hinweise auf Schwierigkeiten,
die bei der Anwendung ihrer Produkte auftreten können oder die zur Verbesserung des
Produktes genutzt werden können (vgl. (Bakos 1998: 38)). Schliesslich kann auch ein Teil der
Pre- und After Sales Betreuung auf die Kunden-Community übertragen werden. Unsicherheiten neuer Kunden bei der Anwendung des Produktes (sowie beim Erwerbsprozess) können so mit Hilfe der Erfahrungen bereits gewonnener Kunden behoben oder gemildert werden (vgl. (Runte & Paul 2000: 127)).
44 Dies sollte nach ökonomischen Markttheorien zur Reduktion der Preise führen (Bakos 1991;
Gurbaxani & Whang 1991), was u.a. auch aufgrund der Uneinheitlichkeit der Angebotsdarstellung sowie durch den Einfluss weiterer weniger rationaler Faktoren nur bedingt der Fall ist.
58
Inhaltliche Grundlagen
C 1.3.3.3 Unsicherheit: Erfahrungsgut, Self Service und Konsumentenwissen, Gläserner Kunde
und anonymer Wirtschaftsraum
In den beiden vorangegangenen Abschnitten wurden vorrangig die positiven Aspekte der
Digitalisierung des Wirtschaftssystems für den Kunden diskutiert. Im folgenden sollen die
Besonderheiten herausgestellt werden, welche die Interaktion und den Leistungserwerb aus
Sicht des Kunden erschweren können.
Zentral sind dabei die Unsicherheit, der Aufwand und das Risiko des Kunden, die durch
verschiedene Eigenschaften und Möglichkeiten digitaler Produkte und Wirtschaftsräume
hervorgerufen werden.
Digitale Güter als Erfahrungsgüter
Bei digitalen Gütern und Dienstleistungen handelt es sich zumeist um Erfahrungsgüter.
Damit ist gemeint, dass der Kunde erst nach der eigentlichen Anwendung des Gutes dessen
Qualität beurteilen kann (Cohen et al. 2000: 57; Shapiro & Varian 1999: 5). Dieses Problem ist
bereits in der traditionellen Wirtschaft insbesondere im Dienstleistungssektor bekannt;
Dienstleistungen sind stets Erfahrungsgüter. Besonders schwerwiegend ist dies bei reinen
Informationsgütern, deren Wert vorrangig aus den zur Verfügung gestellten Inhalten besteht.45 Während es bei physischen Gütern möglich ist, dem Kunden durch ein flexibles
Rückgaberecht seine Unsicherheit zu nehmen, bieten sich derartige Möglichkeiten bei Informationsgütern nur bedingt an, da die Nutzung des Gutes nicht mehr rückgängig gemacht
werden kann. Eine Möglichkeit besteht hier jedoch darin, dem Kunden vorab einen Auszug
der gewünschten Informationen kostenlos zu übermitteln. Weiterhin kann eine vorherige
Beurteilung der Information durch unabhängige Dritte erfolgen. Dieses Prozedere, das im
wissenschaftlichen Kontext stark verbreitet ist, ist jedoch zum einen aufwendig und gewährleistet zum anderen noch nicht, dass die nach den Kriterien des Reviewers qualitativ
hochwertige Information das Informationsbedürfnis des Kunden auch tatsächlich befriedigt.
Weiterhin kann das Risiko des Kunden durch einen geringen Preis des Produktes reduziert
werden. Bei Applikationen besteht zudem die Möglichkeit, den Kunden durch kostengünstige Probeanwendungen, bei denen ihm die Funktionalitäten nur bedingt oder zeitbeschränkt
zur Verfügung stehen, von der Qualität des Produktes zu überzeugen. Auch bei Dienstleistungen ist dies in beschränktem Masse möglich, solange es sich dabei um einen wiederholt
in Anspruch genommenen Service handelt. Weiterhin können neben den eigenen Erfahrungen auch die Erfahrungen anderer Kunden zur Minimierung der eigenen Unsicherheit genutzt werden. Der Anbieter selbst kann dem Kunden die Unsicherheit über die Qualität, den
Nutzen und den Wert des Produktes durch eine umfassende Darstellung des Produktes
nehmen. Digitale Interaktionsräume bieten dabei weitreichende Möglichkeiten zur Darstellung des Produktes. Dabei können die zur Verfügung gestellten Informationen individuell
auf die Kundensituation angepasst werden.
45 Weitere Werte werden durch diverse Möglichkeiten zur gezielten Suche benötigter Informationen
generiert.
Design Patterns für digitale Produkte
59
Neben der Unsicherheit über die Qualität des Produktes verspüren viele potentielle Kunden
weiterhin Unsicherheit bzgl. des Ablaufs des Erwerbsprozesses. Auch hier kann diese Unsicherheit durch eigene und fremde Erfahrungen gemildert werden.
Selbstbedienungscharakter und Konsumentenwissen
Neben den multimedialen Möglichkeiten zur Gestaltung der Interaktionsräume und zur
Darstellung von Information sowie der Fülle an Information, die dem Kunden präsentiert
werden kann, liegt die Besonderheit des digitalen Wirtschaftraumes und der digitalen Produkte im Sinne von Applikationen darin, dass der Kunde weitestgehend mit einer „Maschine“ und somit mit einem künstlichen Agenten kommuniziert. Die Interaktionen findet
daher vorrangig im „Selbstbedienungsmodus“, d.h. ohne Interaktion mit einem menschlichen Gegenpart, statt. Dies gestattet es dem Kunden zwar, die Leistungen 24 Stunden am
Tag 7 Tage die Woche nutzen zu können, er ist dabei jedoch bei seiner Interaktion mit dem
Produkt resp. den „künstlichen Agenten“ auf sich selbst gestellt. Dieser Selbstbedienungscharakter stellt besondere Anforderungen an die lesbare Gestaltung der Abläufe und der
Schnittstelle. Weiss der Kunde nicht, wie er das Produkt bedienen soll oder an welchem
Punkt im Prozess der Geschäftstransaktion er sich befindet, resultiert dies sehr schnell in
Unzufriedenheit oder Unsicherheit. Unzufriedenheit kann zum Verlust des Kunden führen,
Unsicherheit bei der Transaktion zum Abbruch der Transaktion vor dem eigentlichen Abschluss eines Kaufvertrages.
Durch die vielfältigen Möglichkeiten der Gestaltung der Schnittstelle bieten digitale Produkte und Wirtschaftsräume andererseits jedoch auch weitreichende Möglichkeiten zu ihrem kundenorientierten Design. So können bspw. Online-Hilfen den Anwender gezielt und
bei Bedarf unterstützen. Um den Lernaufwand des Kunden zu minimieren, können die Anwendungsprozesse individuell an die Fähigkeiten des Einzelnen angepasst werden. Dabei
kann ein Kunde auch schrittweise an weiterführende Funktionalitäten herangeführt werden.
Einfache Beispiele sind die Suchfunktionalitäten von Search-Engines, die von einfacher
Stichwortsuche bis zu komplexen Anfragemöglichkeiten reichen. Die zentrale Voraussetzung für eine optimale Gestaltung der Interaktionsräume ist jedoch die Kenntnis und Berücksichtung des beim Kunden vorhandenen Wissens sowie der Erwartungen und Vorstellungen der Kunden.
Gläserner Kunde und anonymer Wirtschaftsraum
Die Möglichkeiten der zu Grunde liegenden vernetzten IT-Systeme, Informationen zu sammeln und zu verarbeiten, können Ängste bei den Kunden hervorrufen. So erhält der Anbieter durch die expliziten Angaben des Kunden, durch die Protokollierung des Kundenverhaltens sowie dessen Kommunikation mit anderen Kunden auf einer Community-Plattform
vielfältige Informationen über den Kunden. Dadurch wächst die Gefahr des Missbrauchs
dieser Informationen. Die Unternehmen stehen hier in der Verantwortung, mit den Daten
sensibel umzugehen. Zur Reduktion des empfundenen Risikos bzgl. des Schutzes der eigenen Privatsphäre können ähnliche Massnahmen wie zur Reduktion der Unsicherheit über
die Qualität der Produkte greifen. Beispielsweise können eigene Erfahrungen, die Erfahrungen anderer sowie die Möglichkeit der initialen Nutzung des Produktes oder des Dienstes in
anonymem Modus die Hemmschwelle zur Nutzung des Services senken. Auch die Publika-
60
Inhaltliche Grundlagen
tion der Privacy Policy des Anbieters und der von ihm technisch implementierten Massnahmen zum Schutz der privaten Daten tragen zur Minderung des – empfundenen – Risikos bei.
Weitere Abhilfe könnte schliesslich die bereits in Abschnitt C 1.3.2.4 dargelegte Benutzerrepräsentation leisten, bei der die sensiblen Daten direkt beim Kunden gespeichert werden.
Weitergehende Serviceleistungen bedürfen jedoch der Speicherung von Benutzerdaten auch
beim Anbieter. Beispiele sind die Möglichkeiten, sich durch einen Anbieter aktiv über neue
Produkte informieren zu lassen, die dem eigenen Interessensprofil entsprechen oder aber die
Möglichkeit einer verbesserten Kundenberatung durch die Aggregation und Auswertung
des Käuferverhaltens der gesamten Kunden-Community im Zuge des Collaborative Filterings.
C 1.4 Wert eines digitalen Produktes
Wie bereits in Kapitel B 1 erläutert, zeichnet sich ein Produkt durch seine Problemlösungskompetenz aus. Sie überführt den Kunden von einem aktuellen Ist-Zustand in einen angestrebten Soll-Zustand, in dem ein bestimmtes Kundenbedürfnis erfüllt ist.46 Das Produkt erfüllt also einen bestimmten Nutzen für den Kunden und besitzt dadurch einen dementsprechenden Wert. Dieser Wertbegriff soll nun näher erläutert werden.
Im folgenden wird dazu zunächst der Begriff des Wertes aus einer ökonomischen Perspektive betrachtet. Dabei werden die beiden zentralen ökonomischen Theorieansätze zur Erklärung des Wertes eines Produktes erläutert: die objektivistischen und die subjektivistischen
Werttheorien. Anschliessend wird der für diese Arbeit entscheidende, da eher kundenzentrierte, subjektive Wertbegriff verfeinert. Als die beiden den Wert konstituierenden Elemente
werden der Inhalt und der Kontext identifiziert. Abschliessend werden die speziellen Möglichkeiten von digitalen Produkten im digitalen Wirtschaftsraum zur Steigerung dieser beiden Wertkomponenten dargelegt. Dabei wird weitestgehend auf die Ausführungen des vorangegangenen Abschnittes zurückgegriffen.
C 1.4.1 Ökonomische Werttheorien
Der Wert eines Produktes wird häufig mit dessen Marktpreis gleichgesetzt. Der Preis spiegelt somit den Tauschwert des Produktes wider. Dabei stellt sich die Frage, wie dieser Preis
zustande kommt. Aus Sicht des Produzenten ist der Kostenwert eines Produktes entscheidend, d.h. die Summe der Material-, Personal- und Logistikkosten, die im Zuge der Produktion des Produktes anfallen (Brandtweiner 2000: 63). Weiterhin können in diesen
herstellerorientierten Tauschwert die Kosten für die Entwicklung, das Marketing und den
Vertrieb des Produktes mit eingerechnet werden. Aus Sicht des Kunden liegt der Wert des
Produktes jedoch in dem persönlichen Nutzen, den ihm das Produkt bringt. Dieser Nutzen
ist nur bedingt objektiv messbar. Neben dem Gebrauchswert eines Produktes umfasst er den
46 Wie in Abschnitt B 1 erläutert wurde, kann dabei der Soll-Zustand auch mit dem Ist-Zustand
übereinstimmen.
Design Patterns für digitale Produkte
61
persönlichen Nutzen, der insbesondere weiche Faktoren, wie das mit dem Produkt verbundene Prestige, erfasst.
Auf dieser Unterscheidung zwischen dem objektiven und dem subjektiven Wert beruht die
ökonomische Wertdebatte, die sich bis auf Thomas von Aquin zurückverfolgen lässt (Hirsch
1994). Die beiden Theorieansätze werden im folgenden kurz skizziert.
C 1.4.1.1 Objektivistische Werttheorien
Die objektivistischen Werttheorien beruhen auf den Arbeiten von Adam Smith, David
Ricardo und Karl Marx. Sie führen den Wert eines Produktes auf den damit verbundenen
Arbeitsaufwand zurück. Dabei setzt die zugehörige Arbeitswerttheorie den Wert ausschliesslich mit dem mit der Herstellung verbundenen Arbeitsaufwand gleich (Brösse 1997).
Diese einfache Relation gilt jedoch nur in primitiven Gesellschaften. Smith und Nagle (1995)
erläutern diesen Arbeitswert mit einem Beispiel aus einer Welt der Jäger und Sammler. Der
Wert eines erlegten Tieres ergibt sich hierbei durch den mit der Jagd nach dem Tier verbundenen Arbeitsaufwand. Da die Jagd eines Hirsches doppelt so aufwendig ist wie die Jagd
nach einem Biber, ist ein Hirsch auch doppelt soviel wert wie ein Biber. In entwickelten
Wirtschaftssystemen erhöht sich der Preis um die beiden Komponenten: Profit (der Gewinnzuschlag des Unternehmens einschliesslich des Kapitalzinses) und (Grund-) Rente
(Kromphardt 1987). Um diesen objektiven Preis schwankt dann der tatsächliche Preis aufgrund von Nachfrage- und Angebotsschwankungen (Brösse 1997).
Diese objektivistische Werttheorie, die den Wert und damit auch den Marktpreis eines Produktes auf den objektiven Arbeitswert zurückführt, erklärt jedoch nicht die im Markt tatsächlich beobachtbare „ökonomische Wertantinomie“, auch als Wertparadoxon bezeichnet,
bei welcher der Tauschwert eines Produktes sehr stark vom Herstellungswert abweicht. Ein
gutes Beispiel für dieses Phänomen sind Prestige-Produkte wie Uhren. Der Marktpreis übersteigt bei exquisiten Luxusmarken oftmals den Materialwert und die Herstellungskosten bei
weitem. Ihrem Träger bringen sie jedoch neben dem Grundnutzen des Anzeigens der Uhrzeit weitere Nutzenwerte, wie Anerkennung resp. Prestige.
Diese Einflussgrössen auf die Bestimmung des Marktwertes eines Produktes, die über die
Herstellungskosten hinausgehen, werden bei den subjektivistischen Werttheorien mitberücksichtigt.
C 1.4.1.2 Subjektivistische Werttheorien
Die subjektivistischen Werttheorien wurden Anfang der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts
unabhängig, aber fast zeitgleich, von den Ökonomen William Stanley Jevons, Carl Menger
und Leon Walras entwickelt (Leube 1994). Sie führen den subjektiven Nutzen eines
Produktes darauf zurück, wie geeignet der Kunde das vorliegende Produkt in bezug auf die
Befriedigung seiner Bedürfnisse einschätzt und wie knapp das vorliegende Produkt ist. Der
subjektive Wert hängt dabei mit der subjektiven Wichtigkeit eines zu befriedigenden
Bedürfnisses und weiterhin mit der subjektiven Einschätzung der Leistungsfähigkeit eines
Produktes in bezug auf das Erreichen des angestrebten Zielzustandes zusammen
62
Inhaltliche Grundlagen
(Rosenstein-Rodan 1996). Einen objektiv überprüfbaren Wert eines Produktes gibt es somit
nicht.
Der Nutzenwert eines Produktes kann weiter spezifiziert und in drei Komponenten aufgeteilt werden (Weinhold-Stünzi 1991). Dabei wird zwischen dem Grundnutzen, dem Zusatznutzen und dem Nebennutzen eines Produktes unterschieden. Der Grundnutzen ergibt sich
aus der Befriedigung des Grundbedürfnisses. Der Zusatznutzen resultiert aus der Befriedigung weiterer resp. höherer Bedürfnisse durch die Bereitstellung von Zusatzfunktionalitäten
oder einem ansprechenden Design. Der Nebennutzen eines Produktes ergibt sich schliesslich
aus Zusatzleistungen, die sich auf den Lebenszyklus des Produktes oder seine Einbettung in
den Anwendungskontext beziehen. Beispiele sind Garantien und Reparaturleistungen oder
aber besondere Versicherungen für wertvolle Produkte.
Der Marktpreis des Produktes und somit der Tauschwert beruht schliesslich auf einer Kombination beider Wertkomponenten, d.h. des subjektiven und des objektiven Wertes des Produkts. Der subjektive Kundennutzen bildet die Voraussetzung für die Kaufbereitschaft des
Kunden. Ein Produkt kann jedoch langfristig nur dann produziert werden, wenn der Marktpreis auch die Herstellungskosten deckt.
C 1.4.2 Kundenwert digitaler Produkte: „Content“ und „Context“ eines Produktes
In diesem Abschnitt wird der subjektive Wert eines Produktes für den Kunden, im weiteren
als Kundenwert bezeichnet, näher analysiert. Dabei werden die wertkonstituierenden Elemente eines Produktes identifiziert und die Möglichkeiten herausgearbeitet, die sich durch
die Digitalisierung der Produkte und des Wirtschaftsraumes in bezug auf die Erhöhung des
Kundennutzens ergeben. Diese Potentiale leiten sich direkt aus den in den vorangegangenen
Abschnitten identifizierten Charakteristika digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
ab.
C 1.4.2.1 Konstituierende Komponenten des Kundenwertes
Die ökonomischen Werttheorien berücksichtigen vorrangig den Wert des Produktes selbst.
Sie analysieren, inwieweit ein Produkt ein konkretes Bedürfnis eines Kunden befriedigt.
Rayport und Sviokla (1994) erweitern diese enge Sichtweise. Sie konstatieren, dass neben
dem Produkt auch die Gestaltung der Anwendungs- und Transaktionsumgebung des Produktes Einfluss auf die Zufriedenheit des Kunden hat und ihm einen – zusätzlichen – Wert
erbringen kann. Dieser Argumentation folgend ergeben sich die beiden Wertkomponenten
eines Produktes im erweiterten Sinne als: (1) der „Content“, das Produkt im engeren Sinne
und (2) der „Context“, die Umgebung des Produktes.
While content means „what companies are offering“, context means „how they are offering it“
(Rayport & Sviokla 1994: 145)
„... customers acquire value in the process of transaction as well as end products or services.”
(Han & Han 2000: 1)
Dieses erweiterte Verständnis eines Produktes unter expliziter Einbeziehung des Produktumfeldes deckt sich mit dem in dieser Arbeit zu Grunde gelegten und bereits in den Ab-
Design Patterns für digitale Produkte
63
schnitten B 5 und B 6 definierten Verständnis von einem ganzheitlichen Design digitaler
Produkte im digitalen Wirtschaftsraum.
Der Kundenwert kann nun erhöht werden, indem entweder der Wert des Produktes selbst
oder der Wert der Produktumgebung gesteigert wird. Dabei hängen gemäss dem subjektiven Werteverständnis beide Wertkomponenten von den Erwartungen des Kunden sowie
seiner subjektiven Wahrnehmung der Eigenschaften von Produkt und Produktumgebung
ab.
Digitale Produkte, eingebettet in neue Medien, bieten vielfältige Möglichkeiten zur Steigerung des Wertes des Produktes und der Umgebung. Diese Potentiale beruhen auf den bereits
erläuterten Charakteristika digitaler Produkte und des digitalen Wirtschaftsraumes, insbesondere der Aktivität und Interaktivität, der Multimedialität, der Ubiquität, der Vernetztheit,
der leichten Anpassbarkeit und der Intelligenz. Sie werden im folgenden genauer analysiert.
C 1.4.2.2 Möglichkeiten der positiven Beeinflussung des Kundenwertes
Der Kundenwert kann grundsätzlich auf die Differenz zwischen der Qualität und den Kosten von Content und Context zurückgeführt werden (Han & Han 2000). Qualität bezieht
sich auf den Nutzen der Inhalte und der Produktumgebung. Kosten umfassen den Aufwand,
der mit der Anwendung und dem Erwerb eines Produktes verbunden ist, insbesondere die
Zeit, die Unannehmlichkeiten und den finanzielle Aufwand.
Der Kundenwert lässt sich somit erhöhen, indem:
1.
die Qualität erhöht wird oder
2.
die Kosten für den Kunden reduziert werden.
Han und Han (2000) fügen im Zusammenhang mit digitalen Produkten weiterhin die
Möglichkeit der Individualisierung hinzu.
Diese Strategien zur Erhöhung des Kundenwertes beziehen sich jeweils auf beide Komponenten des Kundenwertes, den Inhalt und den Kontext. Durch die Erhöhung der Qualität
werden die positiven Faktoren des Kundenwertes verstärkt, bei der Kostenreduktion die negativen Faktoren gemildert. Durch die Individualisierung können sowohl Inhalt als auch
Kontext auf die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen zugeschnitten werden und im Zuge
dessen die Qualität weiter erhöht und die individuellen Kosten weiter gesenkt werden.
Im folgenden werden die drei Aspekte noch einmal einzeln analysiert. Dabei stehen die Besonderheiten digitaler Produkte und digitaler Wirtschaftsräume im Zentrum der Betrachtung.
Qualität
Die Möglichkeiten zur Gewährleistung und Erhöhung der Qualität eines Produktes, des
„Content“, sind abhängig von der Art des Produktes:
• Bei einem digitalen Produkt im engeren Sinne kann der Kunde insbesondere durch die
Ausnutzung der Eigenschaften der Interaktivität, der Intelligenz und der Multimedia-
64
Inhaltliche Grundlagen
lität bei der zielgerichteten Anwendung des Produktes unterstützt werden. Dadurch
erhöhen sich die Effizienz und die Bequemlichkeit der Anwendung.
• Die Qualität digitaler Dienstleistungen basiert weiterhin auf deren Zuverlässigkeit und
Sicherheit (Parasuman et al. 1998). Zuverlässigkeit lässt sich dabei auf eine den
Kundenvorstellungen entsprechende, verlässliche Diensterbringung zurückführen, Sicherheit auf die Kompetenz, Beflissenheit und Verhauenswürdigkeit der realen oder
digitalen „Angestellten“ (Agenten).
• Die Qualität speziell von Informationsgütern umfasst die Reichhaltigkeit und
Zuverlässigkeit der angebotenen Inhalte (Smith 1997). Reichhaltigkeit bezieht sich auf
die Tiefe und Breite sowie auf die Darstellung der Information, Zuverlässigkeit auf
ihre Genauigkeit, Aktualität und Objektivität (Wang 1998).
• Bei einem physischen Produkt kann die Qualität dadurch verbessert werden, dass es
durch zusätzliche Informationen auf die eigentliche Problemsituation des Kunden, d.h.
sein eigentliches Bedürfnis, zugeschnitten wird. Beispielsweise kann sich hinter dem
Kauf einer Flasche Wein das Bedürfnis nach dem emotionalen Erlebnis beim Genuss
eines guten Weines verbergen. Daher sollten dem Kunden neben dem Wein weitere Informationen über die richtige Temperatur und Lagerung des Weines mitgeliefert werden, die erst ein optimales Geschmackserlebnis garantieren.
Die Qualität des Kontextes beruht generell auf der Effizienz, der Flexibilität und der Bequemlichkeit der Produktumgebung (s. z.B. (Keeney 1999: 537)). Die Effizienz und die Flexibilität
können durch eine weitgehende Abbildung der Interaktionsprozesse auf der zu Grunde liegenden Plattform gefördert werden. Durch die Integration des Kunden in den Prozessverlauf kann dieser dann weiterhin steuernd in die Abläufe eingreifen. Die Bequemlichkeit beruht ebenfalls auf dem hohen Automationsgrad, der die Anwendung mit wenig Aufwand
unabhängig von Raum und Zeit des Kunden ermöglicht, und weiterhin in einer ansprechenden, leicht verständlichen und zielgerichteten Gestaltung der Interaktionsprozesse und der
Schnittstelle.
Durch die Ausnutzung der Möglichkeiten der multimedialen Darstellung, der Interaktivität
und der Intelligenz digitaler Interaktionsräume kann weiterhin der Erlebniswert des Anwendungsumfeldes gesteigert werden. Als weiteres Qualitätskriterium führt (Euijin 2000) die
Attraktivität des Kontextes an. Sie wird durch die Interaktivität und die Lebendigkeit des
Kontextes erzeugt. Unter Interaktivität versteht er die Möglichkeiten des Benutzers, die
Gestalt und die Inhalte des Kontextes in Echtzeit zu ändern. Lebendigkeit misst die Reichhaltigkeit des Kontextes (s. auch (Steuer 1992)).
Neben diesen generellen Qualitätskriterien des Produktkontextes, die prinzipiell für alle
Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion gelten, misst sich die Qualität der einzelnen Phasen
daran, wie gut die jeweiligen Ziele des Kunden unterstützt werden: d.h. die Identifikation eines geeigneten Produktes, die Aushandlung und Festlegung der Konditionen, die Abwicklung, Anwendung und Nachbetreuung. Diese werden in Abschnitt C 2.1 ausführlich
erläutert.
Design Patterns für digitale Produkte
65
Kostenreduktion
In bezug auf den Content können insbesondere der Preis und bei physischen Produkten weiterhin die Lieferkosten minimiert werden. Gemäss der in Abschnitt C 1.3.2.2 erläuterten hohen
Stückkostendegression verringern sich die Stückkosten eines digitalen Produktes, seien dies
nun Informationen, Dienstleistungen oder Applikationen, mit jeder weiteren Kopie.47 Die
Preise können so mit zunehmender Anzahl – zahlender – Kunden schnell reduziert werden.
Die Reduktion der Kosten physischer Güter sowie deren Lieferung stellt dagegen Anforderungen an die Effizienz der Produktions- und Logistikprozesse. Auch hier spielt der Einsatz
von IKT zur Optimierung und Automatisierung der Abläufe eine entscheidende Rolle. Weitere Kosten entstehen durch den Lernaufwand, den die Anwendung eines Produktes mit sich
bringt (s. Abschnitt C 1.3.3.3). Digitale Produkte können diese durch eine geeignete Gestaltung der Prozesse und der Benutzerschnittstelle – unter Berücksichtung des beim Kunden
bereits vorhandenen Wissens – minimieren.48
Auch die Kosten des Kontextes beruhen vorrangig auf der Unbequemlichkeit, der Umständlichkeit sowie der mangelnden Lesbarkeit der Prozesse und dem dadurch induzierten Lernaufwand
(s. insbesondere (Jarvenpass & Todd 1997) und (Keeney 1999)). Diesen Kosten kann durch
eine geeignete Gestaltung der Prozesse, ihre klare Ausrichtung auf die Erreichung der jeweiligen Kundenziele sowie die Orientierung am Vorwissen der Kunden begegnet werden.
Möglichkeiten, die Lesbarkeit der Mensch-Maschine Interaktionsprozesse und der MenschMaschine Schnittstelle zu verbessern, werden bereits seit längerem im Bereich der MenschMaschinen-Schnittstellenforschung untersucht. Abschnitt D 2.3 gibt eine Übersicht über aktuelle Forschungsarbeiten in diesem Bereich.
In bezug auf den Erwerb und die Anwendung des Produktes entstehen weitere Kosten für
die Kompensation der (subjektiv) fehlenden Sicherheit und Zuverlässigkeit von Produkt und
Umgebung und des dadurch induzierten Risikos bzgl. finanzieller Verluste und dem Schutz
privater Informationen. Wie in Abschnitt C 1.3.3.3 erläutert wurde, können hier entsprechende Risikominderungsmassnahmen durch den Anbieter sowie durch Dritte Parteien
wirksam werden. Aber auch eigene Erfahrungen sowie die Erfahrung anderer Anwender
tragen zur Minderung des empfundenen Risikos bei. Weiterhin erhöht auch eine bestehende
Marke (engl. Brand) resp. die Assoziation mit einem etablierten Unternehmen oder Produkt
das Vertrauen der (potentiellen) Kunden.
Individualisierung
Die einfache Möglichkeit zur Individualisierung der Inhalte und des Kontextes ist eines der
charakterisierenden Merkmale digitaler Produkte und Medien. Sie wurde bereits ausführlich
47 Wie in Abschnitt C 1.3.2.2 ebenfalls erläutert, hängt die Kostenreduktion bei Dienstleistungen sehr
stark vom Grad der Automatisierung ab.
48 Wie in Abschnitt C 1.3.2.4 erläutert wurde, entstehen weitere Kosten im Zuge der Integration des
Produktes in bestehende Infrastrukturen. Sie fallen jedoch vor allem auf Unternehmensebene
an und sollen daher in dieser Arbeit nicht weiter berrücksichtigt werden.
66
Inhaltliche Grundlagen
in Abschnitt C 1.3.3.1 erläutert. Durch die Digitalisierung der Produkte und Abläufe können
diese schnell an die individuellen Bedürfnisse und Wünsche des Kunden angepasst werden.
Die Möglichkeit zur Sammlung und Auswertung von Benutzerdaten unterstützt eine z.T.
sogar automatisierbare Anpassung von Content und Context.
Generell kann die Individualisierung sowohl zur weiteren Erhöhung des – individuellen –
Kundennutzens als auch zur weiteren Reduktion der – individuellen – Kosten genutzt werden: Digitale Produkte lassen sich direkt auf die individuellen Bedürfnisse zuschneiden, und
auch bei physischen Produkten erleichtert der Einsatz von Konfiguratoren die Produktion
individualisierter Produkte. Dadurch steigt die Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt.
Der Kontext kann sowohl bzgl. der Gestaltung der Abläufe als auch bzgl. der gesamten
Konfiguration und graphischen Gestaltung der Schnittstelle auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden angepasst werden. Durch die Individualisierung von Content und Context
erhält der Kunde ein Unikat; auch dies ein Umstand, der den subjektiven Wert des Produktes für den Kunden erhöhen kann.
Durch die Möglichkeiten der Individualisierung lassen sich zudem die Kosten, insbesondere
die Lernkosten reduzieren. Dabei können die Schnittstellenprozesse individuell an das Vorwissen des Kunden angepasst werden. Auf diese Weise lässt sich auch komplexeres Wissen
sukzessive aufbauen. Darüberhinaus können dem Kunden auf die einzelnen Könnensstufen
ausgerichtete explizite Lernprogramme angeboten werden. Die Protokollierung des Benutzerverhaltens gestattet dabei eine individuelle und z.T. auch automatisierte Unterstützung
des Anwenders. Schliesslich ist es möglich, die Individualisierung des Produktes (und des
Kontextes) an eine Individualisierung der Preisstrukturen zu koppeln. Dem einzelnen Kunden werden dann Leistungen in unterschiedlichem Umfang und zu entsprechend angepassten und individualisierten Preisen angeboten.
C 2 Anwendungskontext digitaler Produkte
Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt C 1.4.2 und zuvor in Kapitel B 5 erläutert wurde,
hängt der Erfolg eines Produktes von der Gestaltung aller Situationen ab, in denen der
Kunde mit dem Produkt in Kontakt tritt. Dabei wurde bereits zwischen den Szenarien der
Kommunikation über das Produkt im Zuge der Entscheidung für den Erwerb eines Produktes, dem Erwerb selbst und der Anwendung des Produktes unterschieden.
Ziel dieses Abschnittes ist es, diese Szenarien wie ein Theaterstück weiter zu detaillieren und
zu konkretisieren. Dazu werden im ersten Abschnitt zentrale Phasenmodelle zur Beschreibung der Kunde-Produkt-Interaktion vorgestellt und in ein Gesamtmodell integriert. Die
Phasen bilden die Grundlage für die Szenen des Theaterstückes. Die Modelle geben dabei
auch eine generelle zeitliche Reihenfolge der Phasen vor, die jedoch in der Praxis nicht immer streng eingehalten wird. Phasen können übersprungen werden, und die Reihenfolge der
Phasen kann sich verändern.49 Auch eine genaue Trennung der Phasen ist zumeist nicht
49 Für eine Kritik an Phasenmodellen s. z.B. (Pechtl 1991: 63).
Design Patterns für digitale Produkte
67
möglich. Darauf wird bei der Vorstellung der Phasenmodelle sowie auch bei der Ableitung
der Patternsprache in Kapitel E 2 eingegangen werden.
Bei der Gestaltung der Phasen muss das Verhalten der Kunden gezielt berücksichtigt werden. Daher werden im zweiten Teil dieses Kapitels die wesentlichen Erkenntnisse der Konsumentenverhaltensforschung dargestellt und ihre Auswirkungen auf das Design der einzelnen Phasen erläutert.50
C 2.1 Modell der Kunde-Produkt-Interaktion
In diesem Abschnitt wird der Anwendungskontext digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum aus Sicht des Kunden analysiert. Dabei interessiert der gesamte Prozess vom
ersten Kontakt des Kunden mit dem Produkt über den Erwerb bis zur Anwendung des Produktes. Im Marketing wurden eine Vielzahl verschiedener Ansätze entwickelt, um diesen
Prozess zu beschreiben. Als einen der breitesten wählen wir den „Customer Buying Cycle“
(CBC). Er wird im folgenden ersten Unterabschnitt kurz dargestellt. Der CBC stellt dabei ein
Rahmenkonstrukt dar, das die Interaktionsprozesse zwischen Kunde und Produkt nur relativ grob erfasst. Er wird verfeinert durch den Prozess (1) der Adoption und (2) der Geschäftstransaktion. Die Adoption analysiert den Prozess der Annahme resp. Übernahme eines neuen Produktes. Sie ist damit Untersuchungsgegenstand der Innovationsforschung der
Marketingforschung und dort insbesondere der Forschungsrichtung, die sich mit der Einführung von (Neu-) Produkten beschäftigt (Parthasarathy et al. 1995). Der Adoptionsprozess
konzentriert sich auf die Vor- und Nachkaufphasen. Die Kaufphase selbst wird durch die
Geschäftstransaktion beschrieben.51 Ein Phasenmodell, das die beiden Aspekte der Adoption
und der Transaktion explizit integriert, beschliesst die Übersicht über die verschiedenen
Modelle zur Beschreibung des Anwendungskontextes. Im letzten Unterabschnitt wird dann
auf der Basis dieses integrierten Modells ein detailliertes zyklisches Phasenmodell abgeleitet.
Es erfasst alle generellen Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion und bildet damit die
zentrale inhaltliche Grundlage der hier zu entwickelnden Patternsprache für digitale
Produkte im digitalen Wirtschaftsraum.
C 2.1.1 Customer Buying Cycle
In der Marketingforschung wurde eine Vielzahl von Phasenmodellen zur Beschreibung der
Interaktionsbeziehung zwischen Kunde und Produkt resp. Produktanbieter entwickelt.52 Als
50 Das Konsumentenverhalten wird dabei bereits bei der Bestimmung der Szenen berücksichtigt.
51 Man beachte hier, dass die Übergänge zwischen den beiden Beschreibungsrahmen sehr fliessend
sind. Wie wir sehen werden, umfasst die Transaktion in gewissem Sinne ebenfalls die Phasen
der Adoption sowie die Adoption die Phasen der Transaktion (s. z.B. (Rangaswamy & Gupta
2000: 75)). Das Interesse der Adoptionsforschung liegt jedoch eindeutig auf den dem eigentlichen Kauf vor- und nachgelagerten Szenen, während bei der Geschäftstransaktion der eigentliche Leistungsaustausch im Zentrum des Interesses steht.
52 Für eine Übersicht über weitere Phasenkonzepte siehe z.B. (Backhaus 1995: 54 ff.).
68
Inhaltliche Grundlagen
ein umfassendes und aktuell stark verbreitetes Modell in diesem Umfeld soll hier der
„Customer Buying Cycle“ als Rahmenwerk vorgestellt werden (Ives & learmonth 1984: 1196
ff.; Mauch 1990; Molenaar 1996: 126; Muther 1998: 17 ff.).
Dieser Kreislauf unterteilt die Interaktion in vier Phasen, die Anregungsphase, die Evaluationsphase, den Kauf und die After Sales Phase (s. Abbildung C 2-1)53 54:
After Sales
Anregung
Kauf
Evaluation
Abbildung C 2-1: Customer Buying Cycle
• Anregung: In dieser Phase wird das Bedürfnis des Kunden geweckt (oder verstärkt)
und der Kunde auf das Produkt, im Sinne einer Problemlösung, aufmerksam gemacht.
Der Anbieter unterstützt diese Phase durch Werbung und Verkaufsförderungsmassnahmen.
• Evaluation: In der Evaluationsphase konkretisiert der Nachfrager sein Bedürfnis. Er informiert sich über mögliche Produkte und Anbieter sowie die Konditionen zum Kauf.
Unterstützung findet der Kunde hier durch ein reichhaltiges und idealerweise auf ihn
zugeschnittenes Informationsangebot, sowie durch Möglichkeiten zur genauen Spezifikation der von ihm gewünschten Leistung.
• Kauf: In dieser Phase wird der eigentliche Leistungsaustausch abgewickelt. Sie umfasst
insbesondere die Bezahlung und die Lieferung. Weitere Leistungen wie kontinuierliche Information über den Bestellstatus können in dieser Phase angeboten werden.
• After Sales: In diese Phase fallen alle Aktivitäten, die mit der Anwendung des Produktes verbunden sind. Diese kann unterstützt werden durch Schulungsmassnahmen,
Hilfe bei der Installation und Wartung, aber auch die Entsorgung des Produktes.
In der letzten Phase finden weiterhin Massnahmen zum Auf- und Ausbau der Kundenbeziehung statt. Sie haben zum Ziel, den Kunden zu Neukäufen zu animieren. Diese Phase
mündet daher wiederum direkt in die Anregungsphase ein. Der Customer Buying Cycle beschreibt somit einen zyklischen Prozess.
53 Mauch (1990) weist darauf hin, dass der, wie er ihn nennt, „Sales Cycle“ für jedes Unternehmen
individuell zu gestalten ist. Die hier aufgezeigten vier Phasen dürfen daher lediglich als grober
Rahmen verstanden werden.
54 Eine etwas andere Zusammenstellung der Phasen findet sich beispielsweise in (Antonides & van
Raaij 1998: 76 ff.). Dort wird zwischen der Vorkaufphase, dem Kauf, der Anwendung und der
Entsorgung unterschieden. Die Evaluationsphase ist dabei in der Kaufphase subsumiert, die
After-Sales-Phase aufgespaltet in eine Anwendungs- und eine Entsorgungsphase.
Design Patterns für digitale Produkte
69
C 2.1.2 Geschäftstransaktion
Der Customer Buying Cycle betrachtet zwar alle Phasen der Kunden-Produkt / AnbieterBeziehung, detailliert die einzelnen Phasen jedoch nicht weiter. Insbesondere der eigentliche
Erwerbsprozess wird in diesem Modell nicht näher spezifiziert. Diesen Erwerbsprozess bezeichnet man auch als Geschäftstransaktion.
„A transaction occurs when a good or service is transferred across a technologically separable interface.” (Williamson 1985)
Das Ziel einer Geschäftstransaktion besteht primär darin, potentielle Nachfrager und Anbieter einer Leistung zusammenzubringen und den Leistungsaustausch auf möglichst effiziente Art und Weise zu vereinbaren und abzuwickeln (Langenohl 1994: 18 ff.).
„Eine Markttransaktion entspricht einer endlichen Summe von Interaktionsprozessen zwischen
Teilnehmern in unterschiedlichen Rollen, die in einem zeitlich begrenzten Rahmen die Erwartungen und Interessen der beteiligten Marktpartner aufeinander abstimmen. Ziel ist die vertragliche
Vereinbarung und Abwicklung des Austauschs von Gütern und / oder Dienstleistungen.“ (Ritz
1991: 4)
Die verschiedenen Aktivitäten resp. Interaktionsprozesse können zu Klassen, den sogenannten Transaktionsphasen, zusammengefasst werden. Dabei finden sich in der Literatur
eine Vielzahl von Modellen, die sich in der Phasenanzahl und deren Abgrenzung unterscheiden.55 Die meisten Modelle unterteilen die Geschäftstransaktion prinzipiell in drei Phasen, die Informations-, die Vereinbarungs- und die Abwicklungsphase (Kirsch et al. 1973:
189; Langenohl 1994: 18 ff.; Schmid 1993: 467). Schmid und Zbornik (1991) und Zbornik
(1996: 138) verfeinern diese Aufteilung und unterteilen die erste Phase weiter in die drei Teilphasen: Marktinformationsbeschaffung, Handelspartnersuche und Partnerinformationsbeschaffung.56 Picot (1991: 344) verfeinert die Abwicklungsphase in die Abwicklung im engeren Sinne, die Kontrolle und die Anpassung.
Information
Vereinbarung
Abwicklung
Abbildung C 2-2: Phasenmodell einer Geschäftstransaktion
Das grundlegende Dreiphasenmodell ist in Abbildung C 2-2 dargestellt und wird im folgenden näher beschrieben:
• Informationsphase: In dieser Phase verschafft sich der Kunde eine Übersicht über die
Marktsituation. Er informiert sich über Produkte, Preise, Konditionen und rechtliche
Fragen, sowie über Anbieter von Leistungen. Neben diesen konkreten Informationen
55 für eine Übersicht siehe z.B. (Gebauer & Scharl 1999).
56 Schmid (1999a) unterteilt die erste Phase stattdessen in eine Wissensphase und eine Absichtsphase
und erweitert weiterhin deren Bedeutung. Diese Modell ist jedoch Gegenstand des Abschnittes
C 2.1.4.
70
Inhaltliche Grundlagen
kann der Nachfrager allgemeine gesamtwirtschaftliche Rahmen-, Branchen– und
Technologieinformationen einholen.
• Vereinbarungsphase: Ziel der Vereinbarungsphase ist der Abschluss eines rechtsgültigen
und somit bindenden Vertrages. Dieser fixiert die genauen Konditionen der Austauschbeziehung, wie die Zahlungsart, die Lieferbedingungen aber auch Garantie- und
Serviceleistungen. Sowohl der Detaillierungsgrad des Vertrages als auch die dem Vertragsabschluss vorangehenden Verhandlungen können dabei unterschiedlich komplex
und aufwendig sein. Das Spektrum reicht von einer einfachen Akzeptanz oder Ablehnung des Vertrages, über Auktionen bis zur frei gestalteten Aushandlung der verschiedenen Vertragsparameter.
• Abwicklungsphase: In der letzten Phase wird der Austauschprozess gemäss den im Vertrag festgelegten Konditionen abgewickelt. Damit verbunden sind vorrangig der
Transport und die Bezahlung der vereinbarten Leistungen. Die Zahlungs- und vor allem die transportlogistischen Aufgaben sind zumeist Auslöser für weitere Transaktionen eines sekundären Wertschöpfungsprozesses (Hoffmann 2001; Klose et al. 1999a).
Im Gegensatz zum Customer Buying Cycle umfasst dieses Modell explizit eine Vereinbarungsphase. Sie wird im CBR in der Evaluationsphase subsumiert. Das Modell der Geschäftstransaktion fokussiert insgesamt sehr stark auf die Phasen der Vereinbarung und der
Abwicklung der Transaktion im Sinne des Austausches Ware gegen Geld. Die nachfolgende
Phase der After-Sales Betreuung wird dagegen kaum berücksichtigt. Auch die Informationsphase wird, betont aber nicht näher spezifiziert.
Voraussetzung für die Initiierung und den Erfolg einer Geschäftstransaktion ist jedoch das
Wissen über die Existenz und die Bedeutung von Produkten, über den Ablauf der Transaktion und schliesslich über die richtige Anwendung des Produktes. Weiterhin müssen die Bedürfnisse potentieller Kunden, wenn noch nicht vorhanden oder noch nicht aktiviert, geweckt und der Entscheidungsprozess eingeleitet werden. Die Abwicklung des Vertrages endet weiterhin nicht mit dem Austausch Geld gegen Ware, sondern schliesst die Betreuung
des Kunden im Zuge der Anwendung mit ein. Sie ist Voraussetzung für die langfristige Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt.
Entscheidend für den Erfolg einer Geschäftstransaktion sind daher insbesondere die der eigentlichen Transaktion vor- und nachgelagerten Prozessstufen. Sie werden jedoch im Modell
der Geschäftstransaktion weitestgehend vernachlässigt.
Besonders wichtig sind diese Phasen und Prozesse auf innovativen und gesättigten Märkten.
Aufgrund der dort herrschenden hohen Innovationsrate und des umfassenden Angebots ist
die Gestaltung der Phasen, die der eigentlichen Transaktion vor- und nachgelagert sind, entscheidend. Der Kunde muss das Produkt wahrnehmen und ein Verständnis für das Produkt
entwickeln, das ihn zum einen dazu motiviert, das Produkt zu erwerben, und ihn weiterhin
dazu befähigt, das Produkt nutzenbringend einzusetzen. Weiterhin muss ihn das Produkt
vor allem auch nach dem Kauf, d.h. bei der Anwendung des Produktes, bestmöglich unterstützen.
Design Patterns für digitale Produkte
71
C 2.1.3 Adoption
Das im vorangegangenen Abschnitt beschriebene Transaktionsmodell beschreibt vorrangig
den eigentlichen Erwerbsprozess von Produkten. Adoptionsmodelle analysieren die dem
Kauf vor- und nachgelagerten Phasen der Kunde-Produkt / Anbieter-Beziehung: den ersten
Kontakt mit dem Produkt, das Entwickeln eines Verständnisses für das Produkt, die Entscheidung, das Produkt erwerben zu wollen, und die Übernahme und Anwendung des Produktes als Problemlösung.
Von Adoption wird vor allem im Zusammenhang mit Innovationen und der Einführung von
Neuprodukten gesprochen. Der Adoptionsprozess ist somit zentraler Untersuchungsgegenstand der Innovationsforschung. Innovationen können dabei aus verschiedenen Perspektiven, insbesondere aus der des Anbieters und der des Kunden betrachtet werden. Aus der
Sicht des Anbieters stellen Innovationen neue Produkte dar, die der Anbieter zur Marktreife
entwickelt hat oder noch entwickeln will.57 Aus Sicht des Nachfragers ist ein Produkt dann
neu oder innovativ, wenn er es als neu oder innovativ wahrnimmt (Pechtl 1991: 5). Dieses
subjektive Innovationsverständnis wird auch in dieser Arbeit zu Grunde gelegt.
Das Besondere an Neuprodukten ist die mit dem Produkt verbundene und aufgrund des
Neuigkeitsgrades sehr hohe Unsicherheit des Kunden (Rogers 1995). Dieser Aspekt wirkt
sich insbesondere auf den Entscheidungsprozess des potentiellen Nutzers aus. Die Unsicherheit beruht vornehmlich auf dem fehlenden Wissen über das neue Produkt: seine Bedeutung und sein Nutzen, die mit dem Produkt verbundenen Kosten und Risiken und nicht
zuletzt seine richtige Anwendung und die Möglichkeiten zum Erwerb des Produktes (s.
(Moreau et al. 2001; Witt 2001)). Der Adoptionsprozess kann somit als spezieller Kaufprozess
gesehen werden. Die Untersuchung von Kaufprozessen aus Sicht des Kunden ist Gegenstand der Konsumentenverhaltensforschung. Der Neuigkeitsgrad des Produktes stellt dabei
besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Prozesses. Aufgrund der hohen Dynamik und der hohen Innovationsrate innerhalb des digitalen Wirtschaftsraumes ist die erfolgreiche Gestaltung des Adoptionsprozesses von essentieller Bedeutung für den Erfolg eines
digitalen Produktes. Dabei muss der Kunde in dem für ihn neuen digitalen Wirtschaftsraum
nicht nur das Produkt und die, insbesondere bei digitalen Produkten, neue Art der Anwendung des Produktes adoptieren. Er muss weiterhin auch die neue Art der Interaktion mit
dem Anbieter des Produktes während und nach dem Erwerb des Produktes kennenlernen
und akzeptieren.
Wie die Geschäftstransaktion, so wird auch der Adoptionsprozess häufig mit Hilfe von Phasenmodellen beschrieben. Dabei wurden sowohl in der Innovations- als auch in der (Kauf-)
Entscheidungsforschung verschiedenste Modelle entwickelt, die sich in der Anzahl und Abgrenzung sowie der genauen Ausgestaltung der Phasen unterscheiden.58
57 Mit Innovation aus der Sicht des Unternehmens beschäftigt sich ein eigener Forschungszweig des
innerbetrieblichen Innovationsmanagements (vgl. z.B. (Boutellier et al. 1999)).
58 Für eine Übersicht s. z.B. (Pechtl 1991: 63).
72
Inhaltliche Grundlagen
Bei der folgenden Strukturierung des Adoptionsprozesses lehnen wir uns an das wohl bekannteste und am weitesten verbreitete Prozessmodell von (Rogers 1995) an. Das Modell
zeichnet sich gegenüber anderen Modellen insbesondere dadurch aus, dass es die auf die
Übernahme des Produktes folgenden Phasen der Anwendung und der Bestätigung explizit
mit berücksichtigt (s. Abbildung C 2-3).
Wissen
(Awareness)
Überzeugung
Entscheidung
Implementation
(Anwendung)
Bestätigung
Abbildung C 2-3: Phasenmodell des Adoptionsprozesses
An diesem Prozessmodell wurde kritisiert, dass es einen expliziten Entscheidungsprozess
des Kunden voraussetzt und dabei soziale sowie weitere umweltbedingte Einflussfaktoren
weitgehend vernachlässigt (Parthasarathy et al. 1995). Wir werden daher im Anschluss an
die Darstellung des Phasenmodells kurz aufzeigen, wie diese Einflüsse, insbesondere die sozialen, durch einfache Modifikation des Phasenschemas im Modell berücksichtigt werden
können.
Der Adoptionsprozess setzt sich aus den folgenden fünf Phasen zusammen: (1) die Wissensphase, (2) die Überzeugungsphase, (3) die Entscheidungsphase, (4) die Implementationsphase und (5) die Bestätigungsphase. Die genaue Ausgestaltung dieser Phasen beruht auf
dem Verhalten der Konsumenten. Eine Erläuterung der wesentlichen Erkenntnisse der Konsumentenverhaltensforschung ist Gegenstand des folgenden Abschnittes C 2.2. Bei der Beschreibung der einzelnen Phasen wird daher jeweils auf die zugehörigen Erklärungsansätze
verwiesen.
• Wissensphase (Awarenessphase):
„Knowledge occurs when an individual (or other decision-making unit) is exposed to an innovation’s
existence and gains some understanding of how it functions.“ (Rogers 1995: 162)
In dieser initialen Phase erfährt der Kunde von der Existenz eines Produktes und entwickelt ein erstes Verständnis für das Produkt. Die erste „Begegnung“ mit dem Produkt oder der Information über das Produkt kann zufällig oder im Zuge einer aktiven
Informationssuche erfolgen. Im ersten Fall entdeckt der Kunde das Produkt während
der allgemeinen Informationsaufnahmeprozesse, z.B., weil er sich für ein bestimmtes
Themengebiet interessiert oder sich generell über bestimmte Medien informiert. Man
bezeichnet dies als epistemisches Verhalten des Kunden. Im zweiten Fall stösst er auf
das Produkt bei der Suche nach einer Lösung für ein – aktuelles – Problem. Hier
spricht man vom explorativen Verhalten des Kunden (Roth 1976: 13). Beim explorativen Verhalten führt somit ein bereits bestehendes Bedürfnis zur Initiierung des Adoptionsprozesses, beim epistemischen Verhalten wird das Bedürfnis durch die Wahrnehmung des Produktes zunächst geweckt.
Nach der Kenntnisnahme der Existenz eines Produktes muss der potentielle Kunde ein
erstes Verständnis für das Produkt entwickeln. Rogers (1995: 165) unterscheidet generell zwischen drei verschiedenen Arten von Wissen: (1) Dem „Awareness“-Wissen (2)
Design Patterns für digitale Produkte
dem „How-to“-Wissen und (3) dem „Principles“-Wissen. Das „Awareness“-Wissen, ist
das Wissen über die Existenz des Produktes. Das „How-to“-Wissen umfasst das Wissen über die richtige Anwendung des Produktes im Zuge der Problemlösung. Es bildet
somit die Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung des Produktes und ist von
zentraler Bedeutung für dessen Akzeptanz durch den Kunden. Dieses Wissen muss bei
Innovationen in der Regel erst aufgebaut werden. Bei digitalen Produkten bezieht sich
dieses Wissen nicht nur auf die Anwendung des Produktes selbst, sondern auch auf
den Ablauf des Erwerbsprozesses im digitalen Wirtschaftraum. Das „Principles“-Wissen umfasst das Wissen über die der Problemlösung zugrunde liegenden Prinzipien.
Dieses Wissen ist nicht unbedingt notwendig, erleichtert jedoch die Anwendung des
Produktes (und insbesondere die Lösung von im Zuge der Anwendung auftretenden
Problemen). Im Zentrum der initialen Wissensphase liegt jedoch das „Awareness“Wissen. Die beiden anderen Wissensarten, insbesondere das „How-to“-Wissen ist für
die Akzeptanz des Produktes entscheidend, jedoch in der Regel für die eigentliche
Adoptionsentscheidung noch nicht relevant. Für diese Entscheidung spielt dagegen die
Einschätzung der Bedeutung und des Nutzens sowie die mit einem Produkt verbundenen Kosten und Risiken eine Rolle. Dieses Produktverständnis wird im Zuge der
folgenden Überzeugungsphase entwickelt. Das “How To“-Wissen wird dagegen vorrangig im Zuge der Anwendung resp. des Erwerbsprozesses vermittelt.
• Überzeugungsphase:
„Persuasion occurs when an individual (or some other decision-making unit) forms a favorable or
unfavorable attitude toward the innovation.“ (Rogers 1995: 162)
In dieser Phase entwickelt der potentielle Kunde eine positive oder negative Einstellung gegenüber dem Produkt. Er versucht, die Auswirkungen der Adoption abzuschätzen und somit die mit der Adoption verbundene Unsicherheit zu minimieren.
Zentraler Faktor ist der mit einem Produkt verbundene Nutzen. Dabei spielen neben
ökonomischem Nutzen auch dessen symbolische und soziale Nutzenwerte, wie der
Erlebniswert und das mit dem Produkt verbundene Prestige, eine Rolle (s. insbesondere Abschnitt C 2.2.2). Neben dem eigenen Nutzen ist für die Bildung der Einstellung
auch die Einschätzung und Akzeptanz des Produktes durch die sozialen Bezugsgruppen entscheidend (s. Abschnitte C 2.2.1.2 und C 2.2.2).
Die Bildung von Einstellung ist das Ergebnis von Kommunikationsprozessen, in denen
sich der Adoptor Wissen aneignet. Nach Rogers (1995: 168) handelt es sich dabei um
einen generell aktiven Suchprozess, bei dem sich der Adoptor über das Produkt informieren möchte. Die Informationen erhält er vorrangig über Massenmedien oder über
interpersonelle Netzwerke. Der Einfluss der interpersonellen Netzwerke auf die Einstellungsentwicklung dominiert in der Regel den Einfluss der Massenkommunikation
(s. Abschnitt C 2.2.2.2). Dies liegt vor allem an der höheren Glaubwürdigkeit der
73
74
Inhaltliche Grundlagen
Kommunikatoren sowie an dem geteilten Sprachraum, der ein gegenseitiges Verständnis der Kommunikanten erleichtert.59
• Entscheidungsphase:
„Decision occurs when an individual (or some other decision-making unit) engages in activities that lead
to a choice to adopt or reject the innovation.“(Rogers 1995: 162)
In dieser Phase findet die Entscheidung für oder gegen die Adoption statt. In der Verhaltenforschung wurde ein Zusammenhang zwischen den Einstellungen und dem
Verhalten eines Individuums festgestellt. Er beruht auf der Annahme, dass ein Mensch
bestrebt ist, sein Verhalten und seine Einstellungen konsistent zu halten. Eine positive
Einstellung fördert somit die positive Entscheidung eines potentiellen Adoptors (s. Abschnitt C 2.2.1.2). Weitere Einflussfaktoren, insbesondere ökonomische, soziale oder
situative Faktoren, können jedoch den Einzelnen von einer positiven Entscheidung abhalten.60 Verschiedenartige Anreizstrukturen wie Preisnachlässe können den Einfluss
diese Faktoren abmildern und somit eine Entscheidung forcieren.
Bei der Entscheidung spielt weiterhin das empfundene Risiko eine Rolle (s. Abschnitt
C 2.2.1.3). Mögliche Risikofaktoren umfassen u.a. ökonomische, soziale und psychische
Aspekte. Insbesondere die psychischen und ökonomischen Risiken können durch die
Möglichkeit der probeweisen Anwendung des Produktes in beschränktem Umfang
oder über eine beschränkte Zeitdauer gemildert werden. Neben eigenen Erfahrungen
mit dem Produkt können weiterhin die Erfahrungen anderer genutzt werden. Insbesondere die sichtbare Adoption von Meinungsführern unterstützt dabei die Entscheidung potentieller Adoptoren (Magill & Rogers 1981). Neben den ökonomischen Risiken werden durch die sichtbare Akzeptanz des Produktes auch die sozialen Risiken
abgeschwächt. Ökonomischen Risiken kann beispielsweise durch kulante Rückgabemöglichkeiten oder Geld-Zurück-Garantien begegnet werden.
Die Entscheidungsphase kann auch mit der Ablehnung eines Produktes enden. Diese
Entscheidung gegen eine Innovation erfolgt entweder (1) durch die aktive Ablehnung
oder (2) durch die passive Ablehnung eines Produktes (Eveland 1979). Im ersten Fall
entscheidet sich der Kunde bewusst gegen die Adoption eines Produktes. Im zweiten
Fall kommt es überhaupt nicht erst zu einem Entscheidungsprozess. Dabei wurde
entweder das Interesse des Kunden nicht erfolgreich geweckt oder während der Überzeugungsphase eine negative Einstellung gegenüber dem Produkt entwickelt.
Pechtl (1991: 65 f.) unterteilt die Entscheidungsphase weiterhin in die Entscheidung
zur Einführung eines Produktes und die eigentliche Transaktionsentscheidung. Die
Einführungsentscheidung entspricht der soeben beschriebenen Adoptionsentschei-
59 Durch die Kommunikation innerhalb des sozialen Netzes wird weiterhin die „allgemein“ in dieser
Gruppe akzeptierte Einstellung zum Produkt entwickelt und weitergetragen. Sie dient als Referenzwert für das innerhalb der Bezugsgruppe erwarteten Verhaltens und übt somit einen
Übernahme- resp. Ablehnungsdruck auf die Gruppenmitglieder aus (s. AbschnittC 2.2.2.1).
60 Man spricht hierbei auch von einem KAP-Gap, dem „knowledge-attitude-practice“ Gap (Rogers
1995: 169).
Design Patterns für digitale Produkte
75
dung. Die Transaktionsentscheidung konkretisiert diese Entscheidung. Sie legt fest,
von welchem Anbieter und unter welchen Konditionen ein Produkt erworben wird.
An dieser Stelle lassen sich somit die Phasen des in Abschnitt C 2.1.2 beschriebenen
Modells der Geschäftstransaktion einfügen. Man beachte jedoch, dass die beiden Phasen der Einführungs- und der Transaktionsentscheidung in der Praxis kaum klar zu
trennen und stattdessen zumeist eng ineinander verwoben sind. Rogers (1995: 173)
ordnet die Durchführung der eigentlichen Geschäftstransaktion der Implementationsphase zu.
Abschliessend sei darauf hingewiesen, dass sich der Prozess bis zur positiven Entscheidung auch umkehren kann. Dabei wird in einem ersten Schritt, zumeist ausgelöst
durch sozialen Druck oder ökonomische Notwendigkeit, eine Entscheidung für oder
gegen ein Produkt getroffen und erst anschliessend eine entsprechend positive oder
negative Einstellung gegenüber dem Produkt ausgebildet. Treibende Kraft ist auch
hier das Streben nach Konsistenzbewahrung zwischen Einstellung und Verhalten. Auf
diese Phasenumkehrung werden wir im Anschluss an die Beschreibung des Phasenmodells noch kurz eingehen.
• Implementationsphase:
„Implementation occurs when an individual (or other decision-making unit) puts an innovation into
use.“ (Rogers 1995: 162)
Im Zentrum dieser Phase steht die Anwendung des Produktes und somit die Integration des Produktes in das Problemlösungsverhalten des Kunden.61 Um das Produkt
richtig nutzen zu können, benötigt der Kunde Anwendungswissen. Idealerweise ist die
Bedienung des Produktes weitgehend selbsterklärend und verursacht möglichst geringen Lernaufwand beim Anwender. Digitale Produkte verfügen insbesondere durch ihren interaktiven Charakter über weitreichende Möglichkeiten zur Unterstützung und
Führung des Kunden (s. Abschnitt C 1.3.3.1). Das dennoch fehlende Wissen muss aus
externen Informationsquellen erworben werden. Neben dem Hersteller des Produktes
können hier Anbieter von Schulungsmassnahmen und Beratungsdienstleistungen sowie andere Anwender des Produktes das benötigte Anwendungswissen vermitteln.
Externe Spezialisten haben den Vorteil, dass sie sich mit den Anwendungsmöglichkeiten des Produktes besonders gut auskennen. Anwender des Produktes können sich
jedoch in die oftmals selbst erlebten Problemsituationen eines neuen Nutzers besser
eindenken und die Lösung in einer Sprache formulieren, die für den Anwender leichter verständlich ist (s. insbesondere Abschnitt C 2.2.2.2).62
Im Zuge der Anwendung wird das Produkt zumeist zu einem gewissen Grad modifiziert. Dieser Vorgang wird häufig als Neuerfindung („Re-Invention“) des Produktes
bezeichnet (Rogers 1995: 174 f.). Modifikationen ergeben sich oftmals bereits dadurch,
61 Wie bereits erwähnt, schliesst Rogers den Erwerb des Produktes in diese Phase mit ein.
62 Um eine kognitive Überbelastung des Kunden zu vermeiden, kann es sinnvoll sein, die neue Pro-
blemlösung schrittweise einzuführen. Komplexere Funktionalitäten werden erst dann angeboten, wenn der Nutzer die Anwendung der einfacheren Funktionalitäten beherrscht.
76
Inhaltliche Grundlagen
dass der Nutzer das Produkt auf seine spezifische Problemsituation anpasst. Im Sinne
der Individualisierung des Produktes kann durch diese Anpassungsmassnahmen
gleichzeitig das häufig auftretende Bedürfnis eines Kunden nach einem Unikat befriedigt werden. Derartige Möglichkeiten zur Individualisierung des Produktes können
dabei vom Hersteller direkt vorgesehen werden. Insbesondere bei digitalen oder digitalisierten Produkten ist dies, wie in Abschnitt C 1.3.1.8 erläutert wurde, recht einfach
möglich.
Diese Produktadoptionen können vom Hersteller somit direkt für die Verbesserung
des Produktes genutzt werden. Die Konzeption und (Neu-)Erfindung des Produktes
beschreibt dann einen iterativen Prozess, in dem das Produkt sukzessive weiterentwickelt wird (Asdonk et al. 1991). Der Anwender wird dadurch gewissermassen zum
Mitentwickler.
„Instead of simply accepting or rejecting an innovation as a fixed idea, potential adopters on many occasions are active participants in the adoption and diffusion process,
struggling to give their own unique meaning to the innovation as it is applied in their
local context. Adoption is thus a process of social construction” (Rogers 1995: 179 f.).
Die dadurch entstehende starke Integration des Kunden, die auch bereits bei der initialen Entwicklung des Produktes erfolgen kann, fördert weiterhin die Identifikation des
Kunden mit dem Produkt resp. mit dessen Hersteller und wirkt sich somit positiv auf
die Kundenbindung aus. Die frühzeitige Einbindung des Kunden in die Entwicklung
verringert weiterhin den Lernaufwand der mit der Anwendung des Produktes verbunden ist. Kundenbedürfnis und Problemlösung werden bereits frühzeitig aufeinander abgestimmt.
Neben den positiven Konsequenzen der Neuerfindung des Produktes durch den Kunden können diese jedoch auch nachteilige Folgen für den Anwender oder den Hersteller nach sich ziehen. Bei der Gestaltung und Einführung des Produktes muss daher
soweit wie möglich verhindert werden, dass das Produkt in einer Art „missbraucht“
wird, die entweder dem Anwender selbst oder aber dem Hersteller resp. anderen Anwendern schadet.63 Dieser Gefahr kann insbesondere durch eine geeignete Gestaltung
der Anwendungsprozesse begegnet werden.
Die Implementationsphase kann weiter unterteilt werden in eine Installierungsphase
und eine Anwendungsphase (Pechtl 1991: 70 ff.). In der Installierungsphase werden die
Vorbereitungen für die eigentliche Anwendung des Produktes getroffen. Dies ist insbesondere im betrieblichen Umfeld entscheidend, wo die Nutzung einer neuen Problemlösung zumeist einer Integration in die bestehenden organisatorischen Abläufe
und technischen Systeme bedarf. Die Einführung des Produktes erfolgt hier in der Regel schrittweise. Man spricht dann von einer „initial implementation“ und einer
63 Man denke dabei z.B. an Community Services oder themenspezifische Newsgroups, die zur
Publikation themenfremder und die anderen Mitglieder störender Beiträge oder aber zur privaten Kommunikation einzelnen Mitglieder zweckentfremdet wird.
Design Patterns für digitale Produkte
77
„sustained implementation“ (Cherian & Desphande 1985: 32). In dieser Arbeit steht jedoch die Adoption des privaten Endanwenders im Vordergrund.
Verschiedene Modelle legen das Ende dieser Phase nach unterschiedlichen Kriterien
fest. Nach Rogers (1995: 173) endet die Implementationsphase, sobald das neue Produkt vollständig in das Problemlösungsverhalten des Anwenders übergegangen ist
und somit zum Routineverhalten wurde. Andere Autoren setzen das Ende dieser
Phase mit der Ablösung des Produktes durch eine neue Problemlösung gleich. Diese
Abgrenzung soll auch in dieser Arbeit zu Grunde gelegt werden (s. z.B. (Pechtl 1991:
72)).
• Bestätigungsphase:
„Confirmation occurs when an individual (or some other decision-making unit) seeks reinforcement of an
innovation decision already made, or reverses a previous decision to adopt or reject the innovation if
exposed to conflicting messages about the innovation.“ (Rogers 1995: 162)
In der letzten Phase sucht der Kunde nach Bestätigung für seine Adoptionsentscheidung. Diese Phase verläuft somit parallel zur Anwendung des Produktes. Im negativen Fall beendet die Bestätigungsphase die Implementationsphase. Dies ist dann der
Fall, wenn negative Erfahrungen, neue Information oder aber bessere Alternativen den
Anwender zur nachträglichen Ablehnung des Produktes veranlassen. Im ersten Falle
erfolgt die Ablehnung somit durch eine Enttäuschung durch das Produkt (disenchantment) im zweiten Fall durch die Ersetzung des Produktes (replacement) (Rogers 1995:
182 f.).
Die Unzufriedenheit mit dem Produkt kann generell auf zwei Ursachen zurückgeführt
werden: (1) die Ungeeignetheit des Produktes für das Kundenproblem oder (2) die falsche Anwendung des Produktes. Letztere beruht somit auf der Diskrepanz zwischen
dem benötigten und dem beim Nutzer vorhandenen Anwendungswissen.64 Unzufriedenheit kann durch eigene Erfahrungen oder aber durch neue Informationen über die
Nachteile des Produktes, über bessere Alternativen oder über die mangelnde Akzeptanz im sozialen Umfeld hervorgerufen werden. Weiterhin können aber auch Änderungen des gesellschaftlichen Wertesystems eine Abkehr vom Produkt einleiten (s. z.B.
(Schenk et al. 1996: 35)).65
Durch gezielte (kommunikative) Massnahmen kann der Anbieter der Unzufriedenheit
des Kunden entgegenwirken. Positive Informationen bestärken den Kunden in seiner
Entscheidung, rasche und gezielte Hilfe beim Auftreten von Problemen verhindern die
Entstehung von Unsicherheiten und Unzufriedenheit beim Anwender. Auch hier lei64 Die Unzufriedenheit ist mit den Produkteigenschaften der Kompatibilität, des persönlichen Nut-
zens und der Komplexität korreliert. Je höher die Kompatibiliät und der persönliche Nutzen
und je geringer die Komplexität, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer positiven Adoption. Auf diesen Aspekt werden wir in Abschnitt C 2.2.2.3 noch einmal genauer eingehen.
65 „... einzig diese (Adoptionsbestätigung) erschliesst ja die geschichtliche Tiefe des Innovationsge-
schehens, bettet diese in die weitere Dynamik des gesellschaftlichen Wandels ein, der auf der
einen Seite Innovationen hervorbringt auf der anderen Seite wieder zurücknimmt.“ (Saxer 1989:
152)
78
Inhaltliche Grundlagen
sten digitale Produkte durch ihre weitreichenden Möglichkeiten, den Kunden bei der
richtigen Anwendung des Produktes aktiv zu unterstützen oder durch die Protokollierung des Kundenverhaltens eine Fehlanwendung zu diagnostizieren, einen entscheidenden Beitrag.
Durch die intensive Kommunikation mit dem Kunden kann der Anbieter versuchen,
eine Beziehung zum Kunden aufzubauen und diesen auf diese Weise stärker an sich zu
binden. Das Wissen über den Kunden gestattet es, das Produkt weiterzuentwickeln
und an die spezifischen Kundenbedürfnisse anzupassen, was die Gefahr einer – nachträglichen – Abkehr vom Produkt verringert und die Adoption neuer Produkte erleichtert.
Das Verhalten des Kunden, insbesondere in dieser Nachkaufphase, wird häufig mit
der Dissonanztheorie von Festinger (1957) begründet. Danach ist ein Mensch bestrebt,
kognitive Dissonanzen zu vermeiden. Sein Wissen, seine Glaubenssätze und seine Einstellungen sollen in Einklang mit seinem Handeln stehen. Die Dissonanztheorie liefert
somit eine Erklärung dafür, dass in der Nachkaufphase schlechte Erfahrungen und Information über die Nachteile des Produktes zur nachträglichen Ablehnung des Produktes führen können.66 Diese Theorie wird in Abschnitt C 2.2.1.1 näher erläutert.
Parthasarathy et al. (1995) kritisieren an den bestehenden Adoptionsmodellen wie dem eben
dargestellten Phasenmodell von Rogers, dass diese den Einflüssen des sozialen Netzwerkes
und der interpersonellen Kommunikation zu wenig Bedeutung beimessen. Diese Einflüsse
sind jedoch entscheidend für die Adoptionsentscheidung des Individuums. Dabei kann generell zwischen dem informativen und dem normativen Einfluss des sozialen Netzwerkes unterschieden werden (Bearden W.O. et al. 1989). Der informative Einfluss beruht darauf, dass
sich Individuen vorrangig aus ihrem sozialen Umfeld mit Informationen versorgen. Der
normative Einfluss bewirkt eine Ausrichtung des eigenen Verhaltens an den Normen und
Erwartungen des sozialen Umfeldes und übt somit einen Druck auf die Verhaltenskonformität des Einzelnen aus. Die Wirkung des normativen Einflusses kann damit zu einer Veränderung des soeben vorgestellten Phasenschemas führen. Das Individuum, wird aufgrund
des sozialen Druckes zur Adoption (oder aber zur frühzeitigen Ablehnung) der Innovation
gedrängt, ohne sich zuvor eine eigene Meinung über das Produkt gebildet zu haben. In diesem Fall folgt dem Wissen über die Existenz eines Produktes direkt die Adoptionsentscheidung sowie die Anwendung des Produktes. Man beachte, dass gemäss der Dissonanztheorie
die Adoption dann aber in der Regel zur nachträglichen Ausbildung einer positiven Einstellung gegenüber dem Produkt und somit zur nachträglichen Rechtfertigung des eigenen
Verhaltens führt (s. dazu insbesondere die Abschnitte C 2.2.1.2 und C 2.2.2).
Individuen unterscheiden sich dabei im Grad, zu dem sie sich – bei der Adoption einer Innovation – von ihrem sozialen Umfeld beeinflussen lassen. Imitatoren lassen sich sehr stark
66 Das Streben nach der Vermeidung von Dissonanzen hat aber auch weitere Auswirkungen auf das
Informationssuch- und –verarbeitungsverhalten des Kunden in der Nachkaufphase. Auch dieser Aspekt wird in Abschnitt C 2.2.1.1 diskutiert.
Design Patterns für digitale Produkte
79
durch ihr soziales Umfeld leiten, Innovatoren entscheiden sich dagegen weitgehend unabhängig von den Erwartungen des sozialen Umfelds. Diese Unterscheidung und die resultierenden Verhaltensweisen werden in Abschnitt C 2.2.3 ausführlich erläutert.
C 2.1.4 Integriertes Phasenmodell
Die Geschäftstransaktion fokussiert auf den eigentlichen Erwerbsprozess, vernachlässigt dabei jedoch weitestgehend die dem Kauf vor- und nachgelagerten Phasen. Das Adoptionsmodell und auch der Customer Buying Cycle konzentrieren sich dagegen genau auf diese vorund nachgelagerten Phasen, vernachlässigen dagegen die eigentliche Geschäftstransaktion.
Schmid (1999a) entwickelte nun ein Phasenmodell, das die beiden Aspekte der Adoption
und der Transaktion in sich vereinigt. Es besteht aus vier Phasen: der Wissensphase, der Absichtsphase, der Verhandlungsphase und der Abwicklungs- resp. Anwendungsphase. Die
Anwendungsphase führt dabei wieder in die Wissensphase über. Das zyklische Modell ist in
Abbildung C 2-4 dargestellt:
Wissen
(Awareness)
Wissen
Absicht
Ziel
Verhandlung
Vertrag
Abwicklung
Zielrealisierung
Abbildung C 2-4: Integriertes Phasenmodell von Schmid67
• Wissensphase: Die Wissensphase subsumiert die Awarenessphase und die
Überzeugungsphase des Adoptionsmodells von Rogers sowie die Awarenessphase des
Customer Buying Cycle. Hier wird somit Wissen über die Existenz einer neuen Problemlösung sowie Wissen über die Bedeutung des Produktes aufgebaut. Das Ergebnis
besteht in der Erweiterung des eigenen logischen Raumes um ein „Bild“ der neuen
Problemlösung
• Absichtsphase: Diese Phase entspricht der Entscheidungsphase des Adoptionsprozesses
und gliedert sich in die Evaluationsphase des CBCs ein. Hier entwickelt der Kunde die
Absicht, die Problemlösung erwerben zu wollen (und somit sein angestrebtes Ziel).
• Verhandlungsphase: In dieser Phase beginnt der eigentliche Erwerbsprozess im engeren
Sinne. Er umfasst die Formulierung des genauen Kundenwunsches, dessen Abgleich
mit bestehenden Angeboten sowie die Aushandlung und vertragliche Festlegung der
Konditionen. Diese Phase entspricht somit der Vereinbarungsphase der Geschäftstransaktion.
67 In den Kreisen werden jeweils die Resultate der Szenen dargestellt.
80
Inhaltliche Grundlagen
• Abwicklungsphase: In dieser letzten Phase werden die vertraglichen Vereinbarungen
umgesetzt und das erworbene Produkt angewendet. Der Kunde muss dabei durch das
Produkt resp. durch dessen Anbieter möglichst gut unterstützt werden.
Die durch den Kauf initiierte Beziehung zwischen Kunde und Produkt ist dann weiter
auszubauen, um den Kunden an den Anbieter zu binden und ihn zur erneuten Verwendung oder aber zum Wiederkauf zu motivieren. Damit geht die Abwicklungsphase direkt in die Wissensphase des integrierten Modells über.
Diese Phase umfasst somit die Abwicklungsphase der Geschäftstransaktion, die Anwendungs- und Bestätigungsphase des Adoptionsmodells sowie die Kauf und die After-Sales Phase des CBCs.
C 2.1.5 Zusammenführung der Modelle
In diesem abschliessenden Abschnitt sollen die Zusammenhänge zwischen den vier aufgeführten Phasenmodellen noch einmal systematisch aufgezeigt werden. Resultat ist ein Gesamtmodell der Interaktionsbeziehung zwischen Kunde und Produkt. Das Rahmenmodell
bildet das integrierte Modell von Schmid.
Das integrierte Modell von Schmid subsumiert die Phasen der Geschäftstransaktion. Die
Vereinbarungsphase der Geschäftstransaktion stimmt mit der Verhandlungsphase des
Schmid’schen Modells überein, die Abwicklungsphase der Geschäftstransaktion gliedert sich
in die gleichnamige Phase des integrierten Modells von Schmid ein.
Die dem eigentlichen Erwerbsprozess vor- und nachgelagerten Phasen werden durch die
Modelle der Adoption und des Customer Buying Cycles verfeinert. Die Wissensphase des
Schmid’schen Modells zerfällt in die Awarenessphase und die Überzeugungsphase des
Adoptionsmodells.68 Die Abwicklungsphase des Schmid’schen Modells wird unterteilt in
die Abwicklung im Sinne des Austausches Ware gegen Geld, die Anwendung und die
Kundenbetreuung. Dabei entspricht die Anwendung der Implementationsphase des
Adoptionsprozesses und die Kundenbetreuung der Bestätigungsphase des Adoptionsprozesses resp. der After-Sales Phase des CBCs.
Weiterhin muss insbesondere bei neuen Produkten und neuartigen Erwerbsprozesse während resp. vor der Anwendung sowie dem Erwerb „Anwendungswissen“, das sogenannte
„How-To“-Wissen übermittelt werden (vgl. Abschnitt C 2.1.3). Diese Phase wird im Adoptionsmodell in der Wissens- / Awarenessphase subsumiert. Das Wissen wird jedoch erst in
den späteren Phasen des Erwerbs und der Anwendung benötigt. Die Übermittlung des Anwendungswissens wird daher aus der Wissens- / Awarenessphase des Adoptionsmodells
herausgetrennt. Die Wissensphase gliedert sich dann vor resp. parallel zu den Phasen der
Verhandlung, der Abwicklung sowie der Anwendung resp. der Kundenbetreuung in das
Gesamttheaterstück ein.
68 Die Awarnessphase stimmt dabei mit der gleichnamigen Phase des CBCs überein. Die Über-
zeungsphase ist Teil der Evaluationsphase des CBCs.
Design Patterns für digitale Produkte
Awareness
Kenntnis
81
Überzeugung
Support
Nachbetreuung
Einstellung
Wissen
Kundenbetreuung
Zielerfüllung
Anwendung
Entscheidung/
Absicht
Absicht
Zieldefinition
Anwendungswissen
Vertragsabwicklung
Verhandlung
Vertrag
Abwicklung
Abbildung C 2-5: Gesamtmodell der Kunde-Produkt-Interaktion
Das resultierende Gesamtmodell der Kunde-Produkt-Interaktion ist in Abbildung C 2-5
dargestellt. Die einzelnen Phasen sind durch ihre Ziele determiniert, die ebenfalls in der
Graphik erfasst sind.
C 2.2 Konsumentenverhalten
Ziel dieses Abschnittes ist es, das Verhalten von Konsumenten zu verstehen und dadurch
Rückschlüsse auf die optimale Gestaltung der Interaktionsbeziehungen zwischen dem Kunden und dem Produkt resp. dem Anbieter ableiten zu können. Im Zentrum dieses Abschnittes steht die Erläuterung der wichtigsten Theorien zur Erklärung des Konsumentenverhaltens. Dabei kann man grundsätzlich zwischen den psychologischen Ansätzen und den soziologischen Ansätzen unterscheiden.69 Psychologische Ansätze führen das Verhalten des
Kunden auf die psychischen Faktoren und Prozesse innerhalb des Individuums zurück.
Soziologische Ansätze betrachten die Auswirkungen des sozialen Umfeldes auf das
Konsumentenverhalten. Im folgenden werden zunächst die wichtigsten psychologischen
Ansätze und anschliessend die soziologischen Ansätze beschrieben. In kurzen
Zusammenfassungen werden jeweils für die verschiedenen Theorien und Erklärungsansätze
die zentralen Aussagen in bezug auf die Gestaltung der Interaktionsprozesse zwischen
Nachfrager und Produkt herausgestellt.
C 2.2.1 Psychologische Ansätze
Die zentralen psychologischen Ansätze des Konsumentenverhaltens lassen sich nach der das
Verhalten beeinflussenden Grösse in (1) Motivationstheorien, (2) Einstellungstheoretische
69 S. z.B. (Bänsch 1989).
82
Inhaltliche Grundlagen
Erklärungsansätze, (3) Wahrnehmungsansätze, (4) Denk- und Entscheidungstheoretische
Ansätze und (5) Lerntheorien einteilen.70
C 2.2.1.1 Motivationstheorien
Die Motivationstheorien gehen davon aus, dass das Verhalten eines Kunden durch seine
Motivation beeinflusst resp. gesteuert wird.
„Motivation ist ein hypothetisches Konstrukt, mit dem man die Antriebe (Ursachen) des Verhaltens erklären will. Mit diesem Konstrukt soll die Frage nach dem ‚Warum’ des Handelns beantwortet werden.“ (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 141)
Die Motivation verbindet dabei Emotionen mit einer Verhaltensorientierung: Der Mensch ist
motiviert etwas zu tun, um ein bestimmtes erstrebenswertes Ziel zu erreichen. Im folgenden
werden die wesentlichen Theorien der Motivationsforschung kurz erläutert.71
C 2.2.1.1.1 Homöostatische Motivationstheorien
Homöostatische Theorien gehen davon aus, dass das menschliche Verhalten wesentlich
durch das Streben nach einem Gleichgewicht der gesamten physiologischen Prozesse, der
Homöostase, bestimmt ist.72 Das Individuum ist stets bemüht, „seine Bedürfnisse zu
befriedigen und einen Zustand der Ruhe und des Gleichgewichts zu erreichen“ (Nieschlag et
al. 1994: 557). Die bekanntesten Vertreter homöostatischer Motivationstheorien sind der instinkttheoretische Ansatz und der kognitive Ansatz.
Instinkttheoretischer Ansatz: Der instinkttheoretische Ansatz geht davon aus, dass das
menschliche Verhalten durch angeborene Instinkte gesteuert wird. In der Werbemittel-Gestaltung werden diese in Form der sogenannten Schlüsselreize ausgenutzt. Die unbedingte
Wirksamkeit dieser starr ablaufenden Verhaltensmuster konnte jedoch widerlegt werden;
stattdessen wird das konkrete Verhalten zusätzlich durch situative Faktoren beeinflusst (Irle
1975). Dagegen konnte gezeigt werden, dass Instinkte erfolgreich für die Orientierung des
Kunden eingesetzt werden können. Sie können somit dazu beitragen, die Aufmerksamkeit
des Kunden auf eine bestimmte Sache, z.B. eine Werbebotschaft, zu lenken(Nieschlag et al.
1994: 557).
Kognitiver Ansatz: Die kognitiven homöostatischen Motivationsansätze führen das Entstehen
von Motivation auf kognitive Erkenntnisprozesse zurück. Einer der bekanntesten Ansätze ist
die Theorie der kognitiven Dissonanz von Festinger (1957). Gemäss dieser Theorie wird das
70 Neben den hier vorgestellten Partial-Modellen, die jeweils den Einfluss einer Grösse auf das
Verhalten betrachten, wurden verschiedene Totalmodelle entwickelt, die das Verhalten durch
das Zusammenspiel mehrerer, d.h. möglichst aller, Einflussgrössen zu erklären versuchen. Die
bekanntesten sind die von Nicosa (1966), Howard und Sheth (1969) sowie von Engel, Blackwell
und Miniard (1986). Für diese Arbeit erscheint jedoch eine Betrachtung der Partialmodelle
ausreichend.
71 Für einen umfassenden Überblick siehe z.B. (Heckhausen 1989).
72 Der Begriff der Homöostase geht auf Cannon (1932) zurück.
Design Patterns für digitale Produkte
83
menschliche Verhalten durch das Streben nach Vermeidung oder Verminderung kognitiver
Spannungen gesteuert. Dissonanzen entstehen, „wenn ein durch die individuelle PsychoLogik gebildetes System von Kognitionen instabil wird, weil neue, widersprüchliche Informationen die bisherigen Beziehungen zwischen bestimmten Systemelementen in Frage stellen“ (Nieschlag et al. 1994: 558).
Diese Theorie wirkt sich auf weite Teile des Interaktionsprozesses zwischen Kunde und Produkt / Anbieter aus: Kognitive Dissonanzen können zunächst die Initiierung der Beziehung
herbeiführen. Dabei führt z.B. die Information über ein neues Produkt zur Unzufriedenheit
mit der aktuellen Situation und induziert die Beschaffung weiterer Informationen über die
neue Problemlösung und damit den Eintritt in die Überzeugungsphase. Man beachte jedoch
auch, dass das Streben nach der Vermeidung von Dissonanzen dazu führen kann, Informationen über potentiell bessere Alternativen zu ignorieren. Weiterhin induziert eine positive
Einstellung zu einem Produkt das Bedürfnis zum Erwerb des Produktes (s. auch Abschnitt
C 2.2.1.2). In der Phase der Produktnutzung werden Diskrepanzen zwischen den Produkterwartungen und den tatsächlich erfahrenen Qualitäten des Produktes als Dissonanzen empfunden und können zur nachträglichen Ablehnung des Produktes führen. Gleiches gilt für
negative Produktinformationen, mit denen der Kunde in der Nachkaufphase konfrontiert
wird.
Menschen verfügen über eine Reihe von Strategien, um diese dissonanten Zustände zu vermeiden oder aufzulösen (vgl. (Nieschlag et al. 1994: 558)): (1) Der Mensch kann aktiv nach
Informationen suchen, um dissonante Zustände zu vermeiden oder aufzulösen, d.h. die
Richtigkeit seiner Entscheidung zu bestätigen. (2) Er kann Informationen, die zu einem dissonanten Zustand führen, vermeiden, verdrängen oder abwerten. Dieser Mechanismus wird
als selektive Wahrnehmung resp. selektive Verarbeitung von Information bezeichnet (Rogers
1995: 164). (3) Schliesslich kann das Individuum einen dissonanten Zustand durch die Änderung seines Verhaltens aufzulösen versuchen. Wie bereits erwähnt, kann diese Art von dissonanzauflösendem Verhalten zur Kaufentscheidung beitragen, aber auch zur nachträglichen Ablehnung eines Produktes führen.
C 2.2.1.1.2 Humanistische Motivationstheorien
Die humanistischen Motivationstheorien führen das menschliche Verhalten auf die Erreichung bestimmter Bedürfnisse zurück. Einer der bekanntesten Ansätze ist die Bedürfnispyramide von Maslow (1975). Er ordnet die menschlichen Bedürfnisse in eine Bedürfnishierarchie aus (1) physiologischen Bedürfnissen, (2) Sicherheitsbedürfnissen, (3) sozialen
Bedürfnissen, (4) Bedürfnissen nach Selbstachtung und Anerkennung und (5) Bedürfnissen
nach Selbstverwirklichung ein. Weiterhin geht er davon aus, dass die höherrangigen
Bedürfnisse erst dann aktiviert werden, wenn die gemäss der Hierarchie untergeordneten
Bedürfnisse bereits erfüllt wurden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass das sich darin widerspiegelnde „Prinzip der relativen Vorteilhaftigkeit“ sowie auch die Einteilung der Bedürfnisse selbst das menschliche Verhalten nur bedingt widergeben. Stattdessen entwickelt
der Mensch individuelle Bedürfnisse, die weiterhin auch von den situativen und sozialen
Umweltbedingungen beeinflusst werden (Wiswede 1973: 114 ff.). Dennoch konnten gewisse
84
Inhaltliche Grundlagen
Grundmotivationen identifiziert werden, die bei vielen Menschen das Verhalten mitbeeinflussen. Diese sind: Das Gewinnmotiv (als Kostensenkungs- oder Erlössteigerungsmotiv),
das Zeitersparnismotiv, das Bequemlichkeitsmotiv, das Sicherheitsmotiv, das Geltungsmotiv, das Nachahmungsmotiv und das Emotionsmotiv (Wiswede 1973: 72).
C 2.2.1.1.3 Aktivationstheoretische Motivationstheorien
Grundvoraussetzung für das Verhalten des Menschen ist dessen Aktivierung. Sie führt zu
einem inneren Erregungszustand, der den Menschen antreibt. Es besteht ein Zusammenhang
zwischen dem Erregungszustand und der Leistungsfähigkeit des Menschen. Dieser ist jedoch nicht proportional. Stattdessen nimmt er mit steigender Erregung zunächst zu, um
dann ab einem bestimmten Punkt wieder abzunehmen (Yerkes & Doson 1908). Aktivierung
kann durch Emotionen, Motive und Einstellungen hervorgerufen werden.
In der Werbeforschung wurde insbesondere der Zusammenhang zwischen der inneren Erregung und der Gedächtnisleistung untersucht. Dabei konnte neben dem Einfluss der Stärke
insbesondere der Einfluss der Richtung einer ausgelösten Emotion auf die Gedächtnisleistung festgestellt werden. Angenehme und unangenehme Gefühle wirken sich im Gegensatz
zu neutralen Gefühlen positiv auf die Gedächtnisleistung aus. Zu starke unangenehme Gefühle führen dann jedoch insbesondere bei wenig selbstbewussten Menschen zu einem Abwehr- und Vermeidungsverhalten.
C 2.2.1.1.4 Zusammenfassung
In diesem Abschnitt sollen die Auswirkungen der Motivationstheorien auf die Gestaltung
der Interaktionsprozesse noch einmal kurz zusammengefasst werden:
• Homöostatische Motivationstheorien – Instinkttheoretischer Ansatz: Instinkte führen zur
Orientierung des Kunden und können somit insbesondere bei der Gestaltung der
Awarenessphase genutzt werden.
• Homöostatische Motivationstheorie – Dissonanztheorie: Die Vermeidung von dissonanten
Zuständen beeinflusst das Verhalten des Individuums. Dies muss bei der Awarenessphase beachtet werden, um zu vermeiden, den Kunden durch das Aussenden für
ihn dissonanter Informationen nicht erreichen zu können. Informationen über neuartige Lösungsmöglichkeiten können jedoch auch zu dissonanten Zuständen führen, die
den potentiellen Kunden zum Eintritt in die Überzeugungsphase motivieren. Erzielt
man in der Überzeugungsphase eine positive Einstellung des Interessenten, so fördert
dies durch die Vermeidung von Dissonanzen zwischen Einstellung und Verhalten eine
positive Entscheidung für das Produkt. Bei der anschliessenden Anwendung müssen
die geweckten Erwartungen mit den Erfahrungen des Kunden übereinstimmen. Ansonsten motivieren dissonante Zustände den Anwender zur Abwendung vom Produkt. Gleiches gilt für negative Informationen über das Produkt in der Bestätigungsphase. Dabei ist der Kunde auch selbst bemüht, durch selektive Wahrnehmung und Informationsverarbeitung dissonante Zustände zu vermeiden.
• Humanistische Motivationstheorien: Das Individuum ist bestrebt, seine Bedürfnisse durch
sein Handeln zu befriedigen. Bei der Gestaltung des Produktes sowie dem Design der
Design Patterns für digitale Produkte
85
Anwendungs- und Erwerbsprozesse ist diesen Bedürfnissen zu entsprechen. Im Zuge
der Überzeugungsphase ist weiterhin das Potential des Produktes zur Befriedigung
der Kundenbedürfnisse zu kommunizieren.
• Aktivierungstheorien: Positive und negative Reize erhöhen die Gedächtnisleistung des
Kunden. Dies muss insbesondere bei der Gestaltung der Awarenessphase berücksichtigt werden.
C 2.2.1.2 Einstellungstheoretische Erklärungsansätze
Unter Einstellung versteht man den „inneren Bereitschaftszustand / [die] innere Haltung
des Individuums, gegenüber bestimmten Reizen relativ fest gefügte / stabile positive oder
negative Reaktionen zu zeigen“(Bänsch 1989: 32). Einstellungen erweitern Motive um den
Bezug zu einem bestimmten „Objekt“ der Zielerreichung. Kroeber-Riehl und Weinberg
(1996: 168) definieren Einstellung daher auch als „subjektiv wahrgenommene Eignung eines
Gegenstandes zur Befriedigung einer Motivation.“
Ein direkter Zusammenhang zwischen einer Einstellung zu einem Produkt und dem tatsächlichen Verhalten, dem Erwerb des Produktes, besteht in der Regel nicht. Stattdessen
wirken sich weitere Faktoren wie soziale und individuelle Normen sowie situative Faktoren
auf das Konsumentenverhalten aus. Sie werden in der Theorie der geplanten Handlung von
Ajzen (1988) explizit mitberücksichtigt. Er geht davon aus, dass nicht die Einstellung selbst,
sondern die Kaufabsicht das Verhalten determiniert. Die Kaufabsicht wird bestimmt durch:
(1) die Einstellung des Kunden zu einem Produkt, (2) die subjektive Norm und (3) die wahrgenommene Verhaltenskontrolle durch situative Bedingungen. Die subjektive Norm ergibt
sich dabei aus der Erwartung relevanter Bezugsgruppen und der subjektiven Bereitschaft,
diesen Erwartungen gerecht zu werden. Die situativen Bedingungen umfassen u.a. fehlende
Möglichkeiten zum Erwerb des Produktes sowie finanzielle Beschränkungen.
Die Einstellung selbst wird in der Regel auf Eigenschaften eines Produktes zurückgeführt.
Fishbein (1963) erweitert die zumeist einfach additiven Modelle der Eigenschaftsmessung
um Gewichtungsparameter, welche die subjektive Erwartung über das Eintreten der Eigenschaft erfassen.
Einstellungen sind zwar gemäss obiger Definition stabil, dennoch sind sie das Resultat
kommunikativer Akte und werden somit durch Informationsaufnahme und –verarbeitung
gebildet und verändert. Die Wirksamkeit der Kommunikation hängt dabei mit den Persönlichkeitsmerkmalen des Adressaten, den Merkmalen des Kommunikators sowie den Merkmalen der kommunizierten Botschaft zusammen (vgl. (Bänsch 1989: 42 ff.)).
Generell reduziert sich die Bereitschaft zu Einstellungsänderung mit dem Alter, der Selbsteinschätzung, dem Selbstvertrauen und der Intelligenz. Die Auswirkung des Faktors Intelligenz hängt jedoch von der Art der Botschaft ab. So sind intelligente Zielpersonen sehr aufgeschlossen gegenüber argumentativen Botschaften.
Beim Sender spielen generell die Aspekte der Glaubwürdigkeit und der Attraktivität eine
Rolle, die jeweils positiv mit der Einstellungsänderung korreliert sind. Die Glaubwürdigkeit
beruht dabei auf der Sachkenntnis, dem Status und der Vertrauenswürdigkeit des Kommu-
86
Inhaltliche Grundlagen
nikators. Sie hängt weiterhin sehr stark mit den wahrgenommenen Kommunikationsabsichten des Senders zusammen. Fühlt sich der Empfänger durch den Kommunikator zu stark
beeinflusst und in seiner Freiheit beschränkt, so führt dies zu einer ablehnenden Haltung.73
Die Bedeutung der Glaubwürdigkeit sinkt weiterhin mit zunehmendem Involvement des
Empfängers. Die Attraktivität des Kommunikators erfasst dessen Vorbild-Charakter. Attraktivität wirkt sich generell positiv auf die Übernahme der gezeigten Einstellungen aus. Dieser
Aspekt wird im Zuge der Erläuterungen zur sozialen Theorie des Lernens am Modell in Abschnitt C 2.2.2.2 noch einmal aufgegriffen.
Bezüglich der Kommunikationsinhalte konnte eine Korrelation mit den folgenden Eigenschaften nachgewiesen werden: Verständlichkeit (positiv), Durchsichtigkeit hinsichtlich der
verfolgten Absicht (negativ), Ein- / Zweiseitigkeit der Argumentation (positiv oder negativ)74, Härte / Aggressivität der Botschaft (negativ), Intensität der Furchtauslösung (vorrangig negativ) und Schlussfolgerungsgrad (vorrangig positiv). Für eine genauere Erläuterung
der Zusammenhänge siehe bspw. (Bänsch 1989: 49 ff.).
Zur Erklärung der Zusammenhänge zwischen Einstellung und Verhalten wird häufig die in
Abschnitt C 2.2.1.1 vorgestellte Dissonanztheorie herangezogen. Obwohl, wie oben erläutert
wurde, kein direkter Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten besteht, so ist der
Mensch gemäss der Dissonanztheorie dennoch bestrebt, sein Verhalten und seine Einstellungen konsistent zu halten. Um Dissonanzen zu vermeiden präferiert er die Produkte, zu
denen er durch Informationen oder Erfahrungen eine positive Einstellung entwickelt hat.
Umgekehrt ist er bemüht, sein Verhalten durch eine positive Einstellung eventuell auch
nachträglich zu rechtfertigen.75 Einstellungen beeinflussen weiterhin das Informationsaufnahme- und das Informationsverarbeitungsverhalten des Individuums. Nach dem Prinzip
der selektiven Wahrnehmung und Verarbeitung werden vorrangig die Informationen wahrgenommen, die mit den eigenen Einstellungen übereinstimmen.
Eine positive Einstellung zum Produkt verstärkt ausserdem die Zufriedenheit des Kunden
und regt die Diffusion des Produktes durch Mund-zu-Mund-Propaganda an (Bänsch 1989:
61).
Zusammenfassung
Wie im vorangegangenen Abschnitt sollen abschliessend die wesentlichen Erkenntnisse noch
einmal zusammengefasst werden:
73 Vgl hier auch die auf Brehm (1966) zurückgehende Reaktanztheorie
74 Bei Menschen mit höherem Bildungsniveau und einer negativen Ausgangseinstellung ist die
zweiseitige Argumentation erfolgreicher, bei Menschen mit gegensätzlichen Eigenschaften, die
einseitige Argumentation (s. z.B. (Triandis 1975: 278)).
75 Dies ist z.B. nach Spontankäufen zu beobachten; siehe dazu. z.B. (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996:
170 ff.).
Design Patterns für digitale Produkte
87
• Positive Einstellungen fördern die positive Kaufentscheidung des Kunden, führen zu
Zufriedenheit und regen somit eine positive Mund-zu-Mund Propaganda an. Weitere
Einflüsse haben situative Faktoren sowie die sozial geprägte subjektive Norm.
• Positive Einstellungen werden häufig auf bestimmte Eigenschaften des Produktes zurückgeführt. Diese müssen vor allem im Zuge der Überzeugungsphase kommuniziert
werden.
Einstellungen sind relativ stabile Konstrukte, die jedoch durch Kommunikation gebildet und somit auch verändert werden können. Der Grad der Beeinflussung des Individuums hängt von Persönlichkeitsfaktoren, von Charakteristika der kommunizierten
Inhalte sowie vom Kommunikator ab. Bei letzterem spielt vor allem dessen Glaubwürdigkeit und Attraktivität eine Rolle. Diese Faktoren müssen bei der Gestaltung der
Überzeugungsphase beachtet werden. Wie in Abschnitt C 2.2.2.2 weiter erläutert werden wird, ist interpersonelle Kommunikation innerhalb des sozialen Netzwerkes bei
der Einstellungsänderung besonders effektiv, da dort die Anforderungen an eine effektive Kommunikation sowohl bzgl. der Kommunikatoren als auch bzgl. der Inhalte
zumeist erfüllt werden.
C 2.2.1.3 Wahrnehmung
Unter Wahrnehmung versteht man den Prozess der Aufnahme und Selektion von Informationen sowie deren Organisation und Interpretation durch das Individuum (Bänsch 1989:
61). Im Zuge dieses Prozesses wird ein Bild von der Umwelt, dem Produkt und sich selbst
konstruiert. Dieses Bild ist subjektiv, der Prozess selektiv und aktiv (Kroeber-Riehl &
Weinberg 1996: 266). Die Wahrnehmung hängt vom Wissen, den Einstellungen und den
Motiven des Individuums ab. Selektiert werden primär die Eindrücke und Informationen,
die den eigenen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Informationen, die diesen Selektionskriterien nicht entsprechen, werden ignoriert oder uminterpretiert (Bänsch 1989: 62).76
Die Wahrnehmung eines Produktes hängt vom Wissens- und Erkenntnisstand sowie vom
Erfahrungsschatz des Kunden ab.77 Assoziationen mit bekannten Produkten oder Marken
führen zu einer Übertragung von deren Beurteilung auf ein neues Produkt. Dies wird auch
als Halo-Effekt bezeichnet (Forgas 1995: 61 ff.). Weiterhin vereinfachen sich Individuen die
Beurteilung von Produkten häufig dadurch, dass sie lediglich Schlüsselinformation, wie den
Preis oder den Markennamen, in die Beurteilung einbeziehen und davon Rückschlüsse auf
die restlichen Eigenschaften des Produktes ziehen.78
76 Durch eine geeignete Strukturierung und Darstellung kann die Wahrnehmung des Kunden beein-
flusst werden. Dabei sind insbesondere das Gesetz der Prägnanz und das Gesetz von Figur und
Grund hervorzuheben. Für eine ausführliche Erläuterung s. (Rosenstiel & Ewald 1979).
77 Weiterhin spielt auch das soziale Umfeld eine Rolle. Diese Aspekte werden jedoch in Abschnitt
C 2.2.2 erläutert.
78 Dieses Verhalten wird auch als „chunking“ bezeichnet (Miller 1956: 93).
88
Inhaltliche Grundlagen
Von zentraler Bedeutung für die Erklärung des Konsumentenverhaltens ist das Prinzip des
wahrgenommenen Risikos.79 Dieses Prinzip betrachtet das Kaufverhalten unter dem Aspekt
der Risikoübernahme. „Das [...] wahrgenommene Risiko ist ein personen-, produkt-, zeitund situationsspezifisches kognitives Phänomen, d.h. es kann von Konsument zu
Konsument, von Produkt zu Produkt in der Zeit und in verschiedenen Situationen jeweils
unterschiedlich ausfallen“ (Nolte 1967: 225). Das wahrgenommene Risiko hängt somit von
den Charakteristika des Kunden, insbesondere von dessen genereller Risikobereitschaft und
seinem Selbstvertrauen, die beide negativ mit dem wahrgenommenen Risiko korreliert sind,
sowie von den Merkmalen des Produktes ab. Zu nennen sind dabei insbesondere der
Neuigkeitsgrad, die technische Kompliziertheit, die Komplexität der Angebotssituation /
Konkurrenzlage, die Preishöhe und die Gefahr von Sozialbestrafung. Alle diese
Produkteigenschaften verstärken tendenziell das wahrgenommene Risiko.
Das wahrgenommene Risiko lässt sich auf die möglichen negativen Folgen eines Fehlkaufs,
die Bedeutung dieser Folgen für das Individuum, sowie den subjektiven Erwartungswert
der Eintrittswahrscheinlichkeit der negativen Folgen zurückführen (Wiechmann 1995: 174).
Bei den möglichen Folgen kann man weiterhin z.B. zwischen ökonomischen, sozialen und
psychischen Folgen unterscheiden (Behrens 1991: 52). Eine einheitliche Kategorisierung des
Käuferrisikos findet sich jedoch in der Literatur nicht.80
Das Verhalten des Konsumenten zielt darauf ab, das wahrgenommene Risiko zu reduzieren.
Dabei unterscheiden sich Individuen in ihrer generellen Risikobereitschaft. Zur Minimierung
des wahrgenommenen Risikos haben sich verschiedene Strategien herausentwickelt
(Wiechmann 1995: 176 ff.). Generell dienen diese dazu, entweder die negativen Folgen eines
Produkterwerbs oder aber die Unsicherheit über deren Eintreten zu verringern. Die Unsicherheit kann u.a. durch Informationsbeschaffung reduziert werden: Ökonomische Risiken
werden dabei vor allem durch Information unabhängiger Dritter gemildert, soziale Risiken
durch den Austausch innerhalb resp. die Beobachtung der sozialen Referenzgruppe. Die am
häufigsten angewandte Strategie zur Minimierung der Unsicherheit ist jedoch die Markentreue (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 393 ff.). Sie ist allerdings beim Erwerb von Neu-Produkten nur bedingt anwendbar.81
Zur Reduktion der negativen Folgen eignet sich: (1) der Kauf von Kleinmengen oder eine iterative Einführung des Produktes, (2) die Aushandlung von Rückgaberechten und Garantien
und (3) eine Ausrichtung an Gütesiegeln.
79 Die Risikotheorie geht auf die Arbeiten von Bauer zurück (Bauer 1960).
80 Nolte (1967: 234) unterscheidet z.B. zwischen funktionalen und sozialpsychologischen Folgen,
Meffert (1989: 119) zwischen finanziellem und funktionalem, gesundheitlichem, sozialem und
psychischem Risiko.
81 Weiterhin wird häufig auch der Preis als Mass für Qualität herangezogen (Bänsch 1989: 66).
Design Patterns für digitale Produkte
89
Zusammenfassung
Im folgenden werden wie in den vorangegangenen Abschnitten die wesentlichen Erkenntnisse der Wahrnehmungsforschung in bezug auf die Gestaltung der Interaktionsprozesse
zwischen Kunde und Produkt zusammengefasst:
• Die Wahrnehmung (neuer) Produkte beruht auf dem bestehenden Wissensschatz und
insbesondere den Erfahrungen: Dies ist bei der Produktgestaltung, aber vor allem bei
der Kommunikation über das Produkt in der Awareness- und auch der Überzeugungsphase zu beachten.
• Häufig werden lediglich Schlüsselinformationen wahrgenommen. Auch dies wirkt sich
vorrangig auf das Design der Awarenessphase, aber auch auf die Darstellung des Produktes in der Überzeugungsphase, aus, bei der diese Schlüsselfaktoren dargestellt werden müssen.
• Individuen betrachten ein Produkt häufig unter dem Aspekt des wahrgenommenen
Risikos. Entsprechende Risikominderungsmassnahmen müssen im Zuge der Gestaltung der Abwicklungs-, Anwendungs-, und Kundenbetreuungsphase implementiert
und innerhalb der Entscheidungsphase kommuniziert werden.
C 2.2.1.4 Denken / Entscheidungsverhalten
Das Entscheidungsverhalten steht im Zentrum des Interesses der Konsumentenverhaltensforschung. Eine Entscheidung kann dabei, abhängig von der Reizkonstellation, den Produkteigenschaften und der persönlichen Prädisposition, mit mehr oder weniger kognitivem
Aufwand verbunden sein (Bänsch 1989: 68).
Sozialer Druck sowie Zeitdruck wirken einer intensiven kognitiven Auseinandersetzung mit
dem Produkt entgegen. Auch emotionale Reize können zu „unüberlegten“ Entscheidungen
führen (vgl. (Weinberg 1981)).
In bezug auf das Produkt konnte ein Zusammenhang mit den folgenden Eigenschaften festgestellt werden: Neuigkeitsgrad, Wert, Einkaufsfrequenz, sozialer Signalwert, Verwendungsdauer und Verwendungszweck. Nach Bänsch (1989: 71) besteht die Tendenz, „dass
neuartige, teure, selten gekaufte und/oder auffällige Güter sowie langlebige Gebrauchsgüter
und Geschenkartikel mit mehr Denkengagement gekauft werden als ihre jeweiligen Gegenpole.“
Die persönliche Prädisposition umfasst die Risikoneigung, die Neigung zu impulsiven
Handlungen, das Informationsbedürfnis und das Involvement (die Ich-Beteiligung). Dabei
führen eine geringe Risikoneigung, eine geringe Neigung zu impulsiven Handlungen, ein
hohes Informationsbedürfnis und ein hohes Involvement mit dem Produkt(erwerb) zu kognitiv aufwendigen Entscheidungsprozessen.
Die Entscheidungsprozesse werden häufig in vier Kategorien eingeteilt, die im folgenden
jeweils kurz beschrieben werden (vgl. (Bänsch 1989: 73; Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 348
ff.)):
1.
Extensive Kaufentscheidungsprozesse: Bei extensiven Kaufentscheidungen werden der
Nutzen und die Kosten (Risiken) des Produktes nach individuellen Kriterien vergli-
90
Inhaltliche Grundlagen
chen und einander gegenübergestellt. Der Nutzen wird dabei in der Regel auf bestimmte Produkteigenschaften zurückgeführt. Sowohl die Aufstellung der Beurteilungskriterien als auch deren Auswertung ist mit einem hohen persönlichen kognitiven Aufwand verbunden. Extensive Kaufentscheidungsprozesse erfolgen daher
häufig im Zusammenhang mit dem Erwerb von Produkten mit hoher Ich-Beteiligung oder hohem Neuigkeitsgrad.
2.
Begrenzte / vereinfachte Kaufentscheidungsprozesse: Vereinfachte Kaufentscheidungen
erfolgen aufgrund von Schlüsselinformationen oder unter Anwendung heuristischer Verfahren. Dieses Entscheidungsverhalten tritt vor allem bei Low-Involvement Produkten in reizarmen Situationen auf. Man beachte weiterhin, dass allein
schon die Beschränkungen der menschlichen Informationsverarbeitungskapazität
zur Anwendung vereinfachter Entscheidungsprozesse führen.
3.
Habitualisierte Kaufentscheidungen: Bei habitualisierten Kaufentscheidungen orientiert
sich der Kunde an vergangenen positiven Kauferfahrungen. Neben seinen eigenen
Erfahrungen kann er sich dabei auch auf die Erfahrungen anderer, insbesondere
seiner sozialen Umgebung, stützen.82 Habitualisiertes Kaufverhalten zeigt sich vor
allem beim Erwerb von problemlosen Gütern mit geringem Involvement.
4.
Impulsive Kaufentscheidungen: Impulsive Kaufentscheidungen werden durch eine
reizstarke Kaufsituation hervorgerufen. Der Kunde reagiert spontan auf bestimmte
Reize am Verkaufsort, ohne zuvor Informationen einzuholen und zu verarbeiten.
Man beachte, dass jedoch auch hier in der Nachkaufphase in der Regel kognitive
Prozesse stattfinden, in denen der Kunde seinen (Spontan-) Kauf zu rechtfertigen
versucht. Gelingt dies nicht, so führt dies bei Unzufriedenheit leicht zu einem Produkt- / Markenwechsel.
Bei den vier Entscheidungsprozessen werden insbesondere die sozialen Einflussfaktoren
noch wenig beachtet. Sie haben jedoch insbesondere beim Erwerb neuartiger oder auch
sozial auffälliger Produkte einen grossen Einfluss auf das Verhalten des Individuums.
Diese Aspekte werden in Abschnitt C 2.2.2 eingehend erläutert.
Zusammenfassung
Im folgenden werden die wesentlichen Erkenntnisse der Denk- und Entscheidungsforschung
noch einmal kurz zusammengefasst:
• In Abhängigkeit von der Reizkonstellation, den Produkteigenschaften und der
persönlichen Prädisposition ist die Kaufentscheidung mit mehr oder weniger kognitivem Aufwand verbunden.
• Bei kognitiv aufwendigeren Prozessen müssen dem Kunden in der Entscheidungsphase die entscheidungsrelevanten Informationen klar kommuniziert werden.
82 Dies wird auch als „Lernen am Modell“ bezeichnet und in Abschnitt C 2.2.2.2 ausführlich beschrie-
ben.
Design Patterns für digitale Produkte
91
• Spontankäufe können durch eine attraktive und zum Kauf animierende Präsentation
der Angebote unterstützt werden. Dies ist bei der Gestaltung der Awareness- sowie
der Entscheidungsphase zu beachten.
• Die Sichtbarkeit des Verhaltens des sozialen Umfeldes kann insbesondere bei neuartigen und sozial auffälligen Produkten die Entscheidung unterstützen. Dies wirkt sich
auf die Gestaltung des Produktes und insbesondere auf die Gestaltung der Vor- und
Nachkaufprozesse aus, mit denen die Transparenz der sozialen Akzeptanz durch
kommunikative Massnahmen erhöht werden sollte.
C 2.2.1.5 Lerntheorien
Lernen ist die Grundlage der Dynamik des Konsumentenverhaltens. In der Verhaltensforschung geht man davon aus, dass viele der das Konsumentenverhalten beeinflussenden
Konstrukte, wie Einstellungen, Motive, soziale Haltungen etc. nur z.T. angeboren sind und
stattdessen über die Zeit erlernt werden. Unter Lernen versteht man dabei „die Änderung in
der Verhaltensweise oder den Verhaltensmöglichkeiten des Individuums über die Zeit“
(Bänsch 1989: 74).
Beim Lernen wird generell zwischen (1) den Reiz-Reaktionstheorien, (2) den kognitiven Theorien und (3) den Theorien des sozialen Lernens unterschieden.83 Letztere sind nicht Gegenstand diesesAbschnittes. Sie werden als soziologische Ansätze ausführlich in Abschnitt
C 2.2.2 erläutert.
C 2.2.1.5.1 Reiz-Reaktionstheorien
Die Reiz-Reaktionstheorien beruhen auf den Annahmen des Behaviorismus, wonach das
Verhalten eines Menschen auf die direkte Reaktion auf äussere Reize zurückgeführt werden
kann.84 Reiz-Reaktionstheorien beschäftigen sich somit mit dem Zustandekommen der
Verbindungen zwischen Reizen und den gewohnheitsmässigen Reaktionen auf diese Reize.
Weiterhin werden hier die Prinzipien der Generalisierung und der Reizdiskriminierung untersucht. Bei der Generalisierung geht man davon aus, dass auf ähnliche Reize auch ähnlich
reagiert wird. Dies kann z.B. bei der Einführung eines (neuen) Produktes genutzt werden.
Die Diskriminierung bezieht sich auf das Erlernen der Unterscheidung zweier Reize, z.B. der
unterschiedlichen Wahrnehmung zweier Produkte.
Die wesentlichen Vertreter der Reiz-Reaktionstheorien sind die Methoden der klassischen
Konditionierung und die Methoden der operanden Konditionierung.
Klassische Konditionierung: Die klassische Konditionierung, auch als Lernen nach dem Kontiguitätsprinzip bezeichnet (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 328 ff.), basiert auf der
83 siehe z B. (Behrens 1995: 1407 ff.; Hilgard & Bower 1973: 22 ff.; Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 324
ff.).
84 Der Behaviorismus geht insbesondere auf die Arbeiten von Skinner (1973) zurück.
92
Inhaltliche Grundlagen
Konditionierung eines neutralen Reizes mit Hilfe bereits bestehender Reiz-Reaktions-Schemata. Dabei wird durch das räumlich und zeitlich gemeinsame Auftreten der beiden Reize
auch der anfänglich unkonditionierte Reiz auf die Folgereaktion hin konditioniert.85 Diese
Theorie geht auf die Arbeiten von Pavlov (1927) zurück.
Operande Konditionierung:86 Im Gegensatz zur klassischen Konditionierung bedarf die operande Konditionierung, auch als Lernen nach dem Verstärkungsprinzip bezeichnet (KroeberRiehl & Weinberg 1996: 330 ff.), der aktiven Beteiligung des Lernenden. Das Lernen beruht
dabei auf der wahrgenommenen Wirkung eines gezeigten (Problemlösungs-) Verhaltens.
Positive (negative) Wirkungen werden als Belohnung (Bestrafung) empfunden und fördern
(vermindern) die Wiederholung des erfolgreichen (erfolglosen) Verhaltens.87 Die Bewertung
des Verhaltens kann dabei sowohl vom Individuum selbst als auch vom sozialen Umfeld
vorgenommen werden.88
C 2.2.1.5.2 Kognitive Lerntheorien
Das Erklärungspotential der einfachen Reiz-Reaktionstheorien ist beschränkt. Komplexes
Lernen erfordert die kognitive Leistung des Menschen. Kognitive Lerntheorien gehen daher
davon aus, dass das menschliche Verhalten durch die Anwendung des im Gedächtnis gespeicherten Wissens gesteuert wird, das dort in Form von Schemata (deklaratorisches Wissen) und Skripten (prozedurales Wissen) abgelegt ist (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 232
ff.; Kuss & Tomczak 2000: 23 ff.). Lernen erfordert die Einordnung neuer Sachverhalte in die
gespeicherten Schemata (und Skripten) sowie die Erweiterung und gegebenenfalls Anpassung dieser Schemata (Lindsay & Norman 1981). Lernen fällt daher umso leichter, je
kompatibler neue Eindrücke mit dem gespeicherten Wissen sind. Schemaveränderungen
und –anpassungen erfordern eine hohe kognitive Leistung. Die Bereitschaft zu den damit
verbunden geistigen Anstrengungen hängt wesentlich vom Involvement des Kunden ab.
Weniger involviert Menschen lernen daher vorrangig durch die wiederholte Präsentation
einfacherer und weniger radikaler Informationen und Sachverhalte. High-Involvement und
Low-Involvement Lernen unterscheiden sich weiterhin in der Art der aufgenommenen Information. Engagierte Kunden sind vorrangig an sachlichen Informationen interessiert, die
ihnen z.B. die Beurteilung des Produktes ermöglichen. Weniger involvierte Kunden nehmen
derartige Informationen dagegen kaum wahr und werden stattdessen eher durch periphere
Informationen, wie der Glaubwürdigkeit und der Attraktivität der Darstellung beeinflusst.
85 Die Rekationen haben dabei zumeist einen emotionalen Charakter und wirken auf diese Weise
aktivierend.
86 Das Verstärkungsprinzip wurde bereits 1913 von Thorndike als Effektengesetz in die Lerntheorie
eingeführt (s. auch (Thorndike 1969)).
87 Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass der Einsatz von Bestrafungen weniger effektiv ist
als der Einsatz von Belohnungen (Skinner 1973: 70 ff.).
88 Bei letzterem spricht man auch von sozialem Lernen (Bandura 1977). Es wird in Abschnitt C 2.2.2.2
näher erläutert.
Design Patterns für digitale Produkte
93
Besonders effektiv ist dabei der Einsatz von Bildern. Sie werden weitgehend automatisch
aufgenommen und entziehen sich somit der kognitiven Kontrolle.89
Beim gespeicherten Wissen unterscheidet man zwischen aktivem und passivem Wissen. Passives Wissen wird lediglich wiedererkannt, aktives Wissen kann dagegen aktiv hervorgerufen und im Zuge von Entscheidungen eingesetzt werden.90 Durch eine geeignete Gestaltung
des Produktes können diese passiven Wissensbestände aktiviert und dadurch insbesondere
die Anwendung des Produktes erleichtert werden.
C 2.2.1.5.3 Zusammenfassung
Die wesentlichen Erkenntnisse der Lerntheorien werden im folgenden kurz zusammengefasst:
• Das Verhalten des Menschen wird weitgehend durch seinen Wissensstand gesteuert.
Dieser ist erlernt und kann somit durch geeignete Massnahmen beeinflusst werden.
• Nach dem Prinzip der Generalisierung lösen ähnliche Reize ähnliche Reaktionen aus.
Dies kann bei der Einführung eines neuen Produktes ausgenutzt werden. Dabei muss
jedoch weiterhin gewährleistet werden, dass die Diskriminierung ähnlicher Produkte
gewährleistet ist. Diese Faktoren stellen somit Anforderungen sowohl an die Gestaltung des Produktes als auch an die Kommunikation des Produktes in der Wissensresp. Awarenessphase.
• Lernen geht mit der Einordnung und Anpassung der gespeicherten Wissensschemata
einher. Die Konsistenz neuen Wissens mit bestehenden Wissensbeständen verringert
den Lernaufwand. Dieser Aspekt ist somit bei der Gestaltung des Produktes (und der
Erwerbsprozesse) sowie der Wissensvermittlung über das Produkt (und den Erwerbsprozess) zu beachten.91
• Passives Wissen kann durch Informationen, die mit dem Produkt mitgeliefert und
angezeigt werden, hervorgerufen und aktiviert werden. Dies verringert die vom
Nutzer geforderte Gedächtnisleistung.
C 2.2.2 Soziologische Ansätze
Der Mensch ist in ein Gemeinschaftswesen und als solches in ein soziales Umfeld eingebunden, das seine Motive, Einstellungen, Wahrnehmungen, sein Denken und sein Entscheidungsverhalten sowie auch seine Lernprozesse beeinflusst. Daher müssen bei der Erklärung
des Konsumentenverhaltens die Auswirkungen dieser sozialen Einflüsse berücksichtigt
werden. Im folgenden werden die drei zentralen Erklärungsmodelle, das (Referenz-) Grup89 Die gedankliche Entstehung, Verarbeitung und Speicherung innerer Bilder bezeichnet man als
Imagery (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 344).
90 Man spricht hier auch vom aktiven „Recall“ und der passiven „Recognition“ von Wissen.
91 Norman (1998a: 188) fordert hier eine bestmögliche Übereinstimmung des konzeptuellen Modells
des Produktes und des konzeptuellen Modells vom Produkt in den Köpfen der Anwender.
94
Inhaltliche Grundlagen
penmodell, das Meinungsführerkonzept und die Diffusionstheorie, näher erläutert.92 Die
wesentlichen Erkenntnisse für die Gestaltung der Interaktionsprozesse werden wiederum
am Ende jedes Abschnittes kurz zusammengefasst.
C 2.2.2.1 Gruppenforschung, Rollentheorie und Referenzgruppenmodell
Das soziale Umfeld des Menschen ist in Gruppen eingeteilt, gegenüber denen sich der Einzelne positioniert, d.h. denen er (nicht) angehört oder (nicht) angehören möchte und die somit einen mehr oder weniger starken Einfluss auf ihn ausüben. Eine Gruppe ist definiert als
„eine Mehrzahl von Personen, die in wiederholten und nicht nur zufälligen wechselseitigen
Beziehungen zueinander stehen“ (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 433). Sie ist charakterisiert durch bestimmte Regeln resp. Normen und Rollenstrukturen, die den Bestand der
Gruppe sichern sollen. Normen umfassen die „Auffassungen der Gruppenmitglieder, [die
bestimmen,] wie das Verhalten der einzelnen Gruppenmitglieder in den einzelnen Situationen sein sollte“ (Bänsch 1989: 83).93 Rollen definieren dabei spezielle Verhaltensvorstellungen, die mit bestimmten Positionen innerhalb der Gruppe verbunden sind. Ihnen sind bestimmte Rechte und Pflichten zugeordnet, die von den Rollenträgern einzuhalten sind (vgl.
(Sader 1969)). Die Durchsetzung der Konformität des Einzelnen mit der Normen- und
Rollenstruktur einer Gruppe basiert zumeist auf einem System positiver und negativer
Sanktionen. Unterschiedliche Erwartungen an eine Rolle innerhalb einer Gruppe oder auch
an verschiedene Rollen in unterschiedlichen Gruppen, die von ein und derselben Person
eingenommen werden, können zu Rollenkonflikten führen. Diese werden zumeist entweder
durch ein Abwägen der mit der Zuwiderhandlung der sich widersprechenden Rollenerwartungen verbundenen Sanktionen oder aber durch Priorisierungen der Rollen und Erwartungen aufzulösen versucht.
Gruppen können nach verschiedenen Kriterien kategorisiert werden: Nach der Art der interpersonalen Beziehungen differenziert man Primärgruppen von Sekundärgruppen, nach
der Gruppenzugehörigkeit und ihrem Einfluss Mitgliedschaftsgruppen von Bezugsgruppen
(Kruse 1972). Primärgruppen zeichnen sich durch ihre „geringe Grösse, engen Kontakt und
‚Wir-Gefühle’ als Ausdruck der psychologischen Nähe der Mitglieder und ihrer emotionalen
Bindung“ aus (Bänsch 1989: 85). Die zentrale Primärgruppe ist die Familie. Bei
Sekundärgruppen basiert die Gruppenzugehörigkeit vorrangig auf rationalen Gründen im
Sinne gemeinsamer Ziele. Beispiele sind Parteien und Verbände. Mitgliedschaftsgruppen beruhen auf der formalen oder informalen Zugehörigkeit ihrer Mitglieder. Bezugsgruppen de-
92 Weiterhin hat auch das situative Umfeld sowie die kulturelle Einbettung des Menschen starke Aus-
wirkungen auf das menschliche Verhalten. Die Betrachtung dieser weiterführenden Aspekte
würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Für eine detaillierte Übersicht über diesbezügliche Forschungsansätze sei z.B. auf (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996) verwiesen.
93 In Anlehnung an (Homans 1972: 72) und (Mills 1969: 109).
Design Patterns für digitale Produkte
95
finieren sich dagegen durch ihren Einfluss auf die Einstellungen und das Verhalten eines Individuum. Bezugsgruppen sind daher für diese Arbeit von zentraler Bedeutung.94
In bezug auf das Verhalten des Konsumenten haben Bezugsgruppen grundsätzlich zwei
Funktionen: Sie dienen (1) als Vergleichsfunktion und bestimmen (2) die Normen, an die sich
der Einzelne gebunden fühlt (Mann 1972: 65 ff.). Die Bezugsgruppe ermöglicht dem Individuum die Einschätzung und Rechtfertigung seiner eigenen Ziele und seines Verhaltens. Die
Normen der Bezugsgruppe steuern dagegen sein Verhalten. Weiterhin unterscheidet man
zwischen positiven und negativen Bezugsgruppen. Positive Bezugsgruppen dienen als Vorbilder. Der Einzelne strebt durch die Einhaltung der Gruppennormen eine Mitgliedschaft in
diesen Gruppen an. Negative Bezugsgruppen dienen dagegen als Negativbeispiele, von denen sich der Einzelne durch sein Verhalten distanzieren möchte.
Der Einfluss einer sozialen Gruppe auf das (Kauf-) Verhalten des Individuums hängt sowohl
von den Charakteristika des Produktes als auch von der persönlichen Prädisposition des Individuums ab. Bei auffälligen Leistungen, deren Konsum von den Mitgliedern der Gruppe
beobachtet werden kann, ist der Einfluss der Gruppe höher (Bourne 1972). Gleiches gilt für
neuartige Produkte. Die Gruppe beeinflusst das Verhalten des Individuums, indem sie zum
einen als Informationslieferant und auch –filter und zum anderen als Massstab des erwarteten Verhaltens dient. Dabei spielen bei vielen Produktentscheidungen die sozialen Risiken,
die mit der Akzeptanz eines Produktes innerhalb der Gruppe verbunden sind, eine grössere
Rolle als die ökonomischen Risiken. Bezüglich der persönlichen Prädisposition konnte vor
allem ein Zusammenhang mit dem sozialen Status festgestellt werden. Dabei orientieren sich
Individuen von geringerem sozialen Status prinzipiell stärker an ihren jeweiligen Bezugsgruppen, als dies bei Individuen mit höherem sozialen Status der Fall ist.95
Das Konstrukt der Bezugsgruppen wird dabei häufig über das enge Gruppenverständnis
hinaus erweitert. Es umfasst weiterhin Einzelpersonen, soziale Kategorien (den sozialen
Status) oder imaginäre Gruppen (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 435).
Zusammenfassung
Die wesentlichen Erkenntnisse der Rollentheorie und der Referenzgruppenmodelle werden
im folgenden kurz zusammengefasst:
• Das menschliche Verhalten wird entscheidend durch die Zugehörigkeit zu sozialen
Gruppen bestimmt. Der Einzelne ist bestrebt, sich konform zu der ihm zugeordneten
Rolle sowie zu den Gruppennormen zu verhalten. Bei der Gestaltung neuer Produkte
müssen diese Richtlinien für das menschliche Verhalten berücksichtigt werden.
• Das Streben nach der Zugehörigkeit zu einer Gruppe kann jedoch auch genutzt werden, um den Einzelnen zur Nutzung eines Produktes zu motivieren: Die Anwendung
94 Man beachte, dass Bezugsgruppen nicht mit Mitgliedschaftsgruppen übereinstimmen müssen.
95 Wie wir in Abschnitt C 2.2.2.3 noch einmal aufzeigen werden, spielen hier zudem Persönlichkeits-
merkmale, wie das Selbstvertrauen eine entscheidende Rolle.
96
Inhaltliche Grundlagen
des Produktes kann innerhalb der Gruppe erwartet werden oder die Zugehörigkeit zur
Gruppe resp. den sozialen Status innerhalb einer Gruppe ausdrücken. Die Ausbildung
derartiger Assoziationen können durch Werbebotschaften, durch die Gestaltung des
Produktes sowie insbesondere durch die Sichtbarkeit der Anwendung des Produktes
innerhalb der Bezugsgruppe gefördert werden.96
C 2.2.2.2 Meinungsführerkonzepte, mehrstufige Kommunikation und soziales Lernen
Im vorangegangenen Abschnitt wurde erläutert, wie das Verhalten von Individuen insbesondere durch seine Bezugsgruppe beeinflusst wird. Die einzelnen Mitglieder einer Gruppe
unterscheiden sich in ihrem Einfluss auf die Meinungsbildung und Informationsverbreitung
innerhalb der sozialen Gruppe. Diesbezüglich dominante Mitglieder haben den Rang von
Meinungsführern. Sie nehmen eine Schlüsselposition innerhalb der Gruppe ein. Kennzeichnend für Meinungsführer sind ihr hoher Grad an sozialer Integration sowie das hohe Ansehen, das sie innerhalb der Gruppe geniessen (Bänsch 1989: 91).
Meinungsführer übernehmen innerhalb der sozialen Gruppe die Informationsübermittlungsfunktion, die Verstärkerfunktion sowie die „Gate Keeper“ Funktion. Sie dienen somit als
„Relais“, das Informationen an die Mitglieder der sozialen Gruppe weiterleitet. Durch die
von ihnen vorgenommene „Filterung“ der Information kontrollieren sie weiterhin, mit welchen Themen sich die Gemeinschaft beschäftigt (vgl. bspw. (Nieschlag et al. 1994: 571)). Zudem beeinflussen sie die Wahrnehmung und die Wirkung neuer Informationen innerhalb
der Gemeinschaft. Meinungsführer transformieren die Information in eine Sprache, die von
den Gruppenmitgliedern verstanden wird und mit deren Normen und Werten übereinstimmt. Sie haben insbesondere durch ihre Anerkennung in der Gruppe einen besonderen
Einfluss auf die Einstellungsbildung der Gruppenmitglieder. Dabei hat sich gezeigt, dass die
Meinungsführerschaft zumeist themenbezogen ist. Ein Meinungsführer wird daher lediglich
für bestimmte Themenstellungen als richtungsweisend angesehen (Katz 1973: 99 ff.).
Die Wirkung von Meinungsführern beruht abgesehen von ihrer sozialen Anerkennung auf
ihrer sozialen Integration in die Gruppe und somit ihrer geringen sozialen Distanz zu den
anderen Gruppenmitgliedern. Man spricht hier auch von der Homophilie zwischen Meinungsführern und der Gruppe resp. den Gruppenmitgliedern. Homophilie misst dabei die
Ähnlichkeit zweier Individuen in bezug auf deren Glaubenssätze, Werte, Sprache, etc.
(Lazarsfeld & Merton 1964). Kommunikation tritt vor allem zwischen homophilen Partnern
auf. Dies liegt darin begründet, dass die Kommunikation aufgrund des gemeinsamen Verständnisses effizienter abläuft.97
96 Weiterhin kann auch durch eine entsprechende Preis- und Produktpolitik das „Image“ des Produk-
tes geformt werden.
97 Dabei handelt es sich um einen selbstverstärkenden Prozess, im Zuge dessen relativ geschlossene
homophile (Kommunikations-) Gruppen gebildet werden.
Design Patterns für digitale Produkte
97
Das Konstrukt der Meinungsführerschaft induziert einen zweistufigen Kommunikationsprozess, bei dem Informationen zunächst von den Meinungsführern aus externen Quellen
aufgenommen werden, die dann von ihnen aus in die soziale Gruppe diffundieren.
„Ideas often flow from radio and print to opinion leaders and from these to the less active sections
of the population.“ (Lazarsfeld et al. 1944: 284)
Dieses Kommunikationsmodell geht auf empirische Studien u.a. von Lazarsfeld zurück. Es
löste das bis dato vorherrschende Modell der einstufigen Kommunikation durch Massenmedien, auch als „hypodermic needle model“ bezeichnet, ab (Katz & Lazarsfeld 1955).
Empirische Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass das Modell eines strikt zweistufigen
Kommunikationsprozesse ebenfalls nicht haltbar ist. Dies führte zu zahlreichen Erweiterungen des Konzeptes. Eines der bekanntesten Modelle ist das von Troldahl entwickelte Modell
der „two cycle flow of communication”. Er unterscheidet dabei strikt zwischen Informationsfluss und Beeinflussung. Einfache Lernprozess können durch Massenmedien initiiert werden, während die Veränderung von Einstellungen und Verhaltensweisen einer Vermittlung
durch Meinungsführer bedarf (Troldahl 1966).
Darüberhinaus wurde festgestellt, dass es sich bei Kommunikation in der Regel nicht um einen richtungsstabilen (ein- oder) zweistufigen Prozess handelt, sondern um ein Kommunikationsgeflecht, bei dem sich Meinungsführer verschiedenen Grades untereinander sowie
mit Gefolgsleuten austauschen (Wiswede 1978: 120 ff.). Kommunikation darf somit nicht als
ein einfaches Aussenden von Informationen verstanden werden, sondern als interaktiver
Prozess, im Zuge dessen das Wissen und die Einstellung aller Beteiligten angepasst werden.
Weiterhin gibt es auch Individuen, die nicht oder nur schwach in soziale Gruppen eingebunden sind oder sich nicht von Meinungsführern beeinflussen lassen. Sie werden am ehesten durch Massenmedien oder direkte Vertreter der Produkte und Anbieter erreicht.
Meinungsführern repräsentieren die Meinung ihres sozialen Umfeldes und nehmen dabei
eine Vorbildfunktion ein. Die Mitglieder der Referenzgruppe orientieren sich an ihnen und
imitieren ihr Verhalten. Diese Verhaltensanpassung wird als „soziales Lernen“ bezeichnet.
Die zugehörige „Social Learning Theory“ ist ein sozialpsychologischer Ansatz, der Lernen
nicht als individuellen kognitiven Prozess, sondern als einen sozialen Prozess betrachtet
(Bandura 1977). Lernen beruht somit auf der Beobachtung anderer (der sozialen Bezugsgruppe resp. der Meinungsführer innerhalb der sozialen Bezugsgruppe). Dabei wird das
Verhalten jedoch nicht exakt kopiert. Stattdessen extrahiert der Beobachter die für ihn essentiellen Komponenten des beobachteten Verhaltens und passt sie bei der Übernahme an seine
eigenen Bedürfnisse an. Das Verhalten der Bezugspersonen oder –gruppen kann dabei auch
über Massenmedien vermittelt werden.
Die Wirkung des Imitationslernens kann generell auf zwei Wirkungsschemata zurückgeführt werden: (1) Zum einen erhofft sich das Individuum, durch die Imitation des Verhaltens
einer bestimmten Bezugsperson dem von dieser repräsentierten Ideal näher zu kommen und
somit mit diesem Vorbild „identisch“ zu werden. (2) Zum anderen verspricht sich das Individuum durch die Imitation des Verhaltens eine „Belohnung“. Sein Vorbild zeigt ihm den
98
Inhaltliche Grundlagen
Weg zu erfolgreichem Handeln auf. Beide Wirkungsschemata beruhen somit darauf, dass
das Verhalten des Vorbildes als Referenzwert angenommen und angestrebt wird.
Zusammenfassung
Die wesentlichen Erkenntnisse der soeben beschriebenen Konzepte werden im folgenden
kurz zusammengefasst:
• Die Wirkung von einstufiger Kommunikation ist beschränkt. Insbesondere die Ausbildung von Einstellungen beruht vorrangig auf der Kommunikation innerhalb der sozialen Gruppe.
• Eine besondere Rolle nehmen Meinungsführer ein, die Informationen in die soziale
Gruppe hineintragen und in eine Sprache übersetzen, die von den Mitgliedern verstanden wird.
• Der Erfolg der Kommunikation ist positiv korreliert mit der Homophilie der
Kommunikationspartner. Daher ist die Kommunikation innerhalb eines sozialen
Netzwerkes besonders effizient.
Diese Punkte sind vor allem bei der Gestaltung der Awarenessphase, Überzeugungsphase
und der Entscheidungsphase zu beachten. Es sollte daher versucht werden, die interpersonelle Kommunikation innerhalb der Gruppe anzuregen. Der Aspekt der Homophilie sollte
darüberhinaus bei der Gestaltung der Anwendungsphase und der Phase der Kundennachbetreuung beachtet werden. Dort können sich die Nutzer eines Produktes bei der Anwendung des Produktes gezielt unterstützen.
• Lernen ist z.T. ein sozialer Prozess, bei dem das Verhalten anderer Mitglieder,
insbesondere der Meinungsführer, imitiert wird. Die Sichtbarmachung des Verhaltens
– angesehener – Vertreter der Community fördert somit die Übernahme des von diesen
gezeigten Verhaltens und der zugehörigen Einstellungen. Auch dies ist bei der Gestaltung insbesondere der dem Kauf vor- und nachgelagerter Phasen zu beachten
C 2.2.2.3 Diffusionstheorie – Innovator versus Imitator
Die Diffusionstheorie interessiert sich für das Käuferverhalten in bezug auf die Einführung
und Adoption von Neuprodukten und Innovationen. Diese Kaufsituationen sind aufgrund
des Neuigkeitsgrades mit Unsicherheit und somit mit hohen ökonomischen, psychischen
und sozialen Risiken verbunden (Rogers 1995: 6).
Diffusion bezeichnet dabei den Prozess der Ausbreitung innovativer Ideen, Produkte etc. in
einem sozialen System.
„Diffusion is the process by which an innovation is communicated through certain channels over
time among the members of a social system.“ (Rogers 1995: 5)
Diffusion basiert nach dieser Definition auf kommunikativen Austauschbeziehungen. Dabei
spielen die interpersonelle Kommunikation und das soeben eingeführte Prinzip der Meinungsführerschaft und der mehrstufigen Kommunikation eine entscheidende Rolle. Viele
der in den vorangegangenen Abschnitten dargelegten Konzepte werden daher im Zuge der
folgenden Ausführungen wieder aufgegriffen und in den Kontext des Diffusionsprozesses
eingegliedert.
Design Patterns für digitale Produkte
99
Beim Diffusionsprozess werden prinzipiell zwei verschiedene Typen von Menschen unterschieden: die Innovatoren und die Imitatoren. Die verschiedenen Diffusionsmodelle unterscheiden sich dabei in ihrem Verständnis der beiden Verhaltenstypen. Als die beiden wichtigsten Vertreter werden im folgenden das zeitbezogene Modell von Rogers (1995) und das
verhaltensbezogene Modell von Bass (1969) betrachtet.
Rogers teilt die Zielgruppe nach dem Zeitpunkt der Übernahme der Innovation, d.h. der
Adoption, in fünf Gruppen ein: (1) die Innovatoren, (2) die frühen Anwender, (3) die frühe
Mehrheit, (4) die späte Mehrheit und (5) die Unentschlossenen. Sie werden somit durch den
Zeitpunkt der Übernahme einer Innovation bestimmt (Rogers 1995: 261 ff.). Gemäss dieser
Aufteilung sind Meinungsführer jedoch nicht der Kategorie der Innovatoren, sondern derjenigen der frühen Anwender zuzuordnen. Diese sind im Gegensatz zu den sozial häufig eher
isolierten Innovatoren stark in das soziale Umfeld integriert und teilen insbesondere die
Werte und Vorstellungen ihres sozialen Umfeldes. Bass (1969) unterscheidet lediglich die
beiden Typen Innovatoren und Imitatoren auf der Grundlage des von ihnen gezeigten Verhaltens. Innovatoren zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Verhalten kaum von ihrem sozialen
Umfeld bestimmt wird. Im Gegensatz dazu richten sich Imitatoren sehr stark nach dem Verhalten ihrer Bezugsgruppen (repräsentiert durch Meinungsführer).
„Innovators [...] decide to adopt an innovation independently of the decision of other individuals
in a social system. Imitators […] are influenced in the timing of adoption by the decision of other
members of the social system.” (Bass 1969: 216)
Imitatorisches Verhalten kann somit prinzipiell zu jedem Zeitpunkt des Diffusionsprozesses
auftreten.98
Im Folgenden wird das Verhalten von Imitatoren näher erläutert. Im Zentrum der Betrachtung stehen die Faktoren, die das imitatorische Verhalten beeinflussen sowie die Möglichkeiten zur kommunikativen Steuerung dieser Faktoren. Dabei wird das Begriffsverständnis
von Bass zu Grunde gelegt.
Imitatorisches Verhalten beruht grundsätzlich auf der Beobachtung des sozialen Umfeldes.
Die zentralen Einflussgrössen sind dabei (1) die über soziale Kontakte vermittelte Information, (2) der verfügbare Erfahrungsfundus und (3) der durch die Bezugsgruppe ausgeübte
Übernahmedruck (Pechtl 1991: 42):
1.
Informationsübernahme: Während Innovatoren ihre Informationen vorrangig aus den
Massenmedien oder durch direkte Kommunikation mit Vertretern der Anbieter,
den sogenannten Change Agents, beziehen, informieren sich Imitatoren vorrangig
durch interpersonelle Kommunikation innerhalb des sozialen Umfeldes. Bei den
Kommunikationsinhalten kann unterschieden werden zwischen (1) persönlichen Erfahrungen, (2) Ratschlägen, die auch von Nicht-Adoptoren stammen können und
(3) Produktneuigkeiten, die grundsätzlich auf die Existenz eines Produktes aufmerksam machen (Richins 1988: 33).
98 Für Weiterentwicklungen des Bass-Modells siehe (Pechtl 1991: 20 ff.).
100
Inhaltliche Grundlagen
Diese Informationen, vor allem die der Kategorien (1) und (2), verringern die Unsicherheit bezüglich der Bedeutung und den Folgen eines Produktes. Je nach Vorzeichen der Information, d.h. einer positiven oder negativen Beurteilung, wirken sie
sich fördernd oder hemmend auf die Adoptionsentscheidung der Imitatoren aus.
Darüberhinaus liefert die hier übermittelte Information aber auch wertvolle Hinweise für die zielgerichtete Anwendung des Produktes und erleichtert somit die
praktische Einführung der Innovation.
Diese Informationen können über interpersonelle Kommunikation und je nach Art
des Produktes durch Beobachtung des sozialen Umfeldes übermittelt werden. Weiterhin können sie jedoch auch indirekt durch Massenmedien oder Vertreter kommuniziert werden.99
2.
Erfahrungsfundus: Der Erfahrungsfundus misst die Menge der Erfahrungen, die im
sozialen Umfeld mit der Innovation bereits gemacht wurden. Erfahrungen dienen
als Grundlage für Strategien zur Reduktion des mit der Einführung einer Innovation verbundenen Risikos. Wie bereits in Abschnitt C 2.2.1.3 erläutert wurde, kann
hier grundsätzlich zwischen ökonomischem (sowie technischem), sozialem und
psychischem Risiko unterschieden werden. In diesem Abschnitt wurden ebenfalls
zentrale Strategien zur Verminderung des wahrgenommenen Risikos erläutert.
Aufgrund des Neuigkeitsgrades des Produktes sind die Strategien der Markentreue
und des gewohnheitsmässigen Verhaltens zumindest auf Produktebene nicht anwendbar. Wirksam sind jedoch die Strategien der Risikominderung basierend auf
dem Ausprobieren des Produktes, Garantien oder einem kulanten Rückgaberecht
sowie auf einer intensiven Informationssuche (s. Punkt 1). Weiterhin kann die sogenannte Strategie des „sinnvollen Wartens“ verfolgt werden. Gemäss dieser Strategie
wartet das Individuum so lange mit der Übernahme eines Produktes, bis sich dessen Vorteilhaftigkeit durch eine breite Übernahme innerhalb des sozialen Umfeldes
erwiesen hat (Rogers 1995: 171). Imitatoren unterscheiden sich dabei in der
Toleranzschwelle bezüglich der von ihnen tolerierten Unsicherheit.
Der Erfahrungsfundus, d.h. die Gesamtheit der im sozialen System gemachten Erfahrungen mit einem Produkt, verringert somit (mit zunehmender Verbreitung des
Produktes) die mit der Übernahme eines Produktes verbundene Unsicherheit und
erhöht somit die Glaubwürdigkeit der Erfahrungen.
Der Erfahrungsfundus spiegelt sich direkt im Verbreitungsgrad des Produktes wider und kann somit durch interpersonelle Kommunikation, durch Massenmedien
und bei beobachtbaren Produkten durch reine Beobachtung kommuniziert werden.
3.
Übernahmedruck: Mit zunehmender Übernahme eines Produktes im sozialen Umfeld
steigt der Übernahmedruck auf Imitatoren. Pechtl (1991: 53) unterscheidet dabei
99 Wie in Abschnitt C 2.2.1.2 erläutert wurde, hängt die Wirkung der Kommunikation mit der Glaub-
würdigkeit und Attraktivität der Kommunikatoren zusammen.
Design Patterns für digitale Produkte
101
zwischen dem ökonomischen und dem sozialen Druck auf das Individuum. Der
ökonomische Druck ergibt sich durch die Gefahr einer Schwächung der eigenen
Marktposition bei verzögerter Übernahme einer lukrativen Innovation. Ökonomischer Druck tritt vorrangig im Unternehmenskontext auf. Er ist somit für das hier
betrachtete Segment der Endverbraucher weniger entscheidend. Dort spielt der soziale Druck die wesentliche Rolle. Der sich darin widerspiegelnde normative Einfluss der sozialen Gruppe kann weiter in den „value-expressive“ Einfluss und den
„utilitarian“ Einfluss unterschieden werden (Bearden W.O. & Etzel 1982: 184): Der
„value-expressive“ Einfluss beruht darauf, dass das Verhalten der Gruppe als erstrebenswertes Vorbild dient, dem das Individuum gleichkommen möchte. Der
„utilitarian“ Einfluss basiert auf der Angst des Individuums vor einem Ausschluss
aus der Gemeinschaft resp. vor einer geringen Akzeptanz innerhalb der sozialen
Gruppe (vgl. auch Ausführungen in den Abschnitten C 2.2.2.1 und C 2.2.2.2). Eng
mit dem sozialen Druck verbunden ist der Prestige-Wert eines Produktes. Er misst
den subjektiven Wert eines Produktes innerhalb der Bezugsgruppe. Ein hoher Prestigewert erhöht somit die Adoptionsbereitschaft eines Imitators.
Wie der Erfahrungsfundus spiegelt sich der Druck direkt im Verbreitungsgrad wider. Er kann daher durch interpersonelle Kommunikation, durch Beobachtung aber
auch durch massenkommunikative Massnahmen verbreitet werden.
Bei Innovatoren beruht die Adoption einer Innovation vorrangig auf der persönlichen Einschätzung des Produktes sowie – wenn möglich – den eigenen Erfahrungen mit dem Produkt. Dabei spielen insbesondere Kosten-Nutzen Abschätzungen sowie die wahrgenommenen ökonomischen und psychischen Risiken eine Rolle. Neben den Kosten für den Erwerb
des Produktes entstehen ebenfalls Kosten für den Aufbau des notwendigen Konsumentenwissens (und insbesondere im Unternehmenskontext weiterhin für die Integration in die bestehende Problemlösungslandschaft). Das Entscheidungsverhalten entspricht somit vorrangig den in Abschnitt C 2.2.1.4 erläuterten extensiven Kaufentscheidungsprozessen.
Innovatives und imitatives Verhalten lassen sich zumindest teilweise auf die soziodemographischen, psychographischen und situativen Eigenschaften des Individuums und der Kaufsituation zurückführen (Pechtl 1991: 85 ff.): Generell sind ein hohes Selbstvertrauen und eine
hohe Risikobereitschaft positiv mit innovativem Verhalten korreliert. Ein hohes Involvement
mit der Produktentscheidung verstärkt die Tendenz zu einem rationalen und somit eher innovativen Entscheidungsverhalten. Auch das Fachwissen erleichtert das Treffen persönlicher
Entscheidungen und fördert somit innovatives Verhalten. Die soziale Stellung verringert den
sozialen Gruppendruck und somit die Tendenz zu imitativem Verhalten. Schliesslich kann
jedoch auch trotz einer positiven Einstellung gegenüber einem Produkt die Adoption durch
situative Einflüsse, wie fehlende finanzielle Mittel (für den Erwerb des Produktes, aber auch
für die Aneignung des benötigten Produktwissens), eine Adoption verhindern oder verzögern.
Bei der Betrachtung des Adoptions- und Diffusionsprozesses wurde vorrangig das Entscheidungsverhalten, d.h. die Vorkaufsphase des Adoptionsprozesses betrachtet. Entscheidend
für die auch langfristige Übernahme eines Produktes ist jedoch insbesondere die richtige
102
Inhaltliche Grundlagen
Anwendung des Produktes. Dazu muss der Kunde über das nötige Konsumentenwissen verfügen (Witt 2001). Hier können die Erfahrungen anderer Kunden die Anwendung des
Produktes erleichtern. Eine zentrale Wissensquelle bilden jedoch die Hersteller des Produktes resp. deren Vertreter. Sie verfügen im Gegensatz zu den meisten Anwendern über spezifisches Fachwissen. Sie sind weiterhin insbesondere zu Beginn des Adoptionsprozesses von
Bedeutung, wenn noch wenig Erfahrungswissen vorliegt.100
Weiterhin kann auch das Produkt selbst Hinweise insbesondere über seinen Gebrauch geben
und den Nutzern somit die Anwendung erleichtern. Digitale Medien und Produkte bieten
weitreichende Möglichkeiten, die Anwendung zu unterstützen und die beiden Aspekte der
Kommunikation über das Produkt und der Kommunikation durch das Produkt zu verknüpfen.
Abschliessend soll daher noch auf diejenigen Eigenschaften des Produktes eingegangen
werden, die sich auf den Adoptionsprozess des Produktes auswirken können. Dabei wird
auch jedes Mal herausgestellt, ob sich die Eigenschaft primär auf innovatives oder imitatives
Konsumentenverhalten auswirkt. Die folgende Einteilung geht dabei auf Rogers (1995: 204
ff.) zurück. Sie ist das Resultat der Analyse langjähriger Arbeiten in der Diffusionsforschung:
• Relativer Vorteil: Der relative Vorteil einer Innovation misst den Nutzen, den ein Produkt für das Individuum relativ zu den eingesetzten Kosten und Risiken erbringt.
Vorteile umfassen dabei neben ökonomischen Aspekten, wie Geld-, Zeit-, und Aufwandsersparnis, Faktoren wie die Bequemlichkeit, die Zufriedenheit, aber auch das
mit einem Produkt verbundene soziale Prestige eines Produktes (Rogers 1995: 15).101
Der relative Nutzen ist insbesondere für das Verhalten von Innovatoren entscheidend.
Aber auch für Imitatoren wirkt sich insbesondere der Prestigewert sowie das soziale
Risiko auf ihr Adoptionsverhalten aus.
• Kompatibilität: Die Kompatibilität bezieht sich auf die Übereinstimmung einer Innovation resp. eines Produktes mit den Werten, dem Wissen (insbesondere dem Problemlösungs- und Produktwissen) und den Bedürfnissen eines Individuums sowie – bei Imitatoren insbesondere – des sozialen Umfeldes. Die Kompatibilität mit den Werten und
Normen ist Voraussetzung für die Akzeptanz des Produktes. Dabei spielen je nach
Adoptionstyp die persönlichen Werte oder aber die Werte und Normen des sozialen
Umfeldes eine entscheidendere Rolle. Die Kompatibilität mit bestehendem Wissen erleichtert es dem Adoptor, sich ein Bild von der Innovation und deren Bedeutung zu
machen. Die Kompatibilität mit den Bedürfnissen wirkt sich auf den Nutzenfaktor des
Produktes aus. Durch geeignete kommunikative Massnahmen können diese Bedürf100 Zur Bedeutung der sogenanten „Change Agents“, der Vertreter der Hersteller, siehe z.B. (Rogers
1995: 335 ff.).
101 Relevant sind neben dem zu erreichenden Nutzen und den damit verbundenen Risiken und
Kosten auch die Zeitdauer bis zum Eintreten des Nutzens sowie die Wahrscheinlichkeit der
Realisierung der Vorteile. Diese können vor allem bei präventiven Produkten zu
Adoptionshemmnissen führen.
Design Patterns für digitale Produkte
103
nisse geweckt oder verstärkt werden. Weiterhin sollte sich das Produkt ebenfalls einfach in die bestehende Problemlösungslandschaft eingliedern, um die Installationskosten gering zu halten.102
Die Kompatibilität des Produktes ist somit sowohl für Innovatoren als auch für Imitatoren entscheidend für die Adoption des Produktes. Dabei unterscheidet sich jedoch
der jeweilige Referenzwert. Bei Innovatoren ist die Kompatibilität des Produktes mit
dem Individuum, bei Imitatoren die Kompatibilität mit dem sozialen Umfeld entscheidend.
• Komplexität: Die Komplexität bezieht sich auf die Kompatibilität eines Produktes mit
dem bestehenden Wissensstand. Eine hohe Komplexität kann zur Ablehnung des Produktes führen, da dessen richtige Anwendung mit einem hohen Grad an Unsicherheit,
hohen Risiken oder/und einem hohen Lernaufwand und somit hohen (initialen) Kosten verbunden ist. Weiterhin führt eine hohe Komplexität schnell zur fehlerhaften
Anwendung und somit zur Unzufriedenheit des Nutzers sowie letztendlich zur nachträglichen Ablehnung des Produktes. Die Forderung nach der Reduktion der Komplexität stellt somit besondere Anforderungen an die Produktgestaltung und insbesondere an das Design der Schnittstelle. Sie muss lesbar und möglichst intuitiv verständlich sein. Ein kognitiver „Overload“ bei der Anwendung des Produktes resp. ein hoher
initialer Lernaufwand kann weiterhin durch die schrittweise Einführung des Produktes vermieden werden. Informationen durch Change Agents oder auch die Erfahrungen von das Produkt bereits nutzenden Anwendern können die empfundene Komplexität reduzieren, den Lernaufwand verringern und den Lernprozess beschleunigen.
Das Kriterium der Komplexität wirkt sich prinzipiell sowohl auf das Adoptionsverhalten der Innovatoren als auch auf das der Imitatoren aus. Innovatoren zeichnen sich
jedoch tendenziell durch ein höheres Interesse am Neuprodukt, ein höheres Vorwissen
und eine grössere Bereitschaft zur intensiven Auseinandersetzung mit dem Produkt
aus. Die Komplexität hat somit tendenziell weniger Auswirkungen auf Innovatoren als
auf Imitatoren.
• Testbarkeit: Ein zentrales Hindernis bei der Adoption eines Produktes ist die damit verbundene Unsicherheit bezüglich des relativen Nutzens. Sie kann dadurch verringert
werden, dass es dem potentiellen Anwender ermöglicht wird, das Produkt vor dem
Erwerb zu testen oder aber zunächst mit einem beschränkten Leistungsumfang oder
über einen limitierten Zeitraum und dadurch zu günstigeren Konditionen zu nutzen.
Dies ist insbesondere in frühen Stadien des Adoptionsprozesses notwendig, in denen
noch wenig Erfahrungen mit dem Produkt vorliegen. Die Testbarkeit unterstützt somit
vor allem innovatives Käuferverhalten.
• Beobachtbarkeit: Die Beobachtbarkeit eines Produktes wirkt sich vor allem auf die
Imitatoren aus. Durch die sichtbare Verbreitung und Anwendung des Produktes wird
102 So war die Kompatibilität mit dem Festnetz eine Voraussetzung für die erfolgreiche Adoption der
Mobiltelefonie.
104
Inhaltliche Grundlagen
der (positive) Erfahrungsfundus transparent und der soziale Druck erhöht. Weiterhin
kann durch die Beobachtung der Produktanwendung zumindest im beschränkten
Masse bereits Information über die richtige Nutzung des Produktes verbreitet werden.
Zusammenfassung
Wie in den vorangegangenen Abschnitten werden auch hier die zentralen Erkenntnisse der
Diffusionsforschung noch einmal kurz zusammengefasst:
• Neuprodukte zeichnen sich durch einen hohen Grad an Unsicherheit mit dem noch
unbekannten Produkt aus. Dem dadurch induzierten wahrgenommenen Risiko muss
mit geeigneten Risikoverminderungsstrategien begegnet werden. Dies wirkt sich insbesondere auf die Gestaltung der Abwicklungs- und Anwendungsphase sowie auf das
Design des Produktes selbst aus. Produkteigenschaften wie die Kompatibilität und der
relative Nutzen unterstützen die rasche Ausbildung eines grundsätzlichen Verständnisses des Produktes sowie einer positiven Einstellung gegenüber dem Produkt.
• Der Erwerb eines neuen Produktes bedarf der Aneignung neuen Konsumwissens.
Durch die Minimierung der Komplexität des Produktes sollte dieser Aufwand möglichst minimiert werden. Dies stellt wiederum Anforderungen insbesondere an die
„lesbare“ Gestaltung des Produktes sowie an das Design der Wissensphase in bezug
auf die Vermittlung des benötigten Produktwissens. Weiterhin fördert die Testbarkeit
des Produktes die rasche Adoption des Produktes, indem sie es dem potentielle Anwender ermöglicht, persönliche Erfahrungen mit dem Produkt zu machen und sich
somit selbst von der Qualität des Produktes zu überzeugen.
• Bei den potentiellen Adoptoren kann man zwei unterschiedliche Verhaltenstypen, die
Innovatoren und die Imitatoren, unterscheiden: Imitatoren richten sich im Gegensatz
zu den Innovatoren recht stark an ihrem sozialen Umfeld aus. Sie nutzen vorrangig Informationen aus ihrem sozialen Umfeld und lassen sich durch die Erwartungen ihres
Umfeldes beeinflussen. Bei der Gestaltung der Interaktionsprozesse ist darauf zu achten, die Kommunikation und den Erfahrungsaustausch innerhalb der Bezugsgruppe
zu fördern und sichtbar zu machen, um so das empfundene Risiko zu verringern und
den sozialen Druck zu erhöhen. Dies fördert das imitative Konsumentenverhalten.
Innovative Käufer werden vor allem durch das Aufzeigen des relativen Nutzens sowie
durch die Reduktion der ökonomischen und psychischen Risiken zur Adoption
motiviert. Dies ist somit bei der Gestaltung der Überzeugungs-, der
Entscheidungsszene sowie der Szene der Kundennachbetreuung zu beachten.
D
Methodische Grundlagen
Nachdem in Teil C die inhaltliche Grundlage der Arbeit gelegt wurde, wird diese im folgenden Teil D um die methodische Basis ergänzt. Als pragmatische und bereits in anderen Designdisziplinen etablierte Methode zur Unterstützung des Designprozesses soll in dieser Arbeit der Patternansatz genutzt werden. Dieser Ansatz definiert dabei nicht nur, wie Designwissen in Form von Patterns gespeichert und somit bewahrt werden kann, sondern auch wie
diese Patterns zu erstellen, zu validieren und im Zuge des Designprozesses anzuwenden
sind. Das folgende Kapitel D 1 führt ausführlich in alle Aspekte des Patternansatzes ein. Im
Anschluss daran gibt Kapitel D 2 eine Übersicht über den State-of-the-Art in der Patternforschung. Dabei interessieren vor allem die Arbeiten der mit dem Design digitaler Produkte
verwandten Disziplinen des Designs der Human Computer Interactions (HCI), des Designs
von Hypermedia-Applikationen sowie des Designs von Electronic Commerce-Applikationen. Ziel
dieses Kapitels ist es, die eigene Arbeit in die Patternforschung einzuordnen und die bestehenden Defizite in bezug auf das Design digitaler Produkte herauszuarbeiten, denen mit der
in dieser Arbeit zu entwickelnden Patternsprache begegnet wird.
Der Patternansatz gibt lediglich einen Rahmen für die Herleitung, die Beschreibung und den
systematischen Einsatz von Designwissen. Der Designgegenstand sowie die Mittel zur Beschreibung des Designs werden jedoch noch nicht festgelegt. Diese Arbeit beschäftigt sich
mit dem Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum, verstanden als Design der
Interaktionsräumen, in denen Kunde und Produkt miteinander interagieren (s. Kapitel B 6).
Für die Modellierung von digitalen Interaktionsräume wurden am Institut für Medien- und
Kommunikationsmanagement die Modelle von Medien sowie deren Operationalisierung in
Form der Theatermetapher entwickelt. Die Darlegung dieser Modelle beschliesst daher mit
Kapitel D 3 den methodischen Grundlagenteil dieser Arbeit.
D 1 Patternansatz
In diesem Kapitel werden die Prinzipien des Patternansatzes eingeführt und damit die
Grundlage für die Entwicklung der Patternsprache für digitale Produkte gelegt. Im einführenden Abschnitt werden zunächst die zentralen Begrifflichkeiten definiert sowie die konstituierenden Prozesse des Aufbaus, des Einsatzes und der Validierung von Patternsystemen
erläutert. Eine Analyse der mit dem Patternansatz verfolgten Ziele ist Gegenstand des
darauffolgenden Unterkapitels. Anschliessend werden alternative Möglichkeiten der Repräsentation von Designwissen diskutiert und dem Patternansatz gegenübergestellt.
D 1.1 Design Patterns und Design Patternsprachen
Ein Pattern ist eine Art Lösungsmuster, das für ähnliche bzw. sich wiederholende Designprobleme Lösungsansätze bietet. In diesem Abschnitt wird das in dieser Arbeit
zugrundegelegte Verständnis von Patterns und Patternsystemen festgelegt sowie die
Prozesse der Anwendung, Erstellung und Evaluierung von Patternsprachen erläutert.
105
106
Methodische Grundlagen
D 1.1.1 Patterndefinition
Patternsysteme werden mittlerweile in verschiedensten Designdisziplinen entwickelt. Prominente Vertreter sind die Architektur, das klassische Software Engineering sowie die
Mensch-Maschine-Interaktionsforschung (Human Computer Interaction HCI). Es finden sich
somit eine Vielzahl verschiedener Patterndefinitionen, die jeweils unterschiedliche Aspekte
hervorheben. Die folgende Tabelle D 1-1 gibt eine Literaturübersicht über zentrale Definitionen von Patterns aus verschiedenen Disziplinen:
(Alexander et al. 1977: „Each pattern describes a problem which occurs over and over again in our
xs)
environment and then describes the core of the solution to that problem, in
such a way that you can use this solution a million times over without ever
(Architektur)
doing it the same way twice.”
(Alexander 1979: 247)
(Architektur)
“As an element in the world, each pattern is a relationship between a certain context, a certain system of forces which occurs repeatedly in that context, and a certain spatial configuration which allows these forces to resolve
themselves.
As an element of language, a pattern is an instruction, which shows how
this spatial configuration can be used, over and over again, to resolve the
given system of forces, whenever the context makes it relevant.”
(Tidwell 1999)
(HCI)
(Borchers 2000a: 7)
(HCI)
(Gamma et al. 1995: xi)
(Software Engineering)
„A pattern describes possible good solutions to a common design problem
within a certain context, by describing the invariant qualities of all those
solutions.“
“Put simply, a design pattern is a structured textual and graphical description of a proven solution to a recurring design problem.”
“Design patterns capture solutions that have developed and evolved over
time. Hence they aren’t the designs people tend to generate initially. They
reflect untold redesign and recoding as developers have struggled for
greater reuse and flexibility in their software. Design patterns capture these
solutions in a succinct and easily applied form.”
(Riehle & Züllighoven “A pattern is the abstraction from a concrete form which keeps recurring in
1996)
specific non-arbitrary contexts.”
(Software Engineering)
(Appleton 2001)
“A pattern is a named nugget of instructive information that captures the
(Software Engineering)
essential structure and insight of a successful family of proven solutions to
a recurring problem that arises within a certain context and system of
forces.”
(Gabriel 2001)
“Each pattern is a three-part rule, which expresses a relation between a
certain context, a certain system of forces which occurs repeatedly in that
context, and a certain software configuration which allows these forces to
resolve themselves.”
(Software Engineering)
(Coplien 1994)
(Software Engineering)
“I like to relate this definition to dress patterns. I could tell you how to
make a dress by specifying the route of a scissors through a piece of cloth in
terms of angles and lengths of cut. Or, I could give you a pattern. Reading
the specification, you would have no idea what was being built or if you
Design Patterns für digitale Produkte
107
had built the right thing when you were finished. The pattern foreshadows
the product: it is the rule for making the thing, but it is also, in many respects, the thing itself.”
Tabelle D 1-1: Literaturübersicht über Patterndefinitionen
Die wesentlichen Charakteristika von Patterns werden durch die erste Definition von
Alexander erfasst. Sie beschreibt den Kern eines Patterns, der von den anderen Definitionen
weiter detailliert wird:
Definition: Patterns beschreiben wiederkehrende Designprobleme sowie den Kern ihrer Lösungen.
Essentiell für die Güte eines Patterns ist die Art der Lösungsbeschreibung. Sie ist zum einen
konstruktiv, d.h. Patterns liefern Instruktionen zur Lösung einer Problemsituation. Zum anderen sind die Lösungen auf einem Abstraktionsniveau verfasst, das eine breite Anwendung
in verschiedensten Anwendungsfällen ermöglicht. Patterns erfassen dabei den stabilen Kern
der Lösung. Sie sind somit über die Zeit hinweg gültig und weitestgehend invariant gegenüber neuen Möglichkeiten der jeweiligen Designdisziplin. Alexander et al. (1977) sprechen
hier vom „Core of the solution“, Tidwell (1999) von „invariing qualitities of the solution“
und Appleton (2001) sehr bildlich von „nuggets of instructive information“.
Die weiteren Definitionen konkretisieren die Ursachen des Designproblems sowie die Mittel
zu deren Lösung. Ein Designproblem beruht darauf, dass sich in gewissen typischen Situationen, d.h. Kontexten, sich widerstrebende Kräfte entgegenstehen. Die Lösung besteht
darin, mit Hilfe der in der jeweiligen Designdisziplin zur Verfügung stehenden Werkzeuge
die Situation so zu gestalten, dass diese Kräfte optimal ausgeglichen werden. In der Architektur ist dies die räumliche Gestaltung von Gebäuden, im objektorientierten Software Engineering die Struktur der Klassensysteme. Ein Design Pattern ist somit eine Relation zwischen
dem Kontext, dem System sich widerstrebender Kräfte und der Lösung mit den Mitteln der
jeweiligen Designdisziplin.
Obige Definition lautet, ergänzt um die beiden Aspekte der Beschreibung des Problems sowie der Mittel zur Lösung des Problems, somit folgendermassen:
Definition: Pattern beschreiben wiederkehrende Designprobleme und den Kern ihrer Problemlösung.
Das Designproblem beruht auf in bestimmten Kontexten auftretenden Systemen sich widerstrebender
Kräfte. Die Lösung nutzt die Gestaltungsmöglichkeiten der jeweiligen Designdisziplin, um das sich
widerstrebende Kräftesystem optimal auszubalancieren.
Insbesondere die Patterndefinitionen aus dem Bereich des Software Engineerings betonen,
dass es sich bei den Lösungen um Abstraktionen erfolgreicher Systeme handelt (s. auch Abschnitt D 2.2) und somit um Lösungen, die sich bereits in der Designpraxis bewährt haben.
D 1.1.2 Patternstruktur
Die generelle Struktur eines Patterns lässt sich direkt aus der soeben erfolgten Definition der
Patterns ableiten. Alexander sagt dazu:
„Every pattern we define must be formulated in the form of a rule which establishes a relationship
between a context, a system of forces which arises in that context and a configuration, which
allows these forces to resolve themselves in that context.“(Alexander 1979: 253)
108
Methodische Grundlagen
Weiterhin empfiehlt er die Illustration der Lösung durch eine handschriftliche Skizze.
Verschiedene Patternsysteme unterscheiden sich dann in der genauen Strukturierung der
Patterns. In dieser Arbeit greifen wir auf die ursprüngliche Form von Christopher Alexander
zurück (Alexandrian form). Die anderen Patternsysteme ergänzen diese z.T. um weitere
Elemente.103 Alexander beschreibt ein Pattern mit den folgenden neun Elementen:
1.
Namen des Patterns: Der Name soll die wesentlichen Aspekte der Lösung erfassen
und dabei so kurz sein, dass er sich schnell einprägen lässt.
2.
Ranking der Validität: Das Ranking verdeutlicht, wie sicher sich der Autor über die
Validität des Patterns, d.h. der darin präsentierten Lösung, ist.
3.
Illustration: Die Illustration erfasst eine möglichst bildliche Darstellung einer
erfolgreichen Anwendung zur Illustration der Lösung sowie der Problemsituation.
4.
Kontext: Der Kontext beschreibt die Situation, in der ein Problem auftritt. Hier werden die Vorbedingungen beschrieben, die für die Anwendung eines Patterns erfüllt
sein müssen.
5.
Kurze Problembeschreibung: Sie umreisst in kurzen Worten das durch das Pattern zu
lösende Problem und somit das Ziel des Patterns.
6.
Ausführlichere Problembeschreibung mit dem System sich widerstrebender Kräfte und
wenn möglich einer empirischen Belegung für das Auftreten des Problems: Die
Kräfte beruhen auf den sich widerstrebenden Bedürfnissen der Anwender. Beim
HCI betrifft dies die Aspekte der Anwendbarkeit, beim Software Engineering vorrangig Aspekte der Wiederverwendbarkeit und der Flexibilität der Lösung.
7.
Lösung: Dieser zentrale Teil beschreibt die Lösung des Problems mit den Mitteln der
jeweiligen Designdisziplin.
8.
Diagram: Eine graphische Beschreibung der wesentlichen Aspekte der Lösung. Um
die Verständlichkeit dieser Darstellung auch für fachfremde Stakeholder zu erleichtern, sollte sie in einer möglichst wenig formalen Art und Weise, idealerweise
in Form einer handschriftlichen Skizze, dargestellt werden.
9.
Verwandte Patterns: Patterns sind Teil eines Patternsystems oder idealerweise einer
Patternsprache (s. Abschnitt D 1.1.3). In Kombination mit anderen Patterns ermöglichen sie die Lösung komplexerer Probleme. Ihre Lösung selbst induziert dann in
der Regel ebenfalls wieder die Anwendung spezifischerer Patterns. Diese Komponente umfasst diese Verbindungen zu anderen Patterns.
Im Bereich des Software Engineerings werden diese Lösungsmuster um Hinweise zur konkreten Implementierung ergänzt. Weiterhin ist hier die Lösungsbeschreibung stärker forma-
103 Diese Erweiterungen werden bei der jeweiligen Beschreibung der Patternsprachen in Abschnitt
D 2 näher erläutert und motiviert.
Design Patterns für digitale Produkte
109
lisiert. Sie verwendet semiformale Beschreibungsmodelle, wie Klassendiagramme und Kollaborationsdiagramme (s. Abschnitt D 2.2). Weiterhin wird in einem weiteren Beschreibungselement, „Rational“, die Lösung begründet, d.h. aufgezeigt, wie diese das System sich
widerstrebender Kräfte ausgleicht.104
D 1.1.3 Patternkataloge, Patternsysteme und Patternsprachen
Ein einzelnes Pattern bildet lediglich einen Teil eines zusammenhängenden Systems. Man
unterscheidet hier genauer zwischen Patternsprachen, Patternsystemen und Patternkatalogen. Diese Begrifflichkeiten werden in diesem Abschnitt erklärt.
Die folgende Tabelle D 1-2 gibt zunächst eine kurze Übersicht über ausgewählte Definitionen
von Patternsprachen in der Fachliteratur.
(Alexander 1979)
(Architektur)
“Thus as in the case of natural languages, the pattern language is generative. It not only tells us the rules of arrangement, but shows us how to
construct arrangements – as many as we want – which satisfy the rules.”
(S. 186)
“A pattern language gives each person who uses it, the power to create an
infinite variety of new and unique buildings, just as his ordinary language
gives him the power to create an infinite variety of sentences.” (S. 167)
“The structure of the language is created by the network of connections
among individual patterns: and the language lives, or not, as a totality, to
the degree these patterns form a whole.” (S. 305)
“Each pattern then, depends both on the smaller patterns it contains and
on the larger patterns within which it is contained.” (S. 312)
“The language is a good one, capable of making something whole, when it
is morphologically and functionally complete.” (S. 316)
(Borchers 2000a: 7)
(HCI)
(Coplien 2001)
(Software Engineering)
(Coplien 1994)
(Software Engineering)
“A pattern language is a hierarchy of design patterns ordered by their
scope. High-level patterns address large-scale design issues and reference
lower-level patterns to describe their solution.”
“A Pattern Language defines a collection of patterns and the rules to combine them into an architectural style. Pattern languages describe software
frameworks of families of related systems.”
“A pattern language is a structured collection of patterns that build on
each other to transform needs and constraints into an architecture.”
“Good pattern languages guide the designer toward useful architectures
and away from architectures whose literary analogies are gibberish or un-
104 Appleton (2001) betont hier, dass Patterns eine Position zwischen Theorie und Praxis einnehmen.
Sie beschreiben in der Praxis bewährte Lösungen, die jedoch mit theoretischen Konzepten erklärt werden können: „ A pattern is where theory and practice meet to reinforce and
complement one another, by showing that the structure it describes is useful, useable, and
used!“
110
Methodische Grundlagen
artful writing. Good architectures are durable, functional, and aesthetically pleasing, and a good combination of patterns can balance the forces
on a system to strive towards these three goals. A good pattern language
gives designers freedom to express themselves and to tailor the solution to
the particular needs of the context where the patterns are applied.”
Tabelle D 1-2: Literaturübersicht über Definitionen von Patternsprachen
Gemäss der ursprünglichen Intention von Christopher Alexander (1979) bildet die Menge
der entwickelten Patterns eine Sprache. Dies bedeutet, dass sich die Patterns synergetisch zur
Lösung komplexerer Probleme ergänzen. Zwischen den Patterns bestehen Beziehungen, die
dieses Zusammenspiel regeln. Dabei handelt es sich zumeist um Verfeinerungs- und Komplementaritätsrelationen: Patterns verweisen in ihrer „verwandte Patterns“ Sektion auf spezifischere Patterns, die gemeinsam bei der Umsetzung der Lösung des übergeordneten
Patterns eingesetzt werden sollen. Andererseits gliedert sich jedes Pattern auch selbst in den
Kontext eines übergeordneten Patterns ein. Somit bilden die Patterns eine Hierarchie aus
Patterns unterschiedlicher Reichweite und Spezifität. Die Anwendung eines Patterns bewirkt
die Entstehung eines neuen Kontextes, der die Anwendung spezifischerer Patterns auslöst.
Idealerweise sind die Patternsprachen vollständig, d.h. sie ermöglichen eine vollständige
Herleitung von Gesamtsystemen und erfassen alle möglichen Beziehungen zwischen den
Patterns.
Die „Instanziierung“, d.h. die von einem Pattern abgeleitete Lösung, hängt mit den Lösungen aller „verwandten“ Patterns zusammen, seien diese abstrakter oder spezifischer. Die
Patternsprache bildet somit eine Gestalt, in der die zusammenhängenden Patterns miteinander kollaborieren um ein gemeinsames übergeordnetes Problem zu lösen. Sie ist ein Ökosystem aus miteinander verbundenen Patterns, die gemeinsam eine organische Ordnung erzeugen. Diese Ordnung beschreibt Alexander (1988) als „the kind of order that is achieved
when there is a perfect balance between the needs of the parts and the needs of the whole.“
Patternsprachen stehen Patternkatalogen und Patternsystemen gegenüber. Diese Unterscheidung geht auf Buschmann et al. (1996) zurück. Patternkataloge sind einfache Sammlungen verwandter Patterns. Zumeist werden ihre Patterns in verschiedene Kategorien eingeteilt und gewisse Beziehungen zwischen den Patterns aufgezeigt. Diese Beziehungen beruhen in der Regel auf der Ähnlichkeit oder der Komplementarität der jeweiligen Patterns. Die
Patterns ergänzen sich jedoch nicht direkt zur Lösung komplexerer Probleme und sind weiterhin nicht auf die Erreichung eines übergeordneten Zieles ausgerichtet. Ein gutes Beispiel
für einen Patternkatalog sind die Design Patterns der „Gang of Four“ (GoF) (Gamma et al.
1995) im Bereich des Software Engineerings (s. Abschnitt D 2.2).
Patternsysteme umfassen dagegen eine Menge von Patterns auf verschiedenen Abstraktionsstufen, welche die Ableitung vollständiger Systemarchitekturen ermöglichen. Die Beziehungen zwischen den Patterns beschreiben, wie sich durch die Kombination der Patterns Lösungen komplexerer Probleme konstruieren lassen. Patternsysteme unterscheiden sich von
Patternsprachen durch die fehlende Vollständigkeit sowie die fehlende Ausrichtung auf ein
übergeordnetes Ziel. Patternsprachen weisen durch die Kohärenz der Ziele der einzelnen
Patterns eine innere Geschlossenheit auf, die bei Patternsystemen nicht gegeben ist. Die
Design Patterns für digitale Produkte
111
Übergänge zwischen Patternsystemen und Patternsprachen sind jedoch fliessend. In der Regel entwickeln sich dabei Patternsprachen sukzessive aus Patternsystemen und diese wiederum aus Patternkatalogen.
Die meisten existierenden Pattern-“Sprachen“ genügen nicht den soeben konstatierten Anforderungen an eine Patternsprache. Ein prominentes Beispiel sind wiederum die Design
Patterns der GoF (Gamma et al. 1995). Auch Patternsysteme finden sich eher selten. Eines der
bekannten und vollständigsten Patternsysteme sind die HCI Patterns „Common Ground“
von Jennifer Tidwell (1998) (s. Abschnitt D 2.3.1).
D 1.1.4 Quality without a name
Alexander geht davon aus, dass es ein objektives Mass für ästhetische Schönheit mit einem
universellen Geltungsbereich gibt. Schönheit und Ästhetik sind somit mit bestimmten zeitlosen Attributen und Eigenschaften verbunden, die von allen Menschen unabhängig von deren kultureller Herkunft geteilt werden. Diese Eigenschaften ergänzen sich zu einer Quality
without a name (QWAN), der Qualität, die einer Struktur nichtkommunizierbare Schönheit
und einen unermesslichen Wert verleiht. Patternsprachen sind auf die Erreichung dieser
QWAN ausgerichtet.
In der Architektur umfasst QWAN die folgenden Aspekte (Alexander et al. 1977): Universelle, erkennbare ästhetische Schönheit und Ordnung, rekursiv ineinander geschachtelte
Symmetriezentren, Lebendigkeit und Vollständigkeit, Anpassbarkeit und Dauerhaftigkeit,
menschliche Zufriedenheit und emotionale und kognitive Resonanz.
Die Vorstellung von einer QWAN lässt sich auch auf andere Designdisziplinen übertragen.
So haben verschiedene Autoren versucht, eine QWAN für den Bereich des Software Engineerings zu definieren. Nach Beedle (1997) ist QWAN erreicht, wenn die Patternsprache die
Gestaltung einer lebendigen Architektur ermöglicht, die sich dynamisch an sich ändernde
Bedürfnisse anpassen lässt. Lea (1994) erweitert dieses Verständnis um den Aspekt der
positiven Auswirkungen der Software-Architektur auf deren „Bewohner“. Ist QWAN erreicht, so erhöht sich damit deren Lebensqualität und Zufriedenheit. Die „Bewohner“ umfassen im Bereich des Software Engineerings häufig die Designer selbst und weniger die Nutzer
der Software.
Im HCI ist die QWAN wieder verstärkt auf die Erreichung eines positiven Erlebnisses des
Anwenders beim Umgang mit der Software ausgerichtet: „... one is looking for a way to
create a genuinely good experience for people, via their built environment“ (Tidwell 1999).
Nach Borchers (2000a: 28) kann dieses positive Erlebnis und somit die QWAN im HCI auf
die Anforderungen nach Transparenz und Lesbarkeit des Software-Artefakts zurückgeführt
werden.
Generell stehen bei der Definition der QWAN sowohl in der Architektur als auch im HCI
Design die Bedürfnisse der Anwender im Mittelpunkt, beim Software Engineering grundsätzlich eher die der Designer selbst.
112
Methodische Grundlagen
D 1.1.5 Prozess der Anwendung: Piecemeal Growth
Die Anwendung der Patterns erfolgt nach dem Prinzip des „piecemeal growth“, ebenfalls
eingeführt von Christopher Alexander (Alexander et al. 1977). Danach wird ein Problem
durch die sukzessive Anwendung der Lösungspatterns entlang der Patternhierarchie gelöst.
Die Instanziierung eines Patterns generiert dabei einen Kontext, der wiederum mit dem initialen Kontext verschiedener spezifischerer Patterns übereinstimmt und somit deren Anwendung aktiviert. Dies bewirkt wiederum die Erzeugung initialer Kontexte weiterer
Patterns. Auf diese Weise wird sukzessive die Gestalt des Gesamtsystems abgeleitet.105
Alexander betont, dass es sich bei diesem Prozess um einen dynamischen und iterativen
Prozess handelt (Alexander et al. 1988). Einzelne Teile werden kontinuierlich an sich verändernde Umweltsituationen angepasst. Dies bewirkt eine Änderung der Kontexte, was eine
erneute Anwendung der betroffenen Patterns und somit die dynamische Adaption des Gesamtsystems nach sich zieht.
„According to the piecemeal point of view, every environment is changing and growing all the
time, in order to keep its use in balance; and the quality of the environment is a kind of semi-stable
equilibrium in the flux of time .“ (Alexander et al. 1988)
D 1.1.6 Ableitung und Validierung von Patterns
Patterns spiegeln Lösungen von Designsituationen wider, die sich in der Praxis bewährt haben. Sie beruhen somit auf eigenen Erfahrungen oder auf den Erfahrungen anderer. Validiert
werden sie durch die wiederholte erfolgreiche Anwendung in verschiedenen Kontexten
(siehe z.B. (Appleton 2001; Borchers 2000a; Gamma et al. 1995)) Erfolg wird an den zu erreichenden Zielen gemessen, d.h. der Erreichung der QWAN (s. Abschnitt D 1.1.4). In der Architektur ist das Ziel die Zufriedenheit der Bewohner, in der HCI das positive Erlebnis der
Anwender bei der Nutzung des Systems und beim Software Engineering die Flexibilität und
Wiederverwendbarkeit der entstehenden Software.
Meistens werden die Patterns weiterhin einem Reviewprozess durch andere Experten
unterzogen (Borchers 2000a). Dieser Prozess erfolgt oftmals über die Diskussion der Patterns
innerhalb der Community, z.B. mittels Mailinglisten oder auf Konferenzen. Sehr gut etabliert
ist dieser Prozess vor allem innerhalb der Software Engineering Community, in denen sich
eigene Konferenzreihen zur Pflege des Patternwissens etabliert haben (Pattern Languages of
Programs PLoP).
D 1.2 Warum Design Patterns?
Nach der allgemeinen Einführung von Patterns und Patternsystemen wird in diesem Abschnitt die Zielsetzung des Einsatzes von Design Patterns diskutiert. Die folgende Tabelle D
105 Diese Vorgehensweise entspricht dem etablierten Spiralmodell des Software Engineerings, wel-
ches das rigide Wasserfallsmodell abgelöst hat (Fairley 1985: 38).
Design Patterns für digitale Produkte
113
1-3 gibt eine Literaturübersicht über die generellen Einsatzmöglichkeiten von Patternsystemen. Die wesentlichen Aspekte sind dabei in den Zitaten hervorgehoben.
(Appleton 2001)
“So while the ability to codify patterns as generic software components may
(Software Engineering) be important, even more important is the knowledge of how / when to apply
and combine patterns, in conjunction with the ability to use a shared vocabulary of pattern names to communicate the nuggets of insights they represent. Because patterns capture knowledge that is primarily intended for
humans, it is the social impact of patterns which largely shapes their technological impact.”
(Appleton 2001)
“Patterns represent distilled experience which, through their assimilation,
(Software Engineering) convey expert insight and knowledge to inexpert developers.”
(Gamma et al. 1995: 2)
“Capture design experience in a form that people can use effectively”
(Software Engineering) “Expressing proven techniques as design patterns makes them more accessible to developers of new systems.”
(Gamma et al. 1995: “Design patterns provide a common vocabulary for designers to use to
352)
communicate, document, and explore design alternatives. Designing
(Software Engineering) patterns make a system seem less complex by letting you talk about it at a
higher level of abstraction …”
(Gamma et al. 1995: “… design patterns can also make you a better designer. They provide solu352)
tions to common problems … will help you learn … much faster. Learning
(Software Engineering) …patterns will help a novice act more like an expert.”
(Borchers et al. 1999)
„The goals of an HCI Pattern Language are to share successful HCI design
(HCI)
solutions among HCI professionals, and to provide a common language for
HCI design to anyone involved in the design, development, evaluation, or
use of interactive systems.“
(Borchers 2000a: 25)
(HCI)
“Software design patterns are considered a useful language for communication among software designers, and a practical vehicle for introducing less
experienced designers into the field. The idea of end users designing their
own (software) architectures has not been taken over.”
(Tidwell 1999)
“It captures ordinary design wisdom in a practical and learnable way”
(HCI)
(Bayle et al. 1998)
(HCI)
“many ways of using patterns: … capture and description …, generalization
…, prescriptive …, rhetorical …, predictive …”
(Rossi et al. 1999a)
“Reusing design experience is difficult, however, because good design deci-
(Hypermedia)
sions often remain hidden in the designer’s mind and thus are difficult to
share.”
(German
&
1999)
(Hypermedia)
Cowan “A design pattern attempts to collect experience from the expert to pass on to
other experts or novices in the field, hence avoiding others reinventing
them.”
When designers become familiar with them, he or she can (1) more rapidly
identify the problems being faced – correlating them with some problems already documented as patterns (2) avoid the expense of trying new solutions
for the problem – the development of the patterns implies that several
114
Methodische Grundlagen
different solutions have been tried and the best are documented --, (3) evaluate beforehand the cons and pros of such solution – since this information is
already available in the … patterns.
(Perzel & Kane 1999)
(EC-Applikation
HCI)
“Patterns can provide a language for communicating usability concerns
/ among these diverse participants in the development process without hindering the creative elements of web development.”
(van Duyne et al. 2000: “What makes patterns so compelling in the Internet age: (1) they make sites
1/2)
easier to use because they often reflect the existing standards on the web, or
(EC-Applikation)
an existing standard offline (2) they speed design time and (3) hopefully, in
the long run, once embraced by the design community, they make the web
much easier to use as a whole.”
“The benefit of using patterns is that they embody design experience that we
as a community have developed and learned … A given pattern may not
necessarily be the absolute best solution in every case, but it works in practice.”
Tabelle D 1-3: Literaturübersicht über die Einsatzmöglichkeiten von Patterns
Aus den obigen Zitaten lassen sich drei grundsätzliche Einsatzmöglichkeiten von Design
Patterns ableiten:
• Die konstruktive Unterstützung des Designprozesses: Design ist ein komplexer Prozess, bei
dem eine Vielzahl von Einflussfaktoren zu berücksichtigen und verschiedenste sich
oftmals widerstrebende Kräfte auszugleichen sind. Patternsysteme unterstützen die
Wiederverwendung und den Transfer von Erfahrungswissen und erleichtern und beschleunigen somit das Design qualitativ hochwertiger Designlösungen.
• Wissensaufbau und –erhaltung: Viel Designwissen ist lediglich in den Köpfen – erfahrener – Designer gespeichert. Patterns ermöglichen die systematische Erfassung dieses
Designwissens sowie den Aufbau und das Management eines Designwissen-Repositoriums.
• Gemeinsame Sprache zur Unterstützung des interdisziplinären Designprozesses: Am Design
insbesondere der Benutzerschnittstelle sind in der Regel Vertreter unterschiedlicher
Disziplinen beteiligt. Patterns bieten eine universelle von allen Beteiligten zu verstehende Sprache und unterstützen somit die erfolgreiche Kommunikation innerhalb interdisziplinärer Designteams.
Diese Aspekte werden im folgenden im Detail diskutiert und erläutert.
D 1.2.1 Patterns zur Unterstützung des Designprozesses
Patterns erfassen Wissen über bewährte Lösungen wiederkehrender Designprobleme. Sie
beschreiben das Problem und die Lösung in einer einfach verständlichen und somit auch für
ungeübte Designer leicht verständlichen Form. Sie erleichtern insbesondere dem Novizen
die Erstellung guter Designlösungen sowie das Erkennen und Verstehen von Problemsituationen und beschleunigen somit seinen Lernprozess (Appleton 2001; Borchers 2000a: 25;
Gamma et al. 1995: 352; Tidwell 1999). Design Patterns wurden daher schon früh zu
Schulungszwecken eingesetzt (Barfield et al. 1994).
Design Patterns für digitale Produkte
115
Patterns beschreiben dabei nicht nur die Lösung, sondern auch wie und wann sie anzuwenden ist. Weiterhin erfassen sie die Designentscheidungen, die im Zuge der Lösung getroffen
wurden. Dadurch ermöglichen sie einen gezielten und flexiblen Einsatz der Lösungsmuster
in unterschiedlichen Problemsituationen und gewährleisten gleichzeitig das Verständnis der
Lösung.
Patterns erhöhen auch die Effizienz des Designprozesses (Gamma et al. 1995: 2; German &
Cowan 1999; van Duyne et al. 2000). Lösungen zu Standardproblemen müssen nicht immer
wieder neu durchdacht werden. Stattdessen kann auf bekannte und bewährte Designs zurückgegriffen werden. Design Patterns bilden somit die Grundlage zum Aufbau von Knowledge Managementlösungen zur Pflege von Designwissen. Dieser Aspekt wird im folgenden
Abschnitt näher erläutert.
D 1.2.2 Patterns als Basis des Knowledge Managements
Wertvolles Designwissen ist in den Köpfen erfahrener Designer gespeichert (Rossi et al.
1999a). Es spiegelt sich ebenfalls in den Ergebnissen des Designprozesses wider.106 Das so
reflektierte Wissen ist jedoch unvollständig. Es lässt nur sehr bedingt Rückschlüsse auf die
im Zuge des Designprozesses getroffenen Designentscheidungen, die zu Grunde liegende
Problemsituation sowie die berücksichtigten Einflussfaktoren zu. Design Patterns bieten die
Möglichkeit der systematischen Erfassung all dieser Aspekte des Designwissens. Patternsprachen bilden somit die Grundlage für den Aufbau eines Wissensrepositoriums. Sie ermöglichen die Pflege und den Aufbau eines gemeinsamen Wissensbestandes auf globaler
Ebene. Im wissenschaftlichen Kontext werden hier Gefässe wie Foren, Konferenzen, Mailinglisten und Newsgroups intensiv zum Austausch genutzt. Patternsysteme können jedoch
auch zum unternehmensinternen Management von Designwissen im Rahmen des Aufbaus
eines unternehmenseigenen Design Pattern Repositoriums genutzt werden. Ein bewährter
Ansatz zum Management insbesondere stärker formalisierten Wissens ist hier die sogenannte „Experience Factory“ (vgl. (Basili et al. 1994)). Sie gestattet eine systematische
Speicherung sowie ein effizientes Retrieval von Wissen. Als Retrievalmechanismus eignen
sich insbesondere die Verfahren des Case-based Reasonings (vgl. (Aamodt & Plaza 1994)).
Die wenig formale und gut verständliche Sprache der Patterns ermöglicht eine schnelle Aneignung des Wissens. Die Art der Darstellung erleichtert die Übertragung auf konkrete
Problemsituationen. Patterns unterstützen jedoch auch weiterhin die Weiterentwicklung des
Designwissens. Wissen wird durch die breite Anwendung und vor allem auch durch Kommunikation gebildet (s. insbesondere (Nonaka & Takeuchi 1997)). Patternsprachen bilden
106 Beim Wissen wird generell zwischen explizitem und implizitem Wissen unterschieden (vgl.
(Nonaka & Takeuchi 1995: 59)) Boutellier und Gassmann (1996: 292) unterteilen diese beiden
Wissensarten weiter. (1) explizites Wissen in Wissen als Artefakt und dokumentiertes Wissen
und (2) implizites Wissen in Erfahrungswissen und soziales Wissen. Patterns dienen daher
dazu Erfahrungswissen und das Wissen als Artefakt in dokumentiertes Wissen zu transformieren.
116
Methodische Grundlagen
eine universelle und leicht verständliche Sprache, mittels derer Designwissen innerhalb der
Community ausgetauscht werden kann (Borchers 2000a: 25). Die Patterns erläutern dabei
nicht nur die Problemlösung, sondern erklären ebenfalls, wann und wie diese Lösung angewendet werden sollte und warum sie funktioniert (Appleton 2001). Diese Art der Darstellung erleichtert nicht nur die zielgerichtete Anwendung des Patterns, sondern insbesondere
die fundamentale Diskussion und Weiterentwicklung der Patterns innerhalb der Community.
Die Funktion von Patternsprachen als Lingua Franca ist jedoch nicht nur für die Kommunikation innerhalb der Design Community bedeutsam. Sie spielt insbesondere auch im Zuge
des interdisziplinären Designprozesses – interaktiver – Systeme eine wesentliche Rolle. Die
Diskussion dieses letzten Aspektes von Patterns ist Gegenstand des folgenden Abschnittes.
D 1.2.3 Patterns als universelle Designsprache
Beim Design handelt es sich in der Regel um einen interdisziplinären Prozess. So sind beispielsweise am Design eines interaktiven Systems Software-Ingenieure, Mensch-MaschineSchnittstellen Designer, Spezialisten der Anwendungsdomäne, Graphikdesigner, Marketingspezialisten, etc. beteiligt (Borchers 2000a: 3).
„GUIDELINE: The most successful design result from a team approach where people with
differing backgrounds and strengths are equally empowered to affect the final design.“ (Tognazzini
1992: 57)
Kim (1990) vergleicht Disziplinen mit Kulturen mit einer eigenen Sprache, eigenen Konzepten und Methoden. Sie müssen die Sprache, Traditionen und Werte der anderen Disziplinen
kennen und wertschätzen, um erfolgreich miteinander arbeiten zu können. Ein zentrales
Problem interdisziplinären Designs liegt nun jedoch genau in der zumeist ineffektiven
Kommunikation der am Designprozess beteiligten Parteien.
Patterns stellen eine Möglichkeit zur Verfügung, Wissen in einer auch für andere, d.h. Fachfremde, verständlichen Form darzustellen. Oftmals werden Patternsysteme getrennt für alle
beteiligten Disziplinen entwickelt, welche dann die jeweils interessierenden Aspekte erfassen
(Borchers 2000a). Die identische Strukturierung und die wenig formale und durch Beispiele
illustrierte Darstellung erleichtern das gegenseitige Verständnis der Patterns. Idealerweise
sollten jedoch auch die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Designaspekten
modelliert werden und sich somit direkt in den Sprachen wiederfinden. Dies ist jedoch bei
den aktuellen Patternsprachen nicht der Fall (s. insbesondere Abschnitt D 2.3.2).
Die Existenz einer leicht verständlichen und interdisziplinären Sprache ist insbesondere
beim Design interaktiver Systeme entscheidend.107 Bei diesen Systemen steht die Zufriedenheit der Anwender im Vordergrund. Die Designer müssen sich daher mit den Eigenheiten
der Zielgruppe, deren Sprache sowie den Konzepten der Anwendungsdomäne intensiv ver-
107 Dieser Aspekt spielt daher für die in dieser Arbeit zu erstellende Patternsprache für digitaler Pro-
dukte eine entscheidende Rolle.
Design Patterns für digitale Produkte
117
traut machen (Newman & Lamming 1995: 91). Norman und Draper (1986) haben hierfür den
Begriff des benutzerzentrierten Designs geprägt. Das benötigte Wissen wird zumeist initial
über die Befragung oder Beobachtung der Ziel-Community gewonnen. Im Sinne der Wiederverwendung kann es dann in Patternsystemen systematisch abgelegt werden. Noch intensiver ist die weithin bevorzugte Zusammenarbeit im Sinne eines „participatory designs“,
bei dem die Anwender direkt in den Designprozess integriert werden.108
„... the ultimate users of the software make effective contributions that reflect their own
perspectives and needs, somewhere in the design and development lifecycle of the software.“
(Muller et al. 1997)109
Eine gemeinsame Sprache bildet hier die Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikation. Patternsprachen in ihrer Funktion als Lingua Franca sind daher von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des Designprozesses (Erickson 2000; Perzel & Kane 1999; Tidwell
1999).
Der Einsatz von Patternsystemen zur Unterstützung des „gemeinschaftlichen Designs“ unter
aktivem Einbezug des Anwenders war daher auch eine der Hauptmotivationen für die Erstellung der ersten Patternsprache durch Christopher Alexander (s. Abschnitt D 2.1).
D 1.3 Diskussion alternativer Möglichkeiten der
Wissensrepräsentation
Patterns stellen lediglich eine Möglichkeit dar, Designwissen zu erfassen. In diesem Abschnitt werden alternative Wissensrepräsentationen diskutiert und dem Patternansatz gegenüber gestellt. Wir unterscheiden dabei zwischen den beiden Disziplinen des Software
Engineerings und des HCI.
D 1.3.1 Wissensrepräsentation im Software Engineering
Im Software Engineering bilden Heuristiken, Regeln und Algorithmen prominente Alternativen zur Beschreibung von Designwissen. Heuristiken stellen lediglich sehr allgemeine
Konzepte dar. Sie können in das Kräftesystem sowie die rationale Begründung eines Patterns
mit eingehen (Appleton 2001). Regeln sind sehr starr. Sie berücksichtigen weder den Kontext, noch liefern sie eine rationale Begründung für die Lösung. Patterns sind somit flexibler.
Sie beschreiben lediglich den Kern der Lösung, benötigen jedoch zu ihrer Anwendung die
kreative Leistung des Designers. Coplien (1994) sagt dazu:
„Rules aren’t commonly supported by a rationale, nor put in context. A rule may be part of the
solution in a pattern description, but a rule solution is neither sufficient nor necessary. Patterns
aren’t designed to be executed or analyzed by computers, as one might imagine to be true for rules:
patterns are to be executed by architects with insight, taste, experience, and a sense of aesthetics.“
108 Dies stellt einen Spezialfall des interdisziplinären Designs dar.
109 Für Details s. (Schuler & Namioka 1997).
118
Methodische Grundlagen
Algorithmen und Datenstrukturen sind eine weitere Möglichkeit, Designwissen zu speichern. Sie liefern Lösungen für feingranulare Berechnungsprobleme. Das Optimierungskriterium ist hierbei die Reduktion des benötigten Speicherplatzes und der benötigten Zeit. Dagegen beschäftigen sich Patterns mit weiter gefassten architektonischen Problemen, bei denen die Interessen der Designer im Vordergrund stehen. Die auszubalancierenden Kräfte
umfassen Aspekte der Wartbarkeit, der Wiederverwendbarkeit und der Flexibilität.
(Appleton 2001). Patterns und Algorithmen unterscheiden sich somit in ihrer Granularität
und Spezifität sowie in ihrem Zielsystem resp. ihrem Optimierungskriterium.
Ein weiterer verbreiteter Ansatz zur Wiederverwendung von Programmierwissen sind Programmbibliotheken. Sie implementieren eine bestimmte Funktionalität, die in vielen Programmen benötigt wird. Die Bibliotheken sind dabei universell und unabhängig von der
Struktur und der Programmlogik der jeweiligen Applikation einzusetzen. Die Verwendung
von Bibliotheken wirkt sich somit nicht direkt auf das Design der Software aus. Sie liefern
damit aber auch wenig Unterstützung bei komplexen Designentscheidungen. Bibliotheken
ermöglichen also weniger die Wiederverwendung von Designwissen als vielmehr die direkte Wiederverwendung von Programmcode.
Eine Möglichkeit zur Speicherung und Wiederverwendung von Designwissen bilden dagegen Software Frameworks. Appleton (2001) definiert diese folgendermassen:
„A software framework is a reusable mini-architecture that provides the generic structure and
behavior for a family of software abstractions along with a context of memes / metaphors which
specifies their collaboration and use within a given domain“
Gamma et al. (1995) liefern die folgende Definition:
„A framework is a set of cooperating classes that makes up a reusable design for a specific class of
software. A framework provides architectural guidance by partitioning the design into abstract
classes and defining their responsibilities and collaborations. A developer customizes a framework
to a particular application by subclassing and composing instances of framework classes.“
Ein Framework beschreibt somit die generelle Architektur eines Softwaresystems. Dabei
wird von der konkreten Applikationslogik abstrahiert. Diese kann an verschiedenen Anknüpfungspunkten („plug points“) ergänzt werden. In objekt-orientierten Frameworks erfolgt diese Konkretisierung in der Regel durch Subklassen-Bildung.
Frameworks und Bibliotheken unterscheiden sich im Kontrollfluss zwischen Applikation
und eingesetzter Software. Bei der Verwendung von Bibliotheken schreibt der Programmierer den Hauptteil der Applikationen und ruft die für die Implementierung einer bestimmten
Funktionalität benötigten Subroutinen aus den Bibliotheken auf. Im Gegensatz dazu
bestimmen Frameworks den Hauptteil des Programms; lediglich die spezielle Funktionalität
wird dann durch den Applikationsprogrammierer hinzugefügt und von den Komponenten
des Frameworks aufgerufen. Man bezeichnet dies häufig auch als „Hollywood Prinzip“
("Don't call us, we'll call you.") oder „Greyhound Prinzip“ ("Leave the driving to us.")
(Appleton 2001).
Gamma et al. (1995) sehen die wesentlichen Unterschiede zwischen Design Patterns und
Frameworks in den folgenden drei Punkten:
Design Patterns für digitale Produkte
119
1.
Design Patterns sind abstrakter als Frameworks. Frameworks können in Programmcode gegossen werden, Patterns können hingegen lediglich in Form von Beispielinstanziierungen codiert werden. Der Vorteil von Frameworks besteht daher darin,
dass sie sich direkt in einer Programmiersprache ausdrücken lassen. Sie können
somit nicht nur analysiert, sondern direkt ausgeführt und wiederverwendet werden. Design Patterns müssen jedes Mal neu implementiert werden. Design Patterns
erklären jedoch auch die dahinterliegenden Absichten, die Abwägungen und die
Auswirkungen der Designentscheidung.
2.
Design Patterns betrachten kleinere architektonische Probleme als Frameworks.
3.
Design Patterns sind weniger spezialisiert als Frameworks. Frameworks beziehen
sich stets auf eine bestimmte Applikationsdomäne. Im Gegensatz dazu können Design Pattern in nahezu jeder beliebigen Applikation angewendet werden.
Patterns können jedoch sowohl zur Implementation als auch zur Dokumentation von Frameworks verwendet werden. Sie zeichnen sich gegenüber den Frameworks durch ein höheres
Abstraktionsniveau sowie eine explizite Erfassung der Motivation, der rationalen Begründung, der Abwägungen sowie der Konsequenzen aus. Sie sind flexibler und spiegeln insbesondere das Wissen erfolgreicher Designer in einer verständlichen und einfach anwendbaren
Form wider. Patterns erleichtern somit das Wiedererkennen von Problemsituationen, die
Anwendung von Lösungsmustern sowie das Verständnis der Lösung.
D 1.3.2 Wissensrepräsentation im HCI
Im Bereich der HCI ist der Einsatz von Style Guides, Guidelines und User Interface Standards verbreitet. Die Guidelines reichen dabei von high-level Konzepten („Reduce the user’s
memory load“) bis zu detaillierten Regeln („Every form must contain an „OK“ Button in the
lower-right corner“). Borchers (2000a) unterscheidet hier zwischen abstrakten und konkreten
Richtlinien.
Abstrakte Richtlinien, wie die vier Design-Prozess-Prinzipien von Gould et al. (1997) oder
die acht goldenen Regeln des Schnittstellen-Designs von Shneiderman (1998: 74) sind in der
Regel eher zur nachträglichen Bewertung des Designs geeignet und unterstützen weniger
die eigentliche Konstruktion der Lösung. Häufig zitierte Nachteile dieser abstrakten Richtlinien sind (1) die Schwierigkeit der richtigen Interpretation von high-level Guidelines (de
Souza & Bevan 1990), (2) die zu starke Vereinfachung von Sachverhalten, die eine Anwendung für Nicht-HCI-Spezialisten fast unmöglich machen (Chapanis & Budurka 1990) und (3)
der hohe Aufwand bei der Identifikation der relevanten Guidelines (Lowgren & Lauren
1993). Tidwell (1999) weist weiterhin darauf hin, dass sich viele der Designprinzipien im
konkreten Anwendungsfall widersprechen, was ein genaues Abwägen unter besonderer Berücksichtigung der situativen Gegebenheiten erforderlich macht. Diese Aufgabe ist nur von
Spezialisten aufgrund deren Erfahrungswissen lösbar, nicht jedoch von Novizen.
Konkrete Richtlinien, wie sie z.B. für das Design von Benutzerschnittstellen erstellt wurden,
sind dagegen häufig auf die Verwendung eines bestimmten Werkzeuges ausgerichtet (s.
bspw. Macintosh Human Interface Guideline (Apple Computer 1992), OSF / Motif Style
120
Methodische Grundlagen
Guide (Open Software Foundation 1992)). Sie beruhen weniger auf generellem Designwissen
oder –prinzipien, sondern werden durch die Möglichkeiten des Werkzeuges und den aktuell
akzeptierten Überzeugungen der jeweiligen Programmier-Community determiniert. Eine
Hauptmotivation der Anwendung konkreter Richtlinien ist die Gewährleistung der Konsistenz der Schnittstelle. Konsistenz kann zwar die Lesbarkeit für den Anwender unterstützen,
sie reicht jedoch nicht aus, um die generelle Nützlichkeit der Schnittstelle zu gewährleisten.
Design Pattern vermitteln zwischen den High-Level-Konzepten und dem konkreten Anwendungskontext. Sie ermöglichen, im Gegensatz zu den abstrakten Guidelines, eine gezielte Anwendung der Patterns, bleiben dabei jedoch unabhängig von spezifischen Werkzeugen. Sie sind dabei konsequent auf die Optimierung der Zufriedenheit des Anwenders
ausgerichtet. Weiterhin richten sich Patterns, im Gegensatz zu den auf die jeweiligen Spezialisten ausgerichteten Guidelines, an alle am Design beteiligten Parteien und insbesondere
den Kunden und unterstützen somit den partizipativen Designprozess.
D 2 Einordnung in die Patternforschung
Dieses Kapitel gibt eine Übersicht über die Patternforschung in verschiedenen Designdisziplinen und ordnet die eigene Arbeit in diesen Kontext ein. Besondere, auch inhaltliche Relevanz für die vorliegende Arbeit haben insbesondere die Ansätze des Human Computer Interaction Designs (HCI), der Hypermedia-Applikationen sowie speziell der web-basierten
Electronic Commerce-Applikationen. Als bekannte und erfolgreiche Vertreter der Patternforschung werden zu Beginn weiterhin die Arbeiten aus dem Bereich der Architektur sowie
des Software Engineerings dargelegt. Die Architekturpatterns illustrieren die ursprüngliche
Vorstellung von Patterns, die mit ihrer Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Anwender auch
für das Design digitaler Produkte bedeutsam ist. Software Patterns beschäftigen sich dagegen vorrangig mit Implementierungsaspekten und betrachten somit das Design aus Sicht des
digitalen Produktes I.
Für jede Disziplin wird zunächst eine Übersicht über die Arbeiten in diesem Bereich gegeben. Dabei interessieren vorrangig die Ausrichtung der Patterns und somit die QWAN, die
Zielsetzung, die abgedeckten Problemfelder, die berücksichtigten Aspekte, die Organisationsstrukturen der Patternsysteme sowie die konstituierenden Prozesse. Die wichtigsten
Patternansätze der jeweiligen Disziplin werden zur Illustration im Anschluss an diese generelle Übersicht im Detail erläutert. Die Ausführlichkeit der Beschreibung richtet sich dabei
nach der Bedeutung und Bekanntheit der Patternsysteme. In der Regel wird ein Ansatz im
Detail und die weiteren lediglich in einer Art Übersicht erläutert. Abschliessend wird für
jede Disziplin die Bedeutung der bestehenden Patternansätze für die hier zu erstellende
Patternsprache für digitale Produkte diskutiert.
Im letzten Abschnitt erfolgt eine zusammenfassende Einordnung der eigenen Arbeiten in die
vorgestellten Arbeiten der fünf Einzeldisziplinen. Weiterhin werden die Defizite der bestehenden Ansätze in bezug auf das Design digitaler Produkte erläutert. Ihnen wird durch die
im folgenden Teil E entwickelte Patternsprache begegnet.
Design Patterns für digitale Produkte
121
D 2.1 Patterns in der Architektur
Die Ursprünge des Patternansatzes liegen in der Architektur. Die erste Patternsprache
wurde dabei von Christopher Alexander entwickelt. Die generelle Idee einer systematischen
Sammlung, Dokumentierung und Strukturierung architektonischen Designwissens entstand
jedoch bereits zu Beginn der Renaissance (vgl. (de Haas 1999)). Die ersten bekannten
„Patterns“ wurden dabei von Francesco di Giorgio entwickelt. Er dokumentierte erfolgreiche
Designlösungen mit Hilfe einer graphischen sowie einer textuellen Darstellung.
Zielsetzung und Ausrichtung
Die Idee von Patterns wurde dann von Christopher Alexander in den 1970er Jahren wieder
aufgegriffen und erweitert. Patterns spiegeln seine Vorstellungen von einem benutzerzentrierten Design wider. Danach wird das architektonische Design nicht primär durch den Architekten, sondern durch den Benutzer selbst bestimmt. Er gestaltet seine Umgebung derart
resp. lässt sie derart gestalten, dass er sich in ihr wohl fühlt. Alexander geht dabei davon aus,
dass das Leben der Bewohner durch immer wiederkehrende Ereignisse, die Ereignispatterns,
charakterisiert wird. Diese müssen durch die architektonische Gestaltung der Umgebung
optimal unterstützt werden. Den Ereignispatterns entsprechen geometrische Patterns resp.
typische Beziehungen zwischen räumlichen Architekturkomponenten. Diese Patterns werden jedoch nicht primär von Architekten kreiert, sondern existieren bereits in den Köpfen
der Benutzer resp. Bewohner. Sie spiegeln somit die QWAN wider, die den Bewohnern ein
optimales Wohnerlebnis garantiert.
Dabei wirken in den verschiedenen Situationen sich widersprechende Kräfte, die durch das
architektonische Design ausgeglichen werden müssen. Diese Kräfte können individueller,
sozialer, ökonomischer, natürlicher oder physischer Art sein. Ein gutes Beispiel ist das
Pattern „Window Place“. Die beiden hier zu berücksichtigenden Kräfte sind (1) der Wunsch
des Menschen, sich am Licht und somit in der Nähe eines Fensters aufzuhalten und (2) das
Bedürfnis des Menschen, sich nach einer Weile hinzusetzten. Das Pattern schlägt somit vor,
eine Sitzgelegenheit in der Nähe des Fensters vorzusehen (Alexander et al. 1977: 833).
Alexander geht davon aus, dass insbesondere die Ereignispatterns, aber auch die architektonischen „Lösungs“-Patterns, zeitlos sind. Sie geraten lediglich in der heutigen Gesellschaft
immer mehr in Vergessenheit. Die von ihm entwickelte Patternsprache soll eine Möglichkeit
zur Verfügung stellen, dieses Wissen wieder zu rekonstruieren. Sie hat mehr den Charakter
einer Erinnerungsfunktion als den einer normativen Lehrfunktion:
„Indeed this ageless character has nothing in the end to do with languages. The language, and the
processes which stem from it, merely release the fundamental order which is native to us. They do
not teach us, they only remind us of what we know already […].” (Alexander et al. 1977: 53)
Der Zweck seiner Patternsprache bestand im Management und in der Weitergabe von Wissen sowie insbesondere in der Unterstützung des partizipativen Designprozesses durch das
122
Methodische Grundlagen
zur Verfügungstellen einer Lingua Franca. Die Zielgruppe seiner Patternsprache waren daher
neben den Architekten die Bewohner der Gebäude und Städte selbst.110
Struktur und Umfang
Die Sprache umfasst 253 Patterns. Sie deckt damit grosse Teile des architektonischen Gestaltungsraumes, angefangen bei umfassenden Konzepten, wie der Gestaltung von Städten
und Gemeinden, bis hin zum Design sehr spezifischer Konzepte, wie z.B. Mauern, ab.
Die Patternsprache selbst ist hierarchisch organisiert. Jedes Pattern referenziert dabei Patterns mit geringerer Reichweite und höherer Spezifität, die zur Umsetzung der Lösung benötigt werden. Weiterhin wird jedes Pattern selbst in den Kontext übergeordneter Patterns
eingeordnet, zu deren Umsetzung es beiträgt. Bei der durch die Hierarchie ausgedrückten
Beziehung handelt es sich somit um eine Verfeinerungsrelation. In den Patterns wird ausschliesslich die räumliche Gestaltung der Situation mit architektonischen Mitteln betrachtet.
Ebenso beruhen die Beziehungen zwischen den Patterns ausschliesslich auf räumlicher Inklusion.
Die Patterns ergänzen sich synergetisch zur Lösung komplexerer Problemstellungen, die sich
in den Kontext übergeordneter Patterns einordnen lassen. Durch ihre hierarchische Strukturierung ermöglichen sie die sukzessive Ableitung gesamter Systeme. Die Patterns sind dabei
auf ein gemeinsames übergeordnetes Ziel ausgerichtet. Bei dieser „Patternsprache“ handelt
es sich daher tatsächlich um eine Sprache gemäss der Definition aus Abschnitt D 1.1.3. 111
Die Beschreibung der Patterns folgt der in Abschnitt D 1.1.2 bereits beschriebenen Struktur.
Dabei liegt ein Schwergewicht auf der Beschreibung der Problemsituation sowie der Einordnung in das Gesamtsystem. Ausführliche Beispiele innerhalb der Problembeschreibungen
erleichtern das Verständnis der Problemsituation. Die Darstellung ist sehr informell gehalten
und in Prosa verfasst. Die Beschreibungen der einzelnen Patternelemente gehen ineinander
über. Lesbarkeit und Verständlichkeit der Patterns sind somit erklärtes Ziel.
Als typisches Beispiel wird im folgenden das Pattern 88-STREET CAFE dargestellt. Die Patterns von Alexander umfassen durchschnittlich vier Seiten. Die Vorstellung des Beispielpatterns erfolgt daher in einer gekürzten Version. Das Pattern beginnt mit dem Namen, der
Nummer sowie dem Foto eines typischen Strassencafes. Im Anschluss daran erfolgt die Einordnung der betrachteten Situation in den Kontext übergeordneter Patterns. In diesem Fall
sind dies SMALL PUBLIC SQUARE; ACTIVITY NODE und IDENTIFIABLE
110 Innerhalb der Architekten-Community stiess die Einführung seiner Patternsprache jedoch nicht
nur auf Zustimmung. Das mit den Pattern verbundene partizipative Design induziert eine Verschiebung der Aufgabenverteilung von den Architekten zu den Anwendern oder Bewohnern
selbst. Damit fürchteten die Architekten um ihre Macht und letztendlich auch um ihre Daseinsberechtigung (Borchers 2000a: 22). Weiterhin wurde die Sprache als eine Beschränkung der
eigenen Kreativität empfunden.
111 Bei einer sehr strengen Auslegung der Definition von Patternsprachen dürfte man jedoch auch die
Pattern“sprache“ von Alexander lediglich als System bezeichnen, da nicht alle Beziehungen
zwischen den Patterns erfasst werden.
Design Patterns für digitale Produkte
123
NEIGHBORHOOD. Danach wird die Problemsituation in kurzen Worten dargelegt, gefolgt
von einer umfassenden Problembeschreibung mit einer ausführlichen Diskussion des Hintergrunds des Patterns, der Validität, der Einsatzsituationen sowie des Systems der sich in
dieser Situation widerstrebenden Kräfte. Im Pattern 88 beschreibt Alexander bspw. die Situation in einem Cafe, analysiert und motiviert die typischen Gestaltungselemente eines Cafes und diskutiert die Ergebnisse eines Surveys, durch das die besondere Rolle von Cafes in
Studentenkreisen aufgezeigt werden konnte. Die ausführliche Beschreibung hilft dem Anwender, die Einsatzsituationen besser zu verstehen. Es folgt eine kurze Lösungsbeschreibung. In diesem Beispiel erfasst sie die Kernelemente eines Strassencafes. Die Lösung wird
weiterhin durch eine handschriftliche Skizze illustriert. Zum Abschluss der Patternbeschreibung wird der resultierende Kontext dargestellt. Er erfasst diejenigen Patterns, die für die
Implementierung der Lösung genutzt werden können. In diesem Fall sind dies u.a. die
Patterns OPENING TO THE STREET und SITTING WALL.
88 STRASSENCAFE **112113
Bild ausgespart
... Nachbarschaften sind durch eine IDENTIFIABLE NEIGHBORHOOD gekennzeichnet; ihre
zentralen Plätzen werden dabei durch ACTICITY NODE und SMALL PUBLIC SQUARES definiert. Das vorliegende sowie die darauffolgenden Patterns geben der Nachbarschaft und ihren
zentralen Plätzen ihre Identität.
Ein Strassencafe erzeugt ein einzigartiges Setting, das sich speziell in Städten findet: Einen Ort, an dem Menschen ohne schlechte Gewissen faul herumsitzen können, an dem sie
für andere sichtbar sind und die Welt an sich vorbeiziehen lassen können.
Die meisten Städte sind voller Strassencafes. Lasst uns daher versuchen, das Erlebnis zu verstehen, das diese Orte für uns so attraktiv macht. Wir wissen, dass Menschen es geniessen, sich in
der Öffentlichkeit, in Parks, auf Plätzen, auf Promenaden und Prachtstrassen, in Strassencafes
unter die Leute zu mischen. Die Gründe dafür scheinen die folgenden zu sein:: Die Umgebung
gibt dem Einzelnen das Recht, sich gewohnheitsmässig dort aufzuhalten; es gibt wenige, fast rituelle Dinge, die man an diesem Ort tun kann: Zeitunglesen, herumbummeln, an einem Bier sippen,
fangen spielen; die anwesenden Menschen fühlen sich sicher genug, um sich zu entspannen,
einander zuzunicken, sich vielleicht sogar dort zu treffen. [...]
Die folgenden neun Abschnitte mit weiteren Erläuterungen werden hier ausgespart.
Daher:
Fördere die Errichtung von Strassencafes in jeder Nachbarschaft. Mache sie zu intimen
Orten, bestehend aus mehreren Räumen, geöffnet zu einer bevölkerten Strasse, an dem
Menschen mit einem Kaffee oder einem anderen Getränk sitzen und die Welt an sich vorbeiziehen lassen können. Positioniere an der Vorderseite des Cafes Tische, die sich aus
dem Gebäude heraus bis auf die Strasse erstrecken.
Diagramm ausgespart
112 Die Sternchen geben Auskunft über die Validität der Patterns (s. Abschnitt D 1.1.2). Bei Alexander
werden die Patterns mit der höchsten Validität dabei mit drei Sternchen gekennzeichnet.
113 Übersetzung der Autorin.
124
Methodische Grundlagen
Errichte eine weite, deutliche Öffnung zwischen der Terrasse und dem Innenraum – OPENING
TO THE STREET; benutze die Terrasse als einen ORT ZUM WARTEN für nahegelegene Bushaltestellen und Büros; nutze sowohl im Cafe als auch auf der Terrasse eine Vielzahl verschiedener
Stühle und Tische – DIFFERENT CHAIRS und grenze die Terrasse gegenüber der Strasse ab, insofern die Gefahr besteht, dass die Cafebesucher durch das Treiben auf der Strasse gestört werden
– STAIR SEATS, SITTING-WALL, vielleicht ein CANVAS ROOF.
Weiterer Text ausgespart
Prozess
Wie bereits erwähnt, reflektieren und rekonstruieren die Architekturpatterns Wissen über
gute Designlösungen, die sich bewährt haben. Erklärt und gerechtfertigt werden sie weiterhin argumentativ, indem aufgezeigt wird, wie das vorgeschlagene Design die sich widerstrebenden Kräfte ausgleicht. Durch ihre Nutzung in einer Vielzahl erfolgreicher Beispielanwendungen werden sie aber insbesondere empirisch validiert.114
Die Anwendung der Patterns folgt dem in Abschnitt D 1.1.5 vorgestellten Prozess des
„piecemeal growth“, bei dem die Gesamtlösung durch die sukzessive Anwendung der passenden Patterns entlang der Patternhierarchie abgeleitet wird. Die einzelnen Prozessschritte
können dabei wie folgt zusammengefasst werden (s. (Alexander et al. 1977) und (Erickson
2000)):
1.
Wähle dasjenige Pattern, das am besten den Gesamtumfang der Anwendung beschreibt.
2.
Gehe zum Ende des Patterns, wo auf die spezifischeren Patterns verwiesen wird
und wähle diejenigen Patterns aus, die auf die konkrete Anwendung zu passen
scheinen.
3.
Wiederhole Schritt 2 für jedes der ausgewählten Patterns und füge weiterhin alle
relevanten Patterns aus deren Kontext-Sektion hinzu.
4.
Wiederhole die Schritte 2 und 3, bis das gesamte Patternsystem durchgearbeitet
wurde.
5.
Passe das Patternsystem durch die Anpassung bestehender Patterns oder aber das
Hinzufügen neuer Patterns an.
Aus dieser Prozessbeschreibung wird deutlich, dass es sich hierbei um einen flexiblen und
insbesondere kreativen Prozess handelt. Das Patternsystem wird hier nicht als fest vorgegeben, sondern als ein sich über die Zeit weiterentwickelndes dynamisches System angesehen.
D 2.1.1 Bewertung
Die Patternsprache von Christopher Alexander bildet die Grundlage aller nachfolgenden
Patternansätze und daher auch der hier entwickelten Patternsprache für digitale Produkte.
114 Alexander selbst wendete die Patterns erfolgreich zur Planung der University of Oregon an
(Alexander et al. 1977).
Design Patterns für digitale Produkte
125
Vorbildfunktion hat sie vor allem bezüglich der Patternstruktur, der Ausrichtung der
Patterns, der Zielsetzung sowie der konstituierenden Prozesse:
• Die Beschreibung der Patterns für digitale Produkte folgt der Struktur der Architekturpatterns. Dabei wird allerdings mehr Gewicht auf die Lösung selbst gelegt werden. Die
gute Verständlichkeit der Beschreibung sowie die Vollständigkeit der Sprache sind
vorbildlich.
• Als Qualitätskriterium steht auch in dieser Arbeit das positive Erlebnis der Anwender
im Vordergrund. Bei elektronischen Produkten ist jedoch nicht nur die „Usability“,
d.h. die optimale Unterstützung des Kunden bei der Erledigung seiner Aufgaben, zu
berücksichtigen. Stattdessen müssen alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion, und
nicht nur die eigentliche Anwendung des Produktes, unterstützt und auf die Optimierung des Kundenwertes ausgerichtet werden.
• Wie die Patternsprache von Alexander soll auch die hier entwickelte Sprache dem Aufbau eines Wissensrepositoriums für gutes Design dienen, Designer bei ihrer Arbeit
und im Sinne der Lingua Franca weiterhin den interdisziplinären Designprozess unterstützen.
• Auch die Patterns lassen sich prinzipiell aus einer Analyse von Best Practice Beispielen
ableiten und validieren. Aufgrund der besonderen Charakteristika des Designs digitaler Produkte muss diese Methodik jedoch erweitert werden (s. Abschnitt E 1.3).
Unterschiede bestehen insbesondere natürlich in den Inhalten, aber auch in den betrachteten
Designdimensionen und dem Aufbau der Gesamtsprache:
• Die Patternsprache von Alexander beschränkt sich vollständig auf die äussere Gestaltung und nicht auf die Umsetzung des Designs im Sinne der Implementation I. Die Designsprache für digitale Produkte soll jedoch zumindest die Verbindung zum digitalen
Produkt I und somit dem Produkt aus Sicht der Produktion aufzeigen.
• Während Alexander lediglich die räumliche Dimension beachtet, ist in dieser Arbeit
die Dimension Zeit von grundlegender Bedeutung. Die Zeit muss sich dabei sowohl
innerhalb der Patterns als auch in den Beziehungen zwischen den Patterns widerspiegeln. Auch Alexander gliedert seinen Gestaltungsraum in verschiedene Situationen
oder, wie er es nennt, Erlebnispatterns. In dieser Arbeit stellen diese Erlebnispatterns
jedoch Ereignisse und Situationen dar, die in temporärer Abhängigkeit zueinander
stehen.
• Weiterhin handelt es sich bei den im Zuge des Designs digitaler Produkte zu gestaltenden Interaktionsräumen um ein interaktives Medium, und nicht um ein passives Artefakt. Die entsprechenden Besonderheiten dieses aktiven Gestaltungselements müssen
in den Patterns berücksichtigt werden.
D 2.1.2 Zusammenfassung
Die folgende Tabelle D 2-1 fasst wesentlichen Charakteristika der Patternsprache von
Christopher Alexander noch einmal zusammen.
126
Methodische Grundlagen
Disziplin
Architektur
Zielsetzung
•
Wissensrepositorium
•
Lingua Franca zur Unterstützung des partizipativen Designs von
architektonischen Umgebungen
•
Unterstützung des Designprozesses
•
„Benutzer“ der Bauwerke
•
andere Architekten
Zielgruppe
Optimierungskriterium / „Wohlfühlen“ der Benutzer durch (s. (Alexander et al. 1977)):
• ästhetische Schönheit und Ordnung
QWAN
• geschachtelte Zentren der Symmetrie und des Gleichgewichtes
•
Lebendigkeit und Vollständigkeit
•
Anpassbarkeit und Dauerhaftigkeit
•
Zufriedenheit der menschlichen Benutzer
•
Emotionale und kognitive Resonanz
Umfang
•
253
Typus und Struktur
•
Die Patterns ergänzen sich zu einer Sprache durch:
•
die Ausrichtung auf ein übergeordnetes Ziel sowie
•
die, wenn auch nicht ganz vollständige, Verlinkung
•
Hierarchische Struktur mit Verfeinerungsrelation
•
Räumliche Zusammenhänge innerhalb der Patterns
•
Räumliche Inklusions- resp. Verfeinerungsbeziehung zwischen den
Patterns
Anwendung
•
Prozess der schrittweisen Verfeinerung: piecemeal growth
Patternstruktur
•
Name, Ranking, Bild, Kontext, kurze Problembeschreibung, lange
Problembeschreibung mit Kräften und Beispielen, Lösungsbeschrei-
Dimensionen
bung, Diagramm, verwandte Patterns..
Entdeckung der Patterns
Validierung
Kritik - positiv
•
Beobachtung der Umwelt
•
Best Practice
•
Beispiele
•
Erklärung der Lösung
(jedoch nicht basierend auf einer bestimmten Theorie)
•
Patternsprache basiert auf der Definition eines „Ereignisraumes“ mit
Ereignispatterns. Dies ähnelt den Situationen des Theaterstückes unter Betrachtung lediglich räumlicher Beziehungen
Kritik - negativ
•
Weitgehende Vollständigkeit der Sprache
•
Verständliche Beschreibung
•
Vernachlässigung der zeitlichen Dimension
•
(Gegenstand des Designs ist ein passives Artefakt)
Tabelle D 2-1: Übersicht über Architekturpatterns
D 2.2 Patterns im Software Engineering
Neben der Architektur ist das Software Engineering die zweite Disziplin, in der Patterns zur
Unterstützung des Designs breite Anwendung finden.
Design Patterns für digitale Produkte
127
Die Anfänge der Patternforschung im Software Engineering gehen auf Ward Cunningham
und Kent Beck zurück. Sie entwickelten im Jahre 1987 fünf Patterns zur Unterstützung von
Smalltalkprogrammierern bei der Entwicklung von Benutzerschnittstellen. Dabei konnte gezeigt werden, dass auch unerfahrene Programmierer unter Anwendung dieser Patterns
schnell lernten, gute Benutzerschnittstellen zu entwickeln.115 Kurz darauf entwickelte Jim
Coplien einen Patternkatalog zur Unterstützung der C++ Programmierung (Coplien 1992).
Durchgesetzt hat sich der Einsatz von Patterns im Software Engineering jedoch erst durch
die Arbeiten von Erich Gamma, Richard Helm, Ralph Johnson und John Vlissides, die häufig
auch als „the Gang of Four“ (GoF) bezeichnet werden. Sie entwickelten einen Patternkatalog
zur Unterstützung des objektorientierten Programmdesigns, der erstmalig auf der
OOPSLA’93 präsentiert und 1995 als Buch „Design Patterns“ publiziert wurde (Gamma et al.
1995). 1994 wurde die Konferenzreihe PLoP (Pattern Languages of Programs) initiiert, die
sich schnell zum zentralen Forum für Patternsprachen im Bereich des Software Engineerings
entwickelte.
Bei Software Patterns kann man primär zwischen drei Arten von Pattern unterscheiden: Design Patterns, Analysepatterns und Organisationspatterns. Am weitesten verbreitet sind die
Design Patterns, welche die Designphase des Software Engineering Prozesses unterstützen.
Deren bekannteste Vertreter sind die GoF (Gamma et al. 1995). Daneben haben die Arbeiten
der „Siemens Gang of Five“, Frank Buschmann, Regine Meunier, Hans Rohnert, Peter
Sommerlad und Michael Stal, breite Beachtung und Akzeptanz gefunden (Buschmann et al.
1996).116 Analysepatterns unterstützen die Analysephase des Software Engineering Prozesses und somit die Modellierung der Anwendungsdomäne. Der bedeutendste Vertreter ist
Martin Fowler (vgl. (Fowler 1997)). Arbeiten über Analysepatterns haben sich mittlerweile
zu einem festen Bestandteil der Patternforschung entwickelt.117 Organisationspatterns beschreiben bewährte Lösungen für die Organisation der Programmentwicklung (Coplien
1996; Coplien & Schmidt 1995). Neben diesen drei zentralen Patterntypen wurden Patterns
zu fast allen Aspekten des Software Engineerings entwickelt.118
Die meisten Arbeiten beschäftigen sich immer noch mit Design Patterns. Diese Bezeichnung
ist jedoch irreführend, da sich dahinter sowohl Patterns zur Unterstützung des Softwaredesigns im engeren Sinne als auch der Architektur von Softwaresystemen sowie der Imple-
115 Die Ergebnisse wurden in (Cunningham & Beck 1987) dokumentiert und auf der OOPSLA’87, ei-
ner der bedeutensten Konferenzreihen über objektorientierte Programmierung, präsentiert.
116 Weitere bedeutende Werke sind die Buchveröffentlichungen ausgewählter Papiere der verschiede-
nen PLoP Konferenzen sowie die Bücher der Software Pattern Reihe.
117 Dies wird insbesondere in den Beiträgen der diversen PLoP Konferenzen sichtbar (s. bspw. (Kerth
1995; Withenack 1995)).
118 Beispiele sind Patterns zur Gestaltung des Softwareprozesses, der Projektplanung, der
Bedürfnisaufnahme, des Managements von Softwarekonfigurationen, etc. Eine Übersicht erhält
man
am
besten
durch
die
Online
Proceedings
der
PLoP
Konferenzen
(http://jerry.cs.uiuc.edu/~plop/, letzter Zugriff 02.11.2001).
128
Methodische Grundlagen
mentierung verbergen. Zur namentlichen Unterscheidung dieser Patterntypen haben sich die
Bezeichnungen architectural patterns, design patterns und ideoms durchgesetzt. Das Differenzierungskriterium zwischen den Patterntypen ist der Abstraktions- und Detaillierungsgrad:
Architekturpatterns unterstützen die Gestaltung des Gesamtsystems aus vordefinierten Subsystemen. Design Pattern beschreiben das Design der Subsysteme und somit das Verhalten
und die Beziehungen zwischen den Programmkomponenten. Ideoms betreffen die eigentliche Implementierung und berücksichtigen dabei die Besonderheiten einer bestimmten Programmiersprache (Buschmann et al. 1996).
Riehle und Züllighoven (1996) unterscheiden ebenfalls zwischen drei Typen von Design
Patterns: Konzeptuelle Patterns, Design Patterns und Programmierungs-Patterns. Ihre Aufteilung orientiert sich somit an den Phasen des Software Engineering Prozesses. Konzeptuelle Patterns zeigen dabei eine starke Ähnlichkeit zu den Analysepatterns auf, und Programmierungs-Patterns zu den Ideoms.
Zielsetzung und Ausrichtung
Wie die Patterns von Christopher Alexander sollen auch die Patterns des Software Engineerings dazu dienen, die Erfahrungen aus vergangenen Designprojekten zu extrahieren
und zu systematisieren. Sie unterstützen sowohl die einfache Vermittlung von Design-Wissen als auch den Austausch und Aufbau von Wissen innerhalb der Community der Software
Ingenieure. Ein grosser Vorteil wird in der Beschleunigung des Designprozesses durch die
Wiederverwendung bereits entwickelter Lösungen gesehen. Im Gegensatz zu den Patterns
von Christopher Alexander sind sie dagegen weniger darauf ausgerichtet, die Kommunikation zwischen Vertretern verschiedener Disziplinen und somit einen interdisziplinären
Designprozess zu unterstützen.
Die Zielgruppe der Software Engineering Patterns sind eindeutig die Software-Ingenieure.
Daher ist auch der Massstab für gutes Design auf deren Bedürfnisse ausgerichtet. Gutes Design zeichnet sich somit nicht primär durch das positive Erlebnis des Endanwenders bei der
Nutzung der resultierenden Software, sondern durch deren Wiederverwendbarkeit und Flexibilität aus. Michael Beedle beschreibt die QWAN daher auch als „something that is created
when the attributes in the design made that design ‘live’. That is, designs that are flexible,
extensible, adaptable, reusable and have other qualities of living things, except of course selfreproduction and metabolism“ (Beedle 1997).
Struktur
In dieser Disziplin wurden zumeist einzelne Patternsammlungen erstellt, ganze Patternsysteme oder gar –sprachen finden sich noch nicht. Software Engineering Patterns erheben
somit nicht den Anspruch, sämtliche Problemsituationen erfassen zu können und die Erstellung vollständiger Systeme zu unterstützen. Die Beschreibung der Patterns ist formaler
und häufig durch Hinweise auf Implementierungsaspekte ergänzt. Auch dies ist ein Anzeichen dafür, dass die Patterns nicht primär als interdisziplinäres Kommunikationsmedium
gedacht sind. Die meisten Autoren lehnen sich dabei an die im folgenden Abschnitt vorgestellte Struktur der Design Patterns der GoF an. Die Patterns werden weiterhin um eine
weitere Komponente, das „Rational“, ergänzt. Sie umfasst die Mechanismen und Theorien,
Design Patterns für digitale Produkte
129
auf denen die Lösung des Problems basiert, und erklärt somit, wie und warum das dargestellte Lösungsmuster das Problem löst. Mit dieser Ergänzung wird die Positionierung des
Patternansatzes zwischen Theorie und Praxis explizit hervorgehoben.
“A pattern is where theory and practice meet to reinforce and complement one another, by
showing that the structure it describes is useful, useable, and used!” (Appleton 2001)
Prozesse
Software Engineering Patterns beruhen auf den Erfahrungen erfahrener Designer und stellen
somit Best Practice Wissen dar.119 Gamma et al. (1995) betonen, dass es sich bei den dargestellten Patterns zumeist nicht um offensichtliche Lösungen, sondern um das Ergebnis langjähriger Designerfahrung handelt.
Die Anwendung der Patterns erfolgt durch den Abgleich der in den Patterns dargestellten
Problemsituation mit der aktuellen Designaufgabe und der anschliessenden Anwendung der
Lösung im konkreten Designkontext.
Im folgenden werden als prominente Vertreter der Patternansätze im Software Engineering
die Design Patterns der GoF im Detail beschrieben. Im Anschluss daran wird als zweiter bekannter Vertreter die Arbeit von Martin Fowler über Analyse Patterns vorgestellt.
D 2.2.1 Design Patterns der GoF
Die wohl bekannteste Sammlung von Design Patterns im Software Engineering sind die
Design Patterns zur Unterstützung des objektorientierten Programmdesigns, entwickelt von
Erich Gamma, Richard Helm, Ralph Johnson, John Vlissides (1995). Sie bilden vor allem bzgl.
der Patternstruktur das Vorbild für die Entwicklung und Beschreibung der meisten nachfolgenden Design Patterns.
Zielsetzung und Ausrichtung
Die QWAN umfasst die Wiederverwendbarkeit und Flexibilität der Software. Die Patterns
unterstützen somit eine Gestaltung der Softwarestrukturen, die es ermöglicht, die verschiedenen Designkomponenten, d.h. den Aufbau von Klassen und Objekten, ihre Implementation, die Beziehungen zwischen den Klassen und Objekten, das Verhalten von Objekten
sowie das Verhalten zwischen Objekten flexibel an neue Gegebenheiten anpassen zu können.
Sie sind dabei unabhängig von der jeweiligen Anwendungsdomäne.
Struktur
Die Design-Patterns weisen keine hierarchische Struktur auf. Weiterhin decken sie nicht alle
möglichen Designprobleme ab. Im Gegensatz zu den Architekturpatterns ist es daher nicht
möglich, ein Softwaresystem ausschliesslich unter Verwendung dieser Patterns zu entwer119 Borchers (2000a) kritisiert hierbei, dass es sich bei den Pattern z.T. nicht um Lösungen für prinzi-
pielle Problemsituationen handelt, sondern um die Kompensation der mangelnden Funktionalität der zur Verfügung stehenden Programmiersprachen.
130
Methodische Grundlagen
fen. Die Design Patterns zum objektorientierten Design stellen somit keine Sprache im engeren Sinne, sondern lediglich eine Sammlung von Patterns, d.h. einen Patternkatalog dar. Die
insgesamt 23 Patterns werden in Abhängigkeit von ihrem Zweck und ihrer Reichweite in Kategorien eingeteilt. Das Kriterium Zweck unterscheidet „creational“ von „structural“ und
„behavioral“ Patterns, in Abhängigkeit davon, ob sich die Patterns mit dem Prozess der
Erzeugung von Objekten, mit der Zusammensetzung von Objekten oder Klassen oder mit
der Interaktion zwischen Objekten oder Klassen beschäftigen. Die Reichweite charakterisiert
Patterns danach, ob sie sich auf die Klassen- oder auf die Objektebene beziehen. Die Patterns
sind über verschiedene Relationen miteinander verbunden: Patterns können alternativ eingesetzt werden, komplementär sein, oder ähnliche Resultate liefern. Es bleibt dabei jedoch
unklar, wie sich die verschiedenen Patterns systematisch zur Lösung übergeordneter Ziele
ergänzen.
Im Vergleich zu den Architekturpatterns sind die Lösungsbeschreibungen stärker formalisiert. Sie verwenden dabei die Beschreibungskonstrukte des objektorientierten Designs, d.h.
Klassenstrukturen und Kollaborationsbeziehungen zwischen den Klassen. Erfasst werden
sowohl die statischen als auch die dynamischen Aspekte des Designs. Das System der sich
widerstrebenden Kräfte findet sich explizit in der Beschreibung der „Konsequenzen“ wider.
Bei den Design Patterns muss dabei insbesondere der Bedarf an Speicherplatz und Rechenzeit mit der Forderung nach Effizienz und Flexibilität der Software ausbalanciert werden.
Ergänzt wird die Lösungsbeschreibung um eine beispielhafte Umsetzung in C++ Code sowie
um weitere Hinweise zur Implementierung. Die Formulierung der Patterns selbst erfolgt
weitgehend unter Verwendung natürlicher Sprache, illustriert durch Modelle des objektorientierten Designs. Innerhalb der Patterns werden vorrangig strukturelle Aspekte erfasst.
Die structural Patterns betrachten den Aufbau von Klassen und Objekten, die behavioral
Patterns die Zusammenarbeit zwischen Objekten. Aber auch hier stehen weniger die Prozesse im Vordergrund, als vielmehr die Aspekte des Managements dieser Zusammenarbeit,
d.h. der Aufteilung der Verantwortlichkeiten sowie der Gestaltung der Kommunikationsbeziehungen.
Ein typisches Beispiel eines Verhaltenspatterns, das „Observer“ Pattern120 wird im folgenden verkürzt dargestellt.
OBSERVER
Intention: Definiere eine 1-zu-n Beziehung zwischen Objekten, so dass bei einer Änderung des
Zustandes eines Objektes, alle abhängigen Objekte automatisch benachrichtigt und aktualisiert
werden.
Auch bekannt unter: Dependents, Publish-Subscribe
Motivation: Die Partitionierung eines Systems in eine Menge kooperierender Klassen bewirkt in
der Regel, dass explizit für die Konsistenzerhaltung verwandter Objekte gesorgt werden muss.
120 Übersetzung der Autorin.
Design Patterns für digitale Produkte
Diese Konsistenzerhaltung darf jedoch nicht durch eine enge Kopplung der Klassen und damit auf
Kosten der Wiederverwendbarkeit erfolgen.
Viele Werkzeuge zur Erstellung graphischer Benutzerschnittstellen trennen die Darstellung von
der zugrunde liegenden Applikation. Dies ermöglicht eine unabhängige Wiederverwendung der
entsprechenden Klassen, ohne die Möglichkeiten für deren Zusammenarbeit zu stören. So kann
sowohl ein Spreadsheet-Objekt als auch ein Balkendiagramm die Information des selben Applikationsobjektes darstellen. Die beiden Darstellungsobjekte wissen dabei nichts voneinander, obwohl
sie sich so verhalten. Wenn ein Benutzer Eingaben im Spreadsheet ändert, wird diese Änderung
im Bar-Chart reflektiert und umgekehrt. Dieses Verhalten deutet darauf hin, dass das Spreadsheet
und das Balkendiagramm beide von einem gemeinsamen Datenobjekt abhängig sind und daher
über dessen Zustandsänderungen benachrichtigt werden müssen. [...]
Das Observer Pattern beschreibt, wie eine solche Verbindung herzustellen ist. Die Kernobjekte
dieses Patterns sind subject und observer. [...] Alle Observer werden über jede Zustandsänderung des Subjektes benachrichtigt. Als Reaktion darauf wird jeder Observer das Subjekt anfragen, um den eigenen Zustand mit dem des Subjektes zu synchronisieren. [ ...]
Das Subjekt sendet die Benachrichtigungen [...] ohne zu wissen, wer die Beobachter sind. Dabei
kann sich eine beliebige Anzahl von Observern bei einem Subjekt anmelden.
Anwendbarkeit:
•
Wenn eine Abstraktion zwei Sichten in sich vereinigt, die in gegenseitiger Abhängigkeit
stehen. Die Kapselung dieser beiden Sichten in separaten Objekten ermöglicht deren unabhängige Änderung und Wiederverwendung.
•
Wenn die Veränderung eines Objektes die Veränderung anderer Objekte nach sich ziehen
soll, man aber nicht weiss, wie viele Objekte geändert werden müssen.
•
Wenn ein Objekt andere Objekte benachrichtigen können möchte, ohne diese zu kennen
[...].
Struktur: Klassendiagramm
Teilnehmer:
•
Subjekt: Kennt seine Observers und besitzt eine Schnittstelle zum Hinzufügen und
Entfernen von Observerobjekten.
•
Observer: Definiert eine Aktualisierungsschnittstelle für Objekte, die über Änderungen
eines Subjektes informiert werden sollen.
•
Konkretes Subjekt: Speichert den interessierenden Zustand der konkreten Objekte und
sendet Benachrichtigungen an seine Observer, wenn sich sein Zustand ändert.
•
Konkretes Objekt: Hält eine Referenz zu einem konkreten Subjekt, speichert den Zustand der konsistent mit dem Zustand des Subjektes gehalten werden soll und implementiert die Aktualisierungsschnittstelle des Observers, die es ermöglicht, die Zustände konsistent zu halten.
Kollaborationen:
•
Das konkrete Subjekt benachrichtig seine Observer, wann immer sich sein Zustand so
ändert, dass dies zu Inkonsistenzen mit den Zuständen der Observer führen kann.
•
Nach der Benachrichtigung [...] kann ein konkretes Objekt das Subjekt anfragen und seinen Zustand dementsprechend anpassen.
Darstellung des Sequenzendiagramms ausgespart.
Konsequenzen: Das Observerpattern gestattet die unabhängige Änderung von Subjekten und
Observers. Man kann Subjekte ohne die Objekte wiederverwenden und vice versa. Das Pattern
gestattet weiterhin das Hinzufügen weiterer Observers ohne Änderung der Subjekte oder der anderen Observers.
131
132
Methodische Grundlagen
Weitere Auswirkungen des Observer Patterns umfassen die folgenden Punkte:
•
Abstrakte Kopplung zwischen Subjekten und Objekten: [...]
•
Unterstützung der Broadcast Kommunikation: [...]
•
Unerwartete Aktualisierungen: [...]
Implementation: ausgespart
Prozesse
Die Design Patterns sind primär Ergebnis der langjährigen Erfahrung der Autoren in der
objektorientierten Programmierung. Dabei wurden durch einen öffentlichen Reviewprozess
auch die Erfahrungen anderer Designer in die Patterns mitintegriert.
Die Anwendung der Patterns erfolgt im Zuge des Software Designs. Dabei werden die in
den Patterns beschriebenen Problemsituationen mit der aktuellen Situation im Designprozess abgeglichen und die Lösungen auf den konkreten Anwendungskontext übertragen.121 Die Beziehungen zwischen den Patterns gestatten die Abwägung alternativer
Lösungsmöglichkeiten, sie unterstützen jedoch keinen iterativen Designprozess.
D 2.2.2 Analysis Patterns von Fowler
Als weiterer prominenter Vertreter von Patterns im Software Engineering wird in diesem
Abschnitt, allerdings nur in Form einer Übersicht, die Arbeit von Martin Fowler vorgestellt
(Fowler 1997).122 Fowler entwickelte einen Patternkatalog zur konzeptuellen Modellierung
von Business Systemen. Die Patterns konzentrieren sich dabei auf die Repräsentation der
internen Strukturen und Abläufe des Systems. Die Interaktionen zwischen dem Anwender
und dem System, die in der vorliegenden Arbeit im Vordergrund stehen, werden dagegen
kaum betrachtet.
Die Sprache richtet sich dabei an die Designer von Business Systemen, die sie bei deren
Designaufgabe möglichst zielgerichtet unterstützen soll. Ein einheitliches Gütemass im Sinne
einer QWAN ist dabei nicht ersichtlich.
Die Patternsammlung umfasst insgesamt 74 Patterns aus 11 verschiedenen Bereichen. Die
Patterns innerhalb der einzelnen Bereiche ergänzen sich z.T. zur Lösung komplexerer Problemstellungen. Auf diese Zusammenhänge wird jedoch in der Patternbeschreibung selbst
121 Die Patterns erleichtern dem Programmierer die Identifikation von Objekten, die Bestimmung der
Granularität, die Festlegung der Interfaces sowie die Implementation.
122 Analysepatterns unterstützen die Analysephase des Software Engineering Prozesses. Sie beschrei-
ben die Strukturen des Systems, konzentrieren sich dabei jedoch auf die funktionalen Aspekte
und abstrahieren von den nichtfunktionalen Anforderungen des Systems sowie von den Beschränkungen der Architektur (Conallen 1999). Sie spezifizieren, wie das gewünschte Verhalten
des Systems durch die internen Strukturen zu realisieren ist.
Design Patterns für digitale Produkte
133
nicht eingegangen. Die Patterns bilden somit in gewissem Sinne ein Patternsystem, dessen
Struktur jedoch nicht explizit in der Sprache erfasst wird.
Die Patterns selbst umfassen lediglich vier Elemente: den Namen, die Beschreibung der
Problemstellung in textueller Form, Beispiele zur Illustration der Problemstellung und die
Lösung, ebenfalls in textueller Form. Illustriert werden Problemstellung und Lösung durch
Diagramme der objektorientierten Modellierung. Unterschiedliche Konstellationen innerhalb
der gleichen Problemstellung, die unterschiedliche Kräftesysteme innerhalb der gleichen
Situation widerspiegeln, werden nicht in unterschiedlichen Patterns, sondern als unterschiedliche Lösungen im gleichen Pattern beschrieben.
Die Herleitung und Validierung der Patterns beruht auf den langjährigen Erfahrungen des
Autors im Bereich der objektorientierten Analyse von Business Systemen.
D 2.2.3 Bewertung
Die Patternsysteme des Software Engineerings unterstützen vor allen Dingen das Design des
digitalen Produktes I, d.h. des Designs aus der Sicht der Produktion. Die vorliegende Arbeit
interessiert sich jedoch primär für die Sicht des Kunden auf das Produkt sowie die Gestaltung der Schnittstelle und somit der Kommunikationsbeziehungen zwischen dem Produkt
und dem Kunden (die dann natürlich ebenfalls wieder implementiert werden müssen.) Die
Implementierungsdetails sowie die internen Strukturen des Systems interessieren dagegen
weniger.
Inhaltlich am nächsten verwandt sind die Analysepatterns. Sie beschreiben das konzeptuelle
Modell der Anwendungsdomäne. Dabei erfassen aber auch sie weniger die hier interessierenden Interaktionen zwischen Benutzer und System, als vielmehr das konzeptuelle Modell
der internen Systemfunktionalität. Relevant sind daher lediglich die Ausschnitte des konzeptuellen Modells, die sich mit der Schnittstelle zwischen System und Umwelt beschäftigen.123
Auch in ihrer Ausrichtung unterscheiden sich die Patternansätze des Software Engineerings
von den Patterns für digitale Produkte II. Im Zentrum steht hierbei die Flexibilität und
Adaptivität der entstehenden Software-Artefakte, und nicht die optimale Interaktion zwischen System und Anwender sowie die Ausrichtung auf den Kundenwert. Beide Ansätze
entsprechen sich jedoch in ihrer generellen Zielsetzung im Sinne der Identifikation und Wiederverwendung bewährten Designwissens.
123 In der UML Terminologie werden diese als „Boundary Classes“ bezeichnet (s. (Conallen 1999)).
Eine Einordnung des hier entwickelten Patternsystems in die Patternsysteme des Software
Engineerings ist ansonsten primär auf der Ebene der funktionalen Anforderungsanalyse möglich. Diese findet in der Regel im Rahmen einer Use-Case-Analyse statt. Arbeiten zur Systematisierung des Use-Case-Wissens befinden sich jedoch erst in den Anfängen s. ChiliPLoP 2001,
http://www.agcs.com/supportv2/techpapers/patterns/chiliplop/2001/2001_titlepage.htm,
letzter Zugriff 02.11.2001).
134
Methodische Grundlagen
Die Struktur der Patternsammlung hat ebenfalls keinen Vorbildcharakter. Die Patterns bilden keine Sprache. Sie lösen einzelne Probleme im gleichen Problemkontext, ergänzen sich
jedoch nur bedingt zur Lösung komplexerer Probleme. Eine sukzessive Ableitung des
Designs eines Gesamtsystems wird somit nicht unterstützt.
Die Patternstruktur selbst ist weitgehend an die Alexandrinische Struktur angelehnt und
verwendet dabei für die Beschreibung der Lösung Konzepte aus der Designdisziplin. Sie ist
formaler und auf die spätere Implementierung ausgerichtet. In den Patterns werden vorrangig strukturelle Aspekte erfasst. Die für uns wichtigen dynamischen und zeitlichen Abhängigkeiten innerhalb und vor allem zwischen den Patterns werden dagegen auch bei diesen
Patternansätzen kaum betrachtet. Die Ergänzung der Patternstruktur um das „Rational“ ist
dagegen auch für diese Arbeit zentral. Sie erweitert die vornehmlich theoretische Basis des
Patternansatzes um eine theoretische Fundierung und Erklärung. Dies ist besonders für
junge Design-Disziplinen mit wenig fundiertem Praxiswissen entscheidend (s. Abschnitt
E 1.3).
D 2.2.4 Zusammenfassung
Die folgende Tabelle D 2-2 fasst die wesentlichen Charakteristika der Patternansätze aus
dem Software Engineering noch einmal zusammen.
Disziplin
Software Engineering
Zielsetzung
•
Wissensbasis
•
Unterstützung des Designprozesses (Effizienzsteigerung)
•
Software-Ingenieure
Zielgruppe
Optimierungskriterium
QWAN
Umfang
Typus und Struktur
/ •
•
Wiederverwendbarkeit
Anpassbarkeit und Flexibilität
•
GoF: 23
•
Fowler: 73
•
Die Patterns ergänzen sich lediglich zu Katalogen.
•
Struktur
•
Gruppierung in Kategorien (s. GoF, Fowler)
•
Ähnlichkeits- und Komplementaritätsrelation (GoF)
•
Bedingt Verfeinerungsrelationen (Fowler)
•
Vorrangig strukturelle Zusammenhänge innerhalb der Patterns
(Aufbau- und Managementstrukturen)
•
Vorrangig strukturelle Zusammenhänge zwischen den Patterns
Anwendung
•
„Pattern Matching“: Vergleich der aktuellen Situation mit der Problembeschreibung der Patterns
Patternstruktur
•
GoF: Name, Klassifikation, Intention, Aliase, Motivation, Anwendbarkeit, Struktur, Teilnehmer, Kollaborationen, Auswirkungen,
Dimensionen
Implementation, Beispielcode, bekannte Anwendungen, verwandte Patterns
•
Fowler: Name, Problembeschreibung, Illustration, Lösung
•
Kanonische Form (s. (Appleton 2001)): Name, Problem, Kontext,
Kräfte, Lösung, Beispiele, Resultierender Kontext, Rational, Ver-
Design Patterns für digitale Produkte
135
wandte Patterns, Bekannte Anwendungen.
Entdeckung der Patterns
•
Erfahrungen aus langjähriger Designpraxis
Validierung
•
Beispiele
•
Rationale Erklärung der Patterns
•
Diskussion innerhalb einer etablierten Pattern Community
•
Ergänzung um „Rational“ mit einer expliziten (theoretischen)
Erläuterung der Funktionsweise der Lösung
•
Erwiesene einfache und bewährte Anwendbarkeit der Patterns
•
Strukturierung der Lösung in Struktur, Teilnehmer und Kollaboration
•
Betonung der systeminternen Strukturen und Abläufe
•
Vernachlässigung der Interaktionsbeziehungen mit dem Benutzer
•
Geringe Strukturierung der „Sprache“
•
Keine Unterstützung des systematischen Designs gesamter Systeme
•
Vernachlässigung der zeitlichen Dimension
•
Keine Ausrichtung auf das Erlebnis und den Wert des Anwenders,
stattdessen einseitige Betonung der internen Designaspekte
Kritik - positiv
Kritik - negativ
Tabelle D 2-2: Übersicht über Software Engineering Patterns
D 2.3 Patterns im HCI
Zwischen den Gestaltungsproblemen der Architektur und des Human Computer Interaction
(HCI) Designs können starke Parallelen gezogen werden. Bereits Barfield et al. (1994)
argumentierten, dass sich der Nutzer von Computeranwendungen in einer sich entwickelnden Informationsökologie, d.h. einem virtuellen (Informations-) Raum, bewegt, der durch
das HCI gestaltet werden muss. Das einzelne System ist dabei lediglich Teil eines umfassenden Netzwerkes.124 Sowohl in der Architektur als auch im HCI erfassen Patterns die
Beziehungen zwischen den „physischen“ Elementen, d.h. der Plattform resp. den Gebäuden,
und den dort stattfindenden Ereignissen. Mit dem Design soll das Verhalten der jeweiligen
Benutzer resp. Bewohner so beeinflusst werden, dass diese sich in der jeweiligen Situation
wohlfühlen. Die HCI-Forschung interessiert sich also dafür, wie ein Benutzer seine Umgebung wahrnimmt, wie sein Verhalten von seiner Umgebung beeinflusst wird, wie sich Umgebungen in grössere Kontexte einbetten lassen und wie sie sich über die Zeit verändern. Die
ersten drei Punkte stimmen direkt mit dem Untersuchungsgegenstand des architektonischen
Designs überein. Lediglich der Aspekt der dynamischen Veränderung unterscheidet die beiden Disziplinen.
124 Diese Vorstellung entspricht somit ziemlich genau unserer Vorstellung von einem digitalen Pro-
dukt, das für den User einen Informationsraum konstituiert und dabei selbst in ein umgebendes
Netz von Informationsräumen eingebettet ist.
136
Methodische Grundlagen
Die Idee der Design Patterns wurde von Wissenschaftlern aus dem Gebiet der Human Computer Interaction daher bereits sehr früh und sogar vor deren ersten Anwendung im Bereich
des Software Engineerings aufgegriffen. Dennoch erreichen HCI Patterns bis heute nicht eine
ähnlich hohe Verbreitung und Akzeptanz. Eine der ersten Referenzen auf die Arbeiten von
Alexander erschien im Standardwerk über benutzerzentriertes Systemdesign von Norman
und Draper (1986) und erneut in Normans zentralem Buch über das „Design von alltäglichen
Produkten“ (Norman 1998b). Im akademischen Lehrbetrieb führten Barfield et al. (1994) das
Patternprinzip als Grundlage ihrer Lehre über HCI ein. Sie entwickelten Patterns nach der
von Christopher Alexander festgelegten Struktur, wobei sie vorrangig bestehende Designregeln in die Patternstruktur überführten. Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre rückt der
Patternansatz nun jedoch verstärkt in das Interesse der HCI Community. Dies spiegelt sich
insbesondere in der Initiierung einer eigenen Konferenzreihe, der ChiliPLoP, wider. Aber
auch in den etablierten Patternkonferenzen, wie der PLoP, finden sich mittlerweile Arbeiten
über HCI Patterns.
Zielsetzung und Ausrichtung
Die Zielsetzung des Einsatzes von Patterns im HCI ist sehr stark an die Ziele der Architekturpatterns angelehnt. Patterns dienen zum einen dem Aufbau und der Übermittlung von
Wissen und erleichtern somit den Designprozess insbesondere für Novizen. Sie unterstützen
weiterhin, im Sinne einer Lingua Franca, den interdisziplinären Designprozess. Dabei steht
auch hier die erfolgreiche Kommunikation mit dem Benutzer im Vordergrund.125
„The goals of an HCI Pattern Language are to share successful HCI design solutions among HCI
professionals, and to provide a common language for HCI design to anyone involved in the design,
development, evaluation, or use of interactive systems.“ (Borchers 2001)
Patterns werden dabei nicht nur für das Design, sondern ebenfalls für die Analyse und somit
die systematische Beschreibung bestehender Strukturen eingesetzt (s. insbesondere (Erickson
1998)). Man unterscheidet diese beiden Typen von Patterns auch in der Namensgebung und
spricht einmal von Design Patterns und das andere Mal von Analysis Patterns (Bayle et al.
1998).
Die QWAN umfasst hier das erfolgreiche und zufriedenstellende interaktive Erlebnis des
Anwenders mit der Software (Tidwell 1998). Dabei lässt sich die QWAN weitestgehend auf
das zentrale Gütekriterium des HCI, die „Usability“ (Anwendbarkeit) der Software, zurückführen.
„An Interaction Pattern Language generates space / time interaction designs that create a system
image close to the user’s mental model of the task at hand, to make the human-computer interface
as transparent as possible.“ (Borchers 2000b)
Aufgrund der Wichtigkeit des Begriffs der Usability wird dieser im folgenden genauer ausgeführt.
125 Bayle et al. (1998) verfeinern die Anwendungsarten von Patterns im HCI zu: (1) Beschreibung, (2)
Generalisierung, (3) Richtlinien, (4) Sprache im Sinne einer Lingua Franca, (5) Vorhersage der
Auswirkungen von Designänderungen.
Design Patterns für digitale Produkte
137
Einer der bekanntesten Vertreter der HCI-Forschung vor allem auch im Bereich des Web
Engineerings ist Jacob Nielsen. Er entwickelte ein breit akzeptiertes Vokabular von
„Usability Attributen“, d.h. Eigenschaften, auf die sich die Usability zurückführen lässt
(Nielsen 1993). Diese sind: (1) Lernbarkeit, (2) Erinnerbarkeit, (3) Effizienz, (4) Zuverlässigkeit, (5) Flexibilität, (6) Automatisierung, (7) Verständlichkeit und (8) subjektive Zufriedenheit.
Norman (1998b) untersuchte dagegen konkret, durch welche Massnahmen die „Anwendbarkeit“ erzielt werden kann. Dabei identifizierte er die folgenden acht Prinzipien:
• Sichtbarkeit oder Lesbarkeit der Schnittstelle: Dieses Prinzip ermöglicht es dem Benutzer,
den Umgang mit dem System beim reinen Betrachten der Schnittstelle zu verstehen.
• „Affordance“: Dieses Prinzip umfasst die wahrgenommenen und die tatsächlichen
Eigenschaften des Systems, die dem Benutzer anzeigen, wie das System anzuwenden
ist.
• Natürliches Mapping: Dieses Prinzip fordert eine klare Verbindung zwischen den Aktionen, die ein Benutzer durchführen möchte, und den Mechanismen, die ihm dazu zur
Verfügung stehen.
• Beschränkungen: Gemäss diesem Prinzip wird der Benutzer durch die Beschränkung
der Anzahl der möglichen Alternativen durch die Anwendung hindurchgeführt.
• Konzeptuelles Modell: Dieses Prinzip fordert die Berücksichtigung des – bestehenden –
Wissens des Anwenders bei der Schnittstellengestaltung. Das konzeptuelle Modell, das
ein Anwender von der Funktionsweise eines Systems besitzt, sollte dabei mit dem tatsächlich implementierten Modell übereinstimmen.
• Feedback: Dieses Prinzip sieht vor, dass dem Benutzer direkt zurückgemeldet wird,
welche Aktionen er durchgeführt hat resp. ob er diese richtig durchgeführt hat.
• Sicherheit: Gemäss diesem Prinzip muss der Benutzer davor geschützt werden, das System fehlerhaft zu bedienen.
• Flexibilität: Nach diesem Prinzip muss es dem Benutzer möglich sein, Aktionen
rückgängig zu machen oder auf eine andere Art und Weise lösen zu können.
Während diese acht Prinzipien, vor allem die ersten sechs, auf einem abstrakten Niveau
Möglichkeiten beschreiben, die Verwendbarkeit einer Schnittstelle zu gewährleisten, stellen
die acht Attribute von Nielsen verschiedene Anforderungen an die Eigenschaften des Systems. Die Prinzipien der Flexibilität und Sicherheit befinden sich gewissermassen in einer
Zwitterposition. Dabei kann das Prinzip der Sicherheit bis zu einem gewissen Grad mit dem
Attribut der Zuverlässigkeit gleichgesetzt werden.
Die Attribute und Prinzipien sind häufig nur bedingt miteinander in Einklang zu bringen.
Bspw. geht eine Zunahme der Effizienz häufig mit einer Reduktion der Flexibilität einher.
Diese Attribute stellen somit ein Basissystem sich widerstrebender Kräfte dar, die in den verschiedenen Problemsituationen ausgeglichen werden müssen. Nur wenige HCI Patternsysteme beziehen sich jedoch explizit auf ein derartiges, fest vorgegebenes System von
Kräften.
138
Methodische Grundlagen
Struktur
In den letzten Jahren wurde eine Reihe von Patternsammlungen entwickelt. Dabei handelt es
sich in den meisten Fällen um Patternkataloge (van Welie & Troettenberg 2000). Viele Ansätze streben jedoch die Weiterentwicklung hin zu einer vollständigen Patternsprache an
(Borchers 2000a; Tidwell 1999). Die verschiedenen Patternsammlungen weisen dabei keine
einheitliche Strukturierung der Beziehungen zwischen den Patterns auf. Sie unterscheiden
sich stattdessen in den betrachteten Aspekten sowie ihrem Abstraktionsgrad. Dieser Umstand erschwert eine Integration der verschiedenen Ansätze.
Das Problem der Strukturierung der HCI Patterns und der Integration der verschiedenen
Ansätze zu einer vollständigen Patternsprache rückt dabei immer stärker in den Mittelpunkt
des Interesses der HCI Pattern Community. Einer der frühesten Strukturierungsvorschläge
wurde auf der CHI’ 97 von George Casaday (1997) präsentiert. Er identifizierte drei Typen
von Usability Patterns: „simple patterns“, „intrinsic patterns“ und „circumstantial patterns“.
Deren Charakterisierung basiert auf den Usability-Attributen von Nielsen (1993). Die
Patterntypen werden danach unterschieden, inwieweit sie die sich widerstrebenden Kräfte,
das sind hier die Usability-Attribute, ausgleichen müssen. Bei „simple patterns“ dominiert
eine Kraft, bei „intrinsic patterns“ müssen mehrere Kräfte ausbalanciert werden und bei
„circumstantial“ Patterns beeinflussen weitere externe Faktoren die Gestaltung der Lösung.
Diese Strukturierung ermöglicht jedoch in keinster Weise die Ableitung vollständiger
Designlösungen. Sie klassifiziert die Patterns lediglich nach dem Schwierigkeitsgrad der
Problemsituation. Weiterhin wurde dieser Rahmen von Casaday nicht mit Inhalten gefüllt.
Er illustriert seinen Ansatz lediglich mit kurzen Beispielpatterns. Das Beispiel für „intrinsic
patterns“ wird im folgenden dargestellt:
•
Name: „Airport passenger“126
•
Kontext: Ein interaktives System mit einer bestimmten Funktionalität, die sofort bei der
ersten Begegnung ersichtlich sein muss.
•
Kräfte: Effizienz, Zuverlässigkeit und schnelles Lernen.
•
Problem: Gleiche die Befriedigung aller Anforderungen aus.
•
Lösung: Standardisiere Komponenten und Abläufe und gestatte Abweichungen nur fallweise und wenn diese unvermeidbar sind. Diese Lösung kann in Flughäfen der ganzen
Welt gefunden werden. Sie spiegelt sich insbesondere in der weltweit konsistenten Gestaltung deren Benutzerschnittstellen wider.
Eine weitere Kategorisierung von Usability Patterns wurde von Mahemoff und Johnston
(2001) entwickelt. Sie unterscheiden die folgenden vier Patterntypen: (1) Aufgabenpatterns,
(2) Anwenderpatterns (3) Schnittstellenpatterns und (4) Systempatterns. Aufgabenpatterns beschäftigen sich mit den Problemen, die ein Anwender mit dem System lösen möchte, sowie
mit der Art und Weise, wie die Anwender dabei am besten vom System unterstützt werden
können. Die beiden Autoren fordern hier, dass bei der Lösung nicht nur die Benutzerschnittstelle, sondern auch Aspekte des Software Designs berücksichtigt werden. Zwischen den
126 Übersetzung der Autorin.
Design Patterns für digitale Produkte
139
Aufgabenpatterns sollten reichhaltige Beziehungen aufgezeigt werden. Genauere Angaben
über die Ausgestaltung dieser Beziehungen bleiben jedoch aus. Ein Beispiel ist das Pattern
„Open Existing Document“
•
Name: Open Existing Document127
•
Kontext: Jede Software, die es dem Benutzer gestattet, verschiedene Dokumente zu
betrachten und zu editieren, sollte dem Benutzer Mechanismen zur Verfügung stellen,
ein zuvor erstelltes Dokument zu öffnen.
•
Kräfte: Der Benutzer muss das zuvor erstellte Dokument unter einer Vielzahl anderer
Dokumente identifizieren können.
•
Lösung: [...] Das System muss Hinweise auf den Inhalt des Dokumentes liefern [...]
Anwenderpatterns beschreiben die Kräfte, die bei Anwendern im Zuge der Nutzung des Systems ausbalanciert werden müssen. Sie sind weniger funktionsspezifisch und haben daher
kaum direkte Auswirkungen auf das Software Design. Ein Beispiel ist das Pattern „Intermediate User, Domain Expert“. Es befasst sich mit dem Problem, dass Anwender in Abhängigkeit von ihrem Vorwissen unterschiedliche Anforderungen an ein System stellen. Die Lösung besteht darin, dem Anwender die einfache Anpassung des Systems zu ermöglichen.
Schnittstellenpatterns betrachten das Design der Benutzerschnittstelle in Form von Kombinationen verschiedener Schnittstellenkomponenten. Die entsprechenden Problemstellungen
sind weitgehend unabhängig von der jeweiligen Aufgabe und relativ nah mit Implementierungsaspekten verbunden. Sie beziehen sich vornehmlich auf die allgemeinen Anwendbarkeitsattribute von Nielsen (1993). Ein Beispiel ist das Pattern „Show Status“. Es befasst sich
mit dem Problem, dass Benutzer Informationen über ein Objekt wünschen, dabei aber nicht
mit Informationen überladen werden möchten. Die Lösung liegt in der Einführung eines dynamischen Statusobjektes, das bei Bedarf angezeigt werden kann.
Systempatterns betrachten die Gestaltung des Gesamtsystems. Sie sind somit der Patterntyp
mit dem höchsten Abstraktionsgrad. Genauere Ausführungen über den Inhalt dieser
Patterns und vor allem ihre Zusammenhänge mit den anderen Patterngruppen werden jedoch nicht dargelegt. Ein Beispiel eines Systempatterns ist der „Document Manipulator“. Es
befasst sich mit dem Problem der effizienten Editierung von Dokumenten. Gefordert werden
Möglichkeiten der direkten Manipulation sowie eine Werkzeugpalette mit drag-and-drop
Funktionalität.
Das Strukturierungsschema von Mahemoff und Johnston erfasst somit verschiedenste Aspekte, die im Zuge der Erstellung „anwendbarer“ Softwaresysteme beachtet werden müssen.
Die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Patterngruppen sowie ihr systematischer
Einsatz bei der Erstellung gesamter Systeme bleibt jedoch unklar.128
127 Übersetzung der Autorin.
128 Diese Systematik wird dennoch von anderen Ansätzen zur Strukturierung ihrer Patternsammlun-
gen wieder aufgegriffen (s. z.B. (Perzel & Kane 1999)).
140
Methodische Grundlagen
Eine umfassende Taxonomie von Design Patterns wurde im Rahmen der ChiliPLoP’99 entwickelt. Sie ordnet Patterns in einen dreidimensionalen Eigenschaftsraum mit den Dimensionen Abstraktionsgrad, Funktion und physikalische Dimension ein. Der Abstraktionsgrad differenziert Patterns danach, ob sie sich auf die Gestaltung einer gesamten Aufgabe, eines bestimmten Teils der Interaktion (dem Stil) oder eines konkreten Schnittstellenobjektes beziehen. Die Dimension Funktion erfasst, ob sich ein Pattern mit dem Aspekt der Perzeption, der
Manipulation oder der Navigation beschäftigt. Nach der physischen Dimension unterscheidet man schliesslich Patterns, die sich auf das räumlich Layout beziehen von Patterns, die
diskrete Ereignissequenzen oder kontinuierlichen Zeitabläufe (wie Animationstechniken)
betrachten. Diese Taxonomie konnte erfolgreich auf die eingereichten Patternsysteme angewendet werden.129
Eine weitere Strukturierung wurde auf der Interact’99 entwickelt, verabschiedet und durch
ihre Anwendung auf die dort eingereichten Patternsysteme validiert. Dieses Schema erweitert die Dimension des „Abstraktionsgrades“ resp. der „Reichweite“ der zuvor diskutierten
Taxonomie. Dabei werden neun Abstraktionsstufen unterschieden: die Gesellschaft, mehrere
User, die soziale Position, das System, die Applikation, die Schnittstellenstruktur, Komponenten (wie Windows und Layouts), Primitive (wie Buttons) und physikalische Eigenschaften. Auch hier werden jedoch keine Beziehungen zwischen den verschiedenen Dimensionen
herausgearbeitet.
Das aktuellste Strukturierungsschema stammt von Borchers (2001). Er fordert, dass ein
Patternsystem den gesamten Prozess des Software Engineerings abdecken und dabei einen
sukzessiven Designprozess gemäss dem "piecemeal growth" ermöglichen sollte. Er entwickelte dazu ein System aus drei Patternsprachen, das die drei zentralen Bereiche des Software Engineering Prozesses abdeckt; die Analyse, das Schnittstellendesign und das Software
Engineering. Jede Sprache besteht aus einer Hierarchie von Patterns unterschiedlichen Abstraktionsgrades. Dieser Ansatz wird in Abschnitt D 2.3.2 ausführlich erläutert. Auch bei
diesem Ansatz fehlen jedoch klare Zusammenhänge, insbesondere zwischen den Patterns
der einzelnen Sprachen, die einen interdisziplinären Designprozess direkt unterstützen
könnten.
Die Arbeiten zu Erstellung einer einheitlichen Metasprache für Patternsprachen im HCI
Design befinden sich daher noch im Entwicklungsstadium. Befriedigende Lösungen existieren noch nicht.
129 Zur zielgerichteten Anwendung einer Patternsprache ist es jedoch entscheidend, die Zusammen-
hänge zwischen den Patterns aufzuzeigen, die es ermöglichen, das Design gesamter Systeme in
einem iterativen Prozess abzuleiten. Diese Beziehungen werden hier jedoch nicht erfasst. Der
Abstraktionsgrad könnte dabei die zentrale Dimension einer zu entwickelnden Patternsprache
sein. Die Aspekte der Funktion müssen dann innerhalb der Patterns unterschieden werden.
Hier könnten sich somit weitere Subpatternhierarchien für die unterschiedlichen Aspekte entwickeln. Die zeitlichen Aspekte müssten dabei sowohl in den Patterns selbst als auch zwischen
den Patterns betrachtet werden.
Design Patterns für digitale Produkte
141
Prozess
Zum Abschluss dieser Übersicht über HCI Patterns soll hier noch kurz auf die konstituierenden Prozesse eingegangen werden. Diese unterscheiden sich jedoch nicht wesentlich von
denen der bereits vorgestellten Patternansätze der beiden anderen Disziplinen. Die Herleitung der Patterns beruht auf der Analyse von best practice Anwendungen sowie auf eigenen
Design Erfahrungen. Die Validierung erfolgt ebenfalls zumeist empirisch. Eine Anwendung
der Patterns gemäss dem Prozess des „piecemeal growth“ ist aufgrund der fehlenden
Sprachstrukturen nur bedingt möglich.
Zur Illustration der HCI Patterns werden im folgenden einige bekannte Patternsysteme vorgestellt. Die Design Patterns von Tidwell (1998), sowie der bereits erwähnte interdisziplinäre
Patternansatz von Borchers (2000a) werden dabei ausführlich erläutert. Zusätzliche Arbeiten
werden im Anschluss daran lediglich in Form einer Übersicht dargestellt.
D 2.3.1 Common Ground
Die von Jennifer Tidwell entwickelte Patternsprache „Common Ground“ ist das bis dato umfangreichste und am weitesten anerkannte System von HCI Patterns (Tidwell 1998; Tidwell
1999).
Zielsetzung und Ausrichtung
Die Sprache richtet sich zum einen an den einzelnen Designer, zum anderen aber an die gesamte HCI Community. Den einzelnen, insbesondere unerfahrenen, Designer soll sie dabei
unterstützen, sich auf die wesentlichen Kriterien zu konzentrieren, die auftretenden Konflikte zu identifizieren und gezielt zu lösen. Auf der Ebene der gesamten HCI Community
soll die Sprache die Diskussion und Weiterentwicklung des Design-Wissens fördern. Weitere
Ziele bestehen darin, den Wissenstransfer mit anderen verwandten Disziplinen zu fördern
sowie eine fundierte Grundlage für die Entwicklung neuer, den Designprozess unterstützender Tools zu liefern. Weiterhin soll die Patternsprache als Lingua Franca die erfolgreiche Kommunikation mit den beteiligten Parteien, insbesondere den Kunden, ermöglichen
und somit einen partizipativen Designprozess unterstützen. Tidwell folgt dabei dem Ansatz
der Architektur, nach dem Patternsprachen die grundsätzlichen und möglichst zeitlosen
Prinzipien guten HCI Designs in einer verständlichen und einfach anzuwendenden Form erfassen.
Das Qualitätskriterium ist wiederum die Usability. Gutes Design zeichnet sich also nach Ansicht von Tidwell durch ein optimales „Erlebnis“ des Kunden bei der Interaktion mit dem
Software-Artefakt und somit letztendlich durch seine Zufriedenheit aus. Die Software und
insbesondere das Schnittstellendesign sollen ihn bei der erfolgreichen Erfüllung seiner Anwendungsziele unterstützen. Dabei unterscheidet Tidwell grundsätzlich zwischen (1) dem
Aufbau neuen Wissens und (2) der Lösung einer Aufgabe. Weiterhin werden an das Design
die Anforderungen einfache Lernbarkeit, Erhöhung der Macht des Anwenders sowie hoher
Unterhaltungswert gestellt.
142
Methodische Grundlagen
Struktur und Umfang
Tidwells „Common Ground“ ist in verschiedene Subsprachen gegliedert. Dabei können
grundsätzlich zwei Abstraktionsebenen unterschieden werden. Die oberste Ebene beschreibt
die generelle Gestalt und Ausrichtung des Software-Artefakts. Tidwell unterscheidet hierbei
zwischen wissensvermittelnden Systemen und Systemen, welche die Durchführung einer
bestimmten Aufgabe unterstützen.130 Auf der zweiten Abstraktionsebene finden sich dann
die folgenden Subsprachen:
• Patterns, die sich mit der generellen Abbildung des Anwendungsprozesses auf der
Plattform beschäftigen und somit definieren, wie sich die Inhalte und Aktionen vor
dem Benutzer entfalten
• Patterns, die sich damit befassen, wie das Artefakt durch seine räumlich Positionierung
im umgebenden Gesamtsystem, die Aufmerksamkeit des Benutzers auf sich lenkt
• Patterns über die Organisation der Inhalte oder Aktionen auf der Arbeitsoberfläche
• Patterns über die Navigationsmöglichkeiten des Benutzers
• Patterns über die möglichen Aktionen des Benutzers
• Patterns über die Anpassung des Systems durch den Benutzer
• Patterns über die visuelle Gestaltung des Systems
• Patterns über weitere Möglichkeiten der aktiven Unterstützung des Anwenders durch
das System
Tidwell erläutert jedoch nicht genauer, welche Art von Abhängigkeiten zwischen den jeweiligen Patterns generell existieren können. Lediglich die Beziehung zwischen den Patterns der
übergeordneten Subsprache und den Patterns der Subsprachen auf dem untergeordneten
Abstraktionsniveau ist relativ deutlich als Verfeinerungsrelation zu deuten. Die Beziehungen
zwischen den Patterns verschiedener Subsprachen scheinen dann vorwiegend die Komplementarität der entsprechenden Patterns widerzuspiegeln. Die Patterns innerhalb einer Subsprache stellen dagegen häufig Alternativen für verschiedene Ausprägungen des zugrundeliegenden Kräftesystems dar.
Das Patternsystem von Tidwell umfasst insgesamt 59 Patterns, die jedoch zum Teil noch in
Bearbeitung sind. Wie soeben erläutert, handelt es sich bei dem System aufgrund des unzureichenden Strukturgerüstes nur bedingt um eine Patternsprache im engeren Sinne.
Die Struktur der Patterns folgt dem Vorbild der Alexandrinischen Patterns. Die Beschreibung der Lösung abstrahiert dabei bewusst von implementationsspezifischen Aspekten.
Ein Beispielpattern, Navigable Spaces, ist im folgenden in verkürzter Form dargestellt:
130 Diese Unterscheidung findet sich auch in der Disziplin des Web Engineerings wieder. Hier unter-
scheidet man zwischen Web Sites und Web-Applikationen (Perzel & Kane 1999).
Design Patterns für digitale Produkte
143
Navigable Space131
Beispiele:
•
•
•
•
Das World Wide Web und andere Hypertextsysteme
Myst
Museumsausstellungen in Form einer Menge physischer Räume
Menge von Applikationen in einer Suite, wie beispielsweise ein Palm Pilot oder Netzwerk
Computer
Kontext:
Das Artefakt umfasst eine grosse Anzahl an Inhalten, zu viele, als dass diese in einer einzigen Ansicht sinnvoll darzustellen wären. Diese Inhalte können in verschiedene konzeptuelle Räume oder
Arbeitsoberflächen abgebildet werden, die jedoch semantischen miteinander verbunden sind, so
dass es natürlich und sinnvoll erscheint, sich von einem Raum zu einem anderen zu bewegen.
Problem:
Wie können die Inhalte so dargestellt werden, dass der Benutzer sie in seiner eigenen Geschwindigkeit und auf eine Art und Weise, die für ihn sowohl verständlich als auch ansprechend ist, erkunden kann.
Kräfte:
•
•
•
•
•
Der Benutzer möchte wissen, wohin er sich als nächstes bewegen kann oder soll und wie
sich die dadurch erreichte Position zu seiner aktuellen Position verhält.
Der Benutzer möchte frei wählen, wohin er sich als nächstes bewegt.
Der Benutzer möchte sich nicht verirren.
Das Konzept der Informationsräume ist ein bekanntes Denkmodell, da es zum einen die
Gegebenheiten der realen Welt widerspiegelt und zum anderen durch das WWW weit
verbreitet und verstanden ist.
Es macht Spass, neue Orte zu erkunden, bei denen der Benutzer nicht notwendigerweise
weiss, was ihn dort erwartet.
Lösung: Erzeuge die Illusion, dass die Arbeitsoberfläche aus Räumen besteht, die der Benutzer betreten und auch wieder verlassen kann. Beginne mit einem Startraum (Home
Space), zu dem der Benutzer wieder einfach zurückkehren kann (Clear Entry Points). Verdeutliche in jedem Raum, wie der Benutzer zum nächsten Raum gelangen kann, z.B. durch einen unterstrichenen Text, Knöpfe, [...]. Nutze die räumliche Positionierung der Links, um dem Benutzer
das Erkennen der Links zu erleichtern. Stelle ihm eine Karte mit einer Übersicht über die verlinken Räume zur Verfügung (Map of Navivable Spaces), idealerweise eine, die es gestattet, direkt zu
den entsprechenden Räumen zu navigieren. Stelle sicher, dass der Benutzer die Räume wieder
einfach verlassen (Go Back one Step) oder in den Startraum zurückkehren kann (Go Back to a Safe
Place). [...]
Resultierender Kontext: Wie bereits oben gezeigt, sollte Map of Navigable Spaces eines der
ersten Patterns sein, die bei der Implementierung des Patterns zu berücksichtigen sind; das Gleiche gilt für Go Back One Step und Go Back to a Safe Place.[...]
Prozesse
Die Patterns leiten sich primär aus erfolgreichen Anwendungsbeispielen ab.132 Sie spiegeln
dabei oftmals bestehende Designprinzipien wider, überführen diese jedoch in eine einfach
verständliche und leicht anwendbare Form.
131 Übersetzung der Autorin.
144
Methodische Grundlagen
Die Validierung des Patternsystems beruhte vorrangig auf dessen Diskussion innerhalb der
HCI Community sowie auf der exemplarischen und erfolgreichen Anwendung der Patternsprache zum Design neuer Artefakte.
Die Anwendung erfolgt durch den sukzessiven Abgleich der aktuellen Problemsituation mit
den Problembeschreibungen der Patterns. Die – wenn auch nur bedingt – hierarchische
Strukturierung der Patternsprache gestattet dabei prinzipiell eine iterative Verfeinerung des
Designs. Tidwell betont weiterhin, das sich eine erfolgreiche Anwendung der Patterns in
einen benutzerzentrierten und idealerweise partizipatorischen Designprozess eingliedern
muss. Ausgangspunkt bildet die Analyse der Anwendungsdomäne, des Zwecks und der
Zielgruppe des Artefakts. Ziel muss es sein, das mentale Modell, dass sich der Anwender
von einem Artefakt macht, mit der – wahrgenommenen - Gestalt des Artefaktes in Übereinstimmung zu bringen. Die Patterns liefern bewährte Lösungskonzepte für sich wiederholende Designprobleme, die jedoch zunächst im Zuge der Analyse identifiziert werden müssen. Sie ermöglichen die Erstellung einer ersten Lösung, die in der Regel in weiteren Iterationsschritten in Zusammenarbeit mit dem Anwender und den weiteren Stakeholdern verfeinert werden muss. Die Patternsprache tritt hierbei vornehmlich in ihrer Funktion als
Lingua Franca auf.
D 2.3.2 Interdisziplinäre Patternsprache
Borchers (2000a) entwickelte ein dreistufiges System von Patternsprachen, das den gesamten
Prozess des Designs interaktiver Softwaresysteme unterstützen soll. Der besondere Schwerpunkt liegt auf der Patternsprache zum Schnittstellendesign. Borchers illustriert seinen Ansatz anhand der Entwicklung eines Patternsystems für interaktive Musik-Exponate.
Zielsetzung und Ausrichtung
Die Besonderheit dieses Ansatzes besteht darin, dass er den gesamten Prozess der Erstellung
eines Software-Artefaktes von der Analyse über das Design der Schnittstelle bis zum Design
der funktionalen Software unterstützen soll. Dazu entwickelte Borchers ein System aus drei
Patternsprachen: eine Patternsprache für die Modellierung der Domäne, eine für die Gestaltung der Schnittstelle und eine für die Entwicklung der funktionalen Software.
Die einzelnen Patternsprachen sollen dann insbesondere unerfahrene Designer bei der effizienten Erstellung guter Designlösungen unterstützen, dabei helfen, Wissen über gutes
Design zu bewahren und weiterzuentwickeln, sowie im Sinne einer Lingua Franca den partizipativen Designprozess innerhalb interdisziplinärer Designteams unterstützen.
„The goals of an HCI Pattern Language are to share successful HCI design solutions among HCI
professionals, and to provide a common language for HCI design to anyone involved in the design,
development, evaluation, or use of interactive systems.“ (Borchers 2001)
132 Diese können auch anderen verwandten Designdisziplinen, insbesondere den Printmedien und
anderen traditionellen Medien, aber auch dem Design andere physischer Geräte entlehnt werden.
Design Patterns für digitale Produkte
145
An die Sprachen stellt Borchers bestimmte Anforderungen, welche die Erreichung dieser
Ziele gewährleisten sollen. Dies sind: (1) die disziplinunabhängige Lesbarkeit (Lingua
Franca), (2) ein domänenunabhängiges, einheitliches und wohldefiniertes Format, (3) die
empirische Validierung, (4) eine den Designprozess unterstützende hierarchische Strukturierung der Patterns, (5) die Abdeckung aller Designdimensionen und (6) die Integration in den
Lebenszyklus (der Produktentwicklung). Die Anforderungen (1), (3) und (4) werden dabei
direkt von Alexander übernommen. In bezug auf die Designdimensionen betont Borchers,
dass bei HCI Patterns neben räumlichen insbesondere zeitliche Aspekte zu berücksichtigen
sind. Die Anforderungen nach einer hierarchischen Struktur, einer empirische Validierung
und einem einheitlichen Format spiegeln sich direkt in der Struktur der Patternsprache und
der Patterns selbst wider. Die Lesbarkeit und die Abdeckung aller Designdimensionen stellen Anforderungen an die Darstellung und die Inhalte der einzelnen Patterns. Die Abdeckung des gesamten Designprozesses wird durch das entwickelte dreistufige Patternsystem
sichergestellt.
Ausgerichtet ist die Sprache resp. das Sprachensystem wiederum primär auf die Usability
des entwickelten Software-Artefakts. Dies trifft insbesondere auf die HCI Patternsprache des
dreistufigen Systems zu.
Struktur
Borchers schlägt eine universelle, von der jeweiligen Designdisziplin unabhängige Metasprache zur Strukturierung von Patternsprachen vor. Diese entspricht jedoch weitestgehend
den von Alexander vorgeschlagenen Strukturen. Das System ist hierarchisch organisiert und
unterstützt dadurch die schrittweise Ableitung der Lösung. Die Patternstruktur selbst
entspricht ebenfalls weitestgehend der Alexandrinischen Struktur.133 Borchers Leistung besteht daher lediglich darin, die informale Beschreibung der Alexandrinischen Patternsprache
in eine formale Darstellung zu transformieren (s. (Borchers 2000a: 52)).
Wie bereits erwähnt, umfasst das Patternsystem selbst drei getrennte Instanzen der definierten Metasprache für die Aufgaben des Designs der Domäne, der Schnittstelle und der
Funktionalität eines interaktiven Softwaresystems. Für jede dieser drei Sprachen definiert
Borchers konkrete Stufen der zugehörigen Patternhierarchie: Bei der Anwendungsdomäne
unterscheidet er lediglich zwischen weitgefassten und enggefassten Konzepten, bei den HCI
Patterns zwischen Aufgaben, Dialogen (Stilen) und Interaktionsobjekten und bei den Software Engineering Patterns zwischen Architektur, Design und Implementation.134 Diese
hierarchische Strukturierung der Patternsprachen erscheint zwar plausibel, sie spiegelt sich
jedoch in der konkreten Instanziierung, insbesondere der HCI Patternsprache, nur bedingt
133 Aus den Anforderungen an das Patternsystem ergeben sich weitere Anforderungen an die Inhalte
und deren Beschreibung.
134 Die Kategorien der HCI Patterns leitet sich von der Dimension „Scope“ der in (Borchers 2000b)
entwickelten Patterntaxonomie ab. Die Strukturierung der Software Engineering Patterns entsprechen den drei Patterntypen im Software Engineering (s. Abschnitt D 2.2).
146
Methodische Grundlagen
wider. Weiterhin werden auch die Beziehungen zwischen den Patterns der verschiedenen
Designdisziplinen nicht explizit erfasst. Borchers argumentiert hier, dass allein schon die
Ähnlichkeit der sprachlichen Gestaltung die Abstimmung der drei Designebenen erleichtern
sollte.
Das Patternsystem umfasst insgesamt 32 Patterns, davon gehören 11 zur Patternsprache der
Anwendungsdomäne, 17 zur HCI Patternsprache und 4 zur Software Engineering Patternsprache. Die HCI Patternsprache ist dabei weitgehend unabhängig von der konkreten Anwendungsdomäne für das Design der Schnittstelle interaktiver Artefakte einzusetzen.
Diese HCI Patternsprache umfasst, im Gegensatz zu den anderen beiden Patternsprachen,
Aspekte, die auch bei der Entwicklung der Patternsprachen für digitale Produkte berücksichtigt werden müssen. Daher soll diese Sprache im folgenden etwas näher betrachtet und
mit einem Beispielpattern illustriert werden.
Der Anwendungskontext der hier entwickelten HCI Patterns umfasst interaktive Exponate
in Ausstellungen, Museen, etc. Die Patternsprache spiegelt die Anforderungen dieses
Einsatzfeldes explizit wider. Sie betrachtet daher nicht nur die Anwendung des Artefaktes
selbst, sondern weiterhin die beiden vorgelagerten Phasen der Schaffung von Aufmerksamkeit und der Motivation der Interessenten zur Nutzung des Artefakts. Das allgemeinste
Pattern, d.h. das Pattern auf der höchsten Abstraktionsstufe, fordert genau die integrierte
Betrachtung aller drei Phasen. Dieses Pattern wird dann durch „Aufgabenpatterns“ verfeinert und implementiert, welche die jeweiligen Ziele der drei Phasen zu erreichen helfen. Das
Pattern „Attraction Space“ beschäftigt sich beispielsweise mit dem Problem, die Aufmerksamkeit des potentiellen Users auf sich zu lenken. Es berücksichtigt dabei auch explizit die
Eingliederung des Systems in eine Umgebung aus weiteren Exponaten. Die Lösung fordert,
dass jedes Artefakt einen Aufmerksamkeitsraum um sich herum errichtet, der sich mit den
Aufmerksamkeitsräumen der anderen Exponate möglichst nicht überlagern darf. Diese
„Aufgabenpatterns“ werden dann durch „Dialogpatterns“ verfeinert, welche sich konkret
mit den Interaktionsbeziehungen zwischen System und Anwender beschäftigen. Sie werden
wiederum durch die Patterns für die Gestaltung der „Interaktionsobjekte“ konkretisiert.
Das Pattern „Attraction Space“ wird im folgenden in verkürzter Form dargestellt:
H2 Attraction Space *135
Illustration ausgespart
[...] Sie [der Designer] sind dabei, die interaktive Schnittstelle eines interaktiven Exponats zu
designen – ATTRACT-ENGAGE-DELIVER (H1). Sie betrachten momentan die erste Phase und
müssen herausfinden, wie das System gestaltet sein muss, damit es vom Benutzer entdeckt wird
und wie es sich dabei in seine Umgebung eingliedern soll.
***
In einer Umgebung wie einem Ausstellungszentrum konkurrieren viele Systeme um die
Aufmerksamkeit des Benutzers. Um herauszufinden, was ihnen ein System bieten kann,
135 Übersetzung der Autorin
Design Patterns für digitale Produkte
147
müssen die Besucher zunächst auf das System aufmerksam gemacht werden. Systeme, die
visuell zu auffällig oder zu laut sind stören, jedoch die Atmosphäre der gesamten Umgebung.
... Wenn der erste Eindruck eines Systems nicht die Aufmerksamkeit des Kunden weckt, wird dieser nie herausfinden, was ihm das System zu bieten hat. Weiterhin kann der Anwender in der Regel nicht gezwungen werden, eines der interaktiven Exponate zu benutzen. Die Situation in einer
Ausstellung ist daher völlig verschieden von der Situation, in der eine Office Software verwendet
wird. Dort führt das eigene Interesse des Anwenders an der Lösung einer bestimmten Aufgabe zur
initialen Nutzung des Systems.
Dem Exponat stehen prinzipiell zwei Möglichkeiten zur Verfügung, Aufmerksamkeit zu erregen:
durch visuelle Signale, die gerichtet sind und daher nur die Besucher erreichen, die in die Richtung des Exponats schauen, oder durch akustische Signale, die ungerichtet sind. [...]
Allerdings darf ein System nicht zu viele akustische und visuelle Signale aussenden, da der resultierende „Overflow“ dazu führt, dass der Besucher die gesamte Umgebung verlässt. Das einzelne
Exponat muss daher mit den anderen Exponaten ko-existieren und kooperieren, um ein insgesamt
positives Erlebnis für den Benutzer zu erzeugen.
Das World Beat Exhibit löst diesen Konflikt auf die folgende Art und Weise: Obwohl das Exponat
von Musik handelt, erzeugt es im unbenutzten Zustand keinerlei Geräusche. Stattdessen zeigt es
eine sehr einfache und ästhetisch ansprechende Startseite, die den Besucher dazu einlädt, das Exponat zu erkunden. [...] Die Aufmerksamkeit des Benutzers wird hauptsächlich durch andere visuelle Hinweise geweckt, ein paar Infrarottaktstöcke, die von der Decke vor dem Bildschirm baumeln.
[...]
Daher:
Definiere einen Aufmerksamkeitsraum um das Exponat, der so gross wie möglich ist,
ohne dabei die Aufmerksamkeitsräume der benachbartern Exponate zu durchdringen.
Gewährleiste, dass das System die Grenzen nicht häufig durchbricht. Um dies zu erreichen, verwende vorwiegend statische visuelle Reize in der physischen Gestalt und Erscheinung der Systemschnittstelle, die allein durch ihr Design ansprechend wirken. Vermeide den exzessiven Gebrauch von Animationen sowie vor allem von ungezielten beispielsweise akustischen Reizen, da diese sich sehr leicht mit den benachbarten Aufmerksamkeitsräumen überlagern.
Eine gute Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erregen, besteht darin, dem Benutzer das Gefühl zu
geben, etwas zu sehen, dass er noch nie zuvor gesehen hat – INNOVATIVE APPEARANCE. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass das Exponat nicht zu kompliziert erscheint, da dies
potentielle Benutzer abschrecken kann – SIMPLE IMPRESSION. Eine erste Idee über die Funktionalität des Systems kann einfach dadurch vermittelt werden, dass die Gestaltung der Exponatumgebung an die Anwendungsdomäne angepasst wird – DOMAIN-APPROPRIATE-DEVICE.
[...]
Prozesse
Die Anwendung der Patternsysteme erfolgt wie bei allen Patternsprachen durch die schrittweise Verfeinerung der Designaufgabe entlang der Patternhierarchie. Weiterhin fordert
Borchers wie auch Tidwell die Einbettung der drei Patternsprachen in den Software-Entwicklungsprozess. Im Gegensatz zu Tidwell unterstützt sein System jedoch nicht nur das
Design der Schnittstelle, sondern zusätzlich auch die Phasen der Analyse und des Programmdesigns. Konkret schlägt Borchers die Anwendung des von Nielsen (1993: 72) entwickelten „Usability engineering lifecycle models“ vor, das seinen Anforderungen an einen benutzerzentrierten Entwicklungsprozess genügt (s. (Borchers 2000a: 57 ff.)).
Die drei von Borchers entwickelten Patternsysteme leiten sich aus den Erfahrungen mit dem
Design konkreter Anwendungen ab. Auch ihre Validierung beruht somit zum grossen Teil
auf empirischem Material. Weiterhin unterzog Borchers seine Patterns einem Reviewpro-
148
Methodische Grundlagen
zess, im Zuge dessen die Qualität der Patterns durch Experten bestätigt wurde. Sie beurteilten vor allem die formalen und inhaltlichen Aspekte. Durch die Anwendung auf neue
Designaufgaben konnte weiterhin gezeigt werden, dass die Patterns allgemeingültige und
wiederverwendbare Designkonzepte vermitteln konnten. Ihr Einsatz innerhalb des studentischen Lehrbetriebes illustrierte schliesslich auch die didaktische Relevanz der Patternsprachen.
D 2.3.3 Weitere Patternansätze
Zum Abschluss sollen hier noch kurz zwei weitere Patternansätze betrachtet werden.
„Experience“ von Todd Coram und Jim Lee (2001) ist eine ebenfalls noch in der Entwicklung
begriffene Patternsprache. Auch sie soll das vollständige Design der Benutzerschnittstelle
unterstützen. Die Sprache ist weitestgehend hierarchisch gegliedert. Auf der obersten Abstraktionsebene definieren die Autoren verschiedene Schnittstellenstile. Dabei unterscheiden
sie zwischen „Text“, „Formular“, „Auswahlmenü“ und „entdeckbarer Schnittstelle“. Sie
werden durch verschiedene „Settings“ sowie visuelle und akustische Signale realisiert. Settings bezeichnen die verschiedenen Aktionsstränge innerhalb einer Anwendung. Dabei unterscheiden die Autoren zwischen „multiple Settings“ und „single Settings“. Multiple Settings werden dann durch verschiedene Fenstergestaltungen verfeinert, single Settings durch
verschiedene Fensterarten resp. –inhalte, wie Toolbars, Paletten, etc.. Diese können dann
selbst wiederum durch verschiedene Bedienelemente verfeinert werden.
Durch ihre hierarchische Gliederung scheint diese Patternsprache eine schrittweise Entwicklung der Schnittstelle zu ermöglichen. Sie konzentriert sich dabei sehr stark auf die reinen Gestaltungselemente und weniger auf die ablaufenden Prozesse. Die „Sprache“ ist jedoch noch sehr unvollständig. Eine Evaluierung ist daher noch nicht möglich. Insbesondere
die Struktur und die Zusammenhänge scheinen ebenfalls nicht vollständig durchdacht zu
sein. Das System umfasst insgesamt 25 Patterns, wovon 9 bereits näher beschrieben sind.
Die Strukturierung der Patterns selbst lehnt sich weitestgehend an die Alexandrinische Notation an. Für diese Arbeit ist das Abstraktionsniveau dieser Patterns zu niedrig. Weiterhin
fehlt auch hier eine Eingliederung in den konkreten Anwendungskontext.
Van Welie und Troettenberg (2000) entwickelten 20 Patterns zum Design „anwendbarer“
Schnittstellen. Sie orientieren sich dabei sehr stark an den Usabilityprinzipien von Norman
(1998b). Anderen renommierten Ansätzen, wie dem von Tidwell (1999), werfen die Autoren
vor, dass diese vorwiegend die Sicht des Designers und nicht die des Anwenders einnehmen.
Die Patterns ergänzen sich lediglich zu einem kategorisierten Katalog. Die Patterns werden
dabei den verschiedenen Usabilityprinzipien zugeordnet. Zwischen den Patterns werden
ausschliesslich Ähnlichkeitsrelationen erfasst. Eine Besonderheit der Sprache besteht in der
expliziten Erläuterung der Funktionsweise der Patterns. Dabei wird für jedes Pattern erklärt,
warum und wie sich dieses auf etablierte und messbare Usability Kriterien auswirkt. Diese
Kriterien umfassen die Ausführungsgeschwindigkeit, die Lernbarkeit, die Erinnerbarkeit,
die Zufriedenheit, die Anzahl vollständig bearbeiteter Aufgaben und die Fehlerquote (van
Design Patterns für digitale Produkte
149
Welie & Troettenberg 2000). Die meisten Patterns beschäftigen sich damit, wie der Benutzer
durch die Gestaltung der Abläufe bei der Erfüllung bestimmter Aufgaben unterstützt werden kann und wie er dabei vor dem Begehen von Fehlern geschützt werden kann.
Die Struktur der Patterns folgt der traditionellen Struktur der Architekturpatterns. Dabei
wird die Lösung zum Teil mit Hilfe von Modellierungstechniken des Interface Designs illustriert. Die fehlende Strukturierung, vor allem nach inhaltlichen Aspekten, erschwert eine
gezielte Anwendung der Patterns in konkreten Applikationen.
Beide Ansätze sind auf die Unterstützung der Spezialisten, d.h. der Designer, beim Designprozess ausgerichtet. User-centered Design bedeutet für die Autoren primär, dass das Interesse der Benutzer die entscheidende Zielgrösse beim Design darstellt. Ein partizipativer Designprozess, im Zuge dessen eine Patternsprache in ihrer Funktion als Lingua Franca eingesetzt werden kann, ist dagegen weniger entscheidend.
D 2.3.4 Bewertung
Im Gegensatz zu den Software Engineering Patterns sind die Patterns der HCI-Forschung
klar auf die Interessen des Nutzers ausgerichtet. Sie beschäftigen sich mit der Gestaltung der
Interaktionen zwischen Anwender und System, d.h. mit dem Design des Produktes aus der
Sicht der Implementation II. Somit betrachten sie das Produkt von der auch in dieser Arbeit
primär interessierenden Perspektive.
Dabei bildet die Anwendbarkeit (Usability) des Systems das zentrale Gütekriterium. Lediglich Borchers (2000a) berücksichtigt die weiteren Anforderungen an das Design, die sich
durch die Einordnung des Artefakts in den weiteren Anwendungskontext ergeben. Bei den
von ihm betrachteten Ausstellungsexponaten muss der Anwender zunächst auf das Artefakt
aufmerksam gemacht und für die Anwendung gewonnen werden; beides Aspekte, die auch
beim Design digitaler Produkte beachtet werden müssen. Die sich im Zuge der Positionierung eines Produktes innerhalb eines globalen digitalen Wirtschaftsraumes ergebenden
weitergehenden Situationen der Kunde-Produkt-Interaktion werden jedoch auch bei
Borchers nicht berücksichtigt.
HCI Patterns beschäftigen sich ansonsten vorrangig mit den domänenunspezifischen Aspekten der Schnittstellengestaltung. Eine Einordnung in den gesamten Erstellungsprozess
interaktiver Applikation wird zumeist nicht vorgenommen. Am weitesten entwickelt ist hier
der Ansatz von Borchers mit seinem dreistufigen, die verschiedenen Phasen der SoftwareEntwicklung abdeckenden Patternsprachen-System. Wie bereits erläutert, findet sich jedoch
auch hier keine direkte Integration der verschiedenen Designaspekte.
Das Abstraktionsniveau der HCI Patterns ist für diese Arbeit zu spezifisch. Die hier entwickelten Patternsprachen können jedoch zur Verfeinerung der Patternsprache für digitale
Produkte genutzt werden. Am umfassensten und am weitesten entwickelt ist hierbei die
Patternsprache von Jennifer Tidwell.
Vorbildlich ist die HCI Patternforschung jedoch in ihrem Bemühen, vollständige Patternsprachen zu entwickeln, auch wenn diese sich lediglich auf die Erstellung der Benutzerschnittstelle beschränken. Die Beziehungen zwischen den Patterns reflektieren jedoch auch
150
Methodische Grundlagen
hier ausschliesslich Komplementaritäts- und Verfeinerungsbeziehungen. Die Berücksichtigung zeitlicher und inhaltlicher Abhängigkeiten wird zwar gefordert, sie spiegeln sich jedoch in den bisher entwickelten Patternsystemen nur bedingt und, wenn überhaupt, lediglich innerhalb der Patterns wider. Aufgrund des fehlenden Anwendungsbezuges werden
dagegen zeitliche sowie auch inhaltliche Beziehungen zwischen den Patterns gänzlich nicht
erfasst.
D 2.3.5 Zusammenfassung
Die folgende Tabelle D 2-3 fasst die soeben beschriebenen wesentlichen Charakteristika der
Patternansätze der HCI-Forschung noch einmal zusammen.
Disziplin
HCI
Zielsetzung
•
Wissensbasis
•
Unterstützung des Designprozesses
•
Lingua Franca
•
HCI-Spezialisten, Schnittstellendesigner
•
Weitere Beteiligte am Schnittstellendesign, insbesondere der Anwender
Zielgruppe
selbst
Optimierungskriterium
/ QWAN
•
Usability
•
Benutzererlebnis
Umfang
•
Tidwell: 59
•
Borchers: 32
•
Coram / Lee: 25
•
Van Welie / Troettenberg: 20
•
Sprache / System: Tidwell, Borchers, Coran / Lee
Typus und Struktur
•
Kataloge mit Strukturierung nach Usabilityprinzipien: Welie /
Troettenberg
Weitere Strukturierungsprinzipien
•
Tidwell: Subsprachen mit verschiedenen Aspekten (Prozess, Umwelt,
Arbeitsoberfläche, Navigationsmöglichkeiten, Aktion, Modifikation, visuelle Gestaltung, aktive Unterstützung)
•
Borchers: Hierarchische Strukturierung der Patternsprachen; Domäne
(weitgefasst, enggefasst), Schnittstelle (Aufgabe, Dialog, Interaktionsobjekt), Software Engineering (Architektur, Design, Implementation)
•
Casaday: Kategorisierung nach Komplexität der Problemsituation und
nach den auszubalancierenden Kräften in simple, intrinsic, circumstantial
Dimensionen
Anwendung
•
Mahemoff / Johnston: Aufgabe / Schnittstelle / Anwender / System
•
Borchers et al.: Abstraktionsgrad, Funktion, physische Dimension
•
Räumliche Struktur und Zeit innerhalb der Patterns
•
Vorrangig strukturelle Beziehungen zwischen den Patterns
•
„Piecemeal growth“ bei den Patternsprachen, ansonsten
•
„Pattern Matching“: Vergleich der aktuellen Situation mit der
Problembeschreibung der Patterns
Design Patterns für digitale Produkte
Patternstruktur
•
Entdeckung der Patterns •
•
Meist in starker Anlehnung an Alexandrinische Patternstruktur
Erfahrungen aus langjährigem Arbeiten
Analyse der Best Practices (auch aus verwandten Designdisziplinen)
•
Beispiele
•
Diskussion innerhalb einer etablierten Pattern Community
•
Begründung der Patterns
Kritik - positiv
•
Ausrichtung auf Produkt aus Sicht der Implementation II
Kritik - negativ
•
Mangelnde Strukturierung erschwert die direkte Anwendung der
Patterns
•
Einseitige Ausrichtung auf die Usability, keine Berücksichtigung der
Validierung
151
Auswirkungen des Anwendungskontextes, insbesondere der ökonomischen Motivation von Anbieter und Anwender
•
Weitestgehend Vernachlässigung der zeitlichen und auch inhaltlichen
Abhängigkeiten vor allem bei den Beziehungen zwischen den Patterns
Tabelle D 2-3: Übersicht über HCI Patternforschung
D 2.4 Patterns für das Design von Hypermedia-Applikationen
Digitale Produkte sind zumeist in den hypermedialen Raum des World Wide Webs eingebunden und stellen selbst ebenfalls Hypermedia-Applikationen dar. Patternansätze zum
Hypermedia Design sind daher von besonderer Bedeutung für diese Arbeit.
Hypermedia-Applikationen zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Schnittstelle zum Kunden
aus miteinander verlinkten Informationsseiten besteht.136 Man unterscheidet hier häufig genauer zwischen Hypermedia Sites und Hypermedia-Applikationen. Sie unterscheiden sich
in ihrer Komplexität und in der dahinter liegenden Programmlogik (Perzel & Kane 1999).
Hypermedia Sites dienen vorrangig der Aufbereitung von Wissen. Die Eingaben des Users
erfolgen lediglich im Zuge der Abfrage von Wissensbeständen oder der Navigation durch
Wissensbestände. Hypermedia-Applikationen liegt dagegen eine Programmlogik zu
Grunde. Sie unterstützen den Anwender bei der Erfüllung einer bestimmten Tätigkeit, z.B.
dem Einkauf. Die Übergänge zwischen Sites und Applikationen sind jedoch fliessend.
Das Design von Hypermedia-Applikationen verbindet die Bereiche des Software Engineerings und des Human Computer Interaction Designs. Viele Ansätze fokussieren dabei auf
die Gestaltung der Benutzerinteraktion, referenzieren dabei jedoch die technischen und somit implementationsnahen Aspekte. Die Benutzerinteraktionen sind zumeist auf die Navi-
136 Nach Bieber und Kacmar (1995) zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie (1) dem Benutzer durch er-
weiterte Möglichkeiten des Schnittstellendesigns und der Schnittstellenfunktionalität die Verständlichkeit erleichtern, (2) ihm in Form der Navigation durch Wissenselemente neue Möglichkeiten der Entdeckung und Manipulation von Wissen bieten und (3) es ihm ermöglichen,
die Applikationen mit Kommentaren und Beziehungen zu kommentieren.
152
Methodische Grundlagen
gation durch verlinkte (Informations-) Seiten abgebildet.137 Die zugrundeliegende ClientServer Technologie auf offenen Netzen stellt weiterhin besondere Anforderungen an das
Design und die Implementation auf technischer Ebene. So müssen z.B. insbesondere bei
Electronic Commerce-Applikationen Performanz- und Sicherheitsaspekte sowie die Besonderheiten der zugrundeliegenden Kommunikationsprotokolle berücksichtigt werden.
Die Erforschung von Hypermedia Patterns hat relativ spät begonnen. Die ersten Patternansätze gehen auf die Arbeit von Garrido et al. (1997) zurück, die im Jahre 1997 veröffentlicht
wurde. Seitdem wurde jedoch eine Vielzahl von Patternsammlungen entwickelt. Sie sind
ausnahmslos das Ergebnis wissenschaftlicher Forschungsarbeit (German & Cowan 2000).
Zielsetzung und Ausrichtung
Die Idee einer Ausrichtung des Designs an einer QWAN ist in der Hypermedia Patternforschung weniger verbreitet. Übergeordnete Designziele lassen sich jedoch, je nach Ausrichtung, aus der Patternforschung des HCI Designs oder des Software Engineerings ableiten.
Sie umfassen daher entweder die Aspekte der Anwendbarkeit oder die der Anpassbarkeit
und Flexibilität der Software (s. Abschnitte D 2.2 und D 2.3).
Die Forschung im Bereich der Hypermedia-Applikationen ist jedoch generell sehr stark von
der Philosophie des Software Engineerings geprägt. Das zentrale Ziel der Entwicklung von
Patternsystemen liegt in der Steigerung der Effizienz der Software-Erstellung. Die Patterns
sollen bestehendes Designwissen, das in den Köpfen von Spezialisten verborgen ist und sich
lediglich in deren Arbeiten widerspiegelt, externalisieren, systematisieren und für andere
nutzbar machen. Patterns dienen daher primär der Wiederverwendung von Designwissen.
Die Autoren insbesondere derjenigen Patternsysteme, die sich mit dem Design der Benutzerschnittstelle beschäftigen, weisen stets darauf hin, dass es sich beim Designprozess um einen
interdisziplinären Prozess handelt, in den insbesondere auch der Anwender selbst zu integrieren ist. Die Bedeutung von Patternsprachen als Lingua Franca findet dennoch wenig Beachtung. Die Zielgruppe der hier entwickelten Patterns sind somit je nach Ausrichtung
Software-Ingenieure oder Schnittstellendesigner, die bei ihrer Arbeit unterstützt werden
sollen.
Struktur
Die Beschreibung der Patterns ist primär auf die Bedürfnisse der verschiedenen Spezialisten
ausgerichtet. Sie lehnt sich sehr stark an die Patternstruktur aus dem Software Engineering
an. Patterns sind somit stärker strukturiert und zumeist auch stärker formalisiert und enthalten direkte Hinweise auf Implementierungsaspekte.
Hypermedia Patterns ergänzen sich in der Regel lediglich zu Patternkatalogen. Patternsysteme oder gar Patternsprachen existieren noch nicht. Die verschiedenen Sammlungen un-
137 Java Applets ermöglichen die Integration fast beliebiger Programmfunktionalitäten. Die Verwen-
dung von Hypertext und Formularen bleibt jedoch das zentrale Charakteristikum von Hypermedia-Applikationen.
Design Patterns für digitale Produkte
153
terscheiden sich sowohl in ihrem Abstraktionsgrad als auch in ihrer Ausrichtung und stehen
meist unverbunden nebeneinander. Ein Hauptanliegen der Patternforschung im Bereich der
Hypermedia-Anwendungen besteht daher, ähnlich wie bei der HCI Patternforschung, in der
Zusammenführung der verschiedenen Ansätze durch eine einheitliche Strukturierung auf
der Metaebene.
In der wissenschaftlichen Literatur findet sich mittlerweile auch eine Vielzahl von Vorschlägen zur Klassifikation von Hypermedia Patterns. Eine einheitliche, umfassende und vor allem auch weithin anerkannte Strukturierung wurde bisher jedoch noch nicht entwickelt. Die
verschiedenen Ansätze unterscheiden sich stark in den von ihnen zu Grunde gelegten Klassifikationskriterien. Garrido et al. (1997; 1996; 1997) kategorisieren Patterns nach den Phasen
der von ihnen entwickelten objektorientierten Designmethode, der Object Oriented Hypermedia Design Method (OOHDM). Danach unterscheiden sie primär zwischen Patterns für
das Navigationsdesign und Patterns für das Interface Design.138 German und Cowan (1999)
schlagen eine Klassifikation nach dem Nutzen der Patterns vor. Sie unterscheiden zwischen
„presentational“ (Präsentations-), „structural“ (Struktur-) und „support“ (Unterstützungs-)
Patterns. Lyardet et al. (1998) teilen Patterns gemäss ihrer Zielsetzung in Patterns zur
Unterstützung der Informationsorganisation, der Schnittstellenorganisation und der
Implementation ein. Alle diese Strukturierungsschemata dienen jedoch lediglich zur Einordnung der von den jeweiligen Autoren entwickelten Patterns. Der Versuch einer Integration
existierender Patternsammlungen wurde nicht unternommen.
Universelle Klassifikationsschemata wurden dagegen von Paolini und Garzotto (1999),
Nanard und Nanard (1999) und German und Cowan (2000) vorgeschlagen. Paolini und
Garzotto (1999) unterscheiden drei Typen von Patterns: Patterns, die sich mit den
Anforderungen des Benutzers beschäftigen, Patterns, die generische Designideen erfassen
und Patterns, die wohldefinierte Designideen widerspiegeln. Die Autoren entwickeln jedoch
keine eigenen Patterns und nehmen auch keine Einordnung bestehender Patterns vor.
Nanard und Nanard (1999) entwickelten mit ihrem vierdimensionalen Patternraum, dem
sogenannten „Hypermedia Design Pattern Space“ die bisher wohl umfassendste Charakterisierung von Hypermedia Patterns. Dabei unterscheiden sie die Dimensionen HypermediaApplikation, Hypermedia Design und Entwicklung, Hypermedia-System und menschliche
Einflussfaktoren. Eine Validierung des Patternraumes durch eine Einordnung bestehender
Patterns wurde jedoch auch hier nicht vorgenommen.139 Der jüngste Ansatz zur Strukturierung der Hypermedia Patterns stammt von German und Cowan (2000). Sie schlagen eine
138 Diese weit verbreitete Designmethode wird im Zuge der noch folgenden Beschreibung des „Pat-
tern Systems for Hypermedia“ kurz erläutert (s. Abschnitt D 2.4.1).
139 Das erklärte Ziel der Autoren ist die Entwicklung einer Patternsprache. Ihr Designraum erfüllt die
an Patternsprachen gestellten Anforderungen jedoch nicht. Jegliche Beziehungen zwischen den
Patterns der verschieden Dimensionen sowie auch zwischen den Ausprägungen der einzelnen
Dimensionen fehlen. Es ist somit unklar, wie und ob ihr Designraum das zielgerichtete Design
vollständiger Hypermedia-Applikationen unterstützt.
154
Methodische Grundlagen
Gruppierung der Patterns in fünf Kategorien vor: Architektur, Konstruktion von Komponenten, Navigation, Präsentation und Verhalten resp. Benutzerinteraktion. Darüberhinaus
fordern sie eine Unterscheidung der Patterns nach ihrer Bedeutung und Wichtigkeit in zentrale und in zusätzliche Patterns. Unter Verwendung dieses Klassifikationsschemas entwickeln sie einen Katalog der wichtigsten Design Patterns als „a basic patterns system“. Die Inhalte bestehen aus Patterns bereits entwickelter Sammlungen. Eine Vereinheitlichung der
Darstellung dieser Patterns wurde im Zuge der Zusammenführung jedoch nicht vorgenommen. Weiterhin fehlt auch hier eine klare Darlegung der Zusammenhänge zwischen den
Patterns innerhalb einer Kategorie und zwischen den Patterns verschiedener Kategorien.
Prozesse
Die Herleitung der Patterns beruht auch hier auf der Analyse von Best Practice Wissen sowie
auf eigenen Designerfahrungen der Autoren. Die Validierung erfolgt ebenfalls weitestgehend empirisch.
Aufgrund der mangelnden Strukturierung der Patternsammlungen basiert die Anwendung
der Patterns rein auf dem Mechanismus des „Pattern Matchings“.
Zur Illustration werden in den folgenden Abschnitten zentrale Hypermedia Patternsammlungen vorgestellt. Der bekannteste und am weitesten entwickelte Ansatz stammt von Rossi
et al.. Er wird daher zu Beginn ausführlich beschrieben. Im Anschluss daran folgt ein kurzer
Überblick über weitere Ansätze.
D 2.4.1 Pattern Systems for Hypermedia
Garrido et al. (1997) waren unter den Ersten, die sich mit der Entwicklung von Patternsystemen zur Unterstützung des Designs von Hypermedia-Systemen beschäftigten. Ihre Patternsprache baut auf der ebenfalls von ihnen entwickelten Methode zum Design von objektorientierten Hypermedia-Systemen, der OOHDM, auf. Gemäss dieser Methodik gliedert sich
der Designprozess in vier Stufen: (1) das konzeptuelle Design der Anwendungsdomäne, (2)
das Design der Navigationsstrukturen, (3) das Design der Schnittstelle und (4) die Implementierung. Die Methode soll insbesondere die Erweiterung existierender, nach dem objektorientierten Paradigma entwickelter Applikationen um eine Web-Schnittstelle unterstützen.
In diesem Fall beginnt der Prozess mit dem zweiten Schritt und setzt auf dem bereits bestehenden konzeptuellen Modell der Applikation auf. Zur Unterstützung des Designs entwickelten Garrido et al. (1997) drei Patternsysteme: (1) Patterns für Hypermedia-Systeme, hier
verstanden als Programmierumgebungen zur Implementierung von Hypermedia-Applikationen, (2) Navigationspatterns und (3) Schnittstellenpatterns. Die Systempatterns dienen der
Erweiterung der bestehenden Applikation um Hypermedia-Funktionalitäten. Trotz ihrer
Ausrichtung auf die OOHDM betonen die Autoren, dass die Patterns unabhängig von dieser
Methode und ebenfalls unabhängig vom zugrundeliegenden Programmierparadigma anwendbar sind. Im folgenden werden die einzelnen Patternsysteme kurz erläutert. Dabei wird
jeweils ihre Ausrichtung und Zielsetzung, ihre Struktur sowie die konstituierenden Prozesse
beschrieben. Die Navigationspatterns und die Schnittstellenpatterns werden aufgrund ihrer
Bedeutung für die Arbeit ausführlicher beschrieben und mit Beispielen illustriert.
Design Patterns für digitale Produkte
155
Wie bereits erwähnt, unterstützen Systempatterns die Konstruktion von Hypermedia-Systemen sowie die Erweiterung von Applikationen um die Hypermedia-Funktionalität. Diese
Patterns richten sich somit an die Entwickler von Hypermedia-Systemen. Sie beschreiben die
Struktur dieser Systeme mit Hilfe verschiedener Klassen für die Repräsentation der konstituierenden Elemente, d.h. Knoten, Links, Ankern, Navigationsstrategien und Navigationsbeobachtern. Dabei werden insbesondere die Beziehungen dieser Knoten zu den Strukturen
des konzeptuellen Domänenmodells erfasst. Wrapperklassen ermöglichen dabei die Anbindung an existierende Schnittstellen. Die Sprache besteht insgesamt aus sieben Patterns. Sie
umfassen jeweils eine Problembeschreibung, das System sich widerstrebender Kräfte, die
Lösung, bekannte Anwendungsfälle sowie verwandte Patterns. Die Beschreibung der Inhalte
erfolgt in Fliesstext. Zur Darstellung der Lösungskonzepte werden objektorientierte Konstrukte, d.h. insbesondere Klassen, genutzt. Die Beziehungen zwischen den Patterns spiegeln
vorrangig die Komplementarität der entsprechenden Patterns wider. Weiterhin werden
Ähnlichkeitsbeziehungen zu anderen Patternsystemen, insbesondere den Design Patterns
der GoF (Gamma et al. 1995) aufgezeigt. Die Patterns sind das Ergebnis langjähriger Forschungsarbeiten, im Zuge derer auch eine Vielzahl von Hypermedia-Systemen entwickelt
wurde. Für die meisten Patterns kann weiterhin auf Beispiele von Hypermedia-Systemen
oder Designmethoden verwiesen werden, in denen die Patterns erfolgreich angewendet
wurden. Die Validierung der Patterns erfolgt somit weitestgehend empirisch.
Die Navigationspatterns dienen der Organisation der Navigationsstrukturen von Hypermedia-Applikationen. Sie richten sich ebenfalls an Spezialisten, in diesem Fall an die Designer
von Hypermedia-Applikationen. Die QWAN entspricht, analog zum HCI Design der Zufriedenheit der Anwender. Er soll seine Aufgabe einfach und ohne kognitiven Overhead lösen
können. Das Patternsystem besteht dann insgesamt aus fünf Patterns. Sie beschäftigen sich
mit dem geeigneten inhaltlichen Umfang der Knoten, mit der Erzeugung von Knoten und
Links, mit der Organisation des Navigationsraumes mit Hilfe sogenannter Navigationskontexte sowie mit der Unterstützung des Anwenders durch aktive Referenzen. Die Struktur
und sprachliche Ausgestaltung der Patterns entsprechen denjenigen der Systempatterns. Die
Lösungsdarstellung bedient sich jedoch der Komponenten von Hypermedia-Applikationen,
d.h. Knoten und Links. Beziehungen bestehen vorrangig zwischen den Navigationspatterns
und nur sehr beschränkt zwischen den Navigationspatterns und den Patterns der anderen
beiden Patternsysteme. Auch hier scheint es sich vorrangig um Komplementaritätsrelationen
zu handeln. Die Patterns sind wiederum das Ergebnis langjähriger Forschungsarbeiten. Sie
spiegeln jedoch weiterhin oftmals weitverbreitete Designmethoden wider (s. z.B. (Nielsen
1993)). Für die meisten Patterns können konkrete Beispiele angegeben werden, in denen sie
erfolgreich angewendet werden konnten. Auch hier erfolgt die Validierung der Patterns daher weitestgehend empirisch.
Zur Illustration wird im folgenden ein Beispielpattern, „Active Reference“, verkürzt dargestellt:
156
Methodische Grundlagen
Active Reference140
Problem: Wie kann ein permanenter Hinweis auf die aktuelle Position realisiert werden, der sowohl der Orientierung als auch der Navigation zu einer Menge verwandter Knoten des gleichen
oder höheren Abstraktionsgrades dient?
Motivation: In vielen Hypermedia-Applikationen müssen wir es dem Anwender ermöglichen
festzustellen, wo er sich befindet, und ihn zusätzlich bei der Auswahl des nächsten Schrittes unterstützen. [...]
Kräfte:
•
Die Navigation durch verschiedene Konzepte und verschiedene Thematiken auf
unterschiedlichen Abstraktionsebenen erschwert die Orientierung im Cyperspace. Daher
wird ein Hinweis auf die jeweils aktuelle Position benötigt.
•
Ein Index auf den Knoten ermöglicht die gezielte Navigation zu einem bestimmten Folgeknoten. Die Einordnung in den Kontext ist jedoch verloren, sobald der Anwender den
Zielknoten erreicht hat.
•
Eine Navigation History erfasst in der Regel nicht die Thematik resp. die semantischen
Beziehungen zwischen den Knoten.
Lösung: Eine gute Lösung besteht darin, ein aktives wahrnehmbares Navigationsobjekt in der
Funktion eines Indexes auf andere Navigationsobjekte zur Verfügung zu stellen. Dieses Objekt
kann zeitgleich mit den Zielobjekten wahrgenommen werden. Es gestattet dem Benutzer sowohl
die Erkundung der Zielobjekte, als auch die Auswahl verwandter Zielobjekte. Auf diese Weise
kann er sowohl mit dem Index als auch mit den Zielknoten interagieren.
Dieses Pattern wird beispielsweise in der City.Net Web Site angewendet. Sie verdeutlicht dem Benutzer durch einen Index kontinuierlich, wo er sich im Navigationsbaum befindet. [...]
Known Uses: […]
Related Patterns: „Actice References“ werden innerhalb „Navigational Contexts“ erzeugt.
Die Schnittstellenpatterns unterstützen das Design der graphischen Benutzerschnittstelle. Sie
betrachten Fragestellungen der räumlichen und graphischen Gestaltung der Inhalte und Bedienelemente. Das Patternsystem richtet sich somit primär an die Schnittstellen-Designer. Es
umfasst insgesamt sechs Patterns. Sie beschäftigen sich mit der Organisation von Information, die nicht vollständig auf einem Bildschirm angezeigt werden kann, mit der Positionierung von Kontrollelementen relativ zu anderen Informationen, mit der Organisation einer
Menge von Kontrollelementen und den Möglichkeiten, dem Benutzer die Resultate seiner
Aktionen aufzuzeigen. Die Beziehungen zwischen den Patterns beruhen wieder vorrangig
auf Ähnlichkeits- oder Komplementaritätsrelationen zwischen den Patterns des Systems. Die
Herleitung der Patterns erfolgt aufgrund von eigenen Erfahrungen, die Validierung durch
die Angabe von Applikationen, in denen die Patterns erfolgreich angewendet werden
konnten, und somit wiederum empirisch.
Ein Beispielpattern, „Behavioral Grouping“, wird im folgenden verkürzt dargestellt:
140 Übersetzung der Autorin.
Design Patterns für digitale Produkte
157
Behavioral Grouping141
Problem: Wie können verschiedenen Typen von Kontrollelementen so dargestellt werden, dass sie
einfach vom Benutzer verstanden werden können?
Motivation: [...] In einer typischen Hypermedia-Applikation gibt es mehrere Arten aktiver
Schnittstellenobjekte: Objekte mit Navigationsmöglichkeiten, wie der „Back“ button, ...; Objekte
zur Navigation innerhalb eines Kontextes, Objekte zur Kontrolle der Schnittstelle, etc.
Kräfte:
•
Die Schnittstelle eines Knotens kann über viele verschiedene Kontrollobjekte verfügen,
die unterschiedliche und vielfach unverbundene Funktionalitäten zur Verfügung stellen.
•
Die Vielfalt der Funktionen und Aufgaben gestattet es nicht, obiges Problem durch einfache Konventionen, wie „der Back Button ist immer auf der rechten Seite“, zu lösen.
•
Die Kontrollobjekte sollen die dargestellten Inhalte nicht stören oder überdecken.
Lösung: Gruppiere die Kontrollobjekte nach ihrer Funktionalität in globale, kontextuelle, strukturelle und applikationsspezifische Objekte und stelle jede Gruppe in einer anderen Zone des Bildschirms dar. Gestalte die Schnittstellenobjekte jeder Gruppe ähnlich. [...]
Known Uses: Diese Lösung findet sich in vielen kommerziellen Applikationen, wie z.B. der „Art
Gallery“ und „Le Louvre“. [...]
Verwandte Patterns: „Information-Interaction Decoupling“.
In späteren Arbeiten wurden diese Design Patterns um weitere Patterns ergänzt. In (Rossi et
al. 1999b) präsentieren Rossi, Schwabe und Lyardet vier weitere Navigationspatterns. Sie
wurden bei der Analyse von Web-basierten EC-Systemen entdeckt. „Set-based-navigation“
ermöglicht die Navigation durch miteinander verlinkte Informationssammlungen, wie diese
häufig in Produktkatalogen vorkommen, „News“ realisiert den schnellen Zugriff auf neu
hinzugefügte Informationen, „Landmark“ erleichtert den Zugang zu zentralen Subsystemen,
wie z.B. dem Checkout-Bereich, und „shopping basket“ ermöglicht die Sammlung ausgewählter Artikel, ohne den Suchprozess unterbrechen und verlassen zu müssen. Die Patterns
finden sich in vielen Online Shops wieder. Die Autoren illustrieren ihren Einsatz daher mit
Hilfe eines durchgängigen Beispiels, amazon.com. Ihr erklärtes Ziel besteht darin, die entwickelten Patterns, wann immer dies möglich ist, als Designprimitive in den Designprozess zu
integrieren (entweder als Modellierungskonstrukte oder bei implementationsnäheren Konzepten als Templates). Sie sollen insbesondere dabei helfen, den Kommentierungsaufwand
zu reduzieren.
D 2.4.2 Weitere ausgewählte Patternsammlungen
German und Cowan (1999) entwickelten einen Patternkatalog, bestehend aus drei Hypermedia Patterns. Sie beschreiben auf einem relativ hohen Abstraktionsniveau die Strukturen
konkreter Anwendungen: eines virtuellen Buches („Hyper-Books“), einer virtuellen Landkarte („Hyper-Maps“) und eines virtuellen Produktes („Virtual Product“). Die Strukturierung der Patterns entspricht derjenigen der Design Patterns der GoF. Dabei werden in den
Patterns sowohl Aspekte der Anwendungsdomäne als auch der Navigationsstruktur und
141 Übersetzung der Autorin.
158
Methodische Grundlagen
der Schnittstellengestaltung betrachtet. Zwischen den Patterns werden keinerlei Beziehungen erfasst. Die Herleitung und Validierung der Patterns beruht auf der Analyse erfolgreicher Anwendungen.
Diaz und Melser (1999) präsentieren zwei Patterns, die das Verhalten in virtuellen Räumen
beschreiben, das Compound Pattern und das Collector Pattern. Die Modellierungskonstrukte sind Kontext, Anwender und Objekte. Die Beschreibung der Patterns orientiert sich
an der Alexandrinischen Patternstruktur. Beziehungen zwischen den beiden Patterns existieren nicht. Die Patterns basieren auf Untersuchungen des Gruppenverhaltens und beschreiben die dabei identifizierten immer wiederkehrenden Konstellationen. Das Compound
Pattern erfasst Situationen, in der das Verhalten eines Objektes von mehreren anderen Objekten abhängt. Dies wird durch die Einführung eines übergeordneten Kontrollobjektes ermöglicht. In der zweiten Konstellation müssen sich mehrere Objekte in Abhängigkeit von einem andern Objekt in der gleichen Art und Weise verhalten. Dies wird durch die Einführung eines Collectorobjektes realisiert. Bei diesen Patterns ist jedoch nicht klar, inwieweit
sich diese Konstellationen direkt auf die konkrete Implementierung auswirken oder lediglich
Möglichkeiten zur Koordination einer Gruppe beschreiben.
Schummer und Schuckmann (1999) entwickelten eine Sammlung von Patterns zum Design
kollaborativer Hypermedia-Applikationen. Sie lehnen sich dabei an die Methodik der
OOHDM an, erweitern diese jedoch um den Aspekt der kollaborativen Zusammenarbeit
mehrerer Parteien: d.h. der Kommunikation sowie der – gemeinsamen – Erzeugung und
Veränderung komplexer Strukturen und Inhalte. Gegenüber traditionellen und zumeist auf
einen Benutzer ausgerichteten Hypermedia-Applikationen erfassen die Patterns Aspekte (1)
der Gruppen-Awareness, (2) der Kopplung des Applikationsverhaltens der einzelnen Gruppenmitglieder, (3) der Modellierung der Anwender und ihrer Rollen innerhalb der verschiedenen Situationen kollaborativer Zusammenarbeit sowie (4) der Kommunikation der Gruppenmitglieder. Weiterhin müssen Möglichkeiten zur Änderung der Inhalte berücksichtigt
werden.
Um diese Besonderheiten des Designs kollaborativer Hypermedia-Applikationen erfassen zu
können, erweitern die Autoren den OOHDM Prozess um eine weitere Phase, das Kollaborationsdesign. Sie definiert die Interaktionsbeziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern.
Weiterhin wird das Navigationsdesign durch Möglichkeiten zur Editierung der Inhalte ergänzt. Die Patternstruktur lehnt sich an die Alexandrinische Struktur an, enthält innerhalb
der Lösungsbeschreibung jedoch weiterhin Implementationsaspekte.
Das Patternsystem umfasst insgesamt sechs Patterns, vier zur Unterstützung des Kollaborationsdesigns und zwei zur Unterstützung des Schnittstellen-Designs: (1) „Communication
Channel“ fordert die Einführung von Kommunikationskanälen, (2) „Session“ die Möglichkeit von Sitzungen zur – zeitlichen – Strukturierung der kollaborativen Zusammenarbeit, (3)
„User Role“, die Einführung von Benutzerrollen sowie deren Zuordnung zu den Gruppenmitgliedern, (4) „Group Location Awareness“, die Einführung eines Beobachter-Objektes,
welches die „Bewegungen“ der einzelnen Gruppenmitglieder beobachtet und Änderungen
des Aufenthaltsortes an die anderen Teilnehmer weiterleitet, (5) „Avatar“, die Repräsentation der Benutzer durch Avatare und (6) „Virtual Room“, die Strukturierung der Zusam-
Design Patterns für digitale Produkte
159
menarbeit mit Hilfe von virtuellen Räumen. Die Patterns unterscheiden sich sehr stark in ihrem Abstraktionsgrad. Zum Teil werden zwar Beziehungen zwischen den Patterns aufgezeigt, diese unterstützen jedoch nur bedingt ein gezieltes interaktives Design kompletter
Anwendungen.
Die Herleitung und Validierung der Patterns beruht auf der Analyse konkreter Applikationen.
D 2.4.3 Bewertung
Die Forschung im Bereich der Hypermedia Patterns ist breit gestreut. Die verschiedenen
Patternansätze unterscheiden sich stark in ihrer Ausrichtung, ihrem Abstraktionsgrad und
den betrachteten Aspekten. Generell herrscht die Bestrebung, alle Aspekte des Hypermedia
Designs, d.h. insbesondere die Gestaltung der Schnittstelle als auch deren Abbildung und
Anbindung an die Applikationslogik, zu erfassen. Die entsprechenden Arbeiten sind jedoch
noch weitgehend im Entwicklungsstadium. Dabei handelt es sich zumeist um Patternsammlungen; Beziehungen zwischen den Patterns, welche diese zu einer Sprache ergänzen
würden, werden dagegen kaum erfasst.
Die Patterns richten sich sehr stark an den Bedürfnissen der jeweiligen Spezialisten aus. Sie
unterstützen somit vorrangig einen effizienten Designprozess durch Software-Ingenieure,
Hypermedia und Schnittstellen Designer. Es wird zwar immer wieder darauf hingewiesen,
dass es sich beim Design dieser Systeme um einen interdisziplinären Prozess handelt, der
Einsatz der Sprache als Lingua Franca steht dennoch nicht im Vordergrund. Stattdessen besteht der Wunsch zu einer stärkeren Formalisierung der Design Patterns und zu deren Integration in Designtemplates, die dann direkt die Implementierung der ausgestalteten Strukturen unterstützen könnten. Generell sind die Patterns des Hypermedia Designs daher stärker
an der Philosophie des Software Enigneerings ausgerichtet.
Für diese Arbeit interessant sind vornehmlich die Patternsysteme, die sich mit der Gestaltung der Navigationsstrukturen und Schnittstellen beschäftigen. Wie die Patterns der HCIForschung steht bei ihnen der Aspekt der „Usability“ im Vordergrund. Anforderungen der
Anwendungsdomäne werden dagegen auch hier nicht betrachtet.
Wie bei den HCI Patterns erscheint daher auch bei den Hypermedia Patterns eine Anbindung an die hier entwickelte Patternsprache lediglich im Zuge einer Konkretisierung und
Verfeinerung sinnvoll. Hypermedia Patterns haben dabei den Vorteil, dass sie bereits auf die
Möglichkeiten und Besonderheiten von Web-Applikationen ausgerichtet sind. Weiterhin
betrachten sie auch bereits grundsätzlich die Anbindung an die interne Applikationslogik.
Von ihrem Umfang her sind sie jedoch den entsprechenden Patternsammlungen der HCIForschung unterlegen.
D 2.4.4 Zusammenfassung
Die folgende Tabelle D 2-4 fasst die wesentlichen Charakteristika der Patternansätze im Bereich des Designs von Hypermedia-Applikationen noch einmal zusammen.
160
Methodische Grundlagen
Disziplin
Hypermedia-Applikationen
Zielsetzung
•
Unterstützung des Designprozesses (Effizienz- und Qualitätssteigerung)
•
Wissensbasis
Zielgruppe
•
Spezialisten
(Software-Ingenieure, Hypermedia Designer, Schnittstellendesigner)
Optimierungskriterium
Bei der Schnittstelle (Navigationsstrukturen, Schnittstelle)
/ QWAN
Umfang
Typus und Struktur
• Usability, Benutzererlebnis
Bei der Implementation der Funktionalität und der Schnittstelle
•
Flexibilität, Wiederverwendbarkeit
•
Rossi et al: 18
(7 Systempatterns, 5 Navigationspatterns, 6 Interfacepatterns)
•
German und Cowan: 3
•
Diaz und Melser 1999: 2
•
Schümmer und Schuckmann 1999: 6
•
Kataloge mit Ähnlichkeits- und Komplementaritätsrelationen zwischen
den Patterns
Weitere Strukturierungsprinzipien
•
Nach den Phasen des Designprozesses (OOHDM): Systempatterns,
Navigationspatterns, Schnittstellenpatterns, (Kollaborationspatterns)
•
Nach dem Nutzen: presentational, structural, support
•
Nach der Zielsetzung: Informationsorganisation,
Schnittstellenorganisation, Implementation
•
Anforderungen des Benutzers, generische Designideen, wohldefinierte
Designideen
Dimensionen
•
Hypermedia Design Pattern Space: Hypermedia-Applikation,
Hypermedia Design und Entwicklung, Hypermedia Systeme, menschliche Einflussfaktoren
•
Vorrangig räumlich strukturelle und bedingt zeitliche Gestaltung innerhalb den Patterns
•
Vorrangig räumliche und strukturelle Beziehungen zwischen den
Patterns
Anwendung
•
„Pattern Matching“: Vergleich der aktuellen Situation mit der
Problembeschreibung der Patterns
Patternstruktur
•
Meist in starker Anlehnung an Software Engineering Strukturen und
bei implementationsfernen Patterns an Alexandrinische Strukturen
Entdeckung der Patterns •
•
Validierung
Kritik - positiv
Erfahrungen aus langjährigen Arbeiten
Analyse von Best Practice Cases und von etablierten Methoden
•
Beispiele
•
Diskussion innerhalb einer etablierten Pattern Community
•
Zumeist Ausrichtung auf die Usability der entstehenden Produkte (bei
HCI Patterns)
Kritik - negativ
•
Mangelnde Strukturierung erschwert die direkte Anwendung der
Patterns
•
Für unsere Zwecke fehlende Referenz zum Anwendungsbezug, d.h.
den konkreten Problemsituationen
Design Patterns für digitale Produkte
161
•
Einseitige Ausrichtung auf die Anwendbarkeit oder Flexibilität der
Implementation
•
Weitgehende Vernachlässigung der zeitlichen und inhaltlichen Abhängigkeiten vor allem zwischen den Patterns
Tabelle D 2-4: Übersicht über Hypermedia Patternforschung
D 2.5 Patterns für web-basierte Electronic Commerce-Applikationen
In diesem letzten Abschnitt werden Patternansätze vorgestellt, die speziell auf das Design
web-basierter Electronic Commerce Systeme ausgerichtet sind. Sie sind sehr eng mit den Arbeiten in den Bereichen HCI und Hypermedia-Applikationen verbunden. Einige der dort
entwickelten Patterns können sogar, eingeordnet in einen neuen Kontext, auch in Electronic
Commerce (EC)-Applikationen verwendet werden. Bisher spezialisieren sich jedoch nur sehr
wenige Patternansätze auf diesen speziellen Bereich des Software Designs. Insgesamt konnten lediglich drei umfassendere Patternansätze identifiziert werden. Der Ansatz von Rossi,
Lyardet und Schwabe hat seine Wurzeln in der Hypermedia-Forschung, die Patterns von
Perzel und Kane und die von Landay in der HCI-Forschung. Diese drei Ansätze für web-basierte Electronic Commerce-Applikationen werden im folgenden ausführlich beschrieben.
D 2.5.1 Patterns for E-Commerce Applications
Rossi et al. (2000) entwickelten einen Katalog aus fünf Patterns zur Unterstützung des Designs von EC-Applikationen, den „Patterns for E-Commerce Applications“.
Zielsetzung und Ausrichtung
Die Autoren betrachten EC-Applikationen als spezielle Web-Applikationen. An diese stellen
sie daher auch prinzipiell dieselben Anforderungen wie an eine gute Hypermedia-Applikation: eine gute und zielführende Navigationsstruktur, eine lesbare Schnittstelle und ein klares Domänenmodell. Darüberhinaus fordern die Autoren, dass alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion erfasst werden und nicht nur die Anwendung des Produktes selbst. Dabei
beschränken sie sich jedoch weitestgehend auf den Erwerbsprozess und weniger auf die dem
Erwerb vor- und nachgelagerten Prozessstufen der Awareness, der Einstellungsbildung und
der Entscheidung sowie der Abwicklung und der Kundenbetreuung. Neben den Interessen
des Kunden sollen auch die Interessen der Anbieter berücksichtigt werden. Die QWAN erweitert sich somit um die Zufriedenheit und die Erreichung der Ziele aller Beteiligten im
Zuge des Kaufprozesses. Die Patterns richten sich dabei vorrangig an Designspezialisten.
Diese sollen bei der Entwicklung von auf den EC ausgerichteten Web-Applikationen unterstützt werden.
Nach der Terminologie des von den Autoren entwickelten und in Abschnitt D 2.4.1 vorgestellten Pattern Frameworks für Hypermedia-Applikationen handelt es sich bei den Patterns
um Navigationspatterns. Sie beschreiben Lösungen von Designproblemen bzgl. der Gestaltung der Navigationsstrukturen, die sich durch die spezifischen Anforderungen von ECAnwendungen ergeben.
162
Methodische Grundlagen
Struktur
Die Patternstruktur ist eine Kombination der Struktur der Design Patterns der GoF und der
Struktur der Alexandrinischen Patterns. Die konstituierenden Elemente sind Intention, Motivation, Kräfte, Lösung, Beispiele, Konsequenzen, Implementation und verwandte Patterns.
Die Beziehungen zwischen den Patterns erklären dabei lediglich Ähnlichkeiten oder Unterschiede zwischen den Patterns. Die Patterns ergänzen sich somit nicht zur Lösung komplexerer Lösungen und bilden daher lediglich einen Patternkatalog.
Im einzelnen umfasst diese Patternsammlung die Patterns: „Opportunistic Link“, „Advising“, „Explicit Process“, „Easy Undo“ und „Push Communication“. „Opportunistic Link“
zeigt auf, wie der Kunde durch die geeignete Verlinkung verwandter Produkte selbst nach
dem Auffinden des gesuchten Produktes zum weiteren „Stöbern“ im Online Shop animiert
werden kann. „Advising“ fordert durch spezielle Beratungsfunktionen, die neben den eigentlichen Suchfunktionalitäten angeboten werden, die Auswahl eines geeigneten Produktes
zu erleichtern. Beispiele sind die Empfehlungsfunktion von amazon.com oder die dort ebenfalls angebotenen Bestsellerlisten. „Explicit Process“ zeigt auf, wie bestimmte nicht atomare
Prozesse durch explizites Feedback des Systems für den Benutzer verständlich dargestellt
werden können. Dies erhöht das Vertrauen und das Sicherheitsgefühl des Nutzers insbesondere in diejenigen Prozesse, die vom Benutzer die Eingabe persönlicher und insbesondere
zahlungsrelevanter Informationen erfordern. „Easy Undo“ verhält sich komplementär zum
Pattern „Explicit Process“. Es gestattet dem Benutzer in einem mehrstufigen, nicht atomaren
Prozess einzelne Prozessschritte kontrolliert rückgängig machen zu können. Hierfür wird
die Verwendung von speziellen Navigationsmöglichkeiten, z.B. in Form von undo-Buttons
vorgeschlagen. „Push Communication“ ermöglicht es, den Kunden kontinuierlich über
Neuigkeiten informiert zu halten, ohne dass dieser die Information aktiv suchen muss.
Zur Illustration wird das Pattern „Opportunistic Link“ im folgenden in gekürzter Form beschrieben.
Opportunistic Link142
Intention: Erhalte das Interesse des Kunden an der Web Site. Motiviere ihn dazu, auf der Site zu
bleiben, auch wenn er bereits gefunden hat, was er sucht.
Motivation: Nehmen wir an, wir bauen ein Online-Geschäft auf, wie amazon.com. Nach dem
Zugang zur Web Site können wir viele verschiedene Produkte anbieten. [...]Dennoch betreten viele
Kunden den Online Shop mit einem ganz bestimmten Ziel vor Augen. [...] Wenn sie das gesuchte
Produkt gefunden haben, tendieren sie dazu, die Site zu verlassen. Eine Möglichkeit, den Kunden
auf der Site zu halten, besteht darin, Links zu anderen Produktseiten hinzuzufügen, die den Leser
dazu motivieren sollen, zu anderen Produkten zu navigieren. [...] Mit Hilfe semantischer Links
müssen wir dabei die Gefahr reduzieren, dass der Kunde die Orientierung verliert. Wie bringen
wir nun aber diese beiden Anforderungen in Einklang?
Kräfte:
•
Wir möchten den Kunden dazu motivieren, im Geschäft zu bleiben, selbst nachdem er das
von ihm gesuchte Produkt gefunden hat.
142 Übersetzung der Autorin.
Design Patterns für digitale Produkte
•
163
Wir möchten die Struktur des Geschäftes nicht durch aussagenlose Links zerstören.
Lösung: Verbessere die Verknüpfungstopologie durch Links auf neue Produkte. Verwende Links
mit einer klaren semantischen Bedeutung. [...]
Beispiel: „Opportunistic Link“ kann in vielen elektronischen Geschäften gefunden werden. Zum
Beispiel findet man bei cdnow.com oder amazon.com weitere CDs, die inhaltlich zu der vom Kunden bereits ausgewählten CD passen. [ ...]
Konsequenzen:
•
Bindet den Kunden länger an die Site und erhöht als indirekte Konsequenz die
Verkaufszahlen.
•
Eine zu starke Verlinkung kann einen kognitiven Overload erzeugen.
•
Das zugrundliegende Datenmodell wird komplexer.
Implementation: [...] Wir müssen einfach die Schnittstelle um weitere Links ergänzen. Diese
Links können direkt aus dem zugrundeliegenden Datenmodell durch Algorithmen zur Identifikation von Ähnlichkeiten, berechnet werden. [...]
Related Patterns: „Opportunistic Link“ ist sehr ähnlich zu „Advising“. [...] Sie unterscheiden
sich jedoch in den dahinterliegenden Absichten. Während „Opportunistic Linking“ den Kunden
dazu motivieren möchte, sich länger im Geschäft aufzuhalten, hilft ihm „Advising“ bei der Auswahl des gewünschten Produktes.
Prozesse
Die Anwendung der Patterns beruht auf einem Abgleich der aktuellen Situation mit der im
Pattern beschriebenen Problemstellung und der anschliessenden Anwendung der zugehörigen Lösung. Die Patterns selbst sind Ergebnis von Analysen diverser Electronic CommerceApplikationen. Die Herleitung und Validierung der Patterns beruht somit auf einer empirischen Untersuchung von Best Practice Lösungen.
D 2.5.2 Usability Patterns for Applications on the World Wide Web
Die zweite hier vorgestellte Patternsammlung, die sich speziell mit den Anforderungen von
Web-Applikationen im Umfeld des Electronic Commerce beschäftigt, wurde von Kimberly
Perzel und David Kane entwickelt: die „Usability Patterns for Applications on the World
Wide Web“ (Perzel & Kane 1999). Die beiden Autoren gliedern sich mit ihrer Patternsammlung in das Gebiet der HCI Patternforschung ein. Gemäss der Kategorisierung von Casaday
(1997) (s. auch Abschnitt D 2.3) klassifizieren sie ihrer Patterns als „circumstantial patterns“,
da bestimmte externe Kräfte der Web-Umgebung beim Design mit berücksichtigt werden
müssen. Nach dem Klassifikationsschema von Mahemoff und Johnston (2001) (s. auch Abschnitt D 2.3) stellen ihre Patterns entweder Systempatterns oder Schnittstellenpatterns dar.
Die vorherige Feststellung der Benutzerprofile und der Aufgabe setzen sie dabei als gegeben
voraus.
Zielsetzung und Ausrichtung
Die Ausrichtung der Patterns, d.h. die QWAN, ist wie bei allen Patterns der HCI-Forschung
die Anwendbarkeit der Applikation und die Zufriedenheit des Anwenders. Die Autoren erheben dabei den Anspruch, das Design typischer EC-spezifischer Situationen zu betrachten.
Dies trifft jedoch lediglich auf die Systempatterns zu. Die Schnittstellenpatterns betrachten
164
Methodische Grundlagen
dagegen generelle Probleme des Designs web-basierter Applikationen und gliedern sich somit direkt in die HCI resp. die Hypermedia Patternforschung ein.
Bei der Zielsetzung der Patternsprache tritt neben der Unterstützung der Designer bei der effizienten Erstellung qualitativ hochwertiger Benutzerschnittstellen die Funktion der Sprache
als Lingua Franca in den Vordergrund. Hier spiegelt sich wiederum die Tradition der HCIForschung wider.
Struktur
Die Patternstruktur entspricht weitgehend derjenigen der Alexandrinischen Patterns. Neben
der Problembeschreibung, dem Kontext, den Kräften, der Lösung, dem resultierenden Kontext, den Beispielen und den verwandten Patterns ergänzen sie die Beschreibung um eine
Einordnung in das Klassifikationsschema von Mahemoff und Johnston sowie um eine ausführliche Begründung der Lösung.143 Die Beziehungen zwischen den Patterns erläutern
zwar, welche Patterns gemeinsam angewendet werden können, jedoch nur bedingt, wie sie
sich gezielt zur Lösung eines übergeordneten komplexeren Problems ergänzen. Der Patternkatalog umfasst insgesamt fünf ausgearbeitete Patterns; 13 weitere werden lediglich namentlich erwähnt und in bezug auf die zugrundeliegende Designproblematik kurz umrissen. Eine ausführliche Ausformulierung steht jedoch noch aus.
Im einzelnen handelt es sich bei den fünf beschriebenen Patterns um: „Carrot and a Stick“,
„Policy Statement“, „Required Field Markers“, „What They See is All They Get“ und „Plan
B“. “Carrot and a Stick“ zeigt auf, wie der Benutzer durch eine geeignete Gestaltung der
Abläufe dazu motiviert werden kann, Informationen zur Verfügung zu stellen. Dabei soll
dem Kunden vor der Aufforderung zur Eingabe persönlicher Informationen ein beschränkter Zugriff auf das ihn interessierende Angebot gewährt werden. Weiterhin ist ihm genau zu
erklären, wie und von wem die eingegebene Information genutzt wird. „Policy Statement“
löst das Problem, dass die Bereitwilligkeit des Benutzers zur Preisgabe sensitiver Informationen sehr stark von seinem Vertrauen gegenüber dem Anbieter abhängt. Hier schlagen die
Autoren die Online-Publikation eines Policy Statements vor. Während sich diese beiden
Patterns mehr mit der Gestaltung des Gesamtsystems beschäftigen, stehen Überlegungen
des Interface Designs im Zentrum der restlichen drei Patterns. „Required Field Markers“ sichert die Eingabe notwendiger Angaben durch den Anwender durch die Verwendung speziell markierter Eingabefelder. Das Problem, dass ein Anwender möglichst alle von ihm benötigten Informationen sehen sollte, wird durch das Pattern „What They See is All They Get“
gelöst. Es fordert, dass die wichtigste Information auf der Seite oben links präsentiert wird
und möglichst alle weiteren benötigten Informationen ohne Scrollen einzusehen sind. „Plan
B“ beschäftigt sich schliesslich mit dem Problem, dass sich Browser in ihren Darstellungsmöglichkeiten unterscheiden. Zur Lösung schlägt das Pattern vor, alternative Möglichkeiten
vorzusehen, so dass die Applikation unabhängig vom benutzten Endgerät ansprechend dargestellt werden kann.
143 Diese Begründungen sind jedoch nicht theoretisch fundiert.
Design Patterns für digitale Produkte
165
Zur Illustration wird im folgenden das Pattern „Carrot and a Stick“ in verkürzter Form beschrieben:
Carrot and a Stick144
Problem: Wie bringt man seinen Anwender dazu, Informationen zur Verfügung zu stellen, die er
nur widerwillig preisgibt?
Kontext: Sie sind Entwickler einer Web-Applikation, die Formulare zur Eingabe von Benutzerinformationen nutzt. Diese Formulare enthalten bestimmte Felder, deren Input für die sinnvolle
Anwendung der Applikation benötigt werden. Einige der Eingaben beziehen sich auf persönliche
Informationen.
Klassifikation: Systempattern
Kräfte:
•
Anwender nutzen eine bestimmte Site insbesondere dann, wenn sie ihnen wertvolle Inhalte, gute Empfehlungen von Peers oder den Medien liefert.
•
Das Web ist ein Ort, an dem Information kostenlos ist und Anwender nur sehr widerwillig bereit sind, für Inhalte zu bezahlen (d.h. etwas Wertvolles dagegen einzutauschen).
•
Anwender werden eher nach einer alternativen kostenlosen Quelle suchen.
•
Anwender haben Angst vor Überwachung und bevorzugen es, ihre Anonymität zu
bewahren.
•
Anwender des Internets geben persönliche Informationen nicht gerne preis, da es nicht
klar ist, wie diese genutzt werden.
•
Anwender können geforderte Eingaben mit falscher Information füllen.
•
Web Sites benötigen so viel Information wie möglich über ihre Anwender, um daraus
Anforderungen der Nutzer abzuleiten, Mailing-Listen aufzusetzen und Ausgaben für
Wartung und Weiterentwicklung zu rechtfertigen.
•
[...]
Lösung: Bestimmen Sie, was die Anwender als „wertvolle Karotte“ ansehen und stellen Sie den
Anwendern einen Teil dieser Karotte zur Verfügung, bevor Sie sie um die Angaben persönlicher
Informationen bitten. Halten Sie den Grossteil der Informationen so lange zurück, bis die Eingaben erfolgt sind. Erklären Sie den Anwendern genau, wie die Information genutzt wird. [...]
Begründung: [...] In vielen Web Sites besteht der Wert der Site aus der dort zur Verfügung gestellten Information. [...] es ist schwierig vor der Betrachtung der Informationen zu entscheiden,
ob sie den Austausch persönlicher Angaben wert ist. Daher ist es wichtig, zunächst etwas in den
Augen des Kunden Wertvolles kostenlos zur Verfügung zu stellen. [...]
Resultierender Kontext: Die Sammlung von Informationen ermöglicht es, die Site zu personalisieren sowie Mailing-Listen aufzusetzen. [...]
Beispiel: Die New York Times online gestattet es ihren Lesern, die erste Seite kostenlos zu lesen.
Um den ganzen Artikel zu lesen, muss sich der Anwender registrieren. Im Rahmen der Registrierung werden demographische Angaben erhoben. [...]
Verwandte Patterns: Wenn eine Seite sowohl „Carrot and a Stick“ als auch „Policy Statement“
nutzt, beschreibt das „Policy Statement“ in der Regel die Bedingungen der „Carrot and a Stick“.
144 Übersetzung der Autorin.
166
Methodische Grundlagen
Prozesse
Die Anwendung der Patterns beruht wiederum auf einem Abgleich der in den Patterns dargestellten Problemsituationen mit der aktuellen Situation und der anschliessenden Anwendung der Lösung des passenden Patterns. Die Patterns leiten sich aus einer Analyse erfolgreicher Web-Applikationen ab. Die Validierung basiert daher auch hier auf der Darstellung
dieser Best Practice Cases.
D 2.5.3 The Design of Sites
Als letzter Ansatz wird im folgenden die Arbeit von Douglas van Duyne, James Landay und
Jason Hong vorgestellt und diskutiert: „The Design of Sites“ (van Duyne et al. 2000), einer
Sammlung von Design Patterns für das zielgerichtete Design von Web Sites mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem Design web-basierter EC-Anwendungen. Bei diesen
Patterns werden die verschiedenen Ebenen der Schnittstellengestaltung, vom Design der
Prozesse bis zur Gestaltung der Schnittstellenelemente, betrachtet. Implementierungsaspekte
sind dagegen nur dann von Interesse, wenn sie sich auf das positive Erlebnis des Anwenders
mit der Software auswirken, da sie beispielsweise die Ladezeit der Web-Seiten beeinflussen.
Die Ausrichtung auf Electronic Commerce-Applikationen spiegelt sich in der Berücksichtigung des Kaufprozesses und der damit assoziierten Situationen wider. Weiterhin werden
von den hier entwickelten Patterns jedoch auch domänenunabhängige, d.h. allgemeine
Probleme des Schnittstellendesigns erfasst. Auch hier besteht daher eine deutliche Verbindung, sowohl zu den Hypermedia Patterns, als auch zu den HCI Patterns. Die Pattern-“Sprache“ selbst ist noch im Entwicklungsstadium. Von den angekündigten 101 Patterns findet
sich in elektronischen Veröffentlichungen lediglich die Beschreibung von acht Patterns.145
Zielsetzung und Ausrichtung
Wie beim HCI Design sind auch diese Patterns auf das positive Erlebnis des Kunden ausgerichtet. Die QWAN wird jedoch über die reine Anwendbarkeit hinaus um den Aspekt der
„Wertegenerierung“ für den Anwender, d.h. in der in dieser Arbeit verwendeten Terminologie, um den Kundenwert, ergänzt.
„The Design of Sites capitalizes on the same things that have traditionally made businesses great
in the offline world: attention to customer needs and desires and a strong focus on delivering
value.“ (van Duyne et al. 2000: 1/3)
Van Duyne et al. gehen dabei jedoch nicht genauer darauf ein, was sie unter dem Kundenwert verstehen möchten.
Wie Christopher Alexander gehen auch sie davon aus, dass das Verhalten der Anwender
durch bestimmte wiederkehrende Verhaltensmuster gekennzeichnet ist, die durch das Design der Umgebung unterstützt werden sollten. Van Duyne et al. sehen diese „Ereignispat-
145 Dabei handelt es sich um Auszüge eines gleichnamigen Buches „The Design of Sites“, dessen
Veröffentlichung für Anfang 2002 geplant ist (van Duyne et al. 2002).
Design Patterns für digitale Produkte
167
terns“ jedoch nicht als statisch und fest vorgegeben an. Diese Patterns entwickeln sich stattdessen in der Interaktion der Anwender mit der Software dynamisch weiter.
„By no means is this a static pattern language. The language will continue to evolve over time, as
new technologies evolve, and people design more and more powerful patterns.“
„Web design patterns emerge from how we interact with the world around us.“ (van Duyne et al.
2000: 2/2)
Hier besteht somit eine Wechselwirkung zwischen den Verhaltenspatterns der Benutzer und
deren Abbildung in der Software.146 Einerseits stellen die Verhaltenspatterns
Anforderungen an die Software und beeinflussen somit deren Gestaltung. Andererseits
wirkt das Design der Software umgekehrt auch auf das Verhalten der Anwender zurück.
Auf diese Art und Weise können sich Designlösungen etablieren, die aus einer eher
rationalen Betrachtung heraus keine optimalen Lösungen darstellen, jedoch im Laufe der
Zeit von den Benutzern adoptiert wurden.147 Das Ziel des Patternsystems ist es, diese
Regelmässigkeiten im Verhalten der Anwender und die entsprechenden etablierten
Designmuster zu identifizieren. Die Design Patterns erfassen dann nicht unbedingt die
besten, wohl aber die am breitesten etablierten Lösungen.
„At the heart of these patterns is not some abstract design theory or some intangibly detached
concepts – it’s all about people, the conventions they are used to, and designs that work. When
people go online, they do not start with a blank slate. All of their experiences, all of their knowhow, all of their understanding of how the world works are taken with them when they go online.“
(van Duyne et al. 2000: 2/9)
Van Duyne et al. argumentieren, dass die Ausbildung derartiger Standardlösungen insbesondere in offenen und integrierten Informations- und Wirtschaftsräumen wie dem Internet
entscheidend sei. Wie bei der Architektur darf sich dort der einzelne Site-Betreiber nicht unabhängig von den anderen Anbietern sehen, sondern muss sich als Teil eines umfassenden
Informationsraumes betrachten. Die Einhaltung bestimmter (de facto) Standards auch bzgl.
der Gestaltung der Schnittstellen und Interaktionsprozesse bildet dabei die Voraussetzung
für das gesamthafte Benutzererlebnis des Kunden. Sie erleichtert dem Kunden weiterhin
auch das Verständnis der Schnittstelle.
„Given that people learn behavior on the web as a whole, as opposed to any single site, it is in a
business’ best interest to follow de facto standards used by other websites.”.(van Duyne et al.
2000: 2/1)
“The benefit of using patterns is that they embody design experience that we as a community have
developed and learned.“ (van Duyne et al. 2000: 2/4)
Schliesslich unterstützen die Patterns auch direkt den eigentlichen Designprozess. Sie spiegeln Wissen über erfolgreiches und etabliertes Design wider und unterstützen somit das effiziente Design neuer Web Sites und deren konsistente Integration in einen globalen Erleb-
146 Diese Wechselwirkungen zwischen der Plattform und der auf ihr residierenden Community
wurde unter der Bezeichnung „Media Spiral“ in (Klose & Lechner 2000) ausführlich beschrieben und diskutiert.
147 Man bezeichnet dies in der Innovationsforschung auch als dominantes Design (Utterback 1994).
168
Methodische Grundlagen
nisraum für den Kunden. Dies ist insbesondere angesichts der zunehmenden Anzahl von
Web Sites entscheidend, die einer entsprechenden Zunahme des Design Know Hows vorauseilt.
Van Duyne et al. fassen diese verschiedenen Aspekte wie folgt zusammen:
„What makes patterns so compelling in the Internet age: (1) they make sites easier to use because
they often reflect the existing standards on the web, or an existing standard offline, (2) they speed
design time, and (3) hopefully, in the long run, once embraced by the design community, they
make the web much easier to use as a whole.” (van Duyne et al. 2000: 1/5)
Struktur
Die Struktur der Patterns lehnt sich nur sehr beschränkt an die etablierten Vorbilder aus den
Disziplinen der Architektur oder des Software Engineerings an. Die Beschreibung beginnt
mit einem Übersichtsteil. Er umfasst (1) eine kurze Zusammenfassung der Patterninhalte, (2)
die Kategorie, (3) die Phasen des Designprozesses, in denen das Pattern verwendet wird148,
(4) eine Menge von das Pattern beschreibenden Stichwörtern, (5) Werkzeuge, die bei der
Umsetzung benötigt werden, (6) eine Abschätzung des mit der Umsetzung verbundenen
Aufwandes, (7) Vor- und Nachteile des Patterns, (8) eine Zusammenstellung des Designteams (und somit die Zielgruppe des Patterns), (9) verwandte Patterns sowie (10) Hinweise
auf Literatur, die sich mit der Thematik des Patterns beschäftigt. Im Anschluss an diese
Übersicht wird die generelle Idee des Patterns anhand einer graphischen Darstellung illustriert. Sie umfasst die zugrundeliegenden Prinzipien, die Anwendungsprozesse oder die
entsprechende Software-Architektur. Eine einheitliche Darstellung ist hier jedoch nicht ersichtlich. Den zentralen Teil des Patterns bilden dann die Beschreibungen der Motivation
und der Vorteile des Patterns sowie Hinweise auf dessen erfolgreicher Anwendung.
Die Beziehungen zwischen den Patterns werden in der Beschreibung der Lösung sowie in
der Sektion „verwandte Patterns“ des Übersichtsteils erfasst. Sie spiegeln vor allem Verfeinerungsbeziehungen, oder aber eine gemeinsame Nutzung der Patterns, wider. Die Patterns
ergänzen sich auch hier jedoch nur bedingt zur Lösung komplexerer Probleme. Es handelt
sich somit beim „Design of Sites“ um eine Patternsammlung, und nicht um eine Patternsprache oder ein Patternsystem.
Wie aus der Patternbeschreibung ersichtlich wurde, werden die Patterns in verschiedene
Kategorien eingeteilt und dadurch nach ihrer thematischen Verwandtschaft gruppiert. Die
entsprechenden Themen sind in der folgenden Tabelle erfasst.
Pattern Name
Anzahl Patterns
Visual Navigation
9
Easy-to-Read Writing
5
Easy-to-Read Layouts
4
148 Diese Prozessphasen werden im weiteren Verlauf der Beschreibung dieser Patternsammlung noch
näher erläutert.
Design Patterns für digitale Produkte
169
Consistency in Navigation
13
Site Brand Builders
2
Mass Customization Sites
6
Creating a Powerful Home Page
4
Deceptively Simple Sites Search
4
Browsing for Content
2
Content Design
3
Self Service on Sites
3
Encouraging E-Commerce
18
E-Merchandising Methods
8
Fast Sites
8
Providing Abundant Help
2
Trustworthy Privacy Policies
2
Improving Location on Portals
4
Improving Browser Compatibility
4
Tabelle D 2-5: Thematische Kategorisierung der Patterns der Patternsammlung „Design of Sites“
Es ist dabei nicht offensichtlich, in welcher Beziehung diese Themencluster zueinander stehen. Sie unterscheiden sich insbesondere in ihrer kontextuellen Spezifität sowie ihrem Abstraktionsgrad.
Die grundsätzliche Problematik dieses Ansatzes besteht genau in der Unterschiedlichkeit der
Patterns und der verwirrenden Strukturierung der Patterns sowie der Beziehungen zwischen
den Patterns. Insbesondere die Darstellung der Lösungen unterscheidet sich von Pattern zu
Pattern.
Die Patterns liefern darüberhinaus oftmals auch keine konkreten Lösungen. Stattdessen
stellen sie lediglich Anforderungen an das Design und beschreiben die Prozesse zur Erreichung dieser Anforderungen. Diese beruhen zumeist auf einer Befragung der potentiellen
Anwender.
Von den angekündigten 101 Patterns, finden sich in den bis dato erschienenen Veröffentlichungen lediglich die Ausführungen von acht Patterns. Diese werden im folgenden kurz beschrieben: „Inverse Pyramid Writing Style“ gliedert sich in die Kategorie „Easy-to-readwriting“ ein, deren Patterns sich mit dem für die HCI-Forschung typischen Problem der Lesbarkeit von Informationsseiten beschäftigen. Das „Inverse Pyramid Writing Style“ Pattern
begegnet konkret dem Problem, dass sich Online-Leser in der Regel wenig Zeit zum Lesen
von Informationsseiten nehmen. Es fordert daher die Darstellung der Information in Form
einer umgekehrten Pyramide, wobei die wichtigsten Informationen in prägnanter Form am
Anfang der Web-Seite positioniert werden.
Die Patterns „Home Page Design Rules“, „Personalize Your Home Page“, „Home Page
Branding“ und „Home Page Value Proposition“ unterstützen die erfolgreiche Gestaltung
von Homepages. Sie sind der Kategorie „Creating A Powerful Home Page“ zuzuordnen.
170
Methodische Grundlagen
Auffallend ist hierbei die völlig unterschiedliche Ausrichtung der Patterns. „Home Page
Design Rules“ beschreibt generelle Richtlinien, die bei der Gestaltung erfolgreicher Home
Pages in ihrer Funktion als Einstiegsseiten erfüllt werden müssen. „Personalize Your Home
Page“ stellt verschiedene Möglichkeiten zur Personalisierung der Page vor. „Home Page
Branding“ diskutiert die Wichtigkeit des Brandings einer Home Page; konkrete Hinweise
zur Etablierung einer Brand fehlen jedoch. „Home Page Value Proposition“ erklärt, wie die
Value Proposition einer Site entwickelt und bedingt auch wie, diese auf der Homepage
kommuniziert werden kann. Ingesamt betrachtet, dient das erste Pattern, „Home Page
Design Rules“, somit gewissermassen als Rahmenkonzept, das durch die anderen Patterns
konkretisiert wird. Vor allem die beiden letzten Patterns bleiben bei ihren dargestellten Lösungen auf einer sehr abstrakten und kaum direkt anwendbaren Ebene.
Zwei weitere Patterns, „Shopping Cart“ und „Checkout“, beschäftigen sich mit sehr EC-spezifischen Problemen. Sie werden in die Kategorie „Encouraging E-Commerce“ eingeordnet.
„Shopping Cart“ stellt bestimmte Designanforderungen an die Gestaltung des Einkaufsprozesses mit Hilfe des Shopping Carts. Das „Checkout“-Pattern beschreibt den Kaufprozess
von der Produktauswahl bis zur Bestätigung des Kaufs. Die Lösungen definieren vor allem
Anforderungen an den Ablauf der zugrundeliegenden Prozesse.
Das letzte Pattern, „Recommendation Communities“, gliedert sich in die Kategorie der „EMerchandising Methods“ ein. Das Pattern beschreibt dabei eine Vielzahl verschiedener Aspekte, die bei der Gestaltung von Online Communities beachtet werden müssen. Allerdings
steht auch hier weniger die Lösung als der Prozess der Lösungsfindung im Vordergrund.
Um die Unterschiedlichkeit der Patterns zu unterstreichen, werden im folgenden zwei Beispiele in verkürzter Form dargestellt. Dabei wird jeweils auf die graphische Illustration verzichtet.
Inverse Pyramid Writing Style149
________________________________________________________________________
Das Web erfordert eine besondere Art der Darstellung von Information, die einfach zu verstehen
ist und die Dinge schnell auf den Punkt bringt. Dieses Pattern beschreibt den Inverse Pyramid
Writing Style, einen prägnanten Schreibstil, der es dem Besucher erleichtert, die Web Site zu
überfliegen, zu verstehen, darin zu browsen und nach ihr zu suchen.
Patterntyp:
Easy-to Read Writing
Designphase:
Produktion, Implementation, Wartung und Evaluation
Schlüsselworte:
Text, Überfliegen, Titel, Suche
Werkzeuge:
Webseiten-Editor
Aufwand:
Anzuwenden bei der Erstellung jeder neuen Inhaltsseite der WebSite
149 Übersetzung der Autorin.
Design Patterns für digitale Produkte
Vorteile:
Nachteile:
171
•
Erleichtert das Überfliegen des Textes
•
Erleichtert das Verständnis des Textes
•
Erleichtert das Auffinden der Seite in Suchresultaten
•
Höherer Zeitaufwand bei der Erstellung
•
Benötigt Übung zum erfolgreichen Einsatz
Zielgruppe unter den Anwendern, Informationsarchitekt, Marke-
Team:
ting Manager, Editor der Inhalte, technischer Schreiber
Verwandte
Patterns:
Descriptive, Longer Link Name, Writing Style of Embedded Links,
Familiar Language, Initial Branding, Search Results
Siehe auch:
[fehlt]
________________________________________________________________________
Lösungsdiagram: hier ausgespart
Menschen sind ungeduldig. Als Websurfer suchen sie nach sofortiger Entlohnung. [ ...] Was bedeutet dies also für das Web-Design? Wie können wir angesichts dieser Aufmerksamkeitsdefizite
Inhalte transportieren? Glücklicherweise gibt es eine verbreitete, aus dem Journalismus entlehnte
Technik, dies zu tun. Sie wird als Inverse Pyramid Writing Style bezeichnet und ist darauf ausgerichtet, den Lesern das Browsen eines Textes zu erleichtern. Im folgenden beschreiben wir, wie Inhalte in diesem Stil gestaltet werden können.
1.
Beginnen Sie mit einem guten, prägnanten Titel: [...]
2.
Führen Sie dann die wichtigsten Punkte auf: [ ...]
3.
Verwenden Sie wenig Text: [ ...]
4.
Schreiben Sie in einem einfachen Stil: [ ...]
5.
Verwenden Sie Aufzählungen und Listen: [ ...]
6.
Ziehen Sie die Verwendung von „Embedded Links“ in Erwägung, um es dem Leser
zu ermöglichen, weitere Informationen über das Thema zu finden: [ ...]
7.
Experimentieren Sie mit verschiedenen Schreibstilen, je nach Zielsetzung der Web
Site: [ ...]
Checkout
________________________________________________________________________
Sie benötigen einen einfachen und zuverlässigen Weg, ihren Kunden den Abschluss einer Transaktion zu ermöglichen. Das Checkout Pattern definiert einen fünf-stufigen Prozess, der Probleme
minimiert und den Weg zu einem erfolgreichen Einkauf ebnet.
Überblick: ausgespart; erwähnt seien lediglich die verwandten Patterns: “Internationalization”,
“Shopping Cart”, “Sign-In / New Account”,” Billing / Shipping Address Selection”, “Credit
Card Entry”, “Order Confirmation”, “Thank you for shopping”, “Order Tracking”, “Storing
Shipping Addresses”, “Storing Credit Cards”, “Storing Personal Preferences”.
________________________________________________________________________
Lösungsdiagram: hier ausgespart
Der Checkoutprozess ist das Kernstück jeder EC Web Site. Ohne einen einfachen und klaren
Checkoutprozess riskieren Web Sites, ihre Kunden genau dann zu verlieren, wenn sie gerade dabei
sind, einen Kauf zu tätigen.
Der Prozess besteht aus den folgenden fünf Schritten:: (1) Shopping Cart: [...], (2) Registrierung:
[...], (3) Versand [...], (4) Bezahlung: [...], (5) Bestätigung: [...].
172
Methodische Grundlagen
Allerdings ist beim Checkoutprozess noch mehr zu beachten. Es folgen einige Tipps, wie sie Ihren
Kunden beim Kaufprozess unterstützen können:
1.
Erleichtern Sie es Ihrem Kunden zu jedem Zeitpunkt vor dem letzten Schritt des
Prozesses, den Auftrag abzubrechen oder zu ändern: [ ...]
2.
Vermeiden Sie es, Ihre Kunden Angaben wiederholt eingeben zu lassen: [ ...]
3.
Verkürzen Sie den Prozess für wiederkehrende Kunden: [ ...]
4.
Lenken Sie Ihren Kunden nicht durch irrelevante Links ab: [ ...]
5.
Seien sie sich der Folgen einer Internationalisierung bewusst: [ ...]
6.
Stellen Sie eine FAQ Liste über den Kaufprozess zur Verfügung: [ ...]
7.
Es ist nicht vorbei, bevor Ihr Kunde zufrieden ist: [ ...] (Order tracking, ...)
Prozesse
Die Anwendung der Patterns beruht auch hier vornehmlich auf dem Abgleich der Problemstellung des Patterns mit der aktuellen Problemsituation und der anschliessenden Anwendung der entsprechenden Lösung.
Weiterhin betten die Autoren den Einsatz der Patterns, ähnlich wie Borchers (s. Abschnitt
D 2.3.2), in einen iterativen benutzerzentrierten Designprozess ein. Dieser Prozess ist das Ergebnis eigener Erfahrungen, intensiver Befragung von Praktikern sowie einem ausführlichen
Literaturstudium (s. auch (Newman & Landay 2000)). Der Prozess gliedert sich in sechs Phasen: (1) die Entdeckung, (2) die Exploration, (3) die Verfeinerung, (4) die Produktion, (5) die
Implementation und (6) die Wartung und Evaluation. Die Entdeckung umfasst die Analyse
der Anforderungen. Im Zuge der Exploration werden verschiedene grob skizzierte Web Site
Designs erstellt. Diese werden während der Verfeinerungsphase ausgearbeitet. Die Designaktivitäten selbst gliedern sich dabei in das Design der Informationsarchitektur und das graphische Design.150 In der Produktionsphase wird dann ein erster interaktiver Prototyp
entwickelt, der in der Implementationsphase in ein vollständiges System umgesetzt wird. Im
Zuge der Wartung und der Evaluation wird der Erfolg des Systems gemessen und gegebenenfalls Änderungen am System vorgenommen.
Die Patterns sind das Ergebnis langjähriger Forschungsarbeiten. Sie beruhen auf umfangreichen Analysen erfolgreicher Web Sites, eigenen Erfahrungen in Designprojekten sowie den
Praxiserfahrungen anderer Designspezialisten.
150 Die Gestaltung der Informationsarchitektur subsumiert das Informationsdesign, d.h. die
Strukturierung der präsentierten Information sowie das Navigationsdesign, d.h. die Gestaltung
der Abläufe. Das graphische Design umfasst die Gestaltung der Benutzerschnittstelle. Zur Beschreibung der verschiedenen Ebenen werden Sitemaps, Storyboards und Schematics genutzt
(s. auch (Newman & Landay 2000)). Sitemaps illustrieren die generelle Struktur der Web Site
und definieren dabei die Informationsarchitektur und das Informationsdesign. Storyboards beschreiben die Folge von Webseiten, die ein Anwender durchlaufen muss, um einen Aufgabe zu
lösen. Schemata beschreiben die Gestaltung der einzelnen Webseiten auf einer abstrakten
Ebene. Diese Beschreibungen werden im Zuge des Designs schrittweise und in Absprache mit
dem Anwender konkretisiert.
Design Patterns für digitale Produkte
173
D 2.5.4 Bewertung
Die drei Patternansätze zum Design von EC-Anwendung kommen den Anforderungen der
hier zu entwickelnden Patternsprache für digitale Produkte inhaltlich am nächsten. Perzel
und Kane 1999 (1999) betrachten dabei noch relativ EC-unspezifische Probleme, wie die, den
Nutzer zur Eingabe persönlicher Informationen zu motivieren. Ihre Patternsammlung umfasst daneben Patterns, die sich mit allgemeinen Problemen der konkreten Schnittstellengestaltung beschäftigen. Ihre Arbeit ordnet sich daher noch sehr stark in den Bereich der
HCI-Forschung ein. Rossi et al. (2000) betrachten ganz speziell die Anforderungen von ECApplikationen an Navigationsstrukturen. Dieser Ansatz umfasst allerdings nur sechs
Patterns und deckt somit bei weitem nicht alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion ab.
Van Duyne et al. (2002) liefern das umfassendste Patternsystem. Dabei befindet sich jedoch
ein Grossteil der angekündigten Patterns noch im Entwicklungsstadium. Die Autoren bemühen sich, sowohl die verschiedenen Designebenen, als auch die verschiedenen Anwendungssituationen abzudecken. Die fehlende Strukturierung der Patterns sowie des ganzen
Patternsystems verhindert jedoch eine gezielte Anwendung der Patterns.
Alle drei Systeme decken weiterhin nur einen Teil der Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion ab. Sie fokussieren dabei auf den eigentlichen Erwerbsprozess im engeren Sinne. Die
vorgelagerten Phasen der Schaffung einer Awareness, einer Überzeugung und einer Absicht
sowie die nachgelagerten Phasen der Abwicklung und der Kundenbetreuung werden dagegen ausgespart. Die Patterns der verschiedenen Ansätze stellen lediglich z.T. kategorisierte
Patternkataloge dar. Beziehungen zwischen den Patterns, insbesondere die zentralen zeitlichen und inhaltlichen Abhängigkeiten, werden auch hier weitestgehend vernachlässigt.
Die Patternstruktur lehnt sich bei den ersten beiden Ansätzen an den Vorbildern aus der Architektur und dem Software Engineering an. (Perzel & Kane 1999) ergänzen die Darstellung
der Problemlösung um eine Begründung deren Funktionsweise. Diese basiert jedoch nicht,
wie es in dieser Arbeit angestrebt wird, auf fundierten theoretischen Erkenntnissen. Die
Struktur der Patterns von van Duyne et al. ist dagegen sehr unübersichtlich. Insbesondere
die Darstellung der Lösungen unterscheidet sich von Pattern zu Pattern. An Stelle von konkreten Gestaltungsempfehlungen werden dabei häufig lediglich Lösungswege aufgezeigt,
was der ursprünglichen Idee von Patterns widerspricht.
In ihrer Ausrichtung und Zielsetzung kommen die drei Ansätze jedoch der hier zu entwickelnden Patternsprache sehr nahe. Die QWAN orientiert sich generell an der QWAN der
HCI Patterns und umfasst somit die Anwendbarkeit sowie das positive Erlebnis des Anwenders. Sie wird insbesondere von van Duyne et al. um den Kundenwert ergänzt. Alle drei
Systeme sehen das Ziel der Patterns vorrangig in der Unterstützung der verschiedenen am
Design beteiligten Spezialisten. Van Duyne et al. betonen weiterhin die Bedeutung der Sprache als Lingua Franca und somit für die Unterstützung eines partizipativen Designprozesses.
Ingesamt liefern die drei Patternansätze wertvolle Hinweise für die Gestaltung der Patternsprache für digitale Produkte. Die Patterns von Rossi et al. und die anwendungsspezifischen
Patterns von Kane und Perzel können bei einer entsprechenden Erweiterung als (Teile der)
Patterns in die Sprache integriert werden. Bei den Patterns von van Duyne et al. ist dies auf-
174
Methodische Grundlagen
grund der mangelnden internen Strukturierung nicht direkt möglich. Aber auch sie liefern
wertvolle Hinweise für die zu beachtenden Aspekte und die zu erfassenden Inhalte.
D 2.5.5 Zusammenfassung
Die folgende Tabelle fasst die soeben beschriebenen wesentlichen Charakteristika der
Patternsysteme für das Design von webbasierten EC-Applikationen noch einmal zusammen.
Disziplin
EC-Applikationen
Zielsetzung
•
Unterstützung des benutzerzentrierten Designprozesses
(Effizienz- und Qualitätssteigerung)
•
Wissensbasis
•
Etablierung von Designstandards (van Duyne et al.)
•
(Lingua Franca)
•
Spezialisten
(Software-Ingenieure, Hypermedia Designer, Interface Designer)
•
Bedingt auch Kunden
•
Positives Benutzererlebnis
•
Anwendbarkeit (Kane und Pezel)
•
Ziele des Providers (Rossi)
•
Wertgenerierung für den Kunden, Kundenwert (van Duyne et al.)
•
Rossi et al.: 5
•
Perzel: 5 (+13)
•
van Duyne et al.: 8 (101)
•
Rossi und Perzel: Katalog mit Ähnlichkeits- und
Komplementaritätsrelationen zwischen den Patterns
•
Perzel und Kane: Katalog mit Ähnlichkeits- und
Zielgruppe
Optimierungskriterium
/ QWAN
Umfang
Typus und Struktur
Komplementaristätsrelationen, bedingt Verfeinerungsrelation zwischen
Systempatterns und Schnittstellenpatterns
•
Van Duyne et al.: Kataloge mit Ähnlichkeits-, Komplementaritäts- und
bedingt Verfeinerungsrelationen zwischen den Patterns
Weitere Strukturierungsprinzipien
•
Rossi: Einordnung in eigenes Kategorisierungsschema für Hypermedia
Patterns als Navigationspatterns
Dimensionen
•
Perzel: Einordnung als System- und Schnittstellenpatterns in
Klassifikationsschema von Mahemoff und Johnston
•
Van Duyne et al.: Klassifikation nach „Thema“, nach Phase im
Designprozess, nach Schlüsselworten
•
Räumliche Anordnung der Schnittstellenobjekte, zeitliche Darstellung
der Abläufe, jedoch nur innerhalb eines Patterns und nicht zwischen
den Patterns
Anwendung
•
„Pattern Matching“: Vergleich der aktuellen Situation mit der
Problembeschreibung der Patterns
Patternstruktur
•
Rossi; Perzel: Kombination aus Struktur von Alexander und Struktur
der GoF
•
van Duyne et al.: eigenes Format
Entdeckung der Patterns •
Erfahrungen aus langjährigen Arbeiten
Design Patterns für digitale Produkte
•
Analyse der Best Practice Cases und Methoden
•
Analyse der Common Practice (bei van Duyne et al.)
Validierung
•
Beispiele
Kritik - positiv
•
Ausrichtung auf das positive Erlebnis
175
Rossi: Erweiterung um Interesse des Provider
van Duyne et al.: Erweiterung um Wertgenerierung für den Kunden
•
Erweiterung um spezifische Probleme des EC: Freiwilligkeit der
Anwendung, Vertrauensproblematik, transaktionsspezifische Situationen
Kritik - negativ
•
Keine Abdeckung der gesamten Kunde-Produkt-Interaktion
•
Weitgehend Vernachlässigung der zeitlichen und inhaltlichen Dimension vor allem bei den Beziehungen zwischen den Patterns
•
Mangelnde Strukturierung erschwert die direkte Anwendung der
Patterns
•
Z. T fehlender Bezug zur Anwendungsdomäne
Tabelle D 2-6: Übersicht über Patterns zur Gestaltung von EC-Applikationen
D 2.6 Fazit: Anforderung an Patternsprache für digitale Produkte
Das Ziel dieses Kapitels bestand darin, eine Übersicht über die zentralen Arbeiten im Bereich
der Patternforschung zu vermitteln. In diesem abschliessenden Abschnitt sollen die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst und dabei insbesondere die Bedeutung der vorgestellten Ansätze für die im folgenden zu entwickelnde Patternsprache für digitale Produkte
herausgestellt werden.
Obwohl die Patternforschung der Architektur keinerlei inhaltliche Relevanz für die hier zu
entwickelnden Patterns hat, dient sie dennoch in ihrer Funktion als „Mutter“ der Patternforschung als Vorbild bezüglich der Strukturierung der Patterns und der Patternsprache, deren
Ausrichtung und Zielsetzung sowie der konstituierenden Prozesse. Die Struktur der von
Christopher Alexander entwickelten Patterns ist universell und kann weitestgehend auf alle
anderen Designdisziplinen übertragen werden. Für das Design digitaler Produkte im Kontext des Electronic Commerce müssen jedoch statt den hier ausschliesslich berücksichtigten
Verfeinerungsbeziehungen vorrangig zeitliche und inhaltliche Relationen zwischen den
Patterns erfasst werden. Die Ausrichtung des Designs auf das positive Erlebnis des Anwenders in den gestalteten Räumen kann übernommen werden, muss jedoch um weitere kontextspezifische Aspekte erweitert werden. Auch die Ziele der Patterns, die Schaffung einer
Wissensbasis zur Unterstützung des Designs sowie einer Lingua Franca zur Kommunikation
mit dem Anwender gelten ebenso für die vorliegende Arbeit. Die Herleitung und Validierung der Patterns durch die Beobachtung und Systematisierung von Best Practice Beispielen
muss jedoch in dieser Arbeit um eine theoretische Basis erweitert werden (s. Abschnitt E 1.3).
Die Patterns des Software Engineerings sind zu dem hier betrachteten Patternsystem eher als
komplementär zu betrachten. Sie unterstützen das Design digitaler Produkte aus Sicht der
Implementation I. Auch die Ausrichtung der Patterns auf die Flexibilität und Adaptivität der
resultierenden Software steht beim Design des digitalen Produktes II weniger im Vorder-
176
Methodische Grundlagen
grund.151 Äusserst relevant für diese Arbeit ist jedoch die Ergänzung der Patternbeschreibung um eine Begründung der Funktionsweise des jeweiligen Patterns. Diese basiert jedoch
bei den Software Design Patterns zumeist nicht auf einem theoretischen Fundament, wie
dies in dieser Arbeit angestrebt wird.
Inhaltlich und von der Ausrichtung und Zielsetzung verwandter sind die Patterns der HCIForschung. Sie beschäftigen sich mit der Gestaltung der Interaktionsbeziehungen zwischen
Anwender und System. Die Güte der Lösungen wird wie in der Architektur am positiven
Erlebnis der Anwender gemessen. Dabei konzentriert sich die HCI-Forschung sehr stark auf
den Aspekt der Anwendbarkeit und Lesbarkeit der Schnittstelle. Die besonderen auch inhaltlichen Anforderungen, die sich durch die Eingliederung eines Software-Artefakts in den
Anwendungskontext, hier die Kunde-Produkt-Interaktion, ergeben, werden dagegen nicht
betrachtet. Daher erfassen diese Patternsysteme auch keine zeitlichen und inhaltlichen Relationen zwischen den Patterns, die sich durch eine solchen Domänenbezug ergeben würden.
Weiterhin ist das Abstraktionsniveau der HCI Patterns für unsere Zwecke zu niedrig. Sie
können jedoch zur Verfeinerung der Patterns für digitale Produkte II eingesetzt werden.
Die Forschung im Bereich Hypermedia Patterns verbindet die Arbeiten des Software Engineerings mit denen der HCI-Forschung. Sie untersucht, wie die Entwicklung gesamter Hypermedia-Applikationen mittels geeigneter Patterns unterstützt werden kann. Dabei werden die
verschiedenen Designaspekte der Schnittstellengestaltung, der Gestaltung der Navigationsstruktur und der Anbindung an die interne Programmlogik jedoch, wenn überhaupt, in verschiedenen und nicht integrierten Sprachen erfasst. Auch diese Ansätze genügen daher nicht
den Anforderungen an eine interdisziplinäre Patternsprache.152 Weiterhin findet auch hier
keine Einordnung in den Anwendungskontext statt. Die Patterns sind sehr generisch und
auf das Design „anwendbarer“ Lösungen ausgerichtet. Die Anforderungen, die sich durch
die Einordnung in einen digitalen Wirtschaftsraum für das ganzheitliche Design digitaler
Produkte ergeben, werden nicht betrachtet. Abgesehen von der unterschiedlichen Ausrichtung ist auch, wie bei den HCI Patterns, das Abstraktionsniveau der Hypermedia Patterns
zumeist zu gering für eine direkte Eingliederung in die Design Patterns für digitale Produkte. Gegenüber den HCI Patterns haben Hypermedia Patterns jedoch den Vorteil, dass sie
bereits auf die gestalterischen Möglichkeiten von Web-Applikationen ausgerichtet sind. Im
Umfang sind die Hypermedia Patternsammlungen jedoch den schon sehr umfassenden HCI
Patternsprachen bei weitem unterlegen.
Bezogen auf die Inhalte, die Ausrichtung und den Abstraktionsgrad kommen die Patternsysteme, die sich mit der Gestaltung von webbasierten EC-Systemen beschäftigen, der Patternsprache für digitale Produkte am nächsten. Sie berücksichtigen die Anforderungen, die sich
151 Domänenspezifische Probleme werden in den Analysepatterns beschrieben. Auch sie beschäftigen
sich jedoch kaum mit den Interaktionsbeziehungen zwischen dem Anwender des Systems und
dem System selbst.
152 Zumeist ergänzen sich die entwickelten Patterns auch gar nicht zu einer Patternsprache.
Design Patterns für digitale Produkte
177
durch den speziellen Anwendungskontext für das Design der Interaktionsbeziehungen zwischen Anwender und System ergeben. Die Güte der Lösung hängt hier nicht nur von der
Lesbarkeit und vom positiven Erlebnis des Anwenders ab, sondern ebenfalls vom dadurch
generierten Kundenwert. Die Patterns erfassen dabei das Design spezifischer Situationen innerhalb der Kunde-Produkt-Interaktion, wie der Produktauswahl oder dem Checkoutprozess. Dabei liegt jedoch ein klarer Fokus auf dem eigentlichen Erwerbsprozess.
Ein entscheidendes Defizit dieser Ansätze liegt in der mangelnden Abdeckung aller Szenen
der Kunde-Produkt-Interaktion. Weiterhin werden die zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhänge zwischen den Patterns nicht erfasst. Die Patterns ergänzen sich somit nicht zu einer Sprache, die das vollständige Design digitaler Produkte unterstützt. Den Forderungen an
eine interdisziplinäre Patternsprache, die sowohl organisatorische, logische als auch implementationsspezifische Aspekte in einem Pattern erfasst, werden die Patterns nur bedingt
gerecht. Ihnen fehlt eine dementsprechend klare Strukturierung der Lösungskomponente.
Die Patterns können teilweise nach entsprechender Umstrukturierung und Erweiterung direkt in das hier erstellte Patternsystem für digitale Produkte eingeordnet werden, teilweise
können jedoch auch lediglich die Inhalte der Patterns Anregungen für die hier entwickelten
Patterns liefern.
Zur Bildung einer Patternsprache für digitale Produkte fehlt den hier betrachteten Ansätzen:
1.
Ein Rahmenkonstrukt im Sinne einer Metasprache, welche die Struktur der Patterns
und dabei insbesondere die Relationen zwischen den Patterns definiert, durch die
sich die Patterninstanzen zu einer Patternsprache für digitale Produkte ergänzen:
• Die Relationen zwischen den Patterns müssen insbesondere die zeitlichen und
inhaltlichen Abhängigkeiten zwischen den Patterns zu erfassen gestatten, durch
die sich diese zum Design des Gesamttheaterstückes der Kunde-Produkt-Interaktion ergänzen.
• Die Struktur der Patterns muss den Anforderungen nach einer interdisziplinären Patternsprache gerecht werden. Die Lösungskomponente muss daher sowohl die organisatorischen, als auch die logischen und besonders die
technischen Aspekte der Umsetzung erfassen.
2.
Die Abdeckung des Gesamttheaterstückes, also aller Szenen der Produkt-KundeInteraktion durch die Patternsprache.
3.
Die Ausrichtung der Gestaltung der Szenen auf die Optimierung des Kundenwertes
und somit insbesondere die Erreichung der jeweiligen Ziele.
4.
Die explizite Berücksichtigung der Erkenntnisse über das Konsumentenverhalten
und die Potentiale digitaler Produkte bei der Ausgestaltung der Lösungen.
Die Patternansätze der anderen Disziplinen lassen sich in die Patternsprache für digitale
Produkte dann folgendermassen eingliedern:
• Die Patternsprache für digitale Produkte bildet einen Strukturierungsrahmen, in den
sich die bestehenden EC-Patterns, nach einer Umstrukturierung und Ergänzung um
fehlende Aspekte, direkt oder auch nur inhaltlich eingliedern lassen.
178
Methodische Grundlagen
• Die Patternsprache kann bezüglich der Gestaltung der Schnittstelle durch die Arbeiten
der HCI-Forschung und der Hypermedia-Forschung verfeinert werden. Sie schliessen
die Lücke zur konkreten Umsetzung der Patterns in Software.
• Die Patternsprache ist weitgehend komplementär zu den Arbeiten des Software
Engineerings. Beim Design sollten jedoch idealerweise auch bereits Anforderungen der
Implementation I berücksichtigt werden.
Im folgenden zentralen Kapitel wird eine Patternsprache für digitale Produkte entwickelt,
die den obigen Anforderungen genügt.
D 3 Modelle von Medien zur Beschreibung digitaler
Interaktionsräume
Die Beschreibung digitaler Informations- und Interaktionsräume basiert auf den von Prof.
Schmid entwickelten Modellen für digitale Medien, dem Medienmodell und dem Medienreferenzmodell (Schmid 1997c; Schmid 1999a). Die Modelle zeichnen sich dadurch aus, dass sie
sowohl die organisatorischen und im Anwendungsfall betriebswirtschaftlichen Aspekte als
auch die Aspekte der – informations – technischen Umsetzung betrachten. Sie dienen der
ganzheitlichen Modellierung sozio-technischer Systeme und werden damit den besonderen
Anforderungen eines in zunehmendem Masse digitalisierten Wirtschaftssystems gerecht.
Das Medienmodell beschreibt die wesentlichen konstituierenden Elemente eines – digitalen
– Interaktionsraumes. Das Medienreferenzmodell ordnet das Medienmodell in den Anwendungskontext ein. Während das Medienmodell definiert, mit welchen Komponenten Interaktionsräume modelliert werden sollen, beschreibt das Medienreferenzmodell, woraus ein Interaktionsraum besteht. Dabei werden die Komponenten des Medienmodells verfeinert und
Relationen zwischen den verschiedenen Elementen aufgezeigt. Weiterhin werden beim Medienmodell die typischen Interaktionsbeziehungen zwischen den „Bewohnern“ der Interaktionsräume unterschieden. Medienmodell und Medienreferenzmodell sind statische Strukturmodelle. Zur Operationalisierung schlagen Schmid und Schmid-Isler die Verwendung
der Theatermetapher vor (Schmid-Isler 2001a; Schmid-Isler 2001b; Schmid 2001b). Sie beruht
auf den Analogien, die zwischen dem Design eines digitalen Interaktionsraumes und dem
Design eines Theaterstückes gezogen werden können. Die drei Modelle werden in den folgenden drei Abschnitten eingeführt.
D 3.1 Medienmodell
Nach dem hier zu Grunde gelegten Schmid’schen Verständnis bezeichnen Medien Sphären
oder Informationsräume für Gemeinschaften (Communities) aus verteilten und autonomen
Agenten, in denen diese Agenten miteinander kommunizieren, interagieren oder allgemein
Informationen und Güter austauschen können (Lechner & Schmid 1999; Lechner & Schmid
2000; Schmid 1997b; Schmid 1997c) (s. auch Abbildung D 3-1) Agenten umfassen dabei
Einzelpersonen und Unternehmen, aber auch künstliche Agenten oder hybride Systeme.
Design Patterns für digitale Produkte
179
Medium
Medium
Agents
Communication
Object
Abbildung D 3-1: Medienmodell153
Eine Gemeinschaft zeichnet sich durch übergeordnete gemeinsame oder komplementäre
Ziele aus, die durch die Interaktionen zwischen den Agenten erreicht werden sollen (Klose &
Lechner 1999b; Lechner et al. 1999b). Ein Medium stellt die Möglichkeiten für diesen zielgerichteten Austausch zwischen den Agenten zur Verfügung und konstituiert damit die Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft kann daher auch definiert werden als Menge von Agenten
plus Medium (Lechner & Schmid 2000):
Gemeinschaft = Medium + Agenten
Das Medium selbst besteht aus den drei Komponenten Kanalsystem, Organisation und logischer Raum (Schmid 1997c; Schmid 1999a):
1.
Kanalsystem: Agenten benötigen Verbindungswege, die den Austausch und den
Transport von Informationen über Raum und Zeit gestatten. Kanäle entsprechen
somit der traditionellen Bedeutung eines Trägermediums. Der Begriff selbst entstammt der Nachrichtentechnik. Beispiele solcher Trägermedien sind Telekommunikationsnetzwerke, wie z.B. das Internet, für den Transport von Informationen
über den Ort oder Datenbanken für den Transport von Informationen über die Zeit.
2.
Organisation: Die erfolgreiche Interaktion innerhalb einer Community bedarf der
organisatorischen Regelung dieser Interaktionsbeziehungen. Agenten übernehmen
dabei in Abhängigkeit von ihren Fähigkeiten, Interessen und Zielen bestimmte Rollen innerhalb der Gemeinschaft. Rollen beschreiben mit Hilfe von Rechten und
Pflichten das von den jeweiligen Rollenträgern erwartete Verhalten. Typische Rollen
im kommerziellen Umfeld sind neben den Anbietern und Nachfragern einer Leistung auch Intermediäre, Vertrauensdienste, Behörden, etc. (Schubert 1999). Die
Interaktionen zwischen den Agenten werden durch Protokolle und Prozesse geregelt und auf die Erreichung der Ziele der Gemeinschaft und der einzelnen Agenten
ausgerichtet. Protokolle beschreiben dabei allgemeine Regelungen; sie sind quasi
die „Verkehrsregeln“ des Mediums. Prozesse stellen konkrete Handlungssequenzen
dar, die den allgemeinen Regelungen gehorchen müssen. Das System von Rollen
153 In (Schmid 1999a).
180
Methodische Grundlagen
bestimmt somit die Aufbauorganisation, die Protokolle und die darauf abgestimmten Prozesse die Ablauforganisation des Mediums.
3.
Logischer Raum: Voraussetzung für die erfolgreiche Kommunikation innerhalb einer
Gemeinschaft ist eine gemeinsame Sprache, d.h. eine von den Agenten allgemein
bekannte und akzeptierte Syntax und Semantik der ausgetauschten Information.
Die Syntax legt die Strukturierung der Informationen fest. Sie definiert die Grammatik der gemeinsamen Sprache. Die Semantik definiert die Relation der sprachlichen Konstrukte zu den Begriffen und Ereignissen der realen Welt. Neben diesem
gemeinsamen Begriffsverständnis umfasst der logische Raum weiterhin Informationen über die Anwendungsdomäne, das Medium, d.h. die Organisation und das Kanalsystem, sowie die Agenten der Gemeinschaft. Dieses Verständnis ermöglicht es
den Agenten, zielgerichtet und konform zu den organisatorischen Regelungen des
Mediums zu agieren. Die damit geschaffene Möglichkeit zum Räsonieren über das
System gestattet es den Agenten, ihre Aktionen zu planen und auf die Erreichung
ihrer Ziele auszurichten. Weiterhin können Agenten auf der Metaebene über die
Strukturen des Mediums und ihrer Gemeinschaft kommunizieren und diese aktiv
an sich ändernde Umweltbedingungen anpassen (Klose & Lechner 2000).
Zusammenfassend besteht also ein Medium aus einem Kanalsystem für den Transport von
Informationen über Raum und Zeit, einer Organisation zur Strukturierung und Steuerung
des Verhaltens der Agenten innerhalb der Gemeinschaft sowie einer Logik zur Beschreibung
der Syntax und der Semantik der ausgetauschten Information.
“A medium consists of a channel system for the transport of information over space and time, a
logic for capturing syntax and semantics of the information and an organizational system (roles
and protocols) for structuring the behavior of agents.”(Lechner & Schmid 2000)
Das hier zugrundegelegte Medienverständnis geht daher weit über das traditionelle Verständnis von Trägermedien hinaus. Medien sind nicht nur Träger von Information, sondern
strukturieren offene, verteilte, miteinander vernetzte und sich dynamisch ändernde Informationsräume, die ‚neuen Medien’, und ermöglichen es damit Gemeinschaften von Agenten
zielgerichtet miteinander zu interagieren (Schmid & Zimmermann 1998).
Das Medienmodell zeichnet sich weiterhin dadurch aus, dass es nicht den einzelnen Agenten, d.h. das Unternehmen, sondern die Gemeinschaft als Ganzes modelliert. Diese Perspektive wird den Anforderungen und Charakteristika der heutigen Wirtschaft mit ihren offenen
vernetzten Strukturen gerecht, in denen sich spezialisierte Agenten flexibel und dynamisch
zur gemeinsamen Erstellung oder zum Austausch von Leistungen zusammenschliessen (s.
Ansatz der Value Webs in (Selz 1999)).
Agenten sind in der Regel Mitglieder mehrere Medien und nehmen dort unterschiedliche
Rollen ein. Medien können weiterhin rekursiv aufgebaut werden. Agenten eines Mediums
stellen dann selbst wieder Medien dar. Ein prominentes Beispiel ist die Logistik. Der Logistikdienstleister bietet seine Dienstleistungen, den Transport von Waren und idealerweise
auch die Abwicklung des zugehörigen Zahlungsverkehrs als Dienstleistung in einem Medium, z.B. einem elektronischen Markt, an. Die Abwicklung dieser Dienstleistung bedarf
des Zusammenspiels einer eigenen, hier als sekundär bezeichneten, Community, deren Mit-
Design Patterns für digitale Produkte
181
glieder in einem eigenen Medium interagieren (Hoffmann et al. 1999a; Hoffmann & Klose
2000; Klose et al. 1999a)).
D 3.2 Medienreferenzmodell für Geschäftsmedien
Das Medienreferenzmodell (MRM) beschreibt den Aufbau und die Architektur von Medien
nach dem soeben eingeführten Verständnis. Es liefert einen Rahmen für das Design und die
Implementation konkreter Medieninstanzen, und unterstützt weiterhin die Analyse und das
Re-Design bestehender Medien (Schmid 1999a: 41 ff.; Schmid & Lindemann 1998: 195 ff.;
Schmid & Zimmermann 1998: 7 f.). Das Medienreferenzmodell verfolgt dabei einen
ganzheitlichen Ansatz, der sowohl die kommunikativen als auch die organisatorischen und
technischen Aspekte eines Medium betrachtet (Schmid & Lindemann 1998). Das MRM
verfeinert die drei Komponenten des Medienmodells und stellt die Relationen zwischen den
verschiedenen Komponenten dar. Es umfasst weiterhin die spezifischen Kommunikationssituationen, die zwischen den interagierenden Agenten auftreten können (Lechner & Schmid
1999; Lechner & Schmid 2000).
Gemeinschaftssicht
Gemeinschaft / Aufbauorganisation (Rollen und Protokolle)
Prozesssicht
Transaktionssicht
Prozesse / Ablauforganisation
Information
Infrastruktursicht
Angebot /
Nachfrage
Verhandlung /
Vertrag
Abwicklung
IKT- Infrastruktur
Wissen
Absicht
Verhandlung
Abwicklung
Logischer Raum
Abbildung D 3-2: Medienreferenzmodell154
Das Medienreferenzmodell kann allgemein für das Design von Medien zur Unterstützung
beliebiger Gemeinschaften genutzt werden. Dabei lassen sich vorrangig die beiden Typen
Wissensmedien und Geschäftsmedien unterscheiden. Wissensmedien unterstützen Gemeinschaften beim Aufbau und bei der Verwaltung eines gemeinsamen Wissensstandes. Ge-
154 In Anlehnung an (Schmid 1999a).
182
Methodische Grundlagen
schäftsmedien ermöglichen dagegen die ökonomische Leistungserstellung. Diese Arbeit fokussiert sich auf das Design von Medien im ökonomischen Kontext und interessiert sich somit primär für Geschäftsmedien. Auch in Geschäftsmedien wird der Aufbau von Wissen
betrachtet. Dieser ist jedoch direkt ökonomisch motiviert und als erste Phase in den Ablauf
einer Geschäftstransaktion eingegliedert.
Das MRM, dargestellt in Abbildung D 3-2, unterscheidet zwei Dimensionen: die vier
Abstraktionsebenen eines Mediums und die vier Interaktionsphasen. Das gesamte Medium
ist eingebettet in einen logischen Raum. Die vier Phasen spiegeln die verschiedenen Interaktionstypen zwischen den Agenten wider. Im wirtschaftlichen Kontext entsprechen diese den
vier Phasen einer Geschäftstransaktion gemäss dem erweiterten Verständnis des in Abschnitt C 2.1.4 erläuterten „integrierten Phasenmodells“. Die vier Ebenen reflektieren die
Verbindungen zwischen den Komponenten des Mediums und verfeinern insbesondere die
Komponenten des Kanalsystems.
In den folgenden beiden Abschnitten werden zunächst die Schichten und anschliessend die
Phasen des Medienreferenzmodells für Geschäftsmedien im Detail beschrieben.
D 3.2.1 Schichten des Medienreferenzmodells
Die Einteilung der Phasen beruht auf einer allgemeinen Architektur von Medien, dargestellt
in Abbildung D 3-3 (Schmid 1999a; Schmid 2000a).
Rollen, Protokolle
Aufbauorganisation
Implementation
Ablauforganisation
Kanäle
Kanalsystem
Logischer Raum
Abbildung D 3-3: Architektur eines Mediums155
Diese Architektur illustriert die Verbindungen zwischen den drei Komponenten des Medienmodells: der Organisation, dem Kanalsystem und dem logischen Raum. Dabei wird die
Organisation des Mediums durch entsprechende Prozesse auf der Grundlage des Kanalsystems implementiert. Das ganze System ist eingebettet in einen logischen Raum, der das
zielgerichtete und erfolgreiche Interagieren der Akteure ermöglicht und steuert. Idealerweise
werden die verschiedenen Phasen der Transaktion durch generische Services unterstützt.
155 In (Schmid 1999a).
Design Patterns für digitale Produkte
183
Diese Architektur spiegelt sich direkt in den Schichten des Medienreferenzmodells sowie in
dem sie umgebenden logischen Raum wider:
1.
Gemeinschaftssicht: In dieser Sicht wird die durch ein gemeinsames, zumeist ökonomisch motiviertes Interesse konstituierte Gemeinschaft definiert. Gemäss dem Medienmodell werden hier die organisatorischen Strukturen mit den Rollen und Protokollen definiert. Auf der normativen Ebene umfasst die Gemeinschaftssicht die
generellen Regeln, d.h. die Normen und Spielregeln, die das Zusammenspiel der
Agenten steuern. Dazu zählt im Geschäftskontext insbesondere auch die allgemeine
Geschäftspolitik. Die Protokolle sollen dabei so gestaltet sein, dass sie die Entwicklungs- und Lebensfähigkeit der Gemeinschaft und ihres Mediums gewährleisten. Auf der strategischen Ebene werden die generelle Geschäftsstrategie sowie die
strategischen Ziele der einzelnen Rollenträger definiert (Klose & Lechner 1999b;
Lechner et al. 1999b).
2.
Prozesssicht: Die Prozesssicht definiert die Prozesse innerhalb der Community entlang des gesamten Wertschöpfungsprozesses. Sie bestimmen somit die Ablauforganisation des Mediums. In der Informatik spricht man hier auch vom Programm.
Diese Prozesse setzen das in der Gemeinschaftssicht definierte Geschäftsmodell um.
Sie folgen somit den allgemeinen aufbauorganisatorischen Strukturen, die in Form
von Rollen und Protokollen in der Gemeinschaftssicht festgelegt wurden. Die Prozesse werden dabei mit Hilfe der Dienste der Transaktionsschicht implementiert.
3.
Transaktionssicht: Die Transaktionssicht umfasst die Dienste, die für die
Implementierung der Geschäftsprozesse benötigt werden. Sie sind auf die Unterstützung der einzelnen Phasen ausgerichtet. Idealerweise sind sie generisch und
unabhängig vom jeweiligen Geschäftsmodell universell einsetzbar (Schmid 1999a).
Um eine durchgängige Transaktion zu gewährleisten, müssen diese Steckdosenlösungen sorgfällig aufeinander abgestimmt werden. Hierzu werden offene und
wohldefinierte Schnittstellen sowie eine Standardisierung der zwischen den Diensten ausgetauschten Informationen benötigt (Lindemann 2000). Beispiele für generische Dienste sind elektronische Produktkataloge, elektronische Signaturen, elektronische Kontrakte, Zahlungssysteme und Logistikdienste.156
4.
Infrastruktursicht: Die Infrastruktursicht stellt die technologischen Kommunikationsund Transportstrukturen zur Verfügung, die zur Umsetzung der Dienste und der
Interaktionsbeziehungen zwischen den Agenten benötigt werden. Hierzu zählen
elektronische Kommunikationsnetzwerke wie das Internet, aber auch Datenbanken
zur Speicherung von Daten. Weiterhin müssen in dieser Schicht die zur Kommuni-
156 Siehe z.B. die Arbeiten von Lincke und Schmid (1998) und Schubert (2000) über elektronische Pro-
duktkataloge, von Runge (2000) und Schopp et al. (Runge 2000; 1999) für elektronische Verträge
und von Hoffmann (2001) und Klose et al. (1999a) über elektronische Logistikdienstleistungen.
184
Methodische Grundlagen
kation auf der technischen Ebene verwendeten Protokolle und Standards definiert
werden.
Logischer Raum: Das Medium ist eingebettet in einen logischen Raum. Er definiert die gemeinsame Sprache mit Syntax und Semantik sowie das gemeinsame Weltbild. Der logische
Raum umfasst darüberhinaus das Wissen über die festgelegten Organisationsstrukturen sowie die Möglichkeiten der Kommunikation mit Hilfe der Kanäle (Lechner & Schmid 2000).
Die im Medium festgelegten Strukturen und Protokolle sowie der logische Raum ermöglichen so eine zielgerichtete und von Missverständnissen und undefinierten Situationen möglichst freie Interaktion zwischen den Agenten (Schmid 1999a).
D 3.2.2 Die Phasen des Medienreferenzmodells
Die Phasen spiegeln die verschiedenen Schritte einer Geschäftstransaktion wider. Sie lassen
sich dabei von einem aus der Agentenforschung verbreiteten Modell zur Beschreibung der
zielgerichteten Interaktion autonomer Agenten ableiten, dem BDI-Modell (s. z.B. (O'Hare &
Jennings 1996)). Danach können Agenten durch einen Zustand bestehend aus Wissen, Wünschen und Intentionen charakterisiert werden. Dieser Zustand steuert ihr Verhalten auch im
Zuge der Interaktionen mit anderen Agenten. Aus ihrem Wissenstand entwickeln sie Wünsche, die sich schliesslich in Absichten zur Erreichung dieser Wünsche manifestieren. In dem
hier interessierenden ökonomischen Kontext werden Intentionen durch den ökonomischen
Austausch verwirklicht. Die Agenten müssen daher über Ressourcen verfügen, die sie im
Zuge einer Transaktion mit anderen Agenten gegen andere Ressourcen eintauschen können.
Der intendierte Austausch wird zunächst in Verträgen manifestiert, welche die Konditionen
des Leistungsaustausches festlegen. Diese Verträge ändern die Rechte und Pflichten der beteiligten Agenten.
Agent
Wissen
Kommunikation
Absichten
Signalisation
Rechte /
Pflichten
Verhandlung
Ressourcen
Tausch
Wünsche
Abbildung D 3-4: Agenten-Architektur157
157 In Anlehnung an (Schmid 1999a).
Design Patterns für digitale Produkte
185
In diesem ökonomisch motivierten Agentenmodell muss die Zustandsbeschreibung der
Agenten gemäss dem BDI-Modell, daher um zwei weitere Komponenten, die Rechte und
Pflichten sowie einen Warenkorb mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen ergänzt
werden. Das resultierende Modell ist in Abbildung D 3-4 dargestellt.
Das Verhalten eines Agenten in einer Geschäftstransaktion führt durch die Interaktion zwischen den Agenten zu Veränderungen des Zustandes der Agenten. Zunächst ändert sich
durch die Kommunikation in der Community der Wissenstand eines Agenten. Dadurch
werden bei ihm Wünsche resp. Bedürfnisse geweckt, oder bestehende Wünsche aktiviert, die
sich in Intentionen zum Erwerb eines Produktes manifestieren. Diese Intentionen werden
anderen Agenten signalisiert. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse bedarf der Zusammenarbeit resp. des ökonomischen Austauschs mit anderen Agenten. Die geäusserten Intentionen
induzieren somit Verhandlungen mit potentiellen Anbietern der benötigten Leistungen, die
im Erfolgsfall mit einem Kaufvertrag enden. Dadurch ändern sich die Rechte und Pflichten
der beteiligten Agenten. Im Zuge der Abwicklung der Verträge werden Ressourcen zwischen den Vertragspartnern ausgetauscht. Dadurch ändert sich primär deren Ressourcenbestand und weiterhin ihre Rechten, Pflichten und Intentionen.
Die vier Phasen des Medienreferenzmodells spiegeln somit die vier logischen Schritte wider,
die in jeder Geschäftstransaktion durchlaufen werden müssen (Schmid 1999a):
1.
Wissensphase: In dieser Phase wird der logische Raum des einzelnen Agenten, d.h.
sein Wissen über mögliche Welten, seine Einstellungen zu bestimmten Angeboten
und Produkten, welche die angestrebten Welten zu errichten helfen, und somit
seine Wünsche durch den Austausch von Informationsobjekten geformt. Diese
Phase umfasst daher, wie auch bereits in Abschnitt C 2.1.4 erläutert, die Subphasen
der Schaffung von Awareness sowie eines ersten Bildes möglicher Problemlösungen.
Als Voraussetzung für die erfolgreiche Kommunikation zwischen den Agenten
wird weiterhin die gemeinsame Sprache mit Syntax und Semantik etabliert. Der logische Raum umfasst zudem Informationen über das Medium selbst, d.h. die Organisationsstrukturen und das Kanalsystem. Dieses Wissen wird von den Agenten
benötigt, um regelkonform und zielgerichtet im Medium agieren zu können. Kommuniziert werden daher im ökonomischen Kontext Dinge wie Produktspezifikationen, Preise und Konditionen sowie rechtliche Fragen.
Dienste, die diese Phase unterstützen, sind elektronische Kataloge, Werbung, Pushund Pulldienste sowie Suchdienste (Schmid 1999a). Die aktive Informationssuche
wird häufig durch spezielle Intermediäre unterstützt, welche das Angebot der verschiedenen Anbieter vergleichen (Schmid 1999a).
2.
Absichtsphase: In dieser Phase entwickeln Agenten aus dem in der Wissensphase angeeigneten Wissen, ihren Wünschen und Zielen konkrete Tauschabsichten und äussern diese. Die Verbindlichkeit der Offerten kann dabei in den einzelnen Geschäftsmedien unterschiedlich geregelt sein.
186
Methodische Grundlagen
Während für die Repräsentation der Verkäuferabsichten bereits Dienste in Form
von Produktkatalogen etabliert sind, sind Lösungen für die Darstellung der Käuferabsichten noch in den Anfängen der Entwicklung (Schmid 1999a)). Die Repräsentation beider Seiten ist jedoch entscheidend für eine aktive Unterstützung der Anbieter und Nachfrager in der nachfolgenden Verhandlungsphase. Sie ermöglichen es
Intermediären, komplementäre Anbieter und Nachfrager zusammenzubringen und
direkt in die Vereinbarungsphase überzuleiten (Schmid 1999a).
3.
Verhandlungsphase: In dieser Phase werden potentielle Nachfrager und Anbieter zusammengebracht, die Konditionen der Geschäftstransaktion ausgehandelt und vertraglich festgehalten. Diese Verhandlungen können dabei sehr unterschiedlichen
Protokollen folgen. Sie reichen von einseitigen Angeboten in Produktkatalogen, die
vom Nachfrager lediglich akzeptiert oder abgelehnt werden können, über bilaterale
Verhandlungen bis zu verschiedenen Arten von Auktionen (Krähenmann 1994: 223
ff.; Reck 1993: 245 ff.; Schmid 1999a: 38). Im Idealfall endet die Verhandlung mit
dem Abschluss eines Vertrages. In dieser Phase ändern sich somit die Rechte und
Pflichten der am Vertrag beteiligten Agenten. Anforderungen an die Rechtsgültigkeit, die Sicherheit sowie die Einklagbarkeit von Verträgen können durch verschiedene Institutionen gewährleistet werden. Beispiele sind Trusted Third Parties aber
auch Online-Schiedsgerichte (Greunz et al. 2000; Greunz et al. 2001; Runge 2000;
Stanoevska-Slabeva & Schopp 2000).
4.
Abwicklungsphase: In dieser Phase werden die Verträge eingelöst und die darin
eingegangen Verpflichtungen erfüllt. Die Agenten handeln somit in dieser Phase
nach den in den Verträgen festgelegten Rechten, Pflichten und Protokollen. Im
elektronischen Handel besteht die Abwicklung vorrangig aus dem Austausch von
Ware gegen Geld. Spezielle Zahlungs- und Logistikdienste können diese Phase unterstützen (Hoffmann 2001).(Alt et al. 1995; Hoffmann et al. 1999a)158 In diese Phase
fällt weiterhin die Anwendung des Produktes.
Mit der Erfüllung des Vertrages ändern sich wiederum die Rechte und Pflichten
sowie die Intention und Wünsche der Agenten. Letztere wurden idealerweise durch
den Erwerb resp. durch die Anwendung des Produktes erfüllt.
Zum Abschluss soll kurz beschrieben werden, wie sich das hier beschriebene Medienreferenzmodell für Geschäftsmedien vom allgemeinen Medienreferenzmodell unterscheidet. Die
Phasen des MRM sind dazu näher an das eigentliche BDI-Modell anzulehnen und somit unabhängig vom ökonomischen Kontext zu betrachten. Die Interaktionen zwischen den Agenten zur gemeinsamen Erreichung eines übergeordneten Zieles beruhen aber auch beim all-
158 In diesem Zusammenhang wurde in Forschungsarbeiten am Institut für Medie- und
Kommunikationsmanagement das Prinzip der computer-intergrierten Logistik entwickelt, eines
integrierten Logistikdienstes, der insbesondere auf elektronischen Marktplätzen eingesetzt
werden kann (Alt et al. 1995).
Design Patterns für digitale Produkte
187
gemeinen MRM auf dem Finden geeigneter Partner, der Vereinbarung der Problemlösung
und der Lösung des Problems gemäss diesen Vereinbarungen. Zur erfolgreichen Interaktion
ist dabei ebenfalls zunächst ein gemeinsamer Wissenstand zu etablieren. Auch hier bestehen
die Phasen der Zusammenarbeit daher aus dem Aufbau von Wissen, der Aktivierung und
anschliessenden Signalisierung eines Bedürfnisses, der Vereinbarung der gemeinsamen
Problemlösung und der Abwicklung der Problemlösung. Die Lösung des Problems muss
hier jedoch nicht unbedingt aus dem Austausch von Leistungen gegen Geld bestehen. Die
Agenten können auch gemeinsam an der Lösung eines Problems arbeiten.
D 3.2.3 Einordnung in das Design digitaler Produkte: Geschäftsmedien als
Kommunikations- und Transaktionsmedien
Zum Abschluss dieses Abschnittes soll das soeben beschriebene Medienreferenzmodell noch
einmal explizit in den Kontext des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum eingeordnet werden.
Im Teil B wurde erläutert, welche Anforderungen das kundenzentrierte Design an die Gestaltung der es umgebenden Informationsräume stellt. Dabei wurden die beiden Aspekte der
Kommunikation über das Produkt und der Kommunikation durch das Produkt resp. durch
die Gestaltung des Interaktionsraumes unterschieden.
Die Kommunikation über das Produkt findet in der Wissens- und der Absichtsphase statt. In
diesen beiden Phasen muss das mit dem Produkt und seinem Erwerb verbundene Wissen
kommuniziert und in den Köpfen der potentiellen Kunden implementiert werden. Insbesondere wird hier der Nutzen und die – soziale – Bedeutung des Produktes kommuniziert.
Sie beeinflussen die Einstellung des Kunden zum jeweiligen Produkt und wecken im Idealfall den Wunsch, das Produkt zu erwerben. In dieser Phase werden somit die Voraussetzungen für die Initiierung und den erfolgreichen Ablauf der Transaktion im engeren Sinne, d.h.
des Erwerbs des Produktes und der anschliessenden Anwendung gelegt.
Die Kommunikation durch das Produkt und die eigentliche Problemlösung findet in den folgenden Phasen der Verhandlung und der Abwicklung der Geschäftstransaktion statt. Sie
müssen so gestaltet sein, dass der Kunde die Abläufe versteht und akzeptiert und vor allem
beim erfolgreichen Abschluss der Transaktion sowie bei der erfolgreichen Anwendung des
Produktes unterstützt wird. Das Produkt resp. die Gestaltung der Interaktionsbeziehungen
muss daher sowohl der Funktion des Produktes als Problemlösung als auch seiner Bedeutung als Zeichen gerecht werden. An die Gestaltung dieser Phasen werden daher die Anforderungen der Lesbarkeit oder allgemeiner der Anwendbarkeit gestellt sowie weiterhin die
Anforderungen einer aktiven Unterstützung der mit den einzelnen Phasen verbundenen
Ziele, dem Finden eines Anbieters, dem Abschluss eines Vertrages, der sicheren Abwicklung
des Vertrages und der Anwendung des Produktes im Zuge der eigentlichen Problemlösung
im engeren Sinne. In jeder Szene dieser Phasen ist dabei der Kundenwert zu maximieren (s.
Abschnitt C 1.4.2).
Zur Verdeutlichung dieser beiden Aspekte schlägt Schmid (2000a: 195) die Unterteilung eines Geschäftsmediums in ein Kommunikationsmedium und in ein Transaktionsmedium vor.
188
Methodische Grundlagen
Diese beiden „Submedien“ sind jedoch eng miteinander verwoben. Nur ihre Integration garantiert die erfolgreiche Abwicklung der gesamten Geschäftstransaktion. Die Unterteilung ist
in Abbildung D 3-5 noch einmal graphisch dargestellt.
Kom m unikationsM edium
Gemeinschaftsschicht
Gemeinschaft / Aufbauorganisation (Rollen und Protokolle)
Prozessschicht
Transaktionsschicht
TransaktionsM edium
Prozesse / Alauforganisation
Information
Infrastrukturschicht
Angebot /
Nachfrage
Verhandlung /
Vertrag
Abwicklung
IKT- Infrastruktur
Wissen
Absicht
Verhand
-lung
Abwicklung
Logischer Raum
Abbildung D 3-5: Geschäftsmedium als Kommunikationsmedium und Transaktionsmedium159
Das soeben beschriebene Medienmodell liefert einen Beschreibungsrahmen für die Gestaltung interaktiver Kommunikationsräume. Auf der Grundlage dieses Modells lässt sich nun
eine Designmethodik ableiten, die den besonderen Ansprüchen digitaler Produkte gerecht
wird. Sie wird im folgenden Abschnitt vorgestellt.
D 3.3 Theatermetapher
Wie in Teil B erläutert, sind digitale Produkte in Interaktionsräume eingebettet, in denen sie
mit dem Kunden kommunizieren und interagieren können. Mit der Interaktion wird dabei
ein bestimmtes Ziel verfolgt. Aus Sicht des Kunden ist dies der Erwerb einer Problemlösung
in Form des jeweiligen Produktes und dessen erfolgreicher Anwendung im Zuge des Problemlösungsprozesses. Die Erreichung der Ziele hängt dabei von der Gestaltung der Interaktionsbeziehungen sowie deren lesbarer Abbildung auf der Plattform ab.
159 In Anlehnung an (Schmid 2000a).
Design Patterns für digitale Produkte
189
Mit dem Design von Interaktionen haben sich bisher insbesondere die Theaterwissenschaften beschäftigt. Schmid und Schmid-Isler schlagen daher für das Design digitaler Produkte
die Anwendung der Theatermetapher vor (Schmid-Isler 2001a; Schmid-Isler 2001b; Schmid
2001b). Dieser Ansatz wird im folgenden zunächst allgemein eingeführt und im Anschluss
daran in den Kontext des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum eingeordnet.
D 3.3.1 Theatermetapher: Konzept
Das Konzept der Theatermetapher wurde bereits Anfang der 1990er Jahre für die Entwicklung interaktiver Applikationen entdeckt (Laurel 1993). Dabei steht die Verständlichkeit sowie das positive Erlebnis des Kunden bei der Anwendung der Applikation im Vordergrund.
Die Eigenschaften des hier interessierenden ökonomischen Kontextes werden dort dagegen
nicht beachtet.
Die Theatermetapher sieht vor, den gesamten Interaktionsprozess als Theaterstück zu modellieren. Die Interaktionsbeziehungen werden in Akte mit verschiedenen Szenen und
wohldefinierten Übergängen gegliedert. An die Gestaltung dieser Szenen und des gesamten
Theaterstückes werden dabei die Anforderungen des Produktes II gerichtet (s. Abschnitt
B 1). Sie müssen so gestaltet werden, dass die jeweiligen Probleme der Beteiligten und dabei
insbesondere des Kunden gelöst werden, die Problemlösung verstanden und akzeptiert wird
und das Bedürfnis nach der Nutzung des Produktes zunächst geweckt und dann aufrechterhalten wird.
Organisationsdesign
Interaktionsdesign
Struktur des Theaterstückes mit Akten und Szenen sowie
den Rollen der Akteure
Drehbuch / Skript des Theaters
Drehbuch
/ Skript
des Theaters
Konkrete
Inszenierung
des Theaterstückes
durch die Abbildung auf Dienste
Kanaldesign
Konkrete Inszenierung des Theaterstückes
durch die Abbildung auf der Dienste auf IKT-Infrastruktur
Logisches Design
Sprache des Theaterstückes
Abbildung D 3-6: Theatermetapher als Operationalisierung des Medienreferenzmodells
190
Methodische Grundlagen
Die Anwendung der Theatermetapher operationalisiert das Medienreferenzmodell. Während das MRM die verschiedenen Designaspekte und Ebenen statisch beschreibt, definiert
die Theatermetapher eine Methodik zur Instanziierung des Modells.
Das Design gliedert sich hierbei in die folgenden vier Phasen (Schmid 2001b: 7 ff.):
1.
das Organisationsdesign
2.
das Interaktionsdesign
3.
das logische Design
4.
das Kanaldesign
Der Bezug zu den Komponenten des Medienreferenzmodells wird in Abbildung D 3-6
dargestellt. Im folgenden werden die verschiedenen Designschritte im einzelnen beschrieben.
Das Organisationsdesign definiert die organisatorische Gesamtstruktur des Theaterstückes.
Es erfasst die verschiedenen Szenen, in denen Produkt, Kunden und evtl. weitere Anbieter miteinander interagieren, sowie die Übergänge und Abhängigkeiten zwischen diesen
Situationen. In der Sprache der Theaterwelt werden diese verschiedenen Situationen als
Szenen bezeichnet. Sie können gegebenenfalls zu grösseren Einheiten, den Akten, zusammengefasst werden. Mit den Akten und Szenen wird die Struktur des Theaterstückes
festgelegt. Weiterhin werden die Akteure des Theaterstückes definiert und charakterisiert.
Die Charaktere werden mit Rollen und Protokollen beschrieben, denen Rechte und
Pflichten zugeordnet werden.160 Diese Zuteilung von Rechten und Pflichten kann sich im
Laufe des Theaterstückes von Szene zu Szene ändern. Im ökonomischen Kontext erwirbt
sich beispielsweise ein Anwender durch den Kauf eines Produktes das Recht, dieses Produkt zu nutzen.161
Das Interaktionsdesign beschreibt den Ablauf des gesamten Theaterstückes: d.h. das Skript
oder Drehbuch. In der Sprache der Betriebswirtschaftslehre spricht man hier von Ablauforganisation, in der Informatik von Programm. Das Skript steuert die Interaktionsbeziehungen zwischen den einzelnen Akteuren und richtet diese auf die Erreichung der Ziele
aus. Verschiedene Arten der Ablauforganisation unterscheiden sich im Freiheitsgrad, den
die Prozesse den jeweiligen Akteuren bei der Wahl ihrer Aktionen lassen. Schmid (2001b:
9) differenziert hier zwischen hierarchischen, freien resp. dezentralisierten und hybriden
Prozessen. Hierarchische Strukturen legen den Interaktionsprozess vollständig fest. Freie
Prozesse überlassen den Akteuren die Ausgestaltung der Interaktion. Um dennoch den
Erfolg der Interaktion zu gewährleisten, müssen gewisse Rahmenbedingungen z.B. in
160 Gemäss dem in dieser Arbeit zu Grunde gelegten Modell von Agenten können Rollen weiterhin
durch das von ihnen erwartete Wissen, ihre Intentionen und Wünsche charakterisiert werden.
161 Zur Beschreibung der Übergänge zwischen den Szenen können State-Transition-Diagrammen ver-
wendet werden (Schmid-Isler 2001a; Schmid 2001a).
Design Patterns für digitale Produkte
191
Form gemeinsamer Ziele oder gemeinsamer Problemlösungsstrategien festgelegt werden,
die in den Köpfen der Anwender implementiert werden müssen. Ein digitales Produkt
kann hier z.B. explizite Schulungsprogramme in seinen Interaktionsraum mit dem Kunden integrieren. Hybride Prozesse leiten den Anwender durch den Interaktionsprozess,
schreiben ihm dabei jedoch keine rigide Abfolge von Aktionen vor. Aktive Unterstützung
kann hier z.B. in Form von Hilfsfunktionen angeboten werden, die bei Bedarf vom Anwender aufgerufen werden können.
Das logische Design beschreibt die Sprache, die in diesem Theaterstück gesprochen wird.
Sie bilden die Voraussetzung für die Verständlichkeit der durch das Organisationsdesign
und das Interaktionsdesign definierten Aufbau- und Ablauflogik des Theaterstückes sowie für die erfolgreiche Kommunikation zwischen den Akteuren. Den einzelnen Akteuren muss in jeder Szene klar sein, welche Rolle sie spielen, welches Verhalten von ihnen
erwartet wird, welches Verhalten sie aber auch von den anderen Agenten erwarten können, welche Aktionen sie durchführen müssen, welche sie durchführen können und welche Auswirkungen diese Aktionen auf den aktuellen Zustand des Theaterstückes haben.
Das Erlernen einer neuen Sprache ist ein langwieriger Prozess. Daher sollte für die Kommunikation des Organisations- und des Interaktionsdesigns sowie die Kommunikation
zwischen den Beteiligten eine Sprache verwendet werden, die den Anwendern bereits bekannt ist und dies sie verstehen (Schmid-Isler 2001a; Schmid 2001b: 9). Die Verständlichkeit einer Szene kann weiterhin dadurch erreicht werden kann, dass darin bereits bekannte Situationen der Akteure referenziert werden (Schmid 2001b: 9). Die logische
Gestaltung der Szene muss dann die Assoziation zwischen der bekannten und der neuen
Situation hervorrufen.
Das Kanaldesign definiert schliesslich die technische Umsetzung des Organisations-, Interaktions- und logischen Designs mit Hilfe der zur Verfügung stehenden informationstechnologischen Infrastruktur. Sie umfasst die beiden Aspekte des Graphic Designs zur Ausgestaltung der Benutzerschnittstelle sowie des Software Engineerings zur Implementierung der Funktionalität. Organisationsdesign, Interaktionsdesign und logisches Design
liefern somit die Spezifikation für die Umsetzung im Zuge des Kanaldesigns.162
D 3.3.2 Einordnung der Theatermetapher in das Design digitaler Produkte
Die Theatermetapher dient generell dem Design von Medien, d.h. interaktiven Interaktionsräumen. Die Methodik bezieht sich dabei noch nicht auf den direkten Business-Kontext, wie
er im Medienreferenzmodell für Business Media mit der Ausgestaltung der verschiedenen
Phasen einer Geschäftstransaktion beschrieben ist.
Die Anwendung der Theatermetapher soll hier stattdessen allgemein dabei helfen, die Lesbarkeit der Applikation sowie das positive Gesamterlebnis der Kunden zu gewährleisten.
162 Dabei sind die Potentiale und Beschränkungen durch die zur Verfügung stehende IKT-Infrastruk-
tur jedoch auch bereits beim Organisations-, Interaktions-, und logischen Design zu beachten.
192
Methodische Grundlagen
Die verfolgten Ziele entsprechen somit primär denen des Human Computer Interaction Designs.
In dieser Arbeit soll das Design digitaler Produkte jedoch primär aus einer ökonomischen
Perspektive heraus betrachtet werden. Das hier betrachtete Theaterstück ist daher bereits in
einen konkreten wirtschaftlichen Kontext eingebettet, der durch die Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion strukturiert werden kann (s. Abschnitt C 2.1.5). Ziel ist es, die das Produkt
umgebenden Interaktionsräume so zu gestalten, dass der Kunde zunächst auf das Produkt
aufmerksam gemacht wird, den Wunsch entwickelt, das Produkt zu besitzen, das Produkt
erwirbt und erfolgreich anwendet.
An die Gestaltung dieser Phasen wird selbstverständlich auch in dieser Arbeit die Anforderung nach der Lesbarkeit der Abläufe gestellt. Weiterhin ist jedoch mit jeder Phase ein bestimmtes Ziel verbunden, dessen Erreichung durch die Gestaltung der Organisations- und
Interaktionsstrukturen, d.h. durch das Organisations- und das Interaktionsdesign, sowie
auch des logischen Designs unterstützt werden soll (s. Abschnitt C 2.1.5). Die Güte des Designs wird dann am induzierten Kundenwert gemessen (s. Abschnitt C 1.4.2). Es sei hier erneut betont, dass die beiden ersten Phasen des integrierten Phasenmodells resp. die drei
ersten Phasen des Gesamtmodells der Kunde-Produkt-Interaktion (s. Abschnitte C 2.1.4 und
C 2.1.5) eine besondere Rolle bei der Gestaltung des Theaterstückes „Digitales Produkt II“
spielen. Sie errichten den logischen Raum, der in den folgenden Phasen für das logische Design der Szenen zur Verfügung steht.
Beim Design dieses Theaterstückes müssen weiterhin die besonderen Ansprüche der Kunden im Electronic Business, wie beispielsweise die gesteigerten Anforderungen nach Sicherheit und Datenschutz, berücksichtigt werden, wie diese in Abschnitt C 1.3.3 ausführlich erläutert wurden.
Das Design des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte stellt somit bereits konkrete
Anforderungen an die Ausgestaltung des Theaterstückes. Es liefert in Form der Phasen der
Kunde-Produkt-Interaktion eine grobe Strukturierung, definiert die Ziele, die neben der Lesbarkeit in jeder Situation des Theaterstückes erreicht werden müssen, sowie die Besonderheiten des ökonomischen Kontextes, die bei der Gestaltung der Szenen zu beachten sind.
E
Entwicklung der Patternsprache
Nachdem in den Teilen C und D die inhaltlichen und methodischen Grundlagen dieser Arbeit gelegt wurde, beschäftigt sich der vorliegende Teil E mit der Herleitung der Patternsprache für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum. Zugrundegelegt wird hierbei
das ganzheitliche und kundenzentrierte Designverständnis aus Kapitel B 6. Diese Sprache
soll somit die Gestaltung aller Szenen des „Theaterstückes“ der Kunde–Produkt/Anbieter–
Interaktion unterstützen. Gütekriterium der Designlösungen ist der in Abschnitt C 1.4.2 eingeführte Kundenwert eines digitalen Produktes.
Die Entwicklung der Patternsprache umfasst zwei aufeinander aufbauende Aufgaben:
1.
Die Entwicklung einer Metasprache im Sinne einer Strukturierung der Designaufgabe und des Designwissens zur Unterstützung des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum: Diese Metasprache definiert die
Struktur der Sprache. Sie umfasst zum einen die Relationen zwischen den einzelnen
Patterns und zum anderen die Struktur der Patterns selbst. Die Metasprache schafft
somit den Rahmen für die Entwicklung der konkreten Patternsprache. Sie beruht
dabei auf den Erkenntnissen über die Kunde-Produkt-Interaktionsprozesse, wie sie
ausführlich in Abschnitt C 2.1 dargelegt wurden.
2.
Die Entwicklung und Ableitung der konkreten Design Patterns, d.h. der Patternsprache für das kundenzentrierte Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum als
Instanziierung der Metasprache: Die Patterns füllen somit die durch die Metasprache festgelegten Strukturen mit Inhalt und ergänzen sich durch ihre Relationen zu
einer Patternsprache. Die Patterns müssen sowohl die Besonderheiten digitaler Produkte und digitaler Wirtschaftsräume als auch die Gesetzmässigkeiten menschlichen Verhaltens beachten. Neben der Darstellung der Problemstellung und der Lösungsbeschreibung wird in den Patterns daher ebenfalls erläutert, warum diese Lösung funktioniert. Diese Begründung basiert dabei auf den in Kapitel C 1 dargelegten Eigenschaften digitaler Produkte sowie auf den in Kapitel C 2 eingeführten
zentralen Theorien des Konsumentenverhaltens.
Die in dieser Arbeit zu entwickelnde Sprache hat sich zum Ziel gesetzt, alle Szenen und somit die ganze Breite der Kunde-Produkt-Interaktion zu erfassen. Beim Design digitaler Produkte handelt es sich dabei um ein dynamisches Problemfeld. Die Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), die Verbreitung der IKT, die Weiterentwicklung des Wissensstandes der Anwender und auch neue Erkenntnisse bezüglich des
Konsumentenverhaltens wirken sich auf die Designoptionen aus. Daher konzentriert sich
diese Arbeit auf die Ableitung der zentralen Lösungsmuster auf der Grundlage des aktuellen
Wissensstandes. Das Abstraktionsniveau ist so gewählt, dass ihre Gültigkeit auch gegenüber
den erwähnten Änderungen der Ausgangslage weitestgehend bewahrt bleiben. Dennoch ist,
insbesondere bzgl. der technischen Umsetzung, eine zeitliche Weiterentwicklung der konkreten Patternsprache wahrscheinlich. Der hier entwickelte Strukturrahmen in Form der
Metapatternsprache und insbesondere die Fundierung der Patterns sowohl auf den Best
193
194
Entwicklung der Patternsprache
Practice Cases als auch auf den theoretischen Grundlagen ermöglicht eine sukzessive Weiterentwicklung der Patternsprache. Die Metapatternsprache selbst basiert dagegen auf recht
fundamentalen Gesetzmässigkeiten und ist daher weitestgehend stabil.
Die Entwicklung der Metapatternsprache sowie des Entwicklungsrahmens zur Ableitung
konkreter Sprachinstanzen ist Gegenstand des folgenden Kapitels E 1. In Kapitel E 2 wird
dann im Sinne einer Instanziierung des durch die Metasprache gegebenen Strukturgerüsts
und unter Anwendung der ebenfalls in Kapitel E 1 entwickelten Methode, die Patternsprache für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum abgeleitet.
E 1 Metapatternsprache und Entwicklungsrahmen
Ziel dieses Kapitels ist die Entwicklung einer Metasprache zur Strukturierung der konkreten
Patternsprachen auf der Instanzenebene sowie eines Entwicklungsrahmens für die Ableitung, Anwendung und Validierung der Patternsprache für digitale Produkte.
Im folgenden wird zunächst, in Analogie zur Beschreibung der Patternsprachen der unterschiedlichen Designdisziplinen in Kapitel D 2, die Ausrichtung und Zielsetzung, d.h. insbesondere die Quality without a name, definiert. Im Anschluss daran wird die eigentliche Metasprache als Rahmen der zu entwickelnden Patternsprache konzipiert. In Analogie zu Kapitel
D 2 werden dann die Prozesse zur Herleitung und Validierung der Patterns festgelegt. Im
letzten Abschnitt dieses Kapitels werden schliesslich die Best Practice Beispiele eingeführt,
auf denen die Ableitung der Patternsprache basiert. Durch dieses Kapitel wird somit die
Grundlage für die Entwicklung der Patternsprache für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum gelegt. Diese ist Gegenstand des folgenden Kapitels E 2.
E 1.1
Zielsetzung und Ausrichtung der Patternsprache
Die Zielsetzung der hier zu entwickelnden Patternsprache für das Design digitaler Produkte
im digitalen Wirtschaftsraum umfasst alle in Abschnitt C 1.2 erläuterten Vorteile resp. Anwendungsfelder von Patternsprachen:
1.
die Unterstützung des Design Prozesses,
2.
ihr Einsatz im Zuge des Knowledge Managements von Design Wissen,
3.
ihre Funktion als Designsprache zur Unterstützung eines interdisziplinären Designprozesses.
Diese drei Punkte werden im weiteren näher ausgeführt:
Die Patternsprache soll Wissen über gutes Design digitaler Produkte in einer leicht verständlichen Sprache erfassen. Die Art der Wissensdarstellung in Form von Lösungsbeschreibungen für wiederkehrende Problemsituationen unterstützt – auch unerfahrene – Designer
bei der Konstruktion qualitativ hochwertiger Lösungen. Die explizite Ausführung des Anwendungskontextes sowie die Erläuterung der Funktionsweise der Patterns gestatten deren
zielgerichteten Einsatz, die Verbindungen zwischen den Patterns, das iterative Design einer
kongruenten Lösung des Gesamtsystems.
Design Patterns für digitale Produkte
195
Die Patterns bilden weiterhin die Basis des Managements von Designwissen. Die Strukturierung der Sprache sowie der Patterns ermöglicht nicht nur deren gezielten Einsatz, sondern
weiterhin die sukzessive Erweiterung und Anpassung der Sprache, ohne die Konsistenz des
Gesamtsystems zu gefährden.
Die hier zu erstellende Patternsprache genügt weiterhin den besonderen Anforderungen des
interdisziplinären Designprozesses. Im Sinne einer Lingua Franca umfasst sie die Sichtweisen
der verschiedenen Stakeholder am interdisziplinären Designprozess. Hier werden somit insbesondere die Anforderungen der Anwender resp. Kunden als auch die der für die technische Umsetzung verantwortlichen Spezialisten in den Patterns erfasst.
Die zentrale Bezugsgruppe, an der sich die Qualität des Designs misst, sind die Anwender
resp. die Kunden. Die QWAN, die der hier zu konzipierenden Patternsprache zu Grunde
liegt, ist somit der Kundenwert resp. das positive Kundenerlebnis.
Wie in Abschnitt C 1.4 erläutert wurde, definiert sich dieser Kundenwert über den gesamten
Prozess der Kunde-Produkt-Interaktion. Er umfasst dabei sowohl den Wert des Produktes
selbst (den „Content“) als auch den Wert des Anwendungskontextes („den Kontext“). Letzterer wurde durch das Phasenmodell in Abschnitt C 2.1.5 genauer spezifiziert. In allen diesen
Szenen des Interaktionsprozesses muss der Kunde bei der Erreichung seiner jeweiligen Ziele
optimal unterstützt werden. Dabei sind sowohl die Verhaltensweisen der Kunden als auch
die Charakteristika digitaler Produkte und Interaktionsräume zu berücksichtigen (s. Abschnitt C 2.2 und Kapitel C 1). Wie ebenfalls in Abschnitt C 1.4 erläutert wurde, lässt sich der
Kundenwert auf die beiden zentralen Grössen Qualität und Kosten (einschliesslich Risiko) zurückführen. Sie sind somit durch das Design von „Content“ und „Context“ zu erhöhen resp.
zu reduzieren.163
E 1.2
Metapatternsprache
Die in diesem Abschnitt entwickelte Metasprache liefert das Gerüst zur Entwicklung konkreter Design Patterns sowie zu deren Zusammenführung zu einer Patternsprache. Den
methodischen Ausgangpunkt bilden die in Kapitel D 3 eingeführten Modelle von Medien
zur Modellierung digitaler Interaktionsräume sowie die Theatermetapher als zugehörige
Operationalisierung. Die inhaltliche Basis bilden das in Abschnitt C 2.1.5 eingeführten Phasenmodelle der Kunde-Produkt-Interaktion.
E 1.2.1 Struktur der Sprache
Gemäss unserer Definition vom Design digitaler Produkte umfasst das hier zu modellierende Theaterstück alle Phasen des Interaktionsprozesses zwischen Kunde und Produkt.
Nach den Ausführungen des Abschnittes C 2.1.5 gliedert es sich somit in die folgenden acht
163 Eine besondere Rolle spielt dabei die Möglichkeiten zur Indiviualisierung von „Content“ und
„Context“(s. Abschnitt C 1.4).
196
Entwicklung der Patternsprache
interdependenter, d.h. weitgehend aufeinander aufbauenden, Phasen ein: (1) die Awareness,
(2) die Überzeugung, (3) die Entscheidung, (4) das Wissen, (5) die Verhandlung, (6) die Abwicklung, (7) die Anwendung und (8) die Kundenbetreuung, die wiederum in die Awareness-Szene überleitet und so den Kreis schliesst. Das Modell ist in Abbildung E 1-1 noch einmal skizziert.
Entscheidung
Absicht
Überzeugung
Verhandlung
Awareness
Wissen
Kundenbetreuung
Abwicklung
Anwendung
Abbildung E 1-1: Integriertes Modell der Kunde-Produkt / Anbieter-Interaktion mit den zentralen zeitlichen
Übergängen. Sie werden in der konkreten Patternsprache erweitert und erläutert.
Jede Phase ist dabei charakterisiert durch die Erreichung bestimmter Kundenziele: (1) die
Kenntnis eines Produktes, (2) die Bildung einer Einstellung gegenüber einem Produkt, (3) die
Entscheidung über den Erwerb eines Produktes, (4) die Aneignung von Wissen v. a. über die
Anwendung des Produktes, (5) die Formulierung des genauen Kundenwunsches, dessen
Abgleich mit bestehenden Angeboten sowie die Aushandlung und vertragliche Festlegung
der Konditionen, (6) die Abwicklung der zahlungs- und transportlogistischen Prozesse im
Zuge der Abwicklung des Vertrages, (7) die zielgerichtete Anwendung des Produktes und
(8) die Unterstützung bei der Anwendung des Produktes sowie die Nachbetreuung durch
den Produktanbieter (s. Abschnitt C 2.1.5).
Die generelle Struktur der Patternsprache lässt sich nun auf der Grundlage dieser Phasen
ableiten: Die Sprache besteht somit aus Patterns, welche das Design der entsprechenden
„Szenen“ dieser Phasen definieren, sowie aus den Zusammenhängen und Übergängen zwischen diesen Patterns.
Eine Phase, primär definiert durch die Erreichung eines bestimmten Zieles, manifestiert sich
in der Regel in verschiedenen konkreten Situationen, in denen das Produkt (oder seine Repräsentation) und der Kunde im Zuge dieser Phase aufeinandertreffen. Beispielsweise kann
ein Kunde im Verlauf des aktiven Suchverhaltens nach einer Problemlösung auf ein Produkt
aufmerksam werden, er kann jedoch auch durch einen Bekannten auf das Produkt hingewiesen werden. Diese verschiedenen Szenen korrespondieren dabei häufig mit unterschiedlichen Verhaltenstypen der „Mitspieler“, hier insbesondere des (potentiellen) Kunden. Beispielsweise sind Innovatoren progressiver in ihrem Informationsverhalten und werden so
eher im Zuge der aktiven Suche auf ein Produkt aufmerksam; Imitatoren sind dagegen eher
Design Patterns für digitale Produkte
197
für Hinweise aus ihrem sozialen Umfeld aufgeschlossen. Dabei fokussiert diese Arbeit auf
die Gestaltung der aktuelle am weitesten verbreiteten Browserschnittstelle. Die Schnittstellen
anderer Endgeräte sind dagegen nicht Gegenstand dieser Arbeit.
Die einzelnen Situationen, d.h. die konkreten Szenen dieser Phase, können auch aufeinander
aufbauen. Sie sind dann auf die Erreichung von Subzielen ausgerichtet und gewährleisten
gemeinsam mit den anderen Szenen dieser Phase die Erreichung des Gesamtzieles der
Phase. Beispielsweise muss der Kunde in der Verhandlungsphase zunächst bei der Auswahl
und Konfiguration, der Subszene 1, und anschliessend bei der Aushandlung der Konditionen, der Subszene 2, unterstützt werden.
Für jede Phase existiert somit ein ganzes „Cluster“ von Szenen. Eine Szene ist dabei definiert
durch die verschiedenen Anwendungskontexte, d.h. die Situation, in der ein Phasenziel oder
eines der Subziele erreicht werden soll, sowie die jeweilige Zielgruppe. Die Patternsprache
umfasst also auf der Metaebene acht „Szenencluster“, bestehend aus Szenepatterns, welche
die optimale Gestaltung der jeweiligen Szenen definieren.
Die Patterns eines Szenenclusters weisen oftmals weitreichende Gemeinsamkeiten auf. Diese
können, in Analogie zur Strukturierung objektorientierter Sprachen, in einem abstrakten
Pattern zusammengefasst werden.164 In der objektorientierten Programmierung (und
Modellierung) fassen abstrakte Klassen die wesentlichen Eigenschaften, d.h. Attribute, sowie
die Funktionalitäten, d.h. die Methoden, mehrerer Klassen zusammen. Sie vererben diese
Struktur- und Verhaltensmerkmale an die von ihnen abgeleiteten Klassen. Dabei können
sowohl die Attribute als auch die Funktionen verfeinert oder ergänzt werden. Diese
Vererbungsrelation unterstützt die Wiederverwendung von Wissen und vermeidet die wiederholte Ausführung der gleichen Inhalte in unterschiedlichen Klassen resp. Patterns.
Abstrakte Patterns umfassen die Einordnung in den Kontext und somit die Beziehung zu
den Patterns anderer Szenen, die generelle Problemsituation, allgemeine Gestaltungshinweise und insbesondere die in dieser Phase zu berücksichtigenden Theorien des Konsumentenverhaltens sowie die Potentiale digitaler Produkte zur Steigerung des Kundenwerts,
die für die Szenen eines Clusters gültig sind. Diese Eigenschaften werden an die konkreten
Szenepatterns vererbt und im Zuge der Anpassung an den konkreten Anwendungskontext
verfeinert. Die konkreten Szenen leiten sich dabei aus den theoretischen Konzepten des abstrakten Patterns ab. Die abstrakten Patterns liefern somit einen Rahmen für die konkreten
Szenepatterns und motivieren deren Design.
Diese Vererbungsrelation unterstützt jedoch noch nicht die Zusammenführung der Patterns
zu einer kongruenten Patternsprache. Für die hier zu entwickelnde Patternsprache für digitale Produkte, die das Gesamttheaterstück der Kunde-Produkt-Interaktion erfassen soll, sind
die zeitlichen und inhaltlichen Abhängigkeiten und Beziehungen zwischen den Patterns entscheidend:
198
1.
Entwicklung der Patternsprache
Die zeitlichen Abhängigkeiten: Sie beschreiben die zeitlichen Übergänge von einer
Szene zu einer anderen. Hier ist es entscheidend zu erfassen, wie sich eine Folgeszene in den Anwendungskontext eingliedert. Dabei existieren grundsätzlich drei
Möglichkeiten: (1) der Übergang führt zu einem Verlassen der Ausgangsszene (2)
der Übergang führt zum Start eines parallen Theaterstückes oder (3) der Übergang
führt nach der Beendigung der Folgeszene wieder zur Ausgangs-Szene zurück.165
2.
Die inhaltlichen Abhängigkeiten: Sie beschreiben, wie sich die Vorgänge innerhalb eine
Szene auf den Anwendungskontext einer anderen Szene auswirken. Inhaltliche und
zeitliche Abhängigkeiten hängen in der Regel eng miteinander zusammen. Ein zeitlicher Übergang kann jedoch der Ausbildung einer inhaltlichen Dependenz zeitversetzt folgen. So wirken sich beispielsweise die in der Entscheidungsphase angekündigten Massnahmen zur Risikominderung auf die Ausgestaltung der Anwendungsphase aus. Nach der Entscheidung wird der Kunde jedoch zunächst in die
Verhandlungs-Szene überwechseln.
Überzeugung
Entscheidung
Absicht
Verhandlung
Awareness
Wissen
Abwicklung
Kundenbetreuung
Anwendung
Abbildung E 1-2: Beispielhafte Darstellung der Struktur der Metasprache
164 Für eine Übersicht über die Konzepte der Objektorientierung s. (Ambler 2001; Forbig 2001;
Rumbaugh et al. 1998).
165 Beispiele für (1) sind der Übergang von den Szenen der Verhandlungsphase zu den Szenen der
Abwicklungsphase, für (2) der Übergang von der Schaffung einer Awareness für ein Produkt
auf der Web Site eines anderen Produktes zur Vertiefung des Produktverständnisses auf der
Web Site des Produktes selbst und für (3) der Übergang von den Anwendungsszenen zu den
Wissensszenen und die anschliessende Rückkehr in den Anwendungskontext.
Design Patterns für digitale Produkte
199
Abbildung E 1-2 gibt eine Übersicht über die soeben eingeführte Struktur der Metasprache.
Die Cluster werden dabei als Ovale, konkrete Patterns als Kästchen, abstrakte Patterns als
gestrichelte Kästchen, die Vererbungsrelation als durchgezogenen gerichtete Verbindungen
von den abstrakten zu den abgeleiteten konkreten Patterns, die zeitlichen Relationen als gepunktete gerichtete Verbindungen und die inhaltlichen Relationen als gestrichelte gerichtete
Verbindungen dargestellt. Die drei unterschiedlichen Arten zeitlicher Übergänge werden
durch verschiedene Pfeilanfänge gekennzeichnet: das Verlassen der Szene durch einen geraden Anfang, der Übergang mit anschliessender Rückkehrt durch einen Kreis166 und der
Übergang in ein neues Theaterstück durch eine Raute. Die obige Graphik dient lediglich der
Illustration der Sprachkonstrukte. Die jeweiligen Ausprägungen stimmen dagegen nicht mit
der Struktur der tatsächlichen Patternsprache überein.
Mit der Betonung auf den zeitlichen und inhaltlichen Abhängigkeiten zwischen den Patterns
unterscheidet sich dieser Ansatz von den bisher entwickelten Patternsprachen anderer Disziplinen. Für diese ist die Verfeinerungs- resp. Implementierungsrelation, die entscheidende und
zumeist auch die einzige Relation zwischen den Patterns.167 Dabei ergänzen sich verschiedene Sub-Patterns zur Implementierung eines übergeordneten Patterns.
Ziel der hier zu entwickelnden Patternsprache ist es jedoch, die gesamte Breite des „Theaterstückes“ abzudecken. Dies wirkt sich auf das Abstraktionsniveau der jeweiligen Szenenpatterns aus. Jedes Pattern deckt dabei die zentralen Gestaltungsvorschriften einer Szene ab.
Sie könnten in einem Ausbauschritt der Sprache weiter verfeinert werden. Sinnvoll wäre hier
insbesondere die Identifizierung von gleichzeitig in verschiedenen Szenen auftretenden und
somit generischen Unterszenen. Eine derartige Aufsplittung und Verfeinerung der Szenen
würde dann eine Hierarchie über- und untergeordneter Patterns induzieren. Sie ist jedoch
nicht zentral für die Erreichung der hier verfolgten Ziele und daher auch nicht Gegenstand
dieser Arbeit.
Insbesondere die Anwendungsszene kann als eigenes Theaterstück mit verschiedenen Szenen und Szenenübergängen angesehen werden. Dabei unterscheiden sich die Auswahl und
Gestaltung der Szenen in Abhängigkeit vom jeweiligen Produkt-Genre. Im Gegensatz dazu
stellen die der Anwendung vor- und nachgelagerten Szenen relativ unabhängig vom jeweiligen Produkttypus die gleichen Anforderungen an das Design. Sie stehen daher im Zentrum
dieser Arbeit.
E 1.2.2 Struktur der Patterns
Die Patternstruktur folgt weitestgehend dem Vorbild der von Christopher Alexander eingeführten Architekturpatterns. Sie wird in Anlehnung an die Struktur der Software Engineering Patterns um eine Begründung der Funktionsweise des Patterns ergänzt. Diese ba166 Z.B. vonder Anwendungsphase zur Wissensphase und zurück.
167 Siehe insbesondere die Architekturpatterns von Christopher Alexander in Abschnitt D 2.1 und die
HCI Patterns von Tidwell in Abschnitt D 2.3.1.
200
Entwicklung der Patternsprache
siert auf verhaltenstheoretischen Annahmen über das Konsumentenverhalten oder / und auf
den Charakteristika digitaler Medien. In der folgenden Aufzählung werden die einzelnen
Elemente der Patterns noch einmal erläutert:
1.
Name des Patterns: Jedes Pattern erhält als erste Komponente einen prägnanten und
einprägsamen Namen, der bereits auf die wesentlichen Aspekte der Lösung schliessen lässt.
2.
Kontext: Dieses Element erfasst den Anwendungskontext des Patterns und somit die
zeitliche und inhaltliche Einordnung in das Gesamttheaterstück der Kunde-Produkt
Interaktion.168
3.
Problem: Hier wird die Problemstellung erläutert, die durch das Pattern gelöst werden soll. Sie umfasst insbesondere die – sich widerstrebenden – Kräfte, die es im
Zuge der Lösung auszugleichen gilt. Diese beruhen wiederum auf den Charakteristika der Kunden sowie den Besonderheiten digitaler Produkte.
4.
Beispiel: Dieses Element untermauert die Problemstellung und motiviert deren Lösung durch die Darstellung erfolgreicher Designs. Hier gliedert sich das Best
Practice Wissen in die Patternbeschreibung ein.
5.
Lösung: Dieses zentrale Patternelement erfasst die eigentliche Problemlösung, d.h.
das optimale Design der jeweiligen Szene. Zur Beschreibung der Gestaltung dient
die Theatermetapher resp. das Medienreferenzmodell. Auf diesen Aspekt wird im
weiteren Verlauf des Abschnittes noch genauer eingegangen.
6.
Diagramm: Hier werden durch eine schematische Darstellung die zentralen Aussagen des Patterns skizziert.
7.
Rational: Das Rational erklärt und fundiert die dargestellte Problemlösung mit Hilfe
der Theorien über das Konsumentenverhalten sowie der Kenntnisse über die Besonderheiten digitaler Produkte.
8.
Verwandte Patterns: In dieser letzten Sektion der Patternbeschreibung werden die
zeitlichen und inhaltlichen Abhängigkeiten zu nachfolgenden Szenepatterns erfasst.169 Sie komplettieren somit die Kontextbeschreibung bzgl. der Einordnung in
den Gesamtkontext des Theaterstückes.
Vergleicht man die Patternstruktur mit der Struktur der Alexandrinischen Patterns mit den
Komponenten Name, Ranking, Illustration, Kontext, kurze Problembeschreibung, ausführliche Problembeschreibung, Lösung, Diagramm und Referenz zu Patterns, erkennt man einige
Abweichungen.
168 Bei der Erfassung von Verfeinerungsrelationen würde hier auch der Zusammenhang zu den
übergeordneten Szenepatterns erfasst.
169 Bei der Erfassung von Verfeinerungsrelationen würden in dieser Sektion auch die Zusammen-
hänge zu untergeordneten Szenepatterns festgehalten.
Design Patterns für digitale Produkte
201
Auf das explizite Ranking der Patterns wurde verzichtet. Ein sinnvolles Ranking entwickelt
sich über die Zeit im Zuge einer wiederholten Anwendung der Patterns. Die hier vorgestellten Patterns werden aus einer beschränkten Anzahl von Best Practice Beispielen abgeleitet.
Dabei wird die Güte der Patterns zwar weiterhin durch deren theoretische Fundierung gestützt, ein Ranking der Patterns erscheint dennoch als wenig angemessen. Die Illustration der
Patterns erfolgt im Zuge der Beschreibung der Best Practice Cases. Da es sich hier um das
Design digitaler Produkte handelt, besteht die Illustration aus Screenshots der entsprechenden Web Sites. Aus Gründen der Klarheit findet die Beschreibung der Best Practices in einer
eigenen Sektion Beispiel statt. Dagegen werden die kurze und die lange Problembeschreibung, die normalerweise die Beispiele subsumieren, in eine Sektion Problem zusammengefasst. Schliesslich ergänzt das Rational mit seiner ausführlichen Begründung der theoretischen Fundierung der Problemlösung die Patternstruktur um ein für diese Sprache wesentliches Element.
Nach dieser generellen Beschreibung der Patternstruktur soll abschliessend als zentraler Bestandteil eines Patterns die Struktur der Lösungsbeschreibung näher betrachtet und spezifiziert werden. Um den Anforderungen einer interdisziplinären Designsprache gerecht zu
werden, müssen bei der Formulierung der Lösung sowohl die organisatorischen als auch die
informationstechnischen Aspekte berücksichtigt werden. Diese Verbindung zwischen den
Anforderungen und Besonderheiten des Anwendungskontextes und der technischen Realisierung spiegelt sich im Medienreferenzmodell und seiner Operationalisierung in Form der
Theatermetapher wider. Die Beschreibung der Lösung erfolgt somit durch die Spezifikation
aller vier der dort erfassten Designebenen:
1.
dem Organisationsdesign (O-Design), mit der Spezifikation der Rollen der in der
jeweiligen Szene auftretenden Akteure einschliesslich deren Rechten und Pflichten,
2.
dem Interaktionsdesign (I-Design), mit der Beschreibung der Interaktionsprozesse
zwischen den Akteuren in den jeweiligen Rollen,
3.
dem logischen Design (L-Design), mit der Sprache des Theaterstückes, die für die Verständlichkeit der Szene verantwortlich ist und
4.
dem Kanaldesign (K-Design), mit der Beschreibung der informationstechnischen Umsetzung des Organisations-, des Interaktions- und des logischen Designs.
Wie in Abschnitt D 3.3 erläutert wurde, bilden das Organisationsdesign, das Interaktionsdesign und das logische Design gewissermassen die Spezifikation für das Kanaldesign. Die
Möglichkeiten und Beschränkungen oder allgemein die Charakteristika der IKT-Infrastruktur wirken sich jedoch auch rückwirkend auf die Gestaltung der Interaktionsbeziehungen
aus und müssen daher bereits beim O-, I-, und L-Design beachtet werden. Beispielsweise
kann das Verhalten eines Agenten nur bedingt durch die Plattform forciert werden, was
durch organisatorische Regelungen, z.B. die Einführung eines Moderators in eine Diskussionsgruppe, kompensiert werden muss. Diese organisatorischen Regelungen haben dann
wiederum Auswirkungen auf die informationstechnische Gestaltung. Daher müssen generell
alle vier Designebenen explizit betrachtet werden. Bei der Modellierung des Kanaldesigns
wird jedoch in dieser Arbeit von technischen Implementierungsdetails sowie von den Fein-
202
Entwicklung der Patternsprache
heiten der – graphischen – Schnittstellengestaltung abstrahiert. Hier sei auf die Patterns des
Software Engineerings und des HCI Designs verwiesen (s. dazu insbesondere die Abschnitte
D 2.2 und D 2.3). Im Fokus der Patternbeschreibungen stehen dagegen die organisatorischen
Strukturen und Abläufe unter Berücksichtigung der Möglichkeiten und Beschränkungen der
IKT-Infrastruktur sowie die Ableitung von Anforderungen an ihre Umsetzung im Kanalsystem.
E 1.3
Methodik: Herleitung und Validierung
Den Ausgangspunkt für die Herleitung der Patterns bildet die durch die Metasprache vorgegebene Strukturierung des Designraumes in die acht Szenencluster und die zeitlichen und
inhaltlichen Relationen zwischen den Patterns. Sie definieren die Szenen und die mit diesen
verbundenen Ziele, die durch die Patternsprache abgedeckt werden müssen, sowie die möglichen Beziehungen zwischen den Patterns. Im folgenden wird nun die Methodik entwickelt,
die der konkreten Herleitung der Patterninhalte zu Grunde gelegt werden soll.
Gemäss den Ausführungen des Kapitels D 1 beruht der Patternansatz darauf, dass gutes Designwissen in Form bewährter Lösungen auf wiederkehrende Probleme systematisch erfasst
wird. Diese Lösungen leiten sich also aus der Designpraxis ab. Die Patterns stellen dabei die
Generalisierungen von Best Practice Cases dar.
Da es sich beim Design von digitalen Produkten um eine relativ junge und dynamische Designdisziplin handelt, gibt es in der Praxis noch wenige Beispiele, die den Anforderungen
der in Abschnitt E 1.1 definierten QWAN genügen. Weiterhin bedarf die systematische Ableitung von Patterns des Rückgriffs auf ein theoretisches Fundament. Hier sind dies die
Theorien des Konsumentenverhaltens sowie die Potentiale digitaler Produkte und Interaktionsräume:
• Die Erkenntnisse des Konsumentenverhaltens motivieren und erklären die Lösung
wiederkehrender Problemsituationen sowie auch das Zustandekommen dieser Probleme selbst.
• Die Charakteristika digitaler Interaktionsräume zeigen Möglichkeiten zur Erhöhung des
Kundenwertes der jeweiligen Szene durch den gezielten Einsatz der IKT auf. Sie gehen
daher vorrangig in die Gestaltung der Lösung ein. Aber auch sie können einen Einfluss
auf das Zustandekommen der Problemsituationen haben. So bewirkt die Fähigkeit digitaler Interaktionsräume, Daten über den Anwender zu sammeln, zu verarbeiten und
weiterzuleiten, eine Gefahr für den Schutz privater Informationen des Anwenders, denen durch entsprechende organisatorische, kommunikative und informationstechnischen Massnahmen zu begegnen ist.
Wie in Abbildung E 1-3 illustriert, beruht die Herleitung der konkreten Patternsprache somit
auf zwei Säulen:
1.
Eine Säule für die Motivation und die Erklärung der Patterns, basierend auf dem in
dieser Arbeit aufgebauten Theoriegerüst. Sie besteht aus:
• den Kenntnissen über das Konsumentenverhalten und
Design Patterns für digitale Produkte
203
• den Kenntnissen über die Charakteristika digitaler Interaktionsräume,
2.
Eine Säule für die Umsetzung, basierend auf dem Best Practice Wissen aus der
Designpraxis sowie eigenen Erfahrungen im Zuge mehrjähriger Forschungsarbeiten
im Bereich des Designs digitaler Produkte und Interaktionsräume.
Patternsprache
Überzeugung
Entscheidung
Absicht
Verhandlung
Awareness
Wissen
Abwicklung
Kunden betreuung
Anwendung
Theoretische Grundlagen:
• Konsumentenverhalten
• Eigenschaften Digitaler
Produkte
Best Practice Wissen aus der
Design Praxis
Eigene Designerfahrungen
Abbildung E 1-3: Methodik zur Herleitung der Patternsprache
Die Berücksichtigung der theoretischen Aspekte, die sich darüberhinaus bereits in der
Strukturierung der Metasprache in die verschiedenen Szenencluster widerspiegeln, bringt
weiterhin die folgenden Vorteile:
• Sie erhöht das Verständnis der Lösung und der Problemsituation.
• Sie erleichtert die Anwendung und Anpassung der Patterns: Annahmen über den Anwendungskontext, insbesondere die „Kontextvariable Mensch“ sowie über die technischen Möglichkeiten und Beschränkungen der IKT-Infrastruktur, steuern die zielgerichtete Anwendung der Patterns.
Neue Erkenntnisse der Konsumentenforschung sowie Fortschritte der IKT können
durch Anpassungen der Patterns resp. Erweiterungen der Patternsprache konsistenzerhaltend in die Patternsprache integriert werden.
• Die Patterns erhalten durch die theoretische Untermauerung einen verstärkt normativen Charakter. Patterns spiegeln nicht nur das in bestehenden digitalen Produkten gespeicherten Designwissens wider, sondern tragen weiterhin zur Bildung neuen Designwissens bei.
In den Patterns wird die theoretische Säule explizit in der Patternkomponente „Rational“ erfasst. Das abstrakte Pattern umfasst dabei die verschiedenen theoretischen Kenntnisse, die in
dieser Phase zu berücksichtigen sind. Die konkreten Szenepatterns beschreiben dann die
Umsetzung des Rationals in Form der Ausgestaltung der entsprechenden konkreten Szenen
der Anbieter-Kunde-Interaktion. Die abstrakten Patterns liefern damit einen Rahmen für die
konkreten Szenepatterns und motivieren durch das Rational deren Design.
204
Entwicklung der Patternsprache
Die Validierung der Patterns beruht ebenfalls auf diesen beiden Säulen. Die Qualität der Lösungen wird somit zum einen durch deren erfolgreiche Anwendung beim Design digitaler
Produkte und zum anderen argumentativ durch die theoretische Fundierung bezeugt.170
E 1.4
Cases
Wie im vorangegangenen Abschnitt erläutert, basiert die Herleitung der Patternsprache auf
den beiden Säulen: (1) Best Practices und (2) theoretisches Wissen über das Konsumentenverhalten und die Eigenschaften digitaler Produkte.
In diesem Abschnitt werden als Vorbereitung für die konkrete Herleitung der Patterns die
dort verwendeten Best Practice Beispiele vorgestellt: (1) amazon.com Inc., (2) Dell Computer
Corporation, (3) eBay Inc. und (4) jobfair24. Essentiell für die Qualifikation als Best Practices ist
dabei deren Erfolg bei den Kunden, primär gemessen an der Zufriedenheit und Grösse ihres
– aktiven – Kundenstammes. Diese vier Services unterscheiden sich dabei in ihrem Innovations- resp. Neuigkeitsgrad.171 Bei amazon.com handelt es sich weitestgehend um die
Übertragung eines aus der Offline-Welt bereits gut bekannten Geschäftsfeldes, das des
Buchhandels oder generell das des – spezialisierten – Kaufhauses. Gleiches gilt für Dell.com,
einen Online-Verkäufer von Computer Hardware einschliesslich der zugehörigen Services.
Sowohl bei amazon.com als auch bei Dell.com ergeben sich jedoch durch die Übertragung auf
das elektronische Medium weitreichende Möglichkeiten zur Verbesserung des Kundenservices. Auch eBay.com, das momentan weltweit führende Online-Auktionshaus, bietet einen prinzipiell bekannten Service an, mit dem jedoch die angestrebte Zielgruppe der Privatkunden zumeist wenig vertraut ist. Es weist daher gegenüber amazon.com und dell.com einen
höheren Innovationsgrad auf. Dieser wird lediglich von Jobfair24.de übertroffen, dem ersten
Online-Anbieter von virtuellen Jobmessen.
Im folgenden werden die vier Vertreter erfolgreicher digitaler Produkte einzeln vorgestellt.
Diese Übersicht umfasst jeweils, die „Entstehungsgeschichte“, den „Leistungsumfang“ und,
in Form einer „Bewertung“, zentrale Geschäftszahlen, die Rückschlüsse über den Erfolg des
digitalen Produktes in ihrem jeweiligen Kundenkreis gestatten. Jeder Case als Ganzes betrachtet qualifiziert sich dabei durch diesen Erfolg bei den Kunden als Best Practice. Analysiert man jedoch die einzelnen Szenen isoliert, so treten für jede Szene jeweils verschiedene
der Produkte besonders hervor. Diese bilden dann die praktische Grundlage für die Ableitung der jeweiligen Patterns dieser Szene.
170 Darüberhinaus sollte die Validität der Patterns und der Patternsprache weiterhin durch die die
Anwender resp. die Kunden bestätigt werden. Diese Validierung kann dabei auch technisch
unterstützt werden. Die Möglichkeiten reichen hier von der Online-Befragung der Kunden bis
zur Protokollierung des Kundenverhaltens mit anschliessender Ableitung von Kenngrössen der
Kundenzufriedenheit. Alternativ können auch verschiedene Beobachtungstechniken angewandt werden (s. z.B. (Creative Good 2000: 20)). Dies würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit
sprengen und soll daher als Anregung für nachfolgende Arbeiten dienen.
171 Für das hier zugrundegelegte Verständnis von Innovation s. Abschnitt C 2.1.3.
Design Patterns für digitale Produkte
205
E 1.4.1 Amazon.com Inc.
Der erste Best Practice Case ist amazon.com, ein Online-Einzelhändler, der sich seit seiner
Gründung im Jahre 1995 vom Online-Buchhändler zum virtuellen Kaufhaus entwickelt hat,
das eine breite Palette verschiedener Produktkategorien sowie zusätzliche Services, wie
Auktionen, in seinem Angebot vereint.
Entstehungsgeschichte
Amazon.com wurde von Jeff Bezos im Jahre 1994 in Seattle gegründet. Im Juli 1995 ging das
Unternehmen Online. Der Börsengang erfolgte dann im Mai 1997.
Von Anfang an bediente amazon.com einen internationalen Kundenkreis.172 Um den Interessen der internationalen Kunden besser gerecht werden zu können, wurden 1998 lokale
amazon Sites in Deutschland (amazon.de) und in Grossbritannien (amazon.co.uk) etabliert. Im
Jahre 2000 wurden diese um zwei weitere Sites in Frankreich und Japan ergänzt.
Leistungsumfang
Amazon.com begann als reiner Online-Buchhändler. Bei Büchern handelt es sich um ein Produkt mit einer sehr hohen „Variantenvielfalt“. Durch die Möglichkeit der Abbildung der Information über Bücher in ein IT-System kann der Kunde bei der gezielten Suche nach geeigneten Büchern unterstützt werden. Weiterhin wird durch die Möglichkeit der Digitalisierung
der Beschreibung sowie auch der Buchinhalte (oder Auszügen daraus) die Qualität der Suche erhöht. Bei der Übertragung in die Online-Welt lassen sich bei Büchern somit schnelle
und deutliche Mehrwerte erzielen.
Ab dem Jahre 1998 erweiterte amazon.com sukzessive seine Angebotspalette.173 Sie umfasst
heute neben Büchern, Musikartikel, DVDs, Videos, Elektronikartikel, Spielwaren, Kameras
und Photoartikel, Software, Computer und Videospiele, Werkzeuge, Gartenartikel, Küchenartikel und mobile Endgeräte. Weiterhin wurde das Angebot um weitere Services ausgeweitet. So bietet amazon.com Dritten in seinen ZShops die Möglichkeit, ihren eigenständig geführten Online Shop durch amazon.com hosten und in die amazon Site integrieren zu lassen.
Dadurch vergrössert sich die Angebotspalette von amazon.com um weitere Produkte. Zusätzlich wurde die Shop-Funktionalitäten um eine Auktionsplattform erweitert. Amazon.com
wird dabei jeweils am generierten Umsatz beteiligt und erhebt weiterhin Gebühren für die
Nutzung der technischen Infrastruktur.
amazon.com zeichnet sich, vor allem in bezug auf die von ihnen selbst direkt geführten Online
Shops, dadurch aus, dass sie stets versuchen, die Möglichkeiten der Informationstechnologie
auszuschöpfen, um ihren Kunden einen grösstmöglichen Mehrwert zu verschaffen. So nut-
172 Im Juli 1995 belieferte amazon.com Kunden aus 45 verschiedenen Ländern. Und auch im Jahre
2000 stammten 13.8% der Einnahmen aus Verkäufen ins Ausland (Krishnamurthy 2001).
173 Im Juni 1998 um Musik, im November des gleichen Jahres um DVDs, im Juli 1999 um Spielwaren
und Elektronikartikel, im November 1999 um Haushaltswaren, Software und Videospiele.
206
Entwicklung der Patternsprache
zen sie diese u.a., um ihre Web-Seiten auf die Bedürfnisse des Einzelnen zuzuschneiden und
persönliche Empfehlungen und Benachrichtigungen auszusprechen und automatisch an die
jeweiligen Kunden zu versenden. Sie waren weiterhin die ersten, die es den Kunden ermöglichten, persönliche Wunschlisten zu verwalten und Produkte durch Spezialisten und auch
Kunden bewerten zu lassen, wobei diese Bewertungen selbst wieder durch die Kunden beurteilt werden können. Sie halten weiterhin ein Patent auf den Mechanismus des „OneClick-Shoppings“, der es wiederkehrenden Kunden ermöglicht, mit nur einem Mausklick ein
Produkt zu kaufen.
Darüberhinaus war amazon.com auch das erste Unternehmen mit einem sogenannten
„Affiliates-Program“. Dabei werden Links auf die eigene Service Site in andere etablierte
Service Sites integriert. Die „Affiliates“ werden dann prozentual an den über diesen Link zustande kommenden Einnahmen beteiligt. Bereits Ende Dezember 2000 nahmen über 530000
Web Sites an diesem Programm teil (Amazon.com Inc. 2001: 4).
Bewertung
Von der Kundenseite aus betrachtet, handelt es sich bei amazon.com (und auch ihren Tochterunternehmen, insbesondere die bereits etablierten amazon.de und amazon.co.uk) um eines
der erfolgreichsten Online-Unternehmen. Gemessen an der Kundenausrichtung ihres Services dominieren sie die jeweiligen Konkurrenzunternehmen im Online-Verkauf von Büchern,
Spielsachen, Videos und Musik (s.Tabelle E 1-1) (Krishnamurthy 2001).
Bücher
Spielsachen
Videos
Musik
(Frühjahr 2000)
(Herbst 2000)
(Sommer 2000)
(Sommer 2000)
1
Amazon.com
2
8.66 Amazon.com
8.02 Amazon.com
8.40 Amazon.com
8.16
Barnesandnoble.com 7.63 SmarterKids.com 7.99 Buy.com
8.25 CheckOut
7.67
3
Buy.com
7.50 ZanyBrainy.com
7.33 CDNOW
7.73 Buy.com
7.51
4
Borders.com
7.38 Kbkids.com
7.06 Express.com
7.58 Barnes
7.47
5
Booksamillion
7.35 Wal-Mart
6.33 800.com
7.29 CDNOW
7.24
6
Fatbrain.com
6.71 Nutty-Putty.com 6.30 CheckOut
7.25 SamGoody
6.89
Enter
7
Wal-Mart
6.60 JC Penney
5.73 Blockbuster
7.03 Tower
6.86
8
Gohatings.com
5.92 Target
5.61 Bigstar.com
6.90 Express.com
6.85
9
Varsitybooks.com
5.83 FAO Schwartz
5.56 Borders.com
6.86 ARTISTdirect.com 6.45
10 BookBuyerOutlet
5.43
SamGoody.com 6.83 MuZic
6.31
Tabelle E 1-1: Vergleich von amazon.com mit ihren Konkurrenten bzgl. der Ausrichtung auf das Wohl ihrer
Kunden an Hand einer Punkteskala mit einem Maximalwert von 10 Punkten, s.: Gomez.com im Juli 2001.
Die Zufriedenheit der Kunden zeigt sich durch eine Steigerung der Anzahl Kunden von 14
Millionen im Jahre 1999 auf 20 Millionen im Jahre 2000 (Amazon.com Inc. 2001).174 Im glei-
174 Im Dezember 1997 waren es noch 1.5 Millionen (Amazon.com Inc. 2000).
Design Patterns für digitale Produkte
207
chen Zeitraum stieg der von einem Kunden durchschnittlich ausgegebene Betrag um 19%
auf $ 134 (Amazon.com Inc. 2001). Ein weiterer wichtiger Indikator für die erfolgreiche Ausrichtung von amazon.com auf das Wohl ihrer Kunden ist die Bewertung mit 84 Punkten auf
dem „American Customer Satisfaction Index“, einer Bewertung die in dieser Höhe bisher
noch von keinem anderen Dienstleister erreicht wurde (Amazon.com Inc. 2001).
Trotz dieser erfolgreichen Bilanz aus Sicht des Kunden ist es amazon.com immer noch nicht
gelungen, Gewinne zu erwirtschaften. Wesentliche Gründe dafür sind fehlgeschlagene Investments in andere Firmen und eine zu schnelle Expansion in fremde und noch nicht vollkommen verstandene Betätigungsfelder (Krishnamurthy 2001).
E 1.4.2 Dell Computer Corp.
Der zweite Case umfasst Dell.com, den weltgrössten Direktverkäufer von Computersystemen. Sein Kundenkreis richtet sich an Firmen wie auch an Privatkunden mit einem Schwerpunkt auf dem Firmensektor. Aufgrund der Ausrichtung der Patternsprache interessiert
dennoch vorrangig das Privatkundensegment.
Entstehungsgeschichte
Das Unternehmen Dell wurde im Jahre 1984 von Michael Dell gegründet. Die Geschäftsidee
beruhte darauf, durch den Verkauf von Produkten direkt an den Kunden, diesen besser kennenlernen zu können und ihm dadurch individuell auf seine Bedürfnisse zugeschnittene
Systeme anbieten zu können. Die Web Site Dell.com wurde im Jahre 1995 gestartet. Aktuell
unterhält 80 länderspezifische Sites.
Leistungsumfang
Das Leistungsangebot von Dell umfasst den Verkauf von Computersystemen (Servern, Speichermedien, Workstations, Notebooks und Desktops) sowie Peripheriegeräten und Software
ihrer Partnerunternehmen. Es wird ergänzt durch ein weitreichendes Serviceangebot, einschliesslich On Site Installationen und Beratungsleistungen. Letzteres richten sich vor allem
an Grosskunden.
Um das Produkt optimal an die individuellen Bedürfnisse und Wünsche ihrer Kunden anpassen zu können, ermöglicht die Web Site von Dell die Konfiguration von Computersystemen durch den Kunden selbst. Die Abwicklung der Transaktion sowie die Verfolgung des
Orderstatus erfolgt ebenfalls über die Web-Schnittstelle. Auf der Web Site findet sich weiterhin eine ausführliche Support-Sektion, in der dem Kunden ein vielfältiges Hilfsangebot zur
selbständigen Beseitigung auftretender Probleme bei der Anwendung des erworbenen Systems angeboten wird.
Spezielle weiterführende Dienstleistungen, die teilweise auch auf der Web Site abgebildet
werden, richten sich vor allem an Grosskunden. Für eine ausführliche Erläuterung des
Serviceangebots sei daher auf (Dell Computer Corp. 2001) verwiesen.
208
Entwicklung der Patternsprache
Bewertung
Ein Grossteil der Kunde-Anbieter Aktivitäten werden über die Web Site von Dell abgewickelt: Dies umfasst ca. 50% der Verkaufstransaktionen, 50% der Supportdienstleistungen und
75% der Auftragsverfolgungen (Dell Computer Corp. 2001). Alle länderspezifischen Sites zusammengenommen, erhält Dell.com pro Vierteljahr 500 Millionen Seitenzugriffe. In der
Weihnachtszeit 2000 erreichte das Unternehmen nach Nielsen / Net Ratings sogar den dritten Platz der meistbesuchten Web-Sites (Dell Computer Corp. 2001).
Gemessen am Marktanteil ist Dell der führende Verkäufer von Computersystemen weltweit.
Die Gewinne im Fiskaljahr 2001 belaufen sich dabei auf $31.9 Milliarden. Sogar wenn man
nur die Internet-Verkäufe betrachtet, nimmt Dell den Rang des 125-grössten US-Unternehmens ein (Amazon.com Inc. 2001).
E 1.4.3 eBay Inc.
Der dritte Case beschreibt eBay Inc., das momentan grösste Online-Auktionshaus auf dem
Internet.
Entstehungsgeschichte
eBay Inc. wurde im September 1995 gegründet und ging am Labor Day des selben Jahres online. Im September 1998 folgte der Börsengang. Mittlerweile verfügt eBay über ein Netz von
Auktionsplattformen in 10 Ländern.175 Neben diesen Sites auf nationaler Ebene eröffnete
eBay weitere Sites auf regionaler Ebene, die sich auf den Handel von regional-typischen Produkten oder auch sperrigen Gütern, die hohe Lieferkosten verursachen würden, spezialisieren.
Leistungsumfang
Das – initiale – Kerngeschäft von eBay ist seine Online-Auktionsplattform. Sie gestattet es
Verkäufern, ihre Waren darzustellen, Käufern Gebote abzusetzen, ersteigerte Produkte zu
kaufen und allen Teilnehmern, das breite Angebot zu sichten. Das Angebot beläuft sich
mittlerweile auf mehr als sechs Millionen Artikel in mehr als 8000 Kategorien (beides Stand
vom 31. Dezember 2000) (eBay Inc. 2001: 1).176 Dieses Angebot wird durch spezielle Marktplätze zur Versteigerung von Autos, inklusive Zubehör- und Ersatzteile (eBay Motors) sowie
von hochwertigen Kunst- und Sammlerstücken (eBay Premier) ergänzt.
Neben diesem Auktionsservice bietet eBay mit Half.com eine Verkaufsplattform für Produkte
mit einem zuvor festgelegten Preis an. Sie eignet sich somit vor allem für den Verkauf von
Massengütern und richtet sich an Kunden und Verkäufer, denen der Auktionsmechanismus
175 Neben den USA umfasst dies Sites in Deutschland, Grossbritanien, Australien, Japan, Kanada,
Frankreich, Österreich, Italien und Südkorea.
176 Die Hauptkategorien umfassen Antiquitäten und Kunstartikel, Filme, Musik, Münzen und
Briefmarken, Sammlerstücke, Computer, Puppen, Puppenhäuser, Schmuck, Fotoartikel und
Elektronik, Ton- und Glasartikel, Immobilien, Sportartikel, Spielwaren und Verschiedenes.
Design Patterns für digitale Produkte
209
zu aufwendig ist oder von denen er als unangenehm empfunden wird. Um dieser
Käufergruppe gerecht zu werden, wurde auch die Auktionsplattform selbst um einen
weiteren Modus, das sogenannte „Buy it now“ erweitert, der es Kunden ermöglicht, ein
Produkt direkt zu einem zuvor festgelegten Preis zu kaufen. Auf Half.com werden mehr als
acht Millionen Artikel zum Verkauf angeboten (ebenfalls Stand Dezember 2000) (eBay Inc.
2001).
Einen besonderen Wert legt eBay auf den Schutz der Sicherheit ihrer Community-Mitglieder,
d.h. aller registrieren Teilnehmer an der Auktionsplattform. eBay etabliert daher verschiedenste Massnahmen, um diese vor finanziellen Verlusten zu schützen.177 Dabei waren sie
auch die ersten, die ein Community Rating einführten, bei dem die Mitglieder selbst dazu
aufgerufen werden, ihre Handelspartner nach dem Abschluss einer Geschäftstransaktion zu
bewerten.
Mit einem breiten Support-Programm unterstützen sie weiterhin ihre Anwender bei der Klärung auftretender Fragestellungen sowie beim Auf- und Ausbau des für die optimale Nutzung des Services benötigten Wissens.
Schliesslich bemüht sich eBay intensiv um die Pflege und den Ausbau ihrer MitgliederCommunity. Mit verschiedenen Möglichkeiten zum gegenseitigen Austausch über gemeinsame Interessengebiete in Form von Diskussions- und Chatgruppen, ermöglicht sie den Aufbau persönlicher Beziehungen zwischen den Teilnehmern. Weiterhin hat der Einzelne die
Möglichkeit, sich in einer eigenen „About Me“ Sektion den anderen Community-Mitgliedern
zu präsentieren. Die Community wird ebenfalls in den Ausbau des Services sowie in die sozialen Aktivitäten von eBay integriert. So finden sich eigene Diskussionsgruppen über Möglichkeiten zur Verbesserung des Services sowie über sinnvolle Einsatzmöglichkeiten der
Gelder der eBay Foundation.
Bewertung
eBay operiert den derzeit weltweit grössten Online-Marktplatz im Internet. Nach den Messungen von Nielsen Net Ratings & Harris Interactive eCommercePulse ist sie die am besten
bewertete Auktions-Site, gemessen an den Kriterien Gewinn, Zufriedenheit der Kunden und
Umwandlungsrate (von Besuchern zu aktiven Teilnehmern an Auktionen) (s. Tabelle E 1-2)
(Krishnamurthy 2001).
Auktions-Site
1
eBay.com
(ohne Half.com)
2
3
Gewinne in
$ Millionen
Anteil am Gesamtgewinn
Zufriedenheit
Umwandlungsrate
357.51
64.30%
8.42
22.50%
uBid.com
81.73
14.70%
7.87
11.00%
Egghead.com
22.24
22.24%
7.75
8.00%
177 Diese umfassen Massnahmen wie Treuhänder, Entschädigung bei Betrugsfällen, Zugang zu
Schiedsgerichten, etc.
210
Entwicklung der Patternsprache
4
Yahoo! Auctions
13.34
13.34%
7.84
4.40%
5
Amazon
tions
11.12
11.12%
7.64
6.50%
Auc-
Tabelle E 1-2: Ranking der Auktionsplattformen in den US im Mai 2001. Quelle: Nielsen NetRatings & Harris
Interactive eCommercePulse.
Insgesamt wurden im ganzen Jahr 2000 mehr als 254.7 Millionen Artikel gelistet und ein Gesamtumsatz von $5.4 Milliarden generiert (eBay Inc. 2001).
Die eBay Community umfasst mehr als 29.7 Millionen registrierte Benutzer (Stand Herbst
2001). Gemessen an der gesamten Zeitdauer, die Kunden auf der Site verbringen, ist sie die
momentan beliebteste Shopping Site auf dem Internet (eBay Inc. 2001). Die durchschnittliche
Aufenthaltsdauer eines Benutzers betrug dabei im September 2000 119.6 Minuten per Monat.
Weiterhin wurde eBay 2001 mit verschiedensten Auszeichnungen honoriert, u.a. dem „Best
Customer Satisfaction“ Award des Marktforschungsunternehmens Satemetrix (eBay Inc.
2001).178
E 1.4.4 Jobfair24
Der letzte Case, Jobfair24, ist wohl der in der Liste der vier Cases neuartigste Service.179
Jobfair24 betreibt die weltweit erste virtuelle interaktive 3D Personalrecruiting-Messe im Internet. Ihre Zielgruppe sind Studenten, Absolventen sowie junge Berufstätige.
Entstehungsgeschichte
Bei Jobfair24 handelt es sich um ein noch sehr junges Unternehmen. Gegründet im Jahre 1998
unter dem Namen Uniworkers, wurde es im Jahre 2000 zu Jobfair24 umbenannt. Die Messe
ging dann im Frühjahr 2000 online. Im Oktober 2001 wurde die auf den deutschen Raum fokussierte Plattform www.jobfair24.de um eine Plattform für den Schweizer Markt,
www.jobfair24.ch, ergänzt.
Leistungsumfang
Im Zentrum des Leistungsangebotes stehen die dreidimensionalen Messehallen der
Jobfair24.de und die darin abgehaltenen Messetage. In den Hallen können sich Personalverantwortliche der beteiligten Firmen mit potentiellen Bewerbern treffen und via Chat-Kommunikation austauschen. Jeder Teilnehmer wird dabei durch einen dreidimensionalen Avatar repräsentiert, mit dessen Hilfe er sich durch die dreidimensionalen Räume bewegen
kann. Die Bewerber haben weiterhin die Möglichkeit, sich auch untereinander zu unterhalten. Die Gespräche finden zunächst generell öffentlich statt. Durch einen einfachen Mausklick können diese jedoch in ein Vieraugengespräch transformiert werden. Jedes vertretene
Unternehmen kann sich auf einem eigenen Stand präsentieren. Dort liegen dann auch In178 Für weitere Auszeichnungen siehe http://pages.ebay.com/aboutebay/overview/awards.html
(Zugriff. 17.10.2001)
179 Für das hier zugrundegelegte Verständnis von innovativ oder neuartig siehe Abschnitt C 2.1.3.
Design Patterns für digitale Produkte
211
formationsmaterialien für die interessierten Bewerber aus.180 Die Bewerber haben weiterhin
die Möglichkeit, ihr Profil in einer digitalen Bewerbungsmappe abzulegen. Diese kann im
Zuge oder im Anschluss an ein Bewerbungsgespräch an die interessierenden Firmen weitergeleitet werden.
Die Initiative für die Aufnahme eines Gespräches kann von allen Beteiligten ausgehen.
Durch das Anklicken des zugehörigen Avatars wird das Interesse an der Eröffnung eines
Gespräches signalisiert. Die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Bewerberprofile der angemeldeten Teilnehmer unterstützt eine gezielte Ansprache interessanter Bewerber durch
die Unternehmensvertreter.
Die Messetage finden regelmässig, d.h. generell einmal im Monat statt. An diesen Tagen sind
alle Stände der Messe mit Vertretern der entsprechenden Firmen besetzt. Die Teilnehmer haben den Vorteil, mit verschiedenen Firmen Kontakt aufzunehmen. Die Unternehmen selbst
profitieren vom auch durch andere Unternehmen generierten Besucherstrom. Neben der
Teilnahme an den Messetagen haben die Unternehmen die Möglichkeit, die virtuellen
Räumlichkeiten für individuelle Veranstaltungen, wie Sprechstunden oder auch spezielle
Workshops, zu nutzen.181
Das Leistungsspektrum umfasst weiterhin eine Online-Datenbank mit einer nach verschiedenen Kriterien durchsuchbaren Liste von Stellenangeboten. Auch hier besteht die Möglichkeit, auf ein interessantes Angebot mit der Versendung der eigenen Bewerbungsmappe zu
reagieren.
Schliesslich bietet jobfair24.de den Bewerbern Informationen und auch interaktive Beratungsleistungen über Karrierefragen an. Hierbei arbeiten sie sehr stark mit dem Unternehmen www.westerwelle.de, einer Portal-Site für Berufs- und Karrierefragen, zusammen.
Bewertung
Seit ihrem Online-Start im Frühjahr 2000 konnte Jobfair24.de ein schnelles und starkes
Wachstum verzeichnen. Aktuell (Stand Herbst 2001) nehmen an den Messetagen ca. 45 Unternehmen teil. In der Stellendatenbank finden sich Angebote von ca. 100 Firmen. Jeden Tag
informieren sich durchschnittlich 1000 Bewerber an den Messeständen. Die Anzahl der Messebesucher stieg dabei von Januar 2001 bis September 2001von 1139 auf 3498 und die der aktiv am Chat Beteiligten im gleichen Zeitraum von 513 auf 2069. Die durchschnittliche Verweildauer der Chat-Teilnehmer lag im September bei 38.4 Minuten (s. (Jobfair24.de 2001)).
Angesichts der kurzen Zeit ihres Bestehens ist es noch zu früh, um eine abschliessende Bewertung des Online Recruiting-Services abzugeben. Die Akzeptanz und der Erfolg bei der
angesprochenen Kundengruppe zeigt sich allerdings durch ihre durchwegs positive Resonanz bei Bewerbern und insbesondere auch bei renommierten Unternehmen, die sich im di180 Sie sind auch an den Tagen und zu den Zeiten einsichtbar, zu dem keine Messeveranstaltungen
stattfinden.
181 Einige Unternehmen mieten sich sogar in einer vollständigen Halle ein.
212
Entwicklung der Patternsprache
rekten Feedback, aber vor allem auch in der schnellen Zunahme der aktiven Teilnehmer sowie der beteiligten Unternehmen widerspiegelt.
E 2 Patternsprache für digitale Produkte
In diesem zentralen Kapitel der Arbeit werden die Patterns für das Design digitaler Produkte
aus der kundenzentrierten Sicht abgeleitet. Ausgangspunkt bildet die im vorangegangenen
Kapitel entwickelte Metasprache. Sie wird hier unter Anwendung des ebenfalls in Kapitel
E 1 dargelegten methodischen Vorgehens mit Inhalten gefüllt.
Awareness
Etabliertes
Produkt
Aktive
Suche
Soziales
Netzwerk
Persönlicher
Nutzen
Risikomind.
Produkt
Überzeugung
Verhandlung
Abwicklung
Anwendung
Produkt
Anwender
Community
Risikomind.
Dritte
Entscheidung
Absicht
Support
Soziales
Netzwerk
Risikomind.
Anwendercom.
Etabliertes
Produkt
Transparente
Auslieferung
Treuhanddienst
Probeweise
Anwendung
Anreize
Interessen
Community
Beratungsgespräch
Auktion
Checkout
Automatischer
Abgleich
K.Betreuung
Individuelle
K.Betreuung
Community
Versicherung Schiedsgericht
Etabliertes
Produkt
Registration
Wissen
FAQ
Demo
Experten
HilfeCommunity
Abbildung E 2-1: Überblick über die entwickelte Patternsprache
Abbildung E 2-1 gibt eine Übersicht über alle Patterns dieser Sprache. Die konkreten
Szenepatterns, deren Gestaltung vom Produkt selbst direkt beeinflusst werden kann, sind
hellgrau unterlegt, diejenigen, die sich in ein anderes Theaterstück eingliedern, sind weiss
unterlegt und diejenigen, die sich in ein nicht direkt beeinflussbares soziales Umfeld eingliedern, sind dunkelgrau unterlegt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden lediglich die
zentralen zeitlichen Abhängigkeiten durch gestrichelte Linien gekennzeichnet. Die vollständigen Abhängigkeiten werden in den jeweiligen Ausführungen zu den Szenenclustern in
den folgenden Abschnitten ergänzt.
Die Einordnung in den Kontext und somit die Beziehung zu den Patterns anderer Szenen
(Kontext und verwandte Patterns), die generelle Problemsituation (Problem), allgemeine Gestaltungshinweise (Lösung) sowie insbesondere die in dieser Phase zu berücksichtigenden
Design Patterns für digitale Produkte
213
Theorien des Konsumentenverhaltens und Eigenschaften digitaler Produkte sowie die Möglichkeiten zur Steigerung des Kundenwerts (Rational) werden jeweils in einem abstrakten
Pattern zusammengefasst. Die konkreten Szenepatterns beschreiben dann die Umsetzung
des Rationals in Form der Ausgestaltung der entsprechenden konkreten Szenen der AnbieterKunde-Interaktion. Die abstrakten Patterns liefern damit einen Rahmen für die konkreten
Szenepatterns und motivieren deren Design.
Die einzelnen Szenen werden mit Hilfe einfacher Graphiken, den Diagrammen, illustriert. Sie
erfassen die Kernaussagen jedes Patterns. Dabei sind der Kunde und etwaige weitere Beteiligte durch ein Strichmännchen dargestellt, das Produkt selbst als Stern; es ist der „Star“ der
Szene.
Soweit existent, werden weiterhin in jedem Pattern die Verbindungen zu den in Kapitel D 2
vorgestellten Patternansätzen verwandter Designdisziplinen explizit erfasst. Relevant sind
hierbei insbesondere die Patterns aus der HCI-Forschung, die Patterns für das Design von
Hypermedia-Systemen sowie die Patterns für web-basierte Electronic Commerce-Applikationen. Die entsprechenden Verweise finden sich entweder in der Patternkomponente „verwandte Patterns“, insofern sie sich auf das gesamte Szenepattern beziehen und ansonsten
innerhalb der Problemlösungsbeschreibung. Sie beziehen sich dann vorrangig auf das Kanaldesign.
In den folgenden Abschnitten werden die Patterns jeder Szene der Kunde-Produkt-Interaktion auf der Grundlage der eingeführten Best Practice Cases aus Abschnitt E 1.4 sowie der
theoretischen inhaltlichen Grundlagen der Kapitel C 1 und C 2 abgeleitet. Wie in Kapitel E 1
erläutert, fokussiert sich die Sprache auf die der eigentlichen Anwendung vor- und nachgelagerten Szenen, die für jedes digitale Produkt weitestgehend den gleichen Gestaltungsanforderungen gehorchen müssen. Die genrespezifischen Sub-Sprachen der Anwendungsphase sind dagegen nicht Gegenstand dieser Arbeit.
E 2.1
Awareness
Im folgenden Abschnitt werden die Patterns zur Gestaltung der Awarenessphase dargestellt.
Die wesentlichen Prinzipien, d.h. die Einordnung in den Kontext, die Problemstellung und
die allen Szenen gemeinsamen prinzipiellen Lösungsansätze und zu beachtende theoretischen Konzepte werden in einem abstrakten Pattern, Awareness abstrakt, erfasst. Gemäss den
unterschiedlichen konkreten Szenen innerhalb der Awarenessphase werden im Anschluss
daran die konkreten Szenepatterns, Eingliederung in etabliertes Produkt, Eingliederung in aktives
Suchverhalten, Eingliederung in soziales Netzwerk und Awareness durch Produkt abgeleitet.
Abbildung E 2-2 gibt einen Überblick über alle Patterns und illustriert die zentralen Zusammenhänge zu anderen Patterns innerhalb der gleichen Phase und zu anderen Phasen.
214
Entwicklung der Patternsprache
Awareness
Etabliertes
Produkt
Aktive
Suche
Überzeugung
Soziales
Netzwerk
Entscheidumg
Absicht
Verhandlung
Anwendung
Produkt
Abbildung E 2-2: Überblick über die Awarenesspatterns
E 2.1.1 Awareness abstrakt
Kontext: Dieses Patterncluster erfasst die erste Szene der Kunde-Produkt-Interaktion. Ausgangspunkt ist ein Kunde, dem das Produkt noch weitestgehend unbekannt ist. Im Zuge der
ersten Begegnung mit dem Produkt soll er einen ersten Eindruck vom Produkt gewinnen,
der ihn dazu motiviert, sich näher über das Produkt zu informieren oder gar das Produkt direkt erwerben zu wollen.
***
Problem: Die Innovationsrate sowie allgemein die Anzahl – neuer – Produkte, die im Markt
um die Akzeptanz und die Nachfrage durch den Kunden kämpfen, nimmt beständig zu. So
wird die Aufmerksamkeit des Kunden zur wichtigsten beschränkten Ressource (s. Abschnitt
C 1.3.3.2 und Abschnitt C1.3.2.1). Diese Problematik tritt bei digitalen Produkten in besonderem Masse auf. Sie treten in einem prinzipiell eher unstrukturierten Wirtschaftsraum, dem
Internet, auf. Der Konkurrent ist lediglich einen Klick entfernt.
***
Beispiel: s. konkrete Awarenesspatterns.
***
Lösung: Die Gestaltung dieser Szene hängt sehr stark von den situativen Bedingungen sowie
von den Charakteristika des Kunden ab. Die Beschreibung der Szenen mit Hilfe der Theatermetapher kann an dieser Stelle daher nur auf einem recht hohen Abstraktionsniveau erfolgen.
O-Design: Beteiligte an dieser Szene sind prinzipiell der potentielle Kunde und das Produkt,
resp. die Repräsentation des Produktes. Ziel des Produktes ist es, die Aufmerksamkeit und
das Interesse des potentiellen Kunden auf sich zu ziehen.
I-Design: Die Rolle des Produktes im Interaktionsprozess ist eher passiv. Die eigentliche
„Initiative“ liegt beim Kunden, der sich der Information über das Produkt aussetzt oder auch
nicht. Das Produkt kann diese Wahrnehmung lediglich dadurch beeinflussen, dass es sich (1)
in Situationen einzugliedern versucht, in denen der Kunden generell zur Informationsaufnahme bereit ist und (2) sich dort so darstellt, dass das Interesse am Produkt geweckt wird.
Welche Situationen das sind und wie sich das Produkt zu präsentieren hat, hängt vom Ver-
Design Patterns für digitale Produkte
215
halten des potentiellen Kunden, seinem logischen Raum, d.h. insbesondere seinem Vorwissen, seinen Interessen und Einstellungen ab.
L-Design: Die Darstellung des Produktes muss sich, wie bereits betont, an den logischen
Raum des Kunden anpassen. Sein Vorwissen ist entscheidend für das rasche Verständnis des
Produktes, seine Interessen und Einstellungen sind wesentlich für die erfolgreiche Erregung
seiner Aufmerksamkeit für das neue Produkt.
K-Design: Die Gestaltung der technischen Infrastruktur ist sehr stark von der konkreten Ausgestaltung der Szene abhängig und wird daher in den konkreten Szenepatterns beschrieben.
***
Alternativprodukt A
Potentieller
Kunde
Produkt
Alternativprodukt B
Alternativprodukt C
Abbildung E 2-3: Diagramm Awareness abstrakt
***
Rational: Bei der Gestaltung der Szenen dieser Phase müssen verschiedene Theorien des
Konsumentenverhaltens beachtet werden. Sie beziehen sich
1.
auf den Kommunikator und den Ort des Zusammentreffens von Kunde und Produkt:
• Die selektive Wahrnehmung wirkt als Informationsfilter. Generell sind Personen besonders dann aufnahmebereit, wenn sie aktiv auf der Suche nach einer
Problemlösung (Eingliederung in aktive Suche) sind oder aber sich für eine bestimmte Thematik interessieren (s. exploratives Verhalten in Abschnitt C 2.1.3).
• Sie können dabei jedoch auch im Zuge ihres normalen Informationsverhaltens
auf ein Produkt stossen (s. epistemisches Verhalten in Abschnitt C 2.1.3). Im digitalen Wirtschaftsraum geschieht dies zum Beispiel im Zuge des Browsens im
Internet. Hier muss das Produkt durch seine Gestaltung das Interesse des Kunden wecken (Awareness durch Produkt).
• Individuen unterscheiden sich dabei in ihrer Aufgeschlossenheit gegenüber
Neuigkeiten. Innovatoren setzten sich generell verstärkt auch externen Informationsquellen aus (s. ersten Unterpunkt Eingliederung in aktive Suche), während Imitatoren Informationen über den Filter ihres vertrauten und sozialen
216
Entwicklung der Patternsprache
Umfeldes wahrnehmen (s. Abschnitt C 2.2.2.3) (Eingliederung in soziales Netzwerk).
• Dabei spielt insbesondere die Vertrautheit des Umfeldes resp. des Kommunikators eine Rolle. Die Eingliederung in eine vertraute (Kauf-) Umgebung fördert
also die Aufmerksamkeit potentieller Kunden (Integration in etabliertes Produkt).
2.
auf die Kommunikationsinhalte; sie sind somit bei der Gestaltung aller konkreten
Szenepatterns zu beachten:
• Das Kennenlernen eines neuen Produktes erfordert eine Einordnung in die vorhandenen kognitiven Schemata des Menschen. Die Kompatibilität mit vorhandenem Wissen erleichtert die rasche Bildung eines ersten Verständnisses sowie
einer ersten Einstellung (s. Abschnitte C 2.2.1.5.2 und C 2.2.2.3).
• Die Ähnlichkeit zu einem bekannten Produkt fördert sowohl die schnelle
Einordnung des Produktes sowie auch durch die Reizübertragung die rasche
Ausbildung einer ersten Einstellung. Dabei muss jedoch gewährleistet sein,
dass der potentielle Käufer auch lernt, zwischen den ähnlichen Produkten zu
differenzieren (s. Abschnitt C 2.2.1.5.1).
• Aufmerksamkeit wird weiterhin auch durch die Erregung von (Schlüssel) Reizen sowie das Ansprechen zentraler Motive des Menschen geweckt. Sie sind
mit Emotionen verbunden, die den ersten Eindruck resp. die erste Einstellung
gegenüber einem Produkt beeinflussen können (s. Abschnitte C 2.2.1.1.1 und
C 2.2.1.1.3).
• Der Mensch strebt danach, kognitive Dissonanzen zu vermeiden. Die Erregung
kognitiver Dissonanzen kann dabei auch motivierend und anregend wirken.
Der Betroffene versucht dann durch die Suche nach weiteren Informationen,
den Widerspruch aufzulösen. Kognitive Dissonanzen können aber auch zu
Abwehrhaltungen führen und so die Wahrnehmung eines neuartigen Produktes hemmen. Diese Reaktion hängt mit dem eher innovativen oder imitativen
Verhalten des Individuums zusammen (s. Abschnitt C 2.2.1.1.2).
***
Verwandte Patterns: Im Erfolgsfall resultiert diese Phase nicht nur in der Erweiterung des
Wissensstandes des Kunden um die neue Problemlösung (das Produkt) und in der Ausbildung einer ersten Einschätzung und Einstellung gegenüber dem Produkt, sondern motiviert
den Kunden dazu, sich näher über das Produkt zu informieren oder sogar das Produkt sofort spontan erwerben zu wollen. Es findet somit ein Übergang zu den Szenen der Überzeugungsphase, der Entscheidungsphase oder direkt der Verhandlungsphase statt.
Die Awarenessphase zwischen Produkt und Kunde gliedert sich häufig in andere Interaktionsprozesse, z.B. den Kauf eines komplementären Produktes, ein. Bei der Überschneidung
der beiden Theaterstücke ist darauf zu achten, die Konsistenz beider Theaterstücke aufrechtzuerhalten.
Design Patterns für digitale Produkte
217
E 2.1.2 Eingliederung in etabliertes Produkt
Kontext: s. Awareness abstrakt
***
Problem: s. Awareness abstrakt
Die Aufmerksamkeit des potentiellen Kunden ist beschränkt. Ein grundlegendes Problem
besteht darin, dass sich der potentielle Kunde den angebotenen Informationen über das Produkt gar nicht erst aussetzt. Individuen suchen jedoch gewohnheitsmässig bestimmte
Dienste auf, die sie regelmässig in Anspruch nehmen und gegenüber denen sie bereits sowohl ein Verständnis als auch Vertrauen aufgebaut haben. Sie nutzen diese Dienste, um ein
bestimmtes Bedürfnis zu befriedigen. Ihre Aufmerksamkeit und ihr Interesse gegenüber einer diesbezüglichen Thematik ist daher bereits geweckt.
***
Beispiel: Viele Produkte nutzen andere Dienstleister mit einem bereits etablierten breiten
Kundenstamm, um ihren eigenen Dienst bekanntzumachen, d.h. Wissen über ihre Existenz
zu verbreiten, eine erste Einstellung auszubilden und potentielle Kunden zu motivieren, das
Produkt näher kennenzulernen oder auch sofort zu nutzen.
Abbildung E 2-4: Beispiel Integration von amazon.com sowohl als Problemlöser (unten links) als auch als
Werbetreibender (oben rechts) in die Community Site ivillage.com; Zugriff 21.10.2001.
So platziert amazon.com Informationen über ihren Service auf anderen frequentierten Web
Sites, wie ivillage.com und sun.com, und verlinkt diese mit der eigenen Service Site (s.
Abbildung E 2-4). Bei diesen etablierten Sites handelt es sich vor allem um erfolgreiche Produkt- und Community Sites. Die Kunden haben zu diesen bereits ein Vertrauensverhältnis
aufgebaut und betreten die Site aus einem bestimmten Bedürfnis heraus. Sie sind somit für
218
Entwicklung der Patternsprache
dort publizierte Informationen oder Services, die mit dieser generellen Thematik verwandt
sind, prinzipiell aufnahmebereiter.
amazon.com positioniert sich auf diesen Sites entweder als Werbetreibender in Form eines aktiven Werbebanners, über den man durch Anklicken auf die Seite von amazon.com gelangt,
oder aber als Problemlöser, der direkt den Erwerb von Büchern (und anderen Produkten) ermöglicht. Die Einbettung in den umgebenden Service erleichtert die Erreichung potentieller
Kunden, fördert deren Vertrauen und erleichtert durch die Einbettung in einen bestehenden
Anwendungskontext, das Verständnis des Produktes. In der Rolle des Problemlösers werden
die eigenen Dienste von einer anderen Service Site aus gestartet. Die Abwicklung findet
dann jedoch auf der Site von amazon.com selbst statt.
Die Integration der eigenen Web Site mit der des amazon-Bookstores wird durch das sogenannte „Affiliates“-Programm von amazon.com realisiert und institutionalisiert (s. Abschnitt
E 1.4.1). amazon.com ruft hierbei andere Betreiber dazu auf, ihre Site mit der von amazon.com
zu verknüpfen. Als Anreiz werden die Partner, die „Affiliates“, an jedem über den entsprechenden Link zustandgekommenen Kauf finanziell beteiligt. Durch die einfache Erweiterung
um die Funktionalitäten eines „Buch“ladens erhöht sich dabei ebenfalls die Attraktivität der
komplementären Affiliates Site.
Entsprechende Programme finden sich auch bei anderen Services wie z.B. eBay.com und
Barnesandnoble.com.
***
Lösung: Integriere das Produkt an Orte, die der Kunde häufig aufsucht, die somit bereits in
sein Problemlösungsverhalten integriert sind und zu denen er eine positive Einstellung und
insbesondere Vertrauen aufgebaut hat. Dies umfasst neben kommerziellen Produktanbietern
auch kommerzielle oder nicht kommerzielle (Interessen-) Communities.182
Im folgenden wird die Gestaltung dieses Szenarios mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben.
O-Design: Diese Szene gliedert sich in die Anwendungsphase eines anderen Produktes ein
und umfasst dort die Rolle des Kunden und die Rolle des angewendeten Produktes. Das hier
interessierende Produkt, zur Differenzierung als Produkt-Awareness bezeichnet, spielt in dieser Szene eine mehr oder weniger passive Rolle. Je nach Grad der Integration in die umgebende Szenerie ist dies die eher passive Rolle eines Werbetreibenden oder die aktivere Rolle
des Problemlösers. In beiden Rollen hat das Produkt-Awareness das Interesse, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Als Problemlöser übernimmt es jedoch weiterhin eine bestimmte
Funktion innerhalb des umgebenden Anwendungsszenarios.
182 Diese Verbindung mit einem bereits etablierten Service kann gleichzeitig auch in die
Entscheidungsphase eingliedert werden: Durch die Integration in einen etablierten Service entscheidet sich der Kunde weitgehend automatisch auch für die Nutzung des „neuen“ Services.
Die Phase der Überzeugung entfällt somit weitestgehend (s. Abschnitt E 2.3.8).
Design Patterns für digitale Produkte
219
I-Design: Wie bereits betont, spielt das Produkt-Awareness in der Rolle des Werbetreibenden
die passive Rolle des „Zaungastes“ innerhalb des Anwendungsszenarios zwischen Kunde
und dem etablierten Produkt. Es kann lediglich versuchen, durch eine geeignete Darstellung
und Positionierung am Rande des eigentlichen Anwendungsszenarios die Aufmerksamkeit
des Kunden auf sich zu ziehen und dem Kunden möglichst direkt eine Vorstellung von den
eigenen Leistungen zu übermitteln (s. Patterns Helper Posture oder Background Posture in
Tidwells (1999) Common Ground). Die Möglichkeiten zur Darstellung der eigenen Leistung
sind zumeist sehr beschränkt. Förderlich sind hier sprechende Produktnamen, kurze Hinweise auf die Besonderheiten des Produktes, die möglichst auch über die Art des Produktes
Auskunft geben. Weitere Möglichkeiten, die Aufmerksamkeit zu fördern, sind die Positionierung in inhaltlich verwandten Szenen der Anwendungsszene oder die Positionierung in
besonders hervorgehobenen Sektionen innerhalb der Szene, z.B. die der „Sponsoren“ oder
„Produktneuigkeiten“. Durch eine Aktivierung des mit der Werbebotschaft verbundenen
Links gelangt der Kunde zur Web Site des Produkt-Awareness.
In der Rolle des Problemlösers wird das Produkt-Awareness direkt in den umgebenden Anwendungskontext integriert. Die Ausgestaltung dieses Prozesses hängt dabei vom konkreten
Anwendungskontext ab.
L-Design: In der Rolle des Werbetreibenden muss sich das Produkt so positionieren und darstellen, dass es vom Kunden wahrgenommen und verstanden wird. Sprechende Bezeichner
und die Positionierung in einem bekannten Anwendungskontext erleichtern das Verständnis, ein auffälliges Design und der Appell an Reize und Motive erhöhen die Aufmerksamkeit.
In der Rolle des Problemlösers wird das Verständnis und das Interesse am Produkt durch die
direkte Eingliederung in die Szene gewährleistet.
K-Design: Die Rolle des Werbetreibenden wird technisch als Link auf die Web Site des Produkt-Awareness realisiert. Um dem Kunden die Rückkehr in den Anwendungskontext des
aktuell verwendeten Produktes zu erleichtern, sollte die Aktivierung des Links das Öffnen
eines neuen Browserfenster induzieren.
Die Integration in das Anwendungsszenario basiert auf der Eingliederung der Anwendung
in den Ablauf, d.h. in die Navigationsstruktur des Anwendungsprozesses, oder durch die
geeignete Positionierung innerhalb des Szenarios. Sprechende Bezeichner der Links oder
Aktivierungsbuttons erleichtern die Steuerung des Kundenprozesses (s. Patterns Short
Description und Pointer Shows Affordance in Tidwells (1999) Common Ground).183 Je nach
Integrationsgrad der beiden Anwendungsszenarien findet die Problemlösung selbst auf der
Site des Produktes oder der Site des Produkt-Awareness statt.
183 Weiterhin kann hier auch das Pattern Disabled Irrelevant Things zum Einsatz kommen, das vor-
schlägt, irrelevante Handlungsoptionen zu deaktivieren (Tidwell 1999).
220
Entwicklung der Patternsprache
Um die Partner-Site an dem Gewinn zu beteiligen, der durch die Aktivierung des auf ihr
plazierten Links induziert wurde, muss die Herkunft des Besuchers eindeutig identifiziert
und zugeordnet werden können. Dies kann sehr einfach durch das Mitsenden einer dem jeweiligen Partner eindeutig zugeordneten ID erreicht werden.
***
Etabliertes Produkt
Potentieller
Kunde
Produkt
Abbildung E 2-5: Diagramm Eingliederung in etabliertes Produkt
***
Rational: Der Filter der selektiven Wahrnehmung wird durch die Positionierung in einem bekannten, vertrauten (und teilweise auch sozialen) Umfeld leichter durchdrungen. Das Ansprechen von Motiven und Reizen spielt, wie beschrieben, vor allem bei der Selbstdarstellung des Produktes in der Rolle des Werbetreibenden eine Rolle. Auch der dargestellte
Neuigkeitsgrad kann das Interesse am Produkt wecken. Die Eingliederung und Abgrenzung
des neuen Produktes gegenüber bestehenden Produkten sind bei der Selbstdarstellung zu
beachten. Die Gestaltung des umgebenden Anwendungsszenarios, die Positionierung des
Produktes und wiederum die Selbstdarstellung des Produktes muss auf den kognitiven
Schemata des Kunden aufbauen, um ein schnelles Verständnis zu gewährleisten.184
***
Verwandte Patterns: In der Rolle des Werbetreibenden erreicht der Kunde über den Link die
Einstiegsseite des digitalen Produktes. Hier muss das Produkt das geweckte Interesse aufrechterhalten und vertiefen. Das vorliegende Pattern leitet daher zum Pattern Awareness-Produkt oder direkt zu den Überzeugungspatterns über. In der Rolle des Problemlösers gliedert sich
das Produkt idealerweise direkt in die Verhandlungsphase oder, bei einem höheren Integrationsgrad mit der Anwendungsszene des etablierten Produktes, in die Abwicklungs- oder
Anwendungsphase ein. Hier leitet das vorliegende Pattern daher zu den entsprechenden
Verhandlungs-, Abwicklungs-, oder Anwendungspatterns über.
E 2.1.3 Eingliederung in aktives Suchverhalten
Kontext: s. Awareness abstrakt
184 Dabei eignet sich eine Positionierung in besonders gekennzeichneten Sektionen resp. eine Einord-
nung und Abgrenzung gegenüber den in den Köpfen der potentiellen Kunden bereits etablierten Produkträumen und –kategorien.
Design Patterns für digitale Produkte
221
***
Problem: s. Awareness abstrakt
Die Aufmerksamkeit des Kunden ist beschränkt. Individuen sind jedoch insbesondere dann
aufnahmebereit, wenn sie aktiv nach Lösungsmöglichkeiten für ein aktuelles Problem suchen. In Abschnitt C 2.1.3 wurde dies als exploratives Verhalten bezeichnet.
***
Beispiel: Individuen auf der Suche nach Informationen nutzen verschiedene Informationsdienste, d.h. Verzeichnisdienste wie yahoo.com oder „Search Engines“ wie google.com, um
möglichen Problemlösungen und Angeboten auf dem Internet ausfindig zu machen.
Yahoo.com kombiniert dabei die Stichwortsuche mit einem verzeichnisbasierten Dienst. Um
das gezielte Auffinden des eigenen Produktes zu ermöglichen, muss das Produkt gewährleisten, dass es (1) bei der Eingabe gängiger Suchbegriffe an hoher Position angezeigt wird
resp. (2) in der zugehörigen Kategorie innerhalb des Verzeichnisdienstes erscheint und sich
dort so präsentiert, dass das Interesse des Kunden geweckt wird (s. Abbildung E 2-6).
Abbildung E 2-6: yahoo.com als Beispiel für einen Verzeichnisdienst mit Positionierung von Dell.com an
exponierter Position, Zugriff 11.10.2001.
Die Einordnung des Produktes in die Verzeichnisstrukturen kann in der Regel durch das
Produkt beeinflusst und gesteuert werden. So bietet z.B. yahoo.com auf seiner Site die Möglichkeit, eine Dienstleistung in die Verzeichnisstruktur aufnehmen zu lassen. Auf den Kategorienseiten findet sich dazu ein Link, über den man zu einem Online-Formular gelangt, auf
dem man eine Web Site für die Aufnahme in die jeweilige Kategorie vorschlagen kann. Für
kommerzielle Angebote erfordert dies die Leistung eines gewissen Entgeldes. Dies garantiert
dem Produktanbieter dann jedoch auch die Überprüfung des Aufnahmegesuches innerhalb
einer bestimmten zeitlichen Frist.
222
Entwicklung der Patternsprache
Abbildung E 2-7: Beispiel für die Möglichkeiten der zentralen Positionierung innerhalb der Ergebnisliste
bestimmter Anfragen, hier der Positionierung von amazon.com auf die Anfrage „Buch“, bei Google.com, Zugriff
11.10.2001.
Die Beeinflussung der Stichwortsuche ist weniger einfach und direkt möglich. Die meisten
Search-Engines nutzen die Information auf den entsprechenden Homepages und dabei vor
allem die Metatags als Grundlage für die Indizierung und das Retrieval. Durch die Verwendung geeigneter Schlüsselwörter, insbesondere im Titel und in den Metatags, kann somit die
Wahrscheinlichkeit des Auffindens des eigenen Produktes durch interessierte Kunden beeinflusst werden. Suchdienste verwenden insbesondere beim Ranking und somit bei der Darstellung der Ergebnisliste die Anzahl der vergangenen Zugriffe auf eine Site oder aber die
Anzahl der auf eine bestimmte Site verweisenden Links. Dies bevorzugt bereits bekannte
und bewährte Lösungen, benachteiligt dagegen die unbekannteren Services. Einige SearchEngines gestatten es weiterhin, die Positionierung innerhalb einer Ergebnisliste durch die
Leistung eines Entgeldes zu verbessern. So bietet beispielsweise google.com Anbietern die
Möglichkeit, auf der Ergebnisseite von bestimmten, zuvor vereinbarten Anfragen an zentralen Positionen, d.h. zu Anfang oder neben der Ergebnisliste, angezeigt zu werden (s.
Abbildung E 2-7).
***
Lösung: Integriere das Produkt resp. seine Darstellung in das Suchverhalten potentieller
Kunden.
Im Internet stehen dem Kunden verschiedene Dienste für die Suche nach Informationen über
neue Problemlösungen zur Verfügung. Generell können hier stichwortbasierte Suchdiensten
und Verzeichnisdienste unterschieden werden. Eine Möglichkeit, das Interesse des Kunden
zu wecken, besteht also darin, sich in die jeweiligen Suchprozesse zu integrieren.
Im folgenden wird der Interaktionsprozess zwischen Kunde, Intermediär und Produkt mit
Hilfe der Theatermetapher beschrieben. Dabei interessiert insbesondere, welche Möglich-
Design Patterns für digitale Produkte
223
keiten einem Produkt in dieser Szene zur Verfügung stehen, um das Interesse eines potentiellen Kunden möglichst gezielt auf sich zu lenken.
O-Design: Die Besetzung der ersten Szene umfasst primär zwei Rollen, den Informationssuchenden (und somit den potentiellen Kunden) und den Informationsanbieter oder Intermediär.
Weitere Rollen übernehmen das Produkt als möglicher Problemlöser sowie andere (Konkurrenz-) Produkte. Diese bleiben zunächst im Hintergrund und treten erst dann zum Vorschein,
wenn sie im Zuge einer Anfrage in deren Ergebnis erscheinen. Das Produkt spielt demnach in
dieser Szene eine prinzipiell passive Rolle, die es lediglich durch seine Selbstdarstellung
steuern kann. Der Kunde hat in dieser Szene das Interesse, möglichst zielgerichtet Informationen zu potentiellen Problemlösungen zu bekommen, der Intermediär die Pflicht, ihn dabei
möglichst gut zu unterstützen. Das Produkt hat weiterhin das Interesse, sich gegenüber der
Konkurrenz abzusetzen und die Aufmerksamkeit potentieller Kunden auf sich zu lenken.
I-Design: Der Ablauf des Suchprozesses richtet sich nach den zur Verfügung gestellten
Diensten185:
• Die (Stichwort-) Suche: Hier spezifiziert der Kunde durch die Eingabe von Suchbegriffen seine Anfrage und erhält eine Liste der passenden Suchergebnisse mit einer kurzen
Beschreibung der Inhalte zurück. Die Suche kann weiter verfeinert, eingeschränkt oder
erweitert oder aber auf der Grundlage einer komplett neuen Suchanfrage neu gestartet
werden. Durch das Anklicken der Ergebnisse erhält der Informationssuchende weitere
Informationen resp. gelangt zur Seite des entsprechenden Anbieters.
• Die Navigation durch Kategorie- und Themenhierarchien: Hier steuert der
Informationssuchende den Suchprozess durch die Navigation entlang eines Kategorienschemas. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt analog zur (Stichwort-) Suche.
Das Produkt kann auf den Ablauf dieser Szene lediglich durch die eigene Selbstdarstellung
Einfluss nehmen. Es muss sich in Abhängigkeit von den gegebenen Such- und Darstellungsmöglichkeiten so präsentieren, dass es (1) von potentiellen Interessenten gefunden
wird und (2) nach dem Auffinden das Interesse des potentiellen Kunden weckt. Das erste
Ziel erreicht es bei den zuvor beschriebenen Informationsdiensten wie folgt:
• Die Suche (nach Stichworten): Wie bereits am Beispiel erläutert, verwenden die meisten Search-Engines Informationen aus den Metatags und dem Titel der HTML Seiten.
Durch die Besetzung dieser Tag-Inhalte mit gängigen Suchbegriffen kann das Auffinden des eigenen Services erleichtert werden. Die Positionierung innerhalb der Suchliste
kann weiterhin oftmals durch die Leistung von Entgelten beeinflusst werden. Dadurch
tritt das Produkt bei der Anfrage nach bestimmten Suchkriterien an zentralen Positionen innerhalb der Ergebnisliste auf.
• Die Navigation durch Kategorie- und Themenhierarchien: Hier muss sich das Produkt
in das gegebene Kategorienschema eingliedern. Innerhalb dieser Kategorien sollte sich
185 Für eine ausführliche Erläuterung der Abläufe s. Pattern Automatischer Bedürfnis-Produkt Abgleich.
224
Entwicklung der Patternsprache
das Produkt wiederum an zentraler Stelle positionieren. Die Aufnahme in einen solchen Verzeichnisdienst erfolgt durch die Anmeldung des Produktes beim Service unter
Vorschlag der geeigneten Kategorie. Der Service überprüft dann das Aufnahmegesuch
und plaziert das Produkt an der geeigneten Stelle.
Nach der Begegnung des Kunden mit dem Produkt, die, wie soeben erläutert, entweder
durch die Positionierung des Produktes oder durch die geeignete Integration in den Suchmechanismus gefördert werden kann, muss das Produkt durch seine Darstellung das Interesse des Kunden wecken. Da sich der Kunde auf der Suche nach einer Problemlösung befindet, sollte die Darstellung des Produktes möglichst direkt darauf schliessen lassen, worum
es sich bei dem Produkt handelt, welche Probleme gelöst resp. Bedürfnisse befriedigt werden und welchen besonderen Nutzen das Produkt liefert. Durch das gleichzeitige Auftreten
mit anderen Konkurrenzprodukten ist hier insbesondere die erfolgreiche Abgrenzung gegenüber diesen Produkten entscheidend.
Die Selbstdarstellung wird dabei durch die Gestaltungsmöglichkeiten des Dienstes bestimmt. Bei Search-Engines werden häufig lediglich der Titel und die Metatags sowie ein
Auszug aus dem Inhalt der Web Site dargestellt. Bei Navigationsdiensten hat das Produkt
häufig die Möglichkeit einer kurzen, von ihm selbst gestalteten Selbstdarstellung. Hier gelten
ansonsten dieselben Regeln wie für die Selbstdarstellung im Pattern Integration in ein etabliertes Produkt.
L-Design: Das logische Design stellt zunächst Anforderungen an die Gestaltung der umgebenden Szenerie. Um dem Kunden die Navigation im Informationsraum zu erleichtern,
muss die Strukturierung der Informationen mit der Logik der Kunden übereinstimmen. Das
Produkt selbst hat hier lediglich die Möglichkeit, sich in eine der Kategorien einzugliedern.
Aufgrund der breiten Nutzung von Informationsdiensten ist die generelle Vorgehensweise
beim Suchen mit Hilfe dieser Dienste weitestgehend als bekannt vorauszusetzen.186
Bei der Selbstdarstellung gegenüber dem Intermediär in Form von Metatags und Inhalten
der Web Site, sowie gegenüber dem Kunden im Zuge der Ergebnisdarstellung, muss jedoch
auch das Produkt den logischen Raum des Kunden beachten. Durch die Wahl der Metatags
resp. durch die Einordnung in das bestehende Kategorienschema muss es sich so positionieren, dass potentielle Kunden bei der Suche auf das Produkt stossen. Bei der Darstellung ist,
wie bereits im Zuge des I-Designs erläutert, die Bedeutung des Produktes und idealerweise
sein besonderer Nutzen in der kurzen Darstellung klar zu kommunizieren. Hierbei sind die
kognitiven Schemata des Kunden, insbesondere bezüglich des etablierten Produktraumes,
zu beachten, um ihm eine schnelle Einordnung, aber auch eine schnelle Abgrenzung gegenüber anderen Produkten, zu ermöglichen.
K-Design: Zur Realisierung dieser Szene können gängige Search-Engines und Verzeichnisdienste genutzt werden.
Design Patterns für digitale Produkte
225
***
Potentieller
Kunde
Intermediär
Produkt
Alternative A
Alternative C
Alternative B
Abbildung E 2-8: Diagramm Einordnung in aktives Suchverhalten
***
Rational: Bei der Selbstdarstellung müssen wiederum die gleichen Prinzipien beachtet werden, wie dies bei der Integration in ein etabliertes Produkt der Fall war. Hier sei daher auf die
entsprechende Passage dieser Patternbeschreibung verwiesen.
Durch die Eingliederung in das aktive – explorative – Suchverhalten ist die Aufnahmebereitschaft des Kunden generell bereits erhöht (s. Abschnitt C 2.1.3). Das Erringen der Aufmerksamkeit des Kunden wird in dieser Szene jedoch durch das gleichzeitige Auftreten von Konkurrenzprodukten erschwert. Das Produkt muss sich daher bei seiner Darstellung von diesen Angeboten absetzen. Bei Search-Engines, in denen die Darstellungsmöglichkeiten besonders begrenzt sind, geschieht dies vorrangig durch die zentrale Positionierung am Beginn
der Ergebnisliste.
***
Verwandte Patterns: Idealerweise endet diese Szene damit, dass das Interesse des Kunden für
das Produkt geweckt wird. In der Regel erreicht man dabei über Links in der Ergebnisdarstellung die Einstiegsseite des Produktes, in der das Wissen und das Interesse am Produkt
weiter vertieft werden können. Hier findet daher ein direkter Übergang zum Pattern Awareness durch Produkt resp. zu den Patterns der Überzeugungsphase statt.
E 2.1.4 Eingliederung in das soziale Netzwerk
Kontext: s. Awareness abstrakt
***
186 Kurze Hilfeseiten (und damit ein Übergang in die Wissensphase) können jedoch auch hier zur
Unterstützung unerfahrener Anwender angeboten werden.
226
Entwicklung der Patternsprache
Problem: Die Aufmerksamkeit potentieller Kunden ist beschränkt. Insbesondere besteht ein
Problem darin, dass sich potentielle Kunden den angebotenen Informationen über das Produkt überhaupt nicht erst aussetzen. Vor allem Imitatoren nehmen massenmediale Informationsangebote nur bedingt wahr. Auch ihr Interesse an Neuerungen sowie ihr aktives Suchverhalten ist eher beschränkt. Sie reagieren jedoch sensibel auf Informationen aus dem sozialen Umfeld.
***
Beispiel: Jobfair24.de nutzt bestehende soziale Netzwerke aktiv, um neue Kunden auf ihren
Service aufmerksam zu machen. Insbesondere in Studentenkreisen, ihrer primären Zielgruppe, sind die sozialen Bindungen recht stark ausgeprägt. Man befindet sich im selben Lebensabschnitt und teilt einen Grossteil privater und vor allem studienbezogener Interessen.
Der gegenseitige (Informations-) Austausch ist rege.
Abbildung E 2-9: Beispiel für die Integration in das soziale Umfeld durch die Möglichkeit des E-Mail Versandes
interessanter Stellenanzeigen bei Jobfair24.de, Zugriff 15.10.2001.
Jobfair24.de versucht diese sozialen Netzwerke zur Schaffung des Interesses potentieller
Neukunden auszunutzen, indem es den bereits gewonnenen Kunden ermöglicht wird, während der Suche nach Jobangeboten, d.h. im Zuge der Anwendung des Dienstes, interessante
Stellenanzeigen an Freunde weiterzuleiten. Bei der Anzeige der Detailinformation über ein
gefundenes Jobangebot findet der Kunde einen Link „Diese Stellenanzeige weiter versenden“. Durch die Aktivierung dieses Links gelangt er zu einem Online-Formular, in dem er
lediglich die E-Mail Adresse seines Bekannten sowie seine eigene E-Mail Adresse eintragen
muss. Der Inhalt ist dabei bereits vorformuliert, kann jedoch durch den Sender editiert werden (s. Abbildung E 2-9). Der in der Mail enthaltene Link auf die Stellenanzeige führt den
Empfänger direkt auf die Site von Jobfair24.de.
Diese Art der Eingliederung des Produktes in das soziale Netzwerk bestehender Anwender
nutzen auch anderer digitale Produktanbieter, wie z.B. eBay.com. Dieser Auktionsservice
Design Patterns für digitale Produkte
227
bietet seinen Kunden dabei die Möglichkeit, Bekannte via E-Mail auf interessante Auktionen
hinzuweisen.
***
Lösung: Integriere das Produkt in die interpersonelle Kommunikation innerhalb des sozialen
Umfeldes bereits gewonnener Kunden.
Diese Situation verbindet somit zwei Szenen innerhalb zweier Theaterstücke miteinander: (1)
Die Interaktion zwischen dem bereits gewonnenen Kunden und dem Produkt innerhalb der
Anwendungsszene der Kunde-Produkt-Interaktion und (2) die Interaktion zwischen zwei
Bekannten innerhalb des sozialen Netzwerks. Im folgenden wird zunächst die Erweiterung
der Anwendungsszene mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben.
O-Design: Da sich diese Szene in die Anwendung des Produktes eingliedert, sind die zentralen Akteure ein bereits gewonnener Kunde und das Produkt selbst. Der Kunde hat das Interesse, das Produkt zur Lösung seines Problems effizient anwenden zu können. Das Produkt
hat das dazu komplementäre Interesse, ihn dabei möglichst gut zu unterstützen. Es möchte
ihn jedoch weiterhin dazu motivieren, interessante „Erlebnisse“ im Zuge der Produktanwendung in seinem sozialen Umfeld zu verbreiten.
I-Design: Im Zuge der Anwendung des Produktes wird dem Kunden an zentralen Stellen,
d.h. nach möglichen positiven oder interessanten Erlebnissen innerhalb des Anwendungsprozesses, die Möglichkeit gegeben, diese Erlebnisse mit anderen zu teilen. An diesen Stellen
kann er den Anwendungsprozess kurz unterbrechen, um eine E-Mail Botschaft an Bekannte
zu versenden. Nach dem Versand wird der Anwendungsprozess fortgesetzt. Die Entscheidung, ob der Kunde eine Nachricht an einen Bekannten senden möchte, obliegt dabei dem
Kunden selbst. Durch die Positionierung der entsprechenden Aufforderungen an zentralen
Stellen des Anwendungsprozesses sowie durch die unaufwendige und integrierte Abwicklung des E-Mail Versands kann das Produkt den Kunden lediglich dazu motivieren, diesen
Subprozesse auch tatsächlich auszuführen. Dabei gelangt er über einen Link auf ein OnlineFormular, in dem er lediglich die E-Mail-Adressen des Senders und des Empfängers angeben muss. Der Inhalt der Mail mit der zu übermittelnden Botschaft liegt bereits vorformuliert
vor. Sie kann vor dem Abschicken jedoch bei Bedarf durch den Sender editiert werden.
L-Design: Diese Szene stellt keine besonderen Anforderungen an das logische Design. Sie erfordert lediglich die Aktivierung eines Links sowie das Ausfüllen eines sehr einfachen Formulars und baut somit auf dem zu erwartenden Wissensstand auf.
K-Design: Um dem Kunden die Möglichkeit des Versands einer Botschaft zu verdeutlichen,
sollte an den jeweiligen Stellen ein Link mit sprechender Bezeichnung (wie z.B. „dieses Angebot an einen Freund versenden“) platziert werden (s. Pattern Short Description in Tidwells
(1999) Common Ground). Durch die Positionierung des Links am Rande der Anwendungsszene wird gewährleistet, dass der Kunde in seinem Anwendungsprozess nicht gestört wird
(s. Patterns Helper Posture und Background Posture in Tidwells (1999) Common Ground). Das
Ausfüllen der E-Mail Botschaft erfolgt durch ein Formular, in das die Botschaft automatisch
integriert wird. Dadurch wird der Aufwand für den Kunden minimal gehalten. Der Versand
der Botschaft beruht dann auf der Verwendung eines E-Mail Dienstes.
228
Entwicklung der Patternsprache
Die komplementäre Szene innerhalb der interpersonellen Kommunikation gestaltet sich wie
folgt:
O-Design: Die beiden Hauptakteure in dieser Szene sind der bereits gewonnene Kunde und
ein Mitglied seines sozialen Netzwerkes in der Rolle des potentiellen Kunden. Das Produkt
selbst nimmt die passive Rolle des Selbstdarstellers ein, der sich in der kurzen Botschaft möglichst interessant präsentieren muss.
I-Design: Diese Szene gliedert sich in die E-Mail Kommunikation innerhalb etablierter sozialer Netzwerke ein. Der bereits gewonnene Kunde übermittelt mit Hilfe der Dienste eines Dritten, d.h. des Produktes, eine Neuigkeit an einen Bekannten, von der er annimmt, dass er an
der Neuigkeit Interesse hat. Der Empfänger liest die Mail. Weckt der Inhalt sein Interesse, so
hat er die Möglichkeit, über einen integrierten Link auf die Web Site des Produktes zu gelangen, um weitere Informationen einzuholen. Das Produkt kann diesen letzten Schritt des Prozesses nur indirekt beeinflussen, indem es den Inhalt der Mail möglichst ansprechend gestaltet. Dabei muss klar hervorgehen, worum es sich bei dem Produkt handelt und weiterhin,
dass die Mail von einem Bekannten geschickt wurde. Die Angabe der E-Mail-Adresse des
Absenders im Zuge des Ausfüllens des Formulars innerhalb der ersten Szene gestattet es, die
Mail im Namen des Bekannten zu senden. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass diese
Mail vom Empfänger überhaupt wahrgenommen und – wohlwollend – gelesen wird.
Bei grossem gemeinsamen Interesse an der versandten Botschaft kann diese Szene eine Diskussion innerhalb des sozialen Netzwerkes auslösen, in der die Meinung über das Produkt
ausgebildet und gefestigt wird.
Logischer Raum: Wie bereits erwähnt, muss sich das Produkt so darstellen, dass dem Leser
schnell deutlich wird, worum es bei dem Service geht. Das generelle Interesse des Kunden
an den Inhalten wird dabei durch die Filter- und Selektionsfunktion des Senders gewährleistet. Er kennt seinen Bekannten und schickt ihm die Information, von der er annimmt,
dass sie diesen auch interessiert und sie von ihm somit positiv bewertet wird. Durch den
persönlichen Sender der Information erhält die „Botschaft“ zudem eine höhere Glaubwürdigkeit.
K-Design: Die Umsetzung dieser Szenerie beruht auf einem einfachen E-Mail Service. Die
Gestaltung der Inhalte wird somit durch die Darstellungsmöglichkeiten dieses Services beschränkt. Leser nehmen dabei vor allem die Informationen bewusst wahr, die am Anfang
und am Ende eine E-Mail stehen (s. (Creative Good 2000: 23 ff.)). Daher müssen zentrale
Aussagen, insbesondere der Links auf das Produkt, an den entsprechenden Stellen positioniert werden.
***
Design Patterns für digitale Produkte
229
Bereits gewonnener
Kunde
Bekannter
potentieller Kunde
Produkt
Abbildung E 2-10: Diagramm Eingliederung in soziales Netzwerk
***
Rational: Diese Szene nutzt den sozialen Filter der menschlichen Informationsaufnahme. Insbesondere Individuen mit einer Tendenz zu imitativem Verhalten setzen sich vermehrt den
Informationen aus, die ihnen durch ihr soziales Netzwerk übermittelt werden (s. Abschnitt
C 2.2.2.3).
Diese Art der Kommunikation hat weiterhin den Vorteil, dass die Inhalte direkt auf den
Empfänger, d.h. den potentiellen Kunden, zugeschnitten werden können und somit in sein
Interessenspektrum fallen. Der Sender aus dem sozialen Umfeld vermittelt zudem eine grössere Glaubwürdigkeit als ein direkter Vertreter des Produktes (s. Abschnitt C 2.2.1.2).
***
Verwandte Patterns: s. Eingliederung in aktives Suchverhalten
E 2.1.5 Awareness durch Produkt
Kontext: s. Awareness abstrakt
***
Problem: Die Aufmerksamkeit des potentiellen Kunden ist beschränkt. Insbesondere besteht
ein Problem darin, dass sich der Kunde den angebotenen Informationen über das Produkt
überhaupt nicht erst aussetzt. Vielfach stossen potentielle Kunden jedoch beim „Surfen“ im
Internet auf die Einstiegseite des Produktauftritts. Wie erläutert, kann diese Szene auch
weiterhin nach den Szenen der Eingliederung in ein etabliertes Produkt, der Eingliederung in das
aktive Suchverhalten oder der Eingliederung in das soziale Umfeld erreicht werden.
***
Beispiel: Jobfair24.de sieht sich in einer Konkurrenzsituation mit einer Vielzahl von OnlineJobbörsen. Ihr Dienstleistungsangebot zeichnet sich gegenüber diesen jedoch dadurch aus,
dass Jobfair24.de nicht primär den reinen Abgleich zwischen bestehenden Jobangeboten und
möglichen Kandidaten unterstützt; stattdessen ermöglichen sie es, den Erstkontakt zwischen
Vertretern der teilnehmenden Unternehmen sowie den interessierten Bewerbern in dreidimensionalen Begegnungsräumen herzustellen. Im Rahmen von Messetagen kann der einzelne Bewerber mit Personalverantwortlichen vieler verschiedener Firmen sprechen und
weiterhin seine Erfahrungen mit anderen Bewerbern austauschen. Die Nutzung von dreidi-
230
Entwicklung der Patternsprache
mensionalen Interaktionsräumen, in denen die Individuen sich in Form von Avataren frei
bewegen können, steigert zudem den Erlebniswert dieses digitalen Dienstleistungsangebots.
Diese Besonderheiten, durch die sich dieser Dienst von anderen Jobbörsen absetzt, werden
durch die graphische Gestaltung der Einstiegsseite in Form eines Ausschnittes der dreidimensionalen Messehallen sowie durch einen kurzen Informationstext klar dargestellt (s.
Abbildung E 2-11). Weiterhin unterstützt die „sprechende“ Namensgebung die Assoziation
mit realen Messen und beschleunigt somit das generelle Verständnis des Dienstes.
Abbildung E 2-11: Beispiel der Schaffung von Awareness für die Jobfair24.de durch eine prägnante Darstellung
des Services mit einer Betonung der Besonderheiten, Zugriff 21.10.2001.
***
Lösung: Gestalte die Eingangsseite / Homepage eines digitalen Produktes so, dass dem Kunden schnell ein Verständnis vom Produkt und von dessen Besonderheiten vermittelt wird
und dadurch sein Interesse am Produkt geweckt wird.
Diese Szene der ersten Begegnung zwischen Produkt und Kunde wird im folgenden mit
Hilfe der Theatermetapher beschrieben. Dabei steht die Gestaltung des L-Designs sowie des
K-Designs im Vordergrund.
O-Design: Die Szene umfasst die beiden Akteure des potentiellen Kunden und des Produktes.
Das Produkt übernimmt in dieser Szene wiederum die Rolle des Selbstdarstellers, der möglichst rasch ein positives, interessantes und verständliches Bild von sich übermitteln möchte.
I-Design: Diese Szene erfordert wenig direkte Interaktion zwischen dem Kunden und dem
Produkt. Der Kunde nimmt hier lediglich die ihm dargebotene Information wahr. Die Prozesse sind somit vorrangig kognitiver und affektiver Art und finden in den Köpfen des Betrachters statt. Das Produkt kann diese lediglich durch eine geeignete Darstellung beeinflussen.
Design Patterns für digitale Produkte
231
L-Design: Um das Ziel zu erreichen, möglichst schnell ein Grundverständnis für das Produkt
beim Betrachter aufzubauen, sind bei der Selbstdarstellung die kognitiven Schemata zu berücksichtigen. Hier müssen durch eine kurze textuelle Beschreibung sowie die graphische
Gestaltung Assoziationen zum etablierten Wissensstand aufgebaut werden. Eine geeignete
Namensgebung mit einem Bezug zu bekannten Produkten und Dienstleistungen fördert die
rasche Einordnung des Produktes. Um jedoch weiterhin das Interesse des potentiellen Kunden zu wecken, müssen im Zuge dieser ersten Vorstellung ebenfalls die Besonderheiten und
Differenzierungen gegenüber bestehenden Angeboten und somit die Value Proposition des
Services dargelegt werden.
K-Design: Die Aufnahme der Botschaften wird durch deren Positionierung innerhalb der
Startseite sowie durch die graphische Gestaltung gefördert. Hierbei sollen die zentralen Botschaften entweder in einer getrennten Startseite oder aber an zentraler Position innerhalb der
Startseite präsentiert werden (s. Pattern Sovereign Posture in Tidwells (1999) Common Ground).
Animationen sind hierbei mit Bedacht einzusetzen. Sie eignen sich lediglich für bestimmte
Produktkategorien, ansonsten können sie leicht unseriös wirken und von der Nutzung des
Services abschrecken. Lange Ladezeiten und eine geringe Aussagekraft der übermittelten Information führen leicht zum spontanen Verlassen der Site. Dies ist beim Einsatz von Animationen und aufwendigen Graphiken zu beachten
***
Potentieller
Kunde
Produkt
Alternative A
Alternative C
Alternative B
Abbildung E 2-12: Diagramm Awareness durch Produkt
***
Rational: Eine mögliche Einordnung der Selbstdarstellung des Produktes in die kognitiven
Schemata erleichtert den Aufbau des Produktverständnisses. Kognitive Dissonanzen, die
durch Diskrepanzen zwischen der aufgenommenen Information und dem eigenen Wissen
hervorgerufen werden, können jedoch auch das Interesse des Kunden wecken und ihn zur
Suche nach weiteren Informationen motivieren. Hierbei müssen insbesondere die Besonderheiten des Produktes gegenüber bestehenden Produkten herausgearbeitet werden. Das Interesse am Produkt kann weiterhin durch das Ansprechen von Reizen, aber auch von bestimmten Motiven des potentiellen Kunden geweckt werden.
232
Entwicklung der Patternsprache
***
Verwandte Patterns: Auch diese Szene endet im Erfolgsfall mit dem geweckten Interesse am
Produkt. Dieses sollte genutzt werden, um eine positive Einstellung zum Produkt auszubilden (resp. zu festigen). Hier ist daher eine direkte Überleitung zu den Szenen der Überzeugungsphase zu gewährleisten (Überzeugungspatterns).
Die Einstiegsseite dient jedoch auch als Einstieg für wiederkehrende Kunden, die das Produkt bereits kennen und nun nutzen möchten. Daher muss hier ebenfalls ein direkter Übergang zur Verhandlungs- oder Anwendungsphase ermöglicht werden (Verhandlungspatterns,
Anwendungspatterns).
E 2.2
Überzeugung
In diesem Abschnitt werden die Patterns zur Gestaltung der Überzeugungsphase entwickelt.
Eine Übersicht über die Patterns sowie die zentralen Abhängigkeiten zwischen den Patterns
sind in Abbildung E 2-13 dargestellt. Sie werden im folgenden im Detail beschrieben. In einem abstrakten Pattern werden auch hier die generelle Problematik, die Einordnung in das
Gesamttheaterstück, die allgemeinen Gestaltungshinweise sowie die zu beachtenden theoretischen Konzepte erfasst.
Überzeugung
Persönlicher
Nutzen
Anwender
Community
Entscheidung
Absicht
Soziales
Netzwerk
Verhandlung
Anwendung
Etabliertes
Produkt
Abbildung E 2-13: Übersicht Überzeugungspatterns
E 2.2.1 Überzeugung abstrakt
Kontext: Nach dem ersten Kennenlernen und der ersten Einschätzung des Produktes, wodurch im Erfolgsfall das Interesse des Kunden geweckt wurde, muss der Kunde dabei unterstützt werden, eine Einstellung bezüglich des Produktes bilden zu können.
Dabei ist er nach der Awareness-Szene in der Regel bereits auf der Einstiegsseite des digitalen Produktes angekommen.
***
Problem: Wie in Abschnitt C 2.2.1.2 erläutert wurde, wirkt sich die Einstellung zu einem Produkt zumindest indirekt auf die Kaufentscheidung eines Individuums aus. Positive Einstellungen fördern eine positive Kaufentscheidung, negative wirken einer positiven Kaufentscheidung entgegen. Einstellungen werden durch Kommunikation ausgebildet und verändert. Die Wirkung hängt jedoch sehr stark von den Inhalten, dem Kommunikator sowie auch
vom Empfänger der Botschaften ab.
Design Patterns für digitale Produkte
233
***
Beispiel: s. konkrete Überzeugungspatterns
***
Lösung: Die Gestaltung dieser Szene hängt sehr stark von den situativen Bedingungen ab.
Die Beschreibung der Szene mit Hilfe der Theatermetapher kann hier daher nur auf einem
recht abstrakten Niveau erfolgen.
O-Design: Die Szene umfasst stets den potentiellen Kunden und einen oder mehrere Kommunikatoren. Letztere müssen jedoch nicht mit dem Produkt resp. dessen Vertretern übereinstimmen.
I-Design: Die Prozesse hängen sehr stark von der jeweiligen Szene ab. Sie unterscheiden sich
vorrangig im Grad der Interaktivität zwischen den beteiligten Parteien.
L-Design: Für die Wirkung der Kommunikation ist es entscheidend, die ausgebildeten Werte
sowie auch die Motive des potentiellen Kunden und somit die Eigenschaften, die dieser
Kunde bei einem Produkt wertschätzt, zu kennen, um diese gezielt ansprechen zu können
und vor allem bei der Kommunikation nicht gegen das bestehende Wertesystem zu verstossen. Neben diesem inhaltlichen Aspekt spielen weiterhin die Beziehung des potentiellen
Kunden zum Kommunikator sowie dessen individuelle Eigenschaften eine Rolle (s. Rational).
K-Design: Die Anforderungen an das K-Design ergeben sich in Abhängigkeit von der Ausgestaltung der konkreten Szene.
***
Abbildung E 2-14: Diagramm Überzeugung abstrakt187
***
Rational: Bei der Gestaltung dieser Phase sind die Theorien der Einstellungsbildung und insbesondere der Einfluss des sozialen Umfeldes auf die Einstellungsbildung des Individuums
entscheidend.
Die Einstellung gegenüber einem Produkt kann häufig auf dessen Eigenschaften, Besonderheiten resp. dessen Einfluss auf das Erreichen bestimmter Ziele zurückgeführt werden (s.
Abschnitt C 2.2.1.2). Diese im weitesten Sinne nutzenstiftenden Eigenschaften eines Produk-
187 Das Produkt erscheint dem potentiellen Kunden als „Star“.
234
Entwicklung der Patternsprache
tes müssen daher besonders bei High Involvement-Gütern klar kommuniziert werden (Persönlicher Nutzen).
Für den Erfolg der Kommunikation spielen weiterhin die Eigenschaften der Botschaft und
des Kommunikators eine Rolle (s. Abschnitt C 2.2.1.2). An beide werden insbesondere die
Anforderungen der Verständlichkeit resp. der Glaubwürdigkeit gestellt. Die Glaubwürdigkeit ist bei Vertretern des Produktes generell beschränkt, da ihnen eine bewusste Beeinflussung des Kunden und somit eine gewisse Voreingenommenheit unterstellt wird. Bei unabhängigen Dritten (Anwender-Community, Eingliederung in etabliertes Produkt) und insbesondere Vertretern des sozialen Umfeldes (Eingliederung in soziales Netzwerk) ist die Glaubwürdigkeit dagegen besonders hoch. Die Kommunikation innerhalb der sozialen Gruppe hat
weiterhin den Vorteil, dass sie aufgrund der dort gegebenen Homophilie häufig effektiver
ist. Der Einfluss der interpersonalen Kommunikation ist dabei bei Individuen mit einer Tendenz zu imitativem Verhalten besonders hoch (s. Abschnitte C 2.2.2.2 und C2.2.2.3)
***
Verwandte Patterns: Eine positive Einstellung fördert prinzipiell die Ausbildung einer positiven Kaufabsicht. Sie leitet jedoch in der Regel nicht direkt zum Kauf über. Dazwischen liegt
eine Entscheidungsphase, in der sich neben der Einstellung situative, ökonomische und vor
allem sozial normative Einflüsse auf die Ausbildung der Kaufabsicht auswirken. Diese Szene
leitet daher zunächst in die Entscheidungsphase über (Entscheidungspatterns).
E 2.2.2 Persönlicher Nutzen
Kontext: siehe Überzeugung abstrakt
***
Problem: Eine Kaufentscheidung wird zu einem gewissen Grad durch die Einstellung des
potentiellen Kunden zum Produkt beeinflusst. Insbesondere bei Innovatoren ist die Einstellung zum Produkt positiv mit dessen persönlichem – relativen – Nutzen korreliert.
***
Beispiel: Jobfair24.de ist ein neuer Service zur Unterstützung des Jobrecruitings mit einer Spezialisierung auf das akademische Umfeld. Als Intermediär umfasst ihre Zielgruppe sowohl
Hochschulabsolventen, die nach einer Arbeitstelle suchen, als auch Unternehmen, die an
qualifizieren Fachkräften interessiert sind. Um beide Seiten gezielt ansprechen zu können,
werden in zwei getrennten Sektionen die Vorteile des Services für die jeweiligen Stakeholder
erläutert. Neben der Darstellung der Besonderheiten und Vorteile des Angebotes wird der
eigene Service gegenüber anderen bestehenden Angeboten, insbesondere den weit verbreiteten Stellenbörsen, klar abgegrenzt (s. Abbildung E 2-15).188
188 Der Übergang von der Einstiegsseite zu diesen Informationsseiten ist jedoch unklar gekennzeich-
net und erschwert somit den Übergang von der Awarenessphase zur Überzeugungsphase.
Design Patterns für digitale Produkte
235
Abbildung E 2-15: Beispiel Nutzendarstellung bei Jobfair24.de mit der klaren Herausarbeitung der Vorteile des
eigenen Services insbesondere gegenüber anderen Anbietern, Zugriff 21.10.2001.
Auch eBay.com präsentiert seinen neuen Kunden innerhalb der Hilfesektion in Form einer
Online-Präsentation die zentralen Vorteile ihres Services. Durch eine graphische Illustration,
die auch dem angestrebten Image des Services gerecht wird, werden die ansonsten textuell
übermittelten Botschaften weiter veranschaulicht.189
***
Lösung: Stelle für jede der zentralen Zielgruppen den relativen Vorteil resp. Nutzen des Produktes – insbesondere im Vergleich zu bestehenden Alternativen – dar. Positioniere diese Information derart, dass interessierte Kunden direkt auf sie aufmerksam werden, wiederkehrende Kunden jedoch nicht in der Anwendung des Services gestört werden.
Wie diese Szene zu gestalten ist, um das Ziel der positiven Einstellungsgewinnung zu erreichen, wird im folgenden mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben.
O-Design: In dieser Szene stehen sich der interessierte potentielle Kunde und das Produkt gegenüber. Das Produkt spielt hier wiederum eine eher passive Rolle in der Form des Selbstdarstellers. Der interessierte Kunde hat das Interesse, sich einfach und schnell ein Bild vom
vorliegenden Produkt machen zu können. Das Produkt hat das Interesse, durch seine Selbstdarstellung, ein möglichst positives Bild beim potentiellen Kunden zu hinterlassen.
236
Entwicklung der Patternsprache
I-Design: Diese Szene erfordert generell recht wenig Interaktion zwischen Kunde und Produkt. Der Kunde nimmt die dargebotene Information auf und transformiert diese in eine
Einstellung zum Produkt. Zentral ist hier die klare Positionierung der Information, so dass
der interessierte potentielle Kunde diese bei Betreten der Einstiegsseite direkt findet. Das Informationsangebot selbst kann dabei über mehrere Seiten verteilt sein, durch die sich der
Kunde mehr oder weniger geführt durchnavigieren kann.
Wie in Abschnitt C 1.4.2 erläutert, beruht der Wert eines Produktes sowohl auf dem Wert des
eigentlichen Produktinhaltes als auch auf dem Wert des Kontextes. Daher sollten auch die
Besonderheiten des Kontextes, wie z.B. die kostenlose Auslieferung, an dieser Stelle kommuniziert werden.
L-Design: Die Nutzendarstellung muss sich am logischen Raum des Kunden ausrichten, d.h.
hier insbesondere an dessen Bedürfnissen, Motiven aber auch Werten. Weiterhin ist auch das
Vorwissen des Kunden insbesondere in bezug auf das existierende Produktumfeld zu beachten, um dem Kunden die Einordnung zu erleichtern und die Ausbildung der Einstellung
durch bereits etablierte Bewertungsmassstäbe zu ermöglichen. Die Beurteilung eines Services erfolgt dabei häufig auf der Grundlage von Schlüsselinformationen. Das Produkt sollte
sich daher auf den entsprechenden Informationsseiten prägnant durch entsprechende Kernaussagen präsentieren. Der Stil der Ansprache des Kunden muss sich dabei an der Art des
Produktes ausrichten. Beispielsweise werden bei Jobfair24 die Vorteile für das Unternehmen
in einem sachlichen, rein informativen Stil möglichst prägnant formuliert. eBay.com präsentiert seine Information dagegen in einer Art Bildergeschichte.
K-Design: Bezüglich der Darstellung der Information ist darauf zu achten, dass der Kunde
die wesentlichen Aussagen schnell überschauen kann und weitere Informationen gegebenenfalls bei Bedarf beziehen kann. Eine verlinkte Auflistung der zentralen Aussagen wird
diesen Anforderungen gerecht (s. Pattern Hierarchical Set und Optional Detail on Demand in
Tidwells (1999) Common Ground) und Inverse Pyramid Writing Style in van Duyne et al.’s
(2000) The Design of Sites).
Ansonsten stellt diese Szene lediglich Anforderungen an ihre Positionierung innerhalb des
Theaterstückes. So muss es dem Kunden möglich sein, direkt bei Betreten der Seite zur
Überzeugungsszene zu gelangen. Dies erfolgt idealerweise durch einen entsprechend bezeichneten Link auf der Einstiegsseite des Produktes. Eine derartige Positionierung gewährleistet weiterhin, dass wiederkehrende Nutzer nicht durch die für sie überflüssige Information gestört werden.
***
Rational: Diese Szene nutzt die Erkenntnisse der Einstellungsforschung. Dem Kunden werden die Eigenschaften und Vorteile des Produktes präsentiert, die aus seiner Sicht den Nut-
189 Die versteckte Positionierung dieser Präsentation erschwert jedoch das Auffinden dieser Sektion
auf der Site.
Design Patterns für digitale Produkte
237
zen resp. den Wert eines Produktes ausmachen. Die Einordnung in den bestehenden Produktraum – seinen diesbezüglichen kognitiven Schemata – erleichtert dem potentiellen
Kunden die Einschätzung des Produktes insbesondere im Vergleich zu anderen Produkten.
In dieser Szene werden dabei vor allem Kunden mit einer Tendenz zu innovativem Verhalten angesprochen, die sich argumentativ überzeugen lassen.
***
• Vorteile
• Eigenschaften
• Einordnung in
Produktraum
Abbildung E 2-16: Diagramm Persönlicher Nutzen
***
Verwandte Patterns: s. Überzeugung abstrakt für die zeitlichen Abhängigkeiten.
Neben den dort erläuterten zeitlichen Abhängigkeiten bestehen hier jedoch auch inhaltliche
Abhängigkeiten zu anderen Szenen. Die in dieser Szene geäusserten Eigenschaften des Produktes und seines Kontextes müssen sich in den entsprechenden Phasen des Erwerbs und
der Anwendung des Produktes widerspiegeln. Somit herrschen hier inhaltliche Abhängigkeiten zu den Patterns der Verhandlungs-, Abwicklungs- und Anwendungsphase.
Weiterhin sollte dem interessierten Kunden im Anschluss an diese Szene die Möglichkeit gegeben werden, sich weitere – unabhängige – Meinungen bestehender Kunden einholen zu
können und damit sein Bild über das Produkt weiter zu festigen. Hier besteht somit ein Link
zur Szene Integration in Anwender-Community.
Dieses Pattern ähnelt in seinen Inhalten dem Pattern Value Proposition in van Duyne et al.’s
(2000) The Design of Sites.
E 2.2.3 Integration in Anwender-Community
Kontext: siehe Überzeugung abstrakt
Diese Szene wird dabei häufig im Anschluss an die Szene Persönlicher Nutzen erreicht, in der
sich der Kunde ein erstes – vom Anbieter geprägtes – Bild von den Vorteilen des Produktes
machen konnte.
***
Problem: Eine Kaufentscheidung wird zu einem gewissen Grad durch die Einstellung zum
Produkt beeinflusst. Die Einstellungsbildung beruht auf der Kommunikation über das Produkt. Deren Wirkung hängt von den dargestellten Inhalten, aber auch von den Eigenschaften
des Kommunikators ab. Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikation sind insbesondere die Verständlichkeit der Kommunikationsinhalte, deren Übereinstimmung mit den be-
238
Entwicklung der Patternsprache
reits gefestigten Einstellungen und Werten sowie die Glaubwürdigkeit und Attraktivität des
Kommunikators.190
***
Beispiel: Bei der Jobfair24.de handelt es sich um einen neuartigen Service, der darüber hinaus
von einem neuen Unternehmen angeboten wird. Die Neuartigkeit erschwert die Einschätzung des Services, die Unbekanntheit des Unternehmens limitiert weiterhin die Glaubwürdigkeit des Unternehmens. Um neue Kunden zu gewinnen, lässt Jobfair24.de daher bereits für den Service gewonnene Kunden zu Neukunden sprechen. Dies geschieht hier auf
eine sehr einfache Art und Weise in Form der Publikation von Kundenmeinungen, d.h. in
Form einer Referenzliste. Die Authentizität der Botschaften (oder zumindest das Gefühl der
Authentizität) wird durch die Angabe der Quelle erhöht. Eine Kontaktaufnahme ist somit
prinzipiell möglich, wird hier jedoch nicht direkt durch die Plattform unterstützt.
Abbildung E 2-17: Beispiel Integration in Anwender-Community durch die Publikation der Meinungen anderer
über die Jobfair24.de, Zugriff 15.10.2001.
Auch eBay.com nutzt die bestehende Anwender-Community für die Einstellungsbildung bei
neuen Kunden. Dabei hat der Kunde die Möglichkeit, direkt mit bestehenden Kunden über
die integrierte Community-Plattform in Kontakt zu treten oder auch nur den Diskussionen
der Mitglieder zu folgen. Eine Strukturierung der Kommunikationsinhalte nach bestimmten
Themenstellungen erleichtert hier ein zielgerichtetes Auffinden relevanter Diskussionsrunden.
190 Siehe auch Argumentation in der Rational Sektion des Patterns Überzeugung abstrakt.
Design Patterns für digitale Produkte
239
***
Lösung: Ermögliche interessierten Kunden den Zugang zur Community der bereits gewonnenen Kunden.
Wie bereits aus den Beispielen ersichtlich wurde, gibt es verschiedene Möglichkeiten, interessierten Kunden den Zugang zur Anwender-Community zu ermöglichen. Die beiden extremen Ausprägungen bestehen (1) in der einfachen Darstellung der Erfahrungen und Meinungen der Mitglieder und (2) in der Integration des Interessenten in eine bestehende Anwender-Community. Sie werden im folgenden unter Verwendung der Theatermetapher beschrieben.
O-Design: Die zentralen Akteure der ersten Ausgestaltungsform der Szene sind der interessierte potentielle Kunde und die bereits gewonnenen Kunden. Die bestehenden Kunden treten
dabei in einer weitestgehend passiven Rolle auf. Sie werden lediglich in Form ihrer Meinungsäusserungen präsentiert. Das Produkt resp. der Anbieter des Produktes spielt hier lediglich die passive Rolle des Informationsfilters. Er entscheidet, welche Meinungen publiziert werden. Eben diese mögliche Filterung der Informationen reduziert jedoch auch die
Glaubwürdigkeit des durch die Referenzliste vermittelten Bildes.
I-Design: Der Interaktionsprozess ist auch hier sehr einfach. Der Interessent kann die Kommentare der ausgewählten Kunden lesen. Um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen, umfassen
die Aussagen ebenfalls die Namen der entsprechenden Kunden. Idealerweise besteht hier
weiterhin die integrierte Möglichkeit zur direkten Kontaktaufnahme mit diesen Kunden, z.B.
via E-Mail.
L-Design: Die Verständlichkeit der Botschaften wird durch die anzunehmende Homophilie
zwischen interessierten und bestehenden Kunden weitestgehend gewährleistet. Die Bedienung der Schnittstelle stellt keine besonderen Ansprüche an das Wissen der potentiellen
Kunden.
K-Design: Die einfache Szene stellt auch keine besonderen Anforderungen an das K-Design.
Bei einer Vielzahl an Kundenmeinungen muss der Kunde jedoch durch eine geeignete Darstellung der Information dabei unterstützt werden, sich schnell einen Überblick verschaffen
zu können. Hier eignet sich eine verlinkte Liste der zentralen Aussagen, über die der Kunde
bei Bedarf weitere Informationen erhält (s. Pattern Hierarchical Set und Optional Detail on
Demand in Tidwells (1999) Common Ground) und Inverse Pyramid Writing Style in van Duyne
et al.’s (2000) The Design of Sites).
Die Möglichkeiten, direkt mit den bestehenden Kunden in Verbindung zu treten, erfordern
die Integration von Kommunikationswerkzeugen. Als asynchroner, weit verbreiteter Kommunikationsdienst eignet sich hier besonders der Einsatz von E-Mail.
240
Entwicklung der Patternsprache
Von der Szenengestaltung her aufwendiger ist die Integration des potentiellen Kunden in die
Kommunikation einer bestehenden Kunden-Community.191
O-Design: Auch hier umfasst das Theaterstück generell die beiden Rollen des interessierten
potentiellen Kunden und der bereits bestehenden Kunden. Der Interessent hat jedoch die Möglichkeit, aktiv mit den bestehenden Kunden in Kontakt zu treten oder aber deren Kommunikation untereinander zu verfolgen. Der Anbieter des Produktes übernimmt hier lediglich die
Unterstützungsfunktion Er erleichtert durch eine geeignete Strukturierung die gezielte (themengerichtete) Kommunikation zwischen den Community-Mitgliedern. Weiterhin kann er –
idealerweise – im Einverständnis mit diesen die Kommunikation moderieren.
I-Design: Die Initiative geht auch hier vom Interessenten aus. Er hat die Möglichkeit, sich an
verschiedenen Diskussionen zu beteiligen, gezielt Fragen an Community-Mitglieder zu
richten oder auch nur der Diskussion zu folgen und dadurch einen Eindruck vom Produkt
zu erlangen. Eine geeignete Strukturierung der Diskussionsgruppen erleichtert die gezielte
Ansprache der Community-Mitglieder.
L-Design: Die Mensch-zu-Mensch Interaktion mit ihren Möglichkeiten der Rückfrage zur
Klärung von Missverständnissen erleichtert das Verständnis der ausgetauschten Informationen. Der anzunehmende hohe Grad der Homophilie zwischen potentiellen und bestehenden
Kunden fördert weiterhin das gegenseitige Verständnis. Bezüglich der Gestaltung des Interaktionsraumes muss gewährleistet sein, dass die Strukturierung mit der Logik des potentiellen Kunden übereinstimmt, damit dieser sich auf der Community Site schnell zurechtfindet. Die Anwendung der Kommunikationstools ist weitestgehend intuitiv. Dennoch sollte
dem Kunden die Möglichkeit gegeben werden, sich bei Bedarf über die Funktionsweise zu
informieren.
K-Design: Bei grossen Communities muss der Kunde durch eine klare Darstellung in verschiedenen Diskussionsgruppen bei der Navigation unterstützt werden. Die Umsetzung der
Kommunikation beruht auf gängigen Kommunikationstools (Chat, Diskussionsgruppen,
etc.). Sie sollten daher, wenn möglich, nicht die Installation zusätzlicher Software verlangen
und dadurch einen zusätzlichen Aufwand beim Kunden induzieren.
***
191 Die generelle Ausgestaltung von Communities wird im Pattern Community ausführlich erläutert (s.
Abschnitt E 2.7.4). Hier interessiert lediglich die Nutzung der Community für einen neuen potentiellen Interessenten eines Produktes.
Design Patterns für digitale Produkte
241
AnwenderCommunity
Potentieller
Kunde
Erfahrungen
Beobachtung
Abbildung E 2-18: Diagramm Integration in Anwender-Community
***
Rational: Dieses Pattern beruht auf der Bedeutung der interpersonellen Kommunikation für
die Einstellungsbildung. Aufgrund der Neutralität, und des fehlenden Eigennutzes ist die
Glaubwürdigkeit bestehender Kunden besonders hoch. Weiterhin ist der Grad der Homophilie als hoch einzuschätzen, was insgesamt eine effiziente Kommunikation fördert (s.
Abschnitt2 C 2.2.1.2 und C 2.2.2.2).
***
Verwandte Patterns: s. Überzeugung abstrakt
E 2.2.4 Eingliederung in das soziale Netzwerk
Das Pattern Eingliederung in das soziale Netzwerk wirkt sich ebenfalls auf die Einstellungsbildung des Kunden aus. Im folgenden wird lediglich das Problem und vor allem das Rational
des Patterns erweitert, die restlichen Teile bleiben identisch.
Kontext: s Awareness abstrakt oder auch Überzeugung abstrakt, wenn der Kunde das Produkt
bereits kennt.
***
Problem: Eine Kaufentscheidung wird zu einem gewissen Grad durch die Einstellung zum
Produkt beeinflusst. Diese Einstellung wird häufig im Zuge der Kommunikation innerhalb
des sozialen Netzwerkes ausgebildet oder gefestigt.
***
Lösung: Integriere das Produkt in das soziale Umfeld.
Weitere Erläuterungen s. entsprechende Patternbeschreibung innerhalb der Awarenessphase
(Abschnitt E 2.1.4).
***
Diagramm: s. Erläuterungen in der Awarenessphase.
***
Rational: Der Einzelne wird bei der Ausbildung der Einstellung in Abhängigkeit von seinem
Typus bis zu einem gewissen Grad auch durch sein soziales Umfeld mitbestimmt. Die interpersonelle Kommunikation innerhalb des sozialen Netzwerkes spielt daher eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung der persönlichen Einstellung (s. Abschnitte C 2.2.1.2 und
242
Entwicklung der Patternsprache
C 2.2.2). Der Hinweis auf ein neues Produkt durch ein Mitglied des eigenen sozialen Kreises
bewirkt daher nicht nur, dass potentielle Kunden auf das Produkt aufmerksam werden,
sondern übermittelt weiterhin deren positive Bewertung des Produktes innerhalb des sozialen Umfeldes.
Im Idealfall wird eine Diskussion resp. ein iteratives Weiterleiten der Hinweise auf den Service innerhalb des sozialen Netzwerkes ausgelöst. Diese Entwicklung ist jedoch durch den
Service nicht weiter zu beeinflussen.192
***
Verwandte Patterns: s. Erläuterung in der Awarenessphase.
Die in dieser Szene geschaffene generell positive Einstellung kann durch die Kommunikation der persönlichen Vorteile weiter gefestigt werden. Diese Szene mündet daher in der Regel in die Szene persönlicher Nutzen.
E 2.2.5 Eingliederung in etabliertes Produkt
Wie die Szene Integration in das soziale Umfeld, so wirkt sich auch die Integration in ein etabliertes Produkt auf die Ausbildung der persönlichen Einstellung aus. Da sich auch hier die Gestaltung der Szene nicht ändert, wird im folgenden lediglich die Problemstellung und das
Rational erläutert.
***
Problem: Eine Kaufentscheidung wird zu einem gewissen Grad durch die Einstellung zum
Produkt beeinflusst. Diese Einstellung wird dabei insbesondere durch den Kommunikator
resp. das situative Umfeld bei der Begegnung mit dem Produkt geprägt.
***
Lösung: Integriere das neue Produkt in ein bereits etabliertes Produkt.
Weitere Erläuterungen s. entsprechende Patternbeschreibung innerhalb der Awarenessphase
(Abschnitt E 2.1.2).
***
Rational: Die Wirkung der Kommunikation hängt insbesondere von der Glaubwürdigkeit
des Kommunikators ab (s. Abschnitt C 2.2.1.2). Die Integration des Produktes in die Anwendungsumgebung eines beim Kunden bereits etablierten und vertrauten Produktes, überträgt
das dem etablierten Produkt entgegengebrachte Vertrauen und die generell positive Einstellung teilweise auch auf das neue Produkt. Die Integration in den bekannten Anwendungskontext erleichtert weiterhin die Einordnung und das Verständnis für das Produkt.
***
192 Diese Weiterleitung der Information über einen Service selbst kann jedoch durch bestimmte
„Werbeboni“ motiviert werden.
Design Patterns für digitale Produkte
243
Diagramm: s. Integration in etabliertes Produkt
***
Verwandte Patterns: s. Erläuterungen im Pattern Eingliederung in das soziale Netzwerk (s. Abschnitt E 2.1.4)
E 2.3
Entscheidung / Absicht
Im folgenden werden die Szenepatterns der Entscheidungsphase erläutert. Die Einordnung
in den Gesamtkontext, die Problemlösung, die zentralen patternübergreifenden Gestaltungsmerkmale sowie die zu beachtenden theoretischen Grundlagen mit ihrem Zusammenhang zu den konkreten Szenen werden wiederum zunächst in einem abstrakten Pattern erfasst. Abbildung E 2-19 gibt einen Überblick über alle Patterns dieser Szene sowie die zentralen Zusammenhänge zwischen den Patterns der gleichen und anderer Phasen.
Risikomind.
Produkt
Risikomind.
Dritte
Risikomind.
Anwendercom.
Entscheidung
Absicht
Verhandlung
Abwicklung
Anwendung
Probeweise
Anwendung
Anreize
Interessen
Community
Etabliertes
Produkt
Abbildung E 2-19: Übersicht Entscheidungspatterns
E 2.3.1 Entscheidung / Absicht abstrakt
Kontext: Nachdem das Interesse des Kunden geweckt und eine persönliche Einstellung zum
Produkt entwickelt wurde, muss der Kunde im nächsten Schritt dazu motiviert werden, das
Produkt auch tatsächlich erwerben zu wollen. Dabei geht es noch nicht primär um die Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Hersteller, d.h. die Auswahl unter einer Reihe
alternativer Produkte, sondern vielmehr um die generelle Entscheidung für (oder gegen) den
Erwerb einer bestimmten Problemlösung.
***
Problem: Wie in Abschnitt C 2.2.1.2 erläutert wurde, wirkt sich die Einstellung zu einem Produkt zwar generell auch auf die Kaufabsicht aus, allerdings besteht dabei kein direkter Wirkungszusammenhang. Hemmend wirkt sich insbesondere das mir dem Produkterwerb assoziierte wahrgenommene Risiko aus. Empfundener ökonomischer oder sozialer Druck kann
die Ausbildung einer Kaufabsicht dagegen fördern.
***
Beispiel: s. konkrete Entscheidungspatterns
244
Entwicklung der Patternsprache
***
Lösung: Die Lösungen beruhen auf den verschiedenen Möglichkeiten, das vom Kunden empfundene Risiko zu minimieren oder aber den sozialen oder ökonomischen Druck zu erhöhen und damit den Kunden zu motivieren, seine – positive – Einstellung in eine Kaufabsicht
zu transformieren (s. Rational).
***
Abbildung E 2-20: Diagramm Entscheidung / Absicht abstrakt193
***
Rational: Wie erläutert, reicht eine positive Einstellung zu einem Produkt meist nicht aus, um
bei potentiellen Kunden eine Kaufabsicht auszubilden. Eine Rolle spielen insbesondere die
Einstellungen und somit die Verhaltenserwartungen des sozialen Umfeldes (s. Abschnitt
C 2.2.1.2). Die Etablierung eines Produktes in bereits etablierte Bezugsgruppen und der dadurch induzierte soziale Druck resp. die gezeigte soziale Akzeptanz des Produktes kann das
einzelne Mitglied zu einer positiven Übernahmeentscheidung motivieren (s. Abschnitt
C 2.2.2.3) (Eingliederung in Interessen-Community).
Weiterhin haben auch die situativen Rahmenbedingungen einen Einfluss auf die Umwandlung einer Einstellung in eine Kaufabsicht (s. Abschnitt C 2.2.1.2). Anreizmechanismen erhöhen den Wert eines Produktes und fördern somit die Ausbildung der Kaufabsicht (Anreizmechanismen) (s. Abschnitt C 2.1.3).
Einen hemmenden Einfluss hat dagegen das wahrgenommene Risiko (s. Abschnitt C 2.2.1.3).
Es umfasst zum einen das bereits angesprochenen soziale und weiterhin insbesondere das
ökonomische Risiko. Letzteres umfasst vornehmlich die beiden Aspekte der möglichen finanziellen Einbussen und – als Besonderheit digitaler Produkte – die Gefahr für den Schutz
der Privatsphäre und der Sicherheit der Datenübermittlung (s. Abschnitt C 1.3.3.3). Wie in
Abschnitt C 2.2.1.3 erläutert wurde, können Risiken dadurch reduziert werden, dass entweder die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer unerwünschten Situation reduziert wird
oder aber deren mögliche Konsequenzen gemildert werden.
Risikominderungsmassnahmen können dabei durch das Produkt selbst oder durch Dritte
getragen werden (Risikominderung durch Produkt, Risikominderung durch Dritte). Das Produkt
193 Umwandlung einer – positiven – Einstellung im Kopf eines potentiellen Kunden in eine Kaufab-
sicht, die den konkreten Erwerbsprozess einleitet.
Design Patterns für digitale Produkte
245
kann das Risiko insbesondere dadurch verringern, dass es den potentiellen Käufern ermöglicht, das Produkt in beschränktem Umfang oder über eine beschränkte Zeitdauer zu erwerben und somit vor der entgültigen Übernahmeentscheidung zunächst zu testen (Probeweise
Anwendung). Alle diese Massnahmen sind im Zuge dieser Phase glaubwürdig an die potentiellen Kunden zu vermitteln. Die Glaubwürdigkeit der Produktanbieter ist aufgrund des bei
ihnen zu vermutenden Eigennutzes jedoch beschränkt. Ihre Aussagen sollten daher durch
dritte – bereits etablierte – Parteien untermauert werden. Weiterhin reduzieren auch die positiven Erfahrungen der Anwender-Community das wahrgenommene Risiko eines potentiellen Interessenten (Risikominderung durch Anwender-Community).
Schliesslich werden Entscheidungen, induziert durch eine animierende (Kauf-) Umgebung,
häufig spontan getroffen (s. Abschnitt C 2.2.1.4). Dies ist besonders bei Low-InolvementGütern der Fall. Die Eingliederung des Produktes in die Anwendung eines etablierten Produktes kann somit eine solche spontane Entscheidung zum Erwerb herbeiführen (Eingliederung in etabliertes Produkt).
***
Verwandte Patterns: Die positive Entscheidung für den Erwerb des Produktes sollte den sofortigen Einstieg in die Kauftransaktion und somit den Übergang in die Verhandlungsphase
ermöglichen (Verhandlungspatterns).
E 2.3.2 Risikominderung durch das Produkt
Kontext: s. Entscheidung / Absicht abstrakt
***
Problem: Um einen potentiellen Kunden zum Kauf zu motivieren, muss dessen wahrgenommenes Risiko minimiert werden. Bei Produkten entsteht generell die Gefahr, durch den
Nichterhalt eines Produktes oder durch einen Fehlkauf, d.h. den Erwerb eines Produktes,
das nicht den Erwartungen des Kunden entspricht, finanzielle Einbussen zu erleiden. Insbesondere bei digitalen Produkten resp. einem digitalen Erwerbsprozess entstehen weitere Risiken bzgl. des Schutzes privater Daten sowie der Sicherheit der Datenübertragung..
***
Beispiel: Mittlerweile gehört es zum „guten Ton“ jedes Online-Business, zur sogenannten
Netiquette, die Firmenpolitik bezüglich der Sammlung, Verwendung und Weiterleitung der
über den Kunden gesammelten Daten auf der Web Site zur veröffentlichen. Beispiele finden
sich bei amazon.com, bei eBay.com und bei dell.com (s. Abbildung E 2-21). Die entsprechenden
Privacy Policies beziehen sich auf die Interaktionsprozesse innerhalb des Erwerbsprozesses,
der After Sales Phasen und im Falle rein digitaler Produkte auch auf die Anwendung des
Services. Neben dem Schutz privater Informationen muss weiterhin der Transfer der Daten
gesichert ablaufen. Entsprechende Massnahmen, wie die Verschlüsselung der Daten, sind zu
kommunizieren und dann auch in den entsprechenden Phasen zu implementieren.
246
Entwicklung der Patternsprache
Abbildung E 2-21: Beispiel Privacy Policy bei dell.com, Zugriff 15.10.2001.
Um dem Kunden das leichte Auffinden derartiger Risikominderungsmassnahmen zu ermöglichen, publiziert dell.com diese auf der Startseite ihres Online-Auftritts. Aufgrund des
hohen Umfanges der Massnahmen werden diese hierarchisch in verschiedene Kategorien
gegliedert. Innerhalb dieser Kategorien sind die wesentlichen Aussagen am Anfang jedes
Abschnittes kurz in einem Satz zusammengefasst und farblich hervorgehoben, gefolgt von
einer ausführlicheren Erläuterung der Inhalte.
amazon.com schützt seine Kunden weiterhin durch ein kulantes Rückgaberecht vor Fehlkäufen. Den Kunden ist es hier möglich, die gekaufte Ware innerhalb von vier Wochen kostenfrei zurückzuschicken. Diese Information sowie auch die Massnahmen zum Schutz der Sicherheit und der Privatsphäre finden sich innerhalb der Hilfesektion. Die entsprechende Informationsseite ist auch hier in thematische Abschnitte gegliedert, deren Inhalte jeweils
durch einen farbig hervorgehobenen Einleitungssatz kurz zusammengefasst werden. Dies
erleichtert die schnelle Orientierung auf der Informationsseite sowie die rasche Aufnahme
der zentralen Aussagen.
eBay.com schützt die Anwender seines Auktionsservices durch eine kostenlose Versicherung
gegen Betrugsfälle. Erhält ein Kunde ein ersteigertes Produkt nicht oder entspricht das
Produkt nicht der Beschreibung des Anbieters, so bekommt der Kunde den Kaufpreis zurückerstattet. Die verschiedenen Sicherheitsmassnahmen finden sich auch hier innerhalb der
Hilfesektion. Sie sind jedoch auch über eine spezielle Sektion für Einsteiger erreichbar. Die
Informationsseiten selbst sind in verschiedene thematische Sektionen gegliedert, die man
über einen Navigator auf der Einstiegsseite der Hilfesektion gezielt erreichen kann.
***
Lösung: Implementiere und kommuniziere Massnahmen, die das Risiko der Kunden reduzieren. Positioniere diese derart, dass sie einfach gefunden werden können, wiederkehrende
oder uninteressierte Kunden jedoch nicht stören.
Design Patterns für digitale Produkte
247
Die Gestaltung dieser Szene wird im folgenden mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben.
O-Design: Beteiligte an dieser Szene sind der potentielle Kunde und das Produkt in der weitgehend passiven Rolle des Selbstdarstellers. Dabei kommuniziert das Produkt seine Strategien
zur Minimierung des Kundenrisikos. Sie umfassen i.d.R. den Schutz der persönlichen Daten
durch die Einhaltung einer Privacy Policy, die Sicherheit der Datenübertragung durch entsprechende Sicherheitsmassnahmen wie Verschlüsselung, den Schutz vor Fehlkäufen durch
eine kulante Rückgabegarantie, das Risiko des Nichterhalts der Ware durch entsprechende
Versicherungen.
I-Design: Der Prozess selbst ist wenig interaktiv. Er wird durch die Informationsstruktur der
entsprechenden Seiten determiniert und vom Kunden gesteuert. Das Produkt stellt dem
Kunden Informationen über die von ihm implementierten Strategien zur Risikominderung
zur Verfügung, die er lesen kann. Es kann diesen Prozess lediglich durch eine übersichtliche
Darstellung der Information, eine verständliche Beschreibung der Inhalte sowie eine geeignete Positionierung innerhalb des gesamten Web Site erleichtern und steuern. Idealerweise
befindet sich ein Verweis auf die Information in einer speziellen Sektion auf der Einstiegsseite, in der Hilfesektion oder aber einer Sektion für neue Besucher.
L-Design: Die dargebotenen Informationen müssen dem Kunden in klaren Worten die implementierten Massnahmen erklären und ihm dadurch die Angst vor möglichen Risiken
nehmen. Die Darstellung der Massnahmen sowie etwaige Kategorisierungsschemata müssen
der Logik des Kunden folgen. So entspricht die Positionierung innerhalb der erwähnten
Sektionen den Erwartungen des Kunden.
K-Design: Die Strukturierung der Informationen müssen es dem Kunden ermöglichen, eine
schnelle Übersicht zu erlangen und sich lediglich bei Bedarf weitere Informationen zu verschaffen. Hierzu eignet sich ein pyramedialer Schreibstil resp. die Darstellung der Inhalte in
Form einer verlinkten Liste, bei der lediglich die wesentlichen Aussagen dargestellt werden
und die weiteren Ausführungen bei Bedarf über einen Link erreicht werden können (s.
Pattern Hierarchical Set und Optional Detail on Demand in Tidwells (1999) Common Ground)
und Inverse Pyramid Writing Style in van Duyne et al.’s (2000) The Design of Sites).
Die in dieser Szene kommunizierten Massnahmen müssen dann in den entsprechenden Szenen organisatorisch und technisch umgesetzt werden.
***
•Privacy Policy
•Rückgaberecht
•Sicherheitsmassnahmen
Abbildung E 2-22: Diagramm Risikominderung durch Produkt
248
Entwicklung der Patternsprache
***
Rational: Die Gestaltung dieses Patterns beruht auf der in Abschnitt C 2.2.1.3 dargelegten
Theorie des wahrgenommenen Risikos und den ebenfalls dort erläuterten Strategien zur Risikominderung. Dabei kann das wahrgenommene Risiko vermindert werden, indem (1) die
möglichen negativen Folgen abgeschwächt werden (Rückgaberecht, Versicherung), oder
aber (2) die Eintrittswahrscheinlichkeit reduziert wird (Privacy Policy und Sicherheitsmassnahmen). Zusätzlich kann das Risiko im Sinne der negativen Folgen auch dadurch verringert
werden, dass es dem Kunden möglich ist, das Produkt zunächst probeweise, d.h. in einem
reduzierten Umfang und bei gleichzeitig reduzierten Kosten, auszutesten.
Bei digitalen Produkten kommen durch die Möglichkeiten der Sammlung, Verarbeitung und
Weiterleitung von Daten der Schutz der persönlichen Daten und durch die elektronische
Übertragung der Daten die Datensicherheit als Risikoquellen hinzu (s. Abschnitt C 1.3.3.3).
Insbesondere neue und daher noch nicht etablierte Produkte oder Produktanbieter haben
das Problem, dass ihnen aufgrund des ihnen zu unterstellenden Eigennutzes eine geringe
Glaubwürdigkeit und ein geringes Vertrauen entgegengebracht werden. Entsprechende
bestätigende Aussagen unabhängiger dritter Parteien können die Glaubwürdigkeit und
Qualität ihrer Massnahmen zur Risikominderung erhöhen oder das wahrgenommene Risiko
durch eigene Massnahmen weiter reduzieren. Auch die Meinungen und Erfahrungen der
Anwender-Community tragen zur Risikominderung bei und komplementieren somit die
diesbezüglichen Massnahmen des Produktes.
***
Verwandte Patterns: Nach getroffener Entscheidung muss es dem Kunden möglich sein, direkt in die Erwerbsphase überzutreten. Es besteht daher eine direkte Verbindung zu den
Patterns der Verhandlungsphase (Verhandlungspatterns).
Wie bereits bei der Beschreibung der Lösung konstatiert, hat die – inhaltliche – Gestaltung
dieser Szene weitreichende Konsequenzen für die organisatorische und informationstechnologische Gestaltung der folgenden Szenen des Erwerbs und der Anwendung des Produktes (Verhandlungs-, Abwicklungs-, und Anwendungspatterns). Die kommunizierten Risikominderungsstrategien müssen in diesen Szenen umgesetzt werden.
Weiterhin bestehen hier, wie soeben im Zuge des Rationals erläutert, direkte Verbindungen
zu den Szenen Probeweise Anwendung, Risikominderung durch Dritte und Risikominderung durch
Anwender-Community.
Dieses Pattern subsumiert die Inhalte des Patterns Privacy Policy in Perzel und Kanes (1999)
Usability Patterns for Applications on the World Wide Web.
E 2.3.3 Risikominderung durch Dritte
Kontext: s. Entscheidung / Absicht abstrakt
Diese Szene kann sich weiterhin in die Szene Risikominderung durch Produkt eingliedern oder
sich an diese anschliessen. Sie bestätigt die Aussagen des Produktes oder / und komple-
Design Patterns für digitale Produkte
249
mentiert die Risikominderungsmassnahmen des Produktes durch eigene Massnahmen der
unabhängigen Dritten Partei.
***
Problem: s. Risikominderung durch Anbieter
Anbieter haben ein Eigeninteresse, ihren Dienst oder ihr Produkt möglichst positiv darzustellen. Ihre Glaubwürdigkeit ist dadurch beschränkt (s. auch Abschnitt C 2.2.1.2).
***
Beispiel: Es gibt verschiedene Institutionen, die Gütesiegel insbesondere für Online Shops
ausstellen: Beispiele sind eTrusted.com, TrustedShops.com, und bbbOnline.com. Diese Siegel bezeugen in der Regel, dass die entsprechenden Anbieter die Regeln der Netiquette einhalten:
d.h., dass sie ihre Kunden über ihre Privacy Policy informieren und diese auch tatsächlich
auf ihrer Web Site implementieren.
eBay.com weist direkt auf ihrer Einstiegsseite sowie auch in der entsprechenden Hilfesektion
darauf hin, dass ihr Service von Trusted.com überprüft wird. dell.com verweist in ihren Sicherheitsinformationen auf die Zertifizierung durch bbbOnline.com, dell.de auf das europäische Gütesiegel TrustedShops. Die Hinweise auf die Zertifizierung finden sich bei Dell.com innerhalb der speziellen Sektion, in der die Privacy Policy erläutert wird, bei dell.de direkt auf
der Einstiegsseite des Online Shops. Durch Anklicken des entsprechenden Labels erreicht
man die Web Site dieser Institution, auf der das Zertifikat dargestellt ist (s. Abbildung E
2-23).
Abbildung E 2-23: Beispiel Risikominderung durch Gütesiegel und Online-Versicherung bei dell.de,
Zugriff 15.10.2001.
Zum Teil umfassen diese Zertifizierungsdienste auch weitere Services, wie z.B. Schiedsgerichte, die bei Streitfällen angerufen werden können (s. bbbOnline.com).
250
Entwicklung der Patternsprache
Daneben bieten verschiedene Versicherungen ihre Dienste zur Absicherung vor Fehlkäufen
oder vor Betrugsfällen im Zuge der Auslieferung der Waren an. Ein Beispiel dafür ist wiederum TrustedShops.com. Sie kontrollieren nicht nur die Einhaltung gewisser Qualitätsstandards bzgl. des Schutzes der Privatsphäre und der Lieferung der Ware, sondern versichern
den Kunden gegenüber Nicht-Lieferung der Ware, Kreditkartenmissbrauch und garantieren
weiterhin das Rückgaberecht der Waren. Dieser Dienst wird z.B. von dell.de angeboten. Bei
Abschluss eines Kaufvertrages kann der Kunde kostenlos eine Versicherung bei
TrustedShops.com abschliessen. Die Kosten werden dabei von dell.de selbst übernommen. Die
Kommunikation dieser Absicherung ist jedoch hier nicht optimal gelöst. Der Hinweis auf die
Versicherungsleistungen findet sich nicht direkt auf der Web Site des Produktes, sondern
erst in der Zertifizierungsinformation, die man über einen Link auf die Site von
TrustedShops.com einsehen kann.
***
Lösung: Implementiere und kommuniziere Risikominderungsmassnahmen, in Form von
Gütesiegeln und Versicherungen durch vertrauenswürdige Dritte. Positioniere diese derart
auf der Web Site, dass sie von interessierten potentiellen Kunden einfach gefunden werden,
den Kunden jedoch nicht stören: am Rand der Einstiegsseite und in der Informations- /
Hilfe-Sektion des Dienstes insbesondere für neue Kunden.
Diese Szene ist komplementär zur Szene Risikominderung durch das Produkt und gliedert sich
teilweise in die dortige Szenerie ein. So bezeugen dritte Parteien, die Qualität der Risikominderungsmassnahmen durch das Produkt oder ergänzen das Spektrum der Massnahmen des
Produktes.
O-Design: Diese Szene umfasst primär den potentiellen Kunden und die Dritte Partei. Wie das
Produkt in der Szene Risikominderung durch das Produkt, so tritt die dritte Partei in dieser
Szene als Selbstdarsteller auf und kommuniziert ihre Massnahmen zur Risikominderung. Dabei handelt es sich primär um Versicherungsleistungen sowie Zertifikate, welche die „Güte“
des Produktes resp. dessen Massnahmen zur Risikominderung bezeugen.
I-Design: Die dritte Partei spielt eine eher passive Rolle, die lediglich durch ihre Positionierung innerhalb der Web Site des Produktes auf sich aufmerksam macht. Entsprechende Informationen finden sich prinzipiell an den gleichen Stellen, wie die Informationen über die
Risikominderungsmassnahmen des Produktes. Gütesiegel, welche die Qualität der Produkte
resp. deren Sicherheitsmassnahmen bezeugen, werden entweder auf der Einstiegsseite des
Services, am Rande der Serviceseiten oder aber in den speziellen Informationssektionen in
Kombination mit der Darlegung der entsprechenden Massnahmen des Produktes platziert.
Die dritte Partei stellt sich zumeist in Form eines Labels dar, das mit der eigenen Site verlinkt
ist. Durch die Aktivierung dieses Links wechselt man auf diese Web Site und erhält dort ideallerweise direkt diejenigen Informationen, die sich auf das interessierende Produkt beziehen
(bspw. in Form eines Zertifikats).
Logischer Raum: s. Risikominderung durch das Produkt: Dabei übernimmt die dritte Partei die
Rolle des Produktes in der dortigen Szene.
Design Patterns für digitale Produkte
251
Die Bedeutung des Labels sollte weiterhin bereits durch dessen Design, insbesondere die
verwendeten Symbole und die Namensgebung kommuniziert werden. Für ein schnelles
Verständnis ist auf dem zu erwartenden logischen Raum der Kunden aufzubauen.
K-Design: Die Realisierung dieser Szene erfordert die Verlinkung mit den Sites der entsprechenden dritten Parteien. Dabei sollte dem Kunden direkt die von ihm benötigte Information, wie bspw. das Zertifikat des entsprechenden Anbieters, angezeigt werden. Dies erreicht
man bei dynamisch generierten Web Sites durch die Mitlieferung einer dem Produkt zugeteilten ID. Anschliessend muss der direkte Rückschritt in den Kontext des Produktes gewährleistet werden, was sehr einfach durch die Öffnung eines neuen Browserfenster bei der
Aktivierung des Links realisiert werden kann.
***
•Gütesiegel
•Versicherung
Vertrauenswürdige
Dritte
Abbildung E 2-24: Diagramm Risikominderung durch Dritte
***
Rational: Zertifikate und Leistungen von unabhängigen und vertrauenswürdigen Parteien
erhöhen die Glaubwürdigkeit der bezeugten Massnahmen (s. Abschnitt C 2.2.1.2). Allerdings
muss gewährleistet sein, dass diese dritten Parteien auch selbst eine positive Reputation besitzen und somit das Vertrauen der Kunden geniessen. Sie müssen daher gegebenenfalls
selbst entsprechende Massnahmen (auf ihrer Web Site) etablieren. Steht hinter der Dritten
Partei nicht ohnehin ein etablierter Dienstleister, so erhöht die Zusammenarbeit mit einem
solchen das den Dritten entgegengebrachte Vertrauen.
***
Verwandte Patterns: s. Risikominderung durch Produkt
Dieses Pattern weist weiterhin enge inhaltliche (und zeitliche) Zusammenhänge mit dem
Pattern Risikominderung durch das Produkt auf. Gütesiegel bezeugen die Qualität der dort
kommunizierten risikovermindernden Massnahmen des Anbieters.
E 2.3.4 Risikominimierung durch die Anwender-Community
Dieses Pattern entspricht in der Ausgestaltung dem Überzeugungspattern Integration in die
Anwender-Community. Durch die Sichtbarkeit der Meinung der Anwender und insbesondere
deren positive Erfahrungen sowie gegebenenfalls durch die mögliche Interaktion mit den
252
Entwicklung der Patternsprache
Anwendern wird jedoch nicht nur die Einstellung des Kunden gefestigt, sondern auch das
wahrgenommene Risiko verringert. Die Gestaltung der Szene entspricht den Ausführungen
in Abschnitt E 2.2.3.
Kontext: s. Entscheidung / Absicht abstrakt resp. auch Überzeugung abstrakt
Diese Szene kann sich insbesondere an die Szene Risikominderung durch Produkt anschliessen
und die dort kommunizierten Risikominderungsmassnahmen komplementieren.
***
Problem: s. Risikominderung durch Dritte
***
Beispiel: s. Integration in die Anwender-Community
***
Lösung: Ermögliche dem interessierten Kunden den Zugang zur Community der bereits gewonnenen Kunden und insbesondere zu deren – positiven – Erfahrungen mit dem Service.
Für die weiteren Ausführungen s. Integration in die Anwender-Community
***
Diagramm: s. Integration in die Anwender-Community
***
Rational: Die Aussagen und Erfahrungen der Anwender haben generell eine grössere
Glaubwürdigkeit als die Äusserungen des Anbieters selbst (s. Abschnitte C 2.2.1.2 und
C 2.2.2). Positive Erfahrungen anderer Kunden, die das Produkt bereits anwenden, verringern dabei das empfundene Risiko eines potentiellen Kunden (s. Abschnitt C 2.2.1.3).
Innerhalb einer Community besteht jedoch die Gefahr, dass dort auch negative Meinungen
über das Produkt gebildet und verbreitet werden. Falls diese unberechtigt sind, werden sie
im Idealfall von zufriedenen Mitgliedern der Community selbst widerlegt. Ansonsten sollte
der Anbieter des Dienstes selbst auf diese „Beschwerden“ reagieren. Idealerweise geschieht
dies im gleichen Medium, d.h. auf der Community-Plattform, sichtbar für alle CommunityMitglieder.
***
Verwandte Patterns: s. Risikominderung durch das Produkt
E 2.3.5 Probeweise Anwendung
Kontext: s. Entscheidung / Absicht abstrakt
Diese Szene gliedert sich häufig an die Szene Risikominderung durch Produkt an.
***
Problem: Die Schaffung einer positiven Einstellung reicht häufig nicht aus, um den Kunden
zur tatsächlichen positiven Kaufentscheidung zu motivieren. Insbesondere bei neuartigen
Design Patterns für digitale Produkte
253
Produkten oder Erfahrungsgütern entwickelt sich das Verständnis und auch die Einstellung
häufig erst im Zuge der Anwendung des Produktes.
***
Beispiel: Bei der Jobfair24.de handelt es sich um einen neuartigen Service, dessen konkreter
Nutzen daher nur schwierig im voraus abgeschätzt werden kann. Das durch diesen
Umstand induzierte Risiko und die damit verbundene Einstiegshürde versucht die OnlineMesse u.a. dadurch zu minimieren, dass sie interessierten Unternehmen die Möglichkeit
gibt, den Dienst in beschränktem Umfang und über einen beschränkten Zeitraum zu testen.
So findet sich in der Informationssektion für Unternehmer, unter der Rubrik „Preise und
Konditionen“, ein Testpaket für Neukunden mit einer Laufzeit von 2 Monaten und einem
beschränkten Umfang von 50 Stellenanzeigen. Die Positionierung innerhalb der
Konditionsliste ist hier allerdings nicht optimal gewählt, um die Aufmerksamkeit noch
schwankender Kunden auf sich zu lenken.
Abbildung E 2-25: Beispiel probeweise Anwendung bei Jobfair24.de, Zugriff 20.10.2001.
***
Lösung: Ermögliche dem Kunden eine risikoreduzierte probeweise Anwendung des Dienstes. Dabei kann entweder die Verfügungsdauer oder die Funktionalität des Dienstes eingeschränkt werden. Positioniere diese Szene so, dass interessierte Kunde direkt auf die Möglichkeit aufmerksam werden.
O-Design: Diese Szene umfasst den generell interessierten Kunden und das Produkt in der
Rolle des Entscheidungsunterstützers. Durch die Darbietung der beschränkten Nutzungsmöglichkeiten hat das Produkt das Interesse, das wahrgenommene Risiko des Kunden zu reduzieren und somit die positive Entscheidung zum Erwerb des Produktes zu fördern.
254
Entwicklung der Patternsprache
I-Design: In dieser Szene besteht die Interaktion lediglich darin, dass der Kunde das dargelegte Angebot wahrnimmt. Das Produkt muss die Aufmerksamkeit des Kunden durch eine
geeignete Positionierung auf das Angebot lenken und durch eine klare Darstellung der Inhalte das empfundene Risiko minimieren.
L-Design: Auf den logischen Raum des Kunden ist primär bei der Positionierung der Information zu achten. Diese sollte an einer zentralen Stelle im Anschluss an die Szene Risikominderung durch Produkt stehen. Das Angebot selbst muss so gestaltet werden, dass aus der Sicht
des Kunden der erwartete Nutzen das eingegangene Risiko übersteigt.
K-Design: Als reine Informationsszene stellt diese Szene keine weiteren Anforderungen an
die Gestaltung der Szene. Die Kernelemente des Angebotes sollten lediglich klar, idealerweise in einer Tabelle, herausgestellt werden (s. Pattern Tabular Set in Tidwells (1999)
Common Ground).
***
Abbildung E 2-26: Diagramm probeweise Anwendung
***
Rational: Diese Szene nutzt die Kommunikationswirkung des Produktes selbst. Durch die rasche Anwendung des Produktes kann der Kunde sich selbst ein Bild vom Produkt und dessen Nutzen verschaffen (s. Abschnitt C 2.1.3). Durch die Beschränkung der mit der Anwendung verbundenen vor allem finanziellen Risiken, wird die Hemmschwelle einer positiven
Entscheidung reduziert.
Der eingeschränkte Umfang der Funktionalität des Produktes und die damit realisierte sukzessive Einführung des Produktes ermöglicht weiterhin insbesondere bei komplexen neuartigen Produkten einen sukzessiven Aufbau des benötigten Anwendungswissens (s. Abschnitt C 2.1.3).
***
Verwandte Patterns: Diese Szene leitet im Erfolgsfall direkt zur Verhandlungsphase über. Sie hat
inhaltliche Abhängigkeiten zu den Phasen der Verhandlung und der Abwicklung sowie der
Anwendung: Das beschränkte Gebot kann direkt in einen Vertrag transformiert werden, der
dann die Ausgestaltung der Abwicklungs- und Anwendungsphase determiniert.
Dieses Pattern ähnelt in seinen Aussagen und Inhalten dem Pattern Carrot and a Stick in
Perzel und Kanes (1999) Usability Patterns for Applicaions on the World Wide Web.
E 2.3.6 Anreizmechanismen
Kontext: s. abstraktes Entscheidungspattern
Design Patterns für digitale Produkte
255
Diese Szene kann auch im Zuge der Kundenbetreuungsphase eingesetzt werden, um bereits
bestehende Kunden zum Wiederkauf zu motivieren.
***
Problem: Die Schaffung einer positiven Einstellung reicht häufig nicht aus, um den Kunden
zur tatsächlichen positiven Kaufentscheidung zu motivieren. Bestimmte Ereignisse, Rogers
spricht hier von den „cues-to-action“ (Rogers 1995: 170), können diesen Übergang von einer
ausgebildeten positiven Einstellung zur Entwicklung einer Kaufabsicht jedoch einleiten.
***
Beispiel: amazon.de versucht durch Anreizmechanismen, neue Kunden zur Nutzung ihres
Online Bookstores zu motivieren. Beim Betreten der Einstiegsseite öffnet sich ein neues
Fenster, in dem neuen Kunden ein Start-Gutschein für ihren ersten Kauf bei amazon.de offeriert wird (s. Abbildung E 2-27). Dieser Gutschein führt über einen Link direkt zur kostenlosen Registrierung des Kunden. Der Gutschein kann dann im anschliessenden Kaufprozess
eingelöst werden.
Abbildung E 2-27: Beispiel Anreizmechanismen bei amazon.de, Zugriff 20.10.2001.
Jobfair24.de etablierte ein zeitlich befristetes Bonussystem, um potentielle Kunden, d.h. Bewerber zur Teilnahme an ihrem Online Service zu motivieren: Wer bis zu einem bestimmten
Endzeitpunkt eine Bewerbungsmappe des Online-Messeanbieters ausfüllte oder an einer
Online-Messe teilnahm, wurde durch Bonuspunkte in einem, von mehreren Web-Anbietern
getragenen Bonussystem belohnt. Diese Aktion hatte vom quantitativen Massstab her gesehen auch tatsächlich den gewünschten Erfolg und führte somit zu einer deutlichen und raschen Zunahme der registrierten Benutzer. Da die Bonuspunkte jedoch unabhängig von der
Qualität der eingegebenen Bewerbungsmappen und der gezeigten Aktivität auf der OnlineMesse vergeben wurden, war der Erfolg unter einer qualitativen Betrachtung nicht ganz so
überzeugend.
***
Lösung: Entwickle ein zielgerichtetes System von Anreizmechanismen, das (neuen) Kunden
die Entscheidung zum Erwerb des neuen Produktes erleichtert, und kommuniziere dies dem
Kunden.
256
Entwicklung der Patternsprache
Diese Szene ist von ihrer Gestaltung her sehr ähnlich zur Szene Awareness durch Produkt.
O-Design: In dieser Szene treten der potentielle Kunde und das Produkt resp. dessen Anbieter
auf. Auch hier ist die Rolle des Produktes eher passiver Natur. Es präsentiert bestimmte Anreizprogramme, die den Kunden dazu motivieren sollen, das Produkt zu erwerben. Dabei
handelt es sich zumeist um ökonomische Anreize, wie Gutscheine, Bonuspunkte oder reduzierte Preise. Eine zeitliche Beschränkung der Aktion kann Spontanentscheidungen des
Kunden fördern (s. (Bänsch 1989: 73)). Für den auch langfristigen Erfolg ist dabei die
Ausrichtung der Anreizmechanismen auf die angestrebte Zielgruppe entscheidend.
I-Design: Die Interaktion beruht darauf, dass der Kunde die Information über die Anreizmechanismen liest und, so motiviert, idealerweise direkt zum Erwerb des Produktes übergeht.
Das Produkt kann die Wahrnehmung der Information lediglich durch die Darstellung sowie
die Positionierung innerhalb der Web Site beeinflussen. Hier eignet sich die Präsentation an
zentraler Position innerhalb der Einstiegsseite oder in einem separaten Fenster, das sich beim
Betreten der Einstiegsseite öffnet (s. Pattern Sovereign Posture in Tidwells (1999) Common
Ground).
L-Design: Bei der Gestaltung der Inhalte muss der logische Raum des Kunden berücksichtigt
werden. Die Anreize müssen unter Berücksichtigung der Interessen potentieller Kunden gewählt und in einer Form dargestellt werden, die für die Anwender leicht verständlich ist und
diesen direkt anspricht. Die soeben erläuterte auffällige zentrale Positionierung fördert die
Wahrnehmung durch potentielle Kunden.
K-Design: An das K-Design werden hier insbesondere Anforderungen bezüglich des graphischen Layouts gestellt. Es muss das Interesse des Kunden auf sich ziehen und dabei die Botschaft klar kommunizieren.
Die versprochenen Bonuspunkte können dabei auch in ein von einer Dritten Partei geführtes
Bonussystem einfliessen, das mehrere Produktanbieter umfasst. Dies erfordert eine auch
technische Integration der verschiedenen Theaterstücke.
***
+
Anreiz
Abbildung E 2-28: Diagramm Anreizmechanismen
***
Rational: Dieses Pattern beruht auf dem Prinzip, durch eine Erhöhung des wahrgenommenen
Kundennutzens den interessierten Kunden zu einer Kaufentscheidung zu motivieren (s. Abschnitt C 2.1.3). Die zeitliche Beschränkung der Aktion fördert ein rasches Entscheidungsverhalten.
Anreizmechanismen helfen jedoch lediglich dabei, unentschlossene Kunden zur ersten Nutzung des Produktes zu motivieren. Für eine langfristige Kundenbindung ist dann die Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt entscheidend. Essentiell ist daher weiterhin die
Design Patterns für digitale Produkte
257
optimale Abstimmung des Produktes auf die Bedürfnisse des Kunden sowie die Ansprache
der richtigen Zielgruppe.
***
Verwandte Patterns: Die Szene endet im Erfolgsfall mit der Ausbildung einer Kaufabsicht.
Diese sollte durch einen Übergang zum Vertragsabschluss direkt implementiert werden
können (Verhandlungspatterns).
Da dieser Anreiz auch beim ersten Kennenlernen des Produktes und somit gewissermassen
in der Awarenessphase auftreten kann, muss der Kunde gegebenenfalls dabei unterstützt
werden, zunächst eine Einstellung zum Produkt zu entwickeln, resp. das wahrgenommene
Risiko weiter zu verringern. Hier ist somit ein direkter Übergang zu den Überzeugungsszenen
sowie den anderen Entscheidungsszenen, insbesondere Risikominderung durch Produkt zu gewährleisten.
Inhaltliche Abhängigkeiten bestehen zwischen diesem Pattern und den Patterns der Verhandlungsphase sowie der Abwicklungs- und Anwendungsphase. In die Verhandlung sind die
versprochenen Zusätze aufzunehmen und in der Abwicklungsphase und gegebenenfalls
auch der Anwendungsphase zu implementieren.
E 2.3.7 Eingliederung in Interessen-Communities
Kontext: s. Entscheidung / Absicht abstrakt
***
Problem: Die positive Einstellung zu einem Produkt fördert generell die Bereitschaft zum Erwerb eines Produktes. Sie induziert jedoch nicht direkt die Ausbildung einer Kaufabsicht.
Wie in Abschnitt C 2.2.1.2 erläutert wurde, beeinflussen jedoch insbesondere die Erwartungen resp. das Verhalten der relevanten Bezugsgruppen die Kaufabsicht des Kunden.
Neben den „realen“ sozialen Netzwerken bilden sich in der vernetzten Welt immer mehr
„virtuelle“ Gemeinschaften heraus. Diese Gemeinschaften basieren nicht primär auf räumlicher Nähe oder verwandtschaftlicher Bindung, sondern auf einem gemeinsamen Interesse
ihrer Mitglieder. Sie dienen somit als Informations- und Austauschplattform für bestimmte
Themenstellungen. Weiterhin ermöglichen sie auch den sozialen Austausch zwischen ihren
Mitgliedern. Dadurch kann sich über die Zeit eine – soziale – Identität der Community herausbilden und sich auf diese Weise die Community zu einem sozialen Bezugspunkt für ihre
Mitglieder entwickeln. Die Online-Gemeinschaft übernimmt dann eine gewisse Filterfunktion und wird weiterhin zum Massstab für das, was „man“ kennen, haben oder besitzen
muss oder darf.
***
Beispiel: Neben den mit einem Produkt oder Dienstleister direkt assoziierten Communities,
wie amazon.com oder ebay.com etablieren sich auch immer mehr unabhängige Communities,
wie z.B. ivillage.com (mit ihren zahlreichen Sub-Communities). ivillage.com gehört mit einer
Mitgliederzahl von 7.2 Mio. registrierten Teilnehmern zu einer der erfolgreichsten Commu-
258
Entwicklung der Patternsprache
nity Sites. Sie richtet sich dabei ausschliesslich an Frauen (über 18) und deckt dabei mit ihren
verschiedenen Sub-Communities die zentralen frauenspezifischen Interessensgebiete ab.
Abbildung E 2-29: Illustration Integration in Interessen-Community durch Etablierung einer Diskussionsgruppe über das eigene Produkt resp. über das durch das Produkt gelöste „Problem“, Zugriff 15.10.2001.
Produkten stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, sich innerhalb der Community zu etablieren. So können sich Produktanbieter durch die Integration in bestehende Diskussionsgruppen oder die Etablierung produktspezifischer Diskussionsgruppen oder Chatveranstaltungen in die Community einzugliedern versuchen. Vertreter der Produkte treten
hier als Experten auf. Beispielsweise findet sich innerhalb der Sektion Food and Health ein
„Discussion Board“ über Slim Fast. Es wird von Vertretern der Firma, in der Rolle des Spezialisten, moderiert und geleitet (s. Abbildung E 2-29). Weiterhin können Produkte auch innerhalb der Informationssektionen auf sich aufmerksam machen. Die Publikation als „Sponsor“ kann dabei durch finanzielle Mittel „erkauft“ werden. Wirkungsvoller sind jedoch auch
Berichte über das Produkt resp. neue Problemlösungen mit Hilfe des Produktes. Diese können jedoch vom jeweiligen Produkt nur bedingt durch die Kommunikation mit den Community-Betreibern resp. den Redakteuren der jeweiligen themenbezogenen Sub-Communities,
gesteuert werden. Gleiches gilt für Community Ratings von Produkten. Sie haben eine hohe
Wirkung auf die Mitglieder, können jedoch nicht von den jeweiligen Produktanbietern beeinflusst werden.
Design Patterns für digitale Produkte
259
Neben diesen Interessen-Communities entstehen auch spezielle Verbraucher-Communities,
die das gemeinsame Interesse am (Online) Shopping zusammenhält. Das bekannteste Beispiel ist ciao.com. Hier tauschen sich Kunden über ihre Erfahrungen in der Anwendung bestimmter Produkte aus. Diese Kommunikation findet dabei zumeist nicht direkt zwischen
den Community-Mitgliedern, sondern über die Publikation, Sammlung und Veröffentlichung von Kunden-Ratings statt. Diese Gemeinschaft bildet somit nur bedingt eine soziale
Identität aus und dient verstärkt der Minimierung des wahrgenommenen Risikos durch die
Erfahrungen der Anwender der jeweiligen Produkte.
***
Lösung: Integriere das Produkt in etablierte Interessen-Communities potentieller Kunden.
Etabliere und verbreite dadurch eine – positive – soziale Einstellung gegenüber dem Produkt
innerhalb der Interessen-Community in deren Funktion als Bezugsgruppe für ihre Mitglieder.
In diesem Pattern stehen weniger die konkreten Abläufe innerhalb einer Online Community
im Vordergrund. Diese werden im Pattern Community der Phase der Kundenbetreuung genauer spezifiziert. Dagegen interessieren hier die Möglichkeiten des Produktes, potentielle
Kunden zum Kauf zu motivieren, die sich durch die Integration in eine bestehende Community ergeben.
O-Design: Die zentralen Mitglieder innerhalb dieses Theaterstückes „Online Community“
sind die Mitglieder der Community sowie der Community-Betreiber in der Rolle des Community-Managers, der für die Strukturierung der Community und insbesondere der dargestellten Informationsangebote sowie für die Bereitstellung von Kommunikationsmöglichkeiten
zwischen den Community-Mitgliedern verantwortlich ist. Das Produkt übernimmt in dieser
Szene die Funktion des Selbstdarstellers oder, wenn möglich, des Experten. Er gliedert sich
dabei in die Kommunikations- und Informationsdienste der Community-Plattform ein. Das
Produkt hat in dieser Szene das Interesse, sich selbst innerhalb der Community zu etablieren.
Dabei kann es sich jedoch lediglich in die gegebene Szenerie eingliedern. Seine Möglichkeiten zur aktiven Gestaltung der Szene sind dagegen beschränkt.
I-Design: Mitglieder besuchen die Community, um sich über ein bestimmtes Interessengebiet
zu informieren und sich mit Gleichgesinnten darüber auszutauschen. Dafür stehen ihnen
prinzipiell die folgenden „Services“ zur Verfügung: (1) Redaktionell aufbereitetes Material,
(2) die Diskussion mit anderen Community-Mitgliedern und (3) die Dikussion mit Spezialisten. Weiterhin veranstalten Community Sites häufig verschiedenartige Umfragen, in denen Mitglieder über ihre Meinung insbesondere zu Produkten befragt werden und die konsolidierten Ratings dann wiederum den Kunden zur Verfügung gestellt werden.
In die verschiedenen Szenen kann sich das Produkt mehr oder weniger aktiv einbringen:
Seine Integration der Problemlösung in das redaktionell aufbereitete Material kann das Produkt nur indirekt beeinflussen, indem es den zuständigen Redakteur auf das Produkt aufmerksam macht und ihn davon zu überzeugen versucht, über dieses Produkt zu berichten.
Dies kann durch den parallelen Aufbau einer längerfristigen Partnerschaft zwischen Produkt
und Community Site, die häufig zunächst auf einem reinen Sponsoring beruht, erleichtert
260
Entwicklung der Patternsprache
werden. Um seine Glaubwürdigkeit zu bewahren, muss der verantwortliche Redakteur jedoch auf den Erhalt seiner Unabhängigkeit und seiner weitgehenden Unvoreingenommenheit bedacht sein.194
Einen direkteren und gezielteren Einfluss hat das Produkt, wenn es sich selbst als Experte
positioniert. Dazu kann es an bestehenden Diskussionsgruppen teilnehmen oder aber selbst
eine neue Diskussionsgruppe etablieren. Damit gliedert sich das Produkt in den sozialen Erfahrungsaustausch innerhalb der bestehenden Interessen-Communities ein und etabliert im
Idealfall eine eigenen Interessen-Sub-Community über sein Produkt oder über das durch das
Produkt gelöste Kundenproblem. Die Sichtbarkeit der Kommunikation innerhalb dieser
Community fördert dann auch die Akzeptanz durch andere Community-Mitglieder.
Weiterhin kann das Produkt sich auch als Sponsor auf der Site präsentieren und allein durch
seine Präsenz die Akzeptanz innerhalb der Community Site ausstrahlen. Diese Positionierung wirkt sich dabei jedoch stärker auf die Awareness des Produktes als auch die Entscheidungsfindung aus. Auf Umfrageergebnisse innerhalb der Community hat es ebenfalls keinen Einfluss. Das Produkt ist hier lediglich Beobachter. Es kann die diesbezüglichen Informationen jedoch nutzen, um seine Marktposition und auch mögliche Defizite kennenzulernen und schnell darauf zu reagieren.
Nach der Ausbildung der Kaufabsicht, sollte es dem Kunden dann möglich sein, direkt das
Produkt erwerben zu können.
L-Design: Das Produkt ist darauf angewiesen, dass es sich durch eine Eingliederung in das
Informationsangebot und, soweit möglich, in die Diskussion zwischen Community-Mitgliedern innerhalb der Interessen-Community etabliert. Die Strukturierung der Community Site
selbst muss dabei dem logischen Raum des Kunden entsprechen und ihm die Orientierung
auf der Site ermöglichen. Diese Gestaltung liegt jedoch weitestgehend ausserhalb des Einflussbereiches des Produktes, das lediglich Gast auf dieser Site ist.
K-Design: Das K-Design umfasst die bereits angesprochene Strukturierung der Web Site, die
durch eine geeignete thematische Aufteilung in verschiedene „Räume“ den CommunityMitgliedern die Orientierung auf der Site erleichtern soll (s. Pattern Navigable Spaces in
Tidwells (1999) Common Ground). Weiterhin müssen die technischen Möglichkeiten zur interpersonellen Kommunikation bereitgestellt werden. Der Übergang zur Verhandlungsszene
wird durch einen einfachen Link realisiert. Der Erwerb des Produktes kann dabei in die Site
integriert sein oder zu einem Wechsel in das Theaterstück zwischen Kunde und Produkt
führen.
***
194 Er übernimmt hier gewissermassen die Rolle des „Change Agents“, s. Abschnitt C 2.2.2.2.
Design Patterns für digitale Produkte
261
Potentieller
Kunde
Interessencommunity
Abbildung E 2-30: Diagramm Integration in Interessen-Community195
***
Rational: In dieser Szene wird der Einfluss von Gemeinschaften auf das Verhalten ihrer Mitglieder ausgenutzt. Die Integration des Produktes in eine Gemeinschaft und insbesondere
die sichtbare Anwendung und Bewertung durch die Gemeinschaft reduzieren die ökonomische, aber vor allem auch die soziale Unsicherheit, die mit einem Produkt verbunden ist.
Weiterhin wird durch die Community auch ein gewisser sozialer Druck auf ihre Mitglieder
zur Übernahme bestimmter Produkte und Problemlösungen ausgebildet. Der Einfluss der
Community hängt dabei vom Typus des Individuums ab, d.h. dessen Tendenz zu innovativem oder imitativem Verhalten (s. Abschnitt C 2.2.2.3).
Die soziale Kommunikation über das Produkt ist jedoch nur bedingt steuerbar und birgt somit auch die Gefahr der Ausbildung einer negativen „sozialen“ Einstellung gegenüber dem
Produkt. Communities wirken somit generell als Informationsfilter und als Verstärker, wobei sich diese Verstärkung sowohl positiv als auch negativ auf die Produktverbreitung auswirken kann.
***
Verwandte Patterns: Wie die anderen Szenen der Entscheidungsphase, muss auch diese Szene
den direkten Übergang zur Verhandlungsphase gestatten. Wie bereits in der Beschreibung des
K-Designs erläutert, kann dies einen Wechsel des Theaterstückes zur Bühne des Produktes
mit sich bringen.
Die Eingliederung des Produktes in etablierte Communities wirkt sich auch auf die Einstellung der Mitglieder zu diesem Produkt aus. Vor allem Individuen mit stark ausgeprägtem
imitativem Verhalten orientieren sich in ihrem Verhalten, aber auch in ihrer Einstellung an
ihrem sozialen Umfeld. Um kognitive Dissonanzen zu vermeiden gleichen sie ihre Einstel-
195 Das Produkt etabliert sich innerhalb einer Community, die Bezugsgruppe potentieller Kunden ist,
als „Star“.
262
Entwicklung der Patternsprache
lungen denen ihres sozialen Umfeldes an. Dieses Pattern kann daher im Grunde auch der
Überzeugungsphase zugeordnet werden.196
Weiterhin bestehen starke inhaltliche Abhängigkeiten zur Szene Community der Phase der
Kundenbetreuung. Die dort beschriebene, direkt mit einem Produkt assoziierte Community
kann sich ebenfalls zu einer Bezugsgruppe ihrer Mitglieder entwickeln und nimmt somit
ebenfalls Einfluss auf die Einstellungs- und Entscheidungsfindung ihrer Mitglieder.
E 2.3.8 Integration in etabliertes Produkt (Problemlöser)
Die Awareness-Szene Integration in ein etabliertes Produkt kann, wie bereits in Abschnitt
E 2.1.2 beschrieben, direkt in die Verhandlungsphase überleiten. Dies ist vor allem dann der
Fall, wenn das Produkt als Problemlöser auftritt. Diese Szene gliedert sich somit auch in die
Entscheidungsphase ein. Die Beschreibung der Szene kann dabei direkt aus Abschnitt E 2.1.2
übernommen werden. Genutzt wird hier die animierende Wirkung der umgebenden Szenerie.
E 2.4
Wissen
In diesem Abschnitt wird die Gestaltung der Wissensszenen innerhalb des Theaterstückes
der Kunde-Produkt-Interaktion durch Patterns beschrieben. Auch hier werden die Einordnung in das Gesamttheaterstück, die Problemsituation, die generellen Gestaltungsprinzipien
und die zu berücksichtigenden theoretischen Grundlagen in einem abstrakten Pattern beschrieben. Die Ausgestaltung der konkreten Szenen wird dann in einzelnen Szenenpatterns
erfasst. Abbildung E 2-31 gibt einen Überblick über die Patterns dieser Szene und ihre
zentralen Abhängigkeiten.
Wissen
FAQ
Demo
Verhandlung
Experten
Anwendung
Kundenbetreuung
HilfeCommunity
Abbildung E 2-31: Übersicht Wissenspatterns
196 Durch die Positionierung innerhalb einer etablierten Community kann ein Produkt auch zunächst
die Aufmerksamkeit der Mitglieder auf das Produkt lenken. Unter diesem Gesichtspunkt ist
diese Szene daher auch der Awarenessphase zuzuordnen.
Design Patterns für digitale Produkte
263
E 2.4.1 Wissen abstrakt
Kontext: Um ein Produkt nutzen zu können, benötigt ein Kunde Konsumwissen. Rogers
(1995) unterscheidet hierbei zwischen Wissen über die Existenz des Produktes und Wissen
über die Anwendung des Produktes. Die Übermittlung gliedert sich somit an verschiedenen
Stellen des Kunde-Produkt-Interaktionsprozesses ein. In der Awarenessphase wird vorrangig das Wissen über die Existenz des Produktes sowie ein erstes Verständnis für das Produkt
vermittelt. Detailliertes Anwendungswissen wird dann für die eigentliche Anwendung des
Produktes im engeren Sinne (Anwendungsphase und Phase der Kundenbetreuung) aber
auch für den Erwerbsprozess (Verhandlungs- und Abwicklungsphase) benötigt.
Die Wissensszene gliedert sich somit in jede Szene ein, in der die explizite Vermittlung von
Wissen benötigt wird. Dabei kann das Wissen generell vor oder im Zuge des Bedarfsfalles
und somit vor oder innerhalb der jeweiligen Szene vermittelt werden.
***
Problem: Um ein Produkt zu verstehen, erwerben und richtig anwenden zu können, muss
beim Kunden in der Regel – neues – Wissen aufgebaut werden. Idealerweise orientiert sich
das Produkt bei der Gestaltung der Interaktionsprozesse mit dem Kunden an dessen zu erwartendem Wissensstand und erfordert somit möglichst wenig zusätzlichen Lernaufwand.
Dennoch lässt sich die explizite Wissensvermittlung insbesondere bei innovativen Produkten
und Erwerbsprozessen häufig nicht gänzlich vermeiden. Der Lernaufwand sollte dabei
durch gezielte und effiziente Lernmethoden möglichst gering gehalten werden.
***
Beispiel: Auktionen stellen einen Dienst zum effizienten Abgleich von Angebot und Nachfrage dar, der prinzipiell bekannt, jedoch insbesondere im Endkundenbereich noch wenig
verbreitet ist. Durch die Abbildung der Prozesse auf einer technischen Plattform ergeben
sich weitere Besonderheiten, mit denen der Kunde per se nicht vertraut ist und die ihm somit erläutert werden müssen.
Das Online-Auktionshaus eBay.com bietet daher ein umfangreiches Angebot an wissensvermittelnden Diensten an. Sie umfassen FAQs, Demos, Informationen der Community, etc.
Eingegliedert sind sie sowohl in eine allgemeine Hilfesektion als auch in die Anwendungsszenen selbst. Innerhalb der Anwendungsszenen finden sich spezielle Hinweise über verschiedene Möglichkeiten zur Klärung der im Zuge der jeweiligen Szene häufig auftretenden
Probleme (s. Abbildung E 2-32).
264
Entwicklung der Patternsprache
Abbildung E 2-32: Beispiel Wissensübermittlung im Zuge der Anwendung der Auktion (linke Seite) und in einer separaten Sektion (rechte Seite) bei eBay.com, Zugriff 21.10.2001.
Auch Dell.Com bietet auf seiner Web Site eine ausführliche Hilfesektion an. Dell ist dabei bemüht, durch die direkte Einbeziehung der Kunden seine Dienste zur Wissensvermittlung
kontinuierlich zu verbessern und an die Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Dazu werden die Kunden auf jeder Seite innerhalb der Support-Sektion zur Beurteilung der verwendeten Hilfedokumente aufgefordert (s. Abbildung E 2-33). Der Prozess
bedarf beim Kunden lediglich der Selektion einer von drei Beurteilungskategorien „hilfreich“, „nicht hilfreich“ oder „unzureichend“ und induziert somit keinen grossen Zusatzaufwand.
Eine bessere Integration des Feedbackprozesses in die Szene würde die Wahrscheinlichkeit
jedoch erhöhen, dass der Kunde tatsächlich von dieser Feedbackmöglichkeit Gebrauch
macht. So könnte er direkt nach der Präsentation der jeweiligen Hilfeangebote beim Übergang zu weiterführenden Fragen oder zurück zur Ausgangsszene um eine kurze Stellungnahme gebeten werden.
Design Patterns für digitale Produkte
265
Abbildung E 2-33: Beispiel Integration einer Feedbackschleife zur Verbesserung des Hilfeangebots bei dell.com,
Zugriff 21.10.2001.
***
Lösung: Stelle dem Kunden verschiedene Dienste zur Verfügung, die ihm im Bedarfsfall die
Aneignung von Wissen erleichtern.
Die Ausgestaltung der Wissensszene hängt von der zugrundegelegten Methodik ab und
wird in den konkreten Szenepatterns erläutert. Für alle diese Patterns stimmt jedoch die Eingliederung in den Kontext weitestgehend überein. Wie oben beschrieben, finden sich die Informationen entweder in einer separaten Hilfesektion, oder aber sie gliedern sich direkt in
die Situationen ein, in denen der Bedarf nach Wissensvermittlung auftritt. Damit diese Szenen jedoch diejenigen Anwender nicht stören, die mit der jeweiligen Szene vertraut sind,
sollten sich die Hinweise auf das Wissensangebot am Rande der Szene in einer extra gekennzeichneten Sektion befinden (s. Pattern Sovereign Posture in Tidwells (1999) Common Ground).
Durch die Integration einer Feedback-Schleife in den Prozess der Wissensvermittlung kann
das Angebot kontinuierlich verbessert und an die aktuellen Bedürfnisse der Kunden angepasst werden.
Die Wissensvermittlung spielt eine entscheidende Rolle im Zuge der Betreuung des Kunden.
Die Ausgestaltung dieser Szene mit Hilfe der Theatermetapher wird daher im Pattern
Support im Detail beschrieben.
***
266
Entwicklung der Patternsprache
Wissensvermittler
?
Abbildung E 2-34: Diagramm Wissen abstrakt
***
Rational: Der Erwerb und die Anwendung eines Produktes benötigen (insbesondere bei neuartigen Produkten und Erwerbsprozessen) die Aneignung von Konsumwissen. Interaktive
Produkte und Wirtschaftsräume bieten zwar weitreichende Möglichkeiten für die Gestaltung
intuitiv nutzbarer Schnittstellen, dennoch erfordern insbesondere neuartige Produkte (und
Erwerbsprozesse) die explizite Übermittlung neuen Wissens.
Die Gestaltung dieser Szene ist dabei auf die Optimierung des Kundenwertes und somit auf
die Steigerung der Qualität und die Reduzierung der Kosten auszurichten.197 Um den Komfort der Anwendungsszene zu steigern, ist die Wissensvermittlung bei rein digitalen Produkten direkt in die jeweilige Anwendungsszene zu integrieren und dem Kunden genau
dann das benötigte Wissen zu vermitteln, wenn er es braucht.
Die Qualität der Szene richtet sich weiterhin nach dem Erfolg der Wissensvermittlung, die
Kosten nach dem induzierten Aufwand. Kunden unterscheiden sich dabei in bezug auf ihren
Wissenstand und somit ihren Bedarf nach expliziter Wissensvermittlung sowie auch nach
der gewünschten und effektivsten Art der Wissensvermittlung. Der interpersonelle Dialog
mit Spezialisten ermöglicht es, direkt auf die Bedürfnisse des Einzelnen eingehen zu können
(Expertengespräch). Diese Lösung kann sich jedoch für beide Parteien recht aufwendig und
zeitintensiv gestalten. Die Automatisierung des Hilfeangebots, d.h. dessen Abbildung in
Software ermöglicht dem Kunden dagegen den Bezug des Wissensangebotes, wann immer
er dies benötigt und gegebenenfalls auch zum wiederholten Male.
Die Automatisierung erfordert eine vorgelagerte systematische Aufbereitung des zu vermittelnden Wissens und zuvor die eigentliche Abschätzung des Wissensbedarfs bei den (potentiellen) Kunden. Diese Abschätzung kann durch eine Integration der Anwender-Community
erleichtert werden. Fragen, die im Zuge der Anwendung wiederholt an die Support-Abteilung gestellt wurden, können gesammelt und in strukturierter Form der Anwender-Community wieder zur Verfügung gestellt werden (FAQ).
Insbesondere unerfahrende Anwender können jedoch Schwierigkeiten haben, Probleme in
Form von konkreten Fragen zu formulieren. Hier eignet sich daher die Vorführung des Produktes in Form einer Online-Demonstration, die den Hilfesuchenden in die zentralen Wissensinhalte einführt (Online-Demo).
197 Die Wissensszene trägt dabei zum Kontextwert des Produktes bei (s. Abschnitt C 1.4).
Design Patterns für digitale Produkte
267
Weiterhin kann die Community der Anwender auch direkt in die Wissensvermittlung einbezogen werden (Hilfe-Community). Ein Hilfesuchender kann sich dann gezielt an die Community wenden. Im Gegensatz zu Spezialisten können sich die Community-Mitglieder häufig besser in die Problemsituationen anderer Mitglieder hineindenken und auftretende Fragen in einer Sprache beantworten, die das Gegenüber dann auch versteht (s. Homophilie-Eigenschaft in Abschnitt C 2.2.2.2).
Das Feedback der Anwender des Hilfeservices ist zu nutzen, um die Qualität des Hilfeangebots kontinuierlich zu verbessern und an die Bedürfnisse des Kunden anzupassen. Dieser
Prozess darf jedoch keinen grossen Aufwand verursachen und muss sich möglichst natürlich
in den Hilfeprozess eingliedern. Ansonsten belastet er die Kunden und wird infolgedessen
auch nicht akzeptiert. Ein einfaches Ratingschema, das nach (erfolgreicher) Wissensvermittlung schnell auszufüllen ist, wird diesen Anforderungen gerecht.
***
Verwandte Patterns: Wie bereits bei der Einordnung in den Kontext ausgeführt, werden die
Szenen der Wissensvermittlung entweder vor oder im Zuge eines konkreten Bedarfsfalles
betreten. In jedem Fall sollte es möglich sein, das neu erlernte Wissen sofort in der konkreten
Problemsituation anwenden zu können. Die Wissensszenen sollten daher direkt zur jeweiligen Ausgangsszene zurückführen..
E 2.4.2 FAQ
Kontext: s. Wissen abstrakt
***
Problem: Der potentielle Kunde möchte möglichst gezielt und ohne grossen Zeitaufwand Lösungen für seine aufkommenden Fragen erhalten. Oftmals treten im Zuge des Kennenlernens eines Services oder dessen Anwendung immer wieder die selben Fragestellungen auf.
***
Beispiel: Das Online-Auktionshaus eBay.com stellt seinen Kunden in seiner Hilfesektion aber
auch auf den jeweiligen Anwendungsseiten Listen der zentralen Fragen mit den zugehörigen Antworten zur Verfügung, die im Zuge der Anwendung bei den Kunden immer wieder
auftreten. Diese werden auch abkürzend als FAQ (Frequently Asked Questions) bezeichnet.
Innerhalb der Hilfesektion erfolgt die generelle Einteilung der Fragen zunächst gemäss den
Zielgruppen: (1) den neuen Kunden, die zunächst ein generelles Verständnis für den Dienst
gewinnen möchten, (2) den Anbietern (Sellers) und (3) den Nachfragern (Buyers) versteigerter Güter.198 Die einzelnen Listen sind wiederum in verschiedenen Sublisten unterteilt,
die Fragen zu bestimmten Themenstellungen erläutern. Beispielsweise findet sich in der
198 Weitere Listen exisiteren für andere Phasen, in denen Information benötigt wird: der Verwaltung
der persönlichen Konten (Anwendung und Kundenbetreuung), Information über die Sicherheitsmassnahmen (Entscheidung) und die Abrechungskonditionen (Abwicklung).
268
Entwicklung der Patternsprache
„Basics“-Sektion für Anfänger eine Unterteilung in die Kategorien „Registration“, „Personal
Information“, „Selling“, „Finding Items“ und „Bidding“ (s. Abbildung E 2-35).
Jede der Sektionen ist mit den anderen Sektionen direkt verlinkt. Weiterhin gelangt man von
der FAQ-Liste auch zu weiteren Aufbereitungsarten der Wissensinhalte, wie z.B. OnlineDemos und persönlichen Expertengesprächen. Die FAQ-Listen umfassen lediglich die Fragestellungen und sind dann mit der ausführlichen Darlegung der jeweiligen Antwort verlinkt.
Diese Lösungsbeschreibungen enthalten gegebenenfalls weitere Links auf abgeleitete Fragestellungen.
Weiterhin werden dem Kunden auch direkt innerhalb der Anwendungsszenen Lösungen
auf die in dieser Szene regelmässig auftretende Fragestellungen angeboten. Diese FAQs
stellen somit eine szenenspezifische Projektion auf die Gesamtheit der Fragestellungen dar.
Abbildung E 2-35: Beispiel FAQs bei eBay.com, Zugriff 21.10.2001.
Auch bei amazon.com findet sich, ebenfalls in der „Help“-Sektion, eine Liste mit FAQs. Diese
Fragen sind wiederum zu verschiedenen Themenkomplexen zusammengefasst, zu denen
jeweils eine eigene Sektion mit den entsprechenden FAQs existiert. Neben dieser Auflistung
findet der Hilfesuchende weiterhin eine kontinuierlich aktualisierte Liste der insgesamt am
häufigsten gestellten Kundenfragen. Diese erleichtert ihm den raschen Zugriff und die
schnelle Klärung zentraler Fragestellungen.
Durch Aktivierung der Links auf die FAQs erhält man eine ausführliche Erläuterung der
entsprechenden Lösungen. Wie bei eBay.com, so finden sich auch hier u. U. Links auf weiterführende Fragestellungen.
***
Lösung: Präsentiere den potentiellen Kunden eine Liste mit häufig auftretenden Fragen. Zur
Erhöhung der Übersichtlichkeit, fasse diese Fragen zu inhaltlichen Komplexen zusammen.
Design Patterns für digitale Produkte
269
O-Design: Diese Szene umfasst zwei Akteure, den Kunden, der sich Wissen über das Produkt
aneignen möchte, und das Produkt in der Rolle des Wissensvermittlers. Das Produkt hat die
Aufgabe, den Kunden dabei zu unterstützen, zielgerichtete und verständliche Antworten auf
seine aufkommenden Fragen zu erhalten.
I-Design: Die Interaktionsbeziehung beruht prinzipiell auf einem einfachen „Frage- und
Antwort“ Prozess. Der Kunde wählt dabei innerhalb der aufgelisteten Themenkomplexe die
Frage aus, die seiner aktuellen Problemsituation am besten entspricht. Beim Auffinden der
passenden Frage unterstützt ihn der Wissensvermittler durch die Vorstrukturierung und
Gruppierung der Fragen. Die Beantwortung der aktuellen Fragestellung kann weitere Fragen aufwerfen, die dann wiederum über die Aktivierung eines entsprechenden Links beantwortet werden. Nach erfolgreicher Klärung des Problems kann der Kunde sich entweder
weitere Fragen beantworten lassen, oder aber sein Wissen nach dem Rücksprung in die Ausgangsszene direkt einsetzen.
Führen die dargestellten Informationen nicht zur gewünschten Erkenntnis resp. Wissenszunahme, so kann der Kunde zu alternativen Lehrmethoden überwechseln. Dabei bietet es sich
in dieser Szene an, dem Fragesteller die Möglichkeit zu geben, sich mit seiner Frage direkt an
die Supportabteilung zu wenden (Übergang Expertengespräch).
L-Design: Diese Phase stellt besondere Anforderungen an das logische Design bezüglich der
Gestaltung der Inhalte. So muss die Strukturierung der Fragenkomplexe mit dem Verständnis des Kunden übereinstimmen, d.h. er muss sein Problem direkt in einen der Fragenkomplexe einordnen können. Gleiches gilt für die Formulierung der Fragen und insbesondere
deren Antworten. Sie müssen sich an dem zu erwarteten Wissensstand des Kunden orientierten und dabei eine Sprache verwenden, die für den Kunden leicht verständlich ist. Bei
der Erklärung der Abläufe erhöht die Verwendung bildliche Darstellungsformen, z.B. in
Form von entsprechend kommentierten Screenshots, die Verständlichkeit der zu übermittelnden Lehrinhalte.
Die Anforderung nach einer verständlichen Darstellung der Wissensinhalte kann weiterhin
durch die direkte Einbeziehung der Anwender-Community einfacher gewährleistet werden.
Bei der Strukturierung und Anordnung der FAQ-Liste sowie vor allem bei der Auswahl der
Fragen sollte daher auf die Erfahrungen mit den Anwendern des Services zurückgegriffen
werden. Durch eine Beobachtung und soweit möglich automatische Protokollierung der
Kunden und deren Probleme können die regelmässig auftretenden Fragen der KundenCommunity identifiziert werden.
K-Design: Wie soeben erläutert, stellt diese Szene vor allem Anforderungen an das Logische
Design bzgl. der dargebotenen Inhalte und deren Strukturierung. Im K-Design entspricht
diese Strukturierung einer Hierarchie von Webseiten, die den verschiedenen Themenclustern und Unterclustern zugeordnet sind (s. Pattern Hierarchical Set und Optional Detail on
Demand in Tidwells (1999) Common Ground). Die Webseiten sind dann weiterhin gemäss den
Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Fragen miteinander zu vernetzen.
Besondere Anforderungen an die Funktionalität der Kanäle entstehen im Zuge der Aufbereitung der Community-Information. Durch die Protokollierung und Aufbereitung des Be-
270
Entwicklung der Patternsprache
nutzerverhaltens und insbesondere deren auftretender Probleme können die tatsächlich relevanten Fragestellungen extrahiert werden. Dabei liefern vor allem die Expertengespräche
zwischen dem Kundenservice und den Kunden diesbezüglich wertvolle Hinweise. In wie
weit diese Aufbereitung der Daten automatisiert werden kann, hängt von der Strukturierung
und Formalisierung der Kommunikationsbeziehungen ab.
***
Rational: Ein Informationssuchender möchte möglichst schnell gezielte Antworten auf aufkommende Fragen erhalten. Dabei treten bei Anwendern regelmässig die gleichen Fragen
auf. Eine sehr effiziente Art und Weise, diese Fragen zu beantworten, ist es daher eine Liste
mit den immer wiederkehrenden Fragestellungen und den entsprechenden Antworten zusammenzustellen und den Kunden zur Verfügung zu stellen. Bei der Darstellung der Lösungen müssen die beim Kunden vorhandenen kognitiven Schemata und Skripten beachtet
werden.
Basieren die FAQs auf der Grundlage des beobachteten Frageverhaltens der bestehenden
Kunden, so erleichtert die Homophilie innerhalb der Kunden-Community die Wahl der tatsächlich relevanten Fragestellungen sowie die soeben geforderte Formulierung der Antworten auf eine Art und Weise, die von den Kunden einfach verstanden wird.
Wie im Pattern Wissen abstrakt geschildert wurde, unterstützt eine iterative Verbesserung
und Erneuerung der FAQs auf der Grundlage des Kundenfeedbacks die Aufrechterhaltung
von deren Qualität und Nützlichkeit.
***
Informations- Wissensvermittler
suchender
• ...
• ...
• ...
Abbildung E 2-36: Diagramm FAQ199
***
Verwandte Patterns: s. abstraktes Wissenspattern
199 Integration der Community in die Ableitung der häufig gestelltenFragen.
Design Patterns für digitale Produkte
271
In dieser Szene ist vor allem ein direkter Übergang zu der Wissensvermittlung durch Expertengespräche sinnvoll. Sie ermöglicht es Kunden, die innerhalb der vorformulierten Fragenkomplexe keine auf ihre Problemstellung passende Fragestellung gefunden haben, sich mit
einer frei formulierten Frage direkt an einen Spezialisten zu wenden.
E 2.4.3 Demo
Kontext: s. Wissen abstrakt
***
Problem: Zur Anwendung des Services benötigt der Kunde Konsumwissen. Insbesondere bei
neuartigen Problemlösungen sind Anwender oder potentielle Kunden nur bedingt in der
Lage, das Produkt und v.a. dessen Anwendung durch das Stellen gezielter Fragen kennenzulernen.
***
Beispiel: Bei der Jobfair24.de handelt es sich um ein sehr neuartiges Produkt. Um den Kunden
einen ersten Eindruck von der gebotenen Funktionalität, den Möglichkeiten und dem Umgang mit dem System zu geben, bietet Jobfair24.de den Kunden eine Online-Demonstration
des Services an. Die Demonstration bedarf eines Zusatzprogramms, das jedoch ohne Verlassen der Site geladen und installiert werden kann. Der Hinweis auf die Online-Demonstration
findet sich in der Informationssektion des Services.
Abbildung E 2-37 Beispiel für eine Online-Demo in Form von „WebRides“ bei eBay.com, Zugriff 21.10.2001.
Auch bei eBay.com handelt es sich um eine zumindest für den Endkunden neuartige Dienstleistung, deren Bedeutung und Anwendung dem Benutzer zunächst erklärt werden muss.
Für eine schnelle Vermittlung des grundsätzlichen Anwendungswissens stellt eBay.com interessierten Kunden sogenannte „narrated tours“ zur Verfügung (s. Abbildung E 2-37). Dabei
272
Entwicklung der Patternsprache
werden die zentralen Anwendungsprozesse des Services („How to register“, „How to Buy“,
„How to Sell“, etc.) in Form eines aufgezeichneten und kommentierten Durchgangs durch
die entsprechenden Kunde-Produkt-Interaktionen erläutert. Erklärt wird sowohl der Erwerb
des Produktes, der hier lediglich die Registrierung des Benutzers umfasst („How to regiter“),
als auch die eigentliche Anwendung der Produktes. Die Nutzung der „narrated tours“ verlangt vom Nutzer nicht die Installation einer zusätzlichen Software. Innerhalb der Web Site
von eBay.com findet sich dieses Lehrangebot innerhalb der Hilfesektion des Services.
***
Lösung: Stelle dem Kunden die zentralen Prozesse beim Umgang mit dem Service in Form
einer Online-Demonstration vor.
Das eigentliche Szenario ist auch hier wieder relativ einfach, da die Interaktion zwischen
Kunde und Produkt in der Rolle des Wissensvermittlers relativ beschränkt ist.
O-Design: Diese Szene besteht wiederum aus Kunden in der Rolle des Informationssuchenden
und dem Produkt in der Rolle des Wissensvermittlers. Hier möchte der Kunde auf möglichst
einfache Art und Weise einen Einblick in die Anwendung des Produktes (sowie in dessen
Erwerbsprozess) erhalten. Er spielt dabei die weitgehend passive Rolle des Konsumenten
der dargebotenen Wissensinhalte.
I-Design: Wie bereits erwähnt, erfordert dieser Prozess sehr wenig Interaktion zwischen
Kunde und Produkt. Der Prozess beginnt damit, dass der Kunde die Online-Demonstration
startet.200 Nach dieser Initiierung der Demonstration kann der Kunde den abgespielten Ablauf verfolgen. Die Möglichkeiten zum Eingreifen in das Lehrangebot sind dabei beschränkt:
der Kunde kann die Darbietung unterbrechen, beenden oder innerhalb der Darbietung voroder zurückspringen. Die dargestellten Inhalte sowie die Reihenfolge deren Präsentation
sind jedoch fest vorgegeben.
L-Design: Die Demonstration der Anwendung soll dem Kunden das schnelle Verständnis der
Services ermöglichen. Auch hier muss auf dem logischen Raum des Kunden aufgesetzt werden. Da der Kunde keine Möglichkeit zur direkten Nachfrage hat, müssen mögliche Unklarheiten zuvor abgeschätzt und im Zuge der Demonstration erklärt werden.
Das einfache Verständnis der Bedienungselemente wird durch die Anwendung bekannter
Metaphern, wie der des Tonbandgerätes, gewährleistet.201 Zusätzliche Informationen zur
Vermeidung einer falschen Anwendung, wie der Hinweis darauf, dass die Lautstärke der
200 Unter Umständen ist hier ein weiterer Schritt vorgelagert, in dem der Kunde eine Spezialsoftware
herunterladen und installieren muss, die für die Durchführung der Demonstration benötigt
wird. Dieser Zwischenschritt erzeugt jedoch Mehraufwand und weitere Unannehmlichkeiten
beim Kunden und sollte daher, wenn möglich, vermieden werden.
201 Weiterhin kann auch durch ein intuitives K-Design, inbesondere durch den Einsatz „sprechender“
Bezeichner der Bedienelemente, die leichte Verständlichkeit der Schnittstelle gewährleistet
werden (s. Patterns Short Description und Disabled Irrelevant Things in Tidwells Common Ground
(Tidwell 1999)).
Design Patterns für digitale Produkte
273
Lautsprecher nach oben geregelt werden muss, um die Demonstration hören zu können,
sind zu ergänzen.
K-Design: Bei der technischen Umsetzung der Demonstration muss darauf geachtet werden,
dass diese durch die beim Kunden standardmässig zu erwartende technische Ausstattung
unterstützt wird und somit nicht die Installation zusätzliche Software erfordert. Ein gutes
Beispiel ist die in eBay.com verwendete Technologie der Web-Rides. Sie gestattet das Abspielen zuvor aufgezeichneter und sowohl graphisch als auch vokal kommentierter Durchgänge durch eine Web Site.
***
Informationssuchender
Wissensvermittler
Abbildung E 2-38: Diagramm Demo
***
Rational: Dieses Pattern setzt das Prinzip des Nachahmungslernens um. Die Darstellung der
Abläufe gestattet es dem Kunden, diese in sein Prozesswissen mit aufzunehmen. Dies ist
umso einfacher möglich, je besser das neue Wissen mit dem bestehenden Wissen, d.h. seinen
kognitiven Schemata und Skripten, in Einklang steht bzw. darauf aufbauen kann. Die Erläuterung der einzelnen Schritte kann das Verständnis und die Merkfähigkeit des Kunden
weiter erhöhen (s. Abschnitte C 2.2.1.5 und C 2.2.2.2).
Der Kundenwert beruht dabei auf dem hohen Automationsgrad und der dadurch ermöglichten flexiblen Nutzung des Wissensangebots. Die vermittelten Inhalte und die Art und
Weise der Vermittlung sind jedoch starr vorgegeben. Eine individuelle Anpassung an die
Bedürfnisse der Informationssuchenden ist daher nur bedingt möglich.
***
Verwandte Patterns: s. abstraktes Wissenspattern
Dieses Pattern subsumiert die Inhalte des Patterns Demonstration in Tidwells (1999) Common
Ground.
E 2.4.4 Expertengespräch
Kontext: s. abstraktes Wissenspattern
***
Problem: Zur Anwendung des Services benötigt der Kunde Konsumwissen. Die Anzahl
möglicher Fragestellungen ist prinzipiell unbeschränkt. Sie können somit nicht alle in vorgefertigten FAQs für den Einzelnen zufriedenstellend beantwortet werden. Weiterhin ist es
274
Entwicklung der Patternsprache
häufig für den Informationssuchenden schwierig, eine Frage so zu formulieren, dass diese
direkt beantwortet werden kann. Wissensaufbau erfordert daher häufig einen Dialog, in dessen Verlauf das Problem analysiert und dann gelöst wird. Interaktive Kommunikationsformen mit menschlichen Agenten bieten weiterhin die Möglichkeit, individuell auf die Erklärungsbedürfnisse des Einzelnen einzugehen. Spezialisten der verschiedenen Gebiete können
dabei gezielte Antworten auf die auftretenden Fragen geben.
***
Beispiel: Neben zahlreichen weiteren Angeboten zur Wissensvermittlung bietet eBay.com einen Service an, in dem Spezialisten verschiedener Fachgebiete kostenfrei telefonisch befragt
werden können.
Auf jeder Seite innerhalb der FAQ Sektion findet der Kunde weiterhin die Möglichkeit, sich
mit individuellen Fragen direkt an Vertreter des Kundenservices zu wenden. Im Zuge dieses
Prozesses wird der Kunde gebeten, seine Frage gemäss dem Kategorisierungsschema der
FAQ-Sektion thematisch einzuordnen. Aufgrund dieser Angaben wird dann überprüft, ob
bereits eine Antwort auf diese Frage in der FAQ-Datenbank gespeichert ist. Ist dies nicht der
Fall, so wird die Anfrage an den Kundenservice weitergeleitet. Die thematische Einordnung
erleichtert die gezielte Weiterleitung der Anfrage an die entsprechenden Spezialisten. Sie induziert jedoch auch einen höheren Aufwand beim Informationssuchenden. Durch eine kurze
Erläuterung der Vorteile im Sinne einer schnelleren Beantwortung der Anfrage wird dem
Kunden dieser Zusatzaufwand erklärt und um sein Verständnis gebeten (s. Abbildung E
2-39, rechte Seite).
Abbildung E 2-39: Beispiel: Expertengespräch telefonische oder via E-Mail bei eBay.com, Zugriff 21.10.2001.
Auch amazon.com bietet eine Möglichkeit, sich mit Fragen direkt an den Kundenservice zu
wenden. Dabei wird auch hier eine Vorselektion nach relevanten Themengebieten vorgenommen. Die Kommunikation erfolgt dann via e-Mail-Kommunikation.
***
Design Patterns für digitale Produkte
275
Lösung: Biete den Informationssuchenden einen interaktiven Beratungsdienst durch Spezialisten an.
O-Design: An dieser Szene nehmen wiederum der Anwender oder der potentielle Kunde in
der Rolle des Informationssuchenden sowie das Produkt in der Rolle des Wissensvermittlers teil.
Der Kunde ist auch hier an einer möglichst effizienten Wissensvermittlung interessiert.
I-Design: Diese Szene wird durch eine Anfrage des Kunden initiiert. Um eine gezielte Beantwortung des Kundenproblems zu gewährleisten, wird der Kunde um die Einschränkung
resp. thematische Einordnung der Anfrage gebeten. Dabei sollte der Aufwand durch das
Vorschlagen möglicher Themengebiete möglicht gering gehalten werden. Durch eine kurze
Erläuterung der Vorteile einer solchen Einordnung kann das Verständnis für den induzierten Mehraufwand geschaffen werden. Der Kunde muss jedoch auch stets die Möglichkeit
haben, ohne vorherige thematische Einordnung eine Frage an den Wissensvermittler stellen
zu können. Je nach Kommunikationsmöglichkeit, d.h. E-Mail-Austausch, (Internet) Telephonie, Chat etc. werden im Anschluss Botschaften zwischen den beiden Gesprächspartnern im
asynchronen oder synchronen Modus ausgetauscht, bis die Frage zur Zufriedenheit des Informationssuchenden geklärt ist. Dieser Prozess folgt keinen fest vorgegebenen Regeln. Es ist
hierbei jedoch die Aufgabe des Wissensvermittlers, die Wissenslücke durch die Anwendung
gezielter Problemlösungsstrategien möglichst effizient zu schliessen.
L-Design: Für den Erfolg der Wissensvermittlung ist es essentiell, dass Kunde und Anbieter
die gleiche Sprache sprechen und der Wissensvermittler auf dem Wissensstand des Kunden
aufsetzt. Ein natürlichsprachlicher Austausch, insbesondere im synchronen Modus fördert
hier eine rasche Abstimmung der Interaktionspartner.
Bei einer Vorstrukturierung der Frageinhalte muss darauf geachtet werden, dass der Informationssuchende aufgrund seines Wissensstandes diese Einordnung einfach leisten kann.
Dies erreicht man durch eine Orientierung an den Anwendungsszenen oder / und der jeweiligen Rollen innerhalb der Szenen und somit an den Problemsituationen aus Sicht des Informationssuchenden.
K-Design: Die Realisierung dieser Szene beruht auf der Anwendung von Kommunikationstools. Diese reichen von e-Mail, Chats bis zur (Internet-) Telefonie. Um beim Kunden keinen
weiteren Aufwand zu induzieren, sollte diese Szene nicht die Installation weitere Spezialsoftware erfordern, sondern als Applets oder Servelets realisiert werden.202 Lässt sich dies
nicht vermeiden, so ist die Installation in die Szenengestaltung direkt zu integrieren.
***
202 S. (Coad & Mayfield 1999) und (Hall 2000).
276
Entwicklung der Patternsprache
Informationssuchender
Wissensvermittler
Abbildung E 2-40: Diagramm Expertengespräch
***
Rational: Interpersonelle Kommunikation erleichtert die zielgerichtete und auf den Wissensstand des einzelnen Kunden abgestimmte Beseitigung von Wissenslücken. Unklarheiten
können somit gezielt ausgeräumt werden. Das Spezialwissen der menschlichen Wissensvermittler ermöglicht dabei die schnelle Klärung auch komplexerer Kundenprobleme.
Im Gegensatz zu den automatisierten Wissensvermittlungsangeboten sind Expertengespräche jedoch mit mehr Aufwand für beide Beteiligte verbunden.
***
Verwandte Patterns: s. Wissen abstrakt
E 2.4.5 Hilfe-Community
Kontext: s. Wissen abstrakt
***
Problem: Zur Anwendung des Services benötigt der Kunde Konsumwissen. Wie bereits bei
der Darstellung des Patterns Expertengespräch erläutert, ist die interpersonelle Kommunikation flexibler und kann die Besonderheiten des Informationssuchenden besser berücksichtigen. Spezialisten sind zwar mit dem Produkt sehr gut vertraut, sprechen jedoch häufig eine
andere Sprache als der Kunde selbst und können sich z.T. nur bedingt in die Problemsituation des Kunden hineindenken. Für bereits gewonnene Kunden ist die Diskrepanz der logischen Räume jedoch geringer (Homophilie-Eigenschaft). Die meisten Problemsituationen
wurden bereits von anderen Kunden erlebt und gelöst. In den Köpfen der Anwender ist somit eine Menge praktischen Problemlösungswissens verborgen.
***
Beispiel: Das Zielpublikum von eBay.com besteht vorrangig aus Privatpersonen, die Freude
am Ver- und Ersteigern von Gütern haben. Für viele Anwender stellt der Service nicht nur
eine bequeme Art des Austauschs von Gütern dar, sondern wird gewissermassen zur Passion und zum Hobby. Sie beschäftigen sich sehr intensiv mit dem Service und sind in ihrer
Begeisterung häufig auch bereit, ihr Wissen mit andern zu teilen. eBay.com stellt den Anwendern einen digitalen Begegnungsraum zur Verfügung, in dem sie sich gegenseitig Hilfestellung leisten können (s. Abbildung E 2-41). Häufige Anwender können dort insbesondere
neuen Mitgliedern wichtige Hinweise zur Nutzung des Services geben und diese vor allen
Dingen auch in einer Sprache beantworten, die für den Fragesteller leicht verständlich ist.
Design Patterns für digitale Produkte
277
Abbildung E 2-41: Beispiel für eine Hilfe-Community bei eBay.com, Zugriff 20.10.2001.
eBay.com strukturiert den Interaktionsraum der „Hilfe-Community“ nach verschiedenen
Themenbereichen, wie „Auction Listing“, „Bidding“, etc., in verschiedene sogenannte
„Community Help Boards“. Jeder registrierte Kunde kann sich an den dortigen Diskussionen beteiligen oder neue Diskussionsstränge zu einer bestimmten Themenstellung eröffnen.
Ein Informationssuchender mit einem bestimmten Problem betritt nach Auswahl des passenden Themengebietes den Chatraum des entsprechenden „Help Boards“. Mit Hilfe einer
Suchfunktion kann er feststellen, ob es bereits eine Diskussionsrunde gibt, die sich mit diesem Thema gerade beschäftigt oder bereits beschäftigt hat. Ist dies der Fall, kann er diese
Diskussionsrunde betreten. Findet er hier keinen entsprechenden Eintrag, so kann er eine
Anfrage an die Teilnehmer dieser Gruppe richten. Besteht überhaupt noch keine Diskussionsrunde zu diesem Thema, so kann der Benutzer einen neuen Diskussionsstrang starten.
An der Diskussion nehmen neben den Teilnehmern z.T. auch Mitarbeiter von eBay.com selbst
teil, um bestimmte Fragestellungen zu beantworten. Deren Beiträge sind mit einem bestimmten „Tag“ gekennzeichnet, der ihre Zugehörigkeit zum eBay.com Team signalisiert.
Da es sich bei diesen Community Boards um einen neuartigen Service handelt, bietet
eBay.com ein kurzes Tutorial an, um neuen Teilnehmern den Einstieg zu erleichtern. Dies besteht aus einem Textdokument, in dem die wesentlichen Funktionalitäten des Dienstes erklärt sind.
Auch dell.com bietet innerhalb seiner Support-Sektion Kunden die Möglichkeit, sich über
gemeinsame Problemsituationen auszutauschen. Auch an diesen Diskussionsrunden nehmen Spezialisten und Kundenbetreuer von dell.com teil. Dieses Beispiel wird in Abschnitt
E 2.7.4 noch näher erläutert.
***
278
Entwicklung der Patternsprache
Lösung: Nutze die Community der User als interaktiven Wissensvermittler.
Die Szenerie der Online Community wird innerhalb des zugehörigen Patterns der Kundenbetreuung noch eingehend erläutert (s. Abschnitt E 2.7.4). Die folgende Problemlösungsbeschreibung fokussiert auf die Rolle der Community als Wissensvermittler.
O-Design: Die Akteure der Patterns sind der Informationssuchende und die restlichen Mitglieder der Community sowie evtl. weitere Vertreter des Produktes in der Rolle des Spezialisten.
Dabei hat der Kunde das Recht, sich im Rahmen der festgelegten Regeln (s. I-Design) mit
seinen Fragen an andere Community-Mitglieder zu richten. Diese sind jedoch nicht dazu
verpflichtet, sich an einem Diskussionsforum zu beteiligen resp. auf dort aufgeworfene Fragen zu antworten. Die Vertreter des Produktes haben das Interesse, die Informationssuchenden möglichst gut bei der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen.
I-Design: In einem ersten Schritt sucht der Informationssuchende somit nach der passenden
Diskussionsgruppe. Eine geeignete Strukturierung erleichtert den Informationssuchenden
das Auffinden geeigneter Beiträge und den zur Hilfestellung bereiten Anwendern das Auffinden von Problemen, zu deren Lösung sie einen Beitrag leisten können.
Der Informationssuchende überprüft dann, mit Hilfe einer zur Verfügung gestellten Hilfefunktion, ob sein Problem bereits innerhalb der passenden Diskussionsgruppe diskutiert
wird oder sogar bereits gelöst wurde. Gegebenenfalls sendet er eine Anfrage an die entsprechende Diskussionsrunde. Andernfalls kann er eine eigene Diskussionsrunde zu seiner
Problemstellung eröffnen und damit die anderen Community-Mitglieder zur Unterstützung
auffordern. Der Verlauf der dadurch induzierten Diskussion wird in der Regel durch die
Teilnehmer selbst bestimmt.
Zum Schutze der Community-Mitglieder werden oftmals bestimmte Verhaltensregeln aufgestellt; deren Einhaltung obliegt jedoch weitestgehend den Community-Mitgliedern selbst.
Sie können nur bedingt informationstechnisch durchgesetzt werden. Auf organisatorischer
Ebene kann die Überwachung der Regeln gegebenenfalls durch einen Moderator kontrolliert
werden.
Da es sich bei diesem Community Service für einige Teilnehmer um einen neuartigen Informationsservice handelt, sind die grundsätzlichen Funktionalitäten in einer integrierten Hilfesektion kurz zu erklären.
L-Design: Die Diskussion innerhalb der Community erfolgt interaktiv in natürlicher Sprache.
Dies eröffnet die Möglichkeit, Missverständnisse durch Nachfragen zu klären und im Gespräch direkt auf den Wissensstand des Gegenübers einzugehen. Mit steigender Homophilie
unter den Anwendern erhöht sich dabei die Effizienz der Kommunikation. Um sich innerhalb der Community-Plattform zurechtzufinden, muss die Kategorisierung der Diskussionsräume auf dem zu erwartenden logischen Raum der Teilnehmer aufbauen.
Die Interaktionsmöglichkeiten selbst können bei den meisten Teilnehmern aufgrund der
weiten Verbreitung von Community-Diensten als bekannt vorausgesetzt werden. Ein geeignetes K-Design kann die Lesbarkeit der Schnittstelle weiter erhöhen (s.u.). Dennoch sollte
neuen Kunden durch ein entsprechendes Wissensangebot der Aufbau des benötigten An-
Design Patterns für digitale Produkte
279
wendungswissens erleichtert werden. Dieses Wissen umfasst dabei sowohl die Anwendung
der Kommunikationsdienste als auch im Besonderen die zugrundegelegten Verhaltensregeln.
K-Design: Die Umsetzung der Szene beruht auf dem Einsatz gängiger Kommunikationswerkzeuge, insbesondere der sogenannten „Chattools“ und Diskussionslisten. Durch die
Verwendung bekannter Symbole und klingender Bezeichner für die Bedienungselemente ist
den Anwendern die Nutzung dieser Dienste zu erleichtern (s. Patterns Short Description und
Disabled Irrelevant Things in Tidwells (1999) Common Ground).
Wie bereits erwähnt, unterliegt die Einhaltung der Community-Regeln der Verantwortung
der Mitglieder selbst oder ist Aufgabe eines Moderators. Durch geeignete Filterfunktionen
kann dies jedoch auch informationstechnisch unterstützt werden.
***
Hilfe-Community
Informationssuchender
Abbildung E 2-42: Diagramm Hilfe-Community
***
Rational: Viele Probleme eines (neuen) Anwenders wurden von einem anderen Anwender
bereits gestellt und gelöst. Das diesbezügliche Wissen ist jedoch in den Köpfen eben dieser
Mitglieder verborgen. In einer organisierten Hilfe-Community kann dieses Wissen anderen
zur Verfügung gestellt werden und durch den Austausch mit anderen darüber hinaus auch
weiter ausgebaut werden. Die interpersonelle Kommunikation fördert die flexible Beantwortung der Fragen und erleichtert die Berücksichtigung der individuellen Problemsituation
und vor allem des individuellen Wissensstandes. Im Gegensatz zu den Spezialisten können
sich Anwender zumeist besser in die Problemsituation eines anderen Anwenders hineindenken und die Lösung in einer verständlicheren Sprache ausdrücken
Neben diesen Vorzügen des Einsatzes als Wissensvermittler, bringt die Anwender-Community gegenüber alternativen Möglichkeiten jedoch auch gewisse Nachteile mit sich. Spezialisten verfügen häufig über ein breiteres und fundierteres Wissen über Möglichkeiten und
Defizite des Systems und können insbesondere bei Spezialproblemen bessere Lösungen präsentieren. Weiterhin ist der mit dieser Art der Wissensvermittlung verbundene Zeitaufwand
für alle Beteiligten höher. Insbesondere bei Standardproblemen sind daher FAQs vorzuziehen. Schliesslich ist die Wissensvermittlung durch die Community auf die aktive Mitarbeit
und das Engagement der Anwender angewiesen. Diese sind vor allem dann gegeben, wenn
280
Entwicklung der Patternsprache
sich die Mitglieder mit der Community (und dem Produkt) zu einem gewissen Grade identifizieren (s. Pattern Community).
Um die fachlichen Defizite sowie das Problem der mangelnden Motivation der CommunityMitglieder zu lindern, nehmen an den Diskussionsgruppen auch Vertreter des Service-Anbieters selbst teil.
***
Verwandte Patterns: s. Wissen abstrakt.
Da es sich bei Online Communities für einige Anwender ebenfalls um einen neuartigen Informationsdienst handelt, müssen Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, sich das
benötigte Anwendungswissen schnell anzueignen. Hier eignen sich einfache Möglichkeiten
in Form von FAQs oder kurzen textuellen Beschreibungen. In diese Szene integrieren sich
somit die entsprechenden Wissensszenen (z.B. FAQ).
E 2.5
Verhandlung
In diesem Abschnitt werden die Patterns zur Gestaltung der Verhandlungsphase dargelegt.
Wie in den vorangegangenen Abschnitten, so werden auch für diese Szene die generelle Einordnung in den Kontext der anderen Szenen des Theaterstückes, die generelle Problemstellung, allgemeine Gestaltungshinweise sowie die zu beachtenden theoretischen Grundlagen
mit deren Zusammenhang zu den konkreten Szenen dieser Phase in einem abstrakten Pattern erfasst. Die konkreten Szenen werden dann in den Verfeinerungen dieses abstrakten
Patterns erfasst. Abbildung E 2-43 stellt die Patterns dieser Szene sowie die zentralen Abhängigkeiten in einer Übersichtsgraphik dar.
Wissen
Automatischer
Abgleich
Beratungsgespräch
Verhandlung
Auktion
Abwicklung
Checkout
Anwendung
Registration
Abbildung E 2-43: Übersicht Verhandlungspatterns
E 2.5.1 Verhandlung abstrakt
Kontext: Der Kunde hat nach Beendigung der Entscheidungsphase oder bereits in einer
spontanen Reaktion nach Beendigung der Awareness- oder Überzeugungsphase die Absicht
entwickelt, die Problemlösung in Form eines Produktes erwerben zu wollen. In dieser Szene
muss er nun festlegen, in welcher Konfiguration, von wem und zu welchen Konditionen er
das Produkt beziehen möchte und diese dann vertraglich festhalten.
Design Patterns für digitale Produkte
281
Je nach Gestaltung der vorangegangenen Szenen wird sich der Kunde nach dem Übergang
von der vorangegangenen Szene zu dieser Verhandlungsszene bereits in einem vom Produkt
gestalteten Interaktionsraum befinden. Die Wahl des Anbieters ist in diesem Falle bereits erfolgt. Generell kann der Kunde nach Ausbildung der Kaufabsicht jedoch auch die Dienste
eines unabhängigen Intermediärs in Anspruch nehmen, der verschiedene Produkte miteinander vergleicht. Das Produkt tritt hier lediglich als eines unter vielen auf und muss darauf
achten, sich durch eine geeignete Selbstdarstellung von den anderen Produkten abzuheben.
***
Problem: Nach der generellen Entscheidung für das Produkt, resp. die dadurch repräsentierte
Problemlösung, muss der Kunde beim Erwerbsprozess möglichst gut unterstützt werden.
***
Lösung: Generell besteht diese Szene aus drei – häufig überlappenden – Subszenen: (1) die
generelle Auswahl und Konfiguration des Produktes nach den Bedürfnissen des Kunden, (2)
die Aushandlung der Konditionen und (3) die Ausarbeitung eines Vertrages.
Bei Schritt eins kann man wiederum zwei Gestaltungsalternativen unterscheiden: (1) die
Auswahl zwischen einer Vielzahl unterschiedlicher Produkte, aus denen der Kunde das am
besten auf seine Problemsituation passende Produkt nach einer Kosten-Nutzen (Risiken) Abschätzungen auswählen kann oder (2) die Konfiguration des Produktes nach den individuellen Bedürfnissen des Kunden.
Die drei Subszenen sind je nach der konkreten Situation unterschiedlich stark ausgeprägt
und gehen mehr oder weniger direkt ineinander über. So bilden die Konditionen, insbesondere der Preis, oftmals ein zentrales Kriterium bei der Auswahl oder Konfiguration des Produktes. Nach der erfolgten Bestimmung des Produktes finden zudem häufig keine weiteren
Verhandlungen mehr statt. Die Vertragsfestlegung umfasst stattdessen lediglich die Ergänzung der genauen Zahlungs- und Lieferbedingungen.
O-Design: Beteiligte an dieser Szene sind wiederum der Kunde und das Produkt, sowie zu Beginn der Szene evtl. weitere Produkte, die das Bedürfnis des Kunden befriedigen können
und somit mit dem hier interessierenden Produkt in Konkurrenz stehen. An der Verhandlung können weiterhin je nach Verhandlungsmechanismus auch mehrere Kunden, d.h. mehrere Parteien auf der Nachfragerseite teilnehmen. Als weitere Rolle insbesondere in der ersten Phase dieser Szene kann ein Intermediär auftreten, der den Kunden bei seiner Auswahl
resp. bei der Konfiguration des Produktes berät. Die Rolle des Intermediärs kann dabei von
einem menschlichen oder einem künstlichen Berater eingenommen werden.203 Hat der
203 In einer vollständig digitalen Ökonomie kann natürlich auch die Rolle des Käufers von einem
digitalen Agenten eingenommen werden. Diese Systeme aus künstlichen Agenten sind jedoch
noch Gegenstand intensiver Forschungsarbeiten und finden noch kaum Einsatz in der Wirtschaftspraxis (vgl. u.a. (Kephart & Greenwald 2000)).
282
Entwicklung der Patternsprache
Kunde sich bereits für ein Produkt entschieden und muss das Produkt lediglich konfigurieren, so wird diese Beratungsrolle vom Produkt selbst übernommen.
Der Kunde hat das Interesse, auf möglichst effiziente Art und Weise das nach seinen Beurteilungskriterien möglichst optimal Produkt zu identifizieren und zu erwerben, und der Intermediär, oder auch das Produkt ihn dabei möglichst gut zu unterstützen.
I-Design: Der Interaktionsprozess besteht generell aus einer Folge von Kommunikationsakten, in denen der Kunde seine Vorstellung von der gewünschten Problemlösung sukzessive
konkretisiert und der Intermediär (/ das Produkt) diese Beschreibung auf ein entsprechendes konkretes und gegebenenfalls angepasstes Produkt abzubilden versucht. Der Intermediär kann den „Kunden“ mehr oder weniger durch diesen Prozess hindurchführen oder
auch nur durch Vorschläge unterstützen. Im Zuge oder im Anschluss an diese Produktbestimmung werden die finanziellen und rechtlichen Konditionen des Leistungsaustausches
ausgehandelt und im Folgeschritt vertraglich festgehalten. Die Verhandlungs-Subszene unterscheidet sich je nach dem zugrundegelegten Mechanismus in der Art und dem Grad der
Formalisierung der Abläufe.
Um für den Kunden die Bequemlichkeit dieser Szene zu erhöhen, sollten gleichbleibende Informationen über den Kunden (mit Einverständnis des Kunden) gesammelt und bei nachfolgenden Wiedereintritten in die Verhandlungsphase wiederverwendet werden. Dies betrifft
neben den Angaben über Liefer- und Zahlungsbedingungen auch Eigenschaften und Präferenzen des Kunden. Sie können vor allem im Zuge der ersten Subszene der Produktauswahl
eingesetzt werden.
L-Design: Diese Szene stellt besondere Anforderungen an das logische Design bzgl. der Beschreibung des gewünschten Produktes innerhalb der ersten Subszene. Um dem Kunden die
Spezifikation des gewünschten Produktes zu erleichtern, muss die Sprache und somit die
Sicht des Kunden auf das Produkt als Problemlösung, und nicht die Sprache und Sichtweise
der Produktion die Kommunikationsgrundlage für diese Szene bilden.
Die aus diesem Blickwinkel geeignete Beschreibung hängt jedoch sehr stark vom Produktwissen des Kunden ab. Spezialisten sind in der Lage, Kennzahlen und Eigenschaften des
Produktes direkt mit dessen Eignung zur Lösung des eigenen Problems in Verbindung zu
setzen. Sie bewerten ein Produkt häufig direkt unter Verwendung dieser Eigenschaften.
Laien beurteilen ein Produkt jedoch eher nach dessen Eignung für die Lösung ihres Problems. In dieser Szene muss sich die verwendete Sprache somit an die Denk- und
Beurteilungsschemata der Kunden anpassen.204
Die Aushandlung und der Vertragsabschluss folgen fest vorgegebenen Regeln, die den beteiligten Parteien bekannt sein müssen. Je nach Formalisierungsgrad können diese auch di-
204 Da diese sich von Kunde zu Kunde unterscheiden können, sollte nicht nur das Produkt selbst, son-
dern auch die Produktdarstellung in dieser Szene auf den logischen Raum des Kunden angepasst werden.
Design Patterns für digitale Produkte
283
rekt durch die Plattform durchgesetzt werden. Dennoch muss das Verständnis und die
Transparenz der Interaktionsprozesse gegeben sein, um beim Kunden das Gefühl der Unsicherheit zu vermeiden, das ansonsten leicht zum Abbruch der Transaktion führen kann.
K-Design: Je nach Automatisierungsgrad dieser Szene, d.h. je nachdem, ob es sich beim Intermediär resp. dem Vertreter des Produktes um einen künstlichen oder einen menschlichen
Agenten handelt, stellt diese Szene unterschiedliche Anforderungen an das K-Design. Bei
einem menschlichen Agenten müssen die technischen Kanäle vorrangig eine effiziente
Kommunikation zwischen Kunde und Intermediär / Produkt ermöglichen. Durch eine geeignete Strukturierung des Kommunikationsraumes und durch weiterführende technische
Dienste, die neben der reinen Kommunikation ebenfalls den Austausch und die gemeinsame
Bearbeitung von Dokumenten (im Sinne des Application Sharings) gestatten, kann diese
Phase weiter unterstützt werden. Dabei muss jedoch in dieser Szene ein Zusatzaufwand
durch die Installation einer speziellen Zugangssoftware vermieden werden.
Bei gesteigertem Automationsgrad ist die Beratungslogik im System abzubilden. Dies umfasst ein Modell der Produkt- resp. Problembeschreibung aus Sicht des Kunden, dessen
Mapping auf die Produktbeschreibung aus Sicht des Herstellers resp. der Produktion sowie
ein Modell der möglichen Verhandlungsregeln und vertraglichen Bestimmungen.
Informationen, die der Kunde im Zuge des Interaktionsprozesses bereitstellt, sollten – in Absprache mit dem Kunden – in einem elektronischen Kundenprofil gespeichert werden, um
im Zuge zukünftiger Verhandlungsszenen wiederverwendet werden zu können.
Idealerweise wird der gesamte Prozess durch einen elektronischen Vertrag und eine zugehörige Infrastruktur unterstützt. Der elektronische Vertrag dient als Bindeglied zwischen den
Parteien und begleitet den gesamten Verhandlungsprozess bis zur Abwicklung des Vertrages. Durch eine geeignete Formalisierung der Vertragsbedingungen kann die vertragsgemässe Abwicklung kontrolliert oder sogar automatisch durchgesetzt werden. Die Infrastruktur umfasst verschiedene Dienste, die von der Authentifizierung der Parteien über die
Validierung bis zur Schlichtung im Streitfall reichen. Derartige Konzepte sind jedoch noch
Gegenstand der Forschung.
***
Intermediär
•Zahlungsbedingungen
•Lieferbedingungen
Abbildung E 2-44: Diagramm Verhandlung abstrakt
***
284
Entwicklung der Patternsprache
Rational: Wie bereits bei der Problemlösung erläutert, umfasst diese Szene die drei Phasen
der Auswahl und Konfiguration des Produktes (Automatischer Abgleich, Beratungsgespräch),
(2) der Aushandlung der Konditionen (Auktion) und (3) der Ausarbeitung eines Vertrags
(Checkout, Registration).
Bei der Gestaltung dieser Szene müssen sowohl die Eigenschaften und besonderen Möglichkeiten digitaler Produkte und Interaktionsräume als auch die Verhaltenscharakteristika der
Kunden berücksichtigt werden. Der Massstab für die Gestaltung dieser Szene ist wiederum
der Kundenwert. Er setzt sich wie in Abschnitt C 1.4.2 erläutert aus dem Wert des Produktes
und dem Wert des Kontextes zusammen.
Bezüglich des Produktes muss der Kunde in dieser Szene dabei unterstützt werden, ein nach
seinen Kriterien möglichst optimales Produkt zu erhalten. Diese Anforderung wirkt sich vor
allem auf die Gestaltung der ersten Subszene aus. Der Intermediär muss den Kunden hier
bei der Identifikation des geeigneten Produktes resp. der Konfiguration des Produktes nach
seinen individuellen Wünschen unterstützen. Um dies zu erreichen und gleichzeitig den
Aufwand für den Kunden möglichst gering zu halten, muss das Produkt in der Sprache (der
Problemlösung) des Kunden ausgedrückt werden und sich in seine kognitiven Schemata
und Denkstrukturen einpassen (s. Abschnitte C 2.2.1.5.2 und C 2.2.2.3). Die Anpassung des
Produktes an die speziellen Bedürfnisse des Kunden im Sinne einer Individualisierung erhöht weiterhin den vom Kunden – empfundenen – Wert des Produktes (s. Abschnitt
C 1.3.3.1). Er besitzt nun kein Massenprodukt mehr, sondern ein Unikat. Schliesslich kann
der Wert des Produktes auch durch Zusatzleistungen, wie (kostenlose) Versicherungen, oder
Möglichkeiten zur Ratenzahlung, erhöht werden (s. Abschnitt C 1.4.2).
Der Wert des Kontextes beruht auf der Bequemlichkeit und ebenfalls auf möglichst geringen
Kosten.205 Die Kosten der ersten Subszene beziehen sich dabei vor allem auf den damit
verbundenen Zeitaufwand und die verbleibende Unsicherheit bei der Produktauswahl resp.
der Konfiguration.
Der Zeitaufwand kann durch einen hohen Automatisierungsgrad reduziert werden. Er gestattet zudem einen flexiblen und von Öffnungszeiten unabhängigen Auswahlprozess (Automatischer Abgleich). Die Unsicherheit beruht auf zwei Faktoren: (1) die Unsicherheit über die
Übereinstimmung des Produktes mit dem eigenen Bedürfnis und (2) die Unsicherheit über
die Auswahl des besten Angebots aus der Vielzahl der angebotenen Produkte. Dem ersten
Faktor kann durch eine geeignete Produktbeschreibung in der Sprache des Kunden begegnet
werden. Eine direkte Gegenüberstellung verschiedener Produktalternativen verringert den
zweiten Unsicherheitsfaktor.
Beide Unsicherheitsfaktoren können jedoch auch durch den Einsatz eines menschlichen Beraters limitiert werden (Beratungsgespräch). Er kann direkter und flexibler auf die Bedürfnisse
205 Weiterhin kann durch die optimale Gestaltung dieser Szenen auch deren Erlebniswert erhöht wer-
den.
Design Patterns für digitale Produkte
285
des Kunden eingehen. Der Einsatz menschlicher Berater induziert jedoch auf der anderen
Seite höhere Kosten und einen generell höheren Zeitaufwand (s. Abschnitt C 1.3.3.3).
Der (Kontext-)Wert der eigentlichen Verhandlungsphase beruht primär auf der Effizienz
sowie auf Zufriedenheit des Kunden mit dem Verhandlungsergebnis. Auktionen stellen dabei einen besonders effizienten Mechanismus zur dynamischen Preisbildung dar (OnlineAuktion) (Klein 1997: 3). Er eignet sich vor allem für seltene oder neuartige Produkte, für die
es schwierig ist einen Preis im vorhinein festzulegen (Ströbel 2000: 42). Teilnehmer vor allem
im privaten Endkundenbereich empfinden die Teilnahme an Online-Auktionen weiterhin
häufig als Erlebnis. Durch ihren Erlebniswert steigern Auktionen zudem die Qualität des
Produktkontextes. Die Kosten der Szene beruhen auf dem zeitlichen Aufwand sowie auf den
finanziellen Risiken. Ein hoher Automationsgrad sowie die Implementation entsprechender
Risikominderungsstrategien tragen somit zur Reduktion dieser Kosten bei.
Im Zuge des Vertragsabschlusses (Checkout, Registration) beruhen die Kosten wiederum vorrangig auf dem wahrgenommenen Risiko (s. Abschnitt C 2.2.1.3). Mit dem Vertragsabschluss
werden Verpflichtungen und Rechte festgeschrieben. Diese Szene induziert somit insbesondere finanzielle Risiken. Durch transparente Prozesse sowie durch Hinweise auf die unternommenen Massnahmen zur Minderung des Risikos kann das wahrgenommene Risiko reduziert werden. Die Qualität des Kontextes basiert in dieser Subszene auf der Bequemlichkeit des Vertragsabschlusses. Sie kann durch die Fähigkeit digitaler Produkte zur Speicherung von Informationen erhöht werden (s. Abschnitt C 1.3.1.6). Einmal eingegebene Daten
können dann bei einem Wiederkauf direkt übernommen werden und müssen somit vom
Kunden nicht erneut eingegeben werden.
***
Verwandte Patterns: Im Erfolgsfall endet diese Phase mit dem Abschluss eines Vertrages und
mündet somit direkt in die Abwicklungsphase ein.
Wie im Abschnitt „Rational“ erläutert, induzieren die für die Individualisierung des Produktes und der Beratungsdienstleistungen notwendigen Angaben beim Kunden ein Gefühl
der Unsicherheit bzgl. des Schutzes seiner privaten Informationen. Es kann u.a. durch die
glaubwürdige Kommunikation der dieses Risiko minimierenden Massnahmen reduziert
werden. Hier findet somit gegebenenfalls ein „Rücksprung“ in die Entscheidungsphase statt.
Dabei muss gewährleistet werden, dass der Kunde bei diesem Zwischenschritt den Kontext
innerhalb der Verhandlungsszene nicht verliert und nach Abschluss der Entscheidungsphase wieder in die Verhandlungsszene zurückgeleitet wird.
E 2.5.2 Automatisierter Bedürfnis-Produkt-Abgleich
Kontext: s. abstraktes Verhandlungspattern
Dieses Pattern bezieht sich auf die erste Subszene der Verhandlungsphase, in der das Bedürfnis des Kunden mit den passenden Produkten abgeglichen wird.
***
286
Entwicklung der Patternsprache
Problem: Der Kunde wünscht ein Produkt, das seine individuellen Probleme möglichst gut
löst, d.h. seinen Bedürfnissen und Wünschen möglicht gut nachkommt. Der Aufwand für die
Suche nach dem Produkt resp. für die Anpassung eines Produktes an seine individuellen
Bedürfnisse sollte dabei möglichst gering sein. Insbesondere möchte der Kunde die Bequemlichkeiten und Vorteile des virtuellen Wirtschaftsraumes, in dem er seine wirtschaftlichen
Aktivitäten aufgrund eines hohen Automatisierungsgrades unabhängig von Zeit und Raum
tätigen kann, optimal nutzen.
***
Beispiel: Diese Szene wird anhand der beiden Beispiele, amazon.de und dell.com erläutert.
amazon.de stellt seinen Kunden verschiedene Möglichkeiten zur Spezifikation ihrer Kundenwünsche zur Verfügung, die sich zu verschiedenen Graden direkt an der Produktbeschreibung oder am davon abstrahierenden Bedürfnis des Kunden orientieren:
1.
Die Suchfunktionen von amazon.de ermöglichen es dem Kunden, sein „Problem“ direkt in der Sprache des Produktes, d.h. mit den Standardattributen, die zur Beschreibung eines Buches verwendet werden, wie Autor, Titel, etc. zu spezifizieren
(s. Abbildung E 2-45 linke Seite). Die passenden Produkte werden in einer Liste
dargestellt. Zur Bewahrung der Übersichtlichkeit werden dort lediglich der Titel,
der Autor, der Preis und gegebenenfalls die durchschnittliche Leserbewertung angezeigt. Ausführlichere Informationen sind über einen Link auf die entsprechende
Produktseite zugänglich. Von jedem Produkt aus kann er dann zu weiteren Produkten verzweigen, die bezüglich verschiedener Kriterien, wie dem Autor, dem
Themenbereich, aber auch den an diesem Buch interessierten anderen Lesern, dem
ausgewählten Buch ähnlich sind. Alternativ kann er auch die Suchanfrage selbst
anpassen oder erweitern.
Weiterhin hat der Kunde die Möglichkeit, entlang eines hierarchischen Kategorienbaumes durch den Produktraum zu navigieren und das gewünschte Produkt auf
diese Weise zu finden.
2.
Der Kunde kann aber auch mit einer bestimmten Problemsituation in die Verhandlung mit amazon.de starten, die noch von der konkreten Problemlösung z.B. in Form
eines Buches abstrahiert. Das Problem eines Kunden ist beispielweise der anstehende Geburtstag eines Bekannten. Der Kunde sucht nach einer Geschenkidee.
Diese spezielle Problemsituation unterstützt amazon.de durch eine eigene Sektion
„Geschenkartikel“. In dieser angelangt, wird der Kunde gebeten, sein Problem
weiter zu spezifizieren, in dem er z.B. den Anlass des Geschenkes definiert. Dabei
hat er die Auswahl aus einer fest vorgegebenen Liste von Alternativen. Durch eine
Aktivierung des entsprechenden Links erhält er eine Liste mit möglichen Geschenken, die für diesen Anlass geeignet erscheinen, sortiert nach den Verkaufszahlen innerhalb der Anwender-Community (s. Abbildung E 2-45 rechte Seite).
Design Patterns für digitale Produkte
287
Abbildung E 2-45: Beispiel Bedürfnis-Produkt Abgleich bei amazon.com, Zugriff 15.10.2001.
Nach dem Finden geeigneter Produkte kann der Kunde direkt in die anschliessende Subszene der Verhandlung und des Vertragsabschlusses überwechseln.206 Er kann das ausgewählte Produkt jedoch auch in einen „Einkaufkorb“ legen und die Suche zunächst fortsetzen.
Die Firma Dell (www.dell.com) gibt ihren Kunden die Möglichkeit, den von ihnen gewünschten Computer nach ihren eigenen Angaben zusammenzustellen (s. Abbildung E 2-46).
Der Kunde beschreibt dabei die von ihm gewünschte Problemlösung mit Hilfe zentraler
technischer Kenngrössen, wie dem Prozessortyp, der Prozessorgeschwindigkeit und dem
Arbeits- und Hauptspeicher. Daneben kann er auch das einzuhaltende obere Preislimit angegeben. Um dem Kunden die Belegung der Attributwerte zu erleichtern, erhält er jeweils
eine Auswahl möglicher Attributbelegungen, aus denen er den passenden Wert lediglich
auszuwählen braucht. Nach jeder neuen Eingabe eines Attributwertes, die in beliebiger Reihenfolge erfolgen kann, wird dabei die Anzahl der diesen Einschränkungen entsprechenden
Produkte berechnet und angezeigt.207 Nach dem Abschluss der Spezifikation seines
Bedürfnisses, kann sich der Kunde die Liste der sich qualifizierenden Produkte anzeigen lassen. Die Ergebnisse werden dabei durch ihren Namen, sowie die in der Anfrage spezifizierten Kenngrössen beschrieben. Der Kunde hat nun die Möglichkeit, (1) sich die Liste nach den
verschiedenen Kenngrössen sortieren zu lassen, (2) sich nähere Informationen über eines der
Produkte anzeigen zu lassen oder aber (3) sich ausgewählte Produkte in einer Liste gegen-
206 Hier ist dies konkret der Checkout Prozess.
207 Dabei wird der Kunde jedoch nicht von vornherein davon abgehalten, eine Angabe zu leisten, die
in Kombination mit den bereits getätigten Angaben zu einer leeren Ergebnismenge führt.
288
Entwicklung der Patternsprache
überstellen zu lassen. In diesen Produktvergleich werden neben den zentralen Kenngrössen
weitere detaillierter Systemcharakteristika einbezogen
Abbildung E 2-46: Produktkonfigurator bei dell.com, Zugriff 15.10.2001.
Hat sich der Kunde für ein Produkt entschieden, kann er ausgehend von der dargestellten
Grundkonstellation, die einzelnen Eigenschaften nach seinem Belieben anpassen. Auch hier
werden ihm die möglichen Belegungswerte in einer Auswahlliste dargestellt. Bei einigen
Attributen hat der Kunde die Möglichkeit, sich über einen Link weitere Informationen über
deren Zusammenhang mit der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Produktes anzeigen
zu lassen. Weiterhin werden die auftauchenden Fachtermini bei Bedarf in einem Glossar erläutert, so dass auch unerfahrenen Käufern die Auswahl und Konfiguration des Produktes
erleichtert wird.
Nach erfolgreichem Abschluss der Konfiguration steht dem Kunden auch hier ein „virtueller
Einkaufskorb“ zur Verfügung, in dem er das spezifizierte Produkt zwischenspeichern kann,
um den Auswahlprozess zunächst fortzusetzen.
Der Konfigurator von Dell richtet sich primär an potentielle Käufer, die mit der Produktkategorie Computer bereits relativ gut vertraut sind. Die Erklärungen erleichtern jedoch auch
weniger technikbegeisterten Kunden die Zusammenstellung des Produktes nach seinen
Design Patterns für digitale Produkte
289
Wünschen. Dennoch orientiert sich Dell in dieser Szene weniger direkt am Kundenproblem,
als an der konkreten Problemlösung in Form eines ihrer Produkte.
***
Lösung: Stelle dem Kunden einen technischen Assistenten zur Verfügung, mit dessen Hilfe er
eine Problemlösung gemäss seinen Bedürfnissen selbständig auswählen oder selbst zusammenstellen kann.
Wie bereits in der Lösungsbeschreibung des Patterns Verhandlung abstrakt erläutert, beruht
diese Anpassung entweder (1) auf der Auswahl des am besten passenden Produktes aus einer Menge alternativer Produkte, oder aber (2) aus der Zusammenstellung resp. Spezifikation eines Produktes, das nach diesen Angaben zunächst im Sinne des Mass Customization
erstellt werden muss. Der Unterschied zwischen diesen beiden Alternativen wirkt sich vor
allem auf die dahinterliegenden Produktionsprozesse aus, die den Kunden jedoch nicht
weiter interessieren. Da die generelle Gestaltung der Szene in beiden Fällen grundsätzlich
identisch ist, wird sie in einem, dem hier vorliegenden, Pattern beschrieben.
O-Design: In dieser Szene identifiziert der interessierte Kunde seine Problemlösung mit der
Unterstützung eines technischen Dienstes (eines künstlichen Agenten). Die Darsteller sind
somit der Kunde sowie das Produkt resp. der Intermediär in Gestalt eines künstlichen Agenten,
d.h. konkret eines Konfigurators oder eines Suchdienstes. Wir werden diese zweite Partei im
weiteren unter dem Begriff des Intermediärs subsumieren. Es ist dabei die Aufgabe des Intermediärs, den Kunden zielgerichtet bei der möglichst effizienten Auswahl oder Zusammenstellung eines auf seine individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Produktes zu unterstützen. Diese Anforderung manifestiert sich insbesondere in der Gestaltung der im folgenden beschriebenen Prozessschritte.
I-Design: Generell besteht die Interaktion zwischen Kunde und Produkt / Konfigurator aus
einem Dialog, bei dem der Kunde durch sukzessive Angaben seine Vorstellungen immer
weiter konkretisiert. Dabei können in jedem Schritt (1) bestimmte Einschränkungen hinzugefügt, (2) bestehende Einschränkungen geändert oder (3) nach ähnlichen Produkten gesucht
werden, wobei die entsprechenden Ähnlichkeitskriterien vom Kunden beeinflusst werden
können.
Man kann hier generell zwischen zwei Arten von Interaktionsprozessen unterscheiden. Sie
entsprechen weitestgehend den im Pattern Integration in die aktive Suche dargestellten Suchmöglichkeiten:
• Die Stichwortsuche (frei oder attributiert)
• Die Navigation durch den Produktraum, d.h. die sukzessive Einschränkung der
Produkteigenschaften (im weitesten Sinne). Dabei können in jedem Schritt auch mehrere Angaben getätigt werden.
Konfiguratoren sind der zweiten Suchmöglichkeit zuzuordnen. Dabei werden in einem
Schritt häufig alle Angaben auf einmal getätigt.
290
Entwicklung der Patternsprache
Gemäss dem Ziel, den Kunden mit möglichst wenig Aufwand zielgerichtet zur Spezifikation
der gewünschten Problemlösung zu führen, werden die folgenden Anforderungen an den
künstlichen Intermediär gestellt:
1.
Eingabe:
• Sind die möglichen Attributbelegungen beschränkt, so müssen die Werte bei
der Eingabe auf ihre Richtigkeit und Plausibilität überprüft werden (s. Pattern
Reality Check in Tidwells (1999) Common Ground). Idealerweise wird dem Kunden in diesem Fall die Eingabe durch die Darstellung der möglichen Werte in
Form einer Auswahlliste erleichtert (s. Patterns Choice from a Small Set, Choice
form a Large Set und good Defaults in Tidwells (1999) Common Ground).
• Werden bestimmte Eingaben zwingend benötigt, so sind diese deutlich zu
kennzeichnen. Ist die Notwendigkeit nicht offensichtlich, so sollte diese kurz
erläutert werden. Dies ist insbesondere bei der Angabe von persönlichen Daten
wichtig, die den Schutz privater Informationen gefährden (s. Pattern Required
Field Markers in Perzel und Kanes (1999) Usability Patterns for Applications on the
World Wide Web).
• Bei unvollständigen oder fehlerhaften Eingaben ist der Kunde gezielt auf die
betroffenen Einträge hinzuweisen.
• Die Eingaben sollten möglichst selbsterklärend sein. Ist dies nicht möglich,
müssen weitere Erläuterungen in Form optionaler Hilfetexte angeboten werden
(s. Pattern Short Description in Tidwells (1999) Common Ground).
• Von einer Eingabe abhängige Variablenbelegungen sollten nach erfolgter Eingabe der unabhängigen Variablen direkt abgeleitet werden, um den Aufwand
des Kunden zu reduzieren. Um Überraschungen für den Kunden zu vermeiden, sollten diese automatisch ausgefüllten Angaben dem Kunden dennoch angezeigt und gegebenenfalls geändert werden können.
2.
Ergebnisdarstellung.
• Die Ergebnisliste sollte stets mindestens ein Ergebnis enthalten. Dies erreicht
man entweder durch die frühzeitige Einschränkung und Überprüfung der Eingabewerte oder aber durch sogenannte Soft-Matching Mechanismen, die ebenfalls nach Ergebnissen suchen, die der Problembeschreibung zwar nicht direkt
entsprechen aber dieser möglichst nahe kommen (Klose & Lechner 1999c) (s.
auch Pattern Forgiving Text Entry in Tidwells (1999) Common Ground).
• Bei einer grossen Anzahl von Ergebnissen sollten diese strukturiert dargestellt
werden. Mehrere Strukturierungs- und Priorisierungsmöglichkeiten erleichtern
dem Kunden den Vergleich verschiedener Alternativen gemäss unterschiedlichen Beurteilungskriterien.
• Um es dem Kunden zu ermöglichen, sich schnell eine Übersicht über die Ergebnisse zu verschaffen, sollten zunächst lediglich die jeweiligen Schlüsselinformationen dargelegt werden und erst bei Bedarf die weiteren Details ergänzt
Design Patterns für digitale Produkte
291
werden (s. Patterns Details on Demand und Hierarchical Set in Tidwells (1999)
Common Ground).
3.
Übergang zwischen den Iterationsschritten:
• Das Ergebnis kann durch eine Modifikation der Anfrage resp. der geleisteten
Angaben schrittweise weiter verfeinert werden. Dabei sollten dem Kunden
durch eine Analyse der Ergebnismenge aber auch aufgrund seiner bekannten
Präferenzen gezielte Einschränkungsmöglichkeiten offeriert werden.
• Ausgehend von einer konkreten Ergebnismenge kann die Suche auch durch die
Wahl eines ähnlichen Produktes fortgesetzt werden. Hierbei können verschiedene Ähnlichkeitsmasse zugrundegelegt werden: Beschreibungsmerkmale des
Produktes oder idealerweise der Problemlösung aus der Sicht des Kunden, aber
auch die Ähnlichkeit bezüglich der Einschätzung der Kunden-Community.
Nach diesem Kriterium sind sich Produkte dann ähnlich, wenn sie von vielen
Kunden gemeinsam gekauft werden.
An den gesamten Prozess werden insbesondere bei einem stark durch den künstlichen Intermediär gesteuerten Prozess die Anforderungen gestellt, dass das Bedürfnis des Kunden
durch eine möglichst geringe Anzahl von Eingaben spezifiziert werden kann. Daher sind
zunächst die stark diskriminierenden Angaben abzufragen, die zu einer raschen Einschränkung des Möglichkeitsraumes führen.
Um dem Kunden den Such- und Konfigurationsprozess bei Wiederkäufen zu erleichtern
sind die vom konkreten Kaufakt unabhängigen Angaben, wie beim Kleidungskauf die Köpermasse, etc. zu speichern und bei Folgekäufen automatisch zu ergänzen. Um Unsicherheiten und das Gefühl der Bevormundung beim Kunden zu vermeiden, müssen diese automatisch zugefügten Angaben – bei Bedarf – angezeigt und auch vom Kunden geändert werden können. Eine gute Möglichkeit besteht somit darin, die gespeicherten Werte als DefaultWerte zu übernehmen, die jedoch lediglich Vorschlagscharakter haben.
Die Sammlung von Informationen birgt eine potentielle Gefahr für den Schutz der gesammelten persönlichen Informationen. Dem Kunden müssen daher in dieser Szene Information
über entsprechende Massnahmen beim Umgang mit persönlichen Daten auf Wunsch zur
Verfügung gestellt werden. Hier findet somit ein Rücksprung zur Entscheidungsszene statt.
Dabei darf durch diesen Zwischenschritt der Kontext innerhalb der Verhandlungsphase
nicht verloren gehen.
Diese Szene führt im Erfolgsfall direkt zur Verhandlung und zum Vertragsabschluss. Dennoch sollte es dem Kunden möglich sein, die Initiierung der Verhandlungs-Subszene auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, um die Subszene der Produktauswahl zunächst fortsetzen zu können. Dem Kunden wird daher in Form eines sogenannten Shopping Carts oder
292
Entwicklung der Patternsprache
Einkaufswagens die Möglichkeit gegeben, die ausgewählten Produkte oder zusammengestellten Produktkonfigurationen zunächst zwischenzuspeichern.208
L-Design: Wie bereits im Pattern Verhandlung abstrakt erläutert, stellt diese Szene hohe Anforderungen an das logische Design in bezug auf die Produktbeschreibung. Sie muss sich am
logischen Raum des potentiellen Kunden orientieren und das Produkt so beschreiben, dass
es die Problemsituation resp. deren Lösung aus der Sicht des Kunden erfasst. Wie weit sich
diese Sprache des Kunden von der Sprache des Herstellers oder der Produktion unterscheidet, hängt dabei vom Produktwissen des Kunden ab.
K-Design: Diese Szene stellt hohe Anforderungen an das K-Design insbesondere bezüglich
der „Intelligenz“ des künstlichen Beraters.
Beim I-Design wurde gefordert, dass stets gewährleistet ist, dass die Eingaben des Kunden
eine konsistente und in Form eines Produktes umsetzbare Problemlösung spezifizieren.
Fehleingaben des Kunden müssen daher entweder durch eine Beschränkung der Eingabewerte von vornherein verhindert werden oder aber durch eine flexible Matching-Funktion
aufgefangen werden, die dem Kunden Alternativkonfigurationen anbietet, die dessen Wünschen möglichst nahe kommen. Weiterhin wurde gefordert, dass Variabelenwerte, die sich
aus den bereits erfolgten Eingaben des Kunden ableiten lassen, direkt berechnet werden, um
so den Aufwand des Kunden sowie die Fehlerrate zu minimieren. Um all dies zu ermöglichen muss das System ein genaues internes Modell der Problemlösung enthalten, gegenüber
dem die Angaben des Kunden abgeglichen werden können. Da die Sicht des Kunden auf die
Problemstellung von der Sicht des Produktes selbst abweichen kann muss dieses interne
Modell beide Sichten erfassen und zueinander in Verbindung setzen.209
Die Abbildungsfunktion zwischen den Bedürfnissen des Kunden, d.h. der Problemformulierung aus der Sicht der Kunden, und den Produkten selbst ist nicht immer direkt auf die offensichtlichen Produkteigenschaften zurückzuführen. Man denke z.B. an eine Kategorisierung von Büchern, nach deren Eignung als Geschenk für eine bestimmte Kundengruppe.
Nach einer initialen Schätzung dieser Matchingfunktion kann diese jedoch durch die
Sammlung und Aufbereitung der Kundeninformation iterativ verbessert und angepasst
werden. Hier können verschiedene Datamining-Verfahren eingesetzt werden, welche die
zugrundeliegenden Zusammenhänge in den Daten aufdecken und gegebenenfalls auf verschiedene messbare Attribute zurückzuführen gestatten. Diese Verfahren liefern umso bessere Ergebnisse, je mehr Daten zur Verfügung stehen.
Weiterhin ermöglicht die Sammlung der Kundendaten und deren Aufbereitung die Entdeckung von Zusammenhängen zwischen Produkten, die nicht primär auf deren sichtbaren
Eigenschaften, sondern auf dem gemeinsamen Interesse der Kunden an einem Produkt be208 Die langfristige Speicherung über das Ende dieser Interaktionssession hinweg erfordert dabei die
Einrichtung eines Benutzerkontos mit einer festen ID.
209 Meier schlägt dazu, insbesondere bei eher technischen Produkten, den Einsatz von sogenannten
Konfigurationsmatrizen vor (vgl. (Kunz et al. 1999) und (Meier & . 2001)).
Design Patterns für digitale Produkte
293
ruhen. Sie können im Sinne des sogenannten Collaborative Filterings bei der Angabe von
Alternativprodukten genutzt werden und dadurch den Suchprozess unterstützen (vgl.
(Stohr & Viswanathan 1998)).
Um die wiederholte Eingabe von Kundeninformationen zu vermeiden, muss für den einzelnen Kunden ein Profil resp. ein Kundenkonto angelegt werden. Dieses Konto kann prinzipiell auch beim Kunden selbst gespeichert und verwaltet werden. Die entsprechenden Angaben sind dann beim Betreten dieser Szene unter der Kontrolle des Kunden an den künstlichen Agenten zu übermitteln. Diese Konstellation verringert die Gefahr bzgl. des Schutzes
der Privatsphäre. Allerdings stehen für eine derartige Benutzerrepräsentation noch kaum
technische Möglichkeiten zur Verfügung (s. Abschnitt D 3.2.2).
Die Schnittstellengestaltung selbst stellt die üblichen Anforderungen an die Lesbarkeit der
Prozesse. Hier sei auf die Arbeiten der HCI Patternforschung verwiesen. Von Bedeutung für
die Gestaltung dieser Szene sind die Umsetzung von Navigationsmöglichkeiten in Linkstrukturen sowie die übersichtliche Darstellung einer Vielzahl von Informationen (bei der
Ergebnisdarstellung) (s. insbesondere die Patterns Navigable Spaces, High-Density Information
Display, Hierarchical Set in Tidwells (1999) Common Ground).
***
Abbildung E 2-47: Diagramm Automatischer Bedürfnis-Produkt Abgleich
***
Rational: Die bei der Gestaltung dieser Phase zu beachtenden Punkte wurden bereits im Pattern Verhandlung abstrakt ausführlich erläutert. Im folgenden wird daher lediglich hervorgehoben, welche der dort genannten Aspekte in dieser konkreten Szene von besonderer Bedeutung sind.
Um dem Kunden eine intuitive und leicht verständliche Zusammenstellung des Produktes
zu ermöglichen, muss sich die Produktbeschreibung an der Sprache und am individuellen
Problem des Kunden orientieren. Dadurch erhöht sich insbesondere die Bequemlichkeit,
aber auch die Effizienz und somit der kontextspezifische Kundenwert dieser Szene. Durch
die Individualisierung des Produktes erhöht sich jedoch auch der Wert des Produktes selbst.
Der Wert des Kontextes kann weiterhin durch die Möglichkeiten der zugrundeliegenden
IKT-Infrastruktur gesteigert werden: Der Aufwand und die Häufigkeit von Fehleingaben
werden durch die Vorgabe von Belegungswerten, die Anwendung von Soft Matching Verfahren, die Ableitung abhängiger Wertebelegungen sowie die Speicherung und Wiederverwendung persönlicher Angaben reduziert und die Transparenz durch den direkten Ver-
294
Entwicklung der Patternsprache
gleich der Ergebnisse erhöht. Durch die Aufbereitung der Community-Information können
die internen Modelle der Problemlösung sukzessive verbessert werden.
Die weitgehende Automatisierung dieser Szene gestattet die von festen „Öffnungszeiten“
unabhängige Teilnahme an dieser Szene und erhöht somit deren Komfort. Desweiteren wird
erst dadurch die automatische Sammlung und Aufbereitung der Kundeninformationen und
die darauf basierende sukzessive und ebenfalls weitestgehend automatisierte Verbesserung
der Szenengestaltung ermöglicht.
***
Verwandte Patterns: Wie bereits im Zuge des I-Designs erläutert wurde, leitet diese Subszene,
gegebenenfalls über den Zwischenschritt eines „Einkaufswagens“, direkt zur eigentlichen
Verhandlungs- und Vertragsabschluss-Subszene über. Diese besteht zumeist aus einem
Checkout Prozess, der einen einfachen Verhandlungsprozess mit dem Vertragsabschluss in
sich vereinigt (Checkout).
Im Zuge dieser Szene werden in der Regel persönliche Daten gesammelt. Die dadurch induzierten Unsicherheiten müssen durch die Kommunikation der entsprechenden Risikominderungsmassnahmen verringert werden. Hier findet somit ein Übergang in die Entscheidungsphase statt (s. entsprechende Entscheidungspatterns), die jedoch direkt nach ihrem Abschluss
wieder zur Ausgangsszene zurückführt.
Dieses Pattern subsumiert weitestgehend die Inhalte der Patterns Advising in Rossi et al.’s
(2000) Patterns for E-Commerce Applications, Set-based-navigation und shopping basket in Rossi et
al.’s (1997) Pattern Systems for Hypermedia und Shopping Cart in van Dyne et al.’s (2000) The
Design of Sites.
E 2.5.3 Beratungsgespräch
Kontext: s. abstraktes Verhandlungspattern
***
Problem: Der Kunde wünscht ein Produkt, das möglicht gut auf seine individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Die Auswahl oder Zusammenstellung mit Hilfe eines künstlichen
Intermediärs eignet sich nur bei einer relativ guten Strukturierung des Problems. Weiterhin
können vor allem bei wertvollen, komplexen und insbesondere neuartigen Produkten, die
Anonymität des künstlichen „Beratungsagenten“ und der hohe Grad an geforderter Selbstständigkeit Unsicherheiten und Unannehmlichkeiten beim Kunden hervorrufen.
***
Beispiel: Eine Abhilfe für diese Situationen schaffen interpersonelle Beratungsgespräche. Sie
bedürfen jedoch der technischen Ausstattung aller Beteiligten mit den notwendigen Kommunikationswerkzeugen. Da diese noch weniger verbreitet sind, ist auch der Einsatz von
virtuellen Verkaufsgesprächen noch relativ beschränkt.
Ein Beispiel für bereits weit fortgeschrittene interaktive „Beratungs-“Leistungen sind die
interaktiven Gespräche zwischen Arbeitssuchenden und Unternehmen in der Rolle des po-
Design Patterns für digitale Produkte
295
tentiellen Arbeitgebers in den virtuellen Messeräumen der Jobfair24.de. Hier wird Jobfair24.de
somit nicht als Produkt, sondern als Unterstützungsdienst der Verhandlungsphase betrachtet. In dieser Funktion bietet sie Arbeitnehmern und Arbeitgebern in dreidimensionalen
Messehallen die Möglichkeit zur ersten Kontaktaufnahme. Die Beteiligten werden in den jeweiligen Begegnungsräumen als dreidimensionale Avatare repräsentiert, mit deren Hilfe sie
sich durch die Räume bewegen und mit anderen kommunizieren können. Die Gespräche
zwischen Firmenvertretern und Jobsuchenden finden dann unter vier Augen in privaten
Chaträumen statt. Die Durchführung dieser Gespräche unterliegt der Kontrolle der Beteiligten, d.h. des Unternehmensvertreters und des Arbeitssuchenden. Um eine sinnvolle und
zielgerichtete Kommunikation zu ermöglichen müssen jedoch gewisse Gesprächskonventionen eingehalten werden. Jobfair24.de unterstützt hier in Bewerbungsgesprächen noch unerfahrene Arbeitssuchende durch die Bereitstellung von Informationsmaterial über die optimale Vorbereitung und Durchführung derartiger Gespräche. Mit aktuell über 2000 Teilnehmern an jedem Messetag, von denen 20% zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, ist die Jobfair24 zwar ein erfolgreiches aber dennoch eher ungewöhnliches Beispiel für
virtuelle „Verkaufsgespräche“.
Typischere Anwendungsfälle von Online-Beratungsgesprächen sind Versicherungs- und
komplexe Bankleistungen. Wie Körner (2001) in einer umfangreichen Untersuchung feststellen konnte, haben viele Unternehmen dieser Branche auch tatsächlich die Absicht, OnlineBeratungsgesprächen in ihr Leistungsportfolio aufzunehmen. Dabei wurden auch bereits
erste technische Lösungen für deren Umsetzung entwickelt (Scheer & Nüttgens 1999). Bisher
beschränkt sich deren Einsatz jedoch auf die Online-Initiierung telefonischer Beratungsgespräche mit Hilfe sogenannte Call-me Buttons, durch die der Kunde online um den Rückruf
eines Kundenberaters bitten kann.
Ein bereits erfolgreiches Beispiel im Bankensektor ist die Flabstar Bank (www.flabstar.com).
Sie unterstützt die Aufnahme von Hypothekendarlehen durch den Einsatz von Videokonferenzen zwischen den Kundenberatern und den Kunden. Dadurch konnten die Bearbeitungszeiten von durchschnittlich zwei bis drei Monaten auf unter eine Woche reduziert werden.
(s. (Muther 1998: 69)).
***
Lösung: Ermögliche interpersonelle Beratungsgespräche mit menschlichen Repräsentanten
des Produktangebotes.
O-Design: Diese Szene besteht wiederum aus dem Kunden und dieses Mal einem menschlichen Vertreter des Produktes. Er hat die Aufgabe, den Kunden bei der Auswahl resp. Konfiguration eines Produktes zu unterstützen, das seinen individuellen Anforderungen möglichst gut entspricht.
I-Design: Im Gegensatz zur Kommunikation mit einem künstlichen Agenten unterliegt die
interpersonelle Kommunikation per se keinen fest implementierten und automatisch durchsetzbaren Regeln. Um jedoch das Ziel der zielgerichteten Zusammenstellung eines auf die
Bedürfnisse des Kunden zugeschnittenen Produktes erreichen zu können, müssen gewisse
Konventionen eingehalten werden. Sie leiten sich in der Regel aus sozial etablierten Ge-
296
Entwicklung der Patternsprache
sprächskonventionen ab. Die Führung des Gesprächs obliegt ansonsten weitestgehend dem
Vertreter des Produktes.
Prinzipiell gleicht das I-Design dieser Szene dem I-Design des Patterns automatischer Abgleich. Die wesentlichen Schritte sind auch hierbei die Aufnahme des Kundenproblems und
der Abgleich mit passenden Problemlösungen. Auch die Anforderungen an die Prozessgestaltung stimmen mit den dort konstatierten Anforderungen überein. Allerdings liegt die
Einhaltung dieser Anforderungen in der Verantwortung der menschlichen Agenten und insbesondere des Intermediärs.
Die menschliche Interaktion ermöglicht dabei eine grössere Flexibilität der Prozessgestaltung, bei der direkt auf die Reaktionen des Kunden eingegangen werden kann. Allerdings
hängt die Umsetzung dieser Vorteile vom Wissen des Vertreters über das Kundenbusiness
sowie vom generellen Verständnis zwischen Kunde und Vertreter ab.
L-Design: Auch in dieser Szene ist es essentiell, dass der Kunde sein Problem in seiner Sprache formulieren und spezifizieren kann. Der Vertreter hat die Möglichkeit aber auch die Verantwortung, mit dem Kunden in dessen Sprach- und Denkwelt zu sprechen. Voraussetzung
dafür ist eine gute Kenntnis dieser Problemwelt und die Fähigkeit der Transformation dieser
Denkwelt in die Produktwelt. Prinzipiell werden also bezüglich des L-Designs an den
menschlichen Agenten die gleichen Anforderungen gestellt wie an sein künstliches Pendant
im Pattern automatischer Abgleich.
Die natürliche Sprache ist generell ein reicheres Ausdrucksmedium, sowohl was den Sprachschatz als auch was die Ausdrucksmöglichkeiten anbelangt. Potentielle Unklarheiten können
durch einfaches Nachfragen rasch behoben werden. Visuelle Kommunikationswerkzeuge
gestatten weiterhin die Ergänzung der rein sprachlichen Kommunikation um Gestik und
Mimik.
K-Design: Die Informationstechnologie muss die Möglichkeiten zur interpersonellen Kommunikation zur Verfügung stellen. Diese reichen von einfachen Lösungen wie E-Mail und
Chat, zu Internettelephonie, virtuellen Kommunikationsräumen und Video-ConferencingLösungen. Dabei müssen alle Beteiligten über die benötigte Software und auch Hardware
verfügen.
Ausblick: Im Bereich des Wissensmanagements werden recht mächtige Werkzeuge zur
Kommunikation und zum Wissensaustausch über vernetzte Systeme entwickelt. Ein aktuelles Beispiel ist das auf Peer-to-Peer Technologie basierende Wissensmanagementtool
groove.210 Dieses System unterstützt sowohl die Chat-Kommunikation, den Austausch und
die gemeinsame Verwaltung von Dokumenten, als auch die gemeinsame Nutzung von Applikationen (im Sinne des Application Sharings). Diese Möglichkeiten könnten in Zukunft
auch für eine qualitativ hochwertige und hochgradig interaktive Beratung eingesetzt werden.
210 S. http://www.groove.com.
Design Patterns für digitale Produkte
297
***
Abbildung E 2-48: Diagramm Beratungsgespräch
***
Rational: Bei komplexen Problemen ist eine vollständige Formalisierung der Problembeschreibung aus Sicht des Kunden, der Abläufe sowie der Matchingfunktion zwischen Problembeschreibung und Angebotskonfiguration nicht oder nur sehr aufwendig möglich. Weiterhin vermittelt interpersonelle Kommunikation mit einem menschlichen Spezialisten ein
gewisses Gefühl von Vertrauen und Sicherheit. Die interaktive Kommunikation gestattet zudem eine flexible Gestaltung dieser ersten Subszene, in der rasch auf die Besonderheiten des
Gegenübers eingegangen werden kann. Bei komplexen und neuartigen Produkten bietet sich
daher der Einsatz von Beratungsgesprächen mit menschlichen Vertretern an.
Der Nachteil dieser Szenengestaltung im Vergleich zum automatischen Abgleich liegt im höheren Aufwand für alle Beteiligten und in der aufwendigeren, da verstärkt manuellen, Aufbereitung der Gespräche.
***
Verwandte Patterns: s. automatischer Abgleich
E 2.5.4 Auktion
Kontext: s. Verhandlung abstrakt
Gemäss den Ausführungen des abstrakten Verhandlungspatterns gliedert sich die Verhandlungsphase generell in die drei Phasen der Produktbestimmung, der Aushandlung der
Konditionen und der Vertragsvereinbarung. Das vorliegende Pattern ordnet sich vorrangig
in die zweite Phase dieses Gesamtprozesses ein.
***
Problem: Der Preis eines Gutes sollte sich nach dessen Wert für potentielle Kunden richten.
Dieser Wert ist jedoch insbesondere für Einzelstücke und neuartige Produkte schwierig im
298
Entwicklung der Patternsprache
vorhinein festzulegen.211 Auktionen stellen nun aber einen sehr effizienten Mechanismus
zur dynamischen Bestimmung des Gleichgewichtspreises dar (Klein 1997: 3).
***
Beispiel: eBay.com stellt eine Plattform zur Verfügung, auf der Anbieter unterschiedlichster
Produkte ihre Waren versteigern können. In dieser Szene wird eBay.com somit nicht primär
als Produkt, sondern als Anbieter eines Dienstes zur Unterstützung der Verhandlungsphase
von Geschäftstransaktionen betrachtet.
Neben dem eigentlichen Auktionsmechanismus unterstützt eBay.com zunächst durch verschiedene Suchfunktionen (attributiert und Volltext) sowie durch ein hierarchisches Kategorisierungsschema das Auffinden eines geeigneten Produktes. Der Kunde hat dann die Möglichkeit, sich an der Auktion für das ausgewählte Produkt zu beteiligen: Innerhalb der Laufzeit der Auktion geben die Teilnehmer Gebote ab, die jedoch nur dann wirksam werden,
wenn sie die bereits bestehenden Gebote übersteigen. Jeder Teilnehmer hat dabei die Möglichkeit, während der Laufzeit der Auktion wiederholt die anderen Teilnehmer zu überbieten. Den Zuschlag zum Erwerb des Produktes erhält derjenige, der zum Auktionsschluss das
höchste Gebot abgegeben hat (s. Abbildung E 2-49).
Um den Aufwand interessierter Käufers insbesondere angesichts der oftmals längeren Laufzeiten von Auktionen zu reduzieren, bietet eBay.com eine Reihe von Unterstützungstools und
Services an:
1.
Jeder Teilnehmer wird automatisch via E-Mail benachrichtigt, sobald das von ihm
abgesetzte Gebot von einem anderen Teilnehmer überboten wurde.
2.
Jeder Teilnehmer hat weiterhin die Möglichkeit, sich einen „künstlichen Assistenten“ einrichten zu lassen, der an seiner statt den Auktionsverlauf beobachtet und
beim Eingang eines neuen Gebotes ein eigenes höheres Gebot absetzt. Dabei kann
das eigene Gebot durch ein Höchstgebot nach oben beschränkt werden.
Mit der Teilnahme an einer Auktion ist neben dem Aufwand die Ungewissheit verbunden,
ob man das Produkt überhaupt erhält. Weiterhin verzögert sich die Zeit bis zum – sicheren –
Erhalt des gewünschten Produktes um die Laufzeit der Auktion. eBay.com bietet jedoch auch
hier eine Möglichkeit an, derartige Unannehmlichkeiten umgehen zu können: Der Anbieter
kann einen Preis festsetzen, zu dem ein Interessent das Produkt direkt erwerben kann.
211 Stöbel (2000) nennt als weitere Konditionen der Kaufsituation, in denen sich eine dynamische
Preisfindung anbietet, u.a.: einmalige und nicht standardisierte Transaktionen (Gemälde), neuartige Produkte mit unbekannter Nachfrage, differenzierte Märkte mit unbekanntem Angebot,
vergängliche Angebote, heterogene Kundenanforderungen, unbekannte Value Proposition des
Kunden, dynamische Märkte.
Design Patterns für digitale Produkte
299
Abbildung E 2-49: Beispiel Auktionsseite von eBay.com, Zugriff 8.10.2001.
Insbesondere in dem von eBay.com angesprochenen Privatkundenbereich werden die Produkte von unbekannten Verkäufern angeboten. Dies induziert bei vielen Kunden die Angst
insbesondere vor finanziellen Verlusten durch die Nichtauslieferung der Produkte oder aber
durch den Erhalt eines Produktes, das nicht der Produktbeschreibung entspricht. Um diese
Gefahr zu minimieren, bietet eBay.com eine Reihe von Massnahmen zur Risikominderung an.
Sie umfassen das Rating der Community (s. Pattern Risikominderung durch Community), die
automatische Versicherung vor finanziellen Verlusten bei Nichterhalt der Ware (Risikominimierung durch Dritte), das integrierte Angebot eines Treuhänders für die sichere Abwicklung
teurer Transaktionen (Online-Treuhänder) und das Angebot eines Online-Schiedsgerichtes
(Online-Schiedsgericht) zur Schlichtung von Streitfällen.
Weiterhin handelt es sich bei eBay.com um einen neuartigen Service, mit dem viele Anwender nicht direkt vertraut sind. Durch eine klare Gestaltung der Prozesse und deren lesbarer
Abbildung auf die Plattform wird der benötigte Lernaufwand minimiert. Dennoch werden
aufgrund der Neuartigkeit des Services explizite Lern- resp. Hilfedienste angeboten. Diese
umfassen bei eBay.com alle in den Abschnitten E 2.4.2 bis E 2.4.5 erläuterten Services. Sie sind
zu jedem Zeitpunkt des Auktionsprozesses über einen Link erreichbar. Weiterhin werden
neuen Anwendern beim ersten Betreten der Auktionsplattformen spezielle Hilfeseiten zur
Beantwortung zentraler Fragestellungen angeboten.
Auch amazon.de bietet seinen Kunden die Möglichkeit, ausgewählte Produkte zu er- oder
versteigern. Von amazon.de wird jedoch ausschliesslich der automatische Modus unterstützt,
bei dem die Gebote eines Kunden automatisch erneuert resp. erhöht werden, sobald das ak-
300
Entwicklung der Patternsprache
tuelle Gebot von einem anderen Bieter übertroffen wurde. Die geschieht jedoch nur so lange,
bis der vom Kunden festgelegte Höchstpreis erreicht wurde. Für neue Benutzer stehen auch
hier Möglichkeiten zur Verfügung, sich über den Auktionsmechanismus zu informieren. Die
Reduktion der mit dem Service verbundenen Unsicherheit beruht schliesslich auch bei
amazon.de auf einem Community Rating System und auf einer Versicherung gegenüber finanziellen Verlusten.
***
Lösung: Biete einen Auktionsmechanismus zur Aushandlung der preislichen Konditionen an.
Beachte dabei die besonderen Anforderungen des Kunden bezüglich der Bequemlichkeit der
Anwendung, des Aufwandes bei der Nutzung des Services, insbesondere für das Erlernen
der dazu benötigten Fähigkeiten sowie bezüglich der Reduktion des eingegangenen finanziellen Risikos.
Im folgenden wird das zugehörige Szenario mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben.
O-Design: Die Beteiligten an dieser Szene sind der oder die potentiellen Kunden, das Produkt
resp. dessen Anbieter und der Intermediär in Form eines künstlichen Auktionators. Diese
Grundbesetzung kann um weitere Rollen in Form von künstlichen Assistenten zur Unterstützung des Kunden ergänzt werden. Die Kunden haben das Recht, an einer Auktion teilzunehmen. Mit diesem Recht verbindet sie jedoch auch die Pflicht, sich an die Regeln der Auktion zu halten. Dies bedeutet insbesondere, dass sie dazu verpflichtet sind, das Produkt zu
kaufen, wenn sie nach Beendigung der Auktion den Zuschlag erhalten. Ebenso ist der Anbieter dazu verpflichtet, das Produkt an den Bieter des höchsten Gebotes zu verkaufen. Diese
Rechte und Pflichten sind jedoch vorwiegend moralisch und nicht rechtlich bindend. Sie
werden vor allem durch die Auswirkung einer Zuwiderhaltung auf den eigenen Ratingwert
durchgesetzt (s. I-Design). Die Hilfsassistenten unterstützen den Kunden bei der Verfolgung
der Angebote und der Ausführung dessen Biet-Strategie. Sie sind dazu verpflichtet, diese
Strategie nach den Vorgaben des Kunden an seiner statt auszuführen. Der Intermediär legt
schliesslich die Regeln der Auktion fest und überwacht deren Einhaltung durch die Beteiligten.
I-Design: Auf der Seite des Anbieters beginnt der Prozess mit der Eröffnung einer Auktion,
bei der das Produkt definiert und beschrieben und der Start- und evtl. ein Minimalpreis sowie der Start- und Endzeitpunkt der Auktion festgelegt werden. Weiterhin können hier auch
schon die Lieferbedingungen und Zahlungskonditionen fixiert werden. Während der Laufzeit der Auktion hat der Anbieter häufig das Recht, sein Angebot zurückzuziehen. Dies
schädigt jedoch seinen Ruf innerhalb der Auktionsgemeinschaft.
Für den Nachfrager beginnt der Prozess mit dem Auffinden eines für ihn interessanten Produktes resp. der zughörigen Auktion. In einem ersten Schritt kann er sich dann über das
Produkt näher informieren. Während der Laufzeit der Auktion hat er die Möglichkeit, sich
über deren aktuellen Status zu erkundigen. Daneben wird er jedoch auch automatisch vom
Intermediär benachrichtigt, sobald neue Gebote der anderen Teilnehmer das eigene Gebot
überbieten. Der Kunde kann auf ein derartiges Ereignis mit dem Absetzen eines höheren
Gebotes reagieren.
Design Patterns für digitale Produkte
301
Bei der Durchführung des Auktionsprozesses kann sich der Kunde durch einen künstlichen
Assistenten unterstützen lassen, der an seiner statt seine Bietstrategie ausführt. In der Regel
besteht diese lediglich darin, fremde Gebote bis zu einem bestimmten Höchstbetrag zu überbieten. Das Einrichten eines solchen Agenten bedarf daher lediglich der Angabe dieses
Höchstbetrages. Nach dem Abschluss der Laufzeit der Auktion wird der Kunde darüber informiert, ob er den Zuschlag erhalten hat.
Mit der Teilnahme an der Auktion, sind insbesondere beim Vertragsabschluss Risiken verbunden. Der Teilnehmer ist daher auch an dieser Stelle dabei zu unterstützen, sein wahrgenommenes Risiko vermindern zu können. Dies geschieht zum einen durch die Community
selbst. Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, ihren Vertragspartner nach Abwicklung des
Vertrages zu raten. Die Ratings werden zentral erfasst und anderen Community-Mitgliedern
zur Verfügung gestellt. Das finanzielle Risiko kann weiterhin durch Massnahmen des Auktionsbetreibers selbst reduziert werden. Diese umfassen Versicherungsleistungen, Schiedsgerichte, Treuhanddienste etc. Die Kommunikation dieser Risikominderungsmassnahmen und
damit der (Rück-)Sprung in die Entscheidungsszene ist somit auch in diese Szene zu integrieren.
Da es sich bei Online-Auktionen um einen für viele Teilnehmer neuartigen Service handelt,
ist der Kunde bei der Lösung seiner im Zuge des Auktionsprozesses auftretenden Fragestellungen aktiv zu unterstützen. Hier findet somit, gesteuert durch den Anwender selbst,
ein Sprung zur Wissensphase statt. Dabei eignet sich in dieser Szene besonders die Darstellung der an den jeweiligen Stellen des Interaktionsprozesses am häufigsten auftretenden
Fragestellungen (FAQ).
L-Design: Wie bereits betont, handelt es sich beim Auktionsprozess nicht um einen sonderlich komplexen, wohl aber um einen neuartigen Prozess. Durch eine geeignete Abbildung
der Abläufe (s. K-Design) sollte die Anwendung schnell einsichtig sein. Dennoch sind dem
Kunden in den konkreten Anwendungsszene bei Bedarf Möglichkeiten zur Lösung auftretender Probleme anzubieten.
K-Design: Die Schnittstellengestaltung stellt die üblichen Anforderungen an die Verständlichkeit der Darstellung. Entsprechend gekennzeichnete Links und Buttons erleichtern die
Lesbarkeit, eine geeignete Strukturierung der Inhalte die Übersicht über die Szene (s. Patterns Short Description, Pointer Shows Affordance in Tidwells (1999) Common Ground). Dabei
sind die zentralen Beschreibungsmerkmale der Auktion, d.h. die Konditionen der Auktion,
Kurzinformation über den Anbieter und der aktuelle Höchstpreis zentral am Anfang der
Szene zu präsentieren (s. Pattern What they see is all they get in Perzel und Kanes (1999)
Usability Patterns for Applications on the World Wide Web. Hinweise zu Risikominderungsmassnahmen sowie Hilfeleistungen bei auftretenden Problemen sind am Rande der Szene zu
positionieren, so dass auf sie bei Bedarf zugegriffen werden kann (s. Patterns Helper Posture
und Background Posture in Tidwells (1999) Common Ground).
Die Regeln der Auktion müssen soweit möglich in Software abgebildet und automatisch
kontrolliert und durchgesetzt werden. Benachrichtigungen sind automatisch an die Teilnehmer zu versenden und Gebote durch die elektronischen „Biet-Assistenten“ gemäss der
302
Entwicklung der Patternsprache
Bietstrategie selbständig zu erhöhen. Besondere Anforderungen werden an die zugrundeliegende Datenverwaltung gelegt, die dafür Sorge tragen muss, dass Gebote in der Reihenfolge
ihres Eintreffens bearbeitet werden.
***
Abbildung E 2-50: Diagramm Auktion
***
Rational: Insbesondere bei Einzelstücken oder geringer Auflage gestaltet sich die Bestimmung eines geeigneten Marktpreises schwierig (Ströbel 2000). Der Auktionsmechanismus
gestattet es, den Preis durch die Nachfrager selbst bestimmen zu lassen (Klein 1997). Im
Privatkundenbereich werden Auktionen weiterhin als (Einkaufs-) Erlebnis empfunden und
bieten so in Form dieses Erlebniswertes einen weiteren Mehrwert für den Kunden.
Der Einsatz von Auktionen stösst aber ebenfalls insbesondere im Privatkundenbereich auf
Hemmschwellen. Zum einen bedingen Auktionen für den Einzelnen einen höheren Aufwand. Zum anderen erfolgt der Erwerb des Produktes erst nach Ablauf der Auktionsdauer.
Dabei ist es weiterhin nicht gewährleistet, dass der Kunde das Produkt auch tatsächlich erhält. Wie erläutert, kann der Aufwand durch den Einsatz von künstlichen Agenten verringert werden, die einfache „Bidding“-Strategien ausführen können. Das Unbehagen bezüglich
des zeitverzögerten und mit Unsicherheit verbundenen Erwerbsprozesses kann durch die
Möglichkeit des Direkterwerbs des interessierenden Produktes zu einem festgelegten Preis
reduziert werden.212
***
Verwandte Patterns: Durch die Teilnahme an einer Auktion haben sich die beteiligten Parteien
bereits dazu verpflichtet, das Produkt an den Sieger der Auktion zu verkaufen resp. das
Produkt nach den bereits im Angebot enthaltenen Konditionen bezüglich Lieferkosten, etc.
212 Beim Einsatz von Auktionen ist weiterhin darauf zu achten, dass es sich hierbei um einen für viele
Anwender neuartigen Service handelt, mit dem sie weniger vertraut sind und der vor allem mit finanziellen Risiken verbunden ist. Daher müssen hier besondere Hilfsprogramme angeboten werden,
die den Erwerb des benötigten Wissens erleichtern. Dem wahrgenommenen Risiko kann durch die in
den Abschnitten E 2.3.2 bis E 2.3.4 dargestellten Patterns zur Risikominderung begegnet werden.
Design Patterns für digitale Produkte
303
zu erwerben. Mit dem Abschluss der Auktion ist der Vertrag zwischen Kunde und Anbieter
de facto besiegelt. Diese werden in der folgenden Subszene der Vertragsfestlegung noch
einmal mehr oder weniger formal fixiert (Checkout-Prozess).
Wie bereits erwähnt, bedarf der Einsatz von Auktionen, der Vermittlung neuen Anwendungswissens. Hier bestehen daher direkte Verbindungen zu den Wissenspatterns. Die mit
diesem Mechanismus verbundenen Unsicherheiten und Risiken leiten zu den Szenen der
Entscheidungsphase über (Entscheidungspatterns), wobei auch hier ein direkter Rückschritt zur
Ausgangsszene zu gewährleisten ist.
E 2.5.5 Checkout
Kontext: s. Verhandlung abstrakt
Dieses Pattern schliesst sich je nach Verhandlungsmechanismus direkt an die erste Szene des
Verhandlungsprozesses an, in der das Bedürfnis des Kunden definiert und auf ein passendes
Produkt abgebildet wurde, oder aber an die darauffolgende Subszene der Aushandlung der
Konditionen. In dieser Szene werden somit die Vereinbarungen festgelegt und um weitere
benötigte Angaben ergänzt.
***
Problem: Nach der Zusammenstellung und Auswahl des gewünschten Produktes und der
Aushandlung der Konditionen müssen diese vertraglich festgelegt werden.
Diese Szene ist für den Kunden mit Risiken insbesondere finanzieller Natur verbunden. Der
Kunde möchte genau festlegen können, welche Ansprüche er erhält und welche Verpflichtungen er eingeht. Weiterhin werden hier private und sensible Daten des Kunden ausgetauscht, die vor dem Missbrauch durch andere geschützt werden müssen. Transparenz und
Klarheit, die Vermeidung von Fehlern und der Schutz der übermittelten Information sind
somit die zentralen Anforderungen an diese Szene.
***
Beispiel: amazon.de stellt dem Kunden verschiedene Möglichkeiten für die Abwicklung des
Bestellvorgangs zur Verfügung: (1) ein „normaler“ Checkout Prozess und (2) das verkürzte
One-Click-Shopping. Letzteres bedarf des Rückgriffs auf vorhandene Benutzerdaten und ist
daher lediglich für bereits registrierte Kunden möglich.
Der normale Checkout-Prozess unterscheidet sich ebenfalls in Abhängigkeit davon, ob er
von einem neuen oder von einem bestehenden Kunden durchgeführt wird. Bei einem neuen
Kunden liegen noch keine Angaben über den Lieferort, die Zahlungsarten, etc. vor, die für
die Abwicklung benötigt werden.
Zu Beginn des Checkout Prozesses wird ein neuer Kunde zunächst nach seiner E-Mail Adresse gefragt, die ihm für spätere Einkäufe oder auch personalisierte Teile des Online Services als Login-Name dient. Durch die Verwendung der E-Mail Adresse wird der Kunde davon entlastet, sich unnötigerweise weitere Zusatzinformationen merken zu müssen. Im Anschluss wird der Kunde gebeten, zunächst die Lieferadresse und danach die Rechnungsadresse anzugeben. Letzteres ist jedoch nur dann nötig, wenn die Rechnungsadresse nicht be-
304
Entwicklung der Patternsprache
reits mit der Lieferadresse übereinstimmt. Der Kunde muss nun ein Passwort auswählen
(und dieses bestätigen). In einem kurzen Kommentar werden ihm an dieser Stelle die mit der
dadurch erfolgenden Eröffnung eines Benutzerkontos verbundenen Vorteile kurz erläutert.213 Im nächsten Schritt wird er gebeten, die Zahlungsart zu definieren und die jeweils
benötigen Angaben zu leisten. Mögliche Bedenken bezüglich der Angabe dieser privaten Informationen werden durch eine kurze Erläuterung der Sicherheitsvorkehrungen bei der
Übertragung der Daten ausgeräumt. Um die Übersichtlichkeit des Bestellvorgangs nicht zu
stören, findet sich auf der Bestellseite jedoch lediglich ein Link auf ausführliche Sicherheitsinformationen. Bei bleibenden Sicherheitsbedenken ist es dem Kunden möglich, die genauen
Zahlungsangaben auch telefonisch nachzureichen. Weiterhin kann sich der Kunde hier bei
Bedarf über die Einzelheiten der Lieferung informieren. Im abschliessenden Schritt werden
die Bestellinformationen noch einmal zusammengestellt und dem Kunden präsentiert. Erst
bei Bestätigung der Order durch den Kunden durch die Aktivierung eines Buttons und der
anschliessenden Bestätigung durch amazon.de via E-Mail wird der damit geschlossene Kaufvertrag gültig.
Alle Eingaben werden, soweit möglich, auf ihre Richtigkeit resp. Plausibilität hin überprüft,
um fehlerhafte Eingaben zu vermeiden. Im Fehlerfall wird der Kunde gezielt auf die fehlenden oder fehlerhafte Eingabe hingewiesen (s. Abbildung E 2-51 linke Seite).
Abbildung E 2-51: Beispiel Checkout-Prozesse bei amazon.de, Zugriff 15.10.2001.
Handelt es sich beim Benutzer um einen bereits bestehenden Kunden, so werden die Angaben soweit wie möglich aus dem bestehenden Konto übernommen und somit der Prozess
verkürzt. Bei mehreren Möglichkeiten, z.B. mehreren Lieferadressen werden dem Kunden
die Alternativen präsentiert. Er muss somit lediglich aus den verschiedenen Möglichkeiten
213 Insbesondere verkürzt sich dadurch der Aufwand bei Folgeeinkäufen.
Design Patterns für digitale Produkte
305
die passende auswählen oder gegebenenfalls die vorhandenen Angaben modifizieren oder
ergänzen.
Bereits registrierte Kunden haben weiterhin die Möglichkeit des One-Click-Shoppings (s.
Abbildung E 2-51 rechte Seite). Dazu legen sie zunächst eine Lieferadresse und eine
Zahlungsart fest, die sie standardmässig für die Bestellung nutzen möchten. Statt des oben
beschriebenen Checkout-Prozesses kann der Kunde direkt nach dem Auffinden eines gewünschten Produktes durch die Aktivierung eines mit „One-Click-Shopping“ bezeichneten
Buttons die Bestellung aktivieren. Um versehentliche Fehlkäufe zu vermeiden, wird die Bestellung erst nach 90 Minuten aktiviert. In der Zwischenzeit hat der Kunde die Möglichkeit,
die Bestellung durch entsprechende Einträge in seinem Benutzerkonto zu stornieren.
Ähnlich ist der Bestellvorgang bei Dell.com. Wir beschränken uns hier auf die Betrachtung
der Web Site für Privatkunden. Nach der Auswahl eines Produktes wird der Kunde auch
hier gebeten, Angaben über seine Anschrift, seine Rechnungs- und Lieferadresse zu leisten.
Er muss die Lieferadresse wiederum nur dann angeben, wenn diese nicht mit der Rechnungsadresse identisch ist. Durch die Auswahl der Option „Bitte um Rückruf“ kann der
Kunde sich dafür entscheiden, die entsprechenden Angaben telefonisch zu leisten. Im Gegensatz zu amazon.de bietet dell.com seinen Kunden somit den Service, nicht selbst anrufen zu
müssen, sondern angerufen zu werden. Darüber hinaus wird dem Kunden auch die Möglichkeit offeriert, den Rechnungsbetrag in Raten zu bezahlen, was bei den im Vergleich zu
Büchern höherpreisigen Elektronikartikeln auch angemessen erscheint. Auch hier findet sich
an dieser für den Kunden, zumindest von seinem subjektiven Empfinden her, sicherheitskritischen Stelle des Bestellprozesses, Informationen über Dells Massnahmen zum Schutz der
Sicherheit.214 Zum Abschluss des Bestellvorganges wird der Kunde gefragt, ob er von
dell.com zukünftig über Neuigkeiten etc. informiert werden möchte oder nicht.215 Den an dieser Stellte schnell aufkommenden Bedenken über den Schutz persönlicher Daten wird durch
einen entsprechenden Kommentar über die Nichtweitergabe der gesammelten Daten an
Dritte begegnet. Die konsolidierten Bestelldaten werden auch hier noch einmal in einer
Übersicht zusammengestellt, die vom Kunden entweder editiert oder einfach bestätigt werden können.
Wie bei amazon.de ist der Bestellprozess sehr stark strukturiert. Dem Kunden werden die
Eingabefelder genau vorgegeben und dabei angezeigt, welche Informationen optional und
welche notwendig sind. Wenn möglich, wird die Eingabe durch die Vorgabe einer Liste der
möglichen Attributbelegungen erleichtert. Die Vollständigkeit und Richtigkeit der Daten
214 Da es sich bei Dell.com um ein amerikanisches Unternehmen handelt, wird der Kunde im nächsten
Schritt dazu aufgefordert, Angaben zu leisten, die für die Überprüfung der Einhaltung der Exportbeschränkungen benötigt werden. Dabei wird dem Kunden an dieser Stelle explizit erklärt,
warum er diese Angaben zu leisten hat.
215 In dieser Szene werden bereits die Grundlagen für die Phase der Kundenbetreuung gelegt.
306
Entwicklung der Patternsprache
wird, wann immer möglich, kontrolliert und der Kunde gegebenenfalls konkret auf die fehlenden oder fehlerhaften Werte hingewiesen.
***
Lösung: Ermögliche dem Kunden einen klaren, einfachen und effizienten Checkout-Prozess.
Berücksichtige dabei insbesondere das Sicherheitsempfinden des Kunden und nutze die
Möglichkeiten, die sich durch die Verwaltung der Kundendaten für die Vereinfachung des
Bestellprozesses ergeben.
Die Ausgestaltung dieser Lösung wird im folgenden wiederum mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben.
O-Design: Beteiligte an diesem Prozess sind der Kunde und das Produkt resp. dessen Anbieter.
Der Kunde ist daran interessiert, möglichst sicher und ohne grossen Aufwand den Bestellprozess abwickeln zu können. Der Anbieter ist dafür verantwortlich, diesen Anforderungen
nachzukommen. Dabei muss er jedoch auch selbst auf seine eigene Sicherheit bedacht sein.
Er benötigt somit alle Angaben, die es ihm gestatten, die Bonität des Kunden zu überprüfen.
Durch das Angebot bestimmter Zusatzleistungen, wie der Finanzierung, dem kostenlosen
Versand oder aber einer freizügigen Rückgabegarantie kann der Kundenwert weiter erhöht
werden. Diese Zusatzwerte sind jedoch bereits im Zuge der Überzeugungsphase resp. der
Entscheidungsphase zu kommunizieren, da sie entscheidend dazu beitragen, den Kunden
überhaupt erst zum Erwerb des Produktes zu motivieren.
I-Design: Der Prozess umfasst die sukzessive Eingabe der von einem Kunden benötigten Informationen. Er ist sehr stark durch den Anbieter reglementiert. Bei der Prozessgestaltung ist
darauf zu achten, dass die Abfolge transparent, verständlich resp. einsichtig und fehlerresistent ist, vom Kunden möglichst wenig Eingaben erfordert und dabei weiterhin seine Sicherheitsbedenken berücksichtigt:
• Die Transparenz erreicht man dadurch, dass dem Kunden – z.B. durch einen
eingeblendeten Navigator – stets verdeutlicht wird, an welcher Stelle des Prozesses er
sich gerade befindet (s. amazon.de), oder man den gesamten Prozess, wenn möglich, auf
eine Seite abbildet (s. dell.com) (s. Pattern Explicit Process in Rossi et al.’s (2000) Patterns
for E-Commerce Applications und What they see is all they get in Perzel und Kanes (1999)
Usability Patterns for Applications on the World Wide Web).
• Das Verständnis des Kunden wird dadurch gefördert, dass der vertraute Bestellvorgang
der Offline-Welt auf die virtuelle Welt abgebildet wird und somit die gleichen Angaben zu leisten sind. Abweichungen von diesem Prozedere müssen in kurzen klaren
Worten erläutert werden.
• Die Sicherheit vor Falscheingaben erreicht man durch die Verwendung sprechender Bezeichner (Name, Adresse, etc.) und, wo möglich, die Bereitstellung von Auswahllisten
(s. Patterns Short Description, Choice from a small set, choice from a large set in Tidwells
(1999) Common Ground). Weiterhin sind die Eingaben vor dem Abschicken der Bestellung soweit wie möglich auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen (s. Pattern Reliability
Check in Tidwells (1999) Common Ground). Schliesslich sollte es dem Kunden stets möglich sein vor dem Abschluss des Checkoutprozesses getätigte Eingaben rückgängig
Design Patterns für digitale Produkte
307
machen zu können. Dies ist sehr einfach durch die Einführung eines Backbuttons
möglich (s. Pattern Easy Undo in Rossi et al.’s (2000) Patterns for E-Commerce
Applications).
• Den Aufwand für die Eingabe der benötigten Angaben reduziert man dadurch, dass bereits getätigte Eingaben soweit wie möglich wiederverwendet werden, so dass z.B. eine
Lieferadresse, die mit einer Rechnungsadresse übereinstimmt, nicht erneut eingegeben
werden muss. Weiterhin sind Angaben, mit dem Einverständnis des Kunden, zu speichern und in Folgebestellprozessen wiederzuverwenden.
• Sicherheitsbedenken kann durch Hinweise auf die umgesetzten Massnahmen zum
Schutz der Datensicherheit begegnet werden. (Hier findet ein Rücksprung zur Entscheidungsphase statt). Weiterhin sollten dem Kunden die Möglichkeit gegeben werden, insbesondere die sensiblen Zahlungsinformationen auch auf anderem Wege, d.h.
beispielsweise telefonisch, leisten zu können.216
Nach der vollständigen Eingabe der benötigten Angaben werden diese dem Kunden noch
einmal in einer Übersicht präsentiert, in der einzelne Angaben durch den Kunden korrigiert
werden können. Der Bestellvorgang endet dann mit der Bestätigung der Angaben durch den
Kunden und einer anschliessenden Bestätigung durch den Produktanbieter zunächst auf der
Web Site und anschliessend via E-Mail.
Dieser ausführliche Prozess ist im Grunde lediglich bei Erstkäufen notwendig. Bei erneuten
Käufen können die Angaben des Kunden genutzt werden, um den Prozess zu vereinfachen.
Die bestehenden Angaben werden dabei direkt in das Formular übernommen.
Wie im Beispiel erläutert, kann der Prozess im Idealfall auf einen Click reduziert werden,
durch den das ausgewählte Produkt nach zuvor festgelegten Konditionen bestellt wird. Um
versehentliche Bestellungen zu vermeiden, muss es dem Kunde möglich sein, eingegangene
Bestellungen innerhalb einer bestimmten Frist durch das Löschen der entsprechenden Einträge in seinem Benutzerkonto zu stornieren.217
Besondere Leistungen, wie eine kostenlose Lieferung, Finanzierungsangebote z.B. in Form
von Ratenzahlungen oder Versicherungsleistungen müssen hier vertraglich festgehalten
werden. Dies geschieht durch eine Erweiterung des obigen einfachen Frage- und Antwortprozederes. Insbesondere die Versicherungsleistungen können dabei auch von einer
Dritten Partei übernommen werden. In diesem Fall ist ein weiterer Vertrag zwischen Kunde,
der Dritten Partei und u. U. dem Anbieter selbst zu schliessen. Dieser Prozess verläuft prinzipiell nach dem gleichen Ablaufschema wie die Aushandlung des Primärvertrages. Dabei
216 Hier ist darauf zu achten, dass die personelle Infrastruktur leistungsfähig genug ist, um die zu er-
wartende Zahl von Telefonbestellungen effizient und ohne lange Wartezeiten für den Kunden
bewerkstelligen zu können.
217 Weiterhin sollte vor Ausführung der Bestellung deren Plausibilität geprüft werden und der Kunde
im Zweifelsfall, z.B. der mehrfachen Bestellung des gleichen Artikels, um einen Bestätigung der
Eingaben gebeten werden.
308
Entwicklung der Patternsprache
sind die bereits bekannten Informationen über die Vertragsobjekte direkt in diesen sekundären Vertragsprozess zu übernehmen.
Durch die nahezu vollständige Abbildung realer Bestellprozesse auf ein neues Medium,
sollten dem Kunden die Abläufe weitestgehend verständlich sein oder durch kurze Anmerkungen erläutert werden können. Unerfahrenen oder unsicheren Kunden sollte dennoch der
Übergang in die Wissensszene, zu einer kurzen Erläuterung der Abläufe, ermöglicht werden.
Logischer Raum: Wie soeben erläutert, baut die Gestaltung dieser Szene sehr stark auf bekanntem Wissen des Kunden über den Ablauf eines Bestellvorgangs in der „realen Welt“
auf, das der Kunde somit einfach in die „Online-Welt“ übertragen kann.
Kanalsystem: Die Schnittstelle zum Kunden wird durch ein einfaches Formular realisiert (s.
Pattern Form in Tidwells (1999) Common Ground). Um der Forderung nach der Überprüfung
der Angaben gerecht zu werden, muss das System über ein internes Modell, z.B. in Form eines Regelsystems, verfügen, gegenüber dem die Eingaben abzugleichen sind. Wiederholte
Angaben werden durch die Einrichtung und Verwaltung einer Benutzerrepräsentation vermieden. Dabei ermöglicht die Speicherung von Cockies auf dem Rechner des Kunden die
Assoziation des Benutzerkontos mit dem aktuellen Online-Kunden. Die Anforderungen an
die sichere Übertragung der privaten Information werden durch die Verschlüsselung der
Daten, zumeist unter Verwendung des SSL-Übertragungsprotokolls, gewährleistet.
Ausblick: Idealerweise würden die Vertragsbedingungen in einem rechtsgültigen elektronischen Vertrag festgehalten. Bei einer geeigneten formalen Darstellung der Vertragsinhalte
kann die Einhaltung der Vertragbedingungen automatisch kontrolliert und sogar durchgesetzt werden. Weiterhin dient dieser Vertrag dann auch als Grundlage für etwaige Streitfälle.
Elektronische Verträge sind bisher jedoch noch Gegenstand der Forschung (vgl. (Runge
2000)).
***
•Leistungsumfang
•Zahlungsbedingungen
•Lieferbedingungen
Abbildung E 2-52: Diagramm Checkout Prozess
***
Rational: Auch in dieser Szene muss der Kundenwert insbesondere bezüglich des Anwendungskontextes erhöht werden. Dieser beruht hauptsächlich auf der Effizienz und Bequemlichkeit des Prozesses, auf der Reduktion finanzieller Risiken sowie etwaiger Risiken bzgl.
des Datenschutzes. Die Effizienz und Bequemlichkeit werden durch die Wiederverwendung
bereits gespeicherter Daten erhöht. Die Verständlichkeit des Prozesses wird durch die Anlehnung an den „traditionellen“ Bestellprozess sowie durch eine klare Gestaltung der
Schnittstelle mit sprechenden Bezeichnern und einer klaren Einordnung in den Prozessverlauf gewährleistet. Das Risiko kann durch entsprechende technische und organisatorische
Massnahmen reduziert werden (d.h. Verschlüsselung oder z.B. Versicherungen). Weiterhin
Design Patterns für digitale Produkte
309
können hier durch ergänzende Leistungen wie kostenlose Lieferung oder die Möglichkeit
zur Ratenzahlung Zusatzwerte geschaffen werden. Diese sind ebenfalls im Vertrag festzulegen.
***
Verwandte Patterns: Diese Szene leitet direkt zur Abwicklungsphase über. Hier bestehen sowohl
zeitliche als auch inhaltliche Abhängigkeiten.218 Weiterhin weist die Szene, wie bei der Lösungsbeschreibung dargestellt, direkte Links zu den Überzeugungs- und vor allem Entscheidungsszenen (zur Kommunikation der Zusatzleistungen und etwaiger Sicherheitsmassnahmen) und gegebenenfalls ebenfalls zu den Wissensszenen (zur Übermittlung notwendigen
Anwendungswissens) auf.
Dieses Pattern subsumiert weitgehend die Inhalte des Patterns Checkout in van Duyne et al.’s
(2000) The Design of Sites.
E 2.5.6 Registration
Diese Szene entspricht von ihrem Ablauf her grösstenteils dem ausführlichen Checkout-Prozess. Bei den Erläuterungen der Problemlösung mit Hilfe der Theatermetapher wird daher
weitestgehend auf die dortigen Ausführungen verwiesen.
Kontext: s. Verhandlung abstrakt
Diese Szene gliedert sich konkret vor die Benutzung eines Online Services ein.
***
Problem: Für die Nutzung eines Online Dienstes ist es hilfreich, die Anwender identifizieren
zu können. Dies ermöglicht es, die Aktionen auf der Plattform einer bestimmten Person zuordnen zu können. Bei kostenpflichtigen Services ist dies sogar die Voraussetzung für die
Zuordnung und Abrechnung der im Zuge der Nutzung entstandenen Kosten. Weiterhin
gestattet die Registration, gezielt Daten über den Kunden sammeln zu können und diese zu
nutzen, um den Service auf die Bedürfnisse des Kunden zuzuschneiden.
***
Beispiel: Das Online-Auktionshaus eBay.com bittet seine Anwender, sich beim Service zu registrieren (s. Abbildung E 2-53).
Diese Registration ist Voraussetzung dafür, sowohl an Auktionen als auch an Diskussionsforen auf der Community-Plattform teilnehmen zu können. Mit der Registration verpflichtet
sich der Kunde zur Akzeptanz der Nutzungsbedingungen des Services. Diese umfassen gewisse Verpflichtungen bezüglich des Verhaltens auf der Web Site, bezeugen die Kenntnisnahme und Akzeptanz der Privacy Policy des Services sowie der möglichen Risiken bei der
Nutzung des Services. Im Zuge der Registration wird weiterhin ein eigener Bereich für den
218 Die vertraglich festgelegten Vereinbarung sind in der Settlementphase durchzusetzen.
310
Entwicklung der Patternsprache
Anwender angelegt, in dem seine persönliche Daten (die im Verlauf der Anwendung immer
wieder benötigt werden), sowie Einstellungen bzgl. der in Anspruch genommenen ServiceLeistungen (z.B. der gewünschten Newsletters) verwaltet werden.
Abbildung E 2-53: Ausschnitt aus dem Registrationsprozess von eBay.com, Zugriff 15.10.2001.
Der Prozess der Registration ist sehr stark formalisiert und durch den Anbieter vorgegeben.
Er beginnt mit der Eingabe von Angaben zur Person, insbesondere der E-Mail-Adresse.
Nach der vollständigen Eingabe der Informationen werden diese noch einmal in einer Übersicht zusammengestellt. In dieser hat der Anwender die Möglichkeit, einzelne Einträge noch
einmal anzupassen. Nach der letztendlich erfolgten Bestätigung werden ihm dann die Nutzungsbedingungen vorgelegt, deren Akzeptanz er per Mausklick bestätigt. An dieser Stelle
wird der Prozess zunächst unterbrochen. Die Initiative für den Folgeschritt liegt dann bei
eBay.com, das durch das Aussenden einer E-Mail, die eingegebenen Daten bestätigt und den
Kunden dazu auffordert, einen Mitgliedsnahmen und ein Passwort auszuwählen. Der Link
auf die entsprechende Webseite mit dem Formular zur Eingabe der benötigten Daten findet
sich in der gesendeten E-Mail. Die Registration endet dann mit der Bestätigung des Passwortes durch den Kunden.
Bei amazon.com findet die Registration, wie im Beispiel des Patterns Checkout beschrieben, im
Zuge des ersten Bestellvorganges statt. Die Information wird hier gezielt dazu genutzt, um
dem Kunden zukünftige Bestellprozesse zu erleichtern, aber auch um die Serviceleistung des
Online Bookstores auf das Kundenprofil zuzuschneiden.
Design Patterns für digitale Produkte
311
***
Lösung: Ermögliche dem Kunden eine klare, einfache und effiziente Registration. Berücksichtige dabei insbesondere das Sicherheitsempfinden des Kunden.
Der Prozess der Registration folgt weitestgehend den Erläuterungen des ausführlichen
Checkout-Prozesses.
Wie im Beispiel deutlich wurde, kann der Login-Name und das Passwort dabei erst nach einer ersten Überprüfung der Eingaben, bei eBay.com im Grunde lediglich der E-Mail-Adresse,
vergeben werden. Die Angaben beziehen sich dabei auf die Person, die Nutzenbestimmungen sowie Einstellungen bezüglich der vom Dienstleister angebotenen Leistungen.
***
Diagramm: s. Checkout
***
Rational: s. Checkout
Digitale Produkte bieten durch ihre Möglichkeit zur Speicherung, Sammlung und Verarbeitung von Daten weitreichende Möglichkeiten zur Unterstützung der Anwender. Der Service
kann auf ihre Vorstellungen und Bedürfnisse zugeschnitten werden und einmal getätigte
Eingaben im wiederholten Bedarfsfall wiederverwendet werden. Voraussetzung dafür ist jedoch die erstmalige Registration des Benutzers und im Zuge dessen die Errichtung einer
Anwenderrepräsentation.
Zum eigenen Schutz und zum Schutz anderer Anwender ist eine eindeutige Zuordnung von
auf der Plattform getätigten Aktionen zu einem bestimmten Nutzer unabdingbar. Auch dies
ist lediglich durch eine vorherige Registration möglich. Die im Zuge der Registration akzeptierten Nutzungsbestimmungen insbesondere bezüglich der Privacy Policy entlasten den
Anbieter vor möglichen späteren Schadensansprüchen. Die Eingabe der persönlichen Informationen gestattet eine zumindest rudimentäre Überprüfung der Identität des Kunden.
Bei der Gestaltung dieser Szene ist es entscheidend, auf die Sicherheitsbedürfnisse des Kunden Rücksicht zu nehmen. Ängste um den Schutz der Daten müssen durch die Kommunikation der entsprechenden Massnahmen ausgeräumt oder zumindest gemildert werden. Das
Verständnis für die Notwendigkeit der Angaben muss durch entsprechende Erläuterungen
der dadurch ermöglichten Erhöhung des Kundennutzens geschaffen werden.
***
Verwandte Patterns: Dieses Pattern leitet direkt zur Anwendungsphase der Kunde-ProduktInteraktion über (Anwendungspatterns resp. Kundenbetreuungspatterns).
E 2.6
Abwicklung
Dieser Abschnitt umfasst die Szene der Abwicklung, d.h. der Vertragserfüllung im Sinne des
Austausches von Leistung gegen Geld. Die Einordnung in den Kontext, die Problemstellung,
allgemeine Gestaltungsrichtlinien sowie die relevanten theoretischen Grundlagen werden
312
Entwicklung der Patternsprache
auch hier zunächst in einem abstrakten Pattern zusammengefasst. Die Ausgestaltung der
konkreten Szenen erfolgt in den davon abgeleiteten Szenepatterns. Abbildung E 2-54 gibt
eine Übersicht über die Patterns dieser Szene sowie der zentralen Abhängigkeiten.
Wissen
Abwicklung
Anwendung
Entscheidung
Transparente
Auslieferung
Treuhanddienst
Versicherung Schiedsgericht
Abbildung E 2-54: Übersicht Abwicklungspatterns
E 2.6.1 Abwicklung abstrakt
Kontext: In der Szene des Vertragsabschlusses wurde ein Produkt, das die geweckten Bedürfnisse des Kunden möglichst optimal befriedigt identifiziert, die Konditionen ausgehandelt und vertraglich festgelegt. In der folgenden Phase der Kunde-Produkt-Interaktion müssen diese Verträge nun eingelöst werden.
***
Problem: Nach dem Vertragsabschluss müssen die ausgehandelten Konditionen in Aktionen
umgesetzt werden. Dabei geht es vorrangig um den Austausch Geld gegen Ware. Mit der
Vertragsabwicklung sind stets Risiken und Kosten verbunden, die sich negativ auf den
Kontextwert dieser Szene auswirken.
***
Beispiel: s. entsprechende Sektionen der konkreten Patterns
***
Lösung: Erhöhe den Kundenwert der Abwicklungsphase durch effiziente, transparente, flexible und sichere Abwicklungsprozesse (Subszene 1) sowie die effiziente und für den Kunden unaufwendige Auflösung etwaiger, im Zuge der Vertragserfüllung auftretender Streitfälle (Subszene 2).
Diese Phase unterteilt sich somit in zwei generelle Subszenen: (1) die Abwicklung des vertraglich festgelegten Leistungsaustausches und (2) die Schlichtung etwaig auftretender
Streitfälle.
Die entsprechenden Szenen werden in den konkreten Patterns definiert.
***
Design Patterns für digitale Produkte
1.
2.
313
3.
4.
5.
•Leistungsumfang
•Zahlungsbedingungen
•Lieferbedingungen
Abbildung E 2-55: Diagramm Abwicklung
***
Rational: Wie soeben erläutert, unterteilt sich diese Szene in zwei Subszenen (1) die eigentliche Abwicklung und (2) die Lösung von Streitfällen, deren Gestaltung auf die Erhöhung des
Kundenwertes ausgerichtet werden müssen.
Die Qualität der eigentlichen Vertragserfüllung (transparente Abwicklung) stellt zum einen
Anforderungen an die Effizienz der zugrundeliegenden Prozesse. Sie kann durch einen hohen Automationsgrad gewährleistet werden. Zudem gestattet es die Abbildung der Prozesse
auf der technischen Plattform dem Kunden, sich ständig über den Status der Vertragsabwicklung zu informieren oder informieren zu lassen und gegebenenfalls sogar ändernd in
den Prozess einzugreifen. Die dadurch geschaffene Transparenz reduziert die Unsicherheit
des Kunden. Dies wirkt sich somit auch positiv auf die Kostenseite des Kundenwertes aus.
Auf der anderen Seite kann jedoch ein höherer Automationsgrad durch die dadurch entstehenden Risiken für den Schutz der übertragenen Daten auch Kosten erzeugen. Diesen Risiken ist durch entsprechende Verschlüsselungsmassnahmen zu begegnen.
Das finanzielle Risiko kann jedoch auch zusätzlich organisatorisch, durch die Einführung einer neutralen Dritten Partei reduziert werden (Online-Treuhänder), die als Zwischenstelle
zwischen den Vertragsparteien fungiert.
Beim tatsächlichen Eintreten von Streit- oder Schadensfällen kann vor allem der Wert des
Kontextes erhöht werden, indem der Aufwand des Kunden bei der Schadensregulierung
möglichst gering gehalten wird.219 Wurde im Zuge des Vertrages eine Versicherung abgeschlossen, so bezieht sich dies auf die effiziente Klärung und Abwicklung des eingetretenen
Versicherungsfalles (Online-Versicherung). Andernfalls müssen die Vertragsparteien dabei
unterstützt werden, ihren Streit möglichst schnell und zur Zufriedenheit beider Parteien zu
lösen (Online-Schiedsgericht).
***
219 Man könnte dies auch als Reduktion des Aufwandes hier auch der Kostenseite des Kundenwertes
zurechnen.
314
Entwicklung der Patternsprache
Verwandte Patterns: Diese Phase geht im Erfolgsfall direkt zur Anwendung des Produktes
resp. in die Phase der Kundenbetreuung über. Führen Streitfälle zur Annullierung des Vertrages so ist das Theaterstück der Kunde-Produkt-Interaktion hier zunächst beendet.
Die im Zuge der Beseitigung von Streitfällen ausgehandelten Vertragsänderungen wirken
sich dagegen auf die darauffolgende Phase der Vertragserfüllung aus, in der diese umgesetzt
werden müssen. Hier besteht somit eine zeitliche Abhängigkeit zwischen den Patterns der
Subszene zwei zur Subszene eins. Weiterhin kann diese Szene durch die Einbeziehung eines
Treuhänders erweitert werden (Online-Treuhänder).
E 2.6.2 Transparente und flexible Abwicklung
Kontext: Diese Szene gliedert sich an die Verhandlung und den Abschluss eines Vertrages an.
Sie umfasst die Erfüllung der vertraglichen Verbindungen, welche die Auslieferung und die
Bezahlung der Leistung und somit die erste Subszene dieser Phase betreffen (s. Abwicklung
abstrakt).220
***
Problem: Zwischen dem Abschluss des Vertrages und der Auslieferung der Ware vergeht
(insbesondere bei massgefertigter Ware) Zeit. Dies kann beim Kunden Unsicherheit über den
Status und die vertragsmässige Abwicklung der Bestellung hervorrufen.
Neue Technologien bieten umfassende Möglichkeiten, den Kontakt mit dem Kunden während der gesamten Abwicklungsphase aufrechtzuerhalten und ihn kontinuierlich oder nach
Bedarf über den aktuellen Status zu informieren. Durch die direkte Integration des Kunden
in den Prozess kann dieser ebenfalls, zumindest in beschränktem Masse, in den Ablauf des
Abwicklungsprozesses eingreifen.
***
Beispiel: amazon.de bietet dem Kunden zwei Möglichkeiten, sich über den Status seiner Bestellung zu informieren resp. den Ablauf des Prozesses noch zu verändern:
• Push-Dienst: amazon.de benachrichtigt den Kunden via E-Mail, sobald das Produkt
ausgeliefert wurde.
• Pull-Dienst: Über sein Benutzerkonto hat der Kunde die Möglichkeit, sich jederzeit
über den Status seiner laufenden Bestellungen zu informieren. Bestellungen, die noch
nicht ausgeliefert wurden, können jederzeit storniert oder modifiziert werden, indem
z.B. die Lieferadresse geändert wird (s. Abbildung E 2-56).
220 Bei einem rein digitalen Produkt beschränkt sich die Auslieferung der Ware auf das einfache
Download der Software.
Design Patterns für digitale Produkte
315
Abbildung E 2-56: Beispiel für die Statusanzeige und einfache Möglichkeiten zu Stornierung von Bestellungen
bei amazon.de, Zugriff 8.10.2001.
Auch dell.com gibt seinen Kunden die Möglichkeit, sich regelmässig über den Status ihrer Bestellungen informieren zu lassen. Auch hier werden die beiden Modi der Push- und der PullKommunikation unterstützt. Um den Besonderheiten massgefertiger Produkte (und deren
Produktion) gerecht zu werden, reflektieren die Statusmeldung im Pull-Mechanismus genau
die Phase der auftragsspezifischen Fertigung in der sich der Auftrag momentan befindet
(Auftragserfassung, Produktionsvorbereitung, Produktion, Versandvorbereitung, Transportweg). Der Kunde hat jedoch nicht die Möglichkeit, Vertragskonditionen online zu ändern.
***
Lösung: Ermögliche eine für den Kunden transparente und effiziente Vertragsabwicklung.
Stelle ihm dazu Möglichkeiten zur Verfügung, sich über den Status zu informieren oder informieren zu lassen und soweit angebracht in den Prozess einzugreifen.
O-Design: Teilnehmer in dieser Szene sind der Kunde und das Produkt resp. dessen Vertreter
in der Rolle des Verwalters der Vertrags- und der Statusinformation. Der Kunde hat das
Recht, sich in dieser Phase über den Status seiner Bestellung zu informieren und im vereinbarten Rahmen noch Änderungen am Vertrag vorzunehmen. Das Produkt ist dazu verpflichtet, die Anfragen wahrheitsgemäss zu beantworten, den Kunden gegebenenfalls in Eigeninitiative zu informieren und die gestatteten Änderungen der Kundenwünsche zu akzeptieren und umzusetzen.
I-Design: Die Kommunikation zwischen Kunde und Produkt findet entweder im Push- oder
im Pullmodus statt. In Abhängigkeit davon gestalten sich die Interaktionsprozesse unterschiedlich.
316
Entwicklung der Patternsprache
Im Pushmodus, benachrichtigt der Anbieter den Kunden über zentrale Ereignisse innerhalb
des Abwicklungsprozesses. In der Regel umfasst dies lediglich den Zeitpunkt der Auslieferung des Produktes.
Im Pullmodus hat der Kunde die Möglichkeit, sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt über den
Status seiner Bestellungen zu informieren. Bei dieser Konstellation ist insbesondere die Einbindung des Prozesses in den Anwendungskontext dieser Szene entscheidend. So muss es
dem Kunden mit wenigen offensichtlichen Schritten möglich sein, eine Einsicht in die Statusinformation zu erhalten und gegebenenfalls Änderungen der Vertragsbedingungen vorzunehmen. Um ein schnelles Auffinden der entsprechenden Sektion zu erreichen, wird die
Statusinformation entweder in die persönliche Sektion des Kunden (sein Konto) oder aber in
die allgemeine Supportsektion integriert. Diese Sektionen sind direkt von der Startseite des
Services zu erreichen. Nach der Identifizierung kann er sich dort über den Status seiner Bestellung informieren und je nach Fortschritt im Orderprozess die Vertragsbedingungen noch
verändern. Hier muss dafür gesorgt werden, dass nur sinnvolle und vertraglich gestattete
Änderungen vorgenommen werden können.
Bei diesem Prozess handelt es sich somit um eine sehr einfache Abfolge, die vom Kunden in
der Regel nicht den Aufbau neuen Wissens abverlangt. Zentral ist lediglich, dass dem Kunden klar kommuniziert wird, welche Änderungen er vornehmen kann und was die Statusmeldungen bedeuten. Auch hier kann also ein Übergang zur Wissensszene in allerdings inhaltlich sehr beschränktem Ausmass sinnvoll sein.
L-Design: Wie bereits erwähnt, muss insbesondere bei der Einordnung des Pull-Dienstes in
den Gesamtauftritt des Produktes der logische Raum des Kunden berücksichtigt werden.
Entsprechend dem zu erwartenden Ordnungsschema des Kunden ist die Sektion daher entweder in den persönlichen Bereich des Kunden oder in den Supportbereich einzugliedern.
Der Interaktionsprozess selbst ist relativ einfach und durch ein entsprechendes, gut lesbares
K-Design einfach nachzuvollziehen und bedarf daher nicht des Aufbaus neuen Wissens.
K-Design: Voraussetzung für die Realisierung des Dienstes ist die Verwaltung und kontinuierliche Aktivierung der Vertragsinformationen und des aktuellen Bestellstatus. Die Realisierung des Push-Mechanismus beruht auf der Verwendung eines einfachen E-Maildienstes,
der durch die Änderung des Status getriggert wird. Der Pull-Mechanismus gestattet den
Zugriff auf die Statusinformationen sowie u. U. die Änderung der Vertragsdaten. Durch
eine Abbildung der vertraglichen Regeln ist hier zu gewährleisten, dass Änderungen lediglich im gestatteten Umfang zugelassen werden.
Idealerweise werden die Statusmeldungen aus den jeweiligen Produktions- und Liefersystemen abgeleitet. Dies erfordert die Integration und Konsolidierung der entsprechenden
IKT-Infrastruktur.221
221 Dies kann insbesondere dann mit Aufwand verbunden sein, wenn am Abwicklungsprozess ver-
schiedene unabhängige Parteien beteiligt sind. Etablierte Standards erleichtern jedoch die technische Integration der Systeme.
Design Patterns für digitale Produkte
317
***
1.
2.
3.
4.
5.
•Leistungsumfang
•Zahlungsbedingungen
•Lieferbedingungen
Abbildung E 2-57: Diagramm Transparente und effiziente Abwicklung222
***
Rational: Die Gestaltung dieser Szene steigert den Wert des Produktkontextes durch die
Ausnutzung der Möglichkeiten der IKT, den Prozess(verlauf) abbilden, automatisch verfolgen und gegebenenfalls ändern zu können (s. Abschnitt C 1.3.1). Dadurch kann der Kunde
sich jederzeit über den Status seines Auftrages informieren und gegebenenfalls sogar steuernd in den Prozessverlauf eingreifen. Die Protokollierung des Prozessverlaufes ermöglicht
weiterhin die automatische Benachrichtigung des Kunden über zentrale Ereignisse innerhalb
des Prozessverlaufs. Insgesamt steigt daher die Transparenz, die Flexibilität und auch die
Bequemlichkeit des Abwicklungsprozesses und somit die Qualität dieser Szene, während die
Unsicherheit und somit die Kosten des Kunden sinken.
***
Verwandte Patterns: Diese Szene endet mit dem Erhalt des Produktes. Sie geht daher direkt in
die Anwendungsphase resp. in die Nachbetreuung des Kunden über (Anwendungspatterns,
Kundenbetreuungspatterns). Weiterhin bestehen hier für die Vermittlung des benötigten Wissens, wenn auch nur in beschränktem Masse, Verbindungen zu den Wissenspatterns.
Zur weiteren Absicherung der Szene kann ein Treuhänder in den Prozess des Austausches
Ware gegen Geld integriert werden (Online-Treuhänder).
E 2.6.3 Treuhanddienst
Kontext: s. Pattern Transparente und effiziente Abwicklung
***
Problem: Insbesondere bei unbekannten Parteien, ist die Abwicklungsphase, d.h. der Tausch
Geld gegen Ware, mit finanziellen Risiken verbunden. Der Kunde muss befürchten, dass er
222 Der Kunde kann sich jederzeit über den Status der Bestellung informieren und gegebenefalls auf
die Verragsbedingungen Einfluss nehmen.
318
Entwicklung der Patternsprache
seine Ware nicht erhält oder der Zustand der erhaltenen Ware nicht den Vereinbarungen
entspricht, der Lieferant, dass er den vereinbarten Kaufbetrag nicht erhält.
***
Beispiel: eBay.com, in dieser Szene wiederum als Transaktionsplattform betrachtet, vermittelt
seinen Kunden die Nutzung der Dienste eines Online-Treuhänders, tradenable.com. Dieser
fungiert als vertrauenswürdiger Dritter. Er nimmt den Rechnungsbetrag eines Kunden entgegen und leitet diesen jedoch erst dann an den Anbieter weiter, wenn die Ware gemäss den
Vertragsbedingungen ausgeliefert wurde.
Bei tradenable.com kann sowohl der Käufer als auch der Verkäufer den Leistungsaustausch
starten. Beide Parteien müssen sich dazu zunächst beim Service registrieren. Zu Beginn der
Transaktion loggt sich dann eine der Parteien auf der Service Site ein und gelangt nach Aktivierung eines Buttons mit dem bezeichnenden Namen „Start new transaction“ zu einem Online-Formular, in dem er um die Spezifikation der Vertragskonditionen gebeten wird. Nach
der Bestätigung der eingegebenen Information durch den „Antragsteller“ wird automatisch
eine Benachrichtigung an den Vertragspartner via E-Mail versandt. Dieser muss nun ebenfalls auf seinem Benutzerkonto, der sogenannten „QuickTrack“ Transaktionsliste, die Angaben bestätigten. Daraufhin wird der Kunde benachrichtigt und dazu aufgefordert, den Rechnungsbetrag an den Treuhänder zu übermitteln. Nach dem Eintreffen des Geldes wird der
Anbieter dazu aufgefordert, die Ware an den Kunden zu liefern. Er ist dabei dazu verpflichtet, einen Dienst zu verwenden, der die Verfolgung der Ware gestattet. Die zugehörige
„Tracing-Nummer“ ist an tradenable.com zu übermitteln. Nach dem Eintreffen der Ware bestätigt der Kunde ebenfalls auf der Web Site des Treuhänders den Erhalt der vereinbarten
Ware. Der Treuhänder übermittelt dann den Rechnungsbetrag an den Anbieter. Ist der
Kunde mit der erhaltenen Ware nicht zufrieden, so teilt er dies ebenfalls dem Treuhänder
mit. Bei der Angabe der Gründe wird er durch ein Online-Formular unterstützt. Der Kunde
sendet anschliessend das Produkt an den Anbieter zurück. Dieser inspiziert die Ware. Nach
der Bestätigung des Rückerhalts der Ware in unverändertem Zustand wird der Rechnungsbetrag (nach Abzug der entstandenen Kosten) an den Kunden zurückversandt.
EBay.com integriert diesen Prozess direkt in den Abwicklungsprozess seiner Auktionsplattform (s. Abbildung E 2-58). Wenn der Anbieter eines Produktes dazu bereit ist, einen
Treuhänder in den Abwicklungsprozess einzugliedern, kann der Kunde direkt nach dem
Abschluss der Transaktion den Treuhänderprozess starten. Er wird über einen Link auf eine
Login-Seite geleitet, auf der er sich mittels seiner eBay-ID und seinem Passwort anmelden
kann. Dem Kunden werden dann automatisch die Vertragsinformationen zur Durchsicht
vorlegt. Hier entfällt somit der Schritt der expliziten Eingabe der vereinbarten Vertragskonditionen. Sie können direkt aus der Verhandlungsphase übernommen werden. Nach der
Bestätigung oder Anpassung der Daten werden diese dann direkt an tradenable.com weitergeleitet. Besitzen die Kontrahenten noch kein Konto beim Treuhänder, so werden sie dazu
aufgefordert, dieses zunächst anzulegen. Der weitere Prozess folgt dem zuvor beschriebenen
Ablaufschema.
Design Patterns für digitale Produkte
319
Abbildung E 2-58: Beispiel Integration eines Treuhandservices bei eBay.com, Zugriff 20.10.2001.
***
Lösung: Biete dem Kunden einen effizienten und sicheren Treuhandservice, der als Zwischenstelle zwischen den Kunden und den Anbieter tritt und die ordnungsgemässe Vertragsabwicklung kontrolliert und gewährleistet.
Der Prozess wurde bereits sehr ausführlich bei der Darstellung des Beispiels dargelegt. Die
wesentlichen Gestaltungsparameter werden im folgenden mit der Theatermetapher beschrieben. Gegebenfalls wird an die bereits geleisteten Ausführungen verwiesen.
O-Design: Beteiligte an dieser Szene sind der Kunde, der Anbieter und der Treuhänder. Der
Kunde hat die Pflicht, den Rechnungsbetrag an den Treuhänder zu überweisen und den Erhalt der Ware zu bestätigen. Nach geleisteter Bezahlung hat er das Recht, die Ware zu den
vertraglich festgelegten Konditionen zugesandt zu bekommen. Der Anbieter hat die komplementären Pflichten und Rechte der Auslieferung der Ware und des Erhalts des Geldes
resp. der Rücknahme des unveränderten Produktes bei Unzufriedenheit des Kunden. Der
Treuhänder übernimmt die Verwaltung des Geldes und je nach Verlauf der Transaktion dessen Weiterleitung an den Kunden oder an den Anbieter.
I-Design: Der Ablauf des Prozesses wurde bereits im Beispiel ausführlich beschrieben. Bei
diesem Prozess handelt es sich um einen sehr formalen und in seinen Abläufen fest vorgegebenen Prozess, der somit sehr gut auf einer elektronischen Plattform abgebildet und durch
diese kontrolliert und gesteuert werden kann: So werden die beteiligten Parteien jeweils automatisch benachrichtigt und durch die Angabe der benötigten Informationen hindurchgeführt. Diese Szene schliesst sich an die Verhandlungsphase an, aus der alle Vertragsinformationen vorliegen. Dem Kunden ist somit die Arbeit zu erleichtern, in dem die bereits aufgenommenen Daten soweit wie möglich direkt übernommen werden und er diese lediglich
bestätigen muss.
320
Entwicklung der Patternsprache
Beim Treuhänder handelt es sich um einen weiteren Dienstleister, der dem Kunden in der
Regel unbekannt ist. Der Kunde muss daher dabei unterstützt werden, diesen Service kennenzulernen und eine Einstellung auszubilden. Hier besteht somit eine Verbindung zu den
entsprechenden Szenen der Überzeugungs- und v. a. der Entscheidungsphase.
Durch den Prozess selbst wird der Kunde weitestgehend durchgeführt. Die Verständlichkeit
des Services kann daher durch eine geeignete Schnittstellenbeschreibung gewährleistet werden (s. K-Design). Aufgrund des insbesondere für Endkunden hohen Neuigkeitsgrades dieses Prozesses erscheint eine kurze Erklärung der Abläufe dennoch als sinnvoll. In diese
Szene gliedert sich somit ebenfalls eine Szene der Wissensvermittlung ein (idealerweise in
Form einer Online-Demo), in der den beteiligten Parteien, bei Bedarf, die Abläufe erläutert
werden.
L-Design: Der Abwicklungsprozess unter Einbezug eines Treuhänders kann für den Kunden
neu sein. Er ist jedoch nicht sonderlich komplex. Durch eine kurze erklärende Darstellung
des Prozesses, kann das benötigte Wissen über die Abläufe schnell aufgebaut werden. Aufgrund des hohen Formalisierungsgrades der Szene kann der Kunde durch den Prozess und
insbesondere durch das Ausfüllen der Formulare hindurchgeführt werden. Die verwendeten
Begrifflichkeiten müssen auch hier mit dem zu erwartenden logischen Raum des Kunden
übereinstimmen und insbesondere im Endkundenbereich von juristischer Fachtermini abstrahieren.
K-Design: Die relativ formalen Prozesse können weitestgehend direkt auf der Plattform abgebildet und von dieser durchgesetzt werden. Die Interaktionsprozesse mit dem Kunden
umfassen vorrangig das Ausfüllen von Formularen. Durch sprechende Bezeichner kann hier
die Eingabe erleichtert und durch die Vorgabe und die Überprüfung von Attributwerten die
möglichen Fehlerquellen reduziert werden (s. Patterns Form, Short Description, Choice form a
Small Set, Choice from a Large Set, Forgiving Text Entry, Good Defaults in Tidwells (1999)
Common Ground).
Weiterhin stellt diese Szene besondere Anforderungen an die Sicherheit der Datenübertragung. Diese wird wiederum durch die Verwendung von Verschlüsselungsverfahren, in der
Regel des SSL-Protokolls, gewährleistet. Über unverschlüsselte E-Mails dürfen somit lediglich Benachrichtigungen, nicht jedoch sicherheitskritische Informationen, selbst verschickt
werden. Diese sind stattdessen von den jeweiligen Parteien über die Web Site des Treuhänders in der jeweiligen Passwort-geschützten Kundensektion direkt abzuholen resp. einzugeben.
Ist der Treuhandservice in einen anderen Dienst eingebunden223, so sind die entsprechenden
bereits aufgenommenen Vertragsdaten ebenfalls über gesicherte Datenleistungen direkt an
den Treuhänder weiterzuleiten. Für eine einfache Integration in die Systeme des Treuhän-
223 Wie z.B. in einen Marktplatz, einen Online Shop oder ein Online-Auktionshaus.
Design Patterns für digitale Produkte
321
ders ist ein Abgleich der Datenformate, idealerweise auf der Basis etablierter Standards, erforderlich
***
Rational: Der Einsatz eines Treuhänders schützt sowohl den Kunden als auch den Anbieter
vor finanziellen Verlusten. Dieser Dienst verursacht jedoch auch einen zusätzlichen Aufwand sowie weitere Kosten. Er eignet sich daher vor allem bei höherpreisigen Produkten.
Der Aufwand kann insbesondere durch den Einsatz von Informationstechnologie und der
dadurch ermöglichten Automatisierung der Abläufe reduziert werden. Vor allem die Integration dieser Szene mit der Verhandlungsszene mit der automatischen Übernahme der Vertragsinformation erhöht die Qualität dieser Szene und trägt zur weiteren Steigerung des
Kundenwerts dieser Szene bei.
***
Lieferung (3)
Bestätigung (2)
Geld (1)
Geld (6)
Bestätigung (5)
Benachrichtigung (4)
Treuhänder
Abbildung E 2-59: Diagramm Treuhänder
***
Verwandte Patterns: Diese Szene endet im positiven Fall mit der Auslieferung der Ware. Sie
geht somit direkt in die Anwendungsphase resp. die Phase der Kundenbetreuung über. Wie in
der Lösungsbeschreibung erläutert, fordert diese Szene gegebenenfalls den Aufbau neuen
Wissens beim Kunden sowie die Ausbildung einer positiven Einstellung sowie von Vertrauen bezüglich des Treuhänders. In diese Szene sind somit Übergänge zu den Szene-Patterns der Wissensphase, der Überzeugungsphase und v.a. der Entscheidungsphase zu integrieren.
Allerdings beziehen sich diese Szenen nicht auf das Produkt resp. dessen Anbieter, sondern
auf den Treuhänder selbst, im Rahmen eines sekundären Theaterstücks.
E 2.6.4 Online-Versicherung
Kontext: Die Szene betrachtet die Zeit nach dem Erwerb des Produktes. Sie gliedert sich somit
in die zweite Szene der Abwicklungsphase ein (s. Abwicklung abstrakt). Im Zuge des Vertragsabschlusses hat der Kunde eine Versicherung abgeschlossen oder allgemein das Recht
zugesprochen bekommen, seine bereits erbrachten finanziellen Leistungen zurückzuerhalten, wenn bestimmte Vertragsbedingungen nicht eingehalten wurden.
***
322
Entwicklung der Patternsprache
Problem: Der Kunde befindet sich nach Vertragsabschluss in der Situation, dass bestimmte
Vertragsbedingungen nicht eingehalten wurden. Um seinen finanziellen Schaden zu minimieren, hat der Kunde eine Online-Versicherung abgeschlossen. Er ist nun daran interessiert,
die bereits entstandenen Kosten so schnell und einfach wie möglich wieder auszugleichen.
***
Beispiel: Wie bereits in den Entscheidungspatterns erläutert wurde, können die Versicherungsleistungen sowie die Abwicklung des Rückerstattungsprozesses vom Anbieter selbst
oder von einer dritten Partei übernommen werden.
eBay.com versichert seine Anwender vor finanziellen Verlusten, die als Folge eines Betrugsfalles entstehen. Um einen Betrugsfall handelt es sich dabei genau dann, wenn ein Käufer ein
Produkt bezahlt hat und er dieses nicht erhält oder wenn der Käufer ein Produkt erhält, das
nicht der Produktbeschreibung entspricht.
Bei Eintreten eines Betrugsfalls kann sich der Kunde direkt an eBay.com wenden. In der Hilfesektion steht ihm dazu ein Online-Formular zur Verfügung, das ihn sukzessive durch den
Prozess der Spezifikation des Betrugsfalls hindurchführt (s. Abbildung E 2-60). eBay.com tritt
dann selbsttätig in Kontakt mit dem Anbieter der Ware und untersucht den Betrugsfall. Ist
die Anzeige gerechtfertigt, so entschädigt eBay.com den Kunden um den entstandenen Kaufbetrag (bis zu einem bestimmten Höchstbetrag). Die Kommunikation zwischen den Beteiligten innerhalb der Untersuchung findet dabei primär auf E-Mail-Basis statt.
Abbildung E 2-60: Beispiel Versicherung von eBay.com gegen Betrugsfälle, Zugriff 20.10.2001.
Vor Initiierung des Betrugsverfahrens weist eBay.com den Kunden mehrfach auf alternative
und zumeist auch schnellere Möglichkeiten zur Begleichung von Streitfällen zwischen Kunden und Anbietern hin. Diese reichen von einem einfachen direkten Ausdiskutieren des
Design Patterns für digitale Produkte
323
Streitfalles zwischen den beiden Parteien bis zur kostenlosen Nutzung eines Online-Schiedsgerichtes (s. Online-Schiedsgericht).
Viele Anbieter und insbesondere Shop-Betreiber nutzen die Versicherungsdienstleistungen
von Dritten Parteien, wie dem „Trusted Shop“.
Abbildung E 2-61: Beispiel eines Online-Versicherungsanbieters, Zugriff 20.10.2001.
Er stellt zum einen ein Gütesiegel aus, das die Qualität von Online-Anbietern bezüglich deren Daten- und Liefersicherheit bezeugt. Weiterhin übernimmt er jedoch auch die Abwicklung von Versicherungsleistungen, d.h. hier die Durchsetzung einer Geld-Zurück-Garantie.
Abgedeckt sind die finanziellen Verluste bei Nichteintreffen einer Ware, bei der Rücklieferung eines Produktes, das nicht den eigenen Anforderungen entspricht und bei Kreditkartenmissbrauch (s. Abbildung E 2-61). Tritt ein Versicherungsfall ein, so wendet sich der
Kunde an diese dritte Partei. Den Einstieg findet er direkt auf der Homepage in der Verbraucher-Sektion. Dort meldet er sich mit seinem im Zuge des Abschlusses der Versicherung
vergebenen Login-Namen und seinem Passwort beim Service an und erhält dann einen
Überblick über seine bestehenden Garantieleistungen, aus denen er die betroffene Leistung
auswählen kann. Durch das Ausfüllen eines Online-Formulars spezifiziert er den Versicherungsfall und beauftragt den Versicherungsdienstleister mit der Prüfung des Schadensfalls.
Die Rechtmässigkeit des Anliegens wird untersucht und der entstandene finanzielle Verlust
gegebenenfalls beglichen.
***
Lösung: Ermögliche dem Kunden bei Eintreten eines versicherten Schadensfalles dessen
schnelle und effiziente Überprüfung und Abwicklung.
O-Design: Die primären Akteure dieser Szene sind der Kunde und der Versicherungsdienstleister. Der Kunde ist daran interessiert, seinen Schadensfall ohne grossen Aufwand
324
Entwicklung der Patternsprache
abwickeln zu können. Die Pflicht des Versicherungsdienstleisters ist es, diesen Forderungen
nachzukommen und die Interessen seines Mandanten bestmöglich zu vertreten.
I-Design: Der Prozess der Versicherungsabwicklung beginnt mit dem Anmelden auf der Site
des Versicherungsdienstleisters oder des Online Services. Durch eine geeignete Positionierung der Schadensregulierung in der Kundensektion oder einer besonders gekennzeichneten
Sektion wird der Kunde direkt auf der Homepage zur entsprechenden Servicesektion geleitet. Nach dem Einloggen bestimmt er den Versicherungsfall. Um ihm die Auswahl zu erleichtern, ist ihm eine Liste aller versicherten Leistungen vorzulegen, aus der er den betroffenen Vertrag auswählen kann. Mit Hilfe eines Online-Formulars wird er dann durch die
Spezifikation seines Versicherungsfalles hindurchgeführt.
In diesem Formular muss deutlich und verständlich dargelegt werden, welche Angaben benötigt werden. Bereits bekannte Daten (aus der Vertragsvereinbarung) sind direkt in den
Antrag zu übernehmen.224 Nach Abschluss der Eingaben kümmert sich der Versicherungsdienstleister selbständig um die Klärung des Falles. Bei Rückfragen tritt er mit dem Kunden
– via E-Mail – in Kontakt. Der Prozess endet bei Eintritt des Versicherungsfalles mit dem
Geldtransfer zum Kunden, im Ablehnungsfall mit einer Begründung, warum der Schadensfall nicht gedeckt ist.
L-Design: Der Kunde wird weitestgehend durch den Prozess der Angabe des Schadensfalles
hindurchgeführt. Die zu leistenden Einträge sind dabei am zu erwartenden Wissensstand
des Kunden auszurichten und sollten somit kein Spezialwissen im Versicherungsbereich erfordern. Mögliche Unklarheiten sind durch kurze – optionale – Hilfetexte zu erläutern (s.
Pattern Short Desciption in Tidwells (1999) Common Ground).
Bei dieser Szene ist es weiterhin bereits im Vorfeld wichtig, dem Kunden die Garantieleistungen so darzulegen, dass er versteht, welche Fälle durch die Versicherung gedeckt sind
und welche nicht. Dies geschieht jedoch bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
K-Design: Die Kommunikation zwischen Kunde und Versicherungsdienstleister beruht weitestgehend auf Online-Formularen oder E-Mail Kommunikation. Die Anforderungen an die
Verständlichkeit wurden bereits im L-Design erläutert. Durch sprechende Bezeichner, Plausibilitätsüberprüfungen, Auswahllisten möglicher Einträge und die Ableitung abhängiger
Variabelenbelegungen ist dem Kunden eine möglichst fehlerfreie Eingabe zu erleichtern (s.
Patterns Form, Short Description, Choice form a Small Set, Choice from a Large Set, Forgiving Text
Entry, Good Defaults in Tidwells (1999) Common Ground).
Um, wie gefordert, Informationen aus den bereits vorliegenden Vertragsdaten übernehmen
zu können, muss eine technische Verbindung zu den entsprechenden Systemen der Vertragsverwaltung etabliert werden. Weiterhin handelt es sich bei den im Zuge dieser Szene
übermittelten Daten um vertrauliche Informationen. Die Übertragung muss daher durch den
224 Dies umfasst u.a. die Angaben über das Produkt, den Anbieter und den Empfänger.
Design Patterns für digitale Produkte
325
Einsatz von Verschlüsselungsmassnahmen, in der Regel der Nutzung des SSL-Protokolls,
gesichert werden.
***
Kunde
•Leistungsumfang
•Zahlungsbedingungen
•Lieferbedingungen
?
Vermittler
•Leistungsumfang
•Zahlungsbedingungen
•Lieferbedingungen
Abbildung E 2-62: Diagramm Online-Versicherung
Rational: Der Schutz vor finanziellen Verlusten ist Voraussetzung für eine auch langfristige
Nutzung des Services. Eine Möglichkeit zu dessen Gewährleistung bieten Online-Versicherungen. Der Kundenwert dieser Zusatzleistung wird erhöht, indem die Abwicklung eines
eintretenden Versicherungsfalls möglichst effizient und ohne grossen persönlichen Aufwand
des Kunden abläuft. Weiterhin wirken sich insbesondere die Möglichkeit der Automation
der Abläufe sowie der Übernahme vorhandener Daten aus der Verhandlungsphase positiv
auf die Bequemlichkeit und die Effizienz dieser Szene aus.
***
Verwandte Patterns: Dieses Pattern bildet den Abschluss einer Transaktion. Es gibt daher
keine sich direkt daran anschliessenden Folgeszenen. Allerdings bestehen starke inhaltliche
Abhängigkeiten zu der vorgelagerten Entscheidungsphase sowie der Verhandlungsphase, in
denen die Versicherungsleistungen kommuniziert werden resp. die Versicherung abgeschlossen wird.
E 2.6.5 Online-Schiedsgericht
Kontext: Die Szene betrachtet die Zeit nach dem Erwerb des Produktes. Auch sie gliedert sich
somit in die zweite Szene der Abwicklungsphase ein (s. Abwicklung abstrakt).
***
Problem: Der Kunde befindet sich nach Vertragsabschluss in der Situation, dass bestimmte
Vertragsbedingungen nicht eingehalten wurden: d.h. (1) das Produkt nicht geliefert wurde,
(2) das Produkt nicht der Beschreibung durch den Anbieter entspricht, etc.. Eine Versicherung wurde jedoch nicht abgeschlossen.
326
Entwicklung der Patternsprache
***
Beispiel: Um seinen Kunden, sowohl den Käufern als auch den Verkäufern, eine Möglichkeit
zu geben, ihre Streitfälle schlichten zu können, kooperiert eBay.com mit einem OnlineSchiedsgericht, squaretrade.com.
Abbildung E 2-63: Beispiel eines Online-Schiedsgerichtes integriert in eBay.com, Zugriff 15.10.2001.
Dieser Service ermöglicht es gegnerischen Parteien, in einer gesicherten Umgebung ihren
Streitfall zu diskutieren und im Idealfall zu einer Einigung zu gelangen. Der Prozess beginnt
damit, dass eine der Parteien das Schiedsgericht anruft und zunächst den Streitfall aus ihrer
Sicht darstellt. Dabei wird er mit Hilfe eines Online-Formulars bei der klaren Darlegung der
Sachverhalte unterstützt (s. Abbildung E 2-63). Squaretrade.com tritt dann via einer automatisch generierten E-Mail in Kontakt mit der gegnerischen Partei und fordert diese dazu auf,
zu diesem Fall Stellung zu nehmen. Auch er wird durch den Prozess der Darstellung seiner
Sicht auf den Streitfall mit Hilfe der Instruktionen eines Online-Formulars hindurchgeführt.
Beiden Kontrahenten steht dann ein passwortgeschützter Bereich zur Verfügung, in dem die
Darstellung und der Gegendarstellung präsentiert werden und die beiden Parteien online
ihre Standpunkte ausdiskutieren können. Gelingt es ihnen nicht, sich gütlich zu einigen, so
können sie die Unterstützung eines Schlichters anfordern. Er versucht, zwischen den beiden
Parteien zu vermitteln und zu einer Übereinkunft zu gelangen. squaretrade.com berichtet,
dass diese Vermittlung in 80% der Fälle zu einem für beide Seiten befriedigenden Ergebnis
gelangt.
Bei diesem Schiedsgericht handelt es sich jedoch nicht um eine rechtliche Institution. Der
Vermittler unterstützt lediglich die Einigung, kann jedoch keine rechtsgültigen Urteile sprechen. Im Business-to-Business Bereich ist es dagegen bereits heute in der Offline-Welt üblich,
bei Vertragsabschluss ein Schiedsgericht festzulegen, dessen Urteil im Streitfall von beiden
Parteien akzeptiert wird.
***
Design Patterns für digitale Produkte
327
Lösung: Ermögliche es den Streitparteien in einer privaten, anderen unzugänglichen Umgebung, ihre gegenseitigen Positionen darstellen und ausdiskutieren zu können. Stelle ihnen
weiterhin die Dienste einer neutralen Partei, d.h. eines Schlichters, zur Verfügung, der zwischen den beiden Parteien vermittelt und so die Konsensbildung beschleunigen kann.
Auch diese Szene wird mit ihren wesentlichen Anforderungen an die Gestaltung im folgenden mit Hilfe der Theatermetapher spezifiziert.
O-Design: Beteiligte an dieser Szene sind die beiden gegnerischen Parteien sowie gegebenenfalls ein Schlichter. Die beiden Parteien haben das Interesse, ihre Position zu verteidigen und
mit einem möglichst geringen Aufwand ihren Streitfall zu klären. Ein eingeschalteter
Schlichter hat die Aufgabe, schnell eine für beide Parteien akzeptable Einigung herbeizuführen.
I-Design: Die Initiierung des Schlichtungsprozesses verläuft relativ formal und kann somit
weitestgehend auf der Plattform abgebildet werden. Die eigentliche Aushandlung wird dann
durch die Beteiligten selbst gesteuert und unterliegt keinen festgelegten Regeln. Beim Einbezug eines Schlichters übernimmt dieser die gezielte Steuerung des Prozesses, um möglichst
schnell den angestrebten Zielzustand in Form eines beidseitigen Einverständnisses zu erreichen.
Der Prozess beginnt mit der Darstellung des Streitfalles aus Sicht des „Klägers“. Um den
Kunden bei einer vollständigen und klaren Darlegung seines Standpunktes zu unterstützen,
ist der Kunde aktiv durch einen relativ stark formalisierten Prozess hindurchzuführen. Im
nächsten Schritt wird die gegnerische Partei zur Stellungnahme aufgerufen. Auch sie wird
mit Hilfe eines Formulars durch diesen Prozess hindurchgeführt. Auf der Grundlage der
Darlegung der beiden Positionen können die beiden Parteien ihren Disput austragen. Dieser
Prozess der Aushandlung wird lediglich durch das von beiden Seiten verfolgte Ziel in Form
einer Einigung sowie durch allgemeine sozial etablierte Gesprächskonventionen gesteuert.
Um diesen Prozess zu beschleunigen und festgefahrene Situationen aufzulösen, ist die Einbeziehung eines Schlichters häufig sinnvoll oder sogar unerlässlich. Dieser übernimmt dann
auch die zielgerichtete Steuerung des Schlichtungsprozesses. Nach einer erfolgten Einigung
kann das Ergebnis schriftlich festgehalten und von beiden Parteien bestätigt werden.
Idealerweise bildet ein elektronischer Vertrag die Grundlage für den Schlichtungsprozess,
der dann als Ergebnis um einen weiteren Passus ergänzt wird. Derartige Konzepte sind zwar
in der Forschung angedacht, allerdings findet sich noch keine konkrete Umsetzung (s.
(Runge 2000)).
L-Design: Insbesondere die ersten Schritte des Prozesses sind durch einen hohen Formalisierungs- und Automatisierungsgrad gekennzeichnet. Die zu leistenden Angaben müssen daher für den Kunden verständlich und nachvollziehbar sein. Von der extensiven Verwendung
juristischer Fachterminologie ist insbesondere im Endkundenbereich abzusehen. Die eigentliche Verhandlung fordert lediglich die Kenntnis der verwendeten Kommunikationsmittel,
die jedoch weitestgehend vorausgesetzt werden kann, sowie ein gemeinsames Verständnis
der gängigen Gesprächskonventionen. Bei Einbezug eines Schlichters übernimmt dieser die
328
Entwicklung der Patternsprache
Gesprächsführung. Er bestimmt – im Einverständnis mit den beiden Streitparteien – die Regeln und kann Missverständnissen direkt im Gespräch begegnen.
K-Design: Der erste Teil des Prozesses, die Darstellung der Sachverhalte aus den verschiedenen Blickwinkeln, ist sehr stark formalisiert und kann somit direkt auf der Plattform abgebildet werden. Durch sprechende Bezeichner, Plausibilitätsüberprüfungen, Auswahllisten
möglicher Einträge und die Ableitung abhängiger Variablenbelegungen ist dem Kunden die
möglichst fehlerfreie Eingabe zu erleichtern (s. Patterns Form, Short Description, Choice form a
Small Set, Choice from a Large Set, Forgiving Text Entry, Good Defaults in Tidwells (1999)
Common Ground).
Die eigentliche Verhandlung beruht auf etablierten Technologien zur Online-Kommunikation, wie Chat und Online-Diskussionsforen, etc. Deren Nutzung sollte möglichst keinen intialen Installationsaufwand bei den teilnehmenden Parteien hervorrufen. Weiterhin werden
auch in dieser Szene besondere Anforderungen an die Sicherheit der Datenübertragung gestellt, denen durch etablierte Mechanismen, wie die Verschlüsselung der ausgetauschten
Botschaften sowie den passwortgeschützten Zugang zu den gemeinsamen Diskussionsräumen genüge getan wird.
***
Kunde
?
• Leistungsumfang
• Zahlungsbedingungen
• Lieferbedingungen
Vermittler
• Leistungsumfang
• Zahlungsbedingungen
• Lieferbedingungen
Abbildung E 2-64: Diagramm Online-Schiedsgericht225
***
Rational: Viele Streitfälle können durch einfache Kommunikation, die Darlegung der gegensätzlichen Standpunkte und das Ausdiskutieren einer gemeinsamen Lösung beigelegt werden. Die Beteiligung einer neutralen dritten Partei unterstützt und beschleunigt den Einigungsprozess erheblich und erhöht somit die Qualität dieser Szene.
225 Schlichtung eines Streitfalles nach dem Vertragbruch, hier des Anbieters der Ware, unterstützt
durch einen Vermittler.
Design Patterns für digitale Produkte
329
Im Vergleich zum Einsatz von Versicherungen ist dieser Prozess in der Regel kürzer, erfordert jedoch einen höheren persönlichen Aufwand der streitenden Parteien.
***
Verwandte Patterns: Im Falle der Einigung führt die Schlichtung zu einer Abänderung des
Vertrages. Diese Phase führt somit auf der Grundlage eines neuen Vertrages zur Abwicklung
desselben und somit zum Übergang zur ersten Subszene der Abwicklung über (Transparente
und effiziente Abwicklung, Online-Treuhänder).
E 2.7
Kundenbetreuung
Dieser Abschnitt betrachtet die Gestaltung der Phase nach der erfolgreichen Abwicklung des
Kaufvertrages, d.h. die Phase der Kundenbetreuung. In einem abstrakten Pattern werden
zunächst die generelle Einordnung in den Kontext, die allgemeine Problemstellung, die generellen Gestaltungshinweise sowie die zu berücksichtigenden theoretischen Grundlagen für
diese Szene zusammenfassend dargelegt. Die Ausgestaltung der jeweiligen Szene der
Kunde-Produkt-Interaktion erfolgt dann wieder in den konkreten Szenepatterns. Abbildung
E 2-65 gibt eine Übersicht über alle Patterns dieser Phase mit den zentralen Abhängigkeiten.
Kunden
betreuung
Wissen
Support
Individuelle
K.Betreuung
Überzeugung
Entscheidung
Absicht
Anwendung
Community
Abbildung E 2-65: Überblick Patterns der Kundenbetreuung
E 2.7.1 Kundenbetreuung abstrakt
Kontext: Diese Szene schliesst sich an den Abschluss und die Abwicklung des Kaufvertrages
im Sinne des Austausches Ware gegen Geld an. Sie umfasst die Nachbetreuung des Kunden
und schliesst im Idealfall den Kreis zu Wiederkäufen.
***
Problem: Es ist in der Regel einfacher, einen bestehenden Kunden zu halten, als einen neuen
Kunden zu akquirieren (s. z.B. (Sojek 2000) und (Kunz 1996)). Bestehende Kunden sind offener und aufnahmebereiter für Neuerungen des Anbieters, haben bereits eine generell positive Einstellung zum Anbieter und dessen Produkten entwickelt sowie ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut und verfügen über grundlegendes Anwendungswissen, auf das bei
der Einführung eines neuen Produktes aufgesetzt werden kann. Bestehende Kunden sind
daher auch leichter für Wiederkäufe zu gewinnen.
Entscheidend für die Bindung ist neben der Aufrechterhaltung des Dialogs zwischen Kunde
und Produkt die Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt selbst. Er muss daher bei der
330
Entwicklung der Patternsprache
Anwendung des Produktes sowie insbesondere bei der Beseitigung von auftretenden Problemsituationen möglichst effizient unterstützt werden.
***
Beispiel: s. Erläuterungen der konkreten Szenepatterns dieser Phase
***
Lösung: Etabliere eine Beziehung zum Kunden. Unterstütze ihn optimal bei der Lösung der
im Zuge der Anwendung des Produktes auftretenden Probleme. Etabliere und pflege den
intensiven Dialog mit dem Kunden und lerne dadurch seine Bedürfnisse und seine Präferenzen besser kennen. Nutze dieses Wissen zur Verbesserung des eigenen Angebotes und steigere so die Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt (und dessen Folgeprodukten).
Diese Bindung kann:
1.
direkt, d.h. bilateral zwischen dem Kunden und dem Produkt / Anbieter, (s. Pattern
individuelle Kundenbetreuung) oder
2.
durch den Aufbau eines sozialen Umfeldes um das Produkt, im Sinne einer Interessen-Community, aufgebaut werden (s. Pattern Community).
Die Supportleistungen sollten insbesondere bei rein digitalen Produkten direkt in die Anwendung des Produktes integriert werden und dabei die individuellen Bedürfnisse des
Kunden mit berücksichtigen (s. Pattern Support).
***
Abbildung E 2-66: Diagramm Kundenbetreuung226
***
Rational: Kundenbindung kann zum einen durch den intensiven – bilateralen – Dialog zwischen dem Kunden und dem Produkt resp. dessen Anbieter aufgebaut und gepflegt werden
(Individuelle Kundenbetreuung). Dabei ist darauf zu achten, dass die Informationsversorgung
für den Kunden mit wenig Aufwand verbunden ist (und somit der Kostenfaktor dieser
Szene minimiert wird). Dies fordert das aktive Auftreten des Produktes / Anbieters unter
Ausnutzung der Möglichkeiten der IKT (s. insbesondere Abschnitte C 1.3.1.6, C 1.3.1.7 und
C 1.3.1.9). Andererseits darf dem Kunden die Informationsversorgung jedoch auch nicht als
aufdringlich oder manipulierend erscheinen (s. Abschnitte C 2.2.1.2 und C 2.2.2.2). Der
Kunde muss daher kontrollieren können, in welchem Umfang und in welcher Intensität er
das Informationsangebot des Services wahrnehmen und den Dialog mit dem Anbieter auf226 Aufbau und Pflege der Kundenbindung.
Design Patterns für digitale Produkte
331
rechterhalten möchte. Durch die Ausrichtung der Inhalte auf die Interessen und Bedürfnisse
des Kunden kann der Kundenwert dieser Phase weiter gesteigert werden.
Kundenbindung kann jedoch auch durch die Etablierung einer Community um das Produkt
und die Integration des Kunden in diese Community erreicht werden (Community). Die
Community formiert sich dabei um ein gemeinsames Interesse, das mit dem Produkt assoziiert ist oder durch das Produkt befriedigt wird. Die Community-Plattform fungiert als
zentraler Treffpunkt zum Auf- und Ausbau von Wissen sowie zum sozialen Austausch unter
den Community-Mitgliedern. Durch die sozialen Interaktionen innerhalb dieser Community
können sich soziale Bindungen zwischen den Mitgliedern entwickeln, die den Kunden zunächst an die Community und schliesslich auch an das Produkt binden.
Durch die Kommunikation innerhalb der Community wird weiterhin verborgenes Wissen
freigesetzt, das von den Anbietern zur Verbesserung ihres Services genutzt werden kann.
Neue Produkte können dadurch gewissermassen in der oder durch die Community entwickelt werden (s. Abschnitte C 1.3.3.1 und C 1.4.2). Zudem kann die Akzeptanz gegenüber
Neuerungen und Erweiterungen des Produktes direkt innerhalb der Community getestet
resp. im sozialen Dialog ausgebildet werden (s. Abschnitt C 2.2.2.2).
Weiterhin ist in den Köpfen der Mitglieder eine Menge von Erfahrungswissen bzgl. des Umgangs mit dem Produkt gespeichert, das in der Kommunikation mit anderen Mitgliedern
weitergegeben und ausgebaut werden kann. Somit kann die Community selbst einen Teil
der Supportleistung für das Produkt übernehmen. Diese Punkte werden im entsprechenden
Pattern Community noch im Detail erläutert.
Ein weiterer entscheidender Faktor bei der Ausbildung einer Kundenbindung ist die Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt. Sie regt darüber hinaus eine positiver Mund-zuMund-Propaganda an und fördert somit die Diffusion im persönlichen Umfeld des Anwenders. Voraussetzung für die Zufriedenheit ist die zufriedenstellende Anwendung des Produktes sowie die schnelle Behebung etwaig auftretender Problemfälle (Support). Dabei ist
darauf zu achten, dass sich die Hilfestellung an den konkreten Problemsituationen des Kunden sowie vor allem an dessen Wissenstand anpasst (s. Abschnitte C 2.2.1.5.2 und C 2.2.2.3),
um das auftretende Problem gezielt und schnell beseitigen zu können
***
Verwandte Patterns: Die Patterns der Kundenbetreuung tragen dazu bei durch den Aufbau
und die Pflege eines bilateralen Dialoges zwischen Kunde und Produkt(anbieter) oder den
Aufbau einer Community das Interesse am Produkt aufrechtzuerhalten und auszubauen
und so eine Beziehung zwischen Produktanbieter und Kunde zu etablieren. Der Kunde wird
dadurch zur wiederholten Anwendung des Produktes resp. des Online Services motiviert.
Somit findet hier ein direkter Übergang zur Anwendungsphase statt.
Im Zuge dieser Szene kann der Anwender weiterhin auf Neuerungen aufmerksam gemacht
und bei der Ausbildung einer Einstellung gegenüber dem neuen Produkt oder auch einer
bereits vorhandenen Kaufabsicht unterstützt werden. Diese Phase gliedert sich somit ebenfalls in die Awareness-, die Überzeugungs-, und die Entscheidungsphase ein und weist infolgedessen Übergänge zu den entsprechend nachfolgenden Phasen auf.
332
Entwicklung der Patternsprache
Die Supportdienstleistung selbst findet im Zuge der Anwendung des Produktes statt und
führt nach erfolgreicher Vermittlung des benötigten Wissens idealerweise wieder in die Anwendungsszene zurück.
E 2.7.2 Support
Kontext: Diese Szene gliedert sich in die Phase nach dem Erwerb des Produktes ein. Der
Kunde besitzt das Produkt und muss bei dessen Anwendung möglichst gut unterstützt werden.
***
Probleme: Trotz einer möglichst verständlichen und am zu erwartenden Kundenwissen ausgerichteten Benutzerschnittstelle treten im Zuge der Anwendung eines Produktes immer
wieder Probleme auf. Die Zufriedenheit eines Kunden mit einem Produkt hängt dabei sehr
stark von der problemlosen Anwendung des Produktes resp. der raschen Behebung auftretender Anwendungsprobleme ab.
***
Beispiel: Dell.com stellt in einer speziellen Support-Sektion auf seiner Web Site umfassende
Dienste zur Lösung von Anwendungsproblemen zur Verfügung. Um es den Kunden zu erleichtern, möglichst gezielt Antworten auf ihre Fragestellungen zu bekommen, ist die Sektion gemäss den generell möglichen Anliegen eines Hilfesuchenden in fünf Sektionen gegliedert: (1) „Fix It“ für die Lösung von Hard- und Softwareproblemen, (2) „Downloads“ für
die Aktualisierung der Software, (3) „Wenden sie sich an uns“ zur Herstellung eines persönlichen Kontaktes zu Supportmitarbeitern oder aber anderen Kunden, (4) „Einführung“ mit
allgemeinen Informationen, aktuellen Trends und technischen Tipps und (5) „Kundenservice“ mit nicht-technischen Anfragen über den Auftragsstatus oder das Kundenkonto.227
Hinter diesen Sektionen verbergen sich fünf zentrale Hilfedienste:
1. eine Wissensbank, die das Wissen der Techniker, des Kundenservices und der Kunden-Community widerspiegelt: Die Inhalte sind dort in Form einer FAQ-Liste gespeichert. Sie können mittels verschiedener Suchfunktionen gezielt abgerufen werden.
2. technische Dokumentationen und Spezifikationen verschiedener Systeme und
Systemkomponenten.
3. kostenlose Erweiterungen und Updates der verschiedenen Systeme
4. e-Mail Beratungsservices
5. Diskussionsgruppen zu bestimmten Services.
227 Hier verschmelzen die Szenen der Abwicklung mit der Szene der Kundenbetreuung.
Design Patterns für digitale Produkte
333
Die einzelnen Angebote entsprechen somit, bis auf die Downloads und die technischen
Dokumentationen, den Wissensszenen aus Abschnitt E 2.4.228
Der Kunde hat weiterhin die Möglichkeit, sich „seine“ Supportseite individuell zusammenstellen zu lassen. Berücksichtigt werden hierbei (1) das erworbene Produkt und (2) das technische Vorwissen des Kunden sowie seine Präferenzen bezüglich des Erklärstils der Lösungen. Die angebotenen Informationen der verschiedenen Hilfedienste werden dann im Sinne
einer Vorselektion auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten und in einer
persönlic hen Sektion zusammengestellt (s. Abbildung E 2-67).
Abbildung E 2-67: Beispiel für individualisierte Supportseiten bei dell.com (rechte Seite) und die Möglichkeit für
deren einfache Konfiguration (linke Seite), Zugriff 15.10.2001.
Wie bereits erwähnt, stellt auch eBay.com seinen Anwendern eine sehr ausführliche HilfeSektion mit verschiedenen Möglichkeiten zur Wissensvermittlung zur Verfügung. Für eine
detaillierte Beschreibung sei hier auf die Ausführungen in Abschnitt E 2.4 verwiesen. Neben
dieser zentralen Anlaufstelle, die von jeder Seite der Web Site aus zu erreichen ist, werden
auch direkt am Ort des potentiellen Auftretens von Problemen Informationen zumeist in
Form der dort am häufigsten gestellten Fragen, geliefert. Diese Integration von Anwendung
und Supportleistung ist möglich, da es sich bei eBay.com um einen digitalen, in ein globales
Netzwerk integrierten Service handelt.
***
Lösung: Unterstütze den Kunden bei der schnellen und gezielten Bewältigung seiner während der Anwendung auftretenden Probleme im Umgang mit dem Produkt. Berücksichtige
die speziellen Problemsituationen des Kunden sowie das zu erwartende Vorwissen bei der
228 Für den Support werden weiterhin die in Abschnitt E 2.6.2 erläuterten Möglichkeiten zur Verfol-
gung des Status der Abwicklung angeboten.
334
Entwicklung der Patternsprache
Strukturierung und Darstellung der Lösungen. Nutze weiterhin die Möglichkeiten digitaler
Services, um die Lösungen möglichst direkt am Ort des Auftretens der entsprechenden
Problemsituationen anzubieten und das Hilfsangebot auf die individuellen Bedürfnisse und
Fähigkeiten des Kunden zuzuschneiden.
Bei der folgenden Darstellung der Szene wird weitgehend von den speziellen Möglichkeiten
zur Wissensvermittlung abstrahiert. Sie wurden in Abschnitt E 2.4. ausführlich dargelegt.
Stattdessen interessiert hier die Einordnung in den Anwendungskontext sowie die Strukturierung der Szene. Wie ebenfalls bereits in Abschnitt E 2.4 allerdings nur kurz erläutert, können hier zwei Grundkonstellationen unterschieden werden:
1.
die Eingliederung der Unterstützungsfunktionen in die direkte Anwendung des
Produktes und somit an den Ort des Auftretens der Problemsituation,
2.
die getrennte Darstellung der Unterstützungsfunktionen in einer speziellen
Support- oder Hilfesektion innerhalb der Web Site des Produktanbieters.
Diese beiden Ausgestaltungsarten werden im folgenden nacheinander ausführlich mit Hilfe
der Theatermetapher beschrieben:
O-Design: Die erste Szene gliedert sich direkt in die Anwendung des Produktes ein. Beteiligte
sind somit der Kunde und das Produkt. Idealerweise sollte die Benutzerschnittstelle so gestaltet sein, dass der Kunde das Produkt ohne weitere Hilfe intuitiv richtig bedient. Für dennoch auftretende Probleme tritt das Produkt hier in der Rolle des Hilfeassistenten auf, der den
Kunden bei der Überwindung möglicher Schwierigkeiten im Zuge der Anwendung des Produktes unterstützt.
Idealerweise ist die Rolle des Kunden hier individualisiert, d.h. die individuellen Bedürfnisse und Kenntnisse des Kunden werden bei der Wissensvermittlung mit berücksichtigt.
I-Design: In dieser Szene wird der Kunde mit einer Anwendungssituation konfrontiert, die er
nicht selbständig lösen kann. Er wendet sich daher an das Produkt in der Rolle des Hilfeassistenten. Dieser zeigt ihm in möglichst wenigen Schritten einen Lösungsweg auf. Von den
in Abschnitt E 2.4 dargelegten Arten der Wissensvermittlung eigenen sich hier vor allem die
FAQs als schnellste, unaufwendigste und gezielteste Art der Wissensvermittlung sowie das
etwas aufwendigere aber flexiblere persönliche Expertengespräch oder gegebenenfalls der
Einbezug der (Hilfe-) Community. Demos erklären in der Regel umfassendere Fragenkomplexe und sind daher für die gezielte Unterstützung in einer konkreten Problemsituation
weniger geeignet.
Um die gezielte Problemlösung zu gewährleisten, muss beim Übergang in die jeweiligen
Wissensszenen möglichst viel Information über den aktuellen Anwendungskontext berücksichtigt werden. Im Falle von FAQs oder der Einbettung in die Community bedeutet dies,
dass dem Kunden lediglich die auf diese Situation passenden Fragen resp. Diskussionsgruppen präsentiert werden. In Beratungsgesprächen sollte sich der Kunde direkt an den entsprechenden Spezialisten wenden können.
Nach erfolgreicher Wissensvermittlung wird der Kunde dann an die Stelle des Anwendungskontextes zurückgeführt, an der er diesen verlassen hat.
Design Patterns für digitale Produkte
335
L-Design: Bei der Darstellung der Lösungen muss der logische Raum, d.h. insbesondere das
Vorwissen des Kunden, berücksichtigt werden. Der Hilfsassistent muss sich dabei in die
Problemsituation des Kunden hineindenken können. Insbesondere bei einem hohen Automatisierungsgrad sind die möglichen Problemsituationen im voraus zu identifizieren und
die Lösungen in einer Sprache darzustellen, die für den Hilfesuchenden leicht verständlich
ist. Wie bereits in Abschnitt E 2.4 erläutert, kann dies iterativ erreicht werden, indem die
Community mit in den Erstellungsprozess der Hilfeseiten integriert wird.229 Weiterhin kann
auch die Community selbst als Problemlöser eingesetzt werden.
Eine Individualisierung der Kundenrolle, auch in bezug auf die angebotenen Hilfeleistungen, erhöht weiterhin eine gezielte Hilfestellung, sowohl was die Einschätzung möglicher
Problemsituationen betrifft, als auch was die Darstellung der Lösung selbst anbelangt.
K-Design: Die Integration der Hilfeszene in den Anwendungskontext erfolgt entweder durch
einen Link auf die entsprechende Hilfesektion oder durch das Einrichten einer speziellen
Hilfesektion innerhalb der Anwendungsszene.230 Im I-Design wurde weiterhin gefordert,
dass sowohl bei der Auswahl des Hilfsangebots als auch bei der Darstellung der Lösungen
sowohl der Anwendungskontext als auch das Wissen und die Kenntnisse des Kunden berücksichtigt werden. Dies erfordert eine geeignete Kategorisierung des Hilfsangebots sowie
eine Verwaltung der Kundenprofile.231
In der zweiten Konstellation werden die Supportfunktionen in einer separaten Sektion angeboten.
O-Design: Die Akteure dieser Szene sind wiederum der Kunde in der Rolle des Hilfesuchenden sowie das Produkt in der Rolle des Hilfeassistenten. Die Anforderungen des Kunden
stimmen mit denen der ersten Szene überein.
Die Rolle des Kunden ist auch in dieser Szene idealerweise individualisiert, d.h. die Auswahl
der Problemsituationen und die Darstellung der Lösung wird auf die Präferenzen und das
Vorwissen des Kunden ausgerichtet.
I-Design: In dieser Szene ist der Kunde dabei zu unterstützen, möglichst schnell eine Lösung
auf sein Problem zu finden. In einem ersten Schritt muss er die Problemsituation spezifizieren. Hierbei kann er durch eine geeignete Strukturierung des Problemraumes unterstützt
werden, in dem die prinzipiell möglichen Problemsituationen dargestellt werden. Diese
229 Dabei werden die von Community-Mitgliedern gestellten Fragen protokolloliert und aufbereitet
oder die Kunden gebeten, die angebotenen Lösungen nach ihrer Brauchbarkeit zu beurteilen.
230 Dadurch werden Anwender, die keine Hilfe benötigen, nicht bei der Anwendung des Produktes
gestört (s. Pattern Helper Posture und Background Posture in Tidwells Common Ground (Tidwell
1999)).
231 Um die Aktionen des Kunden auf der Web Site mit seinem Profil in Verbindung zu bringen, muss
sich der Kunde vor der Nutzung des Services zunächst anmelden. Die Verwendung von Cookies unterstützt dann die Assoziation zwischen Kundenaktion auf der Webseite und der Kundenidentität.
336
Entwicklung der Patternsprache
Szene entspricht somit in ihrer Ausgestaltung der Szene automatischer Bedürfnis-Produkt-Abgleich, wobei das Bedürfnis aus der Problemlösung besteht. Die entsprechenden Aussagen
über die Gestaltung der Interaktionsprozesse können daher direkt aus dieser Szene übernommen werden.
Nach der Identifikation des geeigneten Wissensvermittlungsangebots erfolgt die eigentliche
Problemlösung in Abhängigkeit von der ausgewählten Art der Wissensvermittlung. Für das
I-Design der entsprechenden Szenen sei auf die ausführlichen Erläuterungen in Abschnitt
E 2.4 verwiesen.
Die geforderte Individualisierung der Hilfesektion bedarf der zuvorigen Aufnahme des
Kundenprofils, das sowohl den Wissenstand als auch die persönlichen Präferenzen bzgl. des
Erklärstils umfasst. Dabei handelt es sich um einen stark strukturierten und geführten Prozess, in dessen Verlauf die jeweiligen Angaben vom Kunden zu leisten sind (s. Registration).
L-Design: s. erste Konstellation.
K-Design: An das K-Design werden die üblichen Anforderungen an die übersichtliche Darstellung umfassender Informationen gestellt. Eine geeignete Strukturierung erleichtert das
Auffinden der benötigten Wissensinhalte.
Die Szene erfordert darüber hinaus die Aufnahme und die anschliesende Verwaltung eines
Kundenprofils. Durch sprechende Bezeichner, Plausibilitätsüberprüfungen, Auswahllisten
möglicher Wertebelegungen und die Ableitung abhängiger Variabelenbelegungen ist dem
Kunden die effiziente und möglichst fehlerfreie Eingabe zu erleichtern (s. Patterns Form,
Short Description, Choice form a Small Set, Choice from a Large Set, Forgiving Text Entry, Good
Defaults in Tidwells (1999) Common Ground)
***
?
Abbildung E 2-68: Diagramm Support
***
Rational: Um die Zufriedenheit des Kunden zu gewährleisten, muss dieser bei der Anwendung durch das Produkt möglichst gut unterstützt werden. Dies stellt vorrangig Anforderungen an eine intuitive Benutzerschnittstelle. Dennoch auftretende Probleme müssen dann
jedoch möglichst effizient gelöst werden.
Um den Komfort dieser Szene zu steigern, ist die Art der Wissensvermittlung an die Bedürfnisse und insbesondere den Wissensstand des Kunden möglichst individuell anzupassen.
Weiterhin kann bei digitalen Produkten im engeren Sinne die Wissensvermittlung in die
Anwendungsszene integriert werden und dem Kunden somit die benötigte Hilfeleistung direkt am Ort des Bedarfs angeboten werden. Bei der von der Anwendung getrennten Wis-
Design Patterns für digitale Produkte
337
sensvermittlung ist durch eine geeignete Strukturierung des Problemlösungsraumes ein
schnelles Auffinden der benötigten Hilfsangebote zu gewährleisten.
***
Verwandte Patterns: Diese Szene gliedert sich direkt in die Anwendung des Produktes ein.
Idealerweise sollte sie daher den direkten Übergang zurück in den Anwendungskontext ermöglichen. Dies ist jedoch nur bei digitalen Produkten im engeren Sinne möglich. Weiterhin
bestehen direkte Verbindungen zu den Wissensszenen, in denen die eigentliche Wissensvermittlung stattfindet (Wissenspatterns).
E 2.7.3 Individuelle Kundenbetreuung
Kontext: s. Kundenbetreuung abstrakt
***
Problem: Jeder Kauf bringt eine gewisse Unsicherheit mit sich. Der Kunde fragt sich, ob er
auch wirklich das richtige Produkt erworben hat. Neben den eigenen Erfahrungen mit dem
Produkt stärken auch positive Information über das Produkt das Gefühl der Zufriedenheit
mit dem Produkt. Zufriedene Kunden wirken dann auch häufig selbst als Multiplikatoren,
die ihre positiven Erfahrungen im sozialen Umfeld verbreiten und somit die Diffusion des
Produktes unterstützen.
Weiterhin ist es bedeutend einfacher, einen bestehenden Kunden zu einem erneuten Kauf zu
animieren, als einen neuen Kunden zu gewinnen (s. Kundenbetreuung abstrakt). Insbesondere
durch das bereits geschaffene Vertrauen und das aufgebaute Produktwissen sinken die
Kosten für künftige Interaktionsbeziehungen in der Awarenessphase, der Überzeugungsphase und der Entscheidungsphase von Nachfolgeprodukten. Der Aufbau einer Kundenbindung ist daher essentiell für den langfristigen Erfolg des Produktes und seiner Folgeprodukte.
***
Beispiel: amazon.com bietet seinen Kunden die Möglichkeit, sich über einen Newsletter über
Neuigkeiten informieren zu lassen.
Dies umfasst (1) neue Angebote (einschliesslich Sonderaktionen), (2) Kundenbefragungen,
(3) Informationen von Partnerunternehmen von amazon.com, (4) individuelle Produktempfehlungen und (5) Benachrichtigungen über Änderungen der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Sie werden regelmässig via E-Mail an die Kunden versandt. Der Kunde hat dabei
die Möglichkeit, die Auswahl der ihm zugesandten Informationen jederzeit zu ändern. Dazu
muss er lediglich die diesbezüglichen Präferenzen in seiner persönlichen Sektion auf der
amazon.com Web Site ändern. Diese Sektion erreicht er ebenfalls direkt über einen Link am
Ende jeder ausgesandten E-Mail. Informationen zu den Punkten 1, 2, 3 und 5 findet er ansonsten auch auf der amazon.com Homepage und zu Punkt 4 in der persönlichen Sektion des
Kunden, zu der er über einen direkten Link auf der Homepage gelangt (s. Abbildung E 2-69).
Auch eBay.com bietet seinen Kunden die Möglichkeit an, sich über einen Newsletter informieren zu lassen. Die Optionen werden ebenfalls in der persönlichen Sektion gesetzt und
338
Entwicklung der Patternsprache
geändert. Die Inhalte stimmen im wesentlichen mit denen von amazon.com überein. Lediglich
individuelle Produktempfehlungen werden nicht ausgesprochen.232
Abbildung E 2-69: Beispiel Kundenbetreuung bei amazon.com; Zusammenstellung der Benutzerpräferenzen
(linke Seite) und Beispiel eines Newsletter-Beitrags (rechte Seite), Zugriff 15.10.2001.
Neben diesem Push-Service bietet eBay.com in der privaten Kundensektion auch die Möglichkeit, sich selbst über Neuerungen zu informieren. Diese finden sich teilweise auf der
Homepage des Services, aber vor allem in der persönlichen Sektion des Kunden.
***
Lösung: Pflege den Kontakt mit gewonnenen Kunden. Informiere sie insbesondere über
Neuigkeiten und nutze dabei die Möglichkeiten der Individualisierung. Erleichtere den
Kunden die Informationsversorgung und gestattet es ihnen, selbst darüber zu entscheiden,
in welcher Art und wie intensiv sie betreut werden möchten.
O-Design. Die Beteiligten an dieser Szene sind wiederum der Kunde sowie das Produkt resp.
dessen Anbieter. Der Kunde ist prinzipiell nicht abgeneigt, sich insbesondere über Neuerungen des Services, die seiner Interessenlage entsprechen, informieren zu lassen. Das Produkt /
der Anbieter selbst hegt die Absicht, durch die Informationsversorgung, das Wissen über die
Existenz des Produktes und das Interesse an dessen (wiederholter) Nutzung aufrechtzuerhalten oder den Kunden über Weiterentwicklungen zu informieren und ihn zu deren Erwerb
zu motivieren.
232 Weiterhin ist es einem eBay.com Kunden nicht möglich, sich aus den Newslettern über Änderung
der gesetzlichen Bestimungen entfernen zu lassen.
Design Patterns für digitale Produkte
339
I-Design: Der Prozess besteht generell darin, dass der Anbieter dem Kunden Informationen
zur Verfügung stellt und der Kunde diese aufnimmt. Dabei kann die Initiative vom Kunden
oder vom Anbieter ausgehen.
Im „Push-Modus“ übermittelt der Anbieter in regelmässigen Abständen Informationen an
den Kunden, in der Regel via E-Mail oder mit der traditionellen gelben Post. Die Neuigkeiten sind auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden zuzuschneiden. Der Kunde bestimmt
somit initial die Informationen, die ihn interessieren. Diese Präferenzen kann jedoch er in der
Folge jederzeit ändern. Die Anmeldung beim Service erfolgt dabei in der Regel im Rahmen
der Registrierung resp. des – ersten – Vertragsabschlusses zwischen Kunde und Serviceprovider. Sie ist jedoch auch im Zuge der Nutzung des Services, über einen entsprechenden
Link auf der Homepage möglich.
Die Änderung dieser Einstellung erfolgt innerhalb der persönlichen Sektion des Benutzers,
die ebenfalls direkt über die Homepage zu erreichen ist. Weiterhin finden sich in jeder EMail Informationen darüber, wie man sich einfach aus dem Newsletter austragen lassen oder
die eigenen Präferenzeinstellungen ändern kann.
Im „Pull-Modus“ wird der Anbieter im Zuge der Nutzung des Services resp. bei der aktiven
Kontaktaufnahme mit dem Produktanbieter auf Neuigkeiten aufmerksam gemacht. Hierzu
findet er in einer besonders gekennzeichneten Sektion der Startseite des Services Hinweise
auf etwaige Neuigkeiten. Weitere Informationen, die idealerweise auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind, befinden sich in der persönlichen Sektion des
Kunden, die ebenfalls direkt von der Einstiegsseite aus zu erreichen ist.233
Der Anbieter hat nur bedingt Einfluss darauf, inwieweit ein Kunde die angebotenen Informationen aufnimmt: bei der Pull-Kommunikation durch die geeignete Plazierung und durch
eine prägnante Darstellung der Informationen, bei der Push-Kommunikation ebenfalls durch
eine prägnante Darstellung der wesentlichen Informationen. Weiterhin trägt die Individualisierung der Informationen zur Förderung der Aufmerksamkeit des Kunden bei.
L-Design: Der logische Raum des Kunden ist bei der Formulierung der Inhalte aber auch bei
der Positionierung der Neuigkeiten zu beachten. Um es dem Kunden zu ermöglichen, sich
einen schnellen Überblick über die Neuigkeiten zu verschaffen, müssen die zentralen Aussagen prägnant formuliert werden. Die zentrale Positionierung auf der Startseite oder innerhalb der persönlichen Sektion und die Bezeichnung der entsprechenden Rubrik mit einem
„sprechenden“ Namen fördert die Aufmerksamkeit und zunächst auch nur das Auffinden
dieser Informationen. Auch die Positionierung der Möglichkeiten zur Änderung der Präferenzen innerhalb der persönlichen Sektion des Kunden entspricht der zu erwartenden Logik
des Kunden.
233 Weiterhin könnte auch bereits die Einstiegsseite auf
den (wiederkehrenden) Kunden
zugeschnitten werden (s. Pattern Personalize your Homepage in van Duyne et al.’s (2000) Design of
Sites). Dies kann technisch durch den Einsatz von Cookies realisiert werden.
340
Entwicklung der Patternsprache
K-Design: Der Forderung nach einer übersichtlichen und prägnanten Darstellung der Informationen kann dadurch nachgekommen werden, dass die Informationen auf eine verlinkte
Liste abgebildet werden, in der lediglich die Kerninformationen direkt dargestellt werden
und die näheren Ausführungen über die jeweiligen Verweise zu erreichen sind (s. Patterns
Optional Detail on Demand und Hierarchical Set in Tidwells (1999) Common Ground). Der PushDienst wird auf der Basis eines E-Mail Dienstes realisiert.
Die Individualisierung der Inhalte erfordert die Verwaltung der Kundenpräferenzen in einem Benutzerkonto. Die Inhalte entstammen zum einen den direkten Eingaben durch den
Kunden, zum anderen aber den Profilinformationen, die sich durch die Protokollierung und
Aufbereitung der Benutzeraktionen ableiten lassen.
***
Abbildung E 2-70: Diagramm individuelle Kundenbetreuung234
***
Rational: Es ist einfacher, einen Kunden zu halten, als einen neuen Kunden zu gewinnen. Die
durch den Produktkauf initiierte Beziehung zwischen dem Kunden und dem Anbieter muss
daher gepflegt werden. Dies erreicht man durch die Integration in das normale Informationsverhalten des Kunden, d.h. seinen E-Mail Verkehr sowie durch die Integration in die
Anwendung des Produktes, d.h. durch die Positionierung der Information auf der Homepage des Online Services oder aber in der persönlichen Sektion des Kunden.
Die Individualisierung der Information steigert die Aufmerksamkeit und vor allem auch den
Kundenwert des Informationsangebots und fördert somit deren positive Wirkung. Durch
den Einsatz der Push-Kommunikation reduziert sich der Aufwand des Kunden, d.h. seine
Informationskosten. Auch dies trägt zur Steigerung des Kundenwertes dieser Szene bei. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass der Kunde sich nicht durch die Information bedrängt,
gestört oder bevormundet fühlt. Dies erreicht man zum einen durch die bereits angesprochene Ausrichtung der Information auf die Interessen des Kunden und zum anderen durch
die Möglichkeit des Kunden, das Informationsangebot jederzeit und ohne grossen Aufwand
an seine Wünsche anpassen zu können.
***
234 Das – positive – Bild des Produktes im Kopf des Kunden wird durch den intensiven Dialog aufge-
frischt und die Bindung zum Produkt resp. dessen Anbieters gefestigt.
Design Patterns für digitale Produkte
341
Verwandte Patterns: Dieses Pattern trägt zur Schaffung und Aufrechterhaltung der Awareness
und der positiven Einstellung bezüglich eines Produktes bei. Der durch den Kauf etablierte
Kundenkontakt kann weiterhin genutzt werden, um den Kunden auf neue (weiterführende)
Leistungen aufmerksam zu machen und ihn zum Kauf oder zur erneuten Nutzung des Produktes oder dessen Nachfolgeprodukte zu motivieren. Diese Phase leitet somit zur Überzeugungs- oder Entscheidungsphase oder sogar direkt zur Verhandlungsphase über.235
Dieses Pattern integriert die Inhalte des Patterns Push Communication in Rossi et al.’s (2000)
Patterns for E-Commerce Applications.
E 2.7.4 Community
Kontext: Auch diese Szene gliedert sich in die Phase nach dem Erwerb des Produktes ein.
***
Problem: Wie bereits im Pattern individuelle Kundenbetreuung erläutert, ist es ein zentrales Anliegen des Produktes resp. des Anbieters innerhalb der Nachkaufphase die gewonnenen
Kunden an den Service zu binden. Eine Möglichkeit besteht darin, den Kunden regelmässig
auf das Produkt und insbesondere über diejenigen Neuigkeiten aufmerksam zu machen, die
seiner Interessenlage entsprechen. Der kontinuierliche und idealerweise personalisierte Dialog fördert den Aufbau einer direkten Bindung zwischen dem Produkt und dem Kunden.
Diese Grundlage der Kundenbindung wurde im Pattern individuelle Kundebetreuung umgesetzt.
Eine Bindung zum Produkt kann jedoch auch durch dessen Verknüpfung mit einem sozialen
Umfeld aufgebaut werden. Die mit einer etablierten Community verbundene soziale Identität kann dann genutzt werden, um die Kunden zunächst an die Community Site und
schliesslich an das damit verbunden Produkt selbst zu binden. Der Aufbau und die Pflege
einer Anwender-Community bringen jedoch noch weitere Mehrwerte für den Anbieter eines
Produktes. Neben der Bindung des Kunden sind dies der Auf- und Ausbau des Anwendungswissens beim Kunden und damit auch eine Entlastung der Supportabteilung, der Aufbau von Wissen über den Kunden, die Anregungen für Verbesserungen des Produktes sowie
die direkte Überprüfung oder Schaffung der Akzeptanz gegenüber den entsprechenden
Neuerungen (s. Abschnitt C 1.3.3.2).
Ein Kunde ist jedoch nur dann bereit, sich in einer Community zu engagieren, wenn er
durch diese Teilnahme einen persönlichen Mehrwert erwarten kann.
***
Beispiel: Eine der erfolgreichsten direkt produktbezogenen Communities ist die Community
von eBay.com. Sie unterhält eine eigene Sektion innerhalb der eBay.com Web Site. Die Community dient dabei primär als Anlaufstelle für Personen mit den gleichen Interessen, die mit
235 Dabei sind die Hürden der Überzeugungs- und Entscheidungsphase bei Wiederholungskäufen auf-
grund der Vertrautheit mit dem (Vorgänger-) Produkt und dessen Anbieter geringer.
342
Entwicklung der Patternsprache
dem Aktionsservice von eBay.com assoziiert sind. So finden sich auf der Community-Plattformen Informationssektionen über die verschiedenen Arten zu ersteigernder Güter. Diese
Sektionen umfassen allgemeine, von Spezialisten aufbereitete und stets aktualisierte Informationen über das jeweilige Interessengebiet sowie ausführliche Hinweise über die optimale
Nutzung des Auktionsservices zur Ver- und Ersteigerung der interessierenden Produktkategorien. Hier wird daher direkt eine Verbindung zum Service-Angebot von eBay.com geschaffen. Innerhalb dieser Sektion bestehen die Community-Komponenten (1) aus der Möglichkeit jedes Teilnehmers, seine eigenen Ideen zu diesem Thema innerhalb dieser Sektion zu
publizieren, und (2) aus einem Link auf das thematisch zugehörige Online-Forum.
Abbildung E 2-71: Beispiel Community bei eBay.com; Übersicht über die verschiedenen Discussion Boards und
Ausschnitt aus einer Diskussionsrunde, Zugriff 15.10.2001.
Im Zentrum der Community Site stehen jedoch eine Reihe von themenspezifischen Diskussionsforen, in denen sich die Community-Mitglieder austauschen können. Diese Foren beziehen sich, wie soeben erläutert, auf bestimmte Interessengebiete, d.h. Produktkategorien,
aber auch auf Probleme bei der Anwendung des Dienstes sowie auf Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Dienstes und der Community-Plattform (s. Abbildung E 2-71). Über
diese Foren können die Community-Mitglieder somit Anwendungs- und vor allem Problemlösungswissen austauschen und weiterhin gezielt auf die Gestaltung des Services Einfluss nehmen. Durch die Kombination verschiedener Wissensblöcke wird neues Wissen aufgebaut. Die Kommunikation in Chatforen regt dabei die Kreativität des Einzelnen an. Es
werden Ideen bezüglich möglicher Neuerungen generiert und deren Akzeptanz innerhalb
der Comunity sogleich getestet oder im Zuge der sozialen Interaktion aufgebaut.
Neben diesen Foren werden sogenannte „Community Events“ angeboten, die zumeist der
Weiterbildung dienen. Sie umfassen Online Workshops und Online-Seminare, in denen sich
die Community-Mitglieder bestimmtes Wissen aneignen können. Dieses Wissen bezieht sich
Design Patterns für digitale Produkte
343
wiederum primär auf die optimale Anwendung der Auktionsplattform. Die CommunityMitglieder haben dabei die Möglichkeit, sich selbst zu engagieren und derartige Workshops
in eigener Regie anzubieten und durchzuführen.
Weiterhin kann sich jedes Mitglied selbst in einer persönlichen Homepage darstellen. Diese
ist jedoch nur für diejenigen Mitglieder zugänglich, die aktuell an einer Auktion mit dem jeweiligen Community-Mitglied teilnehmen. Offen sichtbar ist für jedes Mitglied dagegen das
Community Rating der Mitglieder sowie die Dauer ihrer Mitgliedschaft. Dies erleichtert anderen, insbesondere neuen Mitgliedern eine erste Einschätzung ihres Gegenübers.
Innerhalb der Community nehmen auch Mitarbeiter von eBay.com selbst teil. Sie engagieren
sich vor allem in den Hilfe-Foren, in denen sie offene Fragen beantworten. Um die Transparenz zu bewahren und somit die eBay-Mitarbeiter von den anderen Mitgliedern unterscheiden zu können, werden sie durch ein bestimmtes Icon gekennzeichnet.
Auch Dell.com bietet seinen Kunden die Möglichkeit, sich in Chatforen auszutauschen. Diese
Foren dienen dabei vorwiegen der gegenseitigen Hilfestellung bei der Anwendung der gekauften Produkte. Während alle Kunden daran interessiert sind, das Wissen anderer Kunden
zu nutzen, ist der Anreiz, selbst zum Wissensaufbau und zur Problemlösung anderer beizutragen, nur bei einem gewissen Involvement mit dem Produkt resp. der Problemlösung gegeben. Daher stammen auch viele der Antworten von Dell-Mitarbeitern selbst.
Amazon.com bietet den Kunden die Möglichkeit, eine eigene soziale Umgebung um das Produkt aufzubauen. Diese Communities formieren unter dem Namen „Friends & Favorites“.
Dabei kann jeder Kunde andere Kunden, denen er bezüglich deren Interessen und Einstellungen ähnlich ist, zur Menge seiner „Favoriten“ hinzuzufügen. Er wird dann informiert,
wann immer diese einen Review oder eine Empfehlung publizieren. Die entsprechenden Informationen finden sich in einer speziellen persönlichen Sektion, der „About You“ Area, des
Kunden. In dieser Sektion kann der Kunde auch persönliche Informationen, wie seine E-Mail
Adresse oder auch eine Liste der von ihm gekauften Artikel einschliesslich deren Bewertung
darstellen. Diese sind jedoch lediglich seinen „Freunden“ zugänglich. Auch er hat ausschliesslich Zugang zu den persönlichen Informationen derjenigen Teilnehmer, die ihn dazu
aufgefordert haben, ihr „Freund“ zu sein. Innerhalb dieses Freundschaftsnetzes werden
Kunden automatisch darüber informiert, wenn ein Freund einen neuen Kauf getätigt (und
kommentiert) hat. Direkte Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Community-Teilnehmern sind jedoch nicht auf der Plattform integriert.
***
Lösung: Schaffe eine Plattform, auf der sich die Anwender-Community treffen und austauschen kann. Ermögliche den Teilnehmern die Realisierung von Mehrwerten persönlicher,
sozialer, psychologischer und ökonomischer Art, um die Bindung der Teilnehmer an die
Community zu initiieren und auszubauen.
Die genaue Ausgestaltung dieser Szene wird im folgenden mit Hilfe der Theatermetapher
beschrieben.
344
Entwicklung der Patternsprache
O-Design: Die zentralen Akteure dieser Szene sind die Mitglieder der Community. Weiterhin
können sich auch Spezialisten und Vertreter des Produktes innerhalb der Community engagieren. Die Mitglieder haben das Interesse, ihren Wissensstand auf- und auszubauen, soziale
Kontakte aufzubauen und zu pflegen, sich innerhalb der Community zu etablieren und gegebenenfalls auf die Weiterentwicklung des Produktes und der Community einwirken zu
können. Die Vertreter des Produktes müssen die Community-Mitglieder möglichst gut bei
der Erreichung ihrer Ziele unterstützen. Sie übernehmen zum einen die Rolle des Spezialisten
und Wissensvermittlers und zum anderen die des Community-Managers, der für eine geeignete Strukturierung des Angebots, die Bereitstellung und Pflege der Kommunikationswerkzeuge sowie in begrenztem Ausmass die Aufstellung und Einhaltung von Regeln verantwortlich ist.
I-Design: Die Prozesse orientieren sich an den Zielen, welche die Teilnehmer mit dem Besuch
der Community (-Plattform) erreichen möchten. Diese umfassen primär den Wissensaufbau,
die gegenseitige Unterstützung bei der Anwendung des Services und die Einflussnahme auf
die Gestaltung der Community und des Services.
Der Auf- und Ausbau des gemeinsamen Wissens wird (1) durch die Bereitstellung von redaktionell aufbereitetem und stets aktualisiertem Informationsmaterial, (2) durch die Diskussion mit anderen Teilnehmern gleichen Interesses sowie (3) durch Informationsveranstaltungen und Online Workshops oder Schulungen von Spezialisten unterstützt. Dabei
können sich auch die Community-Mitglieder selbst engagieren und derartige Veranstaltungen in eigener Regie durchführen. Dies bietet ihnen eine Möglichkeit, ihren Expertenstatus
innerhalb der Community auf- und auszubauen
Für die gegenseitige Unterstützung bei der Anwendung des Services sind diesbezügliche
Diskussionsrunden zu etablieren. Um den Problemlösungsprozess zu beschleunigen, nehmen an diesen Diskussionen auch Vertreter des Produktes in der Rolle des Spezialisten teil.
Schliesslich werden weitere Diskussionsrunden über Gestaltungs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten etabliert, die es der Community gestattet, Einfluss auf die Weiterentwicklung der Community Site aber auch des Produktes zu nehmen. Auch diese Foren bedürfen der Teilnahme von Produktvertretern, allerdings vorrangig in der Rolle des Zuhörers. Sie
nehmen die Vorschläge auf und sind für ihre Umsetzung verantwortlich.
Die Interaktion innerhalb der Diskussionsgruppen unterliegt nur wenig festgelegten Regeln.
Grundsätzliche Verhaltensregeln werden in einem Verhaltenskodex der Community festgeschrieben. Sie decken sich dabei in der Regel mit allgemeinen, sozial etablierten Gesprächskonventionen. Diese Regelungen können jedoch nur bedingt durch die Plattform durchgesetzt werden. Eine Protokollierung und Filterung der ausgetauschten Nachrichten kann lediglich das Aufdecken von Verstössen erleichtern. Auf der organisatorischen Ebene können
die Verhaltensregeln zusätzlich durch das Einsetzen eines Moderators kontrolliert werden.
Design Patterns für digitale Produkte
345
Zumeist ist jedoch eine Kontrolle durch die Community selbst am effektivsten, die eine Zuwiderhaltung mit entsprechenden Reaktionen bestraft.236
Einen direkteren Einfluss auf die Steuerung der Interaktionsprozesse hat der Kunde bei angebotenen Weiterbildungsmassnahmen sowie auch bei der Gestaltung des Informationsangebotes. So werden die Verhaltensregeln im Zuge spezieller Weiterbildungsveranstaltungen
durch den Veranstalter festgelegt und durchgesetzt. Bei der Darstellung von Informationsangeboten wird der Interessent durch die Verlinkung der einzelnen Informationsseiten
durch das Angebot hindurchgeführt.
Die Vertreter des Produktes in der Rolle des Community-Managers unterstützen die Interaktionsprozesse somit durch die Bereitstellung der Technologie sowie durch die geeignete
Strukturierung der verschiedenen Angebote, die das zielgerichtete Agieren auf der Community-Plattform erleichtern.
Die aktive Teilnahme an der Community bedarf in der Regel der vorherigen Registration
resp. Anmeldung. Für die entsprechende Szenengestaltung sei auf das Pattern Registration
verwiesen. Im Rahmen dieser Registration werden dem neuen Teilnehmer die CommunityRegeln kommuniziert. Die Anmeldung der Teilnehmer ermöglicht dem Servicebetreiber die
Sammlung und Aufbereitung von Kundendaten. Da dies mit Gefahren für den Schutz der
Privatsphäre verbunden ist, sind an dieser Stelle Hinweise auf entsprechende Risikominderungsmassnahmen zu kommunizieren (Übergang zur Entscheidungsszene).
Bei einer geeigneten Strukturierung bedarf das Agieren innerhalb der Community Site nicht
des expliziten Aufbaus von neuem Wissen beim Kunden. Auch die Bedienung der Kommunikationswerkzeuge sollte durch deren bereits hohen Verbreitungsgrad sowie durch eine
intuitive Schnittstellengestaltung weitestgehend intuitiv erfolgen. Um dennoch auftretenden
Unsicherheiten bei der Anwendung schnell begegnen zu können, ist auch in diese Szene ein
kurzes Lehr- oder Problemlösungsangebot in den Service zu integrieren (Übergang zur Wissensszene).
Schliesslich sollte den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben werden, sich in einer eigenen
Sektion selbst darstellen zu können, über die sie anderen ein durch sie gestaltetes Bild von
sich selbst vermitteln können. Durch einen stark geführten Prozess sollte es auch Laien möglich sein, auf einfache und unaufwendige Art und Weise ihre persönliche Sektion zu erstellen.237
236 Letztendlich muss aber auch hier der Community-Manager aktiv werden und störende Teilneh-
mer gegebenefalls aus der Community ausschliessen.
237 Durch die Integration eines Ratingmechanismus kann weiterhin ein „Community-Profil“ aufge-
baut werden, dass die Meinung der anderen Teilnehmer über den Einzelnen widerspiegelt und
insbesondere neuen Mitgliedern hilft, sich schnell ein erstes Bild von der Stellung des jeweiligen
Mitgliedes innerhalb der Community zu machen. Diese Bewertung ist besonders wichtig, wenn
die Community-Mitglieder, finanzielle Geschäfte treiben, wie dies bei einer Auktionsplattform
wie eBay.com der Fall ist.
346
Entwicklung der Patternsprache
L-Design: Um die Community-Dienstleistungen nutzen zu können, muss sich der Anwender
zunächst auf der Site zurechtfinden. Die Navigationsstruktur muss daher mit den logischen
Strukturen des Kunden übereinstimmen. Kurze Erläuterung erleichtern das rasche Zurechtfinden innerhalb der Site-Struktur (s. Pattern Short Description in Tidwells (1999) Common
Ground). Der Umgang mit den Kommunikationsmöglichkeiten kann weitgehend als bekannt
vorausgesetzt werden. Sprechende Bezeichner und optionale Hilfetexte erleichtern die Anwendung zusätzlich (s. Patterns Optional Detail On Demand und Short Description in Tidwells
(1999) Common Ground). Weiterführende Hilfestellungen sollten lediglich optional angeboten
werden, um bereits mit der Technologie vertraute Kunden nicht zu stören (s. Pattern Helper
Posture und Background Posture in Tidwells (1999) Common Ground).
Die Einhaltung der Gesprächskonventionen kann nur bedingt technisch oder organisatorisch
durchgesetzt werden. Das Wissen über diese Konventionen muss daher in den Köpfen der
Mitglieder implementiert sein (oder werden). Da diese Regeln mit den allgemeinen Gesprächskonventionen weitestgehend übereinstimmen, sollte dies keinen grossen Lernaufwand induzieren. Eine Informationsseite mit den wesentlichen Regeln im Zuge der Registrierung erscheint ausreichend. Ansonsten erfolgt das Erlernen der Regeln durch die Beobachtung der Community-Mitglieder resp. durch deren positive oder negative Reaktion auf
das eigene Verhalten.238
K-Design: Diese Szene stellt besondere Anforderungen an die zur Verfügung gestellten
Kommunikationswerkzeuge. Sie müssen von den Teilnehmern ohne zuvorige Installation
spezieller Software oder die Aufrüstung ihrer Hardware nutzbar sein.
Die Anforderungen an intuitiv nutzbare Schnittstellen und eine klare Strukturierung wurden
bereits im Zuge des L-Designs erläutert.
Ermöglicht die Community private Diskussionsgruppen, die für andere Mitglieder nicht zugänglich sind, so ist die Sicherung dieser Privatsphäre durch geeignete Massnahmen, wie einen Passwortschutz der entsprechenden Sektion, zu gewährleisten.
***
Rational: Gelingt es, eine Interessen-Community um ein Produkt zu etablieren, so kann die
damit verbundene soziale Identität genutzt werden, um die Kunden zunächst an die Community Site und schliesslich an das damit verbunden Produkt zu binden.
Weiterhin befindet sich innerhalb der Kunden-Community eine Menge von Wissen über die
Anwendung des Produktes, über mögliche Problemsituationen und deren Lösungen sowie
insbesondere über die Vorlieben und Präferenzen ihrer Mitglieder. Es gestaltetet sich jedoch
häufig schwierig, dieses Wissen aus den Köpfen der Kunden zu „extrahieren“. Das Wissen
offenbart sich jedoch indirekt in der Kommunikation der Community-Mitglieder untereinander. Es kann dann genutzt werden, um den Service an die Bedürfnisse der Community
238 S. Abschnitt C 2.2.2.2 über soziales Lernen und Abschnitt C 2.2.1.5.1 über die operande
Konditionierung.
Design Patterns für digitale Produkte
347
anzupassen und auf diese Weise den Kundenwert und somit auch die Zufriedenheit des
Kunden zu erhöhen. Weiterhin kann auch ein Teil der Support-Leistungen an die Community „outgesourced“ werden.
Der Kunde wird sich jedoch nur dann an einer Community beteiligen, wenn diese ihm einen
Mehrwert bringt. Dieser Mehrwert kann auf der Befriedigung persönlicher, psychologischer,
sozialer oder ökonomischer Bedürfnisse beruhen: Eine Community formiert sich auf der
Grundlage eines gemeinsamen Interesses. Der Einzelne ist daher daran interessiert, durch
die Teilnahme an gemeinsamen Diskussionsforen sein Wissen auf- und ausbauen zu können.
Dies motiviert ihn zur Nutzung der Community als Informationsquelle (persönlicher Mehrwert). Der soziale Mehrwert beruht auf der Möglichkeit zum sozialen Austausch innerhalb
der Gemeinschaft und der sich dadurch ausbildenden sozialen Bindungen zwischen den
Mitgliedern. Die Community entwickelt im Idealfall eine eigene Identität und bildet eine
neue Bezugsgruppe für ihre Teilnehmer. Durch die Teilnahme an Community-Aktivitäten
kann sich der Einzelne innerhalb der Community etablieren und seine dortige Stellung ausbauen (psychologischer Mehrwert). Durch sein Engagement in der Community kann er
weiterhin einen Einfluss auf die Gestaltung der Community sowie insbesondere auf die
Gestaltung und Weiterentwicklung des Produktes nehmen. Dies erhöht den Wert der Community Site resp. des Produktes, die sich dadurch beide besser an den speziellen Bedürfnissen der Teilnehmer / Kunden ausrichten können (persönlicher und ökonomischer Mehrwert). Die – soziale – Akzeptanz etwaiger Neuerungen kann dann ebenfalls gleich in der
Community getestet resp. ausgebildet werden.
***
Produktvertreter
Spezialisten
Wissensaufbau
...
Anpassung
der Services
Support
Anwender
Community-Mitglieder
Abbildung E 2-72: Diagramm Community
***
Verwandte Patterns: In dieser Szene wird unter anderem Problemlösungswissen in bezug auf
die konkrete Anwendung vermittelt. Das so erworbene Wissen sollte insbesondere bei einem
348
Entwicklung der Patternsprache
Online Service direkt angewendet werden können. Somit ergibt sich hier ein Übergang in die
entsprechende Anwendungsszene.
Weiterhin versucht der Anbieter hier durch die Integration von Informationen über sein Angebot oder über Neuerungen das Interesse der Community-Mitglieder aufrechtzuerhalten
resp. zu wecken. Diese Szene ist somit auch der Awarenessphase zuzuordnen und richtet
sich dabei an bereits gewonnene Kunden. Die Diskussion von Ideen innerhalb der Community wirkt sich zudem auch auf die Einstellung der Kunden aus. Insofern gliedert sich diese
Szene ebenfalls in die Überzeugungs- und Entscheidungsphase ein. Wie beim Pattern individuelle Kundenbetreuung besteht hier somit ein Übergang zu den Phasen der Überzeugung, Entscheidung oder direkt der Verhandlung oder Anwendung.
Etwaige Wissensdefizite in bezug auf die Anwendung der Community-Plattform bedingen
einen Übergang zur Wissensphase, Unsicherheit bzgl. des Schutzes privater Daten den Übergang zur Entscheidungsphase.
F Zusammenfassung und Ausblick
In diesem abschliessenden Kapitel werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengestellt. Ein
Schwerpunkt liegt dabei auf der Darlegung der Besonderheiten der entwickelten Patternsprache für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum. Eine Forschungsarbeit ist nie
wirklich beendet, sondern motiviert spezialisiertere Fragestellungen und mögliche Weiterentwicklungen. Diese werden zum Abschluss des Kapitels erfasst und sollen zu weiterführenden Arbeiten anregen.
F 1 Ergebnisse
Hauptziel dieser Arbeit war die Entwicklung einer Patternsprache zur Unterstützung des
Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum. Diese Zielsetzung wurde in einem
zweistufigen Ansatz erfüllt, bei dem zunächst eine Metasprache sowie ein Vorgehensmodell
zur Instanziierung dieser Metasprache (s. Kapitel E 1) und anschliessend die Patternsprache
selbst entwickelt wurde (s. Kapitel E 2).
Auch die abgeleiteten Forschungsziele konnten in dieser Arbeit erreicht werden (s. Abschnitt
A 3):
• Konkretisierung des Verständnisses des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im
digitalen Wirtschaftsraum: Als Ausgangspunkt und zentrale Grundlage dieser Arbeit
wurde in Teil B der Begriff des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschafsraum definiert sowie dessen Bedeutung in einer im zunehmendem
Masse digitalisierten Wirtschaft herausgearbeitet.
Dabei wurden zunächst die beiden Seiten resp. Sichten auf das Produkt unterschieden,
die beim Design eines Produktes berücksichtigt werden müssen: die Sicht des Kunden
und die Sicht der Produktion. Aus der Sicht des Kunden muss das Produkt sowohl die
funktionalen Anforderungen im Sinne der Befriedigung eines Kundenbedürfnisses, als
auch seine Funktion als Zeichen erfüllen. Die funktionalen Anforderungen bezieht sich
dabei nicht nur auf das Produkt selbst, sondern auch auf den gesamten Anwendungskontext, vom Erwerb des Produktes, über die Anwendung und die Nachbetreuung. In
der Zeichenfunktion muss das Produkt lesbar sein, sowohl was seine Funktionsweise
aber vor allem auch was seine Bedeutung (im sozialen Umfeld) sowie seine Einordnung in sein Anwendungsumfeld anbelangt. Voraussetzung für den Erfolg eines Produktes ist somit nicht nur die optimale Ausrichtung des Produktes und des Anwendungskontextes auf das Bedürfnis des Kunden, sondern in einem ersten Schritt auch
der Aufbau von Wissen über das Produkt beim Kunden. Er muss das Produkt und
seine Bedeutung kennen und verstehen, um das Produkt erwerben zu wollen und im
Anschluss daran richtig anwenden zu können. Diese Wissensvermittlung, die Implementation II, kann dabei sowohl durch die Kommunikation über das Produkt als auch
durch die Kommunikation durch das Produkt selbst erfolgen. Schliesslich wurde argumentiert, dass durch die Einbettung eines digitalen Produktes in einen digitalen
Wirtschaftsraum alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion vom Aufbau des Wissens
349
350
Zusammenfassung und Ausblick
über das Produkt über den Erwerb bis zur Anwendung des Produktes in digitalen Interaktionsräumen abgebildet werden können. Dies führte zur Definition des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum: einem Design,
das auf die Optimierung des Kundenwertes des Produktes (und seines Anwendungskontextes) ausgerichtet ist, das alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion umfasst
und dabei die beiden Aspekte eines Produktes als Funktion und als Zeichen berücksichtigt.
• Bestimmung der Charakteristika digitaler Produkte: Zentral für das Design digitaler Produkte war das Verständnis der Besonderheiten digitaler Produkte und des digitalen
Wirtschaftsraumes, in den sie eingebettet sind. In Kapitel C 1wurde daher, nach einer
ausführlichen Übersicht über gängige Definitionen und Kategorisierungsschemata, zunächst das in dieser Arbeit zugrundegelegte Begriffsverständnis festgelegt. Im Anschluss daran wurden die Charakteristika digitaler Produkte und deren Auswirkungen
insbesondere aus der Sicht des Kunden herausgearbeitet. Als das zentrale Gütekriterium des kundenzentrierten Designs wurde schliesslich der Kundenwert eines Produktes genau definiert und untersucht, wie dieser Wert speziell bei digitalen Produkten erhöht werden kann.
• Bestimmung des Anwendungskontextes digitaler Produkte: Bei der Definition des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte wurde gefordert, dass alle Phasen der KundeProdukt-Interaktion berücksichtig werden. In Abschnitt C 2.1 wurde daher genau dieser Anwendungskontext definiert. Dazu wurden die gängigen Phasenmodelle zur Beschreibung der Kunde-Produkt-Interaktion vorgestellt und in einem umfassenden
Modell integriert. Wesentliche Komponenten waren die Modelle der Adoption von Innovationen und der Geschäftstransaktion.
• Analyse des Konsumentenverhaltens: Um die Ausgestaltung der einzelnen Phasen und
insbesondere der dem eigentlichen Erwerbs- und Anwendungsprozess vorgelagerten
Phasen besser zu verstehen, wurden im Abschnitt C 2.2 die wesentlichen Theorien der
Konsumentenforschung dargelegt und ihre Auswirkungen auf die Gestaltung der Szenen der Kunde-Produkt-Interaktion herausgearbeitet.
• Analyse des Patternansatzes sowie der bestehenden Patternsysteme und Herausarbeitung der
bestehenden Defizite: Zur Unterstützung des Designprozesses sollte das Designwissen in
dieser Arbeit in Form von Design Patterns beschrieben werden. In Kapitel D 1 wurden
dazu die wesentlichen Konzepte des Patternansatzes dargestellt. Neben der Darlegung
der damit verbundenen Methodik zur Ableitung, Speicherung und Anwendung von
Designwissen, stand die Herausarbeitung der Überlegenheit dieses Ansatzes gegenüber alternativen Ansätzen zum Wissensmanagement von Designwissen im Vordergrund.
Der Patternansatz wurde bereits in verschiedenen Disziplinen verwendet. Besonders
auch inhaltlich relevant sind dabei die Patterns des Human Computer Interaktion
Designs, des Designs von Hypermedia-Applikationen sowie des Design von EC-Applikationen. In Kapitel D 2 wurden die verschiedenen Patternansätze vorgestellt.
Untersucht wurden vor allem ihre Defizite sowie ihre Bedeutung für die zu entwickelte Patternsprache für digitale Produkte.
Design Patterns für digitale Produkte
351
• Entwicklung einer Metasprache: Wie im Zuge der Übersicht über bestehende Patternsprachen gezeigt werden konnte, mangelt es diesen Ansätzen an einer geeigneten Strukturierung der Patterns und vor allem deren Zusammenhängen. Mit der in Kapitel E 1
entwickelten Metapatternsprache konnte diesem Defizit erfolgreich begegnet werden.
• Ableitung der Design Patterns: In Kapitel E 2 wurde dann der Patternansatz auf der
Grundlage der entwickelten Metasprache dazu angewendet, eine Patternsprache für
das Design digitaler Produkte zu entwickeln. Wie initial gefordert, erfasst sie alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion und berücksichtigt dabei die Kenntnisse über das
Konsumentenverhalten sowie die Eigenschaften digitaler Produkte.
• Anwendung des Modells von Medien und der Theatermetapher: In der Patternsprache wurden die für digitale Produkte charakteristischen Interaktionsbeziehungen zwischen
Kunde und Produkte sowie die temporalen Strukturen in und zwischen den Szenen
der Kunde-Produkt-Interaktion erfasst und umgesetzt. Die Strukturierung basierte dabei auf den am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement entwickelten
Modellen von Medien sowie deren Operationalisierung in Form der Theatermetapher239.
F 2 Besonderheiten des Ansatzes
Nachdem im vorangegangenen Abschnitt erläutert wurde, dass und wie die einzelnen Ziele
dieser Arbeit erreicht wurden, werden im folgenden die Besonderheiten dieses Ansatzes zusammengestellt.
Metasprache als Ordnungsrahmen zur systematischen Entwicklung der Patternsprache
Das Design digitaler Produkte wurde in dieser Arbeit definiert als das Design aller Interaktionsräume, in denen der Kunden mit dem Produkt zusammentrifft oder / und interagiert. Es
umfasst somit alle Szenen des Theaterstückes der Kunde-Produkt-Interaktion sowie insbesondere auch die Übergänge resp. Abhängigkeiten zwischen den Szenen. Diese Relationen
gestatten die explizite Gestaltung des Zusammenspiels zwischen allen Szenen, durch die sich
diese zu einem positiven Gesamterlebnis für den Kunden ergänzen.
Voraussetzung für die Entwicklung der Patternsprache für das Design digitaler Produkte
war daher eine klare Strukturierung auf der Metaebene, die eine Erfassung der Szenen und
der diversen Relationen zwischen den Szenen ermöglicht. Die in dieser Arbeit entwickelte
Metasprache wurde diesen Anforderungen gerecht. Mit ihrem Gerüst aus neun verschiedenen Szenenclustern umfasst sie alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion und mit ihren
vielfältigen insbesondere zeitlichen und inhaltlichen Beziehungen die zentralen Abhängigkeiten und Übergänge zwischen den entsprechenden Szenen.
Eine Besonderheit dieses Ansatzes besteht in diesen multi-dimensionalen Relationen zwischen den Patterns. Tradierte Ansätze berücksichtigen lediglich eine Relation, die der Ver239 In dieser Arbeit konnte daher gezeigt werden, dass diese Modelle erfolgreich für die Beschreibung
von Designlösungen digitaler Produkte angewendet werden können (s. Kapitel E 2).
352
Zusammenfassung und Ausblick
feinerung. Insbesondere im HCI Design wurde zwar die Erfassung von zeitlichen Abhängigkeiten in und zwischen den Patterns wiederholt gefordert (s. Abschnitt D 2.3), die bisherigen
Ansätze werden diesen Anforderungen jedoch nicht gerecht. Auch die Patternansätze für
das Design von Electronic Commerce Anwendungen lassen eine klare Strukturierung sowie
insbesondere die Erfassung der zeitlichen und inhaltlichen Abhängigkeiten vermissen.
Die hier entwickelte Patternsprache ist somit der erste Ansatz, der mit der Entwicklung einer
Metasprache eine umfassende Strukturierung der Patterns auf der Instanzenebene ermöglicht. Im Gegensatz zu den bisherigen Ansätzen werden dabei nicht nur statische Strukturen,
sondern weiterhin auch die inhaltlichen und insbesondere zeitlichen Beziehungen zwischen
den Patterns erfasst.
Entwicklung einer umfassenden Patternsprache
Aufbauend auf dem durch die Metasprache geschaffenen Strukturgerüst wurde in dieser
Arbeit eine umfassende Patternsprache entwickelt, die, abgesehen von der sehr produktspezifischen Anwendungsphase, die zentralen Szenen aller Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion erfasst. Weiterhin definiert sie die inhaltlichen Abhängigkeiten und zeitlichen Übergänge zwischen den Szenen, durch die sich die entsprechenden Szenen zu einem kongruenten Gesamttheaterstück ergänzen. Bei diesem Patternansatz handelt es sich somit tatsächlich
um eine Pattern-„sprache“, die das weitestgehend vollständige Design digitaler Produkte
ermöglicht.
Die bisherigen Ansätze, insbesondere aus dem Design von Electronic Commerce-Applikationen, stellen dagegen zumeist lediglich Patternsammlungen dar. Sie decken weder alle Szenen der Kunde-Produkt-Interaktion ab, noch ermöglichen sie durch die fehlenden Verbindungen zwischen den Szenen die Ableitung eines vollständigen Designs aus der kundenzentrierten Perspektive und unter Berücksichtigung aller Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion. Insbesondere die dem eigentlichen Erwerb vorgelagerten Szenen der Kommunikation über das Produkt werden hier zumeist vernachlässigt.
Ausrichtung des Designs auf den Kundenwert
Im Sinne der QWAN ist die in dieser Arbeit entwickelte Patternsprache auf die Optimierung
des Kundenwertes und somit auf das optimale Erlebnis des Anwenders sowie auf die Erreichung der einzelnen Phasenziele der Kunde-Produkt-Interaktion ausgerichtet.
Bei den verwandten Ansätzen aus der HCI-Forschung erfasst die QWAN lediglich die Lesbarkeit und die Anwendbarkeit des resultierenden Software-Artefakts. Die Patterns für ECAnwendungen erweitern dieses Verständnis z.T. um ein „Äquivalent“ des Kundenwerts.
Dabei wird jedoch nicht definiert, was genau unter diesem Kundenwert zu verstehen ist.
Weiterhin wird in den Patterns nicht deutlich, ob und wie die Lösungen konkret auf die Erreichung eines wie auch immer gestalteten Kundenwertes hinwirken.
Die vorliegende Arbeit ist somit der erste Ansatz, der die Ausrichtung auf den Kundenwert
konsequent verfolgt und weiterhin auch systematisch umsetzt. Dabei wird in jedem Pattern
in der Komponente Rational erläutert, wie die vorgeschlagene Designlösung den Wert der
jeweiligen Szene für den Kunden erhöht.
Design Patterns für digitale Produkte
353
Theoretische Fundierung der Patterns
Der Patternansatz in seiner Reinform beruht darauf, in der Designpraxis bewährte Lösungen
auf wiederkehrende Designprobleme systematisch zu erfassen und diese dann anderen Designern zur Verfügung zu stellen. Design Patterns generalisieren daher in der Praxis bewährte Designlösungen. Weiterhin ist die so abgeleitete Lösung um eine Begründung von
deren Funktionsweise zu ergänzen. Das erhöht das Verständnis und erleichtert die Weiterentwicklung der Lösungen. Eine solche systematische Erklärung auf der Grundlage eines
fundierten Theoriegerüsts bleibt jedoch bei allen bisherigen Ansätzen aus. Insbesondere bei
jungen und sehr dynamischen Designdisziplinen, wie dem Design digitaler Produkte, ist die
rein empirische Fundierung der Patterns aufgrund der noch fehlenden praktischen Designerfahrung jedoch auch kaum möglich.
Daher wurde die Herleitung der Patternsprache in dieser Arbeit auf eine zweite – theoretische – Säule gestellt. Kenntnisse aus der Konsumentenforschung dienten der Motivation und
der Erklärung für das Zustandekommen von Problemsituationen sowie für die Funktionsweise der vorgeschlagenen Lösungen. Kenntnisse über die Besonderheiten digitaler Produkte dienten vor allem der Herleitung der Lösungen selbst. Best Practice Cases wurden
dann zur Illustrierung und Validierung der Patterns genutzt und lieferten insbesondere die
Ideen für die konkrete Umsetzung der Lösungsmuster.
Die hier entwickelte Patternsprache ist somit die erste Patternsprache mit einem sauberen
theoretischen Fundament und einer empirischen Validierung. Durch die Integration der
Theorie ist es möglich, das Design weitestgehend unabhängig von der konkreten Technologie zu beschreiben. In einem sehr dynamischen Umfeld, wie dem digitaler Medien, ist eine
theoretische Fundierung daher entscheidend für den (langfristigen) Nutzen der Designmethode.
Ein offener Ansatz
Wie soeben erläutert, basiert die hier entwickelte Patternsprache auf zwei Säulen, einer theoretischen und einer praktischen. Diese Integration von Theoriewissen und Praxiswissen in
einer Sprache gestattet die wechselseitige Weiterentwicklung sowohl der Sprache als auch
des theoretischen Fundaments: Neue Erkenntnisse der Konsumentenforschung sowie neue
Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie ermöglichen und fordern
neue Gestaltungsmöglichkeiten und führen so zur Anpassung der Patternsprache.240 Andererseits kann jedoch auch das im Zuge des Designprozesses und insbesondere der Anwendung der Design Patterns gewonnene Praxiswissen zu einer Anpassung der Patternsprache und weiterhin auch zur Überprüfung der zugrundeliegenden Theorien führen.241
240 Aufgrund der Abstraktion von Implementierungsdetails sollten die Patterns jedoch relativ resi-
stent gegenüber technischen Neuerungen sein.
241 Siehe auch Ausführungen in Kapitel A 5.1.
354
Zusammenfassung und Ausblick
Bei der hier entwickelten Patternsprache handelt es sich somit um einen offenen Ansatz.
Neue Patterns, aber auch neuer Theorieansätze, können leicht in das bestehende Framework
eingegliedert werden. Die Eigenschaft der Offenheit ist essentiell für das dynamische und
noch wenig erforschte Gebiet neuer Medien, für das die Entwicklung geschlossener Ansätze
mit einem Anspruch auf Vollständigkeit nicht angebracht erscheint.
Weiterhin konnte in der Arbeit gezeigt werden, dass sich die Patterns anderer Ansätze aus
verwandten Disziplinen in die Patternsprache für digitale Produkte integrieren lassen.242 Relevant für diese Arbeit waren neben den Patterns für das Design von EC-Applikationen vor
allem die Patterns des HCI Designs sowie des Designs von Hypermedia-Applikationen. Sie
liessen sich vorrangig im Zuge der Verfeinerung resp. der informationstechnischen Umsetzung der Lösung in das Kanaldesign eingliedern.243 Die hier entwickelte Patternsprache
ist daher auch offen für die Integration anderer Patterns und unterstützt damit die in der
Patternforschung vielfach geforderte, aber bisher nicht erreichte, Integration unterschiedlicher Patternansätze.
Interdisziplinarität der Patternsprache
Bei digitalen Produkten handelt es sich um sozio-technische Systeme. Menschen interagieren
mit künstlichen Agenten oder mit anderen menschlichen Agenten über ein digitales Medium. Beim Design einer Patternsprache für digitale Produkte müssen daher sowohl die organisatorischen Aspekte der Gestaltung der Interaktionsbeziehungen, als auch die logischen
Aspekte der verständlichen Abbildung sowie die informationstechnischen Aspekte der technischen Umsetzung beachtet werden. Die Abbildung aller dieser Aspekte in einer Sprache
gestattet die gleichzeitige Berücksichtigung der verschiedenen Anforderungen und fördert
dabei das gegenseitige Verständnis der verschiedenen am Design beteiligten Stakeholder.
Dies sind hier vorrangig der Kunde, der Schnittstellendesigner und der Software-Ingenieur.
Die Patternsprache bildet damit die Grundlage für einen interdisziplinären und partizipativen Designprozess.
Insbesondere beim HCI Design, beim Design von Hypermedia-Applikationen sowie auch
beim Design von EC-Applikationen erheben einige Ansätze den Anspruch der Interdisziplinarität. Sie erfassen die verschiedenen Designaspekte jedoch zumeist in getrennten, nicht
integrierten Sprachen (s. Abschnitt D 2). Erfolgt eine Betrachtung in einer Sprache, wie dies
bei den Patternansätzen für EC-Applikationen z.T. der Fall ist, so fehlen eine systematische
Darlegung und Verbindung der verschiedenen Ansätze. Die vorliegende Arbeit nutzt das
Medienreferenzmodell resp. die Theatermetapher zur Modellierung der verschiedenen Designaspekte in einem Modell und erfüllt daher als erste Patternsprache die Anforderungen
an die Interdisziplinarität.
242 Dabei wurden direkt in die Patterns der eigenen Sprache Verweise auf die entsprechenden Pat-
terns anderer Ansätze aufgenommen.
243 Einige der Patterns für das Design von EC-Applikationen lieferten weiterhin auch Hinweise für
die Gestaltung des Interaktionsdesigns.
Design Patterns für digitale Produkte
355
Systematische Methodik zur Unterstützung des Designs erfolgreicher digitaler Produkte
Die hier entwickelte Patternsprache dient insbesondere der Unterstützung des Designprozesses digitaler Produkte. Die Art der Designunterstützung in Form einer ProblemstellungsLösungskombination erleichtert die zielgerichtete Konstruktion digitaler Produkte. Die in
die Patterns integrierte Begründung der Lösung erhöht das Verständnis und erleichtert die
richtige Anwendung der Patterns. Die Patterns fokussieren dabei auf den Kern der Lösung
und abstrahieren somit weitestgehend von konkreten Implementierungsdetails. Im Gegensatz zu den weitverbreiteten Style Guides sind sie somit unabhängig von bestimmten Umsetzungswerkzeugen, gleichzeitig sind sie jedoch im Vergleich zu den ansonsten vorherrschenden allgemeinen Richtlinien konkret genug, um direkt Lösungen ableiten zu können.
Die hier entwickelte Patternsprache wird somit den Anforderungen an eine Patternsprache
in bezug auf ihren Einsatz zur Unterstützung des Designprozesses gerecht und füllt damit
eine Lücke, die im Bereich der Gestaltung von digitalen Produkten bisher noch vorherrschte.
F 3 Ausblick
Die in dieser Arbeit entwickelte Patternsprache zählt zu einer der ersten Arbeiten, die den
Patternansatz für die Unterstützung des Designs digitaler Produkte verwenden. Sie eröffnet
somit ein neues Forschungsfeld, in dem sich noch vielfältige Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und Erweiterung identifizieren lassen. Diese Arbeit soll daher mit Hinweisen auf
zentrale weiterführende Arbeiten abgeschlossen werden.
Weiterführende empirische Validierung
Die Herleitung und Validierung der Patterns dieser Arbeit basierte auf zwei Säulen: einer
Theoriesäule und einer Praxissäule. Eine empirische Validierung fand dabei nur in einem beschränkten Ausmass statt. Sie war jedoch angesichts der noch jungen Disziplin des Designs
digitaler Produkte, in der es noch kaum erprobte Best Practice Lösungen gibt, auch nur bedingt möglich. Im Zuge der Anwendung der Patterns für das Design konkreter digitaler
Produkte sollten die Patterns jedoch vertieft empirisch validiert und weiterentwickelt und
damit der zyklische Forschungsprozess fortgesetzt werden (s. Abschnitt A 5.1).
Die Qualität der Patterns wurde am Kundenwert gemessen. Daher sollte eine empirische
Überprüfung der entwickelten Patternsprache insbesondere unter Einbeziehung der Anwender stattfinden. Eine solche Überprüfung kann auch technisch unterstützt werden. Dabei
reichen die Möglichkeiten von der Online-Befragung der Kunden bis zur Protokollierung
des Kundenverhaltens mit einer anschliessenden Aufbereitung der Daten. Alternativ können
auch verschiedene Beobachtungstechniken angewandt werden (s. z.B. (Creative Good 2000)).
Ergänzung produktspezifische Patternsprachen
Die in dieser Arbeit entwickelten Patternsprache fokussiert auf das Design der Szenepatterns, die der eigentlichen Anwendung des Produktes vor- und nachgelagert sind. Diese
stellen relativ unabhängig vom spezifischen Produkttyp die gleichen Anforderungen an ihre
Gestaltung.
356
Zusammenfassung und Ausblick
In nachfolgenden Arbeiten ist diese Patternsprache um die Patterns der Anwendungsphase
zu ergänzen. Dazu müssen zunächst Produktgenres identifiziert werden, die sich in ihrer
Kunde-Produkt-Interaktion ähneln. Die Gestaltung jedes dieser Produktgenres umfasst somit ein eigenes (Sub-) Theaterstück, dessen optimale Gestaltung mittels einer Sub-Patternsprache beschrieben werden kann.
Ableitung von Subsprachen
Ziel dieser Arbeit war es, eine Patternsprache zu entwickeln, die möglichst alle Phasen der
Kunde-Produkt-Interaktion umfasst. Dabei wurden einzelnen Szenen identifiziert, die sich
durch ein gemeinsames Ziel sowie eine bestimmte organisatorische Zusammenstellung der
beteiligten Akteure auszeichneten. Die Gestaltung jeder dieser Szenen wurde dann in einem
Pattern erfasst.
In vielen Szenen lassen sich jedoch Subszenen finden, die gleichzeitig in verschiedenen anderen Szenen vorkommen. Ein Beispiel wäre eine einfache Suche. Im Sinne der Wiederverwendbarkeit von Designlösungen (und deren Umsetzung) erscheint es daher sinnvoll, diese
Szenen zu identifizieren. Auf diese Weise entsteht eine Hierarchie von Szenen unterschiedlicher Granularität, wobei die „übergeordneten“ Patterns vor allem das Zusammenspiel der
„untergeordneten“ Patterns erfassen.
Einbettung in Knowledge Management Lösung
Design Patterns dienen der strukturierten Speicherung von gutem und idealerweise bereits
bewährtem Designwissen. Sie dienen somit vor allem der Bewahrung von Wissen. Die Art
der Beschreibung des Designwissens im Sinne einer Kombination aus Problembeschreibung
und Lösung unterstützen eine einfache Anwendung der Patterns. Die weitestgehend unformale Art der Patterns erleichtert es dabei auch unerfahreneren Designern, diese Patterns für
die Lösung ihrer Probleme einzusetzen. Patterns dienen somit insbesondere der Nutzung von
Wissen. Schliesslich bilden Patternsprachen auch eine Grundlage für die Diskussion von Designlösungen und somit auch der Weiterentwicklung und Verbreitung von Designwissen.
Insgesamt stellen Patterns daher eine Grundlage für das Management von (Design-) Wissen
dar. Wissensmanagement bedarf jedoch nicht nur eines „Gefässes“ zur Ablage und zum Retrieval von Wissensinhalten, wie dies durch die Patternsprache gegeben ist, sondern weiterhin einer organisatorischen Einbettung und wenn möglich einer technischen Unterstützung
zur Ablage und zum Retrieval der Patterns. Die Anwendung, Verbesserung und Weiterentwicklung der Design Patterns ist in den Arbeitsprozess der Designer digitaler Produkte zu
integrieren. Ein möglicher Ansatz, der sich im Unternehmensumfeld insbesondere im Bereich des Software Engineerings etabliert hat, ist die sogenannte „Experience Factory“, ein
Ansatz zur Unterstützung des Wissensmanagements in Projektorganisationen (Basili et al.
1994). Die zentrale Idee dieses Ansatzes besteht darin, die Aufgaben der Wissensaufbereitung und Unterstützung in eine eigene organisatorische Einheit auszulagern. Diese umfasst
dann die organisatorischen Rollen des „Experience Engineers“ für die Erfahrungsbewahrung
und -weiterentwicklung, des Experience Factory Managers für die strategische Ausrichtung
der Experience Factory sowie des Project Supporters für die Betreuung und Mitarbeit in
Projekten. Im wissenschaftlichen Umfeld haben sich insbesondere für die Weiterentwicklung
Design Patterns für digitale Produkte
357
der Patterns Institutionen in Form von Mailinglisten und eigenen Konferenzreihen entwickelt. Auf technischer Ebene ist der Patternansatz durch entsprechende Patterndatenbanken zu unterstützen, die das Ablegen, das Auffinden und die Weiterentwicklung der
Patterns unterstützen.
Mit dieser Arbeit wurde ein erster Schritt bei der Entwicklung einer auf dem Patternansatz
basierten Methode zur Unterstützung des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte
getan. Dabei ist zu erwarten, dass im Zuge der zunehmenden Digitalisierung des Wirtschaftssystems die Bedeutung derartiger Unterstützungswerkzeuge rapide zunehmen wird.
Patternsprachen stellen dabei ein lebendiges und dynamisch an die Anforderungen und
Möglichkeiten der sie umgebenden Realität anpassbares Werkzeug dar. Daher soll diese Arbeit mit dem Appell an die Praxis sowie auch an die Wissenschaft enden, diese Sprache zu
leben und sie in der Diskussion und Anwendung weiterzuentwickeln.
358
Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Aamodt, A. & Plaza, E. 1994, "Case-based reasoning: Foundational issues, methodological
variations, and system approaches", AI Communications, vol. 7, no. 1, pp. 39-59.
Adriaans, P. & Zantinge, D. 1996, Data Mining, Addison-Wesley, Harlow, England.
Ajzen, I. 1988, Attitudes, Personality and Behavior, Open University Press, Milton Keynes,
England.
Alexander, C. 1979, The Timeless Way of Building, Oxford University Press, New York.
Alexander, C.; Ishikawa, S.; Silverstein, M.; Jacobson, M.; Fiksdahl-King, I.; & Angels, S. 1977,
A Pattern Language: Towns, Buildings, Construction, Oxford University Press, New
York.
Alexander, C.; Silverstein, M.; Angel, S.; Ishikawa, S.; & Abrams, D. 1988, The Oregon
Experiment, Oxford University Press, Oxford.
Alt, R.; Cathomen, I. & Klein, S. 1995, "CIL-Computerintegrierte Logistik", Arbeitsbericht, no.
IM2000/CCEM/21, Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI4) an der Universität St.
Gallen, St. Gallen.
Amazon.com Inc. 2000, "Annual Report 1999 Form-10K".
Amazon.com Inc. 2001, "Annual Report 2000 Form 10-K".
Ambler, S. W. 2001, The Object Primer, 2 edn, Cambridge University Press.
Amit, R. & Zott, C. 2000, "Value Drivers of e-Commerce Business Models", INSEAD Working
Paper, INSEAD, Fontainebleau.
Antoci, A.; Cui, Q.; Dodge, A.; Escobari, M.; Lui-Kwan, K. & Ranese, T. 2000, The taxation of
digital goods: technology, URL: http://www.ksg.harvard.edu/project1/tech.html,
letzter Zugriff: 10-11-2001.
Antonides, G. & van Raaij, W. F. 1998, Consumer Behaviour, John Wiley & Sons.
Apple Computer 1992, Macintosh Human Interface Guidelines, Addison-Wesley, Reading, MA.
Appleton, Brad 14-2-2001, Patterns and Software: Essential Concepts and Terminology, URL:
http://www.enteract.com/~bradapp/docs/patterns-intro.html, letzter Zugriff: 289-2001.
Armour, P. G. 2000, "The Case for a New Business Model", Communications of the ACM, vol.
43, no. 8, pp. 19-22.
Arthur, W. B. 1996, "Increasing Returns and the New World of Business", Harvard Business
Review, vol. 74, no. 4, pp. 100-109.
Asdonk, J.; Bredeweg, U. & Kowol, U. 1991, "Innovation als rekursiver Prozess - Zur Theorie
und Empirie der Technikgenese am Beispiel der Produktionstechnik", Zeitschrift für
Soziologie, no. 4, pp. 290-304.
Austermann, A. & Lange, C. 2001, Java 2 mit Methode, C&L Computer und Literaturverlag,
Böblingen.
Backhaus, K. 1995, Investitionsgütermarketing, Vahlen, München.
Bakos, J. Y. 1998, "The Emerging Role of Electronic Marketplaces on the Internet",
Communications of the ACM, no. 41, pp. 36-42.
359
360
Zusammenfassung und Ausblick
Bakos, J. Y. 1991, "A Strategic Analysis of Electronic Marketplaces", MIS Quarterly, vol. 15,
no. 3, pp. 295-310.
Bandura, A. 1977, Social Learning Theory, Prentice-Hall, Englewood Cliffs, NJ.
Barfield, L.; van Burgsteden, W.; Lanfermeijer, R.; Ossewold, J.; Rijken, D. & Wegner, P. 1994,
"Interaction design at the Utrecht School of the Arts", SIGCHI Bulletin, vol. 26, no. 3,
pp. 49-79.
Basili, V. R.; Caldiera, G. & Rombach, H. D. 1994, "Experience factory", in Encyclopedia of
Software Engineering, J. Marciniak, ed., John Wiley and Sons, pp. 469-576.
Bass, F. M. 1969, "A New Product Growth Model for Consumer Durables", Management
Science, vol. 15, pp. 215-227.
Bauer, R. A. 1960, "Consumer Behavior as Risk Taking", in Dynamic Marketing for a Changing
World, R. S. Hancock, ed., American Marketing Association, Chicago, pp. 389-398.
Bayle, E.; Bellamy, R.; Casaday, G.; Erickson, T.; Fincher, S.; Grinter, B.; Gross, B.; Lehder, D.;
Marmolin, H.; Moore, B.; Potts, C.; Skousen, G. & Thomas, J. 1998, "Putting It All
together: Towards a Pattern Language for Interaction Design", SIGCHI Bulletin, vol.
30, no. 1, pp. 17-23.
Bänsch, A. 1989, Käuferverhalten, R. Oldenbourg Verlag, München / Wien.
Bearden W.O. & Etzel, M. J. 1982, "Reference Group Influence on Product and Brand
Purchase decision", Journal of Consumer Research, vol. 9, no. 183, p. 194.
Bearden W.O.; Netemeyer, R. G. & Teel, J. E. 1989, "Measurement of consumer susceptibility
to interpersonal influence", Journal of Consumer Research, vol. 15, no. 3, pp. 73-81.
Beedle, M. 1997, Reengineering the Application Development Process, SIGS, New York.
Behrens, G. 1991, Konsumentenverhalten: Entwicklung, Abhängigkeiten, Möglichkeiten, Physica
Verlag, Heidelberg.
Behrens, G. 1995, "Lerntheorien", in Handwörterbuch des Marketing, 2 edn, B. Tietz; R. Köhler
& J. Zentes, eds., Schäffer-Poeschel, Stuttgart, pp. 1405-1415.
Berryman, K.; Harrington, L.; Layton-Rodin, D. & Rerolle, V. 1998, "Electronic Commerce:
Three Emerging Strategies", McKinsey Quarterly no. 1, pp. 152-159.
Bichler, M. 1999 , "Decision Analysis - A Critical Enabler for Multi-attribute Auctions", in
Proceedings of the Twelfth International Bled Electronic Commerce Conference, Bled,
Slovenia.
Bieber, M. & Kacmar, J. 1995, "Designing hypertext support for computational applications",
Communications of the ACM, vol. 38, no. 8, pp. 99-109.
Bieberbach, F. & Hermann, M. 1999 , "Die Substitution von Dienstleistungen durch
Informationsprodukte auf elektronischen Märkten", in Electronic Business
Engineering, 4. internationale Tagung Wirtschaftsinformatik 1999, A.-W. Scheer & N.
Markus, eds., pp. 67-81.
Binmore, K. 1999 , "New Rules for the Digital Economy: Who Are the Winners?", in
Information Society Technologies (IST) Conference 1999, Helsinki.
Bode, J. 1997, "Der Informationsbegriff in der Betriebswirtschaftslehre", Schmalenbachs
Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, vol. 49, no. 5, Handelsblatt, Düsseldorf
u.a., pp. 449-468.
Design Patterns für digitale Produkte
361
Borchers, J. 2000a, A Pattern Approach to Interaction Design, John Wiley & Sons, LTD,
Chichester, u.a.
Borchers, J. 2000b, "CHI meets PLoP: An interaction patterns workshop", SIGCHI Bulletin,
vol. 32, no. 1, pp. 9-12.
Borchers, J. 2001, "A pattern approach to interaction design", AI & Society International Journal
of Human-Centred Systems and Machine Intelligence special issue: Communication in
Design.
Borchers, J.; Fincher, S.; Griffiths, R. N.; Pemberton, L. & Siemon, E. 1999, "Usability Pattern
Language: creating a community", Workshop at INTERACT '99.
Boulton, R. E. S.; Liebert, B. D. & Samek, S. M. 2000, "A Business Model for the New
Economy", Journal of Business Strategy, vol. 21, no. 4, pp. 29-35.
Bourne, F. S. 1972, "Der Einfluss von Bezugsgruppen beim Marketing", in Marketingtheorie Verhaltensorientierte Erklärungen von Marktreaktionen, W. Kroeber-Riehl, ed., Köln, pp.
141-155.
Boutellier, R. & Gassmann, O. 1996, "Internationales Innovationsmanagement - Trends und
Gestaltungsmöglichkeiten", in Internationales Innovationsmanagement, O. Gassmann
& M. von Zedtwitz, eds., Vahlen, München, pp. 281-301.
Boutellier, R.; Grassmann, O. & von Zedtwitz, M. 1999, Managing Global Innovation Uncovering the Secrets of Future Competitiveness, Springer, Berlin.
Boutellier, R. & Kiss, E. 1996, "Wie Industriedesign und Innovation neue Märkte schaffen", io
Management Zeitschrift, vol. 65, no. 4, pp. 24-28.
Boutellier, R. & Lach, C. 2000, Produkteinführung - Herausforderung für Marketing und Logistik,
Carl Hanser Verlag, München, Wien.
Boutellier, R. & Völker, R. 1997, Erfolg durch innovative Produkte, Carl Hanser Verlag,
München, Wien.
Box, G. E. & Luceno, A. 1997, Statistical Control: By Monitoring and Feedback Adjustment, Wiley,
New York.
Brandtweiner, R. 2000, Differenzierung und elektronischer Vertrieb digitaler Informationsgüter,
Symposium Publishing, Düsseldorf.
Brandtweiner, R.; Loicht, R., & Scharl, A. 1998, "Die Internet-induzierte Digitalisierung der
Ware", Forum Ware, vol. 1, no. 4, pp. 37-40.
Brehm, J. W. 1966, A Theory of Psychological Reactance, Academic Press, New York u.a.
Brenner, W. R.; Zarnekow, H. & Wittig, H. 2001, Intelligente Softwareagenten - Grundlagen und
Anwendungen, Springer, Berlin, Heidelberg.
Brösse, U. 1997, Einführung in die Volkswirtschaftslehre - Mikroökonomie, R. Oldenburg Verlag,
München, Wien.
Bullinger, H. J. 1997, "Dienstleistungen für das 21. Jahrhundert - Trends, Visionen,
Perspektiven", in Dienstleistungen für das 21. Jahrhundert, H. J. Bullinger, ed.,
Stuttgart, pp. 27-64.
Burkert, H. 2000, "Von künftigen Aufgaben des Informationsrechts", in Recht und
Internationalisierung : Festgabe gewidmet dem Schweizerischen Juristenverein anlässlich
des Juristentags 2000 in St. Gallen, C. Meier-Schatz & R. J. Schweizer, eds., Schulthess,
Zürich, pp. 155-173.
362
Zusammenfassung und Ausblick
Burkert, H. 2001 , "Internet for free - forever?", in Vortrag zum 2. Mainzer Mediengespräch des
Mainzer Medieninstituts.
Buschmann, F.; Meunier, R.; Rohnert, H.; Sommerlad, P. & Stal, M. 1996, Pattern-oriented
Software Architecture: A System of Patterns, John Wiley & Sons LTD.
Cannon, W. B. 1932, The Wisdom of the Body, Norton, New York.
Casaday, G. 1997 , "Notes on a Pattern Language for Interactive Usability", in Conference on
Human Factors in Computing Systems (CHI) '97, Atlanta, GA, ACM, New York, pp.
289-290.
Chapanis, A. & Budurka, W. J. 1990, "Behaviour and information technology", Specifying
Human-Computer Interface Requirements, vol. 9, no. 6, pp. 476-492.
Chavez, A. & Maes, P. 1996 , "Kashbah: An Agent Marketplace for Buying and Selling
Goods", in Proceedings of the First International Conference on the Practical Application of
Intelligent Agents and Multi-Agent Technology, London, UK.
Cherian, J. & Desphande, R. 1985 , "The Impact of Organizational Culture on the Adoption of
Industrial Innovation", in American Marketing Association Educator's Proceedings, pp.
30-34.
Churchill, E. F. 2001, Collaborative virtual environments digital places and spaces for interaction,
Springer, London.
Clarke, R. 2000, Electronic Commerce Definitions, URL: http://www.anu.edu.au/people/Roger.Clarke/EC/ECDefns.html, letzter Zugriff: 13-11-2001.
Coad, P. & Mayfield, M. 1999, Design mit Java: bessere Applets Anwendungen, Prentice-Hall,
München.
Cohen, S. S.; Delong, J. B. & Zysman, J. 2000, "Tools for Thought: What is New and Important
About the "E-conomy"?", BRIE Working Paper, no. 138, BRIE, Berkeley, CA.
Conallen, J. 1999, Building Web Applications with UML, Addison-Wesley.
Coplien,
James O. 2001, A Pattern Definitions, in Patterns Home Page,
http://hillside.net/patterns/definition.html, letzter Zugriff: 13-11-2001.
URL:
Coplien, J. O. 1992, Advanced C++ Programming Styles and Idioms, Addison-Wesley, Reading,
MA.
Coplien, J. O. 1994, "Software Design Patterns: Common Questions and Answers"Software
Production Research Department, AT&T Bell Laboratories
Coplien, J. O. 1996, "The Human Side of Patterns", C++ Report, vol. 8, no. 1, pp. 73-80.
Coplien, J. O. & Schmidt, D. C. 1995, Pattern Languages of Program Design, Addison-Wesley,
Reading, MA.
Coram, Todd and Lee, Jim 2-11-2001, Experiences - A Pattern Language for User Interface Design,
URL:
http://www.maplefish.com/todd/papers/experiences/Experiences.html,
letzter Zugriff: 2-11-2001.
Creative Good 2000, The Dotcom Survival Guide, URL: http://www.dad.de/library/pft/creativegood.pdf, letzter Zugriff: 14-11-2001.
Cunningham, W. & Beck, K. 1987, "Using Pattern Languages for Object-Oriented Programs",
Technical Report, Computer Research Laboratory, Tektronix, Inc., no. CR-87-43,
de Haas, S. 1999, "Softwarearchitektur?! Ein Vergleich mit dem Bauwesen", OBJEKTspektrum,
vol. 6, pp. 60-70.
Design Patterns für digitale Produkte
363
de Souza, F. & Bevan, N. 1990, "The user of guidelines in menu interface design: Evaluation
of a draft standard", in Human-Computer Interaction: Interact'90, E. Diaper et al., eds.,
Elsevier Sciences, Amsterdam, pp. 435-440.
Dell Computer Corp. 2001, "Annual Report 2000 Form-10K"
Diaz, A. & Melser, R. 1999 , "Patterns for Modelling Behavior in Virtual Environments", in
Proceedings of the HT99 Workshop on Hypermedia Development: Design Patterns in
Hypermedia (in Verbindung mit der Hypertext'99: The Tenth ACM Conference on
Hypertext and Hypermedia), Darmstadt.
Dichtl, E. 1991, "Dimensionen der Produktqualität", Marketing: Zeitschrift für Forschung und
Praxis (Marketing ZFP), vol. 13, no. 3, pp. 149-155.
eBay Inc. 2001, "Annual Report 2000 Form 10-K".
Engel, J. F.; Blackwell, R. D. & Miniard, P. W. 1986, Consumer Behavior, The Dryden Press,
Chicago, u.a.
Erickson, T. 1998 , "Interaction Pattern Languages: A Lingua Franca for Interaction design?",
in Usability Professionals' Association Conference UPA'98 (invited talk), Washington,
D.C.
Erickson, T. 2000 , "Lingua Francas for Design: Sacred Places and Pattern Languages", in DIS
2000: Designing Interactive Systems, Processes, Practices, Methods & Techniques, New
York.
Euijin, K. 2000 , "WEBQUAL+: A Deductive Approach to the Quality of A Web Site", in
Proceedings of INFORMS-KORMS Seoul 2000 Conference, Seoul, Korea.
Evans, P. & Wurster, T. S. 1997, "Strategy and the New Economics of Information", Harvard
Business Review no. September / Oktober, pp. 71-82.
Eveland, J. D. 1979 , "Issues in Using the Concept of 'Adoption and Innovation'", Paper
presented at the American Society for Public Administration, Baltimore.
Fairley, R. E. 1985, Software Engineering Concepts, McGraw Hill, New York.
Festinger, L. 1957, A Theory of Cognitive Dissonance, Stanford University Press, Stanford, CA.
Fishbein, M. 1963, "An Investigation of the Relationships between Beliefs about an Object
and the Attitude toward that Object", Human Relationships, vol. 16, pp. 233-240.
Foner, L. N. 1995 , "Clustering and Information Sharing in an Ecology of Cooperating Agents
- or - How to Gossip Without Spilling the Beans", in Proceedings of the 1995 Conference
on Computers, Freedom, and Privacy, Burlingame, CA.
Forbig, P. 2001, Objektorientierte Softwareentwicklung mit UML, Fachbuchverlag Leipzig im
Carl Hanser Verlag, München, Wien, Leipzig.
Forgas, J. P. 1995, Soziale Interaktion und Kommunikation - Eine Einführung in die
Sozialpsychologie, Beltz, Weinheim.
Fowler, M. 1997, Analysis Patterns - Reusable Object Models, Addison-Wesley.
Gabriel, Richard 2001, Definition, in Patterns Home Page, URL: http://hillside.net/patterns,
letzter Zugriff: 2-11-2001.
Gamma, E.; Helm, R.; Johnson, R. & Vlissides, J. 1995, Design Patterns - Elements of Reusable
Object-Oriented Software, Addison-Wesley.
364
Zusammenfassung und Ausblick
Garrido, A.; Rossi, G. & Schwabe, D. 1997 , "Pattern Systems for Hypermedia", in Proceedings
of the 4th Pattern Language of Programming Conference, Allerton Park, Monticello,
Illinois, USA.
Gebauer, J. & Scharl, A. 1999, "Between Flexibility and Automation: An Evaluation of Web
Technology from a Business Process Perspective", Journal of Computer Mediated
Communication (JCMC), vol. 5, no. 2.
German, D. M. & Cowan, D. 1999 , "Three Hypermedia Design Patterns", in Proceedings of the
HT'99 Workshop on Hypermedia Development: Design Patterns in Hypermedia (in
Verbindung mit der Hypertext'99: The Tenth ACM Conference on Hypertext and
Hypermedia).
German, D. M. & Cowan, D. 2000 , "Towards a unified catalog of hypermedia design
patterns", in Proceedings of the 33rd Hawaii International Conference on System Sciences
(HICCS-33), Maui, Hawaii, IEEE Computer Society.
Gilmore, J. H. 2000, Markets of one creating customer-unique value through mass customization,
Harvard Business School Press, Boston, MA.
Gould, J. D.; Boies, S. J. & Ukelson, J. 1997, "How to design usable systems", in Handbook of
Human-Computer Interaction, M. G. Helander, T. K. Landauer, & P. V. Prabhu, eds.,
Elsevier Sciences, Amsterdam.
Greunz, M.; Haes, J. & Schopp, B. 2001 , "Integrating e-Government Infrastructures through
Secure XML Document Containers", in Proceedings of the 34rd Hawaii International
Conference on System Sciences (HICSS-34), Maui, Hawaii, IEEE Computer Society
Press.
Greunz, M.; Stanoevska-Slabeva, K. & Schopp, B. 2000 , "Electronic Contracting with XML
Containers", in Fachtagung und Fachgruppentreffen der GI Fachgruppe 2.5.2 EMISA,
Universität Linz, Österreich.
Gulati, R. & Garino, J. 2000, "Get the Right Mix of Bricks & Clicks", Harvard Business Review,
vol. 78, no. 3, pp. 107-114.
Gurbaxani, V. & Whang, S. 1991, "The Impact of Information Systems on Organizations and
Markets", Communications of the ACM, vol. 34, no. 1, pp. 59-73.
Hagel III, J. & Armstrong, A. G. 1997, Net Gain - Expanding Markets Through Virtual
Communities, Harvard Business School Press, Boston, MA.
Hall, M. 2000, Core Servlets & Java Server Pages, Prentice Hall PTR.
Hamel, G. 2001, Leading the Revolution, Harvard Business School Press, Boston.
Hammer, M. & Champy, J. 1993, Reengineering the corporation: a manifesto for business
revolution, Harper Business, New York, NY.
Han, D. & Han, J. 2000, "Value-based Strategy for Internet Business" eCommerce Research
Forum.
Härtsch, P. 2001, Wettbewerbsstrategien für die Digitale Economy: Eine kritische Überprüfung
klassischer Strategiekonzepte, Difo-Druck, Bamberg.
Heckhausen, H. 1989, Motivation und Handeln, Springer, Berlin u.a.
Heintz, B. 1993, "Die Herrschaft der Regeln: Zur Grundlagengeschichte des Computers",
Campus Verlag, Frankfurt am Main.
Helander, M. G.; Landauer, T. K. & Prabhu, P. V. 1997, Handbook of Human-Computer
Interaction, Elsevier Science, Amsterdam.
Design Patterns für digitale Produkte
365
Hengartner, U.; Kefos, C.; Klose, M.; Lechner, U.; Maier, E.; Richter, L. & Riedl, R. 2000a,
"Agenten organisiseren ein Intranet - Ein agentenbasierter Ansatz der
Implementierung von Organisation auf Intranet", mcminstitute-Working Paper, no.
2000-02, Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität
St. Gallen, St. Gallen.
Hengartner, U.; Kefos, C.; Klose, M.; Lechner, U.; Maier, E.; Richter, L. & Riedl, R. 2000b ,
"Organization on Intranet - An Agent based approach", in Proceedings of the
Information Resource Management Conference (IRMA 2000), Anchorage, Alaska.
Hilgard, E. R. & Bower, G. H. 1973, Theorien des Lernens , Klett, Stuttgart.
Hirsch, J. 1994, "Wert und Preis auf "unvollkommenen" Märkten", in Probleme der
unvollkommenen Konkurrenz, A. E. Ott, ed., Francke Verlag, Tübingen, pp. 3-44.
Hoffman, D. L. & Novak, T. P. 1996, "Marketing in Hypermedia Computer-Mediated
Environments: Conceptual Foundations", Journal of Marketing, vol. 60, no. 3, pp. 5068.
Hoffmann, C. P. 2001, Logistik in digitalen Geschäftsmedien: Modell für einen Logistics Service
Provider im Kontext des Electronic Business, Difo-Druck GmbH, Bamberg.
Hoffmann, C. P. & Klose, M. 2000, "Logistik und Electronic Commerce", in Handbuch
Electronic Business: Technologien, Märkte, Unternehmensprozesse, R. Weiber, ed.,
Gabler, Wiesbaden, pp. 599-617.
Hoffmann, C. P.; Klose, M.; Gerbode, A.; Pötzl, J. & Hunziker, A. 1999a, "Logistics and
Electronic Commerce - Potentiale für einen Logistics Service Provider im Bereich
der Business Media", Projektbericht LogEC II, St. Gallen, Institut für Medien- und
Kommunikationsmanagement (mcm1) an der Universität St. Gallen.
Hoffmann, C. P.; Klose, M.; Lechner, U.; Schmid, B. F. & Zimmermann, H.-D. 1999b ,
"Analyse und Modellierung von Geschäftsmedien", in Modellierung '99 Workshop der
Gesellschaft für Informatik, J. Desel, K. Pohl, & A. Schürr, eds., Teubner, Stuttgart,
Leipzig.
Homans, G. L. 1972, Theorie der sozialen Gruppe, Opladen, Köln, u.a.
Hopcroft, J. E. 1997, Introduction to automata theory, languages and computation, AddisonWesley 1997, Reading, MA.
Howard, J. A. & Sheth, J. N. 1969, The Theory of Buyer Behavior, Wiley, New York.
Irle, M. 1975, Lehrbuch der Sozialpsychologie, Verlag für Psychologie, Hogrefe, Göttingen.
Ives, B. & learmonth, G. P. 1984, "The information system as a competitive weapon",
Communications of the ACM, vol. 27, no. 12, pp. 1193-1201.
Jarvenpass, S. L. & Todd, P. A. 1997, "Consumer Reactions to Electronic Shopping on the
World Wide Web", International Journal of Electronic Commerce, vol. 1, no. 2, pp. 59-88.
Jobfair24.de 2001, "Vorstellungsmappe".
Jost, P.-J. 1999, "Koordination und Organisation - eine ökonomische Einführung" Gabler,
Wiesbaden.
Kaplan, S. & Sawhney, M. 2000, "E-Hubs: the New B2B Marketplaces", Harvard Business
Review, vol. 78, no. 3, pp. 97-103.
Katz, E. 1973, "Die Verbreitung neuer Ideen und Praktiken", in Grundfragen der
Kommunikationsforschung, W. Schramm, ed., Juventa, München, pp. 99-116.
366
Zusammenfassung und Ausblick
Katz, E. & Lazarsfeld, P. F. 1955, Personal Influence: The Part Played by People in the Flow of
Mass Customizations, Free Press, New York.
Keeney, R. L. 1999, "The Value of Internet Commerce to the Customer", Management Science,
vol. 45, no. 4, pp. 533-542.
Kephart, J. O. & Greenwald, A. R. 2000, "When Bots Collide", Harvard Business Review no. 4,
p. 17 ff.
Kerth, N. L. 1995, "Caterpillar's Fate: A Pattern Language for the Transformation from
Analysis to Design", in Pattern Languages of Program Design, J. O. Coplien & E. V.
Schmid, eds., Addison-Wesley, Reading, MA, pp. 293-320.
Kim, S. 1990, "Interdisciplinary cooperation", in The Art of Human-Computer Interface Design,
B. Laurel, ed., Addison-Wesley, Reading, MA, pp. 31-44.
Kirsch, W.; Bamberger, I.; Gabele, E. & Klein, H. K. 1973, Betriebswirtschaftliche Logistik:
Systeme, Entscheidungen, Methoden, Gabler, Wiesbaden.
Klein, S. 1997, "Introduction to electronic Auctions", Electronic Markets - International Journal of
Electronic Commerce & Business Media, vol. 7, no. 4, pp. 3-6.
Klose, M. 1999, "Design von Informationssystemen: Agenten und UML", Beitrag zum
Doktorandenseminar Forschungsschwerpunkte II, Institut für Medien- und
Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen
Klose, M.; Hoffmann, C. P.; Corsten, D.; Lechner, U. & Pötzl, J. 1999a, "New Business Media
for Logistics Services", The International Journal of Electronic Commerce & Business
Media, vol. 9, no. 3, pp. 153-151.
Klose, M. & Lechner, U. 1999a, "Architecture and Informal Specification of Matching",
Projektbericht ABDRA II, mcminstitute-Working Paper, no. 1999-03, Institut für
Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen
Klose, M. & Lechner, U. 1999b , "Design of Business Media - An integrated Model of
Electronic Commerce", in Proceedings of the Fifth Americas Conference on Information
Systems (AMCIS '99), Milwaukee, WI, W. D. Hasemann & D. L. Nazareth, eds., pp.
115-117.
Klose, M. & Lechner, U. 1999c, "Softmedia - An Architecture for Robust Media", Projektbericht
ABDRA II, mcminstitute-Working Paper, no. 1999-05, Institut für Medien- und
Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen
Klose, M. & Lechner, U. 2000 , "Constructing New Media", in Proceedings of the 8th European
Conference on Information Systems (ECIS 2000), Wien.
Klose, M.; Lechner, U. & Schmid, B. F. 1999b , "Media-A Formal Model of Communities and
Platforms", in Proceedings of the Workshop on Formal Models of Electronic Commerce
(FMEC), Rotterdam School of Management, Erasmus University Rotterdam.
Klose, M.; Lenz, M.; Corsten, D.; Gerbode, A.; Goossens, G. & Hunziker, A. 2000, "Concept
for an E-hub for Logistics Services", Final Report, LogEC III, no. 2000-12, Institut für
Medien- und Kommunikationsmanagement, St. Gallen.
Kotha, S. 1995, "Mass Customization: Implementing the Emerging Pradigm for Competitive
Advantage", Strategic Management Journal, vol. 16, no. Special Issue Summer 1995,
pp. 21-42.
Kotha, S. 1998, "Competing on the Internet: The case of Amazon.com", European Management
Journal, vol. 16, no. 2, pp. 212-222.
Design Patterns für digitale Produkte
367
Kotler, P. 1999, Grundlagen des Marketing, Prentice Hall, München.
Körner, V. 2002 to appear, Management der Kundenbeziehung in den neuen Geschäftsmedien.
Krähenmann, N. 1994, Ökonomische Gestaltungsanforderungen für die Entwicklung elektronischer
Märkte, Difo, Bamberg.
Krishnamurthy, S. 2001, "The Amazon.com Case", in Managing E-Commerce in All Businesses.
Kroeber-Riehl, W. & Weinberg, P. 1996, Konsumentenverhalten, Vahlen, München.
Kromphardt, J. 1987, Konzeption und Analysen des Kapitalismus, Vandenhoeck und Ruprecht,
Göttingen.
Kruse, L. 1972, "Gruppen und Gruppenzugehörigkeit", in Handbuch der Psychologie, 7 edn,
Hogrefe, Göttingen, pp. 1539-1593.
Kubicek, H. 1976, "Heuristischer Bezugsrahmen und heuristisch angelegte
Forschungsdesigns als Elemente einer Konstruktionsstrategie empirischer
Forschung", Arbeitspapier, no. 16,
Kunz, A. & Meier, M. 2001 , "Innovation at the Digital Product - the Use of Virtual Reality in
Product Development Processes", in International Conference on Engineering Design
ICED 2001, Glasgow.
Kunz, A.; Meier, M.; Keller, S. & Niedermann, O. 1999 , "Einsatz der Informationstechnologie
in der FMEA", in FMEA Benutzertreffen, Fürth, Bay.
Kunz, H. 1996, Beziehungsmanagement: Kunden binden nicht nur finden, Orell Füssli, Zürich.
Kuss, A. & Tomczak, T. 2000, Käuferverhalten: eine marketingorientierte Einführung, Lucius &
Lucius Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart.
Lach, C. 2001, Gestaltungsempfehlungen zur Einführung komplexer Neuprodukte, Shaker, Aachen.
Lang, N. 2000, "Multimedia", in Grundwissen Medien, W. Faulstich, ed., Wilhelm Fink Verlag,
München, pp. 298-313.
Langenohl, T. 1994, Systemarchitekturen elektronischer Märkte, Difo-Druck, Bamberg.
Laudon, K. C. & Laudon, J. P. 2000, Management Information Systems: Organization and
Technology in the Networked Enterprise, 6 edn, Prentice Hall, Upper Saddle River.
Laurel, B. 1993, Computer as Theater, Addison-Wesley.
Lazarsfeld, P. F. & Merton, R. K. 1964, "Friendship as Social Process: A Substantive and
Methodological Analysis", in Freedom and Control in Modern Society, M. Berger & u.a.,
eds., Octagon, New York, pp. 23-63.
Lazarsfeld, P. F.; Berelson, B. & Gaudet, H. 1944, The People's Choice: How the Voter Makes Up
His Mind in a Presidential Election, Columbia University Press, New York.
Lea, D. 1994, "Christopher Alexander: An Introduction for Object-Oriented Designers", ACM
Software Engineering Notes no. 1.
Lechner, U. & Schmid, B. F. 1999 , "Logic for Media - The computational Media Metaphor", in
Proceedings of the 32nd Hawaii International Conference on Systems Sciences (HICSS
1999), R. H. Sprague, ed., IEEE Press, p. 169 ff.
Lechner, U. & Schmid, B. F. 2000 , "Communities and Media - Towards a Reconstruction of
Communities and Media", in Proceedings of the 33rd Hawaii international Conference on
System Sciences (HICSS 2000), R. H. Sprague, ed., IEEE Press, p. 133 ff.
368
Zusammenfassung und Ausblick
Lechner, U.; Schmid, B. F. & Klose, M. 1999a , "Formalisierung und Architektur von Medien
und ihren Gemeinschaften", in Gemeinschaften in Neuen Medien (GeNeMe'99), M.
Englien & J. Homann, eds., Josef Eul Verlag, Lohmar, Köln, pp. 151-180.
Lechner, U.; Schmid, B. F.; Schubert, P.; Klose, M. & Miller, O. 1999b , "Ein Referenzmodell
für Gemeinschaften und Medien - Case Study Amazon.com", in GeNeMe98 Gemeinschaften in Neuen Medien, M. Engelien & J. Homann, eds., Josef Eul Verlag,
Lohmar/Köln, pp. 125-150.
Leonard, A. 1997, Bots the origin of new species, HardWired, San Francisco, CA.
Leube, K. R. 1994, "Carl Menger: Das Ich und der Wert", in Die grossen Ökonomen - Leben und
Werk der wirtschaftswissenschaftlichen Vordenker, N. Piper, ed., Schäffer-Pöschel
Verlag, Stuttgart.
Lief, V. 1999, "Anatomy of New Market Models", Forrester Research, Cambridge, MA.
Lincke, D.-M. & Schmid, B. F. 1998, "Mediating Electronic Product Catalogs", Communications
of the ACM, vol. 41, no. 7.
Lindemann, M. A. 2000, Struktur und Effizienz Elektronischer Märkte: Ein Ansatz zur
Referenzmodellierung und Bewertung elektronischer Marktgemeinschaften und
Marktdienste, Josef Eul Verlag.
Lindsay, P. H. & Norman, D. A. 1981, Human Information Processing - An Introduction to
Psychology, Academic Press, New York.
Loeser,
H. 2001, Web-Datenbanken Einsatz objekt-relationaler Datenbanken für WebInformationssysteme (effektives Management von Web-Dokumenten, Koppelung von WebInformationssystemen und Datenbanken, Aktualisierung und Datenbankgestützte Suche),
Springer, Berlin.
Lowgren, J. & Lauren, U. 1993, "Supporting the use of guidelines and style guides in
professional user interface design", Interacting with Computers, vol. 5, no. 4, pp. 385396.
Lyardet, F.; Rossi, G. & Schwabe, D. 1998 , "Patterns for Dynamic Websites", in Proceedings of
the 4th Pattern Language of Programs Conference 1998 (PLoP'98), Allerton Park,
Monticello, Illinois, USA.
MacDonald, L. & Vince, J. 1994, Interacting with virtual environments, Wiley, Chichester.
Machlup, F. 1984, Knowledge: Its Creation, Distribution, and Economic Significance; Volume III:
The Economics of Information and Human Capital, Princeton University Press,
Princeton, NJ.
Magill, K. P. & Rogers, E. M. 1981, "Federally Sponsored Demonstrations of Technological
Innovations", Knowledge, vol. 3, no. 1, pp. 23-42.
Mahemoff, M. J. & Johnston, L. J. 2001 , "Pattern Languages for Usability: An Investigation of
Alternative Approaches", in Asia-Pacific Conference on Human Computer Interaction
(APCHI) '98, Shonan Village, Japan, J. Tanaka, ed., IEEE Computer Society, Los
Alamitos, CA, pp. 25-31.
Malone, T. W.; Yates, J. & Benjamin, R. I. 1987, "Electronic Markets and Electronic
Hierarchies", Communications of the ACM, vol. 30, no. 6, pp. 484-497.
Mann, L. 1972, "Sozialpsychologie", Beltz, Weinheim.
Maslow, A. H. 1975, "Motivation and Personality", in Theoretical Readings in Motivation:
Perspectives on Human Behavior, Chicago, pp. 358-379.
Design Patterns für digitale Produkte
369
Mauch, W. 1990, "Bessere Kundenkontakte dank Sales Cycle", THEXIS, vol. 7, no. 1, pp. 1518.
Meffert, H. 1989, Marketing - Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt.
Meier, M. 2001, Das digitale Produkt, URL: http://www.zdeportal.ethz.ch:8080/NewPortal/Forschung/html/Forschungsgebiete/Digitales, letzter Zugriff: 14-11-2001.
Miller, G. A. 1956, "The Magical Number of Seven Plus or Minus Two: Some Limits on our
Capacity for Processing Information", Psychological Review, vol. 63, pp. 81-97.
Mills, T. M. 1969, Soziologie der Gruppe, Juventa, München, u.a.
Molenaar, C. 1996, Interactive marketing, Gower, Aldershot, u.a.
Moreau, C. P.; Lehmann, D. R. & Markman, A. B. 2001, "Entrenched Knowledge Structures
and Consumer Response to New Products", Journal of Marketing Research, vol. 38, no.
2, pp. 14-29.
Muller, M. J.; Haslwanter, J. H. & Dayton, T. 1997, "Participatory practices in the software
lifecycle", in Handbook of Human-Computer Interaction, M. G. Helander & T. K.
Landauer, eds., Elsevier Science, Amsterdam.
Muther, A. 1998, Electronic Customer Care (ECC) - IT in der Anbieter-Kunden-Beziehung, DifoDruck GmbH, Bamberg.
Nanard, J. & Nanard, M. 1999 , "Toward an Hypermedia Design Patterns Space", in
Proceedings of the HT'99 Workshop on Hypermedia Development: Design Patterns in
Hypermedia (in Verbindung mit der Hypertext'99: The Tenth ACM Conference on
Hypertext and Hypermedia), Darmstadt.
Newman, M. W. & Landay, J. A. 2000 , "Sitemaps, Storyboards, and Specifications: A Sketch
of Web Site Design Practice", in Proceedings of the Conference on Designing Interactive
Systems: Processes, Practices, Methods, Techniques 2000 (DIS 2000), New York City, NY,
USA, ACM Press, New York, pp. 263-274.
Newman, W. M. & Lamming, M. G. 1995, Interactive System Design, Addison-Wesley,
Wokingham, England.
Nicosa, F. M. 1966, Consumer Decision Processes, Prentice-Hall, Englewood Cliffs NJ.
Nielsen, J. 1993, Usability Engineering, Morgan Kaufmann, San Francisco.
Nieschlag, R. Dichtl, E. & Hörschgen, H. 1994, Marketing, Duncker & Humbolt, Berlin.
Nolte, H. 1967, "Die Markentreue im Konsumgüterbereich", Bochumer wirtschaftswissenschaftliche Studien, no. 27, Bochum.
Nonaka, I. & Takeuchi, H. 1995, The Knowledge-Creating Company: Haw Japanese Companies
Create the Dynamics of Innovation, Oxford University Press, New York.
Nonaka, I. & Takeuchi, H. 1997, Die Organisation des Wissens, Campus Verlag, Frankfurt a. M.
Norman, D. A. 1998a, The invisible computer: why good products can fail, the personal computer is
so complex, and information appliances are the solution, MIT Press, Cambridge, MA.
Norman, D. A. 1998b, The Design of Everyday Things, The MIT Press, London.
Norman, D. A. & Draper, S. W. 1986, User-Centered System Design: New Perspectives on
Human-Computer Interaction, Lawrence Erlbaum Associates, Hillsdale, NJ.
Nöth, W. 2000, Handbuch der Semiotik, 2 edn, Metzler, Stuttgart.
370
Zusammenfassung und Ausblick
O'Hare, G. M. P. & Jennings, N. R. 1996, Foundations of Distributed Artificial Intelligence, John
Wiley & Sons Inc.
Open Software Foundation 1992, OSF/Motif Style Guide Release 1.2, Prentice-Hall.
Paolini, P. & Garzotto, F. 1999 , "Design Patterns for the WWW hypermedia: problems and
proposals", in Proceedings of the HT'99 Workshop on Hypermedia Development: Design
Patterns in Hypermedia (in Verbindung mit der Hypertext'99: The Tenth ACM Conference
on Hypertext and Hypermedia), Darmstadt.
Parasuman, A.; Zeithaml, V. A. & Berry, L. L. 1998, "SERVQUAL: A Multiple-Item Scale for
Measurement Consumer Perceptions of Service Quality", Journal of Retailing, vol. 64,
no. 1, pp. 12-40.
Parthasarathy, M.; Rittenburg, T. L. & Ball, A. D. 1995, "A re-evaluation of the product
innovation-decision process: the implications for product management", Journal of
Product & Brand Management, vol. 4, no. 4, pp. 13-47.
Pavlov, I. P. 1927, Conditional reflexes, Oxford University Press, London.
Pechtl, H. 1991, Innovatoren und Imitatoren im Adoptionsprozess von technischen Neuerungen,
Verlag Josef Eul, Bergisch Gladbach, Köln.
Perrone, P. J. 2000, Building Java enterprise solutions with J2EE the authoritative solution, Sams,
Indianapolis.
Perzel, K. & Kane, D. 1999 , "Usability Patterns for Applications on the World Wide Web", in
Proceedings of the Pattern Language of Programs Conference 1999 (PLoP'99), Allerton
Park, Montivello, Illinois .
Picot, A. 1991, "Ein neuer Ansatz zur Gestaltung der Leistungstiefe", Zeitschrift für
betriebswirtschaftliche Forschung (Zfbf), vol. 43, no. 4, pp. 336-357.
Piller, F. T. 2000, Mass Customization als wettbewerbsstrategisches Modell industrieller
Wertschöpfung in der Informationsgesellschaft, Gabler Verlag.
Probst, G. J. B. & Romhardt, K. 1997, "Bausteine des Wissensmanagements - ein
praxisorientierter Ansatz", in Handbuch Lernende Organisation, Dr.Wieselhuber &
Partner, ed., Gabler, Wiesbaden, pp. 129-144.
Rafaeli, S. 1988, "Interactivity: From New Media to Communication", in Advancing
Communication Science: Merging Mass and Interpersonal Communication, R. P.
Hawkins, J. M. Wieman, & S. Pingree, eds., Sage Publications, Newbury Park, CA,
pp. 110-134.
Rangaswamy, A. & Gupta, S. 2000, "Innovation Adoption and Diffusion in the Digital
Environment: Some Research Opportunities", in New-Product Diffusion Models, V.
Mahajan, E. Muller, & Y. Wind, eds., Kluwer Academic Publishers, Boston,
Dordrecht, London, pp. 75-98.
Rayport, J. F. & Sviokla, J. J. 1994, "Managing in the Marketplace", Harvard Business Review
no. 6, pp. 141-150.
Reck, M. 1993, "Formally specifying an automated trade execution system", The Journal for
Systems Software, vol. 21, pp. 245-252.
Richins, M. L. 1988, "The Role of Involvement and Opinion Leadership in Consumer Wordof-Mouth: An Implicit Model Made Explicit", Advances in Consumer Research, vol. 15,
pp. 32-36.
Design Patterns für digitale Produkte
371
Riehle, D. & Züllighoven, H. 1996, "Understanding and Using Patterns in Software
Development", 2 edn, John Wiley & Sons, Inc., pp. 3-13.
Ritz,
D. 1991, "Entstehungsmuster Elektronische Märkte", Arbeitsbericht, no.
IM2000/CCEM/8, Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI4) an der Universität St.
Gallen, St. Gallen.
Rogers, E. M. 1995, Diffusion of Innovations, The Free Press, New York.
Rosenfeld, L. & Monville, P. 1998, Information architecture for the World Wide Web - designing
large-scale web sites, O'Reilly, Cambridge, MA.
Rosenstein-Rodan, P. N. 1996, "Grenznutzen", in Die Österreichische Schule der Nationalökonomie - Texte - Band 2: von Hayek bis White, K. R. Leube, ed., Manz, Wien, pp. 2355.
Rosenstiel, L. v. & Ewald, G. 1979, Marktpsychologie, Kohlhammer, Stuttgart u.a.
Rossi, G.; Garrido, A. & Carvalho, S. 1996, "Design Patterns for Object-Oriented Hypermedia
Applications", in Pattern Languages of Program Design 2, J. M. Vlissides, J. O. Coplien,
& N. L. Kerth, eds., Addison-Wesley, Reading, MA.
Rossi, G.; Lyardet, F. & Schwabe, D. 2000 , "Patterns for E-Commerce Applications", in
Proceedings of the Fifth European Conference on Pattern Languages of Programs 2000
(EuroPLoP 2000), Irsee.
Rossi, G.; Schwabe, D. & Garrido, A. 1997 , "Design reuse in hypermedia applications
development", in Eigth ACM Conference on Hypertext, Hypertext Design,
Southampton, UK, pp. 57-66.
Rossi, G.; Schwabe, D. & Garrido, A. 1999a, "Designing Computational Hypermedia
Applications", Journal of Digital Information, vol. 1, no. 4.
Rossi, G.; Schwabe, D. & Lyardet, F. 1999b , "Improving web information systems with
navigational patterns", in Proceedings fo the Eighth International World Wide Web
Conference, Toronto, Canada, W3C, Elsevier.
Roth, K. 1976, Informationsbeschaffung von Organisationen - Analyse des Informationsverhaltens
von Organisationen am Beispiel von Entscheidungsprozessen auf Investitionsgütermärkten.
Rothfuss, G. 2001, Content Management mit XML Grundlagen und Anwendungen, Springer,
Berlin.
Rumbaugh, J.; Jacobson, M. & Booch, G. 1998, The Unified Modeling Language Reference
Manual, Addison-Wesley.
Runge, A. 2000, Die Rolle des Electronic Contracting im elektronischen Handel: Eine aus
betriebswirtschafltiche Perspektive vorgenommene vertragstheoretische Analyse am Beispiel
der amerikanischen Versichrungsbranche , Difo-Druck, Bamberg.
Runte, M. & Paul, C. 2000, "Wie ziehe ich den Kunden an? - Virtuelle Communities", in eCommerce: Einstieg, Strategie und Umsetzung im Unternehmen, S. Albers et al., eds.,
F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen, Frankfurt a. M.,
pp. 123-137.
Sader, M. 1969, "Rollentheorie", in Handbuch der Psychologie, 7 edn, Hogrefe, Göttingen, pp.
204-231.
Sarkar, M.; Butler, B. & Steinfield, Ch. 1995, "Intermediaries and Cybermediaries: A
Continuing Role for Mediating Players in the Electronic Marketplace", Journal of
Computer-Mediated Communication, vol. 1, no. 3.
372
Zusammenfassung und Ausblick
Saxer, U. 1989, "Medieninnovation und Medienakzeptanz", in Medienangebot und
Mediennutzung: Entwicklungstendenzen im entstehenden dualen Rundfunksystem, W. A.
Mahle, ed., Berlin, pp. 145-174.
Scheer, A.-W. & Nüttgens, M. 1999, Die Beraterbank im Internet: Verstärkung der
Kundenbindung durch individuelle Finanzdienstleistungen, Physica Verlag, Heidelberg.
Schenk, M.; Dahm, H. & Sonje, D. 1996, Innovation im Kommunikationssystem, LIT Verlag,
Münster.
Schmid-Isler, S. 2001a, "Design of Digital Products - The Theatre Metaphor (TM OIL);
Executive MBA: Lectures", Intranet MCM-HSG: MCM Institute - Teaching Material,
no. 2001-05, Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement St. Gallen, St.
Gallen.
Schmid-Isler, S. 2001b, "Design of Digital Products - The Theatre Metaphor (TM OIL);
Executive MBA: Summary and sample questions", Intranet MCM-HSG: MCM
Institute - Teaching Material, no. 2001-02, Institut für Medien- und
Kommunikationsmanagement, St. Gallen.
Schmid, B. F. 1993, "Elektronische Märkte", Wirtschaftsinformatik, vol. 35, no. 5, pp. 465-480.
Schmid, B. F. 1997a, "IKT als Träger einer neuen Industriellen Revolution", in Komplexität und
Agilität: Festschrift zum 60. Geburtstag von Prof. Walter Eversheim, G. Schuh & H.-P.
Wiendahl, eds., Springer Verlag, Berlin, pp. 103-117.
Schmid, B. F. 1997b, "Medien- und Kommunikationsmanagement: Begriffsbestimmung und
Aufgabenfeld", Arbeitsbericht mcminstitute, no. 1997-01, St. Gallen.
Schmid, B. F. 1997c , "The Concept of Media", in Proceedings of the Fourth Research Symposium
on Electronic Markets: Negotiation and Settlement in Electronic Markets, Erasmus,
University of Rotterdam, Maastrich (NL), R. Bons et al., eds., pp. 77-81.
Schmid, B. F. 1999a, "Elektronische Märkte - Merkmale, Organisation und Potentiale", in
Management-Handbuch Electronic Commerce: Grundlagen, Strategien, Praxisbeispiele, A.
Hermanns & M. H. Sauter, eds., Franz Vahlen Verlag, München, pp. 31-48.
Schmid, B. F. 1999b, "Zur Entfaltung der Macht des Kalküls in der Wirtschaft und BWL", in
Entwicklungsperspektiven einer integrierten Managementlehre - Forschungsgespräche aus
Anlass der 100-Jahr Feier der Universität St. Gallen, Verlag Paul Haupt, Bern, pp. 285312.
Schmid, B. F. 2000a, "Elektronische Märkte", in Handbuch Electronic Business: Informationstechnologien - Electronic Commerce - Geschäftsprozesse, R. Weiber, ed., Gabler Verlag,
Wiesbaden.
Schmid, B. F. 2000b, "Was ist neu an der digitalen Ökonomie?", in Dienstleistungskompetenz
und innovative Geschäftsmodelle, C. Belz & T. Bieger, eds., Verlag Thexis, St. Gallen,
pp. 178-196.
Schmid, B. F. 2001a, "Digitale Produkte (II): Die Theater Metapher; Vorlesungsunterlagen
zum Studium der Vertiefungsrichtung Medien- und Kommunikationsmanagement", Intranet MCM-HSG: mcminstitute-Teaching Material, no. 2001-07,
Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St.
Gallen, St. Gallen.
Schmid, B. F. 2001b, "Digitales Produktdesign mit der Theater Metapher", mcminstituteWorking Paper, no. 2001-04, Institut für Medien-und Kommunikationsmanagement
der Universität St. Gallen, St. Gallen.
Design Patterns für digitale Produkte
373
Schmid, B. F. 2001c, "Kommunikationsmanagement- und Medienmanagement - Entwurf:
Version 01 ("Toskaner Paper")", mcminstitute-Working Report, no. 2001-03, Institut für
Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen, St. Gallen.
Schmid, B. F. 2001d, "What is New in the Digital Economy?", Electronic Markets- International
Journal of Electronic Commerce & Business Media, vol. 11, no. 1.
Schmid, B. F. 2002, Wissensmedien: Konzepte und Schritte zu ihrer Realisierung, Gabler,
Wiesbaden, to appear.
Schmid, B. F. & Lindemann, M. A. 1998 , "Elements of a Reference Model for Electronic
Markets", in Proceedings of the 31st Hawaii International Conference on Systems Sciences
(HICCS 1998), R. Sprague, ed., IEEE Press, California, pp. 193-201.
Schmid, B. F. & Zbornik, S. 1991, "Kommunikationsmodelle und Architekturkonzepte für
elektronische Märkte", Arbeitsbericht, no. IM2000/CCEM/12, Institut für
Wirtschaftsinformatik an der Universität St. Gallen, St. Gallen.
Schmid, B. F. & Zimmermann, H.-D. 1998 , "Business Media: A new Perspective on Creating
Value in the Information Age", in Proceedings of IST 1998 - 12th biennial conference of
the International Telecommunications Society, Stockholm.
Schoen, S. 2000, Gestaltung und Entwicklung von Communities of Practice, Doktor-Ingenieur,
Technische Universität München.
Schopp, B.; Runge, A. & Stanoevska, K. 1999 , "The Management of Business Transactions
through Electronic Contracts", in Proceedings of the 10th International Workshop on
database and Expert Systems Applications (DEXA '99), IEEE Computer Society.
Schubert, P. 1999, Virtuelle Transaktionsgemeinschaften im Electronic Commerce: Management,
Marketing und Soziale Umwelt, Josef Eul Verlag, Lohmar/Köln.
Schubert, P. 2000, "The Participatory Electronic Product Catalogue: Supporting Customer
Collaboration in E-Commerce Applications", Electronic Markets - International Journal
of Electronic Commerce & Business Media, vol. 10, no. 4.
Schuler, D. & Namioka, A. 1997, Participatory Design: Principles and Practices, Lawrence
Erlbaum Associates, Hillsdale, NJ.
Schummer, J. & Schuckmann, C. 1999 , "Collaborative Hypermedia Design Patterns in
OOHDM", in Proceedings of the HT'99 Workshop on Hypermedia Development: Design
Patterns in Hypermedia (in Verbindung mit der Hypertext'99: The Tenth ACM Conference
on Hypertext and Hypermedia), Darmstadt.
Selz, D. 1999, Value Webs - Emerging forms of fluid and flexible organizations: thinking, organizing,
communicating, and delivering value on the Internet, Difo-Druck OHG, Bamberg.
Shapiro, C. & Varian, H. R. 1999, Information Rules - A Strategic Guide to the Network Economy,
Harvard Business School Press, Boston, MA.
Shneiderman, B. 1998, Designing the User Interface, 3 edn, Addison-Wesley, Reading, MA.
Skinner, B. F. 1973, Wissenschaft und menschliches Verhalten, Kindler, München.
Smith, A. G. 1997, "Testing the Surf: Criteria for Evaluating Internet Information Resources",
The Public-Access Computer Systems Review , vol. 8, no. 3.
Smith, G. E. & Nagle, T. T. 1995, "Frames of Reference and Buyers' Perception of Price and
Value", California Management Review, vol. 38, no. 1, pp. 98-116.
374
Zusammenfassung und Ausblick
Sojek, M. 2000, "Customer Relationship Management - Software, Strategie, Prozess oder
Konzept?", IM- Fachzeitschrift für Information Management & Consulting no. 1, pp. 3742.
Stanfeder, R. 2001, Enterprise XML clearly explained, Morgan Kaufmann, San Diego.
Stanoevska-Slabeva, K. & Schopp, B. 2000, "Electronic Contracting", in Handbook Electronic
Business, R. Weiber, ed., Gabler Verlag, Wiesbaden, pp. 753-770.
Stähler, P. 2001, Merkmale von Gechäftsmodellen in der digitalen Ökonomie, Josef Eul Verlag,
Lohmar, Köln.
Stefik, M. 1988, "The next Knowledge Medium", in The Ecology of Computation, B. A.
Huberman, ed., North-Holland, Amsterdam, pp. 315-342.
Stelzer, D. 2000, "Digitale Güter und ihre Bedeutung in der Internet Ökonomie", WISU - Das
Wirtschaftsstudium no. 6, pp. 835-842.
Steuer, J. 1992, "Defining Virtual Reality: Dimensions determining telepresence", Journal of
Communication, vol. 42, no. 4, pp. 73-93.
Stohr, E. & Viswanathan, S. 1998, "Recommendation Systems: Decision Support for the
Information Economy" Working Paper #IS-98-17, New York University, Stern
School of Business, New York.
Ströbel, M. 2000, "On Auctions as the Negotiation Paradigm of Electronic Markets", Electronic
Markets - International Journal of Electronic Commerce & Business Media, vol. 10, no. 1,
pp. 39-44.
Tapscott, T., Ticoll, D., & Lowy, A. 2000, Digital Capital: Harnessing the Power of Business Webs,
Harvard Business School Press, Boston.
Teich, J., Wallenius, H., & Wallenius, J. 1998, "Multiple Issue Auction and Market Algorithms
for the World Wide Web" Interim Report IR-98-109, International Institute for
Applied Systems Analysis, Laxenburg, Österreich.
Thorndike, E. L. 1969, Educational Psy