Design Patterns für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
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Design Patterns für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum
Design Patterns für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum DISSERTATION der Universität St. Gallen Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde einer Doktorin der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Martina Klose aus Deutschland Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Beat Schmid und Prof. Dr. Roman Boutellier Dissertation Nr. 2628 digicenter GmbH, St. Gallen 2002 Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen, den 29. Januar 2002 Der Rektor: Prof. Dr. Peter Gomez Vorwort Das Vorwort, wohl die meist gelesenen Zeilen jeder Dissertation, gibt dem Autor die Möglichkeit, noch einmal seine Arbeit retrospektiv zu betrachten und vor allem denen zu danken, die ihn oder in diesem Falle sie auf diesem erfahrungsreichen Weg begleitet und unterstützt haben. Das Vorwort gestattet es jedoch auch, noch einmal innezuhalten und über die Entwicklung und die Motivation der eigenen Arbeit zu reflektieren. Beiden Anliegen soll auch dieses Vorwort gerecht werden Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Assistenztätigkeit am mcminstitute der Universität St. Gallen. Diese Zeit fiel in eine turbulente Periode innerhalb der Entwicklung des Electronic Business (eBusiness). Begonnen habe ich meine Arbeit in der Boom-Phase des eBusiness, die geprägt war von grosser Kreativität, Optimismus und Euphorie. Diese Goldgräberstimmung wurde dann sehr abrupt abgelöst von einer Phase ebenso grosser Ernüchterung oder gar Niedergeschlagenheit angesichts der ausbleibenden nachhaltigen Geschäftserfolge im eBusiness. Nach diesen beiden extremen Ausschlägen des eBusiness-Stimmungspendels verringerte sich schliesslich dessen Amplitude. Es wurde versucht, die Potentiale des eBusiness realistisch einzuschätzen und dabei dessen Besonderheiten und Schwierigkeiten nicht aus dem Auge zu verlieren. Nicht ausschliesslich die Möglichkeiten der Technologie, sondern der durch deren Einsatz induzierte Wert vor allem für den Kunden wurde wieder in den Vordergrund gerückt. Diese miterlebte Entwicklung lieferte den Impetus für diese Arbeit. Ausgangspunkt bildete die Beobachtung, dass sich durch die Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologie in der Wirtschaft und in den privaten Haushalten die Schnittstelle zwischen Kunde und Unternehmen immer stärker auf elektronische Medien abstützt. Dabei bietet der Einsatz neuer Medien weitreichende Nutzenpotentiale insbesondere für den Kunden. Diese umzusetzen bedarf jedoch einer sorgfältigen Ausgestaltung der – digitalen – Produkte sowie aller Interaktionsbeziehungen zwischen Kunde und Produkt respektive Unternehmen. Dabei erhalten insbesondere die kommunikativen Aspekte eine zunehmende Bedeutung: Der Kunde muss das Produkt oder die Dienstleitung kennen, verstehen und von seinem Wert überzeugt werden. Er muss weiterhin bei der Auswahl und der Transaktion, bei der Anwendung sowie der Nachbetreuung optimal unterstützt werden. Alle Phasen des Customer Buying Cycle sind somit durch den Einsatz neuer Medien auf ihren Wert für den Kunden auszurichten. Dies stellt hohe Anforderungen an die Ausgestaltung und somit an das Design digitaler Produkte und des sie umgebenden digitalen Wirtschaftsraumes. Mit der Entwicklung einer Patternsprache zur Unterstützung des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte soll die vorliegende Arbeit einen Schritt in die Richtung einer nachhaltig erfolgreichen Nutzung digitaler Medien beschreiten. Nun aber zu den bereits angekündigten Danksagungen, die zu Recht im Zentrum eines Vorwortes stehen sollten, denn eine solche Arbeit entsteht nie alleine, sondern immer auf der Basis fachkundiger Unterstützung und vor allem auf der Grundlage eines starken persönlichen Umfeldes aus Familie und guten Freunden. I II Zunächst möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Beat Schmid für die wissenschaftliche Betreuung und die Möglichkeit zur Arbeit in einem interdisziplinären und praxisnahen Umfeld bedanken. Seine Forschungsarbeiten sowie die Diskussionen mit ihm motivierten und inspirierten diese Arbeit. Herrn Prof. Dr. Roman Boutellier danke ich herzlich für die Übernahme des Korreferats. Ein besonderer Dank geht an Frau Prof. Dr. Ulrike Lechner. Die Diskussionen mit ihr halfen mir sehr, die eigenen Gedanken zu ordnen, zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Sie motivierte und bestärkte mich immer wieder in meiner Arbeit und trug so entscheidend zum Gelingen meiner Dissertation bei. Für das extrem zügige Korrekturlesen meiner Dissertation danke ich meinen Kollegen Markus Lenz, Peter Aschmoneit, Christian Müller, Oliver Sukowski und vor allem auch Julia Gerhard. Das Schreiben einer solchen Arbeit ist ein bisweilen zäher und einsamer Weg. Dass insbesondere letzteres nicht so war, verdanke ich einem Umfeld aus motivierenden Kollegen und Freunden. Sie halfen mir durch gemeinsames Arbeiten auf Projekten und durch fachliche Diskussionen bei meiner Forschungsarbeit. Vor allem gaben sie mir jedoch einen starken persönlichen Rückhalt und sorgten dafür, dass die anderen Aspekte meines Lebens in dieser Zeit nicht zu kurz kamen. Besonders bedanken möchte ich mich bei Anna-Martina Kröll, Bernd Schopp, Sabine Einwiller, Marcus Dimpfel, Dr. Christoph Hoffmann, Axel Röpnack, Veith Körner, Dr. Hans-Dieter Zimmermann, Markus Lenz, Oliver Sukowski, Markus Greunz, Peter Aschmoneit und bei Kai Bartlmae. An exponierter Stelle, am Ende dieses Vorwortes, möchte ich von ganzem Herzen meiner Familie, d.h. meinen Eltern Monika und Hans-Werner Klose sowie meiner Schwester Claudia und deren Familie für all das danken, das sie mir an unterschiedlichen Stationen meines Lebens mit auf den Weg gegeben haben. Meine Eltern haben mir meine Ausbildung ermöglicht und mich vor allen Dingen während der ganzen Zeit unterstützt und in meinem Tun ermutigt und bestätigt. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. St. Gallen, im Februar 2002 Martina Klose Inhaltsübersicht Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Abkürzungsverzeichnis A Einleitung XI XV XVII 1 B Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum 19 C Inhaltliche Grundlagen 35 D Methodische Grundlagen 105 E Entwicklung der Patternsprache 193 F Zusammenfassung und Ausblick 349 Literaturverzeichnis 359 III IV Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Abkürzungsverzeichnis A Einleitung A 1 Motivation und Ausgangslage A 1.1 Auswirkungen der Digitalisierung auf Produktion und Nachfrage A 1.2 Auswirkungen der Digitalisierung auf das Design digitaler Produkte A 1.3 Defizite beim Produktdesign XI XV XVII 1 1 2 2 4 A 2 Bestehende Lösungsansätze A 2.1 Patternansatz A 2.2 Modelle von Medien und Theatermetapher 5 5 6 A 3 Zielsetzung 6 A 4 Nutzen der Arbeit 8 A 5 Methodisches Vorgehen A 5.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung und Forschungskonzeption A 5.2 Methodisches Vorgehen in dieser Arbeit 9 9 12 A 6 Disposition der Arbeit 15 B Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum 19 B 1 Die beiden Sichten des Produktes als Problemlösung 19 B 2 Die beiden Seiten der Implementation 23 B 3 Dimensionen eines Produktes 24 B 4 Bedeutungsverschiebung zwischen Produkt I und II 27 B 5 Konkretisierung: Kundenzentriertes Design 29 B 6 Konkretisierung: Kundenzentriertes Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum 31 C Inhaltliche Grundlagen C 1 Charakteristika digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum 35 35 V VI C 1.1 Definition des digitalen Produktes C 1.2 Kategorisierung 35 38 C 1.2.1 Digitales Produkt versus digitales Abbild eines Produktes 38 C 1.2.2 Digitales Gut versus digitales Informationsgut 39 C 1.2.3 Digitales Produkt versus digitale Dienstleistung 39 C 1.2.4 Interaktivität und Produkttyp 40 C 1.2.5 Produkte, Prozess und Agenten 40 C 1.2.6 Geschäftsmodell 41 C 1.2.7 Eigenes Kategorisierungsschema 44 C 1.3 Eigenschaften und Auswirkungen digitaler Produkte C 1.3.1 Eigenschaften 46 46 C 1.3.1.1 Verschleissfreiheit und Dauerhaftigkeit 46 C 1.3.1.2 Reproduzierbarkeit und Skalierbarkeit 47 C 1.3.1.3 Multimedialität 48 C 1.3.1.4 Vernetztheit 48 C 1.3.1.5 Ubiquität 49 C 1.3.1.6 Aktivität und Informationsverarbeitungspotential 49 C 1.3.1.7 Interaktivität 49 C 1.3.1.8 Veränderbarkeit und Anpassbarkeit 51 C 1.3.1.9 Intelligenz 52 C 1.3.2 Allgemeine ökonomische Auswirkungen C 1.3.2.1 Globalisierung des Wirtschaftsraumes 53 53 C 1.3.2.2 Hohe Stückkostendegression und positive FeedbackEffekte 53 C 1.3.2.3 Netzwerkeffekte 54 C 1.3.2.4 Wechselkosten und Lock-In Effekte 54 C 1.3.3 Kundenbezogene Auswirkungen 56 C 1.3.3.1 Automatisierung, Anpassbarkeit und Individualisierung 56 C 1.3.3.2 Steigerung der Kundenmacht durch Transparenz und Communities 56 C 1.3.3.3 Unsicherheit: Erfahrungsgut, Self Service und Konsumentenwissen, Gläserner Kunde und anonymer Wirtschaftsraum C 1.4 Wert eines digitalen Produktes C 1.4.1 Ökonomische Werttheorien 58 60 60 C 1.4.1.1 Objektivistische Werttheorien 61 C 1.4.1.2 Subjektivistische Werttheorien 61 Design Patterns für digitale Produkte VII C 1.4.2 Kundenwert digitaler Produkte: „Content“ und „Context“ eines Produktes 62 C 1.4.2.1 Konstituierende Komponenten des Kundenwertes 62 C 1.4.2.2 Möglichkeiten der positiven Beeinflussung des Kundenwertes C 2 Anwendungskontext digitaler Produkte C 2.1 Modell der Kunde-Produkt-Interaktion 63 66 67 C 2.1.1 Customer Buying Cycle 67 C 2.1.2 Geschäftstransaktion 69 C 2.1.3 Adoption 71 C 2.1.4 Integriertes Phasenmodell 79 C 2.1.5 Zusammenführung der Modelle 80 C 2.2 Konsumentenverhalten 81 C 2.2.1 Psychologische Ansätze C 2.2.1.1 Motivationstheorien 81 82 C 2.2.1.1.1 Homöostatische Motivationstheorien 82 C 2.2.1.1.2 Humanistische Motivationstheorien 83 C 2.2.1.1.3 Aktivationstheoretische Motivationstheorien C 2.2.1.1.4 Zusammenfassung 84 84 C 2.2.1.2 Einstellungstheoretische Erklärungsansätze 85 C 2.2.1.3 Wahrnehmung 87 C 2.2.1.4 Denken / Entscheidungsverhalten 89 C 2.2.1.5 Lerntheorien 91 C 2.2.1.5.1 Reiz-Reaktionstheorien 91 C 2.2.1.5.2 Kognitive Lerntheorien 92 C 2.2.1.5.3 Zusammenfassung 93 C 2.2.2 Soziologische Ansätze 93 C 2.2.2.1 Gruppenforschung, Rollentheorie und Referenzgruppenmodell 94 C 2.2.2.2 Meinungsführerkonzepte, mehrstufige Kommunikation und soziales Lernen 96 C 2.2.2.3 Diffusionstheorie – Innovator versus Imitator 98 D Methodische Grundlagen D 1 Patternansatz D 1.1 Design Patterns und Design Patternsprachen 105 105 105 D 1.1.1 Patterndefinition 106 D 1.1.2 Patternstruktur 107 VIII D 1.1.3 Patternkataloge, Patternsysteme und Patternsprachen 109 D 1.1.4 Quality without a name 111 D 1.1.5 Prozess der Anwendung: Piecemeal Growth 112 D 1.1.6 Ableitung und Validierung von Patterns 112 D 1.2 Warum Design Patterns? 112 D 1.2.1 Patterns zur Unterstützung des Designprozesses 114 D 1.2.2 Patterns als Basis des Knowledge Managements 115 D 1.2.3 Patterns als universelle Designsprache 116 D 1.3 Diskussion alternativer Möglichkeiten der Wissensrepräsentation 117 D 1.3.1 Wissensrepräsentation im Software Engineering 117 D 1.3.2 Wissensrepräsentation im HCI 119 D 2 Einordnung in die Patternforschung D 2.1 Patterns in der Architektur 120 121 D 2.1.1 Bewertung 124 D 2.1.2 Zusammenfassung 125 D 2.2 Patterns im Software Engineering 126 D 2.2.1 Design Patterns der GoF 129 D 2.2.2 Analysis Patterns von Fowler 132 D 2.2.3 Bewertung 133 D 2.2.4 Zusammenfassung 134 D 2.3 Patterns im HCI 135 D 2.3.1 Common Ground 141 D 2.3.2 Interdisziplinäre Patternsprache 144 D 2.3.3 Weitere Patternansätze 148 D 2.3.4 Bewertung 149 D 2.3.5 Zusammenfassung 150 D 2.4 Patterns für das Design von Hypermedia-Applikationen 151 D 2.4.1 Pattern Systems for Hypermedia 154 D 2.4.2 Weitere ausgewählte Patternsammlungen 157 D 2.4.3 Bewertung 159 D 2.4.4 Zusammenfassung 159 D 2.5 Patterns für web-basierte Electronic Commerce-Applikationen 161 D 2.5.1 Patterns for E-Commerce Applications 161 D 2.5.2 Usability Patterns for Applications on the World Wide Web 163 D 2.5.3 The Design of Sites 166 D 2.5.4 Bewertung 173 D 2.5.5 Zusammenfassung 174 D 2.6 Fazit: Anforderung an Patternsprache für digitale Produkte 175 Design Patterns für digitale Produkte D 3 Modelle von Medien zur Beschreibung digitaler Interaktionsräume D 3.1 Medienmodell D 3.2 Medienreferenzmodell für Geschäftsmedien IX 178 178 181 D 3.2.1 Schichten des Medienreferenzmodells 182 D 3.2.2 Die Phasen des Medienreferenzmodells 184 D 3.2.3 Einordnung in das Design digitaler Produkte: Geschäftsmedien als Kommunikations- und Transaktionsmedien D 3.3 Theatermetapher D 3.3.1 Theatermetapher: Konzept 187 188 189 D 3.3.2 Einordnung der Theatermetapher in das Design digitaler Produkte E 191 Entwicklung der Patternsprache 193 E1 194 194 195 Metapatternsprache und Entwicklungsrahmen E 1.1 Zielsetzung und Ausrichtung der Patternsprache E 1.2 Metapatternsprache E 1.2.1 Struktur der Sprache 195 E 1.2.2 Struktur der Patterns 199 E 1.3 Methodik: Herleitung und Validierung E 1.4 Cases E2 202 204 E 1.4.1 Amazon.com Inc. 205 E 1.4.2 Dell Computer Corp. 207 E 1.4.3 eBay Inc. 208 E 1.4.4 Jobfair24 210 Patternsprache für digitale Produkte E 2.1 Awareness 212 213 E 2.1.1 Awareness abstrakt 214 E 2.1.2 Eingliederung in etabliertes Produkt 217 E 2.1.3 Eingliederung in aktives Suchverhalten 220 E 2.1.4 Eingliederung in das soziale Netzwerk 225 E 2.1.5 Awareness durch Produkt 229 E 2.2 Überzeugung 232 E 2.2.1 Überzeugung abstrakt 232 E 2.2.2 Persönlicher Nutzen 234 E 2.2.3 Integration in Anwender-Community 237 E 2.2.4 Eingliederung in das soziale Netzwerk 241 E 2.2.5 Eingliederung in etabliertes Produkt 242 E 2.3 Entscheidung / Absicht 243 X E 2.3.1 Entscheidung / Absicht abstrakt 243 E 2.3.2 Risikominderung durch das Produkt 245 E 2.3.3 Risikominderung durch Dritte 248 E 2.3.4 Risikominimierung durch die Anwender-Community 251 E 2.3.5 Probeweise Anwendung 252 E 2.3.6 Anreizmechanismen 254 E 2.3.7 Eingliederung in Interessen-Communities 257 E 2.3.8 Integration in etabliertes Produkt (Problemlöser) 262 E 2.4 Wissen E 2.4.1 Wissen abstrakt 263 E 2.4.2 FAQ 267 E 2.4.3 Demo 271 E 2.4.4 Expertengespräch 273 E 2.4.5 Hilfe-Community 276 E 2.5 Verhandlung 280 E 2.5.1 Verhandlung abstrakt 280 E 2.5.2 Automatisierter Bedürfnis-Produkt-Abgleich 285 E 2.5.3 Beratungsgespräch 294 E 2.5.4 Auktion 297 E 2.5.5 Checkout 303 E 2.5.6 Registration 309 E 2.6 Abwicklung 311 E 2.6.1 Abwicklung abstrakt 312 E 2.6.2 Transparente und flexible Abwicklung 314 E 2.6.3 Treuhanddienst 317 E 2.6.4 Online-Versicherung 321 E 2.6.5 Online-Schiedsgericht 325 E 2.7 Kundenbetreuung F 262 329 E 2.7.1 Kundenbetreuung abstrakt 329 E 2.7.2 Support 332 E 2.7.3 Individuelle Kundenbetreuung 337 E 2.7.4 Community 341 Zusammenfassung und Ausblick 349 F1 Ergebnisse 349 F2 Besonderheiten des Ansatzes 351 F3 Ausblick 355 Literaturverzeichnis 359 Abbildungsverzeichnis Abbildung A 5-1: Iterativer Forschungsprozess ............................................................................ 11 Abbildung A 6-1: Aufbau der Arbeit ............................................................................................... 15 Abbildung B 1-1: Produkt als Bindeglied zwischen Produzent und Kunde.............................. 20 Abbildung B 1-2: Die beiden Blickwinkel auf das Produkt .......................................................... 22 Abbildung B 2-1: Die beiden Seiten der Implementation eines Produktes ................................ 23 Abbildung B 3-1: Semiotische Dimensionen eines Produktes...................................................... 25 Abbildung C 1-1: Klassifikation digitaler Produkte ...................................................................... 45 Abbildung C 2-1: Customer Buying Cycle...................................................................................... 68 Abbildung C 2-2: Phasenmodell einer Geschäftstransaktion....................................................... 69 Abbildung C 2-3: Phasenmodell des Adoptionsprozesses ........................................................... 72 Abbildung C 2-4: Integriertes Phasenmodell von Schmid............................................................ 79 Abbildung C 2-5: Gesamtmodell der Kunde-Produkt-Interaktion ............................................. 81 Abbildung D 3-1: Medienmodell.................................................................................................... 179 Abbildung D 3-2: Medienreferenzmodell ..................................................................................... 181 Abbildung D 3-3: Architektur eines Mediums ............................................................................. 182 Abbildung D 3-4: Agenten-Architektur......................................................................................... 184 Abbildung D 3-5: Geschäftsmedium als Kommunikationsmedium und Transaktionsmedium ..................................................................................................................................... 188 Abbildung D 3-6: Theatermetapher als Operationalisierung des Medienreferenzmodells ...................................................................................................................................... 189 Abbildung E 1-1: Integriertes Modell der Kunde-Produkt / Anbieter-Interaktion mit den zentralen zeitlichen Übergängen. Sie werden in der konkreten Patternsprache erweitert und erläutert. ........................................................................................................... 196 Abbildung E 1-2: Beispielhafte Darstellung der Struktur der Metasprache ............................ 198 Abbildung E 1-3: Methodik zur Herleitung der Patternsprache ............................................... 203 Abbildung E 2-1: Überblick über die entwickelte Patternsprache............................................. 212 Abbildung E 2-2: Überblick über die Awarenesspatterns .......................................................... 214 Abbildung E 2-3: Diagramm Awareness abstrakt ....................................................................... 215 Abbildung E 2-4: Beispiel Integration von amazon.com sowohl als Problemlöser (unten links) als auch als Werbetreibender (oben rechts) in die Community Site ivillage.com; Zugriff 21.10.2001. ............................................................................................ 217 XI XII Abbildung E 2-5: Diagramm Eingliederung in etabliertes Produkt.......................................... 220 Abbildung E 2-6: yahoo.com als Beispiel für einen Verzeichnisdienst mit Positionierung von Dell.com an exponierter Position, Zugriff 11.10.2001. ..................... 221 Abbildung E 2-7: Beispiel für die Möglichkeiten der zentralen Positionierung innerhalb der Ergebnisliste bestimmter Anfragen, hier der Positionierung von amazon.com auf die Anfrage „Buch“, bei Google.com, Zugriff 11.10.2001............................................ 222 Abbildung E 2-8: Diagramm Einordnung in aktives Suchverhalten ........................................ 225 Abbildung E 2-9: Beispiel für die Integration in das soziale Umfeld durch die Möglichkeit des E-Mail Versandes interessanter Stellenanzeigen bei Jobfair24.de, Zugriff 15.10.2001..................................................................................................................... 226 Abbildung E 2-10: Diagramm Eingliederung in soziales Netzwerk ......................................... 229 Abbildung E 2-11: Beispiel der Schaffung von Awareness für die Jobfair24.de durch eine prägnante Darstellung des Services mit einer Betonung der Besonderheiten, Zugriff 21.10.2001..................................................................................................................... 230 Abbildung E 2-12: Diagramm Awareness durch Produkt.......................................................... 231 Abbildung E 2-13: Übersicht Überzeugungspatterns.................................................................. 232 Abbildung E 2-14: Diagramm Überzeugung abstrakt................................................................. 233 Abbildung E 2-15: Beispiel Nutzendarstellung bei Jobfair24.de mit der klaren Herausarbeitung der Vorteile des eigenen Services insbesondere gegenüber anderen Anbietern, Zugriff 21.10.2001.................................................................................. 235 Abbildung E 2-16: Diagramm Persönlicher Nutzen .................................................................... 237 Abbildung E 2-17: Beispiel Integration in Anwender-Community durch die Publikation der Meinungen anderer über die Jobfair24.de, Zugriff 15.10.2001. .................................. 238 Abbildung E 2-18: Diagramm Integration in Anwender-Community ..................................... 241 Abbildung E 2-19: Übersicht Entscheidungspatterns.................................................................. 243 Abbildung E 2-20: Diagramm Entscheidung / Absicht abstrakt............................................... 244 Abbildung E 2-21: Beispiel Privacy Policy bei dell.com, Zugriff 15.10.2001. ........................... 246 Abbildung E 2-22: Diagramm Risikominderung durch Produkt .............................................. 247 Abbildung E 2-23: Beispiel Risikominderung durch Gütesiegel und OnlineVersicherung bei dell.de, Zugriff 15.10.2001....................................................................... 249 Abbildung E 2-24: Diagramm Risikominderung durch Dritte .................................................. 251 Abbildung E 2-25: Beispiel probeweise Anwendung bei Jobfair24.de, Zugriff 20.10.2001. ................................................................................................................................. 253 Abbildung E 2-26: Diagramm probeweise Anwendung............................................................. 254 Abbildung E 2-27: Beispiel Anreizmechanismen bei amazon.de, Zugriff 20.10.2001............. 255 Design Patterns für digitale Produkte XIII Abbildung E 2-28: Diagramm Anreizmechanismen.................................................................... 256 Abbildung E 2-29: Illustration Integration in Interessen-Community durch Etablierung einer Diskussionsgruppe über das eigene Produkt resp. über das durch das Produkt gelöste „Problem“, Zugriff 15.10.2001. .................................................................. 258 Abbildung E 2-30: Diagramm Integration in Interessen-Community ...................................... 261 Abbildung E 2-31: Übersicht Wissenspatterns ............................................................................. 262 Abbildung E 2-32: Beispiel Wissensübermittlung im Zuge der Anwendung der Auktion (linke Seite) und in einer separaten Sektion (rechte Seite) bei eBay.com, Zugriff 21.10.2001..................................................................................................................... 264 Abbildung E 2-33: Beispiel Integration einer Feedbackschleife zur Verbesserung des Hilfeangebots bei dell.com, Zugriff 21.10.2001.................................................................... 265 Abbildung E 2-34: Diagramm Wissen abstrakt ............................................................................ 266 Abbildung E 2-35: Beispiel FAQs bei eBay.com, Zugriff 21.10.2001. ........................................ 268 Abbildung E 2-36: Diagramm FAQ................................................................................................ 270 Abbildung E 2-37 Beispiel für eine Online-Demo in Form von „WebRides“ bei eBay.com, Zugriff 21.10.2001.................................................................................................. 271 Abbildung E 2-38: Diagramm Demo ............................................................................................. 273 Abbildung E 2-39: Beispiel: Expertengespräch telefonische oder via E-Mail bei eBay.com, Zugriff 21.10.2001.................................................................................................. 274 Abbildung E 2-40: Diagramm Expertengespräch ........................................................................ 276 Abbildung E 2-41: Beispiel für eine Hilfe-Community bei eBay.com, Zugriff 20.10.2001. .... 277 Abbildung E 2-42: Diagramm Hilfe-Community......................................................................... 279 Abbildung E 2-43: Übersicht Verhandlungspatterns .................................................................. 280 Abbildung E 2-44: Diagramm Verhandlung abstrakt ................................................................. 283 Abbildung E 2-45: Beispiel Bedürfnis-Produkt Abgleich bei amazon.com, Zugriff 15.10.2001. ................................................................................................................................. 287 Abbildung E 2-46: Produktkonfigurator bei dell.com, Zugriff 15.10.2001. .............................. 288 Abbildung E 2-47: Diagramm Automatischer Bedürfnis-Produkt Abgleich ........................... 293 Abbildung E 2-48: Diagramm Beratungsgespräch ...................................................................... 297 Abbildung E 2-49: Beispiel Auktionsseite von eBay.com, Zugriff 8.10.2001............................ 299 Abbildung E 2-50: Diagramm Auktion ......................................................................................... 302 Abbildung E 2-51: Beispiel Checkout-Prozesse bei amazon.de, Zugriff 15.10.2001................ 304 Abbildung E 2-52: Diagramm Checkout Prozess......................................................................... 308 XIV Abbildung E 2-53: Ausschnitt aus dem Registrationsprozess von eBay.com, Zugriff 15.10.2001. ................................................................................................................................. 310 Abbildung E 2-54: Übersicht Abwicklungspatterns .................................................................... 312 Abbildung E 2-55: Diagramm Abwicklung .................................................................................. 313 Abbildung E 2-56: Beispiel für die Statusanzeige und einfache Möglichkeiten zu Stornierung von Bestellungen bei amazon.de, Zugriff 8.10.2001...................................... 315 Abbildung E 2-57: Diagramm Transparente und effiziente Abwicklung ................................ 317 Abbildung E 2-58: Beispiel Integration eines Treuhandservices bei eBay.com, Zugriff 20.10.2001. ................................................................................................................................. 319 Abbildung E 2-59: Diagramm Treuhänder ................................................................................... 321 Abbildung E 2-60: Beispiel Versicherung von eBay.com gegen Betrugsfälle, Zugriff 20.10.2001. ................................................................................................................................. 322 Abbildung E 2-61: Beispiel eines Online-Versicherungsanbieters, Zugriff 20.10.2001. .......... 323 Abbildung E 2-62: Diagramm Online-Versicherung ................................................................... 325 Abbildung E 2-63: Beispiel eines Online-Schiedsgerichtes integriert in eBay.com, Zugriff 15.10.2001..................................................................................................................... 326 Abbildung E 2-64: Diagramm Online-Schiedsgericht ................................................................. 328 Abbildung E 2-65: Überblick Patterns der Kundenbetreuung ................................................... 329 Abbildung E 2-66: Diagramm Kundenbetreuung........................................................................ 330 Abbildung E 2-67: Beispiel für individualisierte Supportseiten bei dell.com (rechte Seite) und die Möglichkeit für deren einfache Konfiguration (linke Seite), Zugriff 15.10.2001. ................................................................................................................................. 333 Abbildung E 2-68: Diagramm Support.......................................................................................... 336 Abbildung E 2-69: Beispiel Kundenbetreuung bei amazon.com; Zusammenstellung der Benutzerpräferenzen (linke Seite) und Beispiel eines Newsletter-Beitrags (rechte Seite), Zugriff 15.10.2001. ........................................................................................................ 338 Abbildung E 2-70: Diagramm individuelle Kundenbetreuung ................................................. 340 Abbildung E 2-71: Beispiel Community bei eBay.com; Übersicht über die verschiedenen Discussion Boards und Ausschnitt aus einer Diskussionsrunde, Zugriff 15.10.2001..................................................................................................................... 342 Abbildung E 2-72: Diagramm Community................................................................................... 347 Tabellenverzeichnis Tabelle A 5-1:Gegenüberstellung: Theoretische und Anwendungsorientierte Wissenschaften (aus (Ulrich 1998: 163)) ................................................................................................ 9 Tabelle B 5-1: Anforderungen an Phasen der Geschäftstransaktion ........................................... 31 Tabelle C 1-1: Literaturübersicht über Definitionen des Begriffs „digitales Produkt“............. 37 Tabelle C 1-2: Übersicht über die Geschäftsmodelle von Timmmers, betrachtet aus der Kundenperspektive ................................................................................................................... 44 Tabelle D 1-1: Literaturübersicht über Patterndefinitionen........................................................ 107 Tabelle D 1-2: Literaturübersicht über Definitionen von Patternsprachen .............................. 110 Tabelle D 1-3: Literaturübersicht über die Einsatzmöglichkeiten von Patterns ...................... 114 Tabelle D 2-1: Übersicht über Architekturpatterns...................................................................... 126 Tabelle D 2-2: Übersicht über Software Engineering Patterns ................................................... 135 Tabelle D 2-3: Übersicht über HCI Patternforschung.................................................................. 151 Tabelle D 2-4: Übersicht über Hypermedia Patternforschung................................................... 161 Tabelle D 2-5: Thematische Kategorisierung der Patterns der Patternsammlung „Design of Sites“ ...................................................................................................................... 169 Tabelle D 2-6: Übersicht über Patterns zur Gestaltung von EC-Applikationen ...................... 175 Tabelle E 1-1: Vergleich von amazon.com mit ihren Konkurrenten bzgl. der Ausrichtung auf das Wohl ihrer Kunden an Hand einer Punkteskala mit einem Maximalwert von 10 Punkten, s.: Gomez.com im Juli 2001............................................... 206 Tabelle E 1-2: Ranking der Auktionsplattformen in den US im Mai 2001. Quelle: Nielsen NetRatings & Harris Interactive eCommercePulse. ............................................. 210 XV XVI Abkürzungsverzeichnis B-to-C.......................... Business-to-Consumer BM ............................... Business Media oder Business Medium bzw.............................. Beziehungsweise CBC ............................. Customer Buying Cycle CCEM ......................... Competence Center Electronic Markets CHI.............................. Computer-Human-Interaction E-… ............................. Electronisch- … (Englisch: electronic) EC................................ Electronic Commerce etc. ............................... et cetera FAQ............................. Frequently Asekd Questions GOF............................. Gang of Four HCI.............................. Human Computer Interaction HSG............................. Universität St. Gallen – Hochschule für Wirtschaft-, Rechts- und Sozialwissenschaft IKT .............................. Informations- und Kommunikationstechnologie IT ................................. Informationstechnik (Information Technology) i.d.R............................. in der Regel KAP............................. Knowledge-Attitude-Practice KM .............................. Knowledge Media Mio. ............................. Millionen MKM........................... Medien- und Kommunikationsmanagement MRM ........................... Medienreferenzmodell OOHDM..................... Object-Oriented Hypermedia Design Method OOPSLA..................... Object-Oriented Programming, Languages & Applications PLoP............................ Pattern Languages of Program Design QWAN........................ Quality without a name resp.............................. respektive SNF.............................. Swiss National Foundation u.a................................ unter anderem u.U............................... unter Umständen vgl................................ vergleiche Web ............................. World Wide Web oder auch WWW WWW ......................... World Wide Web z.B................................ zum Beispiel z.T................................ zum Teil XVII XVIII A Einleitung Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, eine „Patternsprache für das Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum“ zu entwickeln. Mit dem Patternansatz nutzt die Arbeit einen bereits in anderen Designdisziplinen, wie dem Software Engineering und der Architektur, etablierten Ansatz zur Wissensspeicherung erfolgreicher Designs, um den Designprozess digitaler Produkte zu unterstützen. Die hier entwickelte Patternsprache zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sie neben der für den Patternansatz üblichen Fundierung auf bewährten und erfolgreichen Best Practice Lösungen zusätzlich auf einem theoretischen Fundament aufbaut: (1) den Theorien über das Verhalten der Zielgruppe, d.h. der Kunden, sowie (2) dem Wissen über die Besonderheiten, Möglichkeiten und Beschränkungen digitaler Medien. Das Produktdesign wird dabei aus einer kundenzentrierten Perspektive betrachtet. Die Qualität bemisst sich daher am Wert des Produktes für den Kunden. Dieser erste Teil soll in die Arbeit einführen. Zunächst wird die Ausgangslage dargestellt und die Problemstellung motiviert. Im Anschluss daran werden bestehende Lösungsansätze vorgestellt. Im Zentrum dieses ersten Teils stehen dann die Darlegung der Zielsetzung der Arbeit sowie deren Nutzen für die Wissenschaft und die Praxis. Im Anschluss daran wird die bei der Erarbeitung der Zielsetzung verfolgte Methodik festgelegt. Eine Übersicht über die Struktur der vorliegenden Arbeit schliesst diesen einleitenden Teil ab. A 1 Motivation und Ausgangslage Die zunehmenden Fortschritte und die Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologie haben weitreichende Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Schmid (2001d: 44) spricht hier von einer zweiten Industrialisierungswelle, der Industrialisierung der Information. Die Grundlage für diese Entwicklung bildet die zunehmende Digitalisierung und Formalisierung von Information und von informationsverarbeitenden Prozessen. Deren formale Codierung ermöglicht ihre Verarbeitung resp. Ausführung durch Rechnersysteme und induziert somit eine zunehmende Mechanisierung und Automatisierung der ökonomischen Leistungserstellung. Die Verbindung der Rechnersysteme mit Telekommunikationsnetzen gestattet die Übertragung der codierten Information über den Raum. Dadurch entsteht eine globale „Infosphäre“, in der auf die darin enthaltenen Informationsobjekte unabhängig vom Ort ihrer Erzeugung und Speicherung zugegriffen werden kann. „Die Transformation des Informationsbestandes, auf dem unsere Gesellschaft und Wirtschaft basiert, in eine für Computer lesbare und bearbeitbare Form erfolgt in horrendem Tempo. Der Produktionsfaktor Information erhält eine neue Gestalt.“ (Schmid 2000b: 183) Digitalisierung und Vernetzung wirken sich sowohl auf die Produktionsseite als auch auf die Nachfragerseite des Wirtschaftssystems aus. Sie bewirken eine Machtverschiebung vom Anbieter zum Nachfrager sowie damit verbunden eine Bedeutungsverschiebung von der Produktion zur Kommunikation (Schmid 2000b: 191 f.). Dadurch ergeben sich weitreichende 1 2 Einleitung Konsequenzen für das Design (digitaler) Produkte sowie deren Einbettung in einen digitalen Wirtschaftsraum. Diese Aspekte werden in den folgenden Unterabschnitten weiter erläutert. A 1.1 Auswirkungen der Digitalisierung auf Produktion und Nachfrage Die mit der Digitalisierung verbundene Mechanisierung und Automatisierung führt zu einer Steigerung der Effizienz innerhalb der Produktion. Dies betrifft sowohl die rein produktionstechnischen Abläufe als auch die Organisation der menschlichen Arbeitskraft. Mit der systematischen und zielgerichteten Nutzung von IT-Systemen innerhalb der Unternehmung im Zusammenhang mit einer zunehmenden Prozessausrichtung der Unternehmensorganisation beschäftigten sich in den 1980er und 90er Jahren die zahlreichen Vertreter des „Business Process Reenigneerings“.1 Die informationstechnische Vernetzung der Wirtschaft und der Unternehmen wirkt sich nun jedoch auch zunehmend auf die Gestaltung und informationstechnische Unterstützung der zwischenbetrieblichen Beziehungen aus. Unternehmen profitieren von diesem globalen und zunehmend digitalisierten Wirtschaftsraum durch günstigere Beschaffungsmöglichkeiten sowie niedrigere Kosten bei der Koordination mit Geschäftspartnern. Die sinkenden Transaktionskosten und die mit der Globalisierung des digitalen Wirtschaftsraumes einhergehende Transparenz fördern dabei eine zunehmend marktliche Gestaltung der Wirtschaft (vgl. (Malone et al. 1987)). Durch die Globalisierung des Wirtschaftsraumes erhöht sich die Anzahl der erreichbaren und somit potentiellen Kunden eines Unternehmens. Gleichzeitig steigt jedoch auch die Anzahl der direkten Konkurrenten. Der Kunde und insbesondere seine Aufmerksamkeit wird somit zur begrenzten Ressource. Dies induziert eine Verschiebung der Machtverhältnisse von den Anbietern zu den Kunden (Evans & Wurster 1997: 82).2 A 1.2 Auswirkungen der Digitalisierung auf das Design digitaler Produkte Der Erfolg eines Unternehmens hängt also verstärkt von einer möglichst optimalen Befriedigung des Kundenbedürfnisses und der Ausrichtung der Produkte auf deren Wert für den Kunden ab. Dabei umfasst dieser Kundenwert neben dem Wert des Produktes selbst auch den Wert des Kontextes, d.h. der Ausgestaltung des Erwerbsprozesses, der Anwendung und der After Sales Betreuung (Dichtl 1991: 149). Alle Szenen, in denen Kunde und Produkt im Zuge der Leistungserstellung miteinander interagieren, müssen auf die Wünsche des Kunden ausgerichtet werden. Digitale Produkte haben durch das interaktive digitale Medium, in 1 Vgl. insbesondere Hammer und Champy (1993) als Begründer und zentrale Vertreter des Business Process Reengineerings. 2 Man spricht hier häufig auch von einer Verschiebung von Verkäufermärkten zu Käufermärkten. Design Patterns für digitale Produkte 3 das sie eingebunden sind, weitreichende Möglichkeiten, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Beispielsweise kann das Produkt individuell auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten werden, wobei der Kunde mit Hilfe von Konfiguratoren die individuelle Zusammenstellung der Leistung selbständig durchführen kann. Der Kontextwert kann z.B. im Zuge der Nachbetreuung durch eine in die Anwendung integrierte und stets aktualisierte Supportdienstleistung, die den Kunden optimal bei der Anwendung des Produktes unterstützt oder im Zuge des Erwerbsprozesses, u.a. durch eine transparente und flexible Abwicklung, gesteigert werden. Sowohl mit dem Gebrauch als auch mit dem Erwerb des Produktes ist weiterhin eine Menge von Kundenwissen verbunden, das für den Erfolg eines Produktes entscheidend ist: Wissen über die Existenz einer neuen Problemlösung, Wissen über seine Bedeutung für den Einzelnen und seine Bedeutung innerhalb des sozialen Umfeldes, Wissen über dessen Anwendung und Wissen über dessen Erwerb (Rogers 1995). Mangelndes Wissen über ein Produkt ist einer der zentralen Faktoren, die für das Scheitern von Neuprodukteinführungen und Innovationen verantwortlich sind (Boutellier & Völker 1997: 53 ff.; Witt 2001). Während sich die technische Implementation eines neuen Produktes, d.h. die Zeit von der Entwicklung der ersten Produktidee bis zur Umsetzung in ein Produkt, insbesondere durch die bereits beschriebenen IKT-bedingten Produktivitätszuwächse immer stärker beschleunigt, unterliegt der Erwerb des benötigten Produktwissens immer noch den gleichen Restriktionen des menschlichen Gehirns resp. der entsprechenden kognitiven Prozesse (Schmid 2000b: 192). Die wachsende Diskrepanz zwischen dem Aufwand für die Implementation des Produktes in den Köpfen der potentiellen Kunden und dem Aufwand für die Implementation des Produktes in dessen Form induziert somit eine Bedeutungsverschiebung weg von der Produktion des Produktes hin zur Kommunikation des Produktes. Wie bereits betont, betrifft dies alle Interaktionsprozesse zwischen Produkt und Kunde vor und während des Erwerbs und der Anwendung des Produktes. Diese Interaktionsprozesse sind dabei in einen in zunehmendem Masse digitalisierten Wirtschaftsraum eingebettet, in dem der Anteil der dort angebotenen digitalen Produkte ständig steigt. Die Überwindung des Unterschiedes zwischen dem benötigten Wissen und dem vorhandenen Wissen wird durch Kommunikation geschlossen. Dabei spielt das Produkt selbst eine entscheidende Rolle bei der Kommunikation seiner Funktionsweise und in beschränktem Masse auch seiner Bedeutung (Schmid 2001c: 26 ff.). Digitale Produkte und Interaktionsräume bieten durch ihre Interaktivität und die Möglichkeiten der multimedialen Darstellung weitreichende Möglichkeiten, dem Kunden das Verständnis des Produktes zu erleichtern. Sie stellen durch den starken Selbstbedienungscharakter und den hohen Automatisierungsgrad jedoch auch besondere Anforderungen an eine verständliche Gestaltung des Produktes. Das durch das Produkt vermittelte Wissen reicht jedoch zumeist nicht aus, um die Funktionsweise und vor allem auch die Bedeutung des Produktes für das Individuum und das soziale Umfeld zu kommunizieren. Weiterhin muss zunächst auch das Wissen über die Existenz des Produktes verbreitet werden. Dieses Wissen bildet die Voraussetzung dafür, dass ein Kunde das Produkt überhaupt wahrnimmt und den Wunsch entwickelt, das Produkt zu besitzen. Es initiiert die eigentliche Geschäftstransaktion und die spätere Anwendung des 4 Einleitung Produktes. Die Übermittlung dieses Wissens bedarf der expliziten Kommunikation über das Produkt. Der neue digitale Interaktionsraum bietet auch hier vielfältige Möglichkeiten, diese Kommunikation zu unterstützen. Alle genannten Aspekte müssen beim Design der das Produkt umgebenden Interaktionsräume berücksichtigt werden. Aus der obigen Argumentation lassen sich zusammenfassend folgende Anforderungen an ein kundenzentriertes Design digitaler Produkte in einem digitalen Wirtschaftsraum ableiten: • Das Produkt und die umgebenden Interaktionsräume müssen auf den Kundenwert ausgerichtet werden. Der Wert eines Produktes setzt sich dabei zusammen aus dem Wert des Produktes selbst und dem Wert seines Kontextes und somit dem Wert aller Interaktionsprozesse vom Erwerb des Produktes über die Anwendung bis zur After Sales Betreuung. Beim Design eines Produktes sind somit alle Interaktionsbeziehungen zwischen Kunde und Produkt auf die Interessen und Wünsche des Kunden auszurichten. • An das Design dieser Interaktionsprozesse wird weiterhin die Forderung nach einer für den Kunden verständlichen Darstellung gestellt. Sie reduziert den Aufwand für die Implementation des Produktes in den Köpfen der Anwender. • Schliesslich ist beim Design eines Produktes die Kommunikation über das Produkt zu beachten, d.h. das Design der Interaktionsprozesse, die dem eigentlichen Erwerb und der Anwendung des Produktes vorausgehen und in denen das Wissen über die Existenz und die Bedeutung des Produktes aufgebaut wird. Insbesondere die Kommunikation über das Produkt findet vielfach auch ausserhalb des digitalen Wirtschaftsraumes unter Verwendung traditioneller Medien, wie Messen, Werbung in Zeitschriften etc., statt. In dieser Arbeit interessiert jedoch ausschliesslich die Gestaltung digitaler Medien und der dadurch aufgespannten digitalen Interaktionsräume. A 1.3 Defizite beim Produktdesign Trotz der Bedeutung des Designs digitaler Produkte aus einer kundenorientierten Perspektive finden sich in Forschung und Praxis noch kaum pragmatische Methoden zur zielgerichteten Unterstützung des Designprozesses.3 Die Entwicklung einer solchen Methode wird durch die Interdisziplinarität des Designs digitaler Produkte erschwert. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere: • Prinzipien aus dem Marketing und dem Konsumentenverhalten: zur Bestimmung der Anforderungen und Bedürfnisse sowie der Verhaltensweisen des Kunden, die bei der Ausgestaltung der Interaktionsbeziehungen zu berücksichtigen sind. 3 Diese Defizite werden in Kapitel D 2 bei der Darstellung der bestehenden Patternansätze ausführlich erläutert. Design Patterns für digitale Produkte 5 • Prinzipien aus dem Bereich der Human Computer Interaction (HCI)-Forschung: zur Realisierung der Schnittstellen zwischen Kunde und Produkt resp. dessen menschlichen oder künstlichen Vertretern. • Prinzipien des Software Engineerings: zur Realisierung der Interaktionsräume und insbesondere zur Realisierung der geforderten Funktionalität. Existierende Methoden beziehen sich zumeist lediglich auf einen Blickwindel des Designs und vernachlässigen die Interdisziplinarität des Designprozesses. Das Ziel dieser Arbeit ist es somit, einen pragmatischen Ansatz zu entwickeln, mit dessen Hilfe das kundenzentrierte Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum unterstützt werden kann. A 2 Bestehende Lösungsansätze Bevor die Zielsetzung der Arbeit weiter konkretisiert wird, sollen im folgenden Abschnitt die bestehenden Ansätze vorgestellt werden, die für die Entwicklung einer solchen Designunterstützung genutzt werden können. A 2.1 Patternansatz In verschiedenen Designdisziplinen, insbesondere im Software Engineering, in der Architektur und in jüngster Zeit ebenfalls in der HCI-Forschung, hat sich der Einsatz von Design Patterns zur Unterstützung des Designprozesses bewährt. Design Patterns beschreiben erfolgreiche und bewährte Lösungen von wiederkehrenden Designproblemen. Sie erfassen die Problemsituation sowie die Lösung auf einem Abstraktionsniveau, das konkret genug ist, um eine gezielte Anwendung der Patterns zur Problemlösung zu ermöglichen, und abstrakt genug, um die Übertragbarkeit auf viele konkrete Anwendungssituationen zu gestatten. Die Beschreibung erfolgt dabei in einer Sprache, die auch von Design-Novizen und Fachfremden verstanden werden kann. In dieser Funktion als Lingua Franca werden Design Patterns daher den Anforderungen eines interdisziplinären Designprozesses gerecht. Weiterhin bilden sie eine Grundlage für die strukturierte Speicherung und somit das Management von Designwissen. Insbesondere in der Architektur als auch im HCI wird die Qualität der Lösungen an der resultierenden „Zufriedenheit“ des Anwenders gemessen. Diese sogenannte Quality without a name entspricht somit prinzipiell der Ausrichtung, die dem Design digitaler Produkte zugrunde gelegt werden soll. Design Patterns leiten sich aus der Analyse erfolgreicher Designpraxis ab. Sie „formalisieren“ das Wissen, das in den Köpfen erfahrener Designer gespeichert ist und in erfolgreichen Anwendungen widergespiegelt wird. Die Beschreibung der Patterns liefert jedoch für jedes Lösungsmuster weiterhin eine rationale Begründung ihrer Funktionsweise, die das Verständnis und die Anwendung der Lösung erleichtert und ihre Validität argumentativ untermauert. Diese theoretische Säule der Patterns ist hier besonders wichtig, da es sich beim Design digitaler Produkte um eine noch sehr junge und dynamische Designdisziplin han- 6 Einleitung delt, bei der das Praxiswissen noch nicht gefestigt ist und die konstante Weiterentwicklung allein schon des technologischen Umfeldes eine rein empirische Fundierung nicht gestattet.4 A 2.2 Modelle von Medien und Theatermetapher Der Patternansatz gibt lediglich einen Rahmen zur Herleitung, zur Beschreibung und zum systematischen Einsatz von Designwissen. Ein Patternsystem legt jedoch noch nicht den Designgegenstand sowie die Mittel zur Beschreibung der Designkonzepte fest. Am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement wurden mit den Modellen von Medien konkrete Möglichkeiten zur Beschreibung und Entwicklung – digitaler – Interaktionsräume entwickelt (Schmid 1997c; Schmid 1999a; Schmid 2001b). Die Modelle zeichnen sich dadurch aus, dass sie sowohl die organisatorischen und im Anwendungsfall betriebswirtschaftlichen Aspekte als auch die informationstechnischen Aspekte der Umsetzung zu erfassen gestatten. Das Medienmodell beschreibt mit seinen drei Komponenten der Organisation, dem logischen Raum und dem Kanalsystem die konstituierenden Elemente eines digitalen Interaktionsraumes (Schmid 1997c), das Medienreferenzmodell ordnet das Medienmodell in den Anwendungskontext ein (Schmid 1999a). Zur Operationalisierung dieser Modelle wurde die Theatermetapher entwickelt. Sie nutzt die Analogien, die zwischen dem Design eines digitalen Interaktionsraumes und dem Design eines Theaterstückes gezogen werden können (Schmid 2001b). Das Medienmodell, das Medienreferenzmodell sowie die Theatermetapher liefern somit den formalen Rahmen für das Design digitaler Produkte und des sie umgebenden Wirtschaftsraums. A 3 Zielsetzung Nach der Darlegung der Ausgangslage, der Problemsituation und der Vorstellung der bestehenden Basiskonzepte wird in diesem Abschnitt die Zielsetzung der Arbeit konkretisiert. Die generelle Forderung nach einer pragmatischen Methode zur Unterstützung des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum manifestiert sich in der folgenden Zielsetzung: Entwicklung einer Patternsprache für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum Dabei konzentriert sich diese Arbeit vorrangig auf die Betrachtung von Produkten, die auf das Endkundensegment ausgerichtet sind. Wie bereits erläutert, ist der Begriff des Designs digitaler Produkte in dieser Arbeit sehr breit gefasst. Er umfasst das Design aller digitalen Interaktionsräume innerhalb der Kunde-Produkt-Interaktion, von der ersten Begegnung zwischen Kunde und Produkt über den Erwerb bis zur Nachbetreuung. Ein digitales 4 Bei den meisten bestehenden Ansätzen beruht diese hier als theoretisch bezeichnete Säule jedoch nicht auf Theorien im eigentlichen Sinne. Sie liefern stattdessen lediglich eine rein argumentative Begründung respektive Motivation der Lösung (s. Kapitel D 2) Design Patterns für digitale Produkte 7 Produkt wird dabei verstanden als ein digitales Gut respektive eine digitale Dienstleistung oder aber die digitale Abbildung eines physischen Gutes, das über digitale Kanäle vertrieben wird.5 Während die Ausgestaltung der Anwendungsphase in höchstem Masse abhängig vom jeweiligen Produkttypus ist, lassen sich für die Phasen, die der eigentlichen Anwendung vor- und nachgelagert sind, generische Pattern identifizieren, die unabhängig vom speziellen Produkttypus beim Design digitaler Produkte genutzt werden können. Daher liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Entwicklung einer Patternsprache, welche diese generischen Phasen erfasst. Für die Anwendungsphase sind nach der in dieser Arbeit vorgestellten Vorgehensweise produktgruppenspezifische Sub-Patternsprachen zu entwerfen. Diese können jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Weiterhin steht in dieser Arbeit die Betrachtung der aktuell vorherrschenden „Browser-Schnittstelle“ zwischen Kunde und Produkt im Vordergrund. Aus der übergeordneten Zielsetzung lassen sich nun weitere Forschungsziele ableiten: • Konkretisierung des Verständnisses des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum unter Berücksichtigung der Bedeutung des Kundenwertes sowie der Kommunikation über und durch das Produkt, • Bestimmung der Charakteristika digitaler Produkte und des digitalen Wirtschaftsraumes und Ableitung der Konsequenzen für das kundenzentrierte Design, • Bestimmung des Anwendungskontextes digitaler Produkte zur Ableitung der Szenen der Kunde-Produkt-Interaktionsbeziehung, • Analyse des Konsumentenverhaltens zur Ableitung von Gestaltungshinweisen für die einzelnen Szenen, • Analyse des Patternansatzes und Herausarbeitung der Vorteile des Ansatzes gegenüber anderen Methoden zur Unterstützung des Designprozesses und zur Speicherung von Designwissen sowie Analyse bestehender Patternsysteme und Bestimmung ihrer Defizite bezüglich des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte, • Entwicklung einer Metasprache, welche die Struktur der Patterns und die Beziehungen zwischen den Patterns festlegt, durch die sich die Patterns zu einer Designsprache ergänzen; diese Metasprache ist Voraussetzung für die konsistenzerhaltende Weiterentwicklung der konkreten Patternsprachen über die Zeit, • Ableitung der Design Patterns für digitale Produkte auf der Grundlage der erarbeiteten theoretischen Kenntnisse und der Analyse von Best Practice Cases aus der Praxis, • Anwendung der Modelle von Medien und der Theatermetapher zur Darstellung der Lösung. 5 Eine genaue Definition von digitalen Produkten sowie vom Design digitalen Produkten erfolgt in den Kapiteln B und C der Arbeit. 8 Einleitung A 4 Nutzen der Arbeit Diese Arbeit richtet sich sowohl an die Wissenschaft als auch an die Praxis. Durch sie ergeben sich die folgenden Nutzenpotentiale: 1. Unterstützung der Designer bei der Erstellung erfolgreicher digitaler Produkte: Die informale Beschreibung der Lösungen in Form von Problem-Lösungs-Kombinationen gestattet die einfache Anwendung der Patterns auch für Design-Novizen. 2. Unterstützung der Entdeckung und Etablierung von wiederkehrenden Mustern in der Kunde-Produkt Interaktion: Die im Zuge der Umsetzung der Patterns in den konkreten Designlösungen wiederkehrenden Muster fördern das Verständnis der Produkte durch den Kunden und erleichtern das Design von verständlichen Produkten durch die Produktdesigner. Die entwickelten Patterns können dann auch die Grundlage für die Entwicklung (technischer) Frameworks bilden, die eine direkte Umsetzung der Lösungen gestatten. 3. Unterstützung des multidisziplinären Designprozesses: Das Design erfordert die Zusammenarbeit von Stakeholdern verschiedener Disziplinen mit entsprechend unterschiedlichen Anforderungen an das Design: der Kunde, der Schnittstellendesigner, der Software-Ingenieur etc. Die hier entwickelte Sprache soll die verschiedenen Sichten dieser Stakeholder auf das Produkt erfassen. Als Lingua Franca soll sie einen partizipativen Designprozess unterstützen, in den alle Stakeholder frühzeitig integriert werden. 4. Grundlage für das Management von Designwissen: Patterns bilden die Grundlage zur Bewahrung, Verbreitung und Weiterentwicklung guten Designwissens. Sie bieten somit eine Basis für das Knowledge Managements sowohl im Unternehmenskontext als auch innerhalb der wissenschaftlichen Community. 5. Integration von Theorie und Praxis: Die Patternsprache basiert auf zwei Säulen, einer theoretischen und einer praktischen. Durch die systematische Integration und explizite Erfassung theoretischer Kenntnisse in den Patterns gestattet die Sprache eine sukzessive Erweiterung, im Zuge derer neue Möglichkeiten der Technologie sowie neue Erkenntnisse über das Konsumentenverhalten in neue Gestaltungsmöglichkeiten umgesetzt werden. Umgekehrt führt die praktische Säule mit der Ableitung von in der Praxis funktionierenden Lösungen zur Überprüfung und Weiterentwicklung des theoretischen Fundaments. 6. Integration verschiedener Disziplinen: Aufgrund ihrer interdisziplinären Ausrichtung gestattet die Patternsprache eine Zusammenführung verschiedener Designdisziplinen in einem Ansatz und bildet somit die Grundlage für das Studium des Zusammenspiels der verschiedenen Disziplinen. Die ersten drei Potentiale sind vor allem für die Anwendung der Patternsprache im Unternehmenskontext entscheidend. Die Punkte vier und fünf richten sich sowohl an die Praxis als auch an die wissenschaftliche Community. Die Integration von Theorie und Praxis durch die Patternsprache gestattet dabei eine intensivere Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Design Patterns für digitale Produkte 9 Zielgruppen dieser Arbeit. Mit der Integration verschiedener Disziplinen liefert die Patternsprache schliesslich einen wesentlichen Beitrag für die Wissenschaft. A 5 Methodisches Vorgehen Dieser Abschnitt erläutert die Einordnung der vorliegenden Forschungsarbeit in die Wissenschaftstheorie, die Forschungskonzeption und das dieser Arbeit zugrundegelegte methodische Vorgehen. A 5.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung und Forschungskonzeption Die Forschung gliedert sich, positioniert an der Schnittstelle zwischen Informatik und wirtschaftswissenschaftlicher Forschung, in die Tradition der angewandten sozialwissenschaftlichen Forschung im Ulrich’schen Sinne ein (Ulrich 1984: 168 ff.). Ziel der anwendungsorientierten Forschung ist die „Erfassung typischer Probleme der Praxis und die Prüfung der von ihr entwickelten Gestaltungsmodelle“ (Ulrich 1981: 10). Im Vordergrund der angewandten Forschung steht somit nicht primär der Zuwachs der Erkenntnissicherung als vielmehr das Verständnis und die dadurch mögliche Gestaltung der Realität. Damit grenzt sie sich von einer rein theoretischen nach Wahrheitsfindung strebenden Forschung ab. Tabelle A 5-1 stellt die zentralen Unterschiede der hier verfolgten anwendungsorientierten Forschung und der dazu komplementären theoretischen Wissenschaften gegenüber. Theoretische Wissenschaften Anwendungsorientierte Wissenschaften Entstehung der Probleme In der Wissenschaft In der Praxis Abgrenzung der Probleme Durch Theoriezusammenhang Durch Praxiszusammenhang Forschungsziele Theorieentwicklung und –prü- Entwerfen möglicher Wirklichfung, Erklärung der bestehenden keiten Wirklichkeit Angestrebte Aussagen Deskriptiv, wertfrei Normativ, wertend Forschungsregulativ Wahrheit Nützlichkeit Forschungskriterien Allgemeingültigkeit, Bestäti- Praktische Problemlösungskraft gungsgrad, Erklärungskraft, von Modellen und Methoden Prognosekraft von Theorien Tabelle A 5-1:Gegenüberstellung: Theoretische und Anwendungsorientierte Wissenschaften (aus (Ulrich 1998: 163)) 10 Einleitung Probst und Romhardt (1997: 131 f.) stellen fünf Forderungen an ein anwendungsorientiertes Wissensmanagement, die sich ebenfalls auf die anwendungsorientierte Forschung übertragen lassen:6 (1) die Anschlussfähigkeit, (2) die Problemorientierung, (3) die Verständlichkeit, (4) die Handlungsorientierung und (5) die Instrumentalisierung der entwickelten Konzepte. Alle fünf Anforderungen werden durch den in dieser Arbeit zugrundegelegten Patternansatz erfüllt: 1. Anschlussfähigkeit: Diese Eigenschaft fordert die Schaffung einer gemeinsamen Sprache und die Einordnung der entwickelten in die bereits bestehenden Konzepte. Die hier entwickelte Patternsprache erhebt den Anspruch, im Sinne einer Lingua Franca eine gemeinsame Sprache für alle am Designprozess beteiligten Akteure zu bilden. Die Sprache selbst soll es weiterhin ermöglichen, bestehende Patternansätze sowie auch bestehende Theorien zu integrieren. 2. Problemlösungsorientierung: Sie fordert von den Arbeiten, dass sie zur Lösung konkreter Probleme beitragen. Die hier entwickelte Patternsprache soll das Defizit innerhalb der Designpraxis bzgl. gezielter und pragmatischer Methoden zur Designunterstützung schliessen und wird somit auch dieser Anforderung gerecht. 3. Verständlichkeit: Patterns stellen Designwissen in einer wenig formalen und daher auch für Laien verständlichen Sprache dar. Sie werden daher der Anforderung an die Verständlichkeit gerecht. 4. Handlungsorientierung: Patternsprachen geben konkrete Empfehlungen, wie immer wiederkehrende Designprobleme zu lösen sind. Sie erfüllen also auch die Forderung nach der Entwicklung handlungsorientierter Konzepte. 5. Instrumentenbereitstellung: Patternsprachen dienen im Sinne eines Instruments der Anwendung im Zuge des Designprozesses. Die Arbeit stellt somit direkt ein Instrument zur Anwendung des in der Patternsprache abgebildeten Problemlösungswissens zur Verfügung. Die zugrundegelegte Forschungskonzeption basiert prinzipiell auf der „Konstruktionsstrategie empirischer Forschung“ (Kubicek 1976), bei der ausgehend von einem theoretischen Grundverständnis ein Bezugsrahmen, in diesem Fall die Patterns, erarbeitet wird, der dann durch die Erfahrungen der Praxis validiert und angepasst wird. Ausgangspunkt der Arbeit waren die Probleme der Praxis beim kundenzentrierten Design digitaler Produkte in einer in zunehmendem Masse digitalisierten Wirtschaft. Hier fehlen bisher systematische Methoden zur Unterstützung des interdisziplinären Designprozesses. Im Rahmen dieser Arbeit wurde somit ein aktuelles Problem der Praxis aufgegriffen und unter Einbezug theoretischer Kenntnisse und der Analyse erfolgreicher Beispiele aus der Designpraxis Lösungen in Form eines Patternsystems erarbeitet. Damit leistet die vorliegende Arbeit einen Beitrag zur realitätsorientierten Forschung. 6 Der Patternansatz gliedert sich dabei ebenfalls in die Disziplin des Wissensmanagements ein. Design Patterns für digitale Produkte 11 Gemäss Tomczak (1992) ist eine realitätsorientierte Forschung charakterisiert durch (1) „[den Versuch] praktisch relevante Probleme und Phänomene auf dem Wege eines theoriegeleiteten Empirismus zu beschreiben, zu erklären und zu lösen“, (2) „[den] Objektbereich durch gezielte Erfahrungsgewinnung selbst kennenzulernen“ und (3) „theoretisch geleitete Fragen an die Realität zu stellen.“ Forschung wird dabei als iterativer Lernprozess begriffen (Tomczak 1992: 84). Er ist in Abbildung A 5-1 dargestellt. Ausgehend von einem theoretischen Vorverständnis, das in dieser Arbeit durch ein umfassendes Literaturstudium sowie persönliche und praktische Erfahrungen gewonnen werden konnte, werden Fragen an die Realität gestellt. Im Zuge der Arbeit sind dabei insbesondere das Wissen über das Konsumentenverhalten sowie die Besonderheiten digitaler Produkte entscheidend. Das aus der Sammlung von Daten sowie auf der Grundlage des (theoretischen) Vorverständnisses entwickelte Realitätsbild wird dann kritisch reflektiert und führt durch eine Differenzierung und Abstraktion zu einer Anpassung des theoretischen Verständnisses. In dieser Arbeit beruht die Datensammlung vorrangig auf der qualitativen Methode der Analyse ausgewählter Best Practice Cases. Fragen an die Realität LiteraturLiteratur Analyse analyse Cases Theoretisches (Vor -) Verständnis Sammlung von Daten Anwendung in der Designpraxis Persönliche Erfahrungen Abstraktion, Differenzierung, etc. Kritische Reflektion des gewonnenen Weltbildes Abbildung A 5-1: Iterativer Forschungsprozess7 Die hier entwickelte Patternsprache ist somit das Ergebnis der wiederholten kritischen Reflexion des gewonnenen Realitätsbildes sowie der anschliessenden Abstraktion und Differenzierung. Sie beruht auf dem in der Graphik illustrierten Wechselspiel zwischen Praxis und Theorie, in dem sie auf einer theoretischen Fundierung aufsetzt und dabei die in der Praxis funktionierenden Designlösungen widerspiegelt.8 7 In Anlehnung an (Tomczak 1992: 84). 8 Box und Luceno (1997: 9) sagen dazu: „So since all models are wrong, it is very important to know what to worry about; or to put it in another way, what models are likely to produce procedures that work in practice (where exact assumptions are never true). Obviously, a good approach ist to consider the properties of procedures that do seem to work in practice. In fact to obtain a useful procedure one needs both empiricism and theory. But more than that one needs continuous iteration between them.” 12 Einleitung A 5.2 Methodisches Vorgehen in dieser Arbeit Wie im vorangegangenen Abschnitt bereits erläutert wurde, basiert die hier zu entwickelnde Patternsprache für digitale Produkte generell auf drei Säulen: 1. dem theoretischen Vorwissen über digitale Produkte und über das Konsumentenverhalten sowie dem methodischen Wissen über den in dieser Arbeit verwendeten Patternansatz und die Modellen und Methoden zur Beschreibung und Entwicklung von digitalen Interaktionsräumen in Form der Modelle von Medien. Im Zuge der Vorstellung der Patternansätze interessiert insbesondere deren Bedeutung und vor allem auch deren Defizite in bezug auf das kundenzentrierte Design digitaler Produkte, woraus sich die in dieser Arbeit zu schliessende Forschungslücke ableitet. 2. den eigenen Erfahrungen mit dem Design digitaler Produkte aus Praxisprojekten und 3. der Analyse erfolgreicher Realisierungen digitaler Produkte in der Praxis. Dementsprechend beruht das methodische Vorgehen dieser Arbeit auf der Erarbeitung der inhaltlichen und methodischen Grundlagen im Zuge eines Literaturstudiums, der Aufbereitung der eigenen Erfahrungen, die im Zuge der Arbeiten am Institut gewonnen werden konnten sowie der Auswertung von Best Practice Cases. Es gliedert sich dabei in den zyklischen Forschungsprozess ein (vgl. Abschnitt A 5.1). Literaturstudium Voraussetzung für das – kundenzentrierte – Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum sind fundierte Kenntnisse über die Besonderheiten digitaler Produkte sowie des sie umgebenden digitalen Wirtschafsraumes und weiterhin Wissen über das Verhalten von Konsumenten beim Erwerbs- und Anwendungsprozess eines Produktes. Sie bilden die inhaltlich theoretische Säule der Arbeit und wurden in einem ersten Schritt dieser Forschungsarbeit durch ein intensives Literaturstudium erarbeitet. Die methodische Grundlage bilden der Patternansatz und die Modelle von Medien. Auch dieses Wissen wurde vorrangig im Zuge eines Literaturstudiums erworben. In bezug auf den Patternansatz wurde neben der Aufbereitung der diesem Ansatz zugrundeliegenden methodischen Prinzipien ein Schwerpunkt auf die Erarbeitung einer Übersicht über bereits bestehende Patternansätze in den für die Arbeit relevanten Disziplinen gelegt. Sie ermöglichen eine Einordnung der eigenen Arbeit und zeigen insbesondere das bestehende Forschungsdefizit im Bereich der Patternforschung zur Unterstützung des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte auf. Erfahrungswissen aus Forschungstätigkeit: Die theoretischen Kenntnisse konnten durch eigene Erfahrungen mit dem Design digitaler Produkte im Rahmen einer Assistenztätigkeit am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement erlangt werden. Die Autorin engagierte sich dabei in den beiden Forschungsbereichen Kompetenzzentrum Elektronische Märkte (CCEM) und Forschungsgruppe Computational Media und arbeitete an verschiedenen praxisorientierten Forschungsprojekten mit. Design Patterns für digitale Produkte 13 CCEM: Das Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Beat Schmid ist eine der ersten Institutionen, die sich intensiv mit der Erforschung der wirtschaftlichen und technischen Aspekte elektronischer Märkte beschäftigten. Es zählt mittlerweile zu den führenden Forschungsinstitutionen in diesem Bereich. Eine tragende Säule dieser Forschungsaktivitäten sind Kompetenzzentren, in denen Wissenschaftler und Vertreter der Praxis gemeinsam für beide Seiten relevante Fragestellungen bearbeiten. Das Kompetenzzentrum Elektronische Märkte (Competence Center Electronic Markets) befindet sich mittlerweile in der fünften Dreijahresperiode. Gegründet wurde es bereits im Jahre 1989. In der ersten Phase, dem CCEM1, wurden die grundlegenden Konzepte und Prinzipien elektronischer Märkte erarbeitet. Im Vordergrund stand die Untersuchung ökonomischer Koordinationsmechanismen sowie der Architektur elektronischer Märkte. Bereits hier wurde die Grundlage des später entwickelten Medienreferenzmodells zur Gestaltung digitaler Interaktionsräume gelegt. Im Zentrum der zweiten Phase, dem CCEM2, stand die Entwicklung generischer Marktdienste für die Waren- und Finanzlogistik. Besonders hervorzuheben sind die Arbeiten zu einem Computer – integrierten Logistikdienst, CIL. Die dritte Phase, das CCEM3 beschäftigte sich mit den strategischen Aspekten elektronischer Märkte. In dieser Arbeit entstand insbesondere das Referenzmodell elektronische Märkte, die Grundlage des in dieser Arbeit verwendeten Medienreferenzmodells. Im Mittelpunkt der Arbeiten der vierten Phase des Kompetenzzentrums, des CCEM4, stand das Management von Geschäftsmedien, verstanden als Plattform zum Austausch von Gütern, Werten, Informationen und Leistungen. Die fünfte Phase, das CCEM5, beschäftigt sich aktuell mit nachhaltigen Geschäftsmodellen in digitalen Medien. Die eigenen Arbeiten im Bereich des Designs digitaler Medien gliedern sich vorrangig in die vierte Phase des CCEM ein. Forschungsgruppe Computational Media: Die Forschungsgruppe Computational Media, gegründet 1997 unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Ulrike Lechner, setzte ihren Fokus auf die Erarbeitung theoretischer Konzepte zum Design und zur Modellierung von Medien. Ziel war die Formalisierung von Medien als Grundlage ihrer technischen Realisierung. Dazu wurden die Komponenten der Modelle von Medien, dem Medienmodell und dem Medienreferenzmodell, mit formalen Methoden aus der theoretischen Informatik sowie mit semiformalen Methoden aus dem Bereich des Software Engineerings beschrieben (Klose et al. 1999b; Lechner et al. 1999a). Die resultierenden Spezifikationen ermöglichen die Umsetzung der so gestalteten Medien in Informations- und Kommunikationstechnologie. Im Zentrum der eigenen Arbeiten innerhalb der Forschungsgruppe stand die semiformale Modellierung von Medien, sowie die Konkretisierung und Validierung der bestehenden Modellierungsansätze durch deren Übertragung auf konkrete Anwendungsfälle (Hoffmann et al. 1999b; Klose 1999; Klose & Lechner 1999b; Klose & Lechner 2000; Lechner et al. 1999b). Projektarbeit: Weitere Erfahrungen konnten im Zuge der Mitarbeit an diversen Forschungsprojekten gewonnen werden: • LogEC II und III: Im Zentrum dieser beiden Forschungsprojekte stand die Untersuchung der Potentiale elektronischer Medien für die Logistikbranche. Die beiden Projekte wurden in Zusammenarbeit mit der DANZAS Stiftung für Logistik sowie dem Institut für Technologiemanagement (ITEM) an der Universität St. Gallen, Bereich In- 14 Einleitung novationsmanagement und Logistik, durchgeführt. Die Zielsetzung von LogEC II bestand in der Entwicklung möglicher Geschäftsmodelle – und somit elektronischer Produkte – eines Logistikdienstleisters in der digitalen Ökonomie. Für die Modellierung der entsprechenden Geschäftsmedien wurden die Modelle von Medien, insbesondere das Medienreferenzmodell, verwendet (Hoffmann et al. 1999b; Hoffmann et al. 1999a; Hoffmann 2001; Hoffmann & Klose 2000; Klose et al. 1999a). In LogEC III wurde dann das Konzept eines „Logistikhubs“, eines Geschäftsmediums für die Realisierung der in LogEC II entwickelten Geschäftsmodelle, verfeinert. Auch hier bildete das Medienmodell die Grundlage der Arbeit (Klose et al. 2000). • Abdra II: Ziel des Projektes ABDRA II (Auction Based Distributed Resource Allocation) war die Untersuchung und Implementierung von Allokationsmechanismen für Informationsmärkte. Neben dem Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement bestand das Projektteam aus Vertretern des Instituts für Informatik an der Universität Zürich sowie, als Praxispartner, aus Mitarbeitern der UBS AG. Auf Basis des Medienmodells wurden Designmodelle für einen Informationsmarkt auf dem firmeneigenen Intranet des Praxispartners entwickelt und prototypisch realisiert (Hengartner et al. 2000a; Hengartner et al. 2000b; Klose & Lechner 1999a; Klose & Lechner 1999c). • Reference Model Electronic Markets: Dieses Projekt gliedert sich in das vom Schweizer Nationalfonds geförderte Forschungsprogramm CNEC (Competence Network Electronic Commerce) ein. Ziel war es, auf der Grundlage des bestehenden Medienreferenzmodells einen Strukturrahmen für das Design und die Entwicklung von Elektronischen Märkten zu entwickeln, in den sich insbesondere die verschiedenen Projekte des Kompetenznetzwerkes, aber auch allgemein Arbeiten und Ansätze aus der Forschung und Praxis Elektronischer Märkte eingliedern lassen. Auch in diesen Arbeiten konnten somit weitreichende Erkenntnisse über das Design digitaler Produkte, insbesondere in bezug auf die Anforderungen des Kunden, die Möglichkeiten und Charakteristika digitaler Produkte sowie deren Umsetzung beim Design digitaler Produkte gewonnen werden. Cases (Best Practice) Das Konzept der Patternforschung besteht darin, in der Designpraxis bewährte Lösungen auf wiederkehrende Designprobleme zu entdecken und diese systematisch zu erfassen. Die Analyse von Best Practice Beispielen bildet somit einen zentralen Teil dieser Arbeit. Im Falle digitaler Produkte wird diese Vorgehensweise jedoch dadurch erschwert, dass noch wenige Beispiele zu finden sind, welche die Möglichkeiten digitaler Produkte und die Anforderungen der Kunden optimal befriedigen. Verschiedene Anwendungen können dabei als Best Practices für lediglich einzelne Aspekte resp. Szenen der Kunde-Produkt-Interaktion angesehen werden. Um das fehlende Best Practice Wissen zu kompensieren, wird zur Herleitung der Patterns weiterhin das im Literaturstudium gewonnene theoretische Wissen genutzt. Die Best Practice Beispiele zeichnen sich vorrangig durch ihren Erfolg bei ihrem Kundenkreis aus. Als weiteres Unterscheidungskriterium dient der Innovationsgrad des dem Produkt zugrundegelegten Geschäftsmodells aus der Sicht ihrer potentiellen Kunden. Je innovativer das Produkt ist, desto aufwendiger und zentraler gestaltet sich die Kommunikation Design Patterns für digitale Produkte 15 des Produktes (durch und über das Produkt). Daher betrachten wir neben den etablierten digitalen Produkten wie amazon.com, dell.com und ebay.com, bei denen es sich um Produkte mit geringem oder mittlerem Innovationsgrad handelt, auch innovative Produkte wie jobfair24.de. A 6 Disposition der Arbeit Der Aufbau der Arbeit ist in Abbildung A 6-1 graphisch dargestellt. Danach gliedert sich die Arbeit in 11 Kapiteln, die sich sechs Teilen zuteilen lassen. A: Einleitung B: Des ign digitaler Produkte im digitalen Wirts chafts raum Produkt I und II C: Inhaltliche Grundlage Charakteris tika digitaler Produkte im digitalen Wirts chafts raum (Kap. C 1) Anwendungs kontext digitaler Produkte Modell der KundeProdukt-Interaktion Kons umentenverhalten (Kap. C 2) D: Methodis che Grundlage Patternans atz (Kap. D 1) Einordnung in die Patternfors chung (Kap. D 2) Modelle von Medien zur Bes chreibung digitaler Interaktions räume (Kap. D 3) E: Entwicklung der Patterns prache Metapatterns prache und Entwicklungs rahmen (Kap. E 1) Patterns prache für das Des ign digitaler Produkte (Kap. E 2) F: Zus ammenfas s ung und Aus blick Abbildung A 6-1: Aufbau der Arbeit Der vorliegende erste Teil A führt in die Arbeit ein. Dabei werden nach der Darstellung der Ausgangslage und der Illustration der Problemstellung (A 1) bestehende Lösungsansätze vorgestellt (A 2). Im Zentrum steht dann die Darlegung der Zielsetzung der Arbeit und der hinführenden Unterziele sowie des Nutzens der Arbeit für die Wissenschaft und die Praxis (A 3 und A 4). Anschliessend wird die der Arbeit zugrundegelegte Forschungsmethodik erläutert (A 5) und die Disposition der Dissertation vorgestellt (A 6). Der zweite Teil bildet den Ordnungsrahmen dieser Arbeit. Hier wird die zunehmende Bedeutung des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte erläutert und das in dieser Arbeit zugrundegelegte Verständnis von Design konkretisiert. Dieses Kapitel baut dabei sehr stark 16 Einleitung auf den aktuellen Arbeiten über Produktdesign am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement auf. Zunächst werden die beiden Sichten des Produktes als Problemlösung (B 1) sowie die dadurch induzierten zwei Arten der Implementation eines Produktdesigns dargelegt (B 2). Dabei wird das Produkt zum einen aus der Sicht des Kunden und zum anderen aus der Sicht der Produktion betrachtet. Beide Blickwinkel müssen beim Design berücksichtigt werden. Ein Produkt aus der Sicht des Kunden hat neben seiner Funktion auch den Charakter eines Zeichens. Dabei können drei verschieden Wirkungsdimensionen eines Produktes identifiziert werden, die beim Design beachtet werden müssen und daher in diesem Kapitel dargelegt werden (B 3). Anschliessend wird erläutert, wie sich die Veränderungen in der Wirtschaft auf eine Verschiebung zwischen den beiden Designperspektiven, zu Gunsten der Kundensicht, auswirkt (B 4). Im Zentrum dieses zweiten Teils der Arbeit steht dann die Festlegung des Begriffsverständnisses von Produktdesign (B 5) und dessen Konkretisierung zum kundenzentrierten Design digitaler Produkte in einem digitalen Wirtschaftsraum (B 6). Nach dieser Einführung wird in den nächsten zwei Kapiteln die inhaltlich theoretische Grundlage dieser Arbeit gelegt (Teil C). Kapitel C 1 analysiert die Charakteristika digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum. Ziel ist es, die Eigenschaften und Besonderheiten digitaler Produkte zu erkennen und ihre Auswirkungen auf das Design zu verstehen. In einem ersten Schritt wird das Verständnis eines digitalen Produktes konkretisiert (C 1.1). Dabei werden die verschiedenen Definitionen, die sich in der Literatur finden lassen, gegenübergestellt und daraus eine eigene Definition abgeleitet (C 1.2). Digitale Produkte lassen sich weiterhin, wie „traditionelle“ Produkte, in Kategorien einteilen. Die bestehenden Kategorisierungsschemata werden gegenübergestellt und in einem eigenen umfassenden Schema konsolidiert (C 1.3). Im Zentrum dieses Kapitels steht dann die Darlegung der Charakteristika digitaler Produkte und die Ableitung der ökonomischen und kundenbezogenen Auswirkungen dieser Eigenschaften (C 1.4). Abschliessend wird der für diese Arbeit zentrale Wertbegriff eines digitalen Produktes konkretisiert (C 1.5). Er ist im Zuge des Designs eines Produktes zu maximieren. Kapitel C 2, ebenfalls dem inhaltlichen Grundlagenblock zuzuordnen, dient der Ableitung der Szenen des Theaterstückes der Kunde-Produkt-Interaktion und liefert die theoretischen Grundlagen für deren Ausgestaltung. Im ersten Teil dieses Kapitels (C 2.1) wird der Anwendungskontext digitaler Produkte durch die Darlegung und Integration etablierter Phasenmodelle definiert. Ergebnis ist die Festlegung der Szenen. Der zweite Teil (C 2.2) legt die zentralen Theorien zur Erklärung des Konsumentenverhaltens dar. Dabei wird generell zwischen den psychologischen und den soziologischen Ansätzen unterschieden. Diese Theorien helfen bei der Gestaltung der Interaktionsprozesse in den verschiedenen Szenen. Im Anschluss an diesen inhaltlichen Grundlagenteil folgt der methodische Grundlagenteil D. In Kapitel D 1 wird der in dieser Arbeit zugrundegelegte Patternansatz vorgestellt. Ziel ist es, diesen Ansatz der Designunterstützung und des Wissensmanagements zu verstehen und seine Vorteile gegenüber alternativen Ansätzen zu diskutieren. Dazu werden zunächst die zentralen Begriffe der Design Patterns und der Patternsprache definiert und die damit verbundene Methodik zur Ableitung und Anwendung der Patterns erläutert (D 1.1). Im Anschluss werden die Besonderheiten und Vorteile von Design Patterns erläutert (D 1.2). Eine Design Patterns für digitale Produkte 17 Gegenüberstellung und Abgrenzung gegenüber alternativen Möglichkeiten der Wissensrepräsentation schliesst das Kapitel ab (D 1.3). Nach dieser allgemeinen Einführung des Patternansatzes gibt Kapitel D 2 eine Einordnung in die aktuelle Patternforschung. Neben der Darstellung der Arbeiten in den einzelnen Disziplinen werden insbesondere deren Defizite in bezug auf das in dieser Arbeit verfolgte Ziel, die Entwicklung einer Patternsprache für digitale Produkte, dargelegt. Im Einzelnen untersucht werden die Patternansätze aus der Architektur (D 2.1), dem Software Engineering (D 2.2), dem HCI (D 2.3), den Hypermedia-Applikationen (D 2.4) und den Electronic Commerce Anwendungen (D 2.5). Die Ableitung der Anforderungen an eine Patternsprache für digitale Produkte schliesst das Kapitel ab (D 2.6). In Kapitel D 3 werden dann die Basiskonstrukte zur Modellierung digitaler Interaktionsräume eingeführt. Sie bilden die Basis für die Darstellung der Lösungsstrukturen innerhalb der Design Patterns. Hier werden die am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement entwickelten Modelle von Medien, das Medienmodell (D 3.1) und das Medienreferenzmodell (D 3.2) sowie deren Operationalisierung in Form der Theatermetapher (D 3.3), dargelegt. Der zentrale fünfte Teil E dieser Arbeit umfasst dann die eigentliche Herleitung der Patternsprache. Im zugehörigen Kapitel E 1 wird zunächst die Zielsetzung und die Ausrichtung der Patternsprache konkretisiert (E 1.1). Im Anschluss daran wird eine Metapatternsprache entwickelt. Sie definiert die Struktur der Sprache, d.h. insbesondere die Beziehungen zwischen den Patterns sowie die Struktur der Patterns selbst (E 1.2). Anschliessend wird das Vorgehen zur Ableitung der Patterns, d.h. der Inhalte der Patternsprache, bestimmt (E 1.3). Abschliessend werden die vier Best Practice Cases vorgestellt, welche die praktische Fundierung der Patterns bilden (E 1.4). Die Entwicklung der konkreten Patternsprache für digitale Produkte ist dann Gegenstand des Kapitels E 2. Gemäss den identifizierten Phasen der Kunde –Produkt-Interaktion werden hier die Patterns der zugehörigen Szenen und ihre Beziehungen zu anderen Patterns erfasst. Das Kapitel gliedert sich dementsprechend in die Darstellung der Awarenesspatterns, (E 2.1), der Überzeugungspatterns (E 2.2), der Entscheidungs- resp. Absichtspatterns (E 2.3), der Wissenspatterns (E 2.4), der Verhandlungspatterns (E 2.5), der Abwicklungspatterns (E 2.6), und der Kundenbetreuungspatterns (E 2.7). Die Überprüfung der Patterns erfolgt dabei direkt im Zuge der Beschreibung der Patterns durch die theoretische Fundierung sowie deren Implementierung in Best Practice Cases. Den Abschluss dieser Arbeit bildet mit Teil F eine Zusammenfassung der Arbeit und ein Ausblick auf weiterführende Forschungsarbeiten. 18 Einleitung B Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum Ziel dieses Teils B der Arbeit ist es, den für die vorliegende Arbeit zentralen Begriff des Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum zu definieren. Dabei wird insbesondere die besondere Stellung und Bedeutung eines kundenzentrierten Produktdesigns in der digitalen Ökonomie aufgezeigt. Zunächst wird das hier zugrundegelegte Verständnis von Produkten definiert und dessen zentrale Positionierung als Bindeglied innerhalb der Wertschöpfungskette erläutert. Aus dieser Funktion werden die beiden Betrachtungsebenen abgeleitet, die beim Design eines Produktes berücksichtigt werden müssen: das produktionsorientierte Design und das kundenorientierte Design. Diese beiden Perspektiven stellen unterschiedliche Anforderungen an das Design und induzieren zwei auf die jeweiligen Zielgruppen ausgerichtete Implementierungsarten. Sie werden in einem eigenen Kapitel erläutert. Die Bedeutung des Produktes aus der in dieser Arbeit zentralen kundenorientierten Perspektive wird anschliessend näher spezifiziert. Dabei wird das Produkt sowohl aus einer funktionalen als auch aus einer semiotischen Perspektive betrachtet. Anschliessend wird erläutert, wie und warum sich die Bedeutung der beiden Betrachtungsebenen und der zugehörigen Implementierungen durch die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft zu Gunsten der kundenorientierten Sichtweise verschiebt. Aus den zuvor gewonnenen Erkenntnissen wird schliesslich das in dieser Arbeit zugrundegelegte ganzheitliche Verständnis eines kundenzentrierten Designs von Produkten abgeleitet. Dieses wird im abschliessenden Kapitel zur Definition des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum verfeinert. B 1 Die beiden Sichten des Produktes als Problemlösung Unsere arbeitsteilige Wirtschaft beruht darauf, dass die Menschen nicht alle ihre Bedürfnisse selbst befriedigen, sondern sich auf die Erzeugung bestimmter Produkte spezialisieren, diese Produkte auch anderen anbieten und dafür eigene Bedürfnisse durch Produkte anderer Anbieter befriedigen lassen.9 Die Art der Spezialisierung hängt dabei sowohl von den zur Verfügung stehenden Ressourcen, insbesondere dem Herstellungswissen, sowie auch von der Marktsituation, insbesondere von der Nachfrage- und Konkurrenzsituation ab.10 Das Geschäftsmodell jedes Unternehmens beruht somit grundsätzlich auf der Bereitstellung eines Produktes, welches die Bedürfnisse einer bestimmten Kundengruppe befriedigt. 9 s. z.B. (Jost 1999) 10 Diese Betrachtung der Marktsituation oder der vorhandenen Ressourcen spiegelt sich in den Betrachtungsebene der beiden konkurrierenden Wettbewerbsstrategien der maket-based view und der resource-based view wider. Härtsch (2001) argumentiert hierbei, dass in der digitalen Ökonomie beide Betrachtungsweisen berücksichtigt werden müssen. 19 20 Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum Als Produkt wird alles bezeichnet, was auf einem Markt angeboten werden kann, um Bedürfnisse oder Wünsche zu befriedigen. (Kotler 1999: 29) In Anlehnung an Schmid (2001d: 47) erfüllt ein Produkt somit die Funktion einer Problemlösung, die es dem potentiellen Kunden gestattet, von einer Ist-Situation in einen angestrebten Ziel-Zustand zu gelangen.11 Produzent Produkt Kunde Intermediär Abbildung B 1-1: Produkt als Bindeglied zwischen Produzent und Kunde12 Das Produkt bildet somit das Bindeglied zwischen Produzent und Nachfrager. Der Produzent stellt das Produkt her; der Kunde wendet das Produkt an, um damit sein Problem zu lösen (s. Abbildung B 1-1). Intermediäre können die Interaktion zwischen Kunde und Produzent erleichtern: Sie bringen Anbieter und Nachfrager zusammen, unterstützen die Verhandlungen zwischen den beiden Parteien sowie die Abwicklung der Transaktion. Intermediäre können durch die Bereitstellung und Vermittlung von Wissen aber auch die Anwendung des Produktes selbst erleichtern.13 Für den erfolgreichen Einsatz des Produktes im Zuge der Problemlösung müssen Produzent und Anwender über umfangreiches Wissen verfügen: Der Produzent über Wissen über die Herstellung des Produktes, der Anwender über die Existenz, die Bedeutung, den Erwerb und die Anwendung des Produktes. Beide Stakeholder stellen dabei unterschiedliche Anforderungen an das Produkt. Der Benutzer möchte das Produkt optimal und einfach für die Lösung seiner Probleme einsetzen können, der Produzent möchte das Produkt möglichst effizient und kostensparend herstellen können. Beide Parteien sind an einem einfachen und reibungslosen Austausch des Produktes interessiert. 11 Schmid (2001a) und Schmid Isler (2001a) unterscheiden hier genauer zwischen einem (1) Transformations-Wunsch des Kunden, dem Übergang in einen Zustand, in dem ein Bedürfnis befriedigt wird, und einem (2) Homöostasie-Wunsch des Kunden, dem Verbleib in einem Zustand, in dem ein Bedürfnis bereits befriedigt ist. 12 In Anlehnung an (Schmid 2001d: 45). 13 Im Zuge der Digitalisierung verändern sich insbesondere die Intermediärsstrukturen. Bestehende Intermediärsfunktionen, insbesondere die des traditionellen Handels fallen weg, neue Intermediärstypen kommen meist im Zuge der Bereitstellung von Information hinzu. s. (Sarkar et al. 1995). Design Patterns für digitale Produkte 21 Die Aufgabe des Designs und des Designers ist es, diese Lücke zwischen Sichtweise und Anforderungen des Kunden und Sichtweise und Anforderungen der Produktion zu schliessen. Das Produktdesign umfasst daher die beiden folgenden Aufgaben (Schmid 2001d: 47): 1. Das kundenorientierte Design: Es beschreibt die Sicht des Kunden auf das Produkt und umfasst dabei zwei Aspekte: das Produkt als Funktion und das Produkt als Zeichen (Schmid 2001c: 22 ff.). Unter dem funktionalen Blickwinkel steht das Problemlösungspotential des Produktes aus der Sicht des Kunden im Vordergrund, d.h. welches Kundenproblem auf welche Art und Weise gelöst wird. Ziel ist es, die – individuellen - Bedürfnisse des Kunden möglichst optimal zu befriedigen und somit den Kundenwert des Produktes zu erhöhen. Der Begriff des Kundenwertes wird in Abschnitt C 1.4 noch ausführlich erläutert. Dabei muss die Sprache des Produktes eingänglich und leicht verständlich sein und das Produkt in einer für den Kunden ansprechenden Art und Weise präsentiert werden. Der Kunde muss das Produkt lesen und verstehen können. Bei der Gestaltung der Kundenschnittstelle ist daher von Implementierungsdetails weitestgehend zu abstrahieren (Schmid 2001d: 47). Neben der Lesbarkeit der Funktion des Produktes ist für den Kunden ausserdem die Lesbarkeit der Bedeutung des Produktes für ihn selbst aber vor allem auch für sein soziales Umfeld essentiell. Dieses Wissen über die Bedeutung ist entscheidend für das initiale Interesse am Produkt, die Ausbildung einer Kaufabsicht sowie auch der langfristigen Zufriedenheit mit dem Produkt. Der diese Aspekte subsumierende Zeichencharakter des Produktes ist daher ebenfalls beim Design aus der kundenorientierten Perspektive zu erfassen. 2. Das produktionsorientierte Design: Es definiert das Produkt aus der Sicht des Produzenten und spezifiziert somit die Details, die für die Herstellung des Produktes benötigt werden. Hier ist zwischen dem technischen Design und dem organisatorischen Design zu differenzieren. Das technische Design umfasst das konzeptuelle Design der Funktionalität eines Produktes aus der Sicht der Ingenieure. Es liefert somit Angaben für die konkrete technische Herstellung des Produktes. Das organisatorische Design definiert den komplementären Aspekt der Arbeitsorganisation und des Managements der inner- und zwischenbetrieblichen Abläufe. Diese beiden Aspekte werden im folgenden auch namentlich unterschieden: Das Produkt aus Sicht der Produktion wird als Produkt I, das Produkt aus Sicht des Kunden als Produkt II bezeichnet (Schmid 2000b), (s. Abbildung B 1-2). 22 Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum Designer Produkt I Produzent Produkt II Produkt Kunde Abbildung B 1-2: Die beiden Blickwinkel auf das Produkt14 Die beiden Designperspektiven können sehr gut am Beispiel der Architektur verdeutlicht werden: Ein Architekt muss beim Design eines Gebäudes sowohl die Wünsche des Kunden als auch die Anforderungen und Beschränkungen der Produktion beachten. Während beim Kunden eher die Aspekte der Funktionalität aber auch der Ästhetik eine Rolle spielen, sind bei der Produktion u.a. die Anforderungen der Statik und der Strom- und Wasserversorgung des Gebäudes entscheidend. Das Design umfasst daher verschiedene Darstellungen des selben Produktes aus dem jeweiligen Blickwinkel der unterschiedlichen Stakeholder, namentlich des Kunden sowie der verschiedenen am Bau beteiligten Spezialisten. Die entsprechenden Designs manifestieren sich in verschiedenen Darstellungsformen. Dem Kunden wird oftmals ein plastisches Modell des fertigen Gebäudes präsentiert. Baupläne und Detailpläne mit der Verlegung der elektrischen Leitungen und der Wasserversorgung interessieren für die technische Realisierung des Hauses; Projektpläne und Ablaufstrukturen sowie die Verteilung der organisatorischen Verantwortlichkeiten und die Befehlsstruktur steuern die organisatorische Umsetzung der technischen Lösung. Das Design eines Produktes bedarf daher des fundierten Wissens über beide Seiten (Schmid 2001d: 48). Der Designer muss die Welt der potentiellen Kunden kennen, um mögliche Probleme identifizieren und die Produkte in einer Art und Weise darstellen zu können, die der Kunde versteht und schätzt. Er muss aber auch die Möglichkeiten und Beschränkungen der Produktion kennen. Insbesondere die technische Seite der Produktion liefert hier Ideen für – vom technischen Standpunkt aus – neuartige und dominante Lösungskonzepte. Die technischen und organisatorischen Möglichkeiten beschränken jedoch auch die Umsetzbarkeit einer Lösung. Wie aus der obigen Definition deutlich wird, sind beim Design eines Produktes aus der kundenorientierten Perspektive sowohl die funktionalen Aspekte als auch die Wissensaspekte eines Produktes zu beachten. Ein Produkt muss unter dem funktionalen Gesichtspunkt so gestaltet sein, dass es ein Problem des Kunden möglichst optimal löst. Dabei sind alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion vom Erwerb über die Anwendung bis zur After Sales Betreuung zu berücksichtigen. Damit ein Produkt diese Funktion des 14 In Anlehnung an (Schmid 2001d: 47). Design Patterns für digitale Produkte 23 Problemlösers einnehmen kann, muss der Kunde über Wissen über das Produkt verfügen. Dieses umfasst neben dem Anwendungswissen das Wissen über seine Bedeutung auch im sozialen Umfeld sowie zunächst auch über die Existenz des Produktes. Diese beiden Aspekte des Produktes als Funktion und des Produktes als Zeichen werden nach der Erklärung der beiden Implementationsaspekte in Abschnitt B 3 näher erläutert. B 2 Die beiden Seiten der Implementation Die unterschiedlichen Perspektiven von Produzent und Kunde auf das Produkt müssen ebenfalls bei der Umsetzung des Designs berücksichtigt werden. Dies induziert zwei Arten der Implementation, die Implementation I und die Implementation II (Schmid 2001d: 48): 1. Implementation I: Sie betrachtet die Umsetzung des Designs in das – physische oder digitale15 – Produkt. Hierzu müssen die zugehörigen technischen und organisatorischen Abläufe definiert und umgesetzt werden.16 2. Implementation II: Sie betrachtet die Implementation des Produktes in den Köpfen der potentiellen Anwender. Diese müssen zunächst von der neuen Problemlösung erfahren, sie akzeptieren und wertschätzen, sie einfach und sicher erwerben und schliesslich auch richtig anwenden können; die Implementation II vermittelt also Wissen über das Produkt. Die beiden Arten der Implementation werden in der folgenden Abbildung B 2-1 noch einmal graphisch veranschaulicht. Produktdesign Implementation I Produktion Implementation II Produkt Kunde Abbildung B 2-1: Die beiden Seiten der Implementation eines Produktes17 Das Design repräsentiert und transportiert somit Wissen über das Produkt. Es informiert den Kunden und den Produzenten über die für sie wesentlichen Aspekte des Produktes. Schmid 15 Ein virtuelles Produkt entspricht dabei einem digitalen Produkt im engeren Sinne; s. Definition in Abschnitt C 1.1. 16 Für eine Diskussion der organisatorischen Aspekten der Implementation I im Zuge der Neuprodukteinführung siehe z. B. (Boutellier & Lach 2000; Lach 2001). 17 In Anlehnung an (Schmid 2001d: 49). 24 Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum (2001c: 36) leitet die Unterscheidung zwischen Implementation I und II daher direkt aus der eigentlichen Bedeutung des Begriffs „Information“ her. Dabei lässt sich Information auf das lateinische Wort „informare“, für „Einformen“, zurückführen. Diese Einformung findet im Zuge der Implementation I in der Form und im Zuge der Implementation II in den Gehirnen der Anwender statt. Die beiden Implementierungsrichtungen sind zwei verschiedenen Disziplinen mit unterschiedlichen Kulturen zuzuordnen. Die Implementation I ist Aufgabe der Ingenieure und Betriebswirtschaftler. Bei ihnen stehen v. a. Aspekte der Effizienz im Vordergrund. Die Implementation II ist dagegen die Aufgabe der Kommunikation und des Marketings. Sie muss die „weicheren Faktoren“ berücksichtigen, wie Einstellungen, Emotionen und Lebensstil, etc. (Schmid 2001c: 22 ff.). Wie in Abbildung B 2-1 dargestellt manifestiert sich die Implementation II sowohl durch Kommunikation über das Produkt als auch durch die Kommunikation des Produktes selbst. Das Produkt transportiert Wissen vor allem über seine Anwendung aber bedingt auch über seine Bedeutung und seinen Anwendungskontext. Idealerweise sollte das Produkt daher so gestaltet werden, dass es weitestgehend für sich selbst spricht und somit wenig Lernaufwand beim Kunden erfordert. Sein Wissensstand und das Anwendungsumfeld des Produktes bestimmen dabei, wie der Nutzer das Produkt interpretiert und „liest“. Diese beiden zentralen Einflussfaktoren auf die Lesbarkeit des Produktes müssen beim Design explizit berücksichtigt werden. B 3 Dimensionen eines Produktes Wie im Abschnitt B 1 bereits kurz erläutert wurde, müssen beim Design des Produktes aus Sicht des Kunden zwei Aspekte betrachtet werden: die Funktion des Produktes als Problemlösung und das Wissen, das mit einem Produkt verbunden ist. Unter funktionalen Gesichtspunkten, wird vom Produkt erwartet, dass es das Problem des Kunden optimal löst. Hierbei muss der gesamte Lebenszyklus des Produktes aus Sicht des Kunden vom Erwerb des Produktes über die Anwendung bis zur After-Sales Betreuung auf die Bedürfnisse des Kunden ausgerichtet werden. Das Optimierungskriterium ist der Kundenwert, als Mass für die Güte und Qualität des Produktes aus Sicht des Kunden. Aufgrund der Bedeutung des Kundenwertes für diese Arbeit ist er Gegenstand eines eigenen Abschnittes C 1.4. Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts sollen nun die Wissensdimensionen eines Produktes aus der Sicht des Kunden näher analysiert und erläutert werden. Sie bestimmen, welches Wissen mit einem Produkt verbunden ist und dem Kunden kommuniziert werden muss, damit dieser das Produkt versteht, überhaupt anwenden möchte und richtig anwenden kann. Für die Erfassung dieser Wissensdimensionen wird das Produkt als Zeichen interpretiert und somit aus einer semiotischen Perspektive betrachtet (Schmid 2001c: 26ff.; Schmid 2001b: 2 f.). Die Semiotik unterscheidet bei Zeichen drei verschiedene Betrachtungsebenen: die Syntax, die Semantik und die Pragmatik (Schmid 2001c: 26ff.). Design Patterns für digitale Produkte 25 • Die syntaktische oder strukturelle Dimension: Sie umfasst die Sprache, mit der das Produkt anzusprechen und zu bedienen ist, sowie die Sprache, mit der das Produkt beschrieben werden kann. Die Syntax gewährleistet somit die Lesbarkeit des Produktes. • Die semantische oder Bedeutungs-Dimension: Sie umfasst die Bedeutung und den Zweck eines Produktes. Sie definiert, was ein Produkt darstellt und welche Operationen man mit dem Produkt ausführen kann. Während die syntaktische Dimension dem Benutzer verständlich macht, wie ein Produkt zu bedienen ist, verdeutlicht die semantische Dimension, wozu das Produkt angewendet werden kann, d.h. welche Möglichkeiten das Produkt dem Anwender prinzipiell bietet. Beispielsweise beschreibt die Syntax des Produktes, wo und wie ein Auto gestartet werden kann, die Semantik legt fest, dass und wie man damit die Strecke von A nach B zurücklegen kann (Schmid 2001c: 28). • Die pragmatische oder institutionelle Dimension: Sie bettet die Anwendung des Produktes in den sozialen Kontext ein. Die pragmatische Dimension regelt, unter welchen Bedingungen die verschiedenen durch die Semantik beschriebenen Anwendungsmöglichkeiten zulässig sind. Im Falles des Autos definiert sie beispielsweise, dass das Fahren eines Autos zur Zurücklegung einer Strecke auf öffentlichen Wegen den Besitz eines Führerscheines erfordert (Schmid 2001c: 28). Weiterhin legt die Pragmatik auch die soziale Bedeutung des Produktes und somit seinen Wert in der Gesellschaft fest. Die semantische Dimension ordnet das Produkt, beschrieben mit den syntaktischen Mitteln der Produktsprache, in den Anwendungskontext ein. Sie spannt einen Raum möglicher Aktionen des Anwenders auf. Dieser Raum wird durch die pragmatische Dimension auf die – sozial – akzeptierten Möglichkeiten eingeschränkt. Diese Ebenen beziehen sich nicht nur auf die eigentliche Anwendung, sondern auch auf die Bedeutung des Produktes: So wird ein Auto durch seine Marke beschrieben (syntaktisch Dimension). Sie sagt aus, wer das Produkt vertreibt und um welchen Wagentyp es sich handelt (semantische Dimension). Die Marke ist jedoch weiterhin mit einem bestimmten Image verbunden, d.h. mit ihrer Bedeutung innerhalb bestimmter sozialer Gemeinschaften (pragmatische Dimension).18 Semantik Semiotische Triade nach Pierce Syntax Pragmatik Abbildung B 3-1: Semiotische Dimensionen eines Produktes 18 In dieser Arbeit soll die pragmatische Ebene im Bezug auf die Bedeutung des Produktes nicht nur auf das soziale Umfeld eingeschränkt werden. Für viele Anwender hat ein Produkt auch eine persönlichen Bedeutung. Sie ist vorrangig das Ergebnis seiner eigenen Einstellungen und Überzeugungen. Diese Bedeutung hängt je nach Personentyp mehr oder weniger mit der Bedeutung des Produkte innerhalb der sozialen Gemeinschaft zusammen. 26 Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum Die drei Dimensionen, sowie deren Zusammenhänge spiegeln sich in der Triade von Pierce wider, wie sie in Abbildung B 3-1 dargestellt ist.19 Die drei Dimensionen seien im folgenden durch zwei ausführlichere Beispiele erläutert, einem aus der physischen und einem aus der elektronischen Welt. Als Beispiel für ein physisches Produkt wird wieder das Auto betrachtet. Die syntaktische Dimension der Sprache eines Autos umfasst die Mittel zur Beschreibung des Produktes, z.B. die Marke oder auch die Farbe sowie die Mittel zur Bedienung des Fahrzeugs. Zur zielgerichteten Anwendung muss der Anwender wissen, was sich hinter einer Marke verbirgt, welcher Nutzen mit dem Gebrauch eines Autos zu erzielen ist und welche Operationen es zulässt: die Semantik des Autos. Die Marke repräsentiert primär den Hersteller eines Wagens. Sein Nutzen liegt z.B. in der schnellen und bequemen Zurücklegung einer bestimmten Strecke. Die pragmatische Dimension umfasst schliesslich das Wissen darüber, wie das Produkt in das gesellschaftliche Umfeld eingebettet ist. Es definiert die soziale Bedeutung des Produktes und regelt dessen Anwendung im gesellschaftlichen Kontext. So muss der Anwender wissen, welche Bedeutung eine bestimmte Automarke in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen hat. Er muss weiterhin die Regeln kennen, welche die Verwendung eines Autos, aber auch seinen Erwerb beschränken und lenken. In diesem Beispiel sind dies z.B. die Regeln der Strassenverkehrsordnung. Das semantische und pragmatische Anwendungswissen, das mit einem Auto verbunden ist, ist recht komplex und kann nicht alleine durch das Produkt selbst vermittelt werden. Es muss in Fahrschulen explizit vermittelt werden. Bei einem digitalen Produkt, wie dem Online-Buchhändler amazon.com, umfasst die Syntax die sprachlichen Mittel der Interaktionsschnittstelle: die Formen, Worte und Ikonen, die zur Darstellung des Produktes und der Interaktion mit dem Produkt verwendet werden können (Schmid-Isler 2001a). Die Semantik beschreibt die Bedeutung, i.d.R. Funktionen, die sich hinter diesen „Worten“ im allgemeinsten Sinne verbergen, in diesem Anwendungsbeispiel z.B. ein Navigationsbaum oder eine Suchfunktion für das Auffinden von Produkten im Zuge einer Kauftransaktion. Die Pragmatik steuert die konkrete Anwendung des Produktes im – sozialen – Anwendungskontext. Sie definiert beispielsweise, dass ein Kunde erst dann eine bestimmte Einkaufsoption benutzen darf, wenn er sich registriert hat. Dem Kunden muss dabei sowohl vermittelt werden, wie er mit der Anwendung des Produktes sein Problem optimal lösen kann, als auch, an welche Regelungen und Erwartungshaltungen er sich zu halten hat. Neben dem Anwendungswissen muss dem Kunden weiterhin die soziale Bedeutung des Produktes vermittelt werden. Dies geschieht bei amazon.com z.B. über die Sichtbarmachung der Community. Sie spiegelt die soziale Akzeptanz sowie das dem Dienst entgegengebrachte Vertrauen wider. 19 Siehe. z.B. (Nöth 2000). Design Patterns für digitale Produkte 27 Die verschiedenen Wissensarten sollten insbesondere was die Anwendung des Produktes betrifft weitestgehend direkt durch die geeignete Gestaltung der Interaktionsbeziehungen mit dem Produkt und die lesbare Abbildung im Produkt direkt durch das Produkt selbst kommuniziert werden; die Syntax des Produktes sollte somit die Semantik und die Pragmatik des Produktes lesbar machen(vgl. (Schmid 2001c)). Insbesondere der Nutzen des Produktes, dessen soziale Bedeutung, aber auch das Wissen über die Existenz des Produktes können jedoch nur bedingt durch das Produkt selbst kommuniziert werden. Aber selbst das Anwendungswissen muss, wie am Beispiel des Autos gezeigt wurde, vor oder im Zuge der eigentlichen Nutzung kommuniziert werden. Dieses Wissen ist Ergebnis der expliziten Kommunikation über das Produkt. Digitale Produkte haben durch ihre Interaktivität und ihre Einbettung in einen digitalen Interaktions- und Wirtschaftsraum die Möglichkeit, diese beiden Designaspekte zu integrieren. Wie beschrieben bietet amazon.com bspw. Information über die Anwendung des Services auf ihrer Web Site an. Die soziale Bedeutung wird u.a. durch die Sichtbarkeit der Anwendergemeinschaft ebenfalls direkt auf ihrer Web Site kommuniziert. Die Aspekte der beiden Kommunikationsarten sowie der Besonderheiten digitaler Produkte werden in den folgenden beiden Abschnitten wieder aufgegriffen. Sie bilden die Grundlage der in dieser Arbeit verwendeten Definition des kundenzentrierten Produktdesigns und des Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum. In dieser Arbeit werden die soeben erläuterten Wissensperspektiven vorrangig unter der ökonomischen Perspektive betrachtet. Hier interessiert daher, wie sich die einzelnen Wissensarten auf die Akzeptanz des Produktes durch den Kunden auswirken und wie und wann das Wissen – möglichst mit Hilfe digitaler Medien – entwickelt werden kann. B 4 Bedeutungsverschiebung zwischen Produkt I und II Die Fortschritte und Verbreitung der IKT induzieren weitreichende Veränderungen der wirtschaftlichen Situation, die sich auf die Bedeutung der beiden Sichtweisen auf das Produkt und der damit verbundenen Implementierungsarten auswirken. Die Diskussion dieser Veränderungen und ihrer Auswirkungen ist Gegenstand des vorliegenden Abschnittes. Der Einsatz der IKT wirkt sich beschleunigend und effizienzsteigernd auf die Produktionsseite und somit die Implementation I aus: Die Digitalisierung der Information und die Abbildung von Abläufen in Software ermöglichen eine Automatisierung weiter Teile der Produktion. Weiterhin wird auch die Koordination der inner- und zwischenbetrieblichen Leistungserstellung durch vernetzte Informationssysteme unterstützt und optimiert. IKT führt somit insgesamt zu Kosteneinsparungen und Produktivitätssteigerungen bei der Herstellung von Produkten (Schmid 2000b; Schmid 2001d). Die Folge sind immer kürzere Zeiten der Produktentwicklung, eine hohe Innovationsrate, kombiniert mit immer kürzeren Produktlebenszyklen. Die Implementation neuer Ideen und Problemlösungen in den Köpfen der potentiellen Kunden, die Implementation II, unterliegt jedoch weiterhin den gleichen Beschränkungen. Die 28 Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum zugrundeliegenden kognitiven Prinzipien und Abläufe haben sich über die Zeit kaum verändert (Schmid 2001d: 48 f.). Die Beschleunigung der Implementation I bei gleichbleibender Geschwindigkeit der Implementation II induziert daher eine Bedeutungsverschiebung zu Gunsten der Implementation II und der kundenorientierten Designperspektive (digitaler) Produkte. Durch die hohe Innovationsrate und die kurzen Produktlebenszyklen müssen die Produkte in immer kürzeren Zeiträumen vermarktet werden. Gleichzeitig steigt auch die Anzahl konkurrierender Problemlösungen, die in einem immer stärker globalisierten Wirtschaftsraum angeboten werden. Die Unternehmen konkurrieren somit um die weichen Ressourcen der potentiellen Kunden, d.h. ihre Aufmerksamkeit, ihre Einstellungen zu den Produkten und ihr Wissen über die Funktionsfähigkeit und Bedeutung von Produkten sowie das Vertrauen zu den Produkten und insbesondere den Anbietern. Die Zeit und die Aufmerksamkeit des Kunden werden somit zur zentralen beschränkten Ressource (Schmid 2001c: 22 ff.). Auch dies trägt zu einer Verschiebung der beiden Designperspektiven in Richtung des kundenorientierten Designs bei. Erfolgreiche Unternehmen parallelisieren daher bereits heute die Entwicklung und die Kommunikation eines Produktes (Boutellier & Völker 1997: 53 ff.). Man denke hier z.B. an den Mobilfunkmarkt. Hier wurden und werden Neuerungen lange vor Abschluss der Entwicklung und Produktion kommuniziert (Schmid 2001d: 48 f.). Diese Massnahmen sind vorrangig auf den Gewinn der Aufmerksamkeit des Kunden ausgerichtet. Anwendungswissen wird hier kaum vermittelt. Eine noch stärkere Integration von Produktion und Kommunikation findet sich ansonsten vor allem im Bereich der Softwareentwicklung. Hier wird der potentielle Anwender durch die frühzeitige Herausgabe von Betaversionen sehr früh in die Entwicklung des Produktes mit einbezogen. Schliesslich ändern sich ausserdem die Anforderungen des Kunden an die Hersteller von Produkten. Nicht zuletzt durch die bereits angesprochene verschärfte Konkurrenzsituation innerhalb eines zunehmend globalisierten Marktes erhöht sich die Machtposition des Kunden und damit seine Anforderungen insbesondere an die funktionalen Aspekte des Produktes (vgl. (Boutellier & Kiss 1996: 24))20. Die Kunden werden selbstbewusster und selbständiger und möchten sich ihre Produkte nach ihren Vorstellungen zusammenstellen (lassen). Das Produkt sollte möglichst individuell auf die Problemsituation und die Präferenzen des Kunden zugeschnitten werden. Alle Phasen vom Erwerb über die Anwendung bis zur After-Sales Betreuung sind dabei auf die Erhöhung des Kundenwertes auszurichten. Aus der umfassenden Betrachtung des Designs digitaler Produkte in den vorangegangenen Abschnitten wird im folgenden Abschnitt die hier verwendete Definition des kundenzentrierten Designs von Produkten abgeleitet. 20 Boutellier und Kiss (1996) sagen dazu: „Um die Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen müssen De- sign und Styling in erster Linie auf den Kundennutzen ausgerichtet sein. Erst an zweiter Stelle kommen Aspekte wie interne Rationalisierungspotentiale, Kosten., Material- und Zeiteinsparungen.“ Design Patterns für digitale Produkte 29 B 5 Konkretisierung: Kundenzentriertes Design Wie in den vorangegangenen Abschnitten ausführlich erläutert wurde, muss das Design eines Produktes aus der Sicht des Kunden sowohl den Anforderungen an seine Funktionalität als auch an seine Zeichenfunktion genügen. Unter funktionalen Gesichtspunkten muss das Produkt in allen Phasen der Kunde-ProduktInteraktion auf den Kundenwert ausgerichtet werden. Dies betrifft neben der eigentlichen Anwendung des Produktes auch den Erwerb des Produktes sowie die Kundenbetreuung nach dem Erwerb des Produktes. Der Erwerb unterteilt sich dabei weiter in die Aushandlung und die Abwicklung eines Kaufvertrages.21 Aus der Zeichenperspektive muss Wissen über das Produkt während des Erwerbs und der Anwendung des Produktes durch das Produkt selbst und vor allem auch im Vorfeld der eigentlichen Geschäftstransaktion durch die explizite Kommunikation über das Produkt vermittelt werden. Ziel dieser Kommunikation über das Produkt ist es, dem Kunden ein rasches Verständnis vom Produkt und dessen Bedeutung zu vermitteln, das es ihm ermöglicht, eine Einstellung zum Produkt zu entwickeln, und ihn schliesslich dazu motiviert, eine Kaufabsicht auszubilden. Diese Einstellung und das Wissen über die Bedeutung des Produktes kann im Zuge der Anwendung weiter ausgebaut und gefestigt werden. Die Aufgabe des Produktdesigns aus der kundenorientierten Sicht umfasst daher das Design aller Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion, im Zuge derer zunächst Wissen über ein Produkt, seine Existenz, seine Bedeutung und gegebenenfalls auch seine Anwendung sowie über die Möglichkeiten und den Ablauf des Produkterwerbs vermittelt wird und anschliessend das Produkt erworben und genutzt wird.22 Nach dem Unterschied der Anforderungen an die Gestaltung und die Art der Kommunikation, werden im folgenden vereinfachend lediglich zwei Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion unterschieden: die Wissensphase sowie die Erwerbs- und die Anwendungsphase. Nach den soeben erfolgten Erläuterungen ergeben sich die Anforderungen an diese Phasen wie folgt: 1. Wissensphase: Sie erfüllt die Funktion der Übermittlung des Wissens über das Produkt und seine Erwerbs- und Anwendungssituationen, also die Implementation II im eigentlichen Sinne. Ziel ist es, dem Kunden Wissen über die Existenz und ein Verständnis für die Bedeutung des Produktes (auch im sozialen Umfeld) zu vermitteln, das es dem Kunden gestattet, eine Einstellung bezüglich des Produktes und letztendlich eine konkrete Kaufabsicht auszubilden. Dieses Wissen ist die Voraussetzung für die eigentli- 21 Die genauen Phasen und die zugehörigen Kundenziele sind Gegenstand des Kapitels C 2. 22 Dabei steht in dieser Arbeit die Gestaltung der Phasen im Vordergrund, die der eigentlichen Anwendung vor- und nachgelagert sind. 30 Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum che Kaufentscheidung sowie für den Abschluss der Transaktion. Auch für die Anwendung reicht das durch das Produkt selbst vermittelte Wissen häufig nicht aus. Wissen muss daher bereits vor der eigentlichen Anwendung des Produktes im Zuge der Kommunikation über das Produkt explizit übermittelt werden. Man beachte, dass bereits diese Interaktionen zwischen Kunde und Produkt resp. dessen Vertretern im Rahmen der Wissensphase in einer Sprache stattfinden muss, die vom Kunden verstanden wird. 2. Erwerbs- und Anwendungsphase: Diese Phase umfasst den Erwerb und die Anwendung des Produktes. Neben der Anwendung im engeren Sinne muss auch der Erwerb des Produktes einfach, verständlich, sicher und effizient gestaltet sein. Van Duyne et al. (2000) weisen darauf hin, dass viele Online-Transaktionen daran scheitern, dass der Kunde beim Abschluss der Transaktion nicht genügend unterstützt wird und die Transaktion in Folge dessen frühzeitig abbricht. Der Kunde stellt an die Gestaltung dieser, der eigentlichen Anwendung im engeren Sinne vorgelagerten, Phase vor allem die Anforderung der zielgerichteten Unterstützung (Produkt als Funktion) beim erfolgreichen Abschluss einer Transaktion sowie die Verständlichkeit der Abläufe (Produkt als Zeichen).23 Die Anwendung des Produktes soll dem Kunden dann die individuell auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Lösung seiner Probleme ermöglichen (Produkt als Funktion). Das Design der Interaktionsbeziehung muss den Kunden bei der optimalen Anwendung des Produktes unterstützen. Dazu muss die Schnittstelle leicht verständlich sein und deshalb möglichst direkt das Wissen über seinen Gebrauch vermitteln. In beschränktem Masse kann eine ansprechende Gestaltung ebenfalls Wissen über den persönlichen Nutzen sowie die soziale Bedeutung des Produktes vermitteln (Produkt als Zeichen). Die einzelnen Anforderungen an das Design der Phasen einer Geschäftstransaktion aus der Sicht des Kunden sind in der folgenden Tabelle noch einmal zusammengefasst. Funktion Wissen Erwerb / Transaktion im engeren Sinne Anwendung Vermittlung von Wissen über Existenz, Bedeutung und Anwendung des Produktes Unterstützung des ef- Problemlösung nach fizienten und sicheren den individuellen BeErwerbs des Produk- dürfnissen des Kun- und des Erwerbsprozesses tes den 23 Weiterhin spielen hier weitere Aspekte wie die der Sicherheit der Transaktion eine entscheidende Rolle. Design Patterns für digitale Produkte 31 Zeichen Anforderungen an verständliche, ansprechende Gestaltung Einordnung Implementation II Kommunikation über Produkt Zusätzlich: Kommunikation durch das / Implementation II im engeren Produkt Sinne Anforderungen an verständliche, ansprechende, vertrauenserweckende Gestaltung Tabelle B 5-1: Anforderungen an Phasen der Geschäftstransaktion Aus der obigen Argumentation ergibt sich die folgende Definition des kundenzentrierten Produktdesigns: Definition: Das kundenzentrierte Produktdesign umfasst das Design aller Interaktionsbeziehungen zwischen dem Kunden und dem Produkt resp. seiner symbolischen Repräsentation im Zuge der gesamten Geschäftstransaktion, von der ersten Begegnung über den Erwerb bis zur Anwendung des Produktes. Das Design muss den funktionalen Anforderungen genügen und somit dem Kunden die Erreichung der jeweiligen Ziele ermöglichen und dabei den Kundenwert maximieren. Das Design muss weiterhin der Zeichenfunktion des Produktes gerecht werden und somit lesbar und ansprechend gestaltet sein. Die funktionale Anforderung an das Design der Wissensphase ist die Übermittlung des Wissens, das für die Initiierung der Transaktion, für die Durchführung der Transaktion und für die Produktanwendung benötigt wird. Die Interaktionsbeziehungen zwischen Kunde und Produkt während aller Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion werden in Kapitel C 2.1 ausführlich erläutert. Die beiden Phasen werden dabei verfeinert und ihre zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhänge definiert. B 6 Konkretisierung: Kundenzentriertes Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum Im vorangegangenen Abschnitt wurde generell das in dieser Arbeit zu Grunde gelegte Verständnis von Produktdesign definiert. Nachfolgend soll dieser Begriff in bezug auf das Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum weiter verfeinert werden. Hierbei muss den weiterführenden Erläuterungen des Kapitels C 1 vorgegriffen werden, in dem die Eigenschaften digitaler Produkte und digitaler Medien im Detail erläutert werden. Digitale Produkte zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit dem Kunden interagieren können und somit einen gemeinsamen Interaktionsraum aufspannen. Dadurch bieten sich weitreichende Möglichkeiten zur Erhöhung des Kundenwertes der einzelnen Phasen: durch die Automatisierung erhöhen sich Effizienz und Bequemlichkeit des Produkterwerbs, die Abbildung der Prozesse und der Kundenprofile in IKT-Systeme ermöglicht die Transparenz der Prozesse sowie die Individualisierung des Produktangebots, etc. Insbesondere kann auch das Wissen über die optimale Anwendung des Produktes direkt in den Interaktionsraum integriert werden. Durch den hohen Automationsgrad und den hohen Selbstbedienungscharakter erhöhen sich jedoch die Anforderungen an eine lesbare Gestaltung der Kundenschnittstelle. Das Produkt selbst ist weiterhin in einen digitalisierten Informations- und Wirtschaftsraum eingebettet. Alle Phasen der Transaktion einschliesslich der Wissensphase können und müs- 32 Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum sen ebenfalls in diesen digitalen Interaktionsraum abgebildet werden. Dieser Raum kann dabei vom Anbieter des Produktes z.T. selbst gestaltet werden. Das Produkt muss sich jedoch im Zuge einer Geschäftstransaktion auch in die von anderen Anbietern gestalteten Interaktionsräume einfügen. Dabei handelt es sich insbesondere um Interaktionsräume von Intermediären, die zwischen Kunden und Herstellern vermitteln, sowie von komplementären Anbietern, mit denen das Produkt resp. sein Anbieter kooperiert, um gemeinsam ein komplexes Bedürfnis des Kunden zu befriedigen. Diese Einbindung in die verschiedenen digitaler Interaktionsräume soll hier am Beispiel von amazon.com illustriert werden. Das Produkt selbst, ein Online Shop u.a. für Bücher, löst das Problem des Kunden, bestimmte Waren günstig einkaufen zu können. Dahinter können sich vielfältige spezifische Motivationen und Bedürfnisse verbergen: die Suche nach einem Geschenk, die Suche nach Fachliteratur, Vergnügen, etc. Zur Lösung der entsprechenden Probleme stellt amazon.com dem Kunden verschiedene Möglichkeiten zur Abwicklung der gesamten Kauftransaktion zur Verfügung. Diese reichen von der Suche nach Büchern, über die Auswahl und die Ablage in einem Einkaufskorb, den Abschluss eines Kaufvertrages sowie die Initiierung der Zahlung und der transparenten Lieferung. Gemäss den Anforderungen eines kundenzentrierten Designs sollten diese Abläufe so gestaltet werden, dass sie auf den Kundenwert ausgerichtet sind und vom Kunden leicht verstanden werden. Der Kundenwert wird hier insbesondere durch die Individualisierung des Angebots, durch ein umfassendes und verständliches Informationsangebot und durch effiziente Prozesse beim Vertragsabschluss und der Abwicklung erhöht. Die Lesbarkeit wird von amazon.com vor allem durch die Verwendung von Metaphern, wie z.B. Einkaufskörben, sowie durch den Rückgriff auf bereits etabliertes Wissen z.B. über die Stichwort- und Kategoriensuche gewährleistet. Weiterhin deckt der Informationsraum auch die der Anwendung vorgelagerten Phasen der Geschäftstransaktion ab. Beispielsweise wird Wissen über die richtige Anwendung des Online-Dienstes durch verschiedene Informationsseiten kommuniziert. Die Bedeutung des Produktes in der Gesellschaft wird u.a. durch die sichtbaren Kommentare der Community aufgezeigt. Dadurch wird vor allem die Akzeptanz des Services innerhalb einer breiten Anwendergemeinschaft sowie das dem Service entgegengebrachte Vertrauen kommuniziert. Die Aufmerksamkeit wird zum einen durch die Gestaltung der Eingangsseite des Produktes, d.h. des Informationsraumes aber auch durch dessen Einbindung in die Informationsräume anderer Produkte geweckt. So finden sich Hinweise mit direkten Verlinkungen auf das Angebot von amazon.com auf bekannten Intermediär-Web Sites, wie z.B. yahoo.com, oder etablierten Community Sites, wie ivillage.com. Voraussetzung für den Erfolg eines digitalen Produktes in einem digitalen Wirtschaftsraum ist die gezielte Gestaltung aller dieser Interaktionsräume und der darin stattfindenden Interaktionsbeziehungen mit den (potentiellen) Kunden sowie den weiteren Beteiligten. Wie gezeigt, umfasst dies neben der aktiven Gestaltung des eigenen Interaktionsraumes auch die optimale Eingliederung des Produktes in andere Interaktionsräume und somit den gesamten digitalen Wirtschaftsraum. Design Patterns für digitale Produkte 33 Die obige Definition des kundenzentrierten Produktdesigns kann daher folgendermassen zum kundenzentrierten Design digitaler Produkte in einem digitalen Wirtschaftsraum konkretisiert werden: Definition: Das kundenzentrierte Design digitaler Produkte umfasst das kundenzentrierte Design aller digitalen Interaktionsräume, in denen der Kunde und das Produkt resp. seine Repräsentation im Zuge der gesamten Kunde-Produkt-Interaktionsbeziehung, von der ersten Begegnung über den Erwerb bis zur Anwendung des Produktes, interagieren. Das Design muss den funktionalen Anforderungen genügen und somit dem Kunden die Erreichung der jeweiligen Ziele ermöglichen und dabei den Kundenwert maximieren. Das Design muss weiterhin der Zeichenfunktion des Produktes gerecht werden und somit lesbar und ansprechend gestaltet sein. Die funktionale Anforderung an das Design der Wissensphase ist die Übermittlung des Wissens, das für die Initiierung der Transaktion, für die Durchführung der Transaktion und für die Produktanwendung benötigt wird. Der Autorin dieser Arbeit ist bewusst, dass digitale Produkte ebenfalls in nicht-digitale Informations- und Interaktionsräume eingebunden sind. Insbesondere bei der Implementation II im engeren Sinne und somit der Gestaltung der Wissensphase spielen traditionelle Medien auch heute noch eine entscheidende Rolle. Im Rahmen dieser Arbeit sollen jedoch ausschliesslich die Möglichkeiten digitaler Interaktions- und Wirtschaftsräume betrachtet werden. Als Schnittstelle wird dabei die aktuell gängige Browser-Schnittstelle zugrundegelegt. Zur Modellierung dieser Interaktionsräume wurden von Schmid (1997c; 1999a) die Modelle von Medien entwickelt. Sie werden auch in dieser Arbeit zum Design der Interaktionsräume digitaler Produkte verwendet. Die Modelle werden in Kapitel D 3 erläutert. In den folgenden beiden Kapiteln werden jedoch zunächst die inhaltlichen Grundlagen für das Design digitaler Produkte gelegt. Dazu werden in Kapitel C 1 die Charakteristika digitaler Produkte analysiert und im Zuge dessen insbesondere der Begriff des Kundenwertes digitaler Produkte konkretisiert. Die Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion sowie die theoretischen Kenntnisse über das Konsumentenverhalten, welche bei der Gestaltung dieser Phasen zu beachten sind, sind dann Gegenstand des Kapitels C 2. 34 Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum C Inhaltliche Grundlagen Ziel des folgenden Teils C ist es, die inhaltliche Basis für die Ableitung der Patternsprache für digitale Produkte zu legen. Dabei werden zunächst in Kapitel C 1 die Charakteristika digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum analysiert. Weiterhin wird in diesem Kapitel das in dieser Arbeit zugrundegelegte Verständnis des Kundenwertes eines Produktes festgelegt und die Möglichkeiten digitaler Produkte zur Steigerung des so definierten Kundenwerts dargelegt. Gegenstand des Kapitels C 2 ist die Analyse des Anwendungskontextes digitaler Produkte. Durch eine Diskussion, Gegenüberstellung und Integration verschiedener etablierter Phasenmodelle werden zunächst in Abschnitt C 2.1 die zentralen Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion bestimmt, die beim ganzheitlichen Design digitaler Produkte zu gestalten und dabei auf die Optimierung des Kundenwertes auszurichten sind.24 Für das Design der Szenen der einzelnen Phasen ist neben dem Wissen über die Potentiale und Beschränkungen digitaler Produkte und Wirtschaftsräume, das mit Kapitel C 1 geschaffen wurde, insbesondere das Wissen über das Verhalten der Konsumenten entscheidend. Die diesbezüglichen Theorien werden im zweiten Abschnitt C 2.2 des Kapitels C 2 dargelegt. C 1 Charakteristika digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum In diesem Kapitel wird der Begriff des „Digitalen Produktes“ eingeführt. Ziel ist es, das in dieser Arbeit zugrundegelegte Verständnis eines digitalen Produktes festzulegen und die Besonderheiten digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum zu analysieren. Weiterhin wird hier der bereits im Teil B eingeführte Begriff des Kundenwertes genau definiert und die Möglichkeiten zur Erhöhung des Kundenwerts mit Hilfe digitaler Produkte diskutiert. C 1.1 Definition des digitalen Produktes In der wissenschaftlichen Literatur wird eine Vielzahl von Begriffen und Definitionen im Bereich digitaler Produkte verwendet, über die Tabelle C 1-1 einen Überblick geben soll: (Whinston et al. 1997: "Information is a primary example of a digital product, for example knowl61 f.) edge-based goods that can be digitized and transferred over a digital network. Information goods include a wide range of traditionally paper-based products such as books, magazines, news papers, journals, photographs, maps, and other graphics. [....] Clearly, these are all transparent examples of products that exist as physical products but that can easily be digitized for the electronic market place. [...] Anything that one can send and receive over the 24 Hier wird somit die in Kapitel B 5 eingeführte noch recht grobe Strukturierung der Kunde-Produkt- Interaktion in eine Wissens- und eine Erwerbs- resp. Anwendungsphase weiter verfeinert. 35 36 Inhaltliche Grundlagen Internet has the potential to be a digital product." (Shapiro 1999: 3) & Varian "We use the term information very broadly. Essentially, anything that can be digitized - encoded as a stream of bits - is information. For our purposes, baseball scores, books, databases, magazines, movies, music, stock quotes, and Web pages are all information goods." (Varian 1998: 3) “I take this to be anything that can be digitized – a book, a movie, a record, a telephone conversation” (Clarke 2000) “Digital goods and services are those that can be delivered using the information infrastructure. Hence, for digital goods and services, the marketplace provides a context sufficient for the entire procurement process. Digital goods and services include: (1) documents, including articles and books; (2) data, including statistics; (3) reference information, including dictionaries and encyclopedias; (4) news; (5) weather forecasts; (6) projected sound, such as speeches and musical performances; (7) projected videos and video-withsound, including television, video-conferencing and video-clips; (8) interactive voice, such as telephone conversations and tele-conferencing; (9) interactive video and video-with-sound, such as video-conferencing; (10) images, including structured graphics such as diagrams and musical scores, and photographs; (11) entertainment, infotainment, edutainment and education via multi-media; (12) bookings and tickets for live events; (13) software, quite generally; (14) commerce in insurance; (15) commerce in money, including foreign currencies; (16) commerce in securities, and financial derivatives such as stock-based, interest-rate-based and index-based options, and (17) commerce in commodities, and commodities derivatives such as futures.” (Brandtweiner 37) 2000: „Ein digitales Gut ist ein Gut, das in elektronischer Form, also vercodiert als Menge von Bits und Bytes vorliegt und somit über eine Netzwerkinfrastruktur geliefert werden kann, z.B. Computerprogramme. Ein Informationsgut ist ein Gut, das wegen seines Inhalts (Content) gekauft wird. Das Gut ist eigentlich der Inhalt, sprich die Information bzw. das Wissen, wofür es steht. Beispiele sind Bücher, Lexika, Tageszeitungen, Magazine und Bedienungsanleitungen. Ein digitales Informationsgut ist ein Gut, das beide Eigenschaften in sich vereint.“ (Meier 2001) Das digitale Produkt ist die Gesamtheit der Produktdaten, welche im Innovationsprozess (Primärentwicklung) erzeugt, konsistent verwaltet und über den Lebenszyklus laufend ergänzt (Sekundär-Entwicklung) werden und das reale Produkt hinreichend genau repräsentieren, um von Unternehmensprozessen mittels Diensten genutzt zu werden. (Stelzer 2000: 836) „Unter digitalen Gütern versteht man immaterielle Mittel zur Bedürfnisbefriedigung, die sich mit Hilfe von Informationssystemen entwickeln, vertreiben oder anwenden lassen. Es sind Produkte oder Dienstleistungen, die in Form von Binärdaten dargestellt, übertragen und verarbeitet werden können.“ (Antoci et al. 2000) The term digital product refers to information-based products, delivered via electronic networks, such as software, […] now free of the physical forms that Design Patterns für digitale Produkte 37 normally carried […] product customization and differentiation (Schmid-Isler 2001b) „A digital product is interactive, it includes the information necessary to be processed, i.e. it is an agent. A digital product can be • Embedded in digital media, i.e. it is a digital representation of a realworld product such as a car, an elevator, a book, etc. • Consisting of digital information only, such as software, computer games, MP3, files, etc. A digital product combines the advantages of a living (interactive, dialoguing) information carrier with the advantages of a dead (non interactive but persisting across time and space) information carrier.” (Diese Definition ergänzt die allgemeine Definition von Produkten: “A product is the result of planning, it is man-made (artificial). A product answers / solves the question / problem of a client. A product is an intermediary between supplier and customer. A product acts as good / service for consumption AND as sign for communication. A product has three structural dimensions: Semantics, Syntax , Pragmatics. Semantics is the product’s objective purpose, its meaning. Syntax is the product’s language (form, style). Pragmatics is the products subjective usability in a given situation with a given client.”) Tabelle C 1-1: Literaturübersicht über Definitionen des Begriffs „digitales Produkt“ Die meisten der in der Tabelle aufgeführten Definitionen, Whinston et al. (1997), Shapiro und Varian (1999), Varian (1998) und Clarke (2000), charakterisieren ein digitales Produkt durch eine der beiden resp. beide der folgenden Eigenschaften: 1. ihre digitale Ausprägung; digitale Produkte bestehen somit aus Bits und Bytes und 2. die Möglichkeit, ein digitales Produkt über elektronische Kanäle zu erwerben. Das digitale Format des Produktes ermöglicht es, den gesamten Produktlebenszyklus von der Erzeugung über den Vertrieb bis zur Anwendung mit Hilfe von IKT-Systemen abzuwickeln (Brandtweiner et al. 1998; Stelzer 2000). Die Digitalisierbarkeit sowie der Vertrieb über digitale Kanäle sind jedoch lediglich ein notwendiges, jedoch kein hinreichendes Kriterium dafür, etwas als digitales Gut bezeichnen zu können. Erst ihr potentieller Nutzen für eine bestimmte Zielgruppe macht eine Menge von Bits und Bytes zu einem wirklichen Produkt. Digitale Produkte können daher genauer als „immaterielle Mittel zur Bedürfnisbefriedigung, die sich mit Hilfe von Informationssystemen entwickeln, vertreiben oder anwenden lassen“ (Stelzer 2000: 836) definiert werden. Schmid-Isler (2001b) erweitert die Definition des digitalen Produktes um digitale Abbilder realer Produkte. Digitale Produkte sind nicht nur Binärdaten, die selbst eine Problemlösung darstellen, sondern auch digitale Abbildungen resp. Vertreter realer Güter. In diesem Fall bedarf die Abwicklung, zumindest was die Auslieferung betrifft, einer physischen Infrastruktur. Auch die Anwendung findet in der Regel ausserhalb der IKT-Infrastruktur (resp. des digitalen Wirtschaftsraumes) statt. 38 Inhaltliche Grundlagen Schmid-Isler (2001b) betont weiterhin die Interaktivität als konstituierendes Merkmal digitaler Produkte. Diese Eigenschaft beruht darauf, dass alle Informationen über die Anwendung eines Produktes in das Produkt resp. seine digitale Umgebung eingebettet werden können. Die obigen Definitionen betrachten digitale Produkte stets aus der Sicht des Kunden: Produkte sind Problemlösungen, die über digitale Kanäle vertrieben und bei rein digitalen Produkten auch mit Hilfe von Informationssystemen erzeugt und angewendet werden können. Meier (2001) betrachtet digitale Produkte dagegen aus dem Blickwinkel der Produktion. Er versteht unter einem digitalen Produkt die digitale Repräsentation eines realen Produktes aus unternehmensinterner Sicht. Ein digitales Produkt umfasst somit alle Produktdaten, die in den verschiedenen Geschäftsprozessen benötigt werden: Daten für die Produktionssteuerung, die Kostenrechnung, die Dokumentation, die Optimierung, die Simulation, die Visualisierung und die Konstruktion. Diese Repräsentation wird über den Lebenszyklus des Produktes kontinuierlich weitergeführt (s. auch (Kunz et al. 1999; Kunz & Meier 2001)). In dieser Arbeit steht die Kundensicht eines digitalen Produktes und somit sein Charakter als Problemlösung sowie seine Interaktionsprozesse mit dem Kunden im Zuge des Erwerbs und der Anwendung des Produktes im Vordergrund. Dabei unterscheiden wir zwischen digitalen Produkten und digitalisierten Produkten: Definition: Ein digitales Produkt im engeren Sinne ist eine digitale Problemlösung, die sich mit Hilfe einer IKT-Infrastruktur entwickeln, vertreiben und anwenden lässt. Ein digitalisiertes Produkt ist ein digitales Abbild einer realen Problemlösung, die mit Hilfe einer IKT-Infrastruktur vermarktet wird. Ihre Abwicklung und Anwendung bedarf jedoch einer physischen Infrastruktur. Digitale Produkte subsumieren sowohl digitale Produkte im engeren Sinne als auch digitalisierte – physische – Produkte. C 1.2 Kategorisierung Nachdem im vorangegangenen Abschnitt der Begriff des digitalen Produktes allgemein eingeführt wurde, werden im folgenden die verschiedenen in der Fachliteratur zu findenden Klassifikationsschemata digitaler Produkte erläutert. Darauf aufbauend wird zum Abschluss dieses Abschnittes ein eigenes Kategorisierungsschema entwickelt, das die verschiedenen Klassifikationen vereint. C 1.2.1 Digitales Produkt versus digitales Abbild eines Produktes Ein Unterscheidungsmerkmal digitaler Produkte wurde bereits im Rahmen der allgemeinen Definition digitaler Güter berücksichtigt. Dort wurde zwischen digitalen Gütern im engeren Sinne und digitalisierten Gütern unterschieden. Digitale Produkte im engeren Sinne sind rein digitale Problemlösungen. Beispiele sind CDs, virtuelle Bücher, Informationsdienste, etc. Digitalisierte Produkte umfassen dagegen lediglich digitale Repräsentationen realer Güter. Sie nutzen die Möglichkeiten digitaler Medien zur Anbahnung und Abwicklung von Geschäftstransaktionen und insgesamt zur Kommunikation mit dem Kunden. Zur Abwicklung der Transaktion werden jedoch aufgrund der physischen Ausprägung der Güter auch physische Transportkanäle benötigt. Design Patterns für digitale Produkte 39 Das Potential digitalisierter Güter zeigt sich vor allem beim Mass Customization von Produkten, d.h. der Massenanfertigung individualisierter Produkte, bei der die Möglichkeiten einer weltumspannenden IKT-Infrastruktur zum Vertrieb speziell auf den Kunden zugeschnittener physischer Produkte genutzt werden (vgl. (Piller 2000)).25 Dabei wird der Kunde direkt in den Produktionsprozess integriert. Das Produkt wird nach seinen Wünschen zusammengestellt, angefertigt und direkt an ihn ausgeliefert. C 1.2.2 Digitales Gut versus digitales Informationsgut Brandtweiner (2000: 37) unterscheidet zwischen digitalen Produkten im allgemeinen und digitalen Informationsgütern im speziellen. Seine Definition eines digitalen Produktes im allgemeinen entspricht dabei dem in dieser Arbeit zu Grunde gelegtem Verständnis eines digitalen Produktes im engeren Sinne, d.h. eines Codestückes im Sinne einer digitalen Problemlösung. Digitale Informationsgüter sind dagegen eine besondere Art von digitalen Gütern. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Wert direkt aus den übermittelten Inhalten besteht. Typische Beispiele sind Online-Zeitschriften und Bücher. Programme resp. Online-Applikationen und -Dienste sind dagegen zwar digitale Produkte, stellen jedoch keine digitalen Informationsprodukte dar. C 1.2.3 Digitales Produkt versus digitale Dienstleistung Häufig findet man die Unterscheidung zwischen digitalen Produkten und digitalen Dienstleistungen (s. z.B. (Bieberbach & Hermann 1999; Bode 1997)). Sie beruht auf der bereits bei materiellen Gütern etablierten Differenzierung zwischen Produkt und Dienstleistung. Danach unterscheiden sich Dienstleistungen von Produkten durch den wesentlichen Beitrag des Kunden bei der Erstellung der Leistung. Der Nachfrager fungiert somit als externer Produktionsfaktor. Produkte können dagegen ohne Beteiligung des Kunden und somit autonom vom Produzenten hergestellt werden. Beispiele digitaler Dienstleistungen sind Online-Versicherungen oder Online-Steuerberatungen. Digitale Produkte umfassen Bücher, aber auch Software. Das in Abschnitt C 1.2.1 angesprochene Mass Customization von Produkten nimmt dabei eine Zwitterposition zwischen Produkt und Dienstleistung ein. Das Gut selbst ist ein Produkt nach obiger Definition. Der Kunde wird jedoch sehr stark in den Produktionsprozess integriert. Somit erhält das Gut ebenfalls einen Dienstleistungscharakter. Durch die generelle Tendenz zur Individualisierung und zur Anpassung an die Wünsche und Präferenzen des 25 Die Herstellung dieser individualisierten Produkte stellt hohe Anforderungen an die Produktion. Eine geeignete Modularisierung der Produkte muss gewährleisten, dass die individualisierten Produkte effizient aus Standardbauteilen zusammengesetzt werden können (Piller 2000). Dies wirkt sich auf das Design des digitalen Produktes I aus. 40 Inhaltliche Grundlagen Kunden erhöht sich der Dienstleistungscharakter digitaler Produkte stetig.26 Weiterhin nutzen insbesondere die Produzenten physischer Produkte das digitale Medium immer mehr dazu, um ihre Produkte durch Informationen und digitalisierte Dienstleistungen zu erweitern, auf ihre Kunden zuzuschneiden und sich dadurch von ihren Konkurrenten zu differenzieren (Kotha 1995). C 1.2.4 Interaktivität und Produkttyp Whinston et al. (1997) schlagen eine Kategorisierung nach den beiden Kriterien Interaktivität und Produkttyp vor. Die Charakterisierung nach der Interaktivität deckt sich dabei weitestgehend mit der Unterscheidung zwischen digitalen Dienstleistungen und digitalen Produkten aus Abschnitt C 1.2.3. Die Autoren unterscheiden zwischen interaktiven Gütern („interactive goods“) und gelieferten Gütern („delivered goods“). Interaktive Güter bedürfen, wie Dienstleistungen, der aktiven Teilnahme der Nachfrager an der Leistungserstellung. Sie basieren auf Echtzeit-Anwendungen, bei denen eine Art Frage- und Antwort-Prozess zwischen dem Kunden und dem Produkt abläuft. Beispiele für interaktive Güter umfassen OnlineKonsultationen eines Arztes, Rechtsanwaltes oder Steuerberaters. Dagegen werden „delivered goods“ durch einmaliges Herunterladen des entsprechenden Codestückes ausgeliefert. Sie erfordern nach dem Abschluss der Transaktion keine weiteren Interaktionen zwischen Kunde und Anbieter.27 Das zweite Kriterium teilt digitale Produkte in drei Produkttypen ein (Whinston et al. 1997: 63 f.): 1. Informations- und Unterhaltungsgüter: Beispiele sind Online-Zeitungen, Online-Bücher, Audio- und Video-Dateien. 2. Symbole, Tokens und Konzepte: Dazu zählen Reservierungen und Tickets für Reisen und Veranstaltungen sowie komplexere Konzepte wie elektronische Zahlungsmittel. 3. Prozesse und Dienste: Sie umfassen elektronische Dienste im weitesten Sinne, wie Messagingsysteme und Online-Auktionen. Brandtweiner (2000: 34) kritisiert an dieser Einteilung, dass sie zwar plausibel, dabei aber relativ willkürlich sei. Eine höhere Logik der Einteilung sei dabei nicht zu erkennen. C 1.2.5 Produkte, Prozess und Agenten Whinston et al. (1997: 18) schlagen ein Charakterisierungsschema der digitalen Wirtschaft nach dem Grad der Digitalisierung vor. Ein Wirtschaftssystem besteht für sie generell aus 26 Idealerweise wird die Individualisierung weitgehend automatisiert, so dass sie möglichst wenig Aufwand vom Kunden erfordert. 27 Man beachte hierbei, dass gelieferte Produkte sehr wohl interaktiv in der eigentlichen Anwendung sein können, wie dies bei allen Software-Applikationen mehr oder weniger der Fall ist. Design Patterns für digitale Produkte 41 den Komponenten Produkt, Prozess und Teilnehmer. Diese können jeweils die Ausprägung „physisch“ oder „digital“ einnehmen. Eine digitale Wirtschaft in Reinform ist dadurch charakterisiert, dass sowohl die Produkte als auch die Prozesse und die Teilnehmer digital sind. Die traditionelle Wirtschaft basiert dagegen auf physischen Produkten, Prozessen und Teilnehmern. Auch wenn diese Charakterisierung auf ganze Wirtschaftssysteme ausgerichtet ist, so kann sie ebenfalls zur Charakterisierung digitaler Produkte in einem weitgefassten Sinne eingesetzt werden. Dabei wird nicht nur das Produkt selbst, sondern auch der Kundenprozess sowie die beteiligten Interaktionsparteien in die Betrachtung mit einbezogen. So zeichnet sich das digitalisierte Produkt gemäss der Definition aus Abschnitt C 1.1 dadurch aus, dass zwar das eigentliche Produkt physischer Natur ist, dagegen die Prozesse weitgehend digitalisiert ablaufen. Andererseits können auch digitale Produkte im engeren Sinne über traditionelle Wege vertrieben werden. Bei der Charakterisierung digitaler Produkte kann daher nicht nur das Produkt selbst, sondern auch die (Kauf-) Umgebung berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang weisen insbesondere Han und Han (2000) darauf hin, dass sich der Kundenwert eines Produktes sowohl aus dem Wert des Produktes selbst, dem „Content“, als auch aus dem Wert der Interaktionsprozesse mit dem Kunden während und nach dem Erwerb des Produktes, dem „Kontext“, ergibt. Diese Interaktionsprozesse können dabei auch als – unentgeltliche – digitale Dienstleistungen angesehen werden und stellen somit ebenfalls digitale Güter im weitesten Sinne dar. Dieser Aspekt des Wertes eines Produktes als Summe von Inhalt und Kontext (Content und Context) ist für diese Arbeit zentral und wird daher in Abschnitt C 1.4 noch einmal aufgegriffen und näher erläutert. Nach dem Kategorisierungsschema von Whinston et al. (1997) werden digitale Produkte und die mit ihnen verbundenen Prozesse also nach dem Grad ihrer Digitalisierung eingeteilt. Der Digitalisierungsgrad steigt dabei mit der Anzahl der digitalen Komponenten: Produkt, Prozess und Teilnehmer. Dabei sollten entweder die Produkte oder die Prozesse digital resp. digitalisiert sein, um von einer digitalen Leistungserstellung sprechen zu können. C 1.2.6 Geschäftsmodell Verschiedenste Autoren haben sich mit der Entwicklung von Geschäftsmodellen für die digitale Wirtschaft beschäftigt: vgl. z.B. (Armour 2000; Berryman et al. 1998; Boulton et al. 2000; Gulati & Garino 2000; Kaplan & Sawhney 2000; Kotha 1998; Laudon & Laudon 2000; Lief 1999; Stähler 2001; Tapscott et al. 2000; Timmers 1998; Timmers 1999; Winter 2000). Ein Geschäftsmodell beschreibt die konstituierenden Komponenten der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens oder einer Wertschöpfungskette; „es ist eine Abstraktion wie ein Geschäft funktioniert“ (Stähler 2001: 42). Wie bereits in Abschnitt B 1 erläutert, beruht jedes Geschäftsmodell letztendlich auf dem Wert, den es seinen Kunden liefert, seiner „value proposition“. Weiterhin beschreibt ein Geschäftsmodell, wie die entsprechende Leistung – das 42 Inhaltliche Grundlagen Produkt – erstellt wird und wie das Unternehmen aus der Leistungserstellung Einnahmen generiert.28 Für die Definition eines digitalen Produktes aus der Aussensicht des Kunden sind dabei die Value Proposition sowie die damit verbundenen Interaktionsprozesse zwischen Kunde und Produkt im Zuge des Erwerbs und der Anwendung wesentlich. Sie können zur Charakterisierung digitaler Produkte genutzt werden. Die wohl bekannteste Kategorisierung von digitalen Geschäftsmodellen stammt von Paul Timmers (Timmers 1998; Timmers 1999). Er konzentriert sich dabei auf Geschäftsmodelle für elektronische Märkte und somit auf diejenigen Dienstleistungen, die auf elektronischen Märkten angeboten werden können. Er charakterisiert seine Geschäftsmodelle durch die Wertschöpfungsstufe, auf die sie sich beziehen, sowie die Art der Interaktionsbeziehung zwischen den beteiligten Parteien. Dabei unterscheidet er nach Porter neun Wertschöpfungsstufen: die primären Aktivitäten der Eingangslogistik, der Produktion, der Ausgangslogistik, des Marketings und des Verkaufs und der Dienstleistungen sowie die unterstützenden Aktivitäten der technischen Entwicklung, der Beschaffung, des Human Resource Managements und der Unternehmensinfrastruktur. Bei den Interaktionsformen differenziert er zwischen 1zu-1, 1-zu-n, n-zu-1 und n-zu-n Beziehungen. Aus den sich daraus ergebenden Möglichkeiten wählt er zehn aus, die bereits in der Praxis wenigstens ansatzweise implementiert wurden. Wir betrachten diese Geschäftsmodelle vorrangig aus der Perspektive der Value Proposition für den Kunden. In der folgenden Tabelle wird daher jedes der zehn Geschäftsmodelle mit einer kurzen Beschreibung der Dienstleistung sowie mit seinem Kundenwert, der Value Proposition, erfasst. Geschäftsmodell Beschreibung Value Proposition E-Shop Unterstützung der Kauftransaktion zumeist im B-to-C Bereich. • Geringere Preise • Grössere Auswahl Dabei sollten alle Phasen der Trans- • aktion von der Wissensphase bis zur • Abwicklung erfasst sein. Die Wissensphase bezieht sich vor Bessere Information Annehmlichkeit des Kaufprozesses (inklusive 7 * 24 Verfügbarkeit des Shops) allem auf die angebotenen Produkte. E-Procurement Unterstützung des elektronischen Einkaufs von Produkten. Dies entspricht gewissermassen einer E-Shop Lösung resp. einem Marktplatz für den Einkauf. Für den Einkäufer: • Günstigere Preise durch grössere Auswahl • Zeitersparnis und Kostenreduktion durch Verringerung der Transaktionskosten (Such-, Verhandlungs- 28 Bei dieser Definition beziehen wir uns vorrangig auf Stähler (2001) Er konsolidiert die zentralen Definitionen von Geschäftsmodellen, die in der Literatur zu finden sind (s. u.a. (Amit & Zott 2000; Hamel 2001: 65-112; Selz 1999: 106; Tapscott et al. 2000: 4; Timmers 1998: 4; Venkatraman & Henderson 1998)). Design Patterns für digitale Produkte 43 und Abwicklungskosten) Für den Verkäufer: E-Auction • Grösserer Abnahmemarkt • Zeit- und Kostenersparnis Unterstützung der Verhandlung auf Für Bieter und Nachfrager: der Grundlage von Auktionsmecha- • Kosten- und Zeitersparnis nismen. Meist werden hier weitere Dienste zur Unterstützung einer kompletten Geschäftstransaktion angeboten. E-Mall Ansammlung verschiedener EShops. Für Nachfrager: • Vorteile der E-Shops • Einfacher Zugang zu verschiedenen Spezial-Shops Für Shop-Besitzer: • Kostenreduktion durch günstige Abwicklung • Ausnutzung des Benutzerstroms, der durch das Gesamtangebot generiert wird. Third Party Market- Unterstützung der Online-Ver- place marktung von Gütern durch das Hosting von Web-Plattformen mit Transaktionsdiensten. Für Nachfrager: • Vorteile der E-Shops, des E-Procure- ments Für Anbieter von Leistungen: • Kostenreduktion • Keine Notwendigkeit zum Aufbau und zum Erhalt eigener Transaktionsplattformen Virtuelle Gemeinschaft • Unterstützung einer Gemeinschaft mit gleichem Interesse durch die zur • Verfügungstellung von Kommunikationsmöglichkeiten sowie zumeist weiteren Informationsdiensten. Value Chain Service Unterstützung bestimmter Stufen Provider der Geschäftstransaktion: z.B. Zahlungs- und Logistikdienstleistungen. Value Chain Inte- Integration mehrere Stufen der grator Wertschöpfungskette. • Möglichkeit zum sozialen Austausch innerhalb der Gemeinschaft Gezielte Informationsversorgung über bestimmte Themen Kosten- und Zeitersparnis durch Outsourcing bestimmter Geschäftsfunktionen. • Kostenersparnis durch effizientere Abwicklung des gesamten Wertschöpfungsprozesses Collaboration Platform Unterstützung der Zusammenarbeit • in Teams durch die zur Verfügungsstellung bestimmter Werkzeuge sowie einer Informationsplattform. Information Brokerage, Kosten- und Zeitersparnis durch effiziente Zusammenarbeit in verteilten Teams ohne den Ressourcenaufwand für den Aufbau und den Erhalt der Plattform Informationsdienstleister: Value Proposition von Informations- • dienstleistern: Unterstützung des Wissensauf- 44 Inhaltliche Grundlagen Vertrauensdienstleist ungen und weitere Dienstleistungen baus im Zuge der eigenen Problemlösung oder aber im Zuge der ersten Phase einer Geschäftstransaktion Vertrauensdienste: • • Reduktion der Suchkosten Von Vertrauensdiensten: • Grundlage, Erleichterung und z.T. sogar Voraussetzung für die Geschäftstätigkeit. Unterstützung von Transaktionen in anonymen Wirtschaftsräumen Tabelle C 1-2: Übersicht über die Geschäftsmodelle von Timmmers, betrachtet aus der Kundenperspektive Mit seinen zehn Geschäftsmodellen liefert Timmers eine gute Übersicht über die möglichen wertstiftenden Geschäftsaktivitäten auf elektronischen Märkten. Was jedoch fehlt, ist deren klare Charakterisierung. Betrachtet man die verschiedenen Geschäftsmodelle unter dem Blickwinkel des zugrundeliegenden Kundenbedürfnisses, so liegt die folgende Einteilung nahe: 1. Verkauf von Leistungen, d.h. generell Produkten (E-Shop, E-Procurement) 2. Unterstützung des gesamten Wertschöpfungsprozesses, d.h. der Abwicklung einer Geschäftstransaktion oder der gemeinsamen Erstellung von Leistungen (Third Party Marketplace, Collaboration Platform, E-Procurement, E-Mall, E-Auction, Value Chain Integrator) 3. Unterstützung einzelner Tätigkeiten (Phasen) des Wertschöpfungsprozesses (Value Chain Service Provider, Information Broker) Virtuelle Communities lassen sich je nach ihrer Ausrichtung in alle drei Kategorien eingliedern. Sie können selbst eine Dienstleistung darstellen, können die gemeinsame Erstellung von Leistungen (vorrangig Wissen) ermöglichen29 und als Dienst insbesondere die Wissensphasen einer Geschäftstransaktion unterstützen.30 C 1.2.7 Eigenes Kategorisierungsschema In diesem letzen Abschnitt sollen die verschiedenen Kategorisierungsschemata konsolidiert werden und in ein umfassendes Schema integriert werden. Dabei wird jeweils die Sicht der Nachfrager des „Produktes“ im Sinne einer Problemlösung im weitesten Sinne eingenommen. Die Kategorisierung basiert grundsätzlich auf dem im vorangegangenen Abschnitt eingeführten dreistufigen Charakterisierungsschema und verfeinert dieses um die Unterschei- 29 Hier sei insbesondere auf Communities of Practice zum inner- und zwischenbetrieblichen Knowledge Management hingewiesen (s. z.B. (Schoen 2000)). 30 Diese Bezeichungen beziehen sich auf die Erläuterungen in Abschnitt B 5. Gemäss den Ausführun- gen im Abschnitt C 2.1 resp. C 2.1.5 umfassen sie die Phasen der Awarenessschaffung, der Überzeugung, der Entscheidung und der Wissensvermittlung. Design Patterns für digitale Produkte 45 dungskriterien der Abschnitte C 1.2.1 bis C 1.2.5. Dieses Klassifikationsschema ist in der Abbildung C 1-1 noch einmal graphisch veranschaulicht: Digitalisierungsgrad Produkt Dienstleistung Informationsgut Primäres digitales Produkt Applikation Anbieter Kunde Plattform Betreiber Integrator Unterstützungsdienste Produkt Dienst A Dienst B Dienst Z (Information Broker) (Value Chain Service) (Vertrauensdienst) Abbildung C 1-1: Klassifikation digitaler Produkte Digitale Produkte können hiernach in die folgenden drei Hauptkategorien unterteilt werden: 1. Primäres digitales Produkt: Angebot eines Produktes im Sinne einer Problemlösung für den Kunden. 2. Integrator: Unterstützung und Koordination der Erbringung der primären Dienstleistung durch das Angebot von Transaktionsplattformen mit Werkzeugen zur Unterstützung der verschiedenen Phasen einer Geschäftstransaktion. 3. Unterstützungsdienste: Unterstützung der einzelnen Phasen einer Geschäftstransaktion im Zuge der Erbringung der primären Dienstleistung. Die Produkte der Kategorie 3 ermöglichen somit die Erbringung der Dienste der Kategorie 2. Die Produkte der Kategorie 1 können durch die folgenden Kriterien näher charakterisiert werden: 1. Produkt- oder Dienstleistungscharakter der angebotenen (Klassifikation aus den Abschnitten C 1.2.3 und C 1.2.4) Problemlösung 2. Informationsgut versus Applikation (Klassifikation aus den Abschnitten C 1.2.2) Digitalisierungsgrad des gesamten Wertschöpfungsprozesses aus Sicht des Kunden: Dabei sollten insbesondere die Interaktionsprozesse zwischen Nachfrager und Anbieter auf 46 Inhaltliche Grundlagen elektronischen Medien abgebildet sein. (Klassifikation aus den Abschnitten C 1.2.5 und C 1.2.1). Man beachte, dass es sich bei den Integratoren und Unterstützungsdiensten stets um digitale Dienstleistungen handelt. C 1.3 Eigenschaften und Auswirkungen digitaler Produkte Nachdem in den letzten beiden Abschnitten das in dieser Arbeit zu Grunde gelegte Verständnis von digitalen Produkten definiert und verfeinert wurde, werden in diesem Abschnitt die spezifischen Charakteristika digitaler Produkte analysiert. Dabei werden sowohl die Produkte als auch der sie umgebende digitale Wirtschafsraum in die Betrachtung mit eingeschlossen.31 Weiterhin werden die durch diese Eigenschaften induzierten ökonomischen Auswirkungen sowie die Besonderheiten und Potentiale aus Sicht der Online-Kunden diskutiert. C 1.3.1 Eigenschaften Im folgenden untersuchen wir die zentralen Charakteristika digitaler Produkte und des sie umgebenden digitalen Wirtschaftsraumes. C 1.3.1.1 Verschleissfreiheit und Dauerhaftigkeit Eine wesentliche Eigenschaft eines digitalen Gutes ist seine Dauerhaftigkeit und Verschleissfreiheit: Ein neu erstelltes Produkt ist somit so gut wie ein bereits oftmalig gebrauchtes. Ein digitales Produkt wird daher auch nicht konsumiert, sondern lediglich genutzt (Machlup 1984: 131).32 Whinston et al. (1997) sprechen statt von Verschleissfreiheit von der Unzerstörbarkeit eines digitalen Produktes. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend, da auch ein digitales Produkt selbstverständlich durch Löschung oder Korruption des Binärcodes zerstört werden kann (Brandtweiner 2000: 34). Stähler (2001: 184) weist weiterhin darauf hin, dass auch die Dauerhaftigkeit im Sinne der unbegrenzten Anwendbarkeit eines digitalen Produktes beschränkt sein kann. Voraussetzung für die Anwendung eines digitalen Produktes ist die Existenz einer Anwendungsumgebung, die das Programmstück resp. die digitalisierten Informationen lesen, interpretieren und ausführen kann. Ist diese nicht mehr vorhanden, so ist das digitale Produkt unbrauchbar. 31 Es wird der gesamte Prozess der Interaktion zwischen Nachfrager und Produktes von der ersten Wahrnehmung durch den Kunden, über den Erwerb bis zur Anwendung des Produktes betrachtet. 32 Dabei wird hier nicht der Informationswert eines digitalen Informationsproduktes betrachtet. Er ist i.d.R. sehr stark zeitabhängig (vgl. (Shapiro & Varian 1999)). Design Patterns für digitale Produkte 47 Hilfreich für die Gewährleistung der Dauerhaftigkeit eines digitalen Produktes ist die Plattformunabhängigkeit der codierten Information und Programmlogik. Mit Hilfe von Standardisierungsbestrebungen versucht man dieser Anforderung in den letzten Jahren mehr und mehr gerecht zu werden. Prominente Beispiele sind XML und deren diverse Sub-Sprachen zur plattformunabhängigen Beschreibung von Informationen sowie die plattformunabhängigen Programmiersprache Java.33 C 1.3.1.2 Reproduzierbarkeit und Skalierbarkeit Eine weitere zentrale Eigenschaft digitaler Güter ist deren einfache Reproduzierbarkeit. Ein digitales Produkt kann durch einfaches Kopieren ohne Wertverlust beliebig oft reproduziert werden. Nach der Produktion des ersten Exemplars, die mit sehr hohem Aufwand verbunden sein kann, verursacht die Produktion aller weiteren Exemplare annähernd keinen weiteren Kostenaufwand, die Grenzkosten der Produktion streben daher gegen Null (s. z.B. (Binmore 1999; Shapiro & Varian 1999; Whinston et al. 1997: 69 ff.)). Von Reproduktion spricht man vor allem in bezug auf digitale Güter, die an den Kunden ausgeliefert werden; nach der in Abschnitt C 1.2.4 vorgestellten Terminologie von Whinston et al. (1997) handelt es sich dabei um „delivered goods“. Bei automatisierten Dienstleistungen ist statt der Reproduzierbarkeit eher die Skalierbarkeit des zugrunde liegenden Systems entscheidend. Skalierbarkeit ist ein Mass dafür, in wie weit eine Applikation gleichzeitig von mehreren Anwendern genutzt werden kann, ohne dabei merkliche Abfälle in der Nutzungsqualität nach sich zu ziehen (s. u.a. (Rosenfeld & Monville 1998)). Die Skalierbarkeit beruht auf der Parallelisierung der Abläufe, d.h. der Leistungserstellungsprozesse. Um einer starken Benutzerfrequentierung standhalten zu können, reicht es bei einer geeigneten Strukturierung der Software zumeist aus, die Hardware-Ausstattung anzupassen.34 Auch hier sind die durch eine steigende Anzahl von Anwendern entstehenden Zusatzkosten weitestgehend zu vernachlässigen. Dies gilt jedoch nur bei einem hohen Automatisierungsgrad der Dienstleistung. Erfordern Dienstleistungen jedoch die aktive und intensive Mitarbeit menschlicher Leistungsträger, so unterliegen sie bezüglich der realisierbaren Skaleneffekten den gleichen Beschränkungen wie traditionelle Dienstleistungen (Stelzer 2000). Abschliessend, sei darauf hingewiesen, dass die einfache Reproduzierbarkeit digitaler Produkte auch Gefahren für die Hersteller in Form der Verletzungen ihres Copyrights mit sich bringt (s. u.a. (Burkert 2000; Burkert 2001)). Möglichkeiten, diesen Gefahren zu begegnen, 33 zu XML s. u.a. (Rothfuss 2001; Stanfeder 2001), zu Java u.a. (Austermann & Lange 2001; Perrone 2000). 34 Weiterhin werden hier besondere Anforderungen an das Anwendungsprogramm gestellt. Es muss sichergestellt werden, dass sich die parallelen Programmläufe nicht stören und das System in einen inkonsistenten Zustand überführen. Diese Probleme werden seit Jahren insbesondere auch im Bereich der Datenbankforschung bearbeitet (s. (Vossen 2001) als generelles Referenzwerk für Datenbanken und (Loeser 2001) für den Einsatz von Datenbanken im Web-Umfeld) 48 Inhaltliche Grundlagen umfassen technische und institutionelle Massnahmen. Für eine kurze Diskussion der Copyrightproblematik sei z.B. auf Brandtweiner (2000: 42 ff.) verwiesen. C 1.3.1.3 Multimedialität Digitale Produkte und Interaktionsräume sind inhärent multimedial. Alle Medientypen (nach dem traditionellen Sprachgebrauch) können gespeichert, übertragen, verarbeitet und dargestellt sowie beliebig kombiniert werden: „Sie [digitale Medien] sind fähig, [...] Information textlich, bildlich, akustisch, kinetisch oder auf andere sinnlich erfahrbare Weise zu äussern“ (Schmid 1997a: 110). Diese Eigenschaft, zusammen mit der Interaktivität, Ubiquität und der Möglichkeit zur Abbildung beliebiger Abläufe35, gestattet die Gestaltung ganz neuer Erlebniswelten im Sinne verteilter virtueller Interaktionsräume (Churchill 2001; MacDonald & Vince 1994; Schmid 1997a), in denen Menschen über physische Distanzen hinweg in Echtzeit miteinander oder auch mit künstlichen Agenten interagieren können. Am weitesten fortgeschritten sind diese Entwicklungen im Bereich der Unterhaltungsindustrie und namentlich bei der Konzeption von Computerspielen. Die Möglichkeiten multimedialer Darstellungsarten sind jedoch mit Bedacht einzusetzen, um die gewünschte Wirkung bei den Anwendern zu erreichen. So eignet sich der Einsatz von dreidimensionalen multimedialen Darstellungsmethoden besonders für Unterhaltungsapplikationen, während dies im Zusammenhang mit kommerziellen Anwendungen schnell unseriös und verwirrend wirken kann (s. auch (Stähler 2001: 132)). Weiterhin weisen verschiedene Darstellungsarten unterschiedliche Übermittlungsqualitäten auf (s. u.a. (Lang 2000: 309)). So haben beispielsweise Bilder eine hohe Expressivität und sind sehr einprägsam, Textinformationen zeichnen sich dagegen durch eine hohe Genauigkeit aus. C 1.3.1.4 Vernetztheit Eine weitere grundlegende Eigenschaft digitaler Interaktionsräume ist deren Vernetztheit. Der Zugriff auf Informationen, die an einer beliebigen Stelle des Interaktionsraumes gespeichert sind, ist von jedem Zugangspunkt aus möglich. Die Vernetztheit bildet somit die Voraussetzung für die Ubiquität und die Interaktivität über räumliche Distanzen hinweg (s. Abschnitte C 1.3.1.5 und C 1.3.1.7). Die Vernetzung ermöglicht weiterhin die einfache, schnelle und flexible Verknüpfung verschiedener auf dem Netz verteilter Informationsobjekte zur Konstruktion komplexerer Informationsobjekte. Sie gestattet eine dynamische Nutzung von Synergiepotentialen komplementärer Angebote in einem globalen Interaktions- und Wirtschaftsraum (Schmid 2001c: 14). Die Fähigkeit des Computers, Informationen zu verarbeiten, ermöglicht es dabei, einzelne Angebote nicht nur einfach zu kombinieren oder im einfachsten Fall miteinander zu verlinken. Die entsprechenden Inhalte oder Angebote können auch weiter verarbeitet und so 35 S. Abschnitte C 1.3.1.7 (Interaktivität), C 1.3.1.5 (Ubiquität), C 1.3.1.6 (Aktivität). Design Patterns für digitale Produkte 49 zu einem qualitativ hochwertigeren Produkt kombiniert werden, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Ein gutes Beispiel sind (Online-) Reiseveranstalter. Sie kombinieren die Angebote verschiedener Anbieter diverser Transport- und Übernachtungsmöglichkeiten mit Veranstaltern von Ausflügen, etc. und bündeln diese zu einem Komplettangebot, das den individuellen Reisewünschen eines Kunden entspricht. Diese Bündelung kann bei Bedarf jeweils dynamisch aus den aktuellen Angeboten erfolgen (s. auch (Selz 1999)). C 1.3.1.5 Ubiquität Digitale Produkte und Interaktionsräume zeichnen sich weiterhin durch die Ubiquität der in ihnen transportieren Informationen aus. Durch die Vernetzung der aktiven Informationsträger (der Computer) sind Informationen und Produkte von jedem an das Netz angeschlossenen Zugangsgerät aus zugreifbar. Dadurch wird ein globaler Interaktionsraum aufgespannt (Schmid 1997a: 110). Informationen und digitale Produkte können jedoch nicht nur über den Raum transportiert werden. Die aktiven Elemente des Netzwerkes gestatten ausserdem die Speicherung digitaler Informationsobjekte und somit den Transport über die Zeit. C 1.3.1.6 Aktivität und Informationsverarbeitungspotential (Vernetzte) Computer haben nicht nur die Möglichkeit, Daten zu speichern und zu transportieren. Wesentlich ist ihre Fähigkeit zur Verarbeitung von Informationen. Beliebige berechenbare Probleme können mit Hilfe des Computers gelöst werden. Für eine detaillierte Diskussion der Möglichkeiten und Beschränkungen von Computern sei insbesondere auf (Heintz 1993) und (Zemanek 2001) verwiesen. Computer können so den Menschen bei komplexen Berechnungsproblemen unterstützen sowie von regelmässigen Routineaufgaben entlasten. Die informationsverarbeitenden Fähigkeiten eines Computers bilden weiterhin die Grundlage der interaktiven Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Sie wird im folgenden Abschnitt ausführlich erläutert. Schmid (1999b: 287) weist darauf hin, dass der Computer das erste Trägermedium neben dem Menschen ist, das Informationen nicht nur speichern und übertragen, sondern weiterhin aktiv verarbeiten und daraus seine eigenen Handlungen ableiten kann. Ein Computer verfügt somit in gewissem Sinne nicht nur über Daten, sondern über (Handlungs-) Wissen.36 C 1.3.1.7 Interaktivität Die Besonderheit von digitalen Produkten und Interaktionsräumen ist ihre Interaktivität (s. auch (Schmid-Isler 2001b)). Dabei unterscheiden wir zwischen der Interaktivität zwischen Menschen und der Interaktivität zwischen Mensch und Maschine resp. Maschine und Ma- 36 Stefik (1988) bezeichnet den Computer daher auch als „Next Knowledge Medium“. 50 Inhaltliche Grundlagen schine.37 Diverse Kommunikationsdienste ermöglichen es Menschen, über das Medium zu interagieren: Beispielswiese können im Business Kontext durch die Möglichkeiten der synchronen (Chat-) Kommunikation Verkaufsgespräche durchgeführt werden. Der Gegenpart des Kunden kann dabei auch künstlich sein. Dazu ist das Wissen des Verkäufers in Software und somit in einem künstlichen Agenten abzubilden. Dabei kann nicht nur dessen statisches (deklaratives) Wissen, sondern auch sein Handlungswissen (sein prozedurales Wissen) erfasst werden. Dies gestattet es dem künstliche Verkäufer, aktiv auf die Eingaben und Aktionen des Kunden zu reagieren. Im Extremfall können sowohl der Anbieter als auch der Nachfrager durch künstliche Agenten repräsentiert werden (s. z.B. (Chavez & Maes 1996; Foner 1995; Kephart & Greenwald 2000)). Die Interaktionsfähigkeit digitaler Produkte und Informationsräume basiert auf der Integration der Telekommunikationskomponente und der Computerkomponente. Erstere ermöglicht die Kommunikation zwischen Menschen sowie auch zwischen Maschinen unabhängig von deren physischem Aufenthaltsort.38 Die Mensch-Maschine resp. Maschine-MaschineInteraktion wird jedoch erst durch die informationsverarbeitenden Komponenten, den Computer, ermöglicht. Sie gestattet es, Informationen nicht nur zu speichern, sondern weiterhin aktiv zu verarbeiten und durch entsprechende (multimediale) Ausgaben oder Veränderungen der Gestalt der digitalen Umgebung auf wahrgenommene Reize (dies sind u.a. die Eingaben eines menschlichen Agenten) reagieren zu können. Interaktionen werden dabei allgemein als Aktionen verstanden, die sich auf einen anderen Agenten beziehen (Schmid 2002). Sie sind somit Teil eines Prozesses, bei dem sich Folge-Aktionen auf vorangegangene Aktionen beziehen, oder allgemein die Wahl einer Folge-Aktion durch die vorangegangenen Aktionen bedingt wird. Dabei kann der Grad der Interaktivität anhand der Anzahl vorangegangener Aktionen, die bei der Wahl der nächsten Aktion berücksichtigt werden, gemessen werden (Rafaeli 1988: 111).39 Die Möglichkeiten zur Beobachtung resp. Protokollierung und Verbarbeitung von Benutzerinformationen und insbesondere des Benutzerverhaltens ermöglicht es den künstlichen Agenten oder Umgebungen, nicht nur reaktiv auf die Eingaben und Anfragen eines anderen menschlichen oder künstlichen Agenten zu reagieren, sondern pro-aktiv zu han- 37 Steuer (1992) spricht hier von Personen-Interaktivität und Maschinen-Interaktivität. Hoffman und Novak (1996: 53) unterscheiden gleichermassen zwischen Interaktivität durch versus Interaktivität mit einem Medium. 38 Dabei können künstliche Agenten dieses Übertragungsmedium nicht nur nutzen, um Informatio- nen auszutauschen. Sie können über dieser Medium selbst an andere Orte transportiert werden. 39 Diese verschiedenen Arten der Interaktionsbeziehungen finden sich auch in der Automatentheorie der Informatik. Dort unterscheiden man insbesondere zwischen Automaten mit und ohne inneren Zustand, d.h. Gedächtnis. Bei zustandslosen Automaten hängt die nächste Aktion lediglich von der aktuellen Eingabe ab. Automaten mit Gedächtnis gestatten dagegen einen höheren Grad an Interaktivität. Für einen Überblick über die Automatentheorie siehe z.B. (Hopcroft 1997). Design Patterns für digitale Produkte 51 deln. Diese Eigenschaft wird im Zuge von Informationsdiensten auch häufig als Pushmechanismus bezeichnet. So bietet der Online-Bookstore amazon.com seinen Kunden zu einem von ihm zuvor ausgewählten Buch weitere Informationen an. Weiterhin benachrichtigt amazon.com seine Kunden aktiv über Neuerscheinungen, die in ihr Interessenprofil passen. Diese Proaktivität spielt weiterhin für die Benutzerführung im Zuge der Anwendung eines Produktes eine Rolle. Hier kann das System den Kunden pro-aktiv durch die zielgerichtete Anwendung hindurchführen. Die zentrale Schwierigkeit bei der Ausnutzung der interaktiven Potentiale digitaler Medien (und Produkte) liegt in der unterschiedlichen „Sprache“ von menschlichen und künstlichen Agenten. Die Ausgaben und auch die Handlungen der künstlichen Agenten müssen so gestaltet werden, dass sie vom menschlichen Gegenüber verstanden werden. Weiterhin muss aber auch der Mensch eine Sprache verwenden, die vom künstlichen Agenten verstanden wird. Dabei bietet die Mensch-Maschine oder die Maschine-Maschine-Kommunikation weniger Möglichkeiten zur expliziten Behebung von Missverständnissen, wie dies in der zwischenmenschlichen Interaktion möglich ist. Die Ausnutzung der interaktiven Potentiale bedarf daher einer sorgfältigen Gestaltung der Interaktionsbeziehungen und deren Abbildung in das System. Diskrepanzen in der Sprache der beteiligten Agenten führen ansonsten zu Missverständnissen und Unsicherheiten, die insbesondere im kommerziellen Umfeld äusserst negative Folgen, beispielsweise den Abbruch der Transaktion, nach sich ziehen können. Mit den Aspekten der Verständlichkeit der Mensch-Maschine-Interaktion beschäftigt sich ein eigener Zweig innerhalb der Informatikforschung der Human Computer Interaction Forschung (s. u.a. (Helander et al. 1997; Norman 1998a) sowie Abschnitt D 2.3). C 1.3.1.8 Veränderbarkeit und Anpassbarkeit Die Digitalisierung von Inhalten und Abläufen gestattet eine einfache Anpassung der digitalen Güter und ihrer Umgebungen. Whinston et al. (1997) sprechen hier auch von Transmutabilität. Besonders einfach ist eine Anpassung der z.B. auf einer Web Site präsentierten Inhalte. Diese Eigenschaft ermöglicht es, ohne grossen Aufwand das eigene Angebot zu aktualisieren. Vereinfacht wird dies durch eine Anbindung an sekundäre Datenquellen, wie z.B. Datenbanken, die stets die aktuellen Produkt- und Preisinformationen speichern und verwalten. Weiterhin können auch die Abläufe sowie die Gesamtstruktur eines Angebotes geändert werden. Deren unaufwendige Anpassung bedarf jedoch einer modularen Gestaltung des Produktes und seiner Umgebung sowie zunächst einer expliziten formalen Modellierung der Strukturen und Abläufe (Klose & Lechner 2000). Insbesondere im Vergleich zu physischen Gütern und Verkaufsumgebungen sind Veränderungen aber auch hier in der Regel sehr viel einfacher, schneller und kostengünstiger vorzunehmen. Die Abbildung in Software und die sich dadurch ergebende – relativ – einfache Modifikation und Anpassung der Produkte und Interaktionsräume bilden die Voraussetzung für die Individualisierung des Internet-Angebotes eines Unternehmens. Sie werden in Abschnitt C 1.3.3.1 eingehend erläutert. 52 Inhaltliche Grundlagen C 1.3.1.9 Intelligenz Aufgrund der Fähigkeit digitaler Produkte und Interaktionsräume, Informationen speichern und verarbeiten zu können, wie dies bereits in den Abschnitten C 1.3.1.6 und C 1.3.1.7 erläutert wurde, können sie intelligentes Verhalten zeigen.40 Dabei kann man genauer zwischen wissensspeichernden, lernenden und pro-aktiven Produkten unterscheiden (Bullinger 1997).41 Wissensspeichernde Produkte protokollieren die Nutzung eines Produktes oder Services. Durch eine geeignete Strukturierung gestatten die aufbereiteten Daten Rückschlüsse insbesondere auf das Nutzer- und Nutzungsverhalten aber auch auf objektive oder subjektive Schwachstellen des Systems. In der Regel werden die Daten zunächst in sogenannten Datawarehouses zusammengeführt und integriert. Die Möglichkeiten zur Auswertung und Ableitung von Wissen reichen von einfachen Datenbankauswertungen bis hin zu hochentwickelten Datamining-Techniken, welche die Ableitung komplexer Zusammenhänge gestatten (vgl. (Adriaans & Zantinge 1996)). Ein bekanntes Beispiel für ein Produkt mit wissensspeichernden Elementen sind Online Shops, wie amazon.com. Dort wird das Kaufverhalten der Kunden protokolliert. Die Korrelationen zwischen dem Kaufverhalten einzelner Kunden zeigen mögliche Cross-Selling Potentiale auf. Weiterhin werden häufig in eigentlich physischen Produkten Nutzungsdaten gespeichert, wodurch anfallende Wartungsarbeiten entdeckt und erleichtert werden können. Eine Protokollierung der Kommunikationsströme in Netzwerken unterstützt z.B. das Netzwerkmanagement. Lernende Produkte nutzen die Möglichkeiten der Wissensspeicherung und -verarbeitung zur Anpassung der Funktionalität oder der Interaktionsschnittstelle zum Anwender. Prominente Beispiele für Produkte mit lernenden Elemententen sind wiederum Online Shops mit personalisierten Eingangsseiten. Sie nutzen das protokollierte Verhalten des Kunden, um ihm eine individuell auf seine Interessen zugeschnittene Startseite zu präsentieren. Ansonsten wird vor allem in Büroanwendungen von der Lernfähigkeit der Software Gebrauch gemacht. Dabei wird die Schnittstelle der Anwendung an das Nutzungsverhalten des Anwenders angepasst: Häufig genutzte Funktionen werden an prominenter Stelle positioniert, wenig genutzte Funktionen versteckt. Proaktive Produkte nutzen ebenfalls die Möglichkeiten zur Speicherung und Verarbeitung von Informationen. Sie nehmen ihre Umwelt bewusst wahr und reagieren aktiv auf verschiedene Umweltsituationen. Auch hier sind Online Shops ein gutes Beispiel. Neben wissensspeichernden und lernenden Elementen umfassen sie auch proaktive Komponenten. So präsentieren sie dem Kunden 40 Dabei soll hier nicht weiter diskustiert werden, wodurch sie intelligentes Verhalten auszeichnet. 41 Auch hier kann man wiederum darüber diskutieren, in wie weit gespeicherte Daten wirklich als Wissen zu.bezeichnen sind. Design Patterns für digitale Produkte 53 nach dessen Auswahl bestimmter Produkte pro-aktiv mögliche Komplementär- oder Alternativprodukte. Ein weiteres Beispiel sind die Hilfsprogramme von Office-Anwendungen, die dem Anwender in Problemsituationen aktiv Hilfe anbieten. C 1.3.2 Allgemeine ökonomische Auswirkungen Nachdem im vorangegangenen Abschnitt die Charakteristika digitaler Produkte und digitaler Interaktionsräume im Detail erläutert wurden, werden im folgenden die wesentlichen ökonomischen Auswirkungen dieser Eigenschaften kurz skizziert. C 1.3.2.1 Globalisierung des Wirtschaftsraumes Die Vernetzung aller Marktteilnehmer über offene Netzstrukturen ermöglicht die Vergrösserung des Marktes. Diese kann marginal sein, im üblichen Fall ist sie aber so substanziell, dass man von einer Globalisierung des Wirtschaftsraums sprechen kann. Die Anzahl der direkt erreichbaren Kunden und die der Anbieter, der von einem Unternehmen selbst benötigten oder zu dem von ihm erstellten Produkt komplementären Leistungen, vergrössert sich. Gleichzeitig steigt jedoch auch die Anzahl direkter Konkurrenten. Die Globalisierung bringt somit weitreichende Möglichkeiten zur Steigung des Kundenkreises bei gleichzeitiger Reduktion der Kosten für den Ein- und Verkauf sowie zur dynamischen Kooperation mit komplementären Geschäftspartnern mit sich. Weiterhin induziert jedoch auch einen höheren Konkurrenzdruck. Die Zeit und die Aufmerksamkeit des Kunden werden zur beschränkten Ressource (s. Abschnitt B 4). In den folgenden Abschnitten wir die ökonomische Situation, die sich durch die Digitalisierung und Globalisierung der Wirtschaft ergibt, näher erläutert und Möglichkeiten aufgezeigt, wie diese Besonderheiten genutzt werden können. C 1.3.2.2 Hohe Stückkostendegression und positive Feedback-Effekte Wie in Abschnitt C 1.3.1.2 erläutert, sind digitale Produkte sehr einfach reproduzierbar. Selbst Dienstleistungen sind bei einem hohen Automatisierungsgrad gut skalierbar. Bei rein digitalen Gütern kann neben der Produktion der gesamte Absatz des Produktes weitgehend digitalisiert (und automatisiert werden). Die variablen Kosten für die Produktion und die Transaktion sind daher annähernd gleich Null, was mit der Erhöhung der Ausbringungsmenge zu einem raschen Absinken der Stückkosten führt.42 Diese Stückkostendegression zieht sogenannte „positive Feedback-Effekte“ nach sich (Arthur 1996): Die mit zunehmender Anzahl von Verkäufen rasch sinkenden Stückpreise führen dazu, dass der Anbieter die Preise weiter senken kann. Dadurch erhöht sich sein Marktanteil, was sich wiederum auf die Stückkosten auswirkt und dem Anbieter weitere 42 Die Kosten sinken dabei umso schneller, je grösser die Diskrepanz zwischen den Kosten der Erstproduktion und den Kosten der Folgeproduktionen ist. 54 Inhaltliche Grundlagen Preissenkungen ermöglicht. Durch diesen Kreislauf wird die nachziehende Konkurrenz im Extremfall sukzessive aus dem Markt gedrängt. Durch geschicktes Ausnutzen dieser positiven Feedback-Effekte kann ein Anbieter digitaler Produkte sehr rasch eine dominante Marktposition aufbauen. C 1.3.2.3 Netzwerkeffekte Netzwerkeffekte bezeichnen generell Korrelationen zwischen dem Nutzen eines Produktes und der Anzahl von Individuen (resp. Organisationen), die dieses Produkt verwenden (Shapiro & Varian 1999: 45). Netzwerkeffekte treten auch in der traditionellen Wirtschaft auf, gewinnen jedoch insbesondere durch den hohen Vernetzungsgrad in der digitalen Wirtschaft an Bedeutung. Sie finden sich sowohl auf der Nachfragerseite als auch auf der Anbieterseite. Auf der Nachfragerseite treten Netzwerkeffekte vor allem bei Produkten auf, die zur Kommunikation oder zur Zusammenarbeit genutzt werden. Beispiele sind Anwendungssoftware, Messaging-Systeme, aber auch elektronische Marktplätze. Ihre Anwendbarkeit resp. ihr Nutzen steigt mit jedem weiteren Anwender des Produktes. Bei allen Produkten erhöht sich aber auch mit zunehmender Anzahl an Nutzern generell der Erfahrungsfundus und das Wissen über das Produkt. Digitale Medien erleichtern durch die Vernetzung insbesondere der Kunden untereinander den Erfahrungsaustausch und somit den Wissensaufbau innerhalb der Kunden-Community. Somit erhöht sich durch die Community direkt der Nutzen eines Produktes für den Einzelnen. Wird das Wissen an die Anbieter weitergeleitet, fördert dies eine rasche Anpassung an sich ändernde Kundenwünsche sowie die Durchführung von Produktverbesserungen. Durch den „Zusammenschluss“ der Kunden steigt weiterhin deren Machtposition gegenüber dem Anbieter. Auf der Angebotsseite beruhen die positiven Netzwerkeigenschaften auf den sogenannten Systemeigenschaften vieler Produkte (Stelzer 2000: 838). Bei Systemprodukten wird der Kundenwert eines Produktes durch die Existenz weiterer Produkte mitbestimmt. Ein typisches Beispiel sind Betriebssysteme und Anwendungssoftware. Der Kunde wird nur dann ein Betriebssystem kaufen, wenn es ein reichhaltiges Angebot an Anwendungssoftware gibt. Umgekehrt ist eine Anwendungssoftware nur dann nützlich, wenn sie durch ein Betriebssystem unterstützt wird. Der Nutzen und die Attraktivität der beiden Produkte bedingen sich somit gegenseitig. Die starke Tendenz innerhalb der digitalen Ökonomie zur Spezialisierung der Unternehmen aufgrund sinkender Transaktionskosten fördert die Ausbildung derartiger Systemprodukte. Bezeichnend für die digitale Ökonomie ist daher nicht mehr die Konkurrenz von Einzelprodukten, sondern die Konkurrenz ganzer Systeme (vrgl. z.B. (Tapscott et al. 2000) und (Selz 1999)). C 1.3.2.4 Wechselkosten und Lock-In Effekte Ein Produkt induziert nicht nur Kosten im Zuge seiner Anschaffung. Weitere Kosten entstehen bei der Anwendung des Produktes. Sie umfassen den Lernaufwand, der für eine optimale Nutzung des Produktes benötigt wird, und vor allem im geschäftlichen Anwendungsbereich auch Kosten für die organisatorische und technische Integration des Produktes in Design Patterns für digitale Produkte 55 den internen Arbeitsbetrieb. Man denke bspw. an den Einsatz eines elektronischen Marktplatzes, der sowohl die Anbindung der internen Systeme, die Anpassung der Arbeitsabläufe als auch das Erlernen des Umgangs mit dem neuen System erfordert. Der Lernaufwand dominiert die Kosten im Kontext privater Endanwendungen. Bei einem Produktwechsel fallen neben den erneuten Anschaffungskosten weitere Kosten an. Erfolgter Integrations- und Lernaufwand sowie die Erfahrungen des Anwenders mit dem Produkt werden wertlos. Man spricht hier auch von den Opportunitätskosten und Sunk Costs, die ein Wechsel mit sich bringt. Bei digitalen Produkten wird dieser Effekt durch die Lernfähigkeit und Adaptivität der Produkte verstärkt. Wie in Abschnitt C 1.3.1.8 erläutert, können Produkte an die besonderen Wünsche und Bedürfnisse des Kunden individuell angepasst werden. Die entsprechenden Einstellungen können im einfachsten Fall vom Anwender selbst vorgenommen werden. Weiterhin kann das System aber auch durch die Beobachtung des Kunden selbst Rückschlüsse auf dessen Verhalten und dessen Präferenzen ziehen und das Produkt eigenständig anpassen. Das automatische Lernen erfordert Zeit. Die Einstellungen und vor allem das vom System erlernte Wissen geht bei einem Wechsel zumeist verloren. Diese Wechselkosten verringern die Neigung und Bereitschaft des Kunden zum Wechsel des Produktes und bewirken somit ein Lock-in des Anwenders. Man beachte jedoch, dass diese Lock-In Effekt nur dann auftreten, wenn die Produkte nicht standardisiert sind. Um Wechselkosten zu vermeiden, müssen daher insbesondere die Schnittstellen zu technischen Systemen, aber vor allem auch zum Anwender, vereinheitlicht werden. Die Lock-In Effekte, die auf der automatisch resp. vom Produkt erlernten Individualisierung der Produkte beruhen, sind dabei schwieriger zu umgehen. Hierfür müsste die Darstellung der Präferenzen und des Verhaltens standardisiert werden und im Sinne einer eigenen Nutzerrepräsentation vom Produkt getrennt verwaltet werden. Auch die Anpassung der Nutzerdarstellung müsste durch eine eigene Komponente unabhängig vom Produkt erfolgen. Durch diese Trennung von Benutzerrepräsentation und Produkt würde sich insbesondere die „Machtposition“ des Kunden verstärken. Die Arbeiten in diesem Bereich befinden sich jedoch noch in den sehr frühen Anfängen (vgl. (Schmid 2000a: 199)). Weiterhin sei darauf hingewiesen, dass auch die bereits in Abschnitt C 1.3.2.2 eingeführten positiven Feedback Effekte zu Lock-In Effekten führen. Bei digitalen Produkten spielen hier insbesondere die Benutzer-Community und die sich dadurch ergebenden Erfahrungsvorteile eine Rolle. Durch die breite Anwendung des Produktes steigt der Kundenwert der mit dem Produkt assoziierten Anwender–Community. Aber auch hier könnten die Lock-In Effekte vermieden werden, indem die Community nicht mit dem konkreten Produkt, sondern mit einer ganzen Produktklasse verbunden wird. Eine Standardisierung der Produkte unterstützt auch hier die Reduktion der Lock-In Effekte. Die hier beschriebenen Möglichkeiten zum Lock-In der Anwender sind nur eine Möglichkeit der „Bindung“ des Kunden. Die Gefahr entstehender Sunk Costs kann dabei potentielle Kunden auch vom Erwerb des Produktes gänzlich abhalten. Kunden können jedoch weiterhin durch die – oftmals auch nur subjektiv empfundene – Überlegenheit eines Produktes 56 Inhaltliche Grundlagen und somit den Kundenwert eines Produktes gebunden werden. Diese Aspekte werden ausführlich in Abschnitt C 1.4 behandelt. C 1.3.3 Kundenbezogene Auswirkungen Zentral für diese Arbeit sind die Auswirkungen der Eigenschaften digitaler Produkte und Medien auf den Kunden. In diesem Abschnitt werden daher, abgeleitet aus den in Abschnitt C 1.3.1 dargelegten Charakteristika, die positiven und negativen Auswirkungen der Digitalisierung der Wirtschaft aus der Sicht des Kunden erläutert. Dabei werden zunächst mit der Automatisierung, Individualisierung und der Steigerung der Macht des Kunden die positiven Effekte für den Kunden erläutert. Anschliessend werden die negativen Auswirkungen analysiert: die Unsicherheit und der Aufwand, der mit dem Agieren in digitalen Wirtschafträumen und mit der Anwendung digitaler Produkte verbunden sein kann. C 1.3.3.1 Automatisierung, Anpassbarkeit und Individualisierung Der grosse Vorteil digitaler Produkte und digitaler Interaktionsräume ist ihr hoher Automationsgrad, ihre Flexibilität und ihre Anpassbarkeit: Die Produkte als auch die Interaktionsprozesse können in Software abgebildet werden. Dies ermöglicht den Erwerb und die Anwendung der Produkte unabhängig vom Ort und der Zeit des (potentiellen) Kunden, wodurch die Bequemlichkeit der Anwendung steigt. Bei einer geeigneten Strukturierung der Software gestatten digitale Produkte weiterhin eine einfache Anpassung der Produkte, der Prozesse und der Schnittstellengestaltung an die Bedürfnisse und individuellen Wünsche des Kunden. Die „Intelligenz“ eines Produktes, mit seiner Fähigkeit, das Verhalten der Kunden zu analysieren, ermöglicht weiterhin die automatisierte und kontinuierliche Anpassung des Produktes und seiner Transaktionsumgebung. Die Einstellungen müssen dabei nicht durch den Kunden selbst vorgenommen werden, sondern werden weitgehend selbständig vom System durchgeführt. Die Software hat weiterhin die Möglichkeit, durch die Verknüpfung unterschiedlicher Informationen über den Kunden, über das Verhalten anderer Kunden und über das Produkt selbst ein auf den Einzelnen zugeschnittenes Service-Angebot zusammenzustellen und zu implementieren (vgl. (Gilmore 2000) und (Bullinger 1997)).43 C 1.3.3.2 Steigerung der Kundenmacht durch Transparenz und Communities Die Vernetzung des Wirtschaftsraumes sowie die Digitalisierung der Angebote induzieren – potentiell – eine Steigerung der Kundenmacht. Die digitale Abbildung der Angebote und vor allem der Information über die Angebote führen bei deren gleichzeitiger Vernetzung und somit Erreichbarkeit in einem globalen Informationsraum prinzipiell zur Steigerung der Transparenz des Marktes: Die Informationsko- 43 Man beachte hierbei jedoch die in Abschnitt C 1.3.1.9 diskutierten Beschränkungen des „intelligen- ten“ Verhaltens der digitalen Produkte und Medien. Design Patterns für digitale Produkte 57 sten der Nachfrager sinken. Sie können somit mit wenig Aufwand verschiedene Produkte miteinander vergleichen (Malone et al. 1987). Dadurch reduziert sich die Informationsasymmetrie zwischen Anbieter und Nachfrager.44 Weiterhin treten neue Intermediäre, sogenannte Infomediäre, auf, welche die Nachfrager bei ihrer Informationssuche unterstützen (Sarkar et al. 1995). Die Digitalisierung der Angebote ermöglicht hier weiterhin den Einsatz künstlicher Agenten (Brenner et al. 2001; Klose & Lechner 1999a; Klose & Lechner 1999c; Leonard 1997). Man beachte jedoch, dass dieses Potential bisher nur bedingt ausgenutzt werden kann. Eine mangelnde Strukturierung des Informations- und Wirtschaftsraumes sowie eine fehlende Standardisierung der Angebote und Angebotsbeschreibungen erschwert den Vergleich verschiedener Anbieter und somit die Schaffung von Transparenz. Für einen sinnvollen Vergleich sollten zudem neben dem Preis weitere Kriterien, wie die Qualität und das Angebot zusätzlicher Dienstleistungen, mit berücksichtigt werden (Bichler 1999; Teich et al. 1998) Die Machtverschiebung zu Gunsten des Kunden auf der Grundlage zunehmender Markttransparenz beruht auf der Digitalisierung und Vernetzung der Angebote. Besondere Bedeutung hat weiterhin die Vernetzung der Abnehmer untereinander. Einzelpersonen können sich aufgrund eines gemeinsamen Interesses flexibel zu Gemeinschaften zusammenschliessen. Dieses gemeinsame Interesse kann sich dabei letztendlich in einem gemeinsamen Bedürfnis manifestieren, das mit Hilfe von Produkten befriedigt werden kann. Innerhalb entstehender Communities werden dann Informationen über neue Angebote weitergegeben und Erfahrungen mit bestehenden Anbietern und Angeboten ausgetauscht. Communities stellen daher ein weiteres Werkzeug zur Steigerung der Markttransparenz dar. Durch das gemeinsame Auftreten und ihr kollektiv geschaffenes Wissen wird ausserdem die Position der Abnehmer gegenüber den Anbietern gestärkt. Die Entstehung von Communities wird häufig durch die Produktanbieter selbst initiiert. Die durch die Beobachtung dieser Kunden-Communities gewonnenen Informationen können dabei generell zum Vorteil der einzelnen Kunden eingesetzt werden (vgl. z.B. (Hagel III & Armstrong 1997)). So nutzen die Anbieter die Community-Information dazu, ihre Kunden besser kennenzulernen und damit ihre Angebote besser auf die Kunden-Community zuzuschneiden. Weiterhin liefern ihnen Communities wertvolle Hinweise auf Schwierigkeiten, die bei der Anwendung ihrer Produkte auftreten können oder die zur Verbesserung des Produktes genutzt werden können (vgl. (Bakos 1998: 38)). Schliesslich kann auch ein Teil der Pre- und After Sales Betreuung auf die Kunden-Community übertragen werden. Unsicherheiten neuer Kunden bei der Anwendung des Produktes (sowie beim Erwerbsprozess) können so mit Hilfe der Erfahrungen bereits gewonnener Kunden behoben oder gemildert werden (vgl. (Runte & Paul 2000: 127)). 44 Dies sollte nach ökonomischen Markttheorien zur Reduktion der Preise führen (Bakos 1991; Gurbaxani & Whang 1991), was u.a. auch aufgrund der Uneinheitlichkeit der Angebotsdarstellung sowie durch den Einfluss weiterer weniger rationaler Faktoren nur bedingt der Fall ist. 58 Inhaltliche Grundlagen C 1.3.3.3 Unsicherheit: Erfahrungsgut, Self Service und Konsumentenwissen, Gläserner Kunde und anonymer Wirtschaftsraum In den beiden vorangegangenen Abschnitten wurden vorrangig die positiven Aspekte der Digitalisierung des Wirtschaftssystems für den Kunden diskutiert. Im folgenden sollen die Besonderheiten herausgestellt werden, welche die Interaktion und den Leistungserwerb aus Sicht des Kunden erschweren können. Zentral sind dabei die Unsicherheit, der Aufwand und das Risiko des Kunden, die durch verschiedene Eigenschaften und Möglichkeiten digitaler Produkte und Wirtschaftsräume hervorgerufen werden. Digitale Güter als Erfahrungsgüter Bei digitalen Gütern und Dienstleistungen handelt es sich zumeist um Erfahrungsgüter. Damit ist gemeint, dass der Kunde erst nach der eigentlichen Anwendung des Gutes dessen Qualität beurteilen kann (Cohen et al. 2000: 57; Shapiro & Varian 1999: 5). Dieses Problem ist bereits in der traditionellen Wirtschaft insbesondere im Dienstleistungssektor bekannt; Dienstleistungen sind stets Erfahrungsgüter. Besonders schwerwiegend ist dies bei reinen Informationsgütern, deren Wert vorrangig aus den zur Verfügung gestellten Inhalten besteht.45 Während es bei physischen Gütern möglich ist, dem Kunden durch ein flexibles Rückgaberecht seine Unsicherheit zu nehmen, bieten sich derartige Möglichkeiten bei Informationsgütern nur bedingt an, da die Nutzung des Gutes nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Eine Möglichkeit besteht hier jedoch darin, dem Kunden vorab einen Auszug der gewünschten Informationen kostenlos zu übermitteln. Weiterhin kann eine vorherige Beurteilung der Information durch unabhängige Dritte erfolgen. Dieses Prozedere, das im wissenschaftlichen Kontext stark verbreitet ist, ist jedoch zum einen aufwendig und gewährleistet zum anderen noch nicht, dass die nach den Kriterien des Reviewers qualitativ hochwertige Information das Informationsbedürfnis des Kunden auch tatsächlich befriedigt. Weiterhin kann das Risiko des Kunden durch einen geringen Preis des Produktes reduziert werden. Bei Applikationen besteht zudem die Möglichkeit, den Kunden durch kostengünstige Probeanwendungen, bei denen ihm die Funktionalitäten nur bedingt oder zeitbeschränkt zur Verfügung stehen, von der Qualität des Produktes zu überzeugen. Auch bei Dienstleistungen ist dies in beschränktem Masse möglich, solange es sich dabei um einen wiederholt in Anspruch genommenen Service handelt. Weiterhin können neben den eigenen Erfahrungen auch die Erfahrungen anderer Kunden zur Minimierung der eigenen Unsicherheit genutzt werden. Der Anbieter selbst kann dem Kunden die Unsicherheit über die Qualität, den Nutzen und den Wert des Produktes durch eine umfassende Darstellung des Produktes nehmen. Digitale Interaktionsräume bieten dabei weitreichende Möglichkeiten zur Darstellung des Produktes. Dabei können die zur Verfügung gestellten Informationen individuell auf die Kundensituation angepasst werden. 45 Weitere Werte werden durch diverse Möglichkeiten zur gezielten Suche benötigter Informationen generiert. Design Patterns für digitale Produkte 59 Neben der Unsicherheit über die Qualität des Produktes verspüren viele potentielle Kunden weiterhin Unsicherheit bzgl. des Ablaufs des Erwerbsprozesses. Auch hier kann diese Unsicherheit durch eigene und fremde Erfahrungen gemildert werden. Selbstbedienungscharakter und Konsumentenwissen Neben den multimedialen Möglichkeiten zur Gestaltung der Interaktionsräume und zur Darstellung von Information sowie der Fülle an Information, die dem Kunden präsentiert werden kann, liegt die Besonderheit des digitalen Wirtschaftraumes und der digitalen Produkte im Sinne von Applikationen darin, dass der Kunde weitestgehend mit einer „Maschine“ und somit mit einem künstlichen Agenten kommuniziert. Die Interaktionen findet daher vorrangig im „Selbstbedienungsmodus“, d.h. ohne Interaktion mit einem menschlichen Gegenpart, statt. Dies gestattet es dem Kunden zwar, die Leistungen 24 Stunden am Tag 7 Tage die Woche nutzen zu können, er ist dabei jedoch bei seiner Interaktion mit dem Produkt resp. den „künstlichen Agenten“ auf sich selbst gestellt. Dieser Selbstbedienungscharakter stellt besondere Anforderungen an die lesbare Gestaltung der Abläufe und der Schnittstelle. Weiss der Kunde nicht, wie er das Produkt bedienen soll oder an welchem Punkt im Prozess der Geschäftstransaktion er sich befindet, resultiert dies sehr schnell in Unzufriedenheit oder Unsicherheit. Unzufriedenheit kann zum Verlust des Kunden führen, Unsicherheit bei der Transaktion zum Abbruch der Transaktion vor dem eigentlichen Abschluss eines Kaufvertrages. Durch die vielfältigen Möglichkeiten der Gestaltung der Schnittstelle bieten digitale Produkte und Wirtschaftsräume andererseits jedoch auch weitreichende Möglichkeiten zu ihrem kundenorientierten Design. So können bspw. Online-Hilfen den Anwender gezielt und bei Bedarf unterstützen. Um den Lernaufwand des Kunden zu minimieren, können die Anwendungsprozesse individuell an die Fähigkeiten des Einzelnen angepasst werden. Dabei kann ein Kunde auch schrittweise an weiterführende Funktionalitäten herangeführt werden. Einfache Beispiele sind die Suchfunktionalitäten von Search-Engines, die von einfacher Stichwortsuche bis zu komplexen Anfragemöglichkeiten reichen. Die zentrale Voraussetzung für eine optimale Gestaltung der Interaktionsräume ist jedoch die Kenntnis und Berücksichtung des beim Kunden vorhandenen Wissens sowie der Erwartungen und Vorstellungen der Kunden. Gläserner Kunde und anonymer Wirtschaftsraum Die Möglichkeiten der zu Grunde liegenden vernetzten IT-Systeme, Informationen zu sammeln und zu verarbeiten, können Ängste bei den Kunden hervorrufen. So erhält der Anbieter durch die expliziten Angaben des Kunden, durch die Protokollierung des Kundenverhaltens sowie dessen Kommunikation mit anderen Kunden auf einer Community-Plattform vielfältige Informationen über den Kunden. Dadurch wächst die Gefahr des Missbrauchs dieser Informationen. Die Unternehmen stehen hier in der Verantwortung, mit den Daten sensibel umzugehen. Zur Reduktion des empfundenen Risikos bzgl. des Schutzes der eigenen Privatsphäre können ähnliche Massnahmen wie zur Reduktion der Unsicherheit über die Qualität der Produkte greifen. Beispielsweise können eigene Erfahrungen, die Erfahrungen anderer sowie die Möglichkeit der initialen Nutzung des Produktes oder des Dienstes in anonymem Modus die Hemmschwelle zur Nutzung des Services senken. Auch die Publika- 60 Inhaltliche Grundlagen tion der Privacy Policy des Anbieters und der von ihm technisch implementierten Massnahmen zum Schutz der privaten Daten tragen zur Minderung des – empfundenen – Risikos bei. Weitere Abhilfe könnte schliesslich die bereits in Abschnitt C 1.3.2.4 dargelegte Benutzerrepräsentation leisten, bei der die sensiblen Daten direkt beim Kunden gespeichert werden. Weitergehende Serviceleistungen bedürfen jedoch der Speicherung von Benutzerdaten auch beim Anbieter. Beispiele sind die Möglichkeiten, sich durch einen Anbieter aktiv über neue Produkte informieren zu lassen, die dem eigenen Interessensprofil entsprechen oder aber die Möglichkeit einer verbesserten Kundenberatung durch die Aggregation und Auswertung des Käuferverhaltens der gesamten Kunden-Community im Zuge des Collaborative Filterings. C 1.4 Wert eines digitalen Produktes Wie bereits in Kapitel B 1 erläutert, zeichnet sich ein Produkt durch seine Problemlösungskompetenz aus. Sie überführt den Kunden von einem aktuellen Ist-Zustand in einen angestrebten Soll-Zustand, in dem ein bestimmtes Kundenbedürfnis erfüllt ist.46 Das Produkt erfüllt also einen bestimmten Nutzen für den Kunden und besitzt dadurch einen dementsprechenden Wert. Dieser Wertbegriff soll nun näher erläutert werden. Im folgenden wird dazu zunächst der Begriff des Wertes aus einer ökonomischen Perspektive betrachtet. Dabei werden die beiden zentralen ökonomischen Theorieansätze zur Erklärung des Wertes eines Produktes erläutert: die objektivistischen und die subjektivistischen Werttheorien. Anschliessend wird der für diese Arbeit entscheidende, da eher kundenzentrierte, subjektive Wertbegriff verfeinert. Als die beiden den Wert konstituierenden Elemente werden der Inhalt und der Kontext identifiziert. Abschliessend werden die speziellen Möglichkeiten von digitalen Produkten im digitalen Wirtschaftsraum zur Steigerung dieser beiden Wertkomponenten dargelegt. Dabei wird weitestgehend auf die Ausführungen des vorangegangenen Abschnittes zurückgegriffen. C 1.4.1 Ökonomische Werttheorien Der Wert eines Produktes wird häufig mit dessen Marktpreis gleichgesetzt. Der Preis spiegelt somit den Tauschwert des Produktes wider. Dabei stellt sich die Frage, wie dieser Preis zustande kommt. Aus Sicht des Produzenten ist der Kostenwert eines Produktes entscheidend, d.h. die Summe der Material-, Personal- und Logistikkosten, die im Zuge der Produktion des Produktes anfallen (Brandtweiner 2000: 63). Weiterhin können in diesen herstellerorientierten Tauschwert die Kosten für die Entwicklung, das Marketing und den Vertrieb des Produktes mit eingerechnet werden. Aus Sicht des Kunden liegt der Wert des Produktes jedoch in dem persönlichen Nutzen, den ihm das Produkt bringt. Dieser Nutzen ist nur bedingt objektiv messbar. Neben dem Gebrauchswert eines Produktes umfasst er den 46 Wie in Abschnitt B 1 erläutert wurde, kann dabei der Soll-Zustand auch mit dem Ist-Zustand übereinstimmen. Design Patterns für digitale Produkte 61 persönlichen Nutzen, der insbesondere weiche Faktoren, wie das mit dem Produkt verbundene Prestige, erfasst. Auf dieser Unterscheidung zwischen dem objektiven und dem subjektiven Wert beruht die ökonomische Wertdebatte, die sich bis auf Thomas von Aquin zurückverfolgen lässt (Hirsch 1994). Die beiden Theorieansätze werden im folgenden kurz skizziert. C 1.4.1.1 Objektivistische Werttheorien Die objektivistischen Werttheorien beruhen auf den Arbeiten von Adam Smith, David Ricardo und Karl Marx. Sie führen den Wert eines Produktes auf den damit verbundenen Arbeitsaufwand zurück. Dabei setzt die zugehörige Arbeitswerttheorie den Wert ausschliesslich mit dem mit der Herstellung verbundenen Arbeitsaufwand gleich (Brösse 1997). Diese einfache Relation gilt jedoch nur in primitiven Gesellschaften. Smith und Nagle (1995) erläutern diesen Arbeitswert mit einem Beispiel aus einer Welt der Jäger und Sammler. Der Wert eines erlegten Tieres ergibt sich hierbei durch den mit der Jagd nach dem Tier verbundenen Arbeitsaufwand. Da die Jagd eines Hirsches doppelt so aufwendig ist wie die Jagd nach einem Biber, ist ein Hirsch auch doppelt soviel wert wie ein Biber. In entwickelten Wirtschaftssystemen erhöht sich der Preis um die beiden Komponenten: Profit (der Gewinnzuschlag des Unternehmens einschliesslich des Kapitalzinses) und (Grund-) Rente (Kromphardt 1987). Um diesen objektiven Preis schwankt dann der tatsächliche Preis aufgrund von Nachfrage- und Angebotsschwankungen (Brösse 1997). Diese objektivistische Werttheorie, die den Wert und damit auch den Marktpreis eines Produktes auf den objektiven Arbeitswert zurückführt, erklärt jedoch nicht die im Markt tatsächlich beobachtbare „ökonomische Wertantinomie“, auch als Wertparadoxon bezeichnet, bei welcher der Tauschwert eines Produktes sehr stark vom Herstellungswert abweicht. Ein gutes Beispiel für dieses Phänomen sind Prestige-Produkte wie Uhren. Der Marktpreis übersteigt bei exquisiten Luxusmarken oftmals den Materialwert und die Herstellungskosten bei weitem. Ihrem Träger bringen sie jedoch neben dem Grundnutzen des Anzeigens der Uhrzeit weitere Nutzenwerte, wie Anerkennung resp. Prestige. Diese Einflussgrössen auf die Bestimmung des Marktwertes eines Produktes, die über die Herstellungskosten hinausgehen, werden bei den subjektivistischen Werttheorien mitberücksichtigt. C 1.4.1.2 Subjektivistische Werttheorien Die subjektivistischen Werttheorien wurden Anfang der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts unabhängig, aber fast zeitgleich, von den Ökonomen William Stanley Jevons, Carl Menger und Leon Walras entwickelt (Leube 1994). Sie führen den subjektiven Nutzen eines Produktes darauf zurück, wie geeignet der Kunde das vorliegende Produkt in bezug auf die Befriedigung seiner Bedürfnisse einschätzt und wie knapp das vorliegende Produkt ist. Der subjektive Wert hängt dabei mit der subjektiven Wichtigkeit eines zu befriedigenden Bedürfnisses und weiterhin mit der subjektiven Einschätzung der Leistungsfähigkeit eines Produktes in bezug auf das Erreichen des angestrebten Zielzustandes zusammen 62 Inhaltliche Grundlagen (Rosenstein-Rodan 1996). Einen objektiv überprüfbaren Wert eines Produktes gibt es somit nicht. Der Nutzenwert eines Produktes kann weiter spezifiziert und in drei Komponenten aufgeteilt werden (Weinhold-Stünzi 1991). Dabei wird zwischen dem Grundnutzen, dem Zusatznutzen und dem Nebennutzen eines Produktes unterschieden. Der Grundnutzen ergibt sich aus der Befriedigung des Grundbedürfnisses. Der Zusatznutzen resultiert aus der Befriedigung weiterer resp. höherer Bedürfnisse durch die Bereitstellung von Zusatzfunktionalitäten oder einem ansprechenden Design. Der Nebennutzen eines Produktes ergibt sich schliesslich aus Zusatzleistungen, die sich auf den Lebenszyklus des Produktes oder seine Einbettung in den Anwendungskontext beziehen. Beispiele sind Garantien und Reparaturleistungen oder aber besondere Versicherungen für wertvolle Produkte. Der Marktpreis des Produktes und somit der Tauschwert beruht schliesslich auf einer Kombination beider Wertkomponenten, d.h. des subjektiven und des objektiven Wertes des Produkts. Der subjektive Kundennutzen bildet die Voraussetzung für die Kaufbereitschaft des Kunden. Ein Produkt kann jedoch langfristig nur dann produziert werden, wenn der Marktpreis auch die Herstellungskosten deckt. C 1.4.2 Kundenwert digitaler Produkte: „Content“ und „Context“ eines Produktes In diesem Abschnitt wird der subjektive Wert eines Produktes für den Kunden, im weiteren als Kundenwert bezeichnet, näher analysiert. Dabei werden die wertkonstituierenden Elemente eines Produktes identifiziert und die Möglichkeiten herausgearbeitet, die sich durch die Digitalisierung der Produkte und des Wirtschaftsraumes in bezug auf die Erhöhung des Kundennutzens ergeben. Diese Potentiale leiten sich direkt aus den in den vorangegangenen Abschnitten identifizierten Charakteristika digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum ab. C 1.4.2.1 Konstituierende Komponenten des Kundenwertes Die ökonomischen Werttheorien berücksichtigen vorrangig den Wert des Produktes selbst. Sie analysieren, inwieweit ein Produkt ein konkretes Bedürfnis eines Kunden befriedigt. Rayport und Sviokla (1994) erweitern diese enge Sichtweise. Sie konstatieren, dass neben dem Produkt auch die Gestaltung der Anwendungs- und Transaktionsumgebung des Produktes Einfluss auf die Zufriedenheit des Kunden hat und ihm einen – zusätzlichen – Wert erbringen kann. Dieser Argumentation folgend ergeben sich die beiden Wertkomponenten eines Produktes im erweiterten Sinne als: (1) der „Content“, das Produkt im engeren Sinne und (2) der „Context“, die Umgebung des Produktes. While content means „what companies are offering“, context means „how they are offering it“ (Rayport & Sviokla 1994: 145) „... customers acquire value in the process of transaction as well as end products or services.” (Han & Han 2000: 1) Dieses erweiterte Verständnis eines Produktes unter expliziter Einbeziehung des Produktumfeldes deckt sich mit dem in dieser Arbeit zu Grunde gelegten und bereits in den Ab- Design Patterns für digitale Produkte 63 schnitten B 5 und B 6 definierten Verständnis von einem ganzheitlichen Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum. Der Kundenwert kann nun erhöht werden, indem entweder der Wert des Produktes selbst oder der Wert der Produktumgebung gesteigert wird. Dabei hängen gemäss dem subjektiven Werteverständnis beide Wertkomponenten von den Erwartungen des Kunden sowie seiner subjektiven Wahrnehmung der Eigenschaften von Produkt und Produktumgebung ab. Digitale Produkte, eingebettet in neue Medien, bieten vielfältige Möglichkeiten zur Steigerung des Wertes des Produktes und der Umgebung. Diese Potentiale beruhen auf den bereits erläuterten Charakteristika digitaler Produkte und des digitalen Wirtschaftsraumes, insbesondere der Aktivität und Interaktivität, der Multimedialität, der Ubiquität, der Vernetztheit, der leichten Anpassbarkeit und der Intelligenz. Sie werden im folgenden genauer analysiert. C 1.4.2.2 Möglichkeiten der positiven Beeinflussung des Kundenwertes Der Kundenwert kann grundsätzlich auf die Differenz zwischen der Qualität und den Kosten von Content und Context zurückgeführt werden (Han & Han 2000). Qualität bezieht sich auf den Nutzen der Inhalte und der Produktumgebung. Kosten umfassen den Aufwand, der mit der Anwendung und dem Erwerb eines Produktes verbunden ist, insbesondere die Zeit, die Unannehmlichkeiten und den finanzielle Aufwand. Der Kundenwert lässt sich somit erhöhen, indem: 1. die Qualität erhöht wird oder 2. die Kosten für den Kunden reduziert werden. Han und Han (2000) fügen im Zusammenhang mit digitalen Produkten weiterhin die Möglichkeit der Individualisierung hinzu. Diese Strategien zur Erhöhung des Kundenwertes beziehen sich jeweils auf beide Komponenten des Kundenwertes, den Inhalt und den Kontext. Durch die Erhöhung der Qualität werden die positiven Faktoren des Kundenwertes verstärkt, bei der Kostenreduktion die negativen Faktoren gemildert. Durch die Individualisierung können sowohl Inhalt als auch Kontext auf die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen zugeschnitten werden und im Zuge dessen die Qualität weiter erhöht und die individuellen Kosten weiter gesenkt werden. Im folgenden werden die drei Aspekte noch einmal einzeln analysiert. Dabei stehen die Besonderheiten digitaler Produkte und digitaler Wirtschaftsräume im Zentrum der Betrachtung. Qualität Die Möglichkeiten zur Gewährleistung und Erhöhung der Qualität eines Produktes, des „Content“, sind abhängig von der Art des Produktes: • Bei einem digitalen Produkt im engeren Sinne kann der Kunde insbesondere durch die Ausnutzung der Eigenschaften der Interaktivität, der Intelligenz und der Multimedia- 64 Inhaltliche Grundlagen lität bei der zielgerichteten Anwendung des Produktes unterstützt werden. Dadurch erhöhen sich die Effizienz und die Bequemlichkeit der Anwendung. • Die Qualität digitaler Dienstleistungen basiert weiterhin auf deren Zuverlässigkeit und Sicherheit (Parasuman et al. 1998). Zuverlässigkeit lässt sich dabei auf eine den Kundenvorstellungen entsprechende, verlässliche Diensterbringung zurückführen, Sicherheit auf die Kompetenz, Beflissenheit und Verhauenswürdigkeit der realen oder digitalen „Angestellten“ (Agenten). • Die Qualität speziell von Informationsgütern umfasst die Reichhaltigkeit und Zuverlässigkeit der angebotenen Inhalte (Smith 1997). Reichhaltigkeit bezieht sich auf die Tiefe und Breite sowie auf die Darstellung der Information, Zuverlässigkeit auf ihre Genauigkeit, Aktualität und Objektivität (Wang 1998). • Bei einem physischen Produkt kann die Qualität dadurch verbessert werden, dass es durch zusätzliche Informationen auf die eigentliche Problemsituation des Kunden, d.h. sein eigentliches Bedürfnis, zugeschnitten wird. Beispielsweise kann sich hinter dem Kauf einer Flasche Wein das Bedürfnis nach dem emotionalen Erlebnis beim Genuss eines guten Weines verbergen. Daher sollten dem Kunden neben dem Wein weitere Informationen über die richtige Temperatur und Lagerung des Weines mitgeliefert werden, die erst ein optimales Geschmackserlebnis garantieren. Die Qualität des Kontextes beruht generell auf der Effizienz, der Flexibilität und der Bequemlichkeit der Produktumgebung (s. z.B. (Keeney 1999: 537)). Die Effizienz und die Flexibilität können durch eine weitgehende Abbildung der Interaktionsprozesse auf der zu Grunde liegenden Plattform gefördert werden. Durch die Integration des Kunden in den Prozessverlauf kann dieser dann weiterhin steuernd in die Abläufe eingreifen. Die Bequemlichkeit beruht ebenfalls auf dem hohen Automationsgrad, der die Anwendung mit wenig Aufwand unabhängig von Raum und Zeit des Kunden ermöglicht, und weiterhin in einer ansprechenden, leicht verständlichen und zielgerichteten Gestaltung der Interaktionsprozesse und der Schnittstelle. Durch die Ausnutzung der Möglichkeiten der multimedialen Darstellung, der Interaktivität und der Intelligenz digitaler Interaktionsräume kann weiterhin der Erlebniswert des Anwendungsumfeldes gesteigert werden. Als weiteres Qualitätskriterium führt (Euijin 2000) die Attraktivität des Kontextes an. Sie wird durch die Interaktivität und die Lebendigkeit des Kontextes erzeugt. Unter Interaktivität versteht er die Möglichkeiten des Benutzers, die Gestalt und die Inhalte des Kontextes in Echtzeit zu ändern. Lebendigkeit misst die Reichhaltigkeit des Kontextes (s. auch (Steuer 1992)). Neben diesen generellen Qualitätskriterien des Produktkontextes, die prinzipiell für alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion gelten, misst sich die Qualität der einzelnen Phasen daran, wie gut die jeweiligen Ziele des Kunden unterstützt werden: d.h. die Identifikation eines geeigneten Produktes, die Aushandlung und Festlegung der Konditionen, die Abwicklung, Anwendung und Nachbetreuung. Diese werden in Abschnitt C 2.1 ausführlich erläutert. Design Patterns für digitale Produkte 65 Kostenreduktion In bezug auf den Content können insbesondere der Preis und bei physischen Produkten weiterhin die Lieferkosten minimiert werden. Gemäss der in Abschnitt C 1.3.2.2 erläuterten hohen Stückkostendegression verringern sich die Stückkosten eines digitalen Produktes, seien dies nun Informationen, Dienstleistungen oder Applikationen, mit jeder weiteren Kopie.47 Die Preise können so mit zunehmender Anzahl – zahlender – Kunden schnell reduziert werden. Die Reduktion der Kosten physischer Güter sowie deren Lieferung stellt dagegen Anforderungen an die Effizienz der Produktions- und Logistikprozesse. Auch hier spielt der Einsatz von IKT zur Optimierung und Automatisierung der Abläufe eine entscheidende Rolle. Weitere Kosten entstehen durch den Lernaufwand, den die Anwendung eines Produktes mit sich bringt (s. Abschnitt C 1.3.3.3). Digitale Produkte können diese durch eine geeignete Gestaltung der Prozesse und der Benutzerschnittstelle – unter Berücksichtung des beim Kunden bereits vorhandenen Wissens – minimieren.48 Auch die Kosten des Kontextes beruhen vorrangig auf der Unbequemlichkeit, der Umständlichkeit sowie der mangelnden Lesbarkeit der Prozesse und dem dadurch induzierten Lernaufwand (s. insbesondere (Jarvenpass & Todd 1997) und (Keeney 1999)). Diesen Kosten kann durch eine geeignete Gestaltung der Prozesse, ihre klare Ausrichtung auf die Erreichung der jeweiligen Kundenziele sowie die Orientierung am Vorwissen der Kunden begegnet werden. Möglichkeiten, die Lesbarkeit der Mensch-Maschine Interaktionsprozesse und der MenschMaschine Schnittstelle zu verbessern, werden bereits seit längerem im Bereich der MenschMaschinen-Schnittstellenforschung untersucht. Abschnitt D 2.3 gibt eine Übersicht über aktuelle Forschungsarbeiten in diesem Bereich. In bezug auf den Erwerb und die Anwendung des Produktes entstehen weitere Kosten für die Kompensation der (subjektiv) fehlenden Sicherheit und Zuverlässigkeit von Produkt und Umgebung und des dadurch induzierten Risikos bzgl. finanzieller Verluste und dem Schutz privater Informationen. Wie in Abschnitt C 1.3.3.3 erläutert wurde, können hier entsprechende Risikominderungsmassnahmen durch den Anbieter sowie durch Dritte Parteien wirksam werden. Aber auch eigene Erfahrungen sowie die Erfahrung anderer Anwender tragen zur Minderung des empfundenen Risikos bei. Weiterhin erhöht auch eine bestehende Marke (engl. Brand) resp. die Assoziation mit einem etablierten Unternehmen oder Produkt das Vertrauen der (potentiellen) Kunden. Individualisierung Die einfache Möglichkeit zur Individualisierung der Inhalte und des Kontextes ist eines der charakterisierenden Merkmale digitaler Produkte und Medien. Sie wurde bereits ausführlich 47 Wie in Abschnitt C 1.3.2.2 ebenfalls erläutert, hängt die Kostenreduktion bei Dienstleistungen sehr stark vom Grad der Automatisierung ab. 48 Wie in Abschnitt C 1.3.2.4 erläutert wurde, entstehen weitere Kosten im Zuge der Integration des Produktes in bestehende Infrastrukturen. Sie fallen jedoch vor allem auf Unternehmensebene an und sollen daher in dieser Arbeit nicht weiter berrücksichtigt werden. 66 Inhaltliche Grundlagen in Abschnitt C 1.3.3.1 erläutert. Durch die Digitalisierung der Produkte und Abläufe können diese schnell an die individuellen Bedürfnisse und Wünsche des Kunden angepasst werden. Die Möglichkeit zur Sammlung und Auswertung von Benutzerdaten unterstützt eine z.T. sogar automatisierbare Anpassung von Content und Context. Generell kann die Individualisierung sowohl zur weiteren Erhöhung des – individuellen – Kundennutzens als auch zur weiteren Reduktion der – individuellen – Kosten genutzt werden: Digitale Produkte lassen sich direkt auf die individuellen Bedürfnisse zuschneiden, und auch bei physischen Produkten erleichtert der Einsatz von Konfiguratoren die Produktion individualisierter Produkte. Dadurch steigt die Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt. Der Kontext kann sowohl bzgl. der Gestaltung der Abläufe als auch bzgl. der gesamten Konfiguration und graphischen Gestaltung der Schnittstelle auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden angepasst werden. Durch die Individualisierung von Content und Context erhält der Kunde ein Unikat; auch dies ein Umstand, der den subjektiven Wert des Produktes für den Kunden erhöhen kann. Durch die Möglichkeiten der Individualisierung lassen sich zudem die Kosten, insbesondere die Lernkosten reduzieren. Dabei können die Schnittstellenprozesse individuell an das Vorwissen des Kunden angepasst werden. Auf diese Weise lässt sich auch komplexeres Wissen sukzessive aufbauen. Darüberhinaus können dem Kunden auf die einzelnen Könnensstufen ausgerichtete explizite Lernprogramme angeboten werden. Die Protokollierung des Benutzerverhaltens gestattet dabei eine individuelle und z.T. auch automatisierte Unterstützung des Anwenders. Schliesslich ist es möglich, die Individualisierung des Produktes (und des Kontextes) an eine Individualisierung der Preisstrukturen zu koppeln. Dem einzelnen Kunden werden dann Leistungen in unterschiedlichem Umfang und zu entsprechend angepassten und individualisierten Preisen angeboten. C 2 Anwendungskontext digitaler Produkte Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt C 1.4.2 und zuvor in Kapitel B 5 erläutert wurde, hängt der Erfolg eines Produktes von der Gestaltung aller Situationen ab, in denen der Kunde mit dem Produkt in Kontakt tritt. Dabei wurde bereits zwischen den Szenarien der Kommunikation über das Produkt im Zuge der Entscheidung für den Erwerb eines Produktes, dem Erwerb selbst und der Anwendung des Produktes unterschieden. Ziel dieses Abschnittes ist es, diese Szenarien wie ein Theaterstück weiter zu detaillieren und zu konkretisieren. Dazu werden im ersten Abschnitt zentrale Phasenmodelle zur Beschreibung der Kunde-Produkt-Interaktion vorgestellt und in ein Gesamtmodell integriert. Die Phasen bilden die Grundlage für die Szenen des Theaterstückes. Die Modelle geben dabei auch eine generelle zeitliche Reihenfolge der Phasen vor, die jedoch in der Praxis nicht immer streng eingehalten wird. Phasen können übersprungen werden, und die Reihenfolge der Phasen kann sich verändern.49 Auch eine genaue Trennung der Phasen ist zumeist nicht 49 Für eine Kritik an Phasenmodellen s. z.B. (Pechtl 1991: 63). Design Patterns für digitale Produkte 67 möglich. Darauf wird bei der Vorstellung der Phasenmodelle sowie auch bei der Ableitung der Patternsprache in Kapitel E 2 eingegangen werden. Bei der Gestaltung der Phasen muss das Verhalten der Kunden gezielt berücksichtigt werden. Daher werden im zweiten Teil dieses Kapitels die wesentlichen Erkenntnisse der Konsumentenverhaltensforschung dargestellt und ihre Auswirkungen auf das Design der einzelnen Phasen erläutert.50 C 2.1 Modell der Kunde-Produkt-Interaktion In diesem Abschnitt wird der Anwendungskontext digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum aus Sicht des Kunden analysiert. Dabei interessiert der gesamte Prozess vom ersten Kontakt des Kunden mit dem Produkt über den Erwerb bis zur Anwendung des Produktes. Im Marketing wurden eine Vielzahl verschiedener Ansätze entwickelt, um diesen Prozess zu beschreiben. Als einen der breitesten wählen wir den „Customer Buying Cycle“ (CBC). Er wird im folgenden ersten Unterabschnitt kurz dargestellt. Der CBC stellt dabei ein Rahmenkonstrukt dar, das die Interaktionsprozesse zwischen Kunde und Produkt nur relativ grob erfasst. Er wird verfeinert durch den Prozess (1) der Adoption und (2) der Geschäftstransaktion. Die Adoption analysiert den Prozess der Annahme resp. Übernahme eines neuen Produktes. Sie ist damit Untersuchungsgegenstand der Innovationsforschung der Marketingforschung und dort insbesondere der Forschungsrichtung, die sich mit der Einführung von (Neu-) Produkten beschäftigt (Parthasarathy et al. 1995). Der Adoptionsprozess konzentriert sich auf die Vor- und Nachkaufphasen. Die Kaufphase selbst wird durch die Geschäftstransaktion beschrieben.51 Ein Phasenmodell, das die beiden Aspekte der Adoption und der Transaktion explizit integriert, beschliesst die Übersicht über die verschiedenen Modelle zur Beschreibung des Anwendungskontextes. Im letzten Unterabschnitt wird dann auf der Basis dieses integrierten Modells ein detailliertes zyklisches Phasenmodell abgeleitet. Es erfasst alle generellen Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion und bildet damit die zentrale inhaltliche Grundlage der hier zu entwickelnden Patternsprache für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum. C 2.1.1 Customer Buying Cycle In der Marketingforschung wurde eine Vielzahl von Phasenmodellen zur Beschreibung der Interaktionsbeziehung zwischen Kunde und Produkt resp. Produktanbieter entwickelt.52 Als 50 Das Konsumentenverhalten wird dabei bereits bei der Bestimmung der Szenen berücksichtigt. 51 Man beachte hier, dass die Übergänge zwischen den beiden Beschreibungsrahmen sehr fliessend sind. Wie wir sehen werden, umfasst die Transaktion in gewissem Sinne ebenfalls die Phasen der Adoption sowie die Adoption die Phasen der Transaktion (s. z.B. (Rangaswamy & Gupta 2000: 75)). Das Interesse der Adoptionsforschung liegt jedoch eindeutig auf den dem eigentlichen Kauf vor- und nachgelagerten Szenen, während bei der Geschäftstransaktion der eigentliche Leistungsaustausch im Zentrum des Interesses steht. 52 Für eine Übersicht über weitere Phasenkonzepte siehe z.B. (Backhaus 1995: 54 ff.). 68 Inhaltliche Grundlagen ein umfassendes und aktuell stark verbreitetes Modell in diesem Umfeld soll hier der „Customer Buying Cycle“ als Rahmenwerk vorgestellt werden (Ives & learmonth 1984: 1196 ff.; Mauch 1990; Molenaar 1996: 126; Muther 1998: 17 ff.). Dieser Kreislauf unterteilt die Interaktion in vier Phasen, die Anregungsphase, die Evaluationsphase, den Kauf und die After Sales Phase (s. Abbildung C 2-1)53 54: After Sales Anregung Kauf Evaluation Abbildung C 2-1: Customer Buying Cycle • Anregung: In dieser Phase wird das Bedürfnis des Kunden geweckt (oder verstärkt) und der Kunde auf das Produkt, im Sinne einer Problemlösung, aufmerksam gemacht. Der Anbieter unterstützt diese Phase durch Werbung und Verkaufsförderungsmassnahmen. • Evaluation: In der Evaluationsphase konkretisiert der Nachfrager sein Bedürfnis. Er informiert sich über mögliche Produkte und Anbieter sowie die Konditionen zum Kauf. Unterstützung findet der Kunde hier durch ein reichhaltiges und idealerweise auf ihn zugeschnittenes Informationsangebot, sowie durch Möglichkeiten zur genauen Spezifikation der von ihm gewünschten Leistung. • Kauf: In dieser Phase wird der eigentliche Leistungsaustausch abgewickelt. Sie umfasst insbesondere die Bezahlung und die Lieferung. Weitere Leistungen wie kontinuierliche Information über den Bestellstatus können in dieser Phase angeboten werden. • After Sales: In diese Phase fallen alle Aktivitäten, die mit der Anwendung des Produktes verbunden sind. Diese kann unterstützt werden durch Schulungsmassnahmen, Hilfe bei der Installation und Wartung, aber auch die Entsorgung des Produktes. In der letzten Phase finden weiterhin Massnahmen zum Auf- und Ausbau der Kundenbeziehung statt. Sie haben zum Ziel, den Kunden zu Neukäufen zu animieren. Diese Phase mündet daher wiederum direkt in die Anregungsphase ein. Der Customer Buying Cycle beschreibt somit einen zyklischen Prozess. 53 Mauch (1990) weist darauf hin, dass der, wie er ihn nennt, „Sales Cycle“ für jedes Unternehmen individuell zu gestalten ist. Die hier aufgezeigten vier Phasen dürfen daher lediglich als grober Rahmen verstanden werden. 54 Eine etwas andere Zusammenstellung der Phasen findet sich beispielsweise in (Antonides & van Raaij 1998: 76 ff.). Dort wird zwischen der Vorkaufphase, dem Kauf, der Anwendung und der Entsorgung unterschieden. Die Evaluationsphase ist dabei in der Kaufphase subsumiert, die After-Sales-Phase aufgespaltet in eine Anwendungs- und eine Entsorgungsphase. Design Patterns für digitale Produkte 69 C 2.1.2 Geschäftstransaktion Der Customer Buying Cycle betrachtet zwar alle Phasen der Kunden-Produkt / AnbieterBeziehung, detailliert die einzelnen Phasen jedoch nicht weiter. Insbesondere der eigentliche Erwerbsprozess wird in diesem Modell nicht näher spezifiziert. Diesen Erwerbsprozess bezeichnet man auch als Geschäftstransaktion. „A transaction occurs when a good or service is transferred across a technologically separable interface.” (Williamson 1985) Das Ziel einer Geschäftstransaktion besteht primär darin, potentielle Nachfrager und Anbieter einer Leistung zusammenzubringen und den Leistungsaustausch auf möglichst effiziente Art und Weise zu vereinbaren und abzuwickeln (Langenohl 1994: 18 ff.). „Eine Markttransaktion entspricht einer endlichen Summe von Interaktionsprozessen zwischen Teilnehmern in unterschiedlichen Rollen, die in einem zeitlich begrenzten Rahmen die Erwartungen und Interessen der beteiligten Marktpartner aufeinander abstimmen. Ziel ist die vertragliche Vereinbarung und Abwicklung des Austauschs von Gütern und / oder Dienstleistungen.“ (Ritz 1991: 4) Die verschiedenen Aktivitäten resp. Interaktionsprozesse können zu Klassen, den sogenannten Transaktionsphasen, zusammengefasst werden. Dabei finden sich in der Literatur eine Vielzahl von Modellen, die sich in der Phasenanzahl und deren Abgrenzung unterscheiden.55 Die meisten Modelle unterteilen die Geschäftstransaktion prinzipiell in drei Phasen, die Informations-, die Vereinbarungs- und die Abwicklungsphase (Kirsch et al. 1973: 189; Langenohl 1994: 18 ff.; Schmid 1993: 467). Schmid und Zbornik (1991) und Zbornik (1996: 138) verfeinern diese Aufteilung und unterteilen die erste Phase weiter in die drei Teilphasen: Marktinformationsbeschaffung, Handelspartnersuche und Partnerinformationsbeschaffung.56 Picot (1991: 344) verfeinert die Abwicklungsphase in die Abwicklung im engeren Sinne, die Kontrolle und die Anpassung. Information Vereinbarung Abwicklung Abbildung C 2-2: Phasenmodell einer Geschäftstransaktion Das grundlegende Dreiphasenmodell ist in Abbildung C 2-2 dargestellt und wird im folgenden näher beschrieben: • Informationsphase: In dieser Phase verschafft sich der Kunde eine Übersicht über die Marktsituation. Er informiert sich über Produkte, Preise, Konditionen und rechtliche Fragen, sowie über Anbieter von Leistungen. Neben diesen konkreten Informationen 55 für eine Übersicht siehe z.B. (Gebauer & Scharl 1999). 56 Schmid (1999a) unterteilt die erste Phase stattdessen in eine Wissensphase und eine Absichtsphase und erweitert weiterhin deren Bedeutung. Diese Modell ist jedoch Gegenstand des Abschnittes C 2.1.4. 70 Inhaltliche Grundlagen kann der Nachfrager allgemeine gesamtwirtschaftliche Rahmen-, Branchen– und Technologieinformationen einholen. • Vereinbarungsphase: Ziel der Vereinbarungsphase ist der Abschluss eines rechtsgültigen und somit bindenden Vertrages. Dieser fixiert die genauen Konditionen der Austauschbeziehung, wie die Zahlungsart, die Lieferbedingungen aber auch Garantie- und Serviceleistungen. Sowohl der Detaillierungsgrad des Vertrages als auch die dem Vertragsabschluss vorangehenden Verhandlungen können dabei unterschiedlich komplex und aufwendig sein. Das Spektrum reicht von einer einfachen Akzeptanz oder Ablehnung des Vertrages, über Auktionen bis zur frei gestalteten Aushandlung der verschiedenen Vertragsparameter. • Abwicklungsphase: In der letzten Phase wird der Austauschprozess gemäss den im Vertrag festgelegten Konditionen abgewickelt. Damit verbunden sind vorrangig der Transport und die Bezahlung der vereinbarten Leistungen. Die Zahlungs- und vor allem die transportlogistischen Aufgaben sind zumeist Auslöser für weitere Transaktionen eines sekundären Wertschöpfungsprozesses (Hoffmann 2001; Klose et al. 1999a). Im Gegensatz zum Customer Buying Cycle umfasst dieses Modell explizit eine Vereinbarungsphase. Sie wird im CBR in der Evaluationsphase subsumiert. Das Modell der Geschäftstransaktion fokussiert insgesamt sehr stark auf die Phasen der Vereinbarung und der Abwicklung der Transaktion im Sinne des Austausches Ware gegen Geld. Die nachfolgende Phase der After-Sales Betreuung wird dagegen kaum berücksichtigt. Auch die Informationsphase wird, betont aber nicht näher spezifiziert. Voraussetzung für die Initiierung und den Erfolg einer Geschäftstransaktion ist jedoch das Wissen über die Existenz und die Bedeutung von Produkten, über den Ablauf der Transaktion und schliesslich über die richtige Anwendung des Produktes. Weiterhin müssen die Bedürfnisse potentieller Kunden, wenn noch nicht vorhanden oder noch nicht aktiviert, geweckt und der Entscheidungsprozess eingeleitet werden. Die Abwicklung des Vertrages endet weiterhin nicht mit dem Austausch Geld gegen Ware, sondern schliesst die Betreuung des Kunden im Zuge der Anwendung mit ein. Sie ist Voraussetzung für die langfristige Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt. Entscheidend für den Erfolg einer Geschäftstransaktion sind daher insbesondere die der eigentlichen Transaktion vor- und nachgelagerten Prozessstufen. Sie werden jedoch im Modell der Geschäftstransaktion weitestgehend vernachlässigt. Besonders wichtig sind diese Phasen und Prozesse auf innovativen und gesättigten Märkten. Aufgrund der dort herrschenden hohen Innovationsrate und des umfassenden Angebots ist die Gestaltung der Phasen, die der eigentlichen Transaktion vor- und nachgelagert sind, entscheidend. Der Kunde muss das Produkt wahrnehmen und ein Verständnis für das Produkt entwickeln, das ihn zum einen dazu motiviert, das Produkt zu erwerben, und ihn weiterhin dazu befähigt, das Produkt nutzenbringend einzusetzen. Weiterhin muss ihn das Produkt vor allem auch nach dem Kauf, d.h. bei der Anwendung des Produktes, bestmöglich unterstützen. Design Patterns für digitale Produkte 71 C 2.1.3 Adoption Das im vorangegangenen Abschnitt beschriebene Transaktionsmodell beschreibt vorrangig den eigentlichen Erwerbsprozess von Produkten. Adoptionsmodelle analysieren die dem Kauf vor- und nachgelagerten Phasen der Kunde-Produkt / Anbieter-Beziehung: den ersten Kontakt mit dem Produkt, das Entwickeln eines Verständnisses für das Produkt, die Entscheidung, das Produkt erwerben zu wollen, und die Übernahme und Anwendung des Produktes als Problemlösung. Von Adoption wird vor allem im Zusammenhang mit Innovationen und der Einführung von Neuprodukten gesprochen. Der Adoptionsprozess ist somit zentraler Untersuchungsgegenstand der Innovationsforschung. Innovationen können dabei aus verschiedenen Perspektiven, insbesondere aus der des Anbieters und der des Kunden betrachtet werden. Aus der Sicht des Anbieters stellen Innovationen neue Produkte dar, die der Anbieter zur Marktreife entwickelt hat oder noch entwickeln will.57 Aus Sicht des Nachfragers ist ein Produkt dann neu oder innovativ, wenn er es als neu oder innovativ wahrnimmt (Pechtl 1991: 5). Dieses subjektive Innovationsverständnis wird auch in dieser Arbeit zu Grunde gelegt. Das Besondere an Neuprodukten ist die mit dem Produkt verbundene und aufgrund des Neuigkeitsgrades sehr hohe Unsicherheit des Kunden (Rogers 1995). Dieser Aspekt wirkt sich insbesondere auf den Entscheidungsprozess des potentiellen Nutzers aus. Die Unsicherheit beruht vornehmlich auf dem fehlenden Wissen über das neue Produkt: seine Bedeutung und sein Nutzen, die mit dem Produkt verbundenen Kosten und Risiken und nicht zuletzt seine richtige Anwendung und die Möglichkeiten zum Erwerb des Produktes (s. (Moreau et al. 2001; Witt 2001)). Der Adoptionsprozess kann somit als spezieller Kaufprozess gesehen werden. Die Untersuchung von Kaufprozessen aus Sicht des Kunden ist Gegenstand der Konsumentenverhaltensforschung. Der Neuigkeitsgrad des Produktes stellt dabei besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Prozesses. Aufgrund der hohen Dynamik und der hohen Innovationsrate innerhalb des digitalen Wirtschaftsraumes ist die erfolgreiche Gestaltung des Adoptionsprozesses von essentieller Bedeutung für den Erfolg eines digitalen Produktes. Dabei muss der Kunde in dem für ihn neuen digitalen Wirtschaftsraum nicht nur das Produkt und die, insbesondere bei digitalen Produkten, neue Art der Anwendung des Produktes adoptieren. Er muss weiterhin auch die neue Art der Interaktion mit dem Anbieter des Produktes während und nach dem Erwerb des Produktes kennenlernen und akzeptieren. Wie die Geschäftstransaktion, so wird auch der Adoptionsprozess häufig mit Hilfe von Phasenmodellen beschrieben. Dabei wurden sowohl in der Innovations- als auch in der (Kauf-) Entscheidungsforschung verschiedenste Modelle entwickelt, die sich in der Anzahl und Abgrenzung sowie der genauen Ausgestaltung der Phasen unterscheiden.58 57 Mit Innovation aus der Sicht des Unternehmens beschäftigt sich ein eigener Forschungszweig des innerbetrieblichen Innovationsmanagements (vgl. z.B. (Boutellier et al. 1999)). 58 Für eine Übersicht s. z.B. (Pechtl 1991: 63). 72 Inhaltliche Grundlagen Bei der folgenden Strukturierung des Adoptionsprozesses lehnen wir uns an das wohl bekannteste und am weitesten verbreitete Prozessmodell von (Rogers 1995) an. Das Modell zeichnet sich gegenüber anderen Modellen insbesondere dadurch aus, dass es die auf die Übernahme des Produktes folgenden Phasen der Anwendung und der Bestätigung explizit mit berücksichtigt (s. Abbildung C 2-3). Wissen (Awareness) Überzeugung Entscheidung Implementation (Anwendung) Bestätigung Abbildung C 2-3: Phasenmodell des Adoptionsprozesses An diesem Prozessmodell wurde kritisiert, dass es einen expliziten Entscheidungsprozess des Kunden voraussetzt und dabei soziale sowie weitere umweltbedingte Einflussfaktoren weitgehend vernachlässigt (Parthasarathy et al. 1995). Wir werden daher im Anschluss an die Darstellung des Phasenmodells kurz aufzeigen, wie diese Einflüsse, insbesondere die sozialen, durch einfache Modifikation des Phasenschemas im Modell berücksichtigt werden können. Der Adoptionsprozess setzt sich aus den folgenden fünf Phasen zusammen: (1) die Wissensphase, (2) die Überzeugungsphase, (3) die Entscheidungsphase, (4) die Implementationsphase und (5) die Bestätigungsphase. Die genaue Ausgestaltung dieser Phasen beruht auf dem Verhalten der Konsumenten. Eine Erläuterung der wesentlichen Erkenntnisse der Konsumentenverhaltensforschung ist Gegenstand des folgenden Abschnittes C 2.2. Bei der Beschreibung der einzelnen Phasen wird daher jeweils auf die zugehörigen Erklärungsansätze verwiesen. • Wissensphase (Awarenessphase): „Knowledge occurs when an individual (or other decision-making unit) is exposed to an innovation’s existence and gains some understanding of how it functions.“ (Rogers 1995: 162) In dieser initialen Phase erfährt der Kunde von der Existenz eines Produktes und entwickelt ein erstes Verständnis für das Produkt. Die erste „Begegnung“ mit dem Produkt oder der Information über das Produkt kann zufällig oder im Zuge einer aktiven Informationssuche erfolgen. Im ersten Fall entdeckt der Kunde das Produkt während der allgemeinen Informationsaufnahmeprozesse, z.B., weil er sich für ein bestimmtes Themengebiet interessiert oder sich generell über bestimmte Medien informiert. Man bezeichnet dies als epistemisches Verhalten des Kunden. Im zweiten Fall stösst er auf das Produkt bei der Suche nach einer Lösung für ein – aktuelles – Problem. Hier spricht man vom explorativen Verhalten des Kunden (Roth 1976: 13). Beim explorativen Verhalten führt somit ein bereits bestehendes Bedürfnis zur Initiierung des Adoptionsprozesses, beim epistemischen Verhalten wird das Bedürfnis durch die Wahrnehmung des Produktes zunächst geweckt. Nach der Kenntnisnahme der Existenz eines Produktes muss der potentielle Kunde ein erstes Verständnis für das Produkt entwickeln. Rogers (1995: 165) unterscheidet generell zwischen drei verschiedenen Arten von Wissen: (1) Dem „Awareness“-Wissen (2) Design Patterns für digitale Produkte dem „How-to“-Wissen und (3) dem „Principles“-Wissen. Das „Awareness“-Wissen, ist das Wissen über die Existenz des Produktes. Das „How-to“-Wissen umfasst das Wissen über die richtige Anwendung des Produktes im Zuge der Problemlösung. Es bildet somit die Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung des Produktes und ist von zentraler Bedeutung für dessen Akzeptanz durch den Kunden. Dieses Wissen muss bei Innovationen in der Regel erst aufgebaut werden. Bei digitalen Produkten bezieht sich dieses Wissen nicht nur auf die Anwendung des Produktes selbst, sondern auch auf den Ablauf des Erwerbsprozesses im digitalen Wirtschaftraum. Das „Principles“-Wissen umfasst das Wissen über die der Problemlösung zugrunde liegenden Prinzipien. Dieses Wissen ist nicht unbedingt notwendig, erleichtert jedoch die Anwendung des Produktes (und insbesondere die Lösung von im Zuge der Anwendung auftretenden Problemen). Im Zentrum der initialen Wissensphase liegt jedoch das „Awareness“Wissen. Die beiden anderen Wissensarten, insbesondere das „How-to“-Wissen ist für die Akzeptanz des Produktes entscheidend, jedoch in der Regel für die eigentliche Adoptionsentscheidung noch nicht relevant. Für diese Entscheidung spielt dagegen die Einschätzung der Bedeutung und des Nutzens sowie die mit einem Produkt verbundenen Kosten und Risiken eine Rolle. Dieses Produktverständnis wird im Zuge der folgenden Überzeugungsphase entwickelt. Das “How To“-Wissen wird dagegen vorrangig im Zuge der Anwendung resp. des Erwerbsprozesses vermittelt. • Überzeugungsphase: „Persuasion occurs when an individual (or some other decision-making unit) forms a favorable or unfavorable attitude toward the innovation.“ (Rogers 1995: 162) In dieser Phase entwickelt der potentielle Kunde eine positive oder negative Einstellung gegenüber dem Produkt. Er versucht, die Auswirkungen der Adoption abzuschätzen und somit die mit der Adoption verbundene Unsicherheit zu minimieren. Zentraler Faktor ist der mit einem Produkt verbundene Nutzen. Dabei spielen neben ökonomischem Nutzen auch dessen symbolische und soziale Nutzenwerte, wie der Erlebniswert und das mit dem Produkt verbundene Prestige, eine Rolle (s. insbesondere Abschnitt C 2.2.2). Neben dem eigenen Nutzen ist für die Bildung der Einstellung auch die Einschätzung und Akzeptanz des Produktes durch die sozialen Bezugsgruppen entscheidend (s. Abschnitte C 2.2.1.2 und C 2.2.2). Die Bildung von Einstellung ist das Ergebnis von Kommunikationsprozessen, in denen sich der Adoptor Wissen aneignet. Nach Rogers (1995: 168) handelt es sich dabei um einen generell aktiven Suchprozess, bei dem sich der Adoptor über das Produkt informieren möchte. Die Informationen erhält er vorrangig über Massenmedien oder über interpersonelle Netzwerke. Der Einfluss der interpersonellen Netzwerke auf die Einstellungsentwicklung dominiert in der Regel den Einfluss der Massenkommunikation (s. Abschnitt C 2.2.2.2). Dies liegt vor allem an der höheren Glaubwürdigkeit der 73 74 Inhaltliche Grundlagen Kommunikatoren sowie an dem geteilten Sprachraum, der ein gegenseitiges Verständnis der Kommunikanten erleichtert.59 • Entscheidungsphase: „Decision occurs when an individual (or some other decision-making unit) engages in activities that lead to a choice to adopt or reject the innovation.“(Rogers 1995: 162) In dieser Phase findet die Entscheidung für oder gegen die Adoption statt. In der Verhaltenforschung wurde ein Zusammenhang zwischen den Einstellungen und dem Verhalten eines Individuums festgestellt. Er beruht auf der Annahme, dass ein Mensch bestrebt ist, sein Verhalten und seine Einstellungen konsistent zu halten. Eine positive Einstellung fördert somit die positive Entscheidung eines potentiellen Adoptors (s. Abschnitt C 2.2.1.2). Weitere Einflussfaktoren, insbesondere ökonomische, soziale oder situative Faktoren, können jedoch den Einzelnen von einer positiven Entscheidung abhalten.60 Verschiedenartige Anreizstrukturen wie Preisnachlässe können den Einfluss diese Faktoren abmildern und somit eine Entscheidung forcieren. Bei der Entscheidung spielt weiterhin das empfundene Risiko eine Rolle (s. Abschnitt C 2.2.1.3). Mögliche Risikofaktoren umfassen u.a. ökonomische, soziale und psychische Aspekte. Insbesondere die psychischen und ökonomischen Risiken können durch die Möglichkeit der probeweisen Anwendung des Produktes in beschränktem Umfang oder über eine beschränkte Zeitdauer gemildert werden. Neben eigenen Erfahrungen mit dem Produkt können weiterhin die Erfahrungen anderer genutzt werden. Insbesondere die sichtbare Adoption von Meinungsführern unterstützt dabei die Entscheidung potentieller Adoptoren (Magill & Rogers 1981). Neben den ökonomischen Risiken werden durch die sichtbare Akzeptanz des Produktes auch die sozialen Risiken abgeschwächt. Ökonomischen Risiken kann beispielsweise durch kulante Rückgabemöglichkeiten oder Geld-Zurück-Garantien begegnet werden. Die Entscheidungsphase kann auch mit der Ablehnung eines Produktes enden. Diese Entscheidung gegen eine Innovation erfolgt entweder (1) durch die aktive Ablehnung oder (2) durch die passive Ablehnung eines Produktes (Eveland 1979). Im ersten Fall entscheidet sich der Kunde bewusst gegen die Adoption eines Produktes. Im zweiten Fall kommt es überhaupt nicht erst zu einem Entscheidungsprozess. Dabei wurde entweder das Interesse des Kunden nicht erfolgreich geweckt oder während der Überzeugungsphase eine negative Einstellung gegenüber dem Produkt entwickelt. Pechtl (1991: 65 f.) unterteilt die Entscheidungsphase weiterhin in die Entscheidung zur Einführung eines Produktes und die eigentliche Transaktionsentscheidung. Die Einführungsentscheidung entspricht der soeben beschriebenen Adoptionsentschei- 59 Durch die Kommunikation innerhalb des sozialen Netzes wird weiterhin die „allgemein“ in dieser Gruppe akzeptierte Einstellung zum Produkt entwickelt und weitergetragen. Sie dient als Referenzwert für das innerhalb der Bezugsgruppe erwarteten Verhaltens und übt somit einen Übernahme- resp. Ablehnungsdruck auf die Gruppenmitglieder aus (s. AbschnittC 2.2.2.1). 60 Man spricht hierbei auch von einem KAP-Gap, dem „knowledge-attitude-practice“ Gap (Rogers 1995: 169). Design Patterns für digitale Produkte 75 dung. Die Transaktionsentscheidung konkretisiert diese Entscheidung. Sie legt fest, von welchem Anbieter und unter welchen Konditionen ein Produkt erworben wird. An dieser Stelle lassen sich somit die Phasen des in Abschnitt C 2.1.2 beschriebenen Modells der Geschäftstransaktion einfügen. Man beachte jedoch, dass die beiden Phasen der Einführungs- und der Transaktionsentscheidung in der Praxis kaum klar zu trennen und stattdessen zumeist eng ineinander verwoben sind. Rogers (1995: 173) ordnet die Durchführung der eigentlichen Geschäftstransaktion der Implementationsphase zu. Abschliessend sei darauf hingewiesen, dass sich der Prozess bis zur positiven Entscheidung auch umkehren kann. Dabei wird in einem ersten Schritt, zumeist ausgelöst durch sozialen Druck oder ökonomische Notwendigkeit, eine Entscheidung für oder gegen ein Produkt getroffen und erst anschliessend eine entsprechend positive oder negative Einstellung gegenüber dem Produkt ausgebildet. Treibende Kraft ist auch hier das Streben nach Konsistenzbewahrung zwischen Einstellung und Verhalten. Auf diese Phasenumkehrung werden wir im Anschluss an die Beschreibung des Phasenmodells noch kurz eingehen. • Implementationsphase: „Implementation occurs when an individual (or other decision-making unit) puts an innovation into use.“ (Rogers 1995: 162) Im Zentrum dieser Phase steht die Anwendung des Produktes und somit die Integration des Produktes in das Problemlösungsverhalten des Kunden.61 Um das Produkt richtig nutzen zu können, benötigt der Kunde Anwendungswissen. Idealerweise ist die Bedienung des Produktes weitgehend selbsterklärend und verursacht möglichst geringen Lernaufwand beim Anwender. Digitale Produkte verfügen insbesondere durch ihren interaktiven Charakter über weitreichende Möglichkeiten zur Unterstützung und Führung des Kunden (s. Abschnitt C 1.3.3.1). Das dennoch fehlende Wissen muss aus externen Informationsquellen erworben werden. Neben dem Hersteller des Produktes können hier Anbieter von Schulungsmassnahmen und Beratungsdienstleistungen sowie andere Anwender des Produktes das benötigte Anwendungswissen vermitteln. Externe Spezialisten haben den Vorteil, dass sie sich mit den Anwendungsmöglichkeiten des Produktes besonders gut auskennen. Anwender des Produktes können sich jedoch in die oftmals selbst erlebten Problemsituationen eines neuen Nutzers besser eindenken und die Lösung in einer Sprache formulieren, die für den Anwender leichter verständlich ist (s. insbesondere Abschnitt C 2.2.2.2).62 Im Zuge der Anwendung wird das Produkt zumeist zu einem gewissen Grad modifiziert. Dieser Vorgang wird häufig als Neuerfindung („Re-Invention“) des Produktes bezeichnet (Rogers 1995: 174 f.). Modifikationen ergeben sich oftmals bereits dadurch, 61 Wie bereits erwähnt, schliesst Rogers den Erwerb des Produktes in diese Phase mit ein. 62 Um eine kognitive Überbelastung des Kunden zu vermeiden, kann es sinnvoll sein, die neue Pro- blemlösung schrittweise einzuführen. Komplexere Funktionalitäten werden erst dann angeboten, wenn der Nutzer die Anwendung der einfacheren Funktionalitäten beherrscht. 76 Inhaltliche Grundlagen dass der Nutzer das Produkt auf seine spezifische Problemsituation anpasst. Im Sinne der Individualisierung des Produktes kann durch diese Anpassungsmassnahmen gleichzeitig das häufig auftretende Bedürfnis eines Kunden nach einem Unikat befriedigt werden. Derartige Möglichkeiten zur Individualisierung des Produktes können dabei vom Hersteller direkt vorgesehen werden. Insbesondere bei digitalen oder digitalisierten Produkten ist dies, wie in Abschnitt C 1.3.1.8 erläutert wurde, recht einfach möglich. Diese Produktadoptionen können vom Hersteller somit direkt für die Verbesserung des Produktes genutzt werden. Die Konzeption und (Neu-)Erfindung des Produktes beschreibt dann einen iterativen Prozess, in dem das Produkt sukzessive weiterentwickelt wird (Asdonk et al. 1991). Der Anwender wird dadurch gewissermassen zum Mitentwickler. „Instead of simply accepting or rejecting an innovation as a fixed idea, potential adopters on many occasions are active participants in the adoption and diffusion process, struggling to give their own unique meaning to the innovation as it is applied in their local context. Adoption is thus a process of social construction” (Rogers 1995: 179 f.). Die dadurch entstehende starke Integration des Kunden, die auch bereits bei der initialen Entwicklung des Produktes erfolgen kann, fördert weiterhin die Identifikation des Kunden mit dem Produkt resp. mit dessen Hersteller und wirkt sich somit positiv auf die Kundenbindung aus. Die frühzeitige Einbindung des Kunden in die Entwicklung verringert weiterhin den Lernaufwand der mit der Anwendung des Produktes verbunden ist. Kundenbedürfnis und Problemlösung werden bereits frühzeitig aufeinander abgestimmt. Neben den positiven Konsequenzen der Neuerfindung des Produktes durch den Kunden können diese jedoch auch nachteilige Folgen für den Anwender oder den Hersteller nach sich ziehen. Bei der Gestaltung und Einführung des Produktes muss daher soweit wie möglich verhindert werden, dass das Produkt in einer Art „missbraucht“ wird, die entweder dem Anwender selbst oder aber dem Hersteller resp. anderen Anwendern schadet.63 Dieser Gefahr kann insbesondere durch eine geeignete Gestaltung der Anwendungsprozesse begegnet werden. Die Implementationsphase kann weiter unterteilt werden in eine Installierungsphase und eine Anwendungsphase (Pechtl 1991: 70 ff.). In der Installierungsphase werden die Vorbereitungen für die eigentliche Anwendung des Produktes getroffen. Dies ist insbesondere im betrieblichen Umfeld entscheidend, wo die Nutzung einer neuen Problemlösung zumeist einer Integration in die bestehenden organisatorischen Abläufe und technischen Systeme bedarf. Die Einführung des Produktes erfolgt hier in der Regel schrittweise. Man spricht dann von einer „initial implementation“ und einer 63 Man denke dabei z.B. an Community Services oder themenspezifische Newsgroups, die zur Publikation themenfremder und die anderen Mitglieder störender Beiträge oder aber zur privaten Kommunikation einzelnen Mitglieder zweckentfremdet wird. Design Patterns für digitale Produkte 77 „sustained implementation“ (Cherian & Desphande 1985: 32). In dieser Arbeit steht jedoch die Adoption des privaten Endanwenders im Vordergrund. Verschiedene Modelle legen das Ende dieser Phase nach unterschiedlichen Kriterien fest. Nach Rogers (1995: 173) endet die Implementationsphase, sobald das neue Produkt vollständig in das Problemlösungsverhalten des Anwenders übergegangen ist und somit zum Routineverhalten wurde. Andere Autoren setzen das Ende dieser Phase mit der Ablösung des Produktes durch eine neue Problemlösung gleich. Diese Abgrenzung soll auch in dieser Arbeit zu Grunde gelegt werden (s. z.B. (Pechtl 1991: 72)). • Bestätigungsphase: „Confirmation occurs when an individual (or some other decision-making unit) seeks reinforcement of an innovation decision already made, or reverses a previous decision to adopt or reject the innovation if exposed to conflicting messages about the innovation.“ (Rogers 1995: 162) In der letzten Phase sucht der Kunde nach Bestätigung für seine Adoptionsentscheidung. Diese Phase verläuft somit parallel zur Anwendung des Produktes. Im negativen Fall beendet die Bestätigungsphase die Implementationsphase. Dies ist dann der Fall, wenn negative Erfahrungen, neue Information oder aber bessere Alternativen den Anwender zur nachträglichen Ablehnung des Produktes veranlassen. Im ersten Falle erfolgt die Ablehnung somit durch eine Enttäuschung durch das Produkt (disenchantment) im zweiten Fall durch die Ersetzung des Produktes (replacement) (Rogers 1995: 182 f.). Die Unzufriedenheit mit dem Produkt kann generell auf zwei Ursachen zurückgeführt werden: (1) die Ungeeignetheit des Produktes für das Kundenproblem oder (2) die falsche Anwendung des Produktes. Letztere beruht somit auf der Diskrepanz zwischen dem benötigten und dem beim Nutzer vorhandenen Anwendungswissen.64 Unzufriedenheit kann durch eigene Erfahrungen oder aber durch neue Informationen über die Nachteile des Produktes, über bessere Alternativen oder über die mangelnde Akzeptanz im sozialen Umfeld hervorgerufen werden. Weiterhin können aber auch Änderungen des gesellschaftlichen Wertesystems eine Abkehr vom Produkt einleiten (s. z.B. (Schenk et al. 1996: 35)).65 Durch gezielte (kommunikative) Massnahmen kann der Anbieter der Unzufriedenheit des Kunden entgegenwirken. Positive Informationen bestärken den Kunden in seiner Entscheidung, rasche und gezielte Hilfe beim Auftreten von Problemen verhindern die Entstehung von Unsicherheiten und Unzufriedenheit beim Anwender. Auch hier lei64 Die Unzufriedenheit ist mit den Produkteigenschaften der Kompatibilität, des persönlichen Nut- zens und der Komplexität korreliert. Je höher die Kompatibiliät und der persönliche Nutzen und je geringer die Komplexität, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer positiven Adoption. Auf diesen Aspekt werden wir in Abschnitt C 2.2.2.3 noch einmal genauer eingehen. 65 „... einzig diese (Adoptionsbestätigung) erschliesst ja die geschichtliche Tiefe des Innovationsge- schehens, bettet diese in die weitere Dynamik des gesellschaftlichen Wandels ein, der auf der einen Seite Innovationen hervorbringt auf der anderen Seite wieder zurücknimmt.“ (Saxer 1989: 152) 78 Inhaltliche Grundlagen sten digitale Produkte durch ihre weitreichenden Möglichkeiten, den Kunden bei der richtigen Anwendung des Produktes aktiv zu unterstützen oder durch die Protokollierung des Kundenverhaltens eine Fehlanwendung zu diagnostizieren, einen entscheidenden Beitrag. Durch die intensive Kommunikation mit dem Kunden kann der Anbieter versuchen, eine Beziehung zum Kunden aufzubauen und diesen auf diese Weise stärker an sich zu binden. Das Wissen über den Kunden gestattet es, das Produkt weiterzuentwickeln und an die spezifischen Kundenbedürfnisse anzupassen, was die Gefahr einer – nachträglichen – Abkehr vom Produkt verringert und die Adoption neuer Produkte erleichtert. Das Verhalten des Kunden, insbesondere in dieser Nachkaufphase, wird häufig mit der Dissonanztheorie von Festinger (1957) begründet. Danach ist ein Mensch bestrebt, kognitive Dissonanzen zu vermeiden. Sein Wissen, seine Glaubenssätze und seine Einstellungen sollen in Einklang mit seinem Handeln stehen. Die Dissonanztheorie liefert somit eine Erklärung dafür, dass in der Nachkaufphase schlechte Erfahrungen und Information über die Nachteile des Produktes zur nachträglichen Ablehnung des Produktes führen können.66 Diese Theorie wird in Abschnitt C 2.2.1.1 näher erläutert. Parthasarathy et al. (1995) kritisieren an den bestehenden Adoptionsmodellen wie dem eben dargestellten Phasenmodell von Rogers, dass diese den Einflüssen des sozialen Netzwerkes und der interpersonellen Kommunikation zu wenig Bedeutung beimessen. Diese Einflüsse sind jedoch entscheidend für die Adoptionsentscheidung des Individuums. Dabei kann generell zwischen dem informativen und dem normativen Einfluss des sozialen Netzwerkes unterschieden werden (Bearden W.O. et al. 1989). Der informative Einfluss beruht darauf, dass sich Individuen vorrangig aus ihrem sozialen Umfeld mit Informationen versorgen. Der normative Einfluss bewirkt eine Ausrichtung des eigenen Verhaltens an den Normen und Erwartungen des sozialen Umfeldes und übt somit einen Druck auf die Verhaltenskonformität des Einzelnen aus. Die Wirkung des normativen Einflusses kann damit zu einer Veränderung des soeben vorgestellten Phasenschemas führen. Das Individuum, wird aufgrund des sozialen Druckes zur Adoption (oder aber zur frühzeitigen Ablehnung) der Innovation gedrängt, ohne sich zuvor eine eigene Meinung über das Produkt gebildet zu haben. In diesem Fall folgt dem Wissen über die Existenz eines Produktes direkt die Adoptionsentscheidung sowie die Anwendung des Produktes. Man beachte, dass gemäss der Dissonanztheorie die Adoption dann aber in der Regel zur nachträglichen Ausbildung einer positiven Einstellung gegenüber dem Produkt und somit zur nachträglichen Rechtfertigung des eigenen Verhaltens führt (s. dazu insbesondere die Abschnitte C 2.2.1.2 und C 2.2.2). Individuen unterscheiden sich dabei im Grad, zu dem sie sich – bei der Adoption einer Innovation – von ihrem sozialen Umfeld beeinflussen lassen. Imitatoren lassen sich sehr stark 66 Das Streben nach der Vermeidung von Dissonanzen hat aber auch weitere Auswirkungen auf das Informationssuch- und –verarbeitungsverhalten des Kunden in der Nachkaufphase. Auch dieser Aspekt wird in Abschnitt C 2.2.1.1 diskutiert. Design Patterns für digitale Produkte 79 durch ihr soziales Umfeld leiten, Innovatoren entscheiden sich dagegen weitgehend unabhängig von den Erwartungen des sozialen Umfelds. Diese Unterscheidung und die resultierenden Verhaltensweisen werden in Abschnitt C 2.2.3 ausführlich erläutert. C 2.1.4 Integriertes Phasenmodell Die Geschäftstransaktion fokussiert auf den eigentlichen Erwerbsprozess, vernachlässigt dabei jedoch weitestgehend die dem Kauf vor- und nachgelagerten Phasen. Das Adoptionsmodell und auch der Customer Buying Cycle konzentrieren sich dagegen genau auf diese vorund nachgelagerten Phasen, vernachlässigen dagegen die eigentliche Geschäftstransaktion. Schmid (1999a) entwickelte nun ein Phasenmodell, das die beiden Aspekte der Adoption und der Transaktion in sich vereinigt. Es besteht aus vier Phasen: der Wissensphase, der Absichtsphase, der Verhandlungsphase und der Abwicklungs- resp. Anwendungsphase. Die Anwendungsphase führt dabei wieder in die Wissensphase über. Das zyklische Modell ist in Abbildung C 2-4 dargestellt: Wissen (Awareness) Wissen Absicht Ziel Verhandlung Vertrag Abwicklung Zielrealisierung Abbildung C 2-4: Integriertes Phasenmodell von Schmid67 • Wissensphase: Die Wissensphase subsumiert die Awarenessphase und die Überzeugungsphase des Adoptionsmodells von Rogers sowie die Awarenessphase des Customer Buying Cycle. Hier wird somit Wissen über die Existenz einer neuen Problemlösung sowie Wissen über die Bedeutung des Produktes aufgebaut. Das Ergebnis besteht in der Erweiterung des eigenen logischen Raumes um ein „Bild“ der neuen Problemlösung • Absichtsphase: Diese Phase entspricht der Entscheidungsphase des Adoptionsprozesses und gliedert sich in die Evaluationsphase des CBCs ein. Hier entwickelt der Kunde die Absicht, die Problemlösung erwerben zu wollen (und somit sein angestrebtes Ziel). • Verhandlungsphase: In dieser Phase beginnt der eigentliche Erwerbsprozess im engeren Sinne. Er umfasst die Formulierung des genauen Kundenwunsches, dessen Abgleich mit bestehenden Angeboten sowie die Aushandlung und vertragliche Festlegung der Konditionen. Diese Phase entspricht somit der Vereinbarungsphase der Geschäftstransaktion. 67 In den Kreisen werden jeweils die Resultate der Szenen dargestellt. 80 Inhaltliche Grundlagen • Abwicklungsphase: In dieser letzten Phase werden die vertraglichen Vereinbarungen umgesetzt und das erworbene Produkt angewendet. Der Kunde muss dabei durch das Produkt resp. durch dessen Anbieter möglichst gut unterstützt werden. Die durch den Kauf initiierte Beziehung zwischen Kunde und Produkt ist dann weiter auszubauen, um den Kunden an den Anbieter zu binden und ihn zur erneuten Verwendung oder aber zum Wiederkauf zu motivieren. Damit geht die Abwicklungsphase direkt in die Wissensphase des integrierten Modells über. Diese Phase umfasst somit die Abwicklungsphase der Geschäftstransaktion, die Anwendungs- und Bestätigungsphase des Adoptionsmodells sowie die Kauf und die After-Sales Phase des CBCs. C 2.1.5 Zusammenführung der Modelle In diesem abschliessenden Abschnitt sollen die Zusammenhänge zwischen den vier aufgeführten Phasenmodellen noch einmal systematisch aufgezeigt werden. Resultat ist ein Gesamtmodell der Interaktionsbeziehung zwischen Kunde und Produkt. Das Rahmenmodell bildet das integrierte Modell von Schmid. Das integrierte Modell von Schmid subsumiert die Phasen der Geschäftstransaktion. Die Vereinbarungsphase der Geschäftstransaktion stimmt mit der Verhandlungsphase des Schmid’schen Modells überein, die Abwicklungsphase der Geschäftstransaktion gliedert sich in die gleichnamige Phase des integrierten Modells von Schmid ein. Die dem eigentlichen Erwerbsprozess vor- und nachgelagerten Phasen werden durch die Modelle der Adoption und des Customer Buying Cycles verfeinert. Die Wissensphase des Schmid’schen Modells zerfällt in die Awarenessphase und die Überzeugungsphase des Adoptionsmodells.68 Die Abwicklungsphase des Schmid’schen Modells wird unterteilt in die Abwicklung im Sinne des Austausches Ware gegen Geld, die Anwendung und die Kundenbetreuung. Dabei entspricht die Anwendung der Implementationsphase des Adoptionsprozesses und die Kundenbetreuung der Bestätigungsphase des Adoptionsprozesses resp. der After-Sales Phase des CBCs. Weiterhin muss insbesondere bei neuen Produkten und neuartigen Erwerbsprozesse während resp. vor der Anwendung sowie dem Erwerb „Anwendungswissen“, das sogenannte „How-To“-Wissen übermittelt werden (vgl. Abschnitt C 2.1.3). Diese Phase wird im Adoptionsmodell in der Wissens- / Awarenessphase subsumiert. Das Wissen wird jedoch erst in den späteren Phasen des Erwerbs und der Anwendung benötigt. Die Übermittlung des Anwendungswissens wird daher aus der Wissens- / Awarenessphase des Adoptionsmodells herausgetrennt. Die Wissensphase gliedert sich dann vor resp. parallel zu den Phasen der Verhandlung, der Abwicklung sowie der Anwendung resp. der Kundenbetreuung in das Gesamttheaterstück ein. 68 Die Awarnessphase stimmt dabei mit der gleichnamigen Phase des CBCs überein. Die Über- zeungsphase ist Teil der Evaluationsphase des CBCs. Design Patterns für digitale Produkte Awareness Kenntnis 81 Überzeugung Support Nachbetreuung Einstellung Wissen Kundenbetreuung Zielerfüllung Anwendung Entscheidung/ Absicht Absicht Zieldefinition Anwendungswissen Vertragsabwicklung Verhandlung Vertrag Abwicklung Abbildung C 2-5: Gesamtmodell der Kunde-Produkt-Interaktion Das resultierende Gesamtmodell der Kunde-Produkt-Interaktion ist in Abbildung C 2-5 dargestellt. Die einzelnen Phasen sind durch ihre Ziele determiniert, die ebenfalls in der Graphik erfasst sind. C 2.2 Konsumentenverhalten Ziel dieses Abschnittes ist es, das Verhalten von Konsumenten zu verstehen und dadurch Rückschlüsse auf die optimale Gestaltung der Interaktionsbeziehungen zwischen dem Kunden und dem Produkt resp. dem Anbieter ableiten zu können. Im Zentrum dieses Abschnittes steht die Erläuterung der wichtigsten Theorien zur Erklärung des Konsumentenverhaltens. Dabei kann man grundsätzlich zwischen den psychologischen Ansätzen und den soziologischen Ansätzen unterscheiden.69 Psychologische Ansätze führen das Verhalten des Kunden auf die psychischen Faktoren und Prozesse innerhalb des Individuums zurück. Soziologische Ansätze betrachten die Auswirkungen des sozialen Umfeldes auf das Konsumentenverhalten. Im folgenden werden zunächst die wichtigsten psychologischen Ansätze und anschliessend die soziologischen Ansätze beschrieben. In kurzen Zusammenfassungen werden jeweils für die verschiedenen Theorien und Erklärungsansätze die zentralen Aussagen in bezug auf die Gestaltung der Interaktionsprozesse zwischen Nachfrager und Produkt herausgestellt. C 2.2.1 Psychologische Ansätze Die zentralen psychologischen Ansätze des Konsumentenverhaltens lassen sich nach der das Verhalten beeinflussenden Grösse in (1) Motivationstheorien, (2) Einstellungstheoretische 69 S. z.B. (Bänsch 1989). 82 Inhaltliche Grundlagen Erklärungsansätze, (3) Wahrnehmungsansätze, (4) Denk- und Entscheidungstheoretische Ansätze und (5) Lerntheorien einteilen.70 C 2.2.1.1 Motivationstheorien Die Motivationstheorien gehen davon aus, dass das Verhalten eines Kunden durch seine Motivation beeinflusst resp. gesteuert wird. „Motivation ist ein hypothetisches Konstrukt, mit dem man die Antriebe (Ursachen) des Verhaltens erklären will. Mit diesem Konstrukt soll die Frage nach dem ‚Warum’ des Handelns beantwortet werden.“ (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 141) Die Motivation verbindet dabei Emotionen mit einer Verhaltensorientierung: Der Mensch ist motiviert etwas zu tun, um ein bestimmtes erstrebenswertes Ziel zu erreichen. Im folgenden werden die wesentlichen Theorien der Motivationsforschung kurz erläutert.71 C 2.2.1.1.1 Homöostatische Motivationstheorien Homöostatische Theorien gehen davon aus, dass das menschliche Verhalten wesentlich durch das Streben nach einem Gleichgewicht der gesamten physiologischen Prozesse, der Homöostase, bestimmt ist.72 Das Individuum ist stets bemüht, „seine Bedürfnisse zu befriedigen und einen Zustand der Ruhe und des Gleichgewichts zu erreichen“ (Nieschlag et al. 1994: 557). Die bekanntesten Vertreter homöostatischer Motivationstheorien sind der instinkttheoretische Ansatz und der kognitive Ansatz. Instinkttheoretischer Ansatz: Der instinkttheoretische Ansatz geht davon aus, dass das menschliche Verhalten durch angeborene Instinkte gesteuert wird. In der Werbemittel-Gestaltung werden diese in Form der sogenannten Schlüsselreize ausgenutzt. Die unbedingte Wirksamkeit dieser starr ablaufenden Verhaltensmuster konnte jedoch widerlegt werden; stattdessen wird das konkrete Verhalten zusätzlich durch situative Faktoren beeinflusst (Irle 1975). Dagegen konnte gezeigt werden, dass Instinkte erfolgreich für die Orientierung des Kunden eingesetzt werden können. Sie können somit dazu beitragen, die Aufmerksamkeit des Kunden auf eine bestimmte Sache, z.B. eine Werbebotschaft, zu lenken(Nieschlag et al. 1994: 557). Kognitiver Ansatz: Die kognitiven homöostatischen Motivationsansätze führen das Entstehen von Motivation auf kognitive Erkenntnisprozesse zurück. Einer der bekanntesten Ansätze ist die Theorie der kognitiven Dissonanz von Festinger (1957). Gemäss dieser Theorie wird das 70 Neben den hier vorgestellten Partial-Modellen, die jeweils den Einfluss einer Grösse auf das Verhalten betrachten, wurden verschiedene Totalmodelle entwickelt, die das Verhalten durch das Zusammenspiel mehrerer, d.h. möglichst aller, Einflussgrössen zu erklären versuchen. Die bekanntesten sind die von Nicosa (1966), Howard und Sheth (1969) sowie von Engel, Blackwell und Miniard (1986). Für diese Arbeit erscheint jedoch eine Betrachtung der Partialmodelle ausreichend. 71 Für einen umfassenden Überblick siehe z.B. (Heckhausen 1989). 72 Der Begriff der Homöostase geht auf Cannon (1932) zurück. Design Patterns für digitale Produkte 83 menschliche Verhalten durch das Streben nach Vermeidung oder Verminderung kognitiver Spannungen gesteuert. Dissonanzen entstehen, „wenn ein durch die individuelle PsychoLogik gebildetes System von Kognitionen instabil wird, weil neue, widersprüchliche Informationen die bisherigen Beziehungen zwischen bestimmten Systemelementen in Frage stellen“ (Nieschlag et al. 1994: 558). Diese Theorie wirkt sich auf weite Teile des Interaktionsprozesses zwischen Kunde und Produkt / Anbieter aus: Kognitive Dissonanzen können zunächst die Initiierung der Beziehung herbeiführen. Dabei führt z.B. die Information über ein neues Produkt zur Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation und induziert die Beschaffung weiterer Informationen über die neue Problemlösung und damit den Eintritt in die Überzeugungsphase. Man beachte jedoch auch, dass das Streben nach der Vermeidung von Dissonanzen dazu führen kann, Informationen über potentiell bessere Alternativen zu ignorieren. Weiterhin induziert eine positive Einstellung zu einem Produkt das Bedürfnis zum Erwerb des Produktes (s. auch Abschnitt C 2.2.1.2). In der Phase der Produktnutzung werden Diskrepanzen zwischen den Produkterwartungen und den tatsächlich erfahrenen Qualitäten des Produktes als Dissonanzen empfunden und können zur nachträglichen Ablehnung des Produktes führen. Gleiches gilt für negative Produktinformationen, mit denen der Kunde in der Nachkaufphase konfrontiert wird. Menschen verfügen über eine Reihe von Strategien, um diese dissonanten Zustände zu vermeiden oder aufzulösen (vgl. (Nieschlag et al. 1994: 558)): (1) Der Mensch kann aktiv nach Informationen suchen, um dissonante Zustände zu vermeiden oder aufzulösen, d.h. die Richtigkeit seiner Entscheidung zu bestätigen. (2) Er kann Informationen, die zu einem dissonanten Zustand führen, vermeiden, verdrängen oder abwerten. Dieser Mechanismus wird als selektive Wahrnehmung resp. selektive Verarbeitung von Information bezeichnet (Rogers 1995: 164). (3) Schliesslich kann das Individuum einen dissonanten Zustand durch die Änderung seines Verhaltens aufzulösen versuchen. Wie bereits erwähnt, kann diese Art von dissonanzauflösendem Verhalten zur Kaufentscheidung beitragen, aber auch zur nachträglichen Ablehnung eines Produktes führen. C 2.2.1.1.2 Humanistische Motivationstheorien Die humanistischen Motivationstheorien führen das menschliche Verhalten auf die Erreichung bestimmter Bedürfnisse zurück. Einer der bekanntesten Ansätze ist die Bedürfnispyramide von Maslow (1975). Er ordnet die menschlichen Bedürfnisse in eine Bedürfnishierarchie aus (1) physiologischen Bedürfnissen, (2) Sicherheitsbedürfnissen, (3) sozialen Bedürfnissen, (4) Bedürfnissen nach Selbstachtung und Anerkennung und (5) Bedürfnissen nach Selbstverwirklichung ein. Weiterhin geht er davon aus, dass die höherrangigen Bedürfnisse erst dann aktiviert werden, wenn die gemäss der Hierarchie untergeordneten Bedürfnisse bereits erfüllt wurden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass das sich darin widerspiegelnde „Prinzip der relativen Vorteilhaftigkeit“ sowie auch die Einteilung der Bedürfnisse selbst das menschliche Verhalten nur bedingt widergeben. Stattdessen entwickelt der Mensch individuelle Bedürfnisse, die weiterhin auch von den situativen und sozialen Umweltbedingungen beeinflusst werden (Wiswede 1973: 114 ff.). Dennoch konnten gewisse 84 Inhaltliche Grundlagen Grundmotivationen identifiziert werden, die bei vielen Menschen das Verhalten mitbeeinflussen. Diese sind: Das Gewinnmotiv (als Kostensenkungs- oder Erlössteigerungsmotiv), das Zeitersparnismotiv, das Bequemlichkeitsmotiv, das Sicherheitsmotiv, das Geltungsmotiv, das Nachahmungsmotiv und das Emotionsmotiv (Wiswede 1973: 72). C 2.2.1.1.3 Aktivationstheoretische Motivationstheorien Grundvoraussetzung für das Verhalten des Menschen ist dessen Aktivierung. Sie führt zu einem inneren Erregungszustand, der den Menschen antreibt. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Erregungszustand und der Leistungsfähigkeit des Menschen. Dieser ist jedoch nicht proportional. Stattdessen nimmt er mit steigender Erregung zunächst zu, um dann ab einem bestimmten Punkt wieder abzunehmen (Yerkes & Doson 1908). Aktivierung kann durch Emotionen, Motive und Einstellungen hervorgerufen werden. In der Werbeforschung wurde insbesondere der Zusammenhang zwischen der inneren Erregung und der Gedächtnisleistung untersucht. Dabei konnte neben dem Einfluss der Stärke insbesondere der Einfluss der Richtung einer ausgelösten Emotion auf die Gedächtnisleistung festgestellt werden. Angenehme und unangenehme Gefühle wirken sich im Gegensatz zu neutralen Gefühlen positiv auf die Gedächtnisleistung aus. Zu starke unangenehme Gefühle führen dann jedoch insbesondere bei wenig selbstbewussten Menschen zu einem Abwehr- und Vermeidungsverhalten. C 2.2.1.1.4 Zusammenfassung In diesem Abschnitt sollen die Auswirkungen der Motivationstheorien auf die Gestaltung der Interaktionsprozesse noch einmal kurz zusammengefasst werden: • Homöostatische Motivationstheorien – Instinkttheoretischer Ansatz: Instinkte führen zur Orientierung des Kunden und können somit insbesondere bei der Gestaltung der Awarenessphase genutzt werden. • Homöostatische Motivationstheorie – Dissonanztheorie: Die Vermeidung von dissonanten Zuständen beeinflusst das Verhalten des Individuums. Dies muss bei der Awarenessphase beachtet werden, um zu vermeiden, den Kunden durch das Aussenden für ihn dissonanter Informationen nicht erreichen zu können. Informationen über neuartige Lösungsmöglichkeiten können jedoch auch zu dissonanten Zuständen führen, die den potentiellen Kunden zum Eintritt in die Überzeugungsphase motivieren. Erzielt man in der Überzeugungsphase eine positive Einstellung des Interessenten, so fördert dies durch die Vermeidung von Dissonanzen zwischen Einstellung und Verhalten eine positive Entscheidung für das Produkt. Bei der anschliessenden Anwendung müssen die geweckten Erwartungen mit den Erfahrungen des Kunden übereinstimmen. Ansonsten motivieren dissonante Zustände den Anwender zur Abwendung vom Produkt. Gleiches gilt für negative Informationen über das Produkt in der Bestätigungsphase. Dabei ist der Kunde auch selbst bemüht, durch selektive Wahrnehmung und Informationsverarbeitung dissonante Zustände zu vermeiden. • Humanistische Motivationstheorien: Das Individuum ist bestrebt, seine Bedürfnisse durch sein Handeln zu befriedigen. Bei der Gestaltung des Produktes sowie dem Design der Design Patterns für digitale Produkte 85 Anwendungs- und Erwerbsprozesse ist diesen Bedürfnissen zu entsprechen. Im Zuge der Überzeugungsphase ist weiterhin das Potential des Produktes zur Befriedigung der Kundenbedürfnisse zu kommunizieren. • Aktivierungstheorien: Positive und negative Reize erhöhen die Gedächtnisleistung des Kunden. Dies muss insbesondere bei der Gestaltung der Awarenessphase berücksichtigt werden. C 2.2.1.2 Einstellungstheoretische Erklärungsansätze Unter Einstellung versteht man den „inneren Bereitschaftszustand / [die] innere Haltung des Individuums, gegenüber bestimmten Reizen relativ fest gefügte / stabile positive oder negative Reaktionen zu zeigen“(Bänsch 1989: 32). Einstellungen erweitern Motive um den Bezug zu einem bestimmten „Objekt“ der Zielerreichung. Kroeber-Riehl und Weinberg (1996: 168) definieren Einstellung daher auch als „subjektiv wahrgenommene Eignung eines Gegenstandes zur Befriedigung einer Motivation.“ Ein direkter Zusammenhang zwischen einer Einstellung zu einem Produkt und dem tatsächlichen Verhalten, dem Erwerb des Produktes, besteht in der Regel nicht. Stattdessen wirken sich weitere Faktoren wie soziale und individuelle Normen sowie situative Faktoren auf das Konsumentenverhalten aus. Sie werden in der Theorie der geplanten Handlung von Ajzen (1988) explizit mitberücksichtigt. Er geht davon aus, dass nicht die Einstellung selbst, sondern die Kaufabsicht das Verhalten determiniert. Die Kaufabsicht wird bestimmt durch: (1) die Einstellung des Kunden zu einem Produkt, (2) die subjektive Norm und (3) die wahrgenommene Verhaltenskontrolle durch situative Bedingungen. Die subjektive Norm ergibt sich dabei aus der Erwartung relevanter Bezugsgruppen und der subjektiven Bereitschaft, diesen Erwartungen gerecht zu werden. Die situativen Bedingungen umfassen u.a. fehlende Möglichkeiten zum Erwerb des Produktes sowie finanzielle Beschränkungen. Die Einstellung selbst wird in der Regel auf Eigenschaften eines Produktes zurückgeführt. Fishbein (1963) erweitert die zumeist einfach additiven Modelle der Eigenschaftsmessung um Gewichtungsparameter, welche die subjektive Erwartung über das Eintreten der Eigenschaft erfassen. Einstellungen sind zwar gemäss obiger Definition stabil, dennoch sind sie das Resultat kommunikativer Akte und werden somit durch Informationsaufnahme und –verarbeitung gebildet und verändert. Die Wirksamkeit der Kommunikation hängt dabei mit den Persönlichkeitsmerkmalen des Adressaten, den Merkmalen des Kommunikators sowie den Merkmalen der kommunizierten Botschaft zusammen (vgl. (Bänsch 1989: 42 ff.)). Generell reduziert sich die Bereitschaft zu Einstellungsänderung mit dem Alter, der Selbsteinschätzung, dem Selbstvertrauen und der Intelligenz. Die Auswirkung des Faktors Intelligenz hängt jedoch von der Art der Botschaft ab. So sind intelligente Zielpersonen sehr aufgeschlossen gegenüber argumentativen Botschaften. Beim Sender spielen generell die Aspekte der Glaubwürdigkeit und der Attraktivität eine Rolle, die jeweils positiv mit der Einstellungsänderung korreliert sind. Die Glaubwürdigkeit beruht dabei auf der Sachkenntnis, dem Status und der Vertrauenswürdigkeit des Kommu- 86 Inhaltliche Grundlagen nikators. Sie hängt weiterhin sehr stark mit den wahrgenommenen Kommunikationsabsichten des Senders zusammen. Fühlt sich der Empfänger durch den Kommunikator zu stark beeinflusst und in seiner Freiheit beschränkt, so führt dies zu einer ablehnenden Haltung.73 Die Bedeutung der Glaubwürdigkeit sinkt weiterhin mit zunehmendem Involvement des Empfängers. Die Attraktivität des Kommunikators erfasst dessen Vorbild-Charakter. Attraktivität wirkt sich generell positiv auf die Übernahme der gezeigten Einstellungen aus. Dieser Aspekt wird im Zuge der Erläuterungen zur sozialen Theorie des Lernens am Modell in Abschnitt C 2.2.2.2 noch einmal aufgegriffen. Bezüglich der Kommunikationsinhalte konnte eine Korrelation mit den folgenden Eigenschaften nachgewiesen werden: Verständlichkeit (positiv), Durchsichtigkeit hinsichtlich der verfolgten Absicht (negativ), Ein- / Zweiseitigkeit der Argumentation (positiv oder negativ)74, Härte / Aggressivität der Botschaft (negativ), Intensität der Furchtauslösung (vorrangig negativ) und Schlussfolgerungsgrad (vorrangig positiv). Für eine genauere Erläuterung der Zusammenhänge siehe bspw. (Bänsch 1989: 49 ff.). Zur Erklärung der Zusammenhänge zwischen Einstellung und Verhalten wird häufig die in Abschnitt C 2.2.1.1 vorgestellte Dissonanztheorie herangezogen. Obwohl, wie oben erläutert wurde, kein direkter Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten besteht, so ist der Mensch gemäss der Dissonanztheorie dennoch bestrebt, sein Verhalten und seine Einstellungen konsistent zu halten. Um Dissonanzen zu vermeiden präferiert er die Produkte, zu denen er durch Informationen oder Erfahrungen eine positive Einstellung entwickelt hat. Umgekehrt ist er bemüht, sein Verhalten durch eine positive Einstellung eventuell auch nachträglich zu rechtfertigen.75 Einstellungen beeinflussen weiterhin das Informationsaufnahme- und das Informationsverarbeitungsverhalten des Individuums. Nach dem Prinzip der selektiven Wahrnehmung und Verarbeitung werden vorrangig die Informationen wahrgenommen, die mit den eigenen Einstellungen übereinstimmen. Eine positive Einstellung zum Produkt verstärkt ausserdem die Zufriedenheit des Kunden und regt die Diffusion des Produktes durch Mund-zu-Mund-Propaganda an (Bänsch 1989: 61). Zusammenfassung Wie im vorangegangenen Abschnitt sollen abschliessend die wesentlichen Erkenntnisse noch einmal zusammengefasst werden: 73 Vgl hier auch die auf Brehm (1966) zurückgehende Reaktanztheorie 74 Bei Menschen mit höherem Bildungsniveau und einer negativen Ausgangseinstellung ist die zweiseitige Argumentation erfolgreicher, bei Menschen mit gegensätzlichen Eigenschaften, die einseitige Argumentation (s. z.B. (Triandis 1975: 278)). 75 Dies ist z.B. nach Spontankäufen zu beobachten; siehe dazu. z.B. (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 170 ff.). Design Patterns für digitale Produkte 87 • Positive Einstellungen fördern die positive Kaufentscheidung des Kunden, führen zu Zufriedenheit und regen somit eine positive Mund-zu-Mund Propaganda an. Weitere Einflüsse haben situative Faktoren sowie die sozial geprägte subjektive Norm. • Positive Einstellungen werden häufig auf bestimmte Eigenschaften des Produktes zurückgeführt. Diese müssen vor allem im Zuge der Überzeugungsphase kommuniziert werden. Einstellungen sind relativ stabile Konstrukte, die jedoch durch Kommunikation gebildet und somit auch verändert werden können. Der Grad der Beeinflussung des Individuums hängt von Persönlichkeitsfaktoren, von Charakteristika der kommunizierten Inhalte sowie vom Kommunikator ab. Bei letzterem spielt vor allem dessen Glaubwürdigkeit und Attraktivität eine Rolle. Diese Faktoren müssen bei der Gestaltung der Überzeugungsphase beachtet werden. Wie in Abschnitt C 2.2.2.2 weiter erläutert werden wird, ist interpersonelle Kommunikation innerhalb des sozialen Netzwerkes bei der Einstellungsänderung besonders effektiv, da dort die Anforderungen an eine effektive Kommunikation sowohl bzgl. der Kommunikatoren als auch bzgl. der Inhalte zumeist erfüllt werden. C 2.2.1.3 Wahrnehmung Unter Wahrnehmung versteht man den Prozess der Aufnahme und Selektion von Informationen sowie deren Organisation und Interpretation durch das Individuum (Bänsch 1989: 61). Im Zuge dieses Prozesses wird ein Bild von der Umwelt, dem Produkt und sich selbst konstruiert. Dieses Bild ist subjektiv, der Prozess selektiv und aktiv (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 266). Die Wahrnehmung hängt vom Wissen, den Einstellungen und den Motiven des Individuums ab. Selektiert werden primär die Eindrücke und Informationen, die den eigenen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen. Informationen, die diesen Selektionskriterien nicht entsprechen, werden ignoriert oder uminterpretiert (Bänsch 1989: 62).76 Die Wahrnehmung eines Produktes hängt vom Wissens- und Erkenntnisstand sowie vom Erfahrungsschatz des Kunden ab.77 Assoziationen mit bekannten Produkten oder Marken führen zu einer Übertragung von deren Beurteilung auf ein neues Produkt. Dies wird auch als Halo-Effekt bezeichnet (Forgas 1995: 61 ff.). Weiterhin vereinfachen sich Individuen die Beurteilung von Produkten häufig dadurch, dass sie lediglich Schlüsselinformation, wie den Preis oder den Markennamen, in die Beurteilung einbeziehen und davon Rückschlüsse auf die restlichen Eigenschaften des Produktes ziehen.78 76 Durch eine geeignete Strukturierung und Darstellung kann die Wahrnehmung des Kunden beein- flusst werden. Dabei sind insbesondere das Gesetz der Prägnanz und das Gesetz von Figur und Grund hervorzuheben. Für eine ausführliche Erläuterung s. (Rosenstiel & Ewald 1979). 77 Weiterhin spielt auch das soziale Umfeld eine Rolle. Diese Aspekte werden jedoch in Abschnitt C 2.2.2 erläutert. 78 Dieses Verhalten wird auch als „chunking“ bezeichnet (Miller 1956: 93). 88 Inhaltliche Grundlagen Von zentraler Bedeutung für die Erklärung des Konsumentenverhaltens ist das Prinzip des wahrgenommenen Risikos.79 Dieses Prinzip betrachtet das Kaufverhalten unter dem Aspekt der Risikoübernahme. „Das [...] wahrgenommene Risiko ist ein personen-, produkt-, zeitund situationsspezifisches kognitives Phänomen, d.h. es kann von Konsument zu Konsument, von Produkt zu Produkt in der Zeit und in verschiedenen Situationen jeweils unterschiedlich ausfallen“ (Nolte 1967: 225). Das wahrgenommene Risiko hängt somit von den Charakteristika des Kunden, insbesondere von dessen genereller Risikobereitschaft und seinem Selbstvertrauen, die beide negativ mit dem wahrgenommenen Risiko korreliert sind, sowie von den Merkmalen des Produktes ab. Zu nennen sind dabei insbesondere der Neuigkeitsgrad, die technische Kompliziertheit, die Komplexität der Angebotssituation / Konkurrenzlage, die Preishöhe und die Gefahr von Sozialbestrafung. Alle diese Produkteigenschaften verstärken tendenziell das wahrgenommene Risiko. Das wahrgenommene Risiko lässt sich auf die möglichen negativen Folgen eines Fehlkaufs, die Bedeutung dieser Folgen für das Individuum, sowie den subjektiven Erwartungswert der Eintrittswahrscheinlichkeit der negativen Folgen zurückführen (Wiechmann 1995: 174). Bei den möglichen Folgen kann man weiterhin z.B. zwischen ökonomischen, sozialen und psychischen Folgen unterscheiden (Behrens 1991: 52). Eine einheitliche Kategorisierung des Käuferrisikos findet sich jedoch in der Literatur nicht.80 Das Verhalten des Konsumenten zielt darauf ab, das wahrgenommene Risiko zu reduzieren. Dabei unterscheiden sich Individuen in ihrer generellen Risikobereitschaft. Zur Minimierung des wahrgenommenen Risikos haben sich verschiedene Strategien herausentwickelt (Wiechmann 1995: 176 ff.). Generell dienen diese dazu, entweder die negativen Folgen eines Produkterwerbs oder aber die Unsicherheit über deren Eintreten zu verringern. Die Unsicherheit kann u.a. durch Informationsbeschaffung reduziert werden: Ökonomische Risiken werden dabei vor allem durch Information unabhängiger Dritter gemildert, soziale Risiken durch den Austausch innerhalb resp. die Beobachtung der sozialen Referenzgruppe. Die am häufigsten angewandte Strategie zur Minimierung der Unsicherheit ist jedoch die Markentreue (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 393 ff.). Sie ist allerdings beim Erwerb von Neu-Produkten nur bedingt anwendbar.81 Zur Reduktion der negativen Folgen eignet sich: (1) der Kauf von Kleinmengen oder eine iterative Einführung des Produktes, (2) die Aushandlung von Rückgaberechten und Garantien und (3) eine Ausrichtung an Gütesiegeln. 79 Die Risikotheorie geht auf die Arbeiten von Bauer zurück (Bauer 1960). 80 Nolte (1967: 234) unterscheidet z.B. zwischen funktionalen und sozialpsychologischen Folgen, Meffert (1989: 119) zwischen finanziellem und funktionalem, gesundheitlichem, sozialem und psychischem Risiko. 81 Weiterhin wird häufig auch der Preis als Mass für Qualität herangezogen (Bänsch 1989: 66). Design Patterns für digitale Produkte 89 Zusammenfassung Im folgenden werden wie in den vorangegangenen Abschnitten die wesentlichen Erkenntnisse der Wahrnehmungsforschung in bezug auf die Gestaltung der Interaktionsprozesse zwischen Kunde und Produkt zusammengefasst: • Die Wahrnehmung (neuer) Produkte beruht auf dem bestehenden Wissensschatz und insbesondere den Erfahrungen: Dies ist bei der Produktgestaltung, aber vor allem bei der Kommunikation über das Produkt in der Awareness- und auch der Überzeugungsphase zu beachten. • Häufig werden lediglich Schlüsselinformationen wahrgenommen. Auch dies wirkt sich vorrangig auf das Design der Awarenessphase, aber auch auf die Darstellung des Produktes in der Überzeugungsphase, aus, bei der diese Schlüsselfaktoren dargestellt werden müssen. • Individuen betrachten ein Produkt häufig unter dem Aspekt des wahrgenommenen Risikos. Entsprechende Risikominderungsmassnahmen müssen im Zuge der Gestaltung der Abwicklungs-, Anwendungs-, und Kundenbetreuungsphase implementiert und innerhalb der Entscheidungsphase kommuniziert werden. C 2.2.1.4 Denken / Entscheidungsverhalten Das Entscheidungsverhalten steht im Zentrum des Interesses der Konsumentenverhaltensforschung. Eine Entscheidung kann dabei, abhängig von der Reizkonstellation, den Produkteigenschaften und der persönlichen Prädisposition, mit mehr oder weniger kognitivem Aufwand verbunden sein (Bänsch 1989: 68). Sozialer Druck sowie Zeitdruck wirken einer intensiven kognitiven Auseinandersetzung mit dem Produkt entgegen. Auch emotionale Reize können zu „unüberlegten“ Entscheidungen führen (vgl. (Weinberg 1981)). In bezug auf das Produkt konnte ein Zusammenhang mit den folgenden Eigenschaften festgestellt werden: Neuigkeitsgrad, Wert, Einkaufsfrequenz, sozialer Signalwert, Verwendungsdauer und Verwendungszweck. Nach Bänsch (1989: 71) besteht die Tendenz, „dass neuartige, teure, selten gekaufte und/oder auffällige Güter sowie langlebige Gebrauchsgüter und Geschenkartikel mit mehr Denkengagement gekauft werden als ihre jeweiligen Gegenpole.“ Die persönliche Prädisposition umfasst die Risikoneigung, die Neigung zu impulsiven Handlungen, das Informationsbedürfnis und das Involvement (die Ich-Beteiligung). Dabei führen eine geringe Risikoneigung, eine geringe Neigung zu impulsiven Handlungen, ein hohes Informationsbedürfnis und ein hohes Involvement mit dem Produkt(erwerb) zu kognitiv aufwendigen Entscheidungsprozessen. Die Entscheidungsprozesse werden häufig in vier Kategorien eingeteilt, die im folgenden jeweils kurz beschrieben werden (vgl. (Bänsch 1989: 73; Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 348 ff.)): 1. Extensive Kaufentscheidungsprozesse: Bei extensiven Kaufentscheidungen werden der Nutzen und die Kosten (Risiken) des Produktes nach individuellen Kriterien vergli- 90 Inhaltliche Grundlagen chen und einander gegenübergestellt. Der Nutzen wird dabei in der Regel auf bestimmte Produkteigenschaften zurückgeführt. Sowohl die Aufstellung der Beurteilungskriterien als auch deren Auswertung ist mit einem hohen persönlichen kognitiven Aufwand verbunden. Extensive Kaufentscheidungsprozesse erfolgen daher häufig im Zusammenhang mit dem Erwerb von Produkten mit hoher Ich-Beteiligung oder hohem Neuigkeitsgrad. 2. Begrenzte / vereinfachte Kaufentscheidungsprozesse: Vereinfachte Kaufentscheidungen erfolgen aufgrund von Schlüsselinformationen oder unter Anwendung heuristischer Verfahren. Dieses Entscheidungsverhalten tritt vor allem bei Low-Involvement Produkten in reizarmen Situationen auf. Man beachte weiterhin, dass allein schon die Beschränkungen der menschlichen Informationsverarbeitungskapazität zur Anwendung vereinfachter Entscheidungsprozesse führen. 3. Habitualisierte Kaufentscheidungen: Bei habitualisierten Kaufentscheidungen orientiert sich der Kunde an vergangenen positiven Kauferfahrungen. Neben seinen eigenen Erfahrungen kann er sich dabei auch auf die Erfahrungen anderer, insbesondere seiner sozialen Umgebung, stützen.82 Habitualisiertes Kaufverhalten zeigt sich vor allem beim Erwerb von problemlosen Gütern mit geringem Involvement. 4. Impulsive Kaufentscheidungen: Impulsive Kaufentscheidungen werden durch eine reizstarke Kaufsituation hervorgerufen. Der Kunde reagiert spontan auf bestimmte Reize am Verkaufsort, ohne zuvor Informationen einzuholen und zu verarbeiten. Man beachte, dass jedoch auch hier in der Nachkaufphase in der Regel kognitive Prozesse stattfinden, in denen der Kunde seinen (Spontan-) Kauf zu rechtfertigen versucht. Gelingt dies nicht, so führt dies bei Unzufriedenheit leicht zu einem Produkt- / Markenwechsel. Bei den vier Entscheidungsprozessen werden insbesondere die sozialen Einflussfaktoren noch wenig beachtet. Sie haben jedoch insbesondere beim Erwerb neuartiger oder auch sozial auffälliger Produkte einen grossen Einfluss auf das Verhalten des Individuums. Diese Aspekte werden in Abschnitt C 2.2.2 eingehend erläutert. Zusammenfassung Im folgenden werden die wesentlichen Erkenntnisse der Denk- und Entscheidungsforschung noch einmal kurz zusammengefasst: • In Abhängigkeit von der Reizkonstellation, den Produkteigenschaften und der persönlichen Prädisposition ist die Kaufentscheidung mit mehr oder weniger kognitivem Aufwand verbunden. • Bei kognitiv aufwendigeren Prozessen müssen dem Kunden in der Entscheidungsphase die entscheidungsrelevanten Informationen klar kommuniziert werden. 82 Dies wird auch als „Lernen am Modell“ bezeichnet und in Abschnitt C 2.2.2.2 ausführlich beschrie- ben. Design Patterns für digitale Produkte 91 • Spontankäufe können durch eine attraktive und zum Kauf animierende Präsentation der Angebote unterstützt werden. Dies ist bei der Gestaltung der Awareness- sowie der Entscheidungsphase zu beachten. • Die Sichtbarkeit des Verhaltens des sozialen Umfeldes kann insbesondere bei neuartigen und sozial auffälligen Produkten die Entscheidung unterstützen. Dies wirkt sich auf die Gestaltung des Produktes und insbesondere auf die Gestaltung der Vor- und Nachkaufprozesse aus, mit denen die Transparenz der sozialen Akzeptanz durch kommunikative Massnahmen erhöht werden sollte. C 2.2.1.5 Lerntheorien Lernen ist die Grundlage der Dynamik des Konsumentenverhaltens. In der Verhaltensforschung geht man davon aus, dass viele der das Konsumentenverhalten beeinflussenden Konstrukte, wie Einstellungen, Motive, soziale Haltungen etc. nur z.T. angeboren sind und stattdessen über die Zeit erlernt werden. Unter Lernen versteht man dabei „die Änderung in der Verhaltensweise oder den Verhaltensmöglichkeiten des Individuums über die Zeit“ (Bänsch 1989: 74). Beim Lernen wird generell zwischen (1) den Reiz-Reaktionstheorien, (2) den kognitiven Theorien und (3) den Theorien des sozialen Lernens unterschieden.83 Letztere sind nicht Gegenstand diesesAbschnittes. Sie werden als soziologische Ansätze ausführlich in Abschnitt C 2.2.2 erläutert. C 2.2.1.5.1 Reiz-Reaktionstheorien Die Reiz-Reaktionstheorien beruhen auf den Annahmen des Behaviorismus, wonach das Verhalten eines Menschen auf die direkte Reaktion auf äussere Reize zurückgeführt werden kann.84 Reiz-Reaktionstheorien beschäftigen sich somit mit dem Zustandekommen der Verbindungen zwischen Reizen und den gewohnheitsmässigen Reaktionen auf diese Reize. Weiterhin werden hier die Prinzipien der Generalisierung und der Reizdiskriminierung untersucht. Bei der Generalisierung geht man davon aus, dass auf ähnliche Reize auch ähnlich reagiert wird. Dies kann z.B. bei der Einführung eines (neuen) Produktes genutzt werden. Die Diskriminierung bezieht sich auf das Erlernen der Unterscheidung zweier Reize, z.B. der unterschiedlichen Wahrnehmung zweier Produkte. Die wesentlichen Vertreter der Reiz-Reaktionstheorien sind die Methoden der klassischen Konditionierung und die Methoden der operanden Konditionierung. Klassische Konditionierung: Die klassische Konditionierung, auch als Lernen nach dem Kontiguitätsprinzip bezeichnet (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 328 ff.), basiert auf der 83 siehe z B. (Behrens 1995: 1407 ff.; Hilgard & Bower 1973: 22 ff.; Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 324 ff.). 84 Der Behaviorismus geht insbesondere auf die Arbeiten von Skinner (1973) zurück. 92 Inhaltliche Grundlagen Konditionierung eines neutralen Reizes mit Hilfe bereits bestehender Reiz-Reaktions-Schemata. Dabei wird durch das räumlich und zeitlich gemeinsame Auftreten der beiden Reize auch der anfänglich unkonditionierte Reiz auf die Folgereaktion hin konditioniert.85 Diese Theorie geht auf die Arbeiten von Pavlov (1927) zurück. Operande Konditionierung:86 Im Gegensatz zur klassischen Konditionierung bedarf die operande Konditionierung, auch als Lernen nach dem Verstärkungsprinzip bezeichnet (KroeberRiehl & Weinberg 1996: 330 ff.), der aktiven Beteiligung des Lernenden. Das Lernen beruht dabei auf der wahrgenommenen Wirkung eines gezeigten (Problemlösungs-) Verhaltens. Positive (negative) Wirkungen werden als Belohnung (Bestrafung) empfunden und fördern (vermindern) die Wiederholung des erfolgreichen (erfolglosen) Verhaltens.87 Die Bewertung des Verhaltens kann dabei sowohl vom Individuum selbst als auch vom sozialen Umfeld vorgenommen werden.88 C 2.2.1.5.2 Kognitive Lerntheorien Das Erklärungspotential der einfachen Reiz-Reaktionstheorien ist beschränkt. Komplexes Lernen erfordert die kognitive Leistung des Menschen. Kognitive Lerntheorien gehen daher davon aus, dass das menschliche Verhalten durch die Anwendung des im Gedächtnis gespeicherten Wissens gesteuert wird, das dort in Form von Schemata (deklaratorisches Wissen) und Skripten (prozedurales Wissen) abgelegt ist (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 232 ff.; Kuss & Tomczak 2000: 23 ff.). Lernen erfordert die Einordnung neuer Sachverhalte in die gespeicherten Schemata (und Skripten) sowie die Erweiterung und gegebenenfalls Anpassung dieser Schemata (Lindsay & Norman 1981). Lernen fällt daher umso leichter, je kompatibler neue Eindrücke mit dem gespeicherten Wissen sind. Schemaveränderungen und –anpassungen erfordern eine hohe kognitive Leistung. Die Bereitschaft zu den damit verbunden geistigen Anstrengungen hängt wesentlich vom Involvement des Kunden ab. Weniger involviert Menschen lernen daher vorrangig durch die wiederholte Präsentation einfacherer und weniger radikaler Informationen und Sachverhalte. High-Involvement und Low-Involvement Lernen unterscheiden sich weiterhin in der Art der aufgenommenen Information. Engagierte Kunden sind vorrangig an sachlichen Informationen interessiert, die ihnen z.B. die Beurteilung des Produktes ermöglichen. Weniger involvierte Kunden nehmen derartige Informationen dagegen kaum wahr und werden stattdessen eher durch periphere Informationen, wie der Glaubwürdigkeit und der Attraktivität der Darstellung beeinflusst. 85 Die Rekationen haben dabei zumeist einen emotionalen Charakter und wirken auf diese Weise aktivierend. 86 Das Verstärkungsprinzip wurde bereits 1913 von Thorndike als Effektengesetz in die Lerntheorie eingeführt (s. auch (Thorndike 1969)). 87 Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass der Einsatz von Bestrafungen weniger effektiv ist als der Einsatz von Belohnungen (Skinner 1973: 70 ff.). 88 Bei letzterem spricht man auch von sozialem Lernen (Bandura 1977). Es wird in Abschnitt C 2.2.2.2 näher erläutert. Design Patterns für digitale Produkte 93 Besonders effektiv ist dabei der Einsatz von Bildern. Sie werden weitgehend automatisch aufgenommen und entziehen sich somit der kognitiven Kontrolle.89 Beim gespeicherten Wissen unterscheidet man zwischen aktivem und passivem Wissen. Passives Wissen wird lediglich wiedererkannt, aktives Wissen kann dagegen aktiv hervorgerufen und im Zuge von Entscheidungen eingesetzt werden.90 Durch eine geeignete Gestaltung des Produktes können diese passiven Wissensbestände aktiviert und dadurch insbesondere die Anwendung des Produktes erleichtert werden. C 2.2.1.5.3 Zusammenfassung Die wesentlichen Erkenntnisse der Lerntheorien werden im folgenden kurz zusammengefasst: • Das Verhalten des Menschen wird weitgehend durch seinen Wissensstand gesteuert. Dieser ist erlernt und kann somit durch geeignete Massnahmen beeinflusst werden. • Nach dem Prinzip der Generalisierung lösen ähnliche Reize ähnliche Reaktionen aus. Dies kann bei der Einführung eines neuen Produktes ausgenutzt werden. Dabei muss jedoch weiterhin gewährleistet werden, dass die Diskriminierung ähnlicher Produkte gewährleistet ist. Diese Faktoren stellen somit Anforderungen sowohl an die Gestaltung des Produktes als auch an die Kommunikation des Produktes in der Wissensresp. Awarenessphase. • Lernen geht mit der Einordnung und Anpassung der gespeicherten Wissensschemata einher. Die Konsistenz neuen Wissens mit bestehenden Wissensbeständen verringert den Lernaufwand. Dieser Aspekt ist somit bei der Gestaltung des Produktes (und der Erwerbsprozesse) sowie der Wissensvermittlung über das Produkt (und den Erwerbsprozess) zu beachten.91 • Passives Wissen kann durch Informationen, die mit dem Produkt mitgeliefert und angezeigt werden, hervorgerufen und aktiviert werden. Dies verringert die vom Nutzer geforderte Gedächtnisleistung. C 2.2.2 Soziologische Ansätze Der Mensch ist in ein Gemeinschaftswesen und als solches in ein soziales Umfeld eingebunden, das seine Motive, Einstellungen, Wahrnehmungen, sein Denken und sein Entscheidungsverhalten sowie auch seine Lernprozesse beeinflusst. Daher müssen bei der Erklärung des Konsumentenverhaltens die Auswirkungen dieser sozialen Einflüsse berücksichtigt werden. Im folgenden werden die drei zentralen Erklärungsmodelle, das (Referenz-) Grup89 Die gedankliche Entstehung, Verarbeitung und Speicherung innerer Bilder bezeichnet man als Imagery (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 344). 90 Man spricht hier auch vom aktiven „Recall“ und der passiven „Recognition“ von Wissen. 91 Norman (1998a: 188) fordert hier eine bestmögliche Übereinstimmung des konzeptuellen Modells des Produktes und des konzeptuellen Modells vom Produkt in den Köpfen der Anwender. 94 Inhaltliche Grundlagen penmodell, das Meinungsführerkonzept und die Diffusionstheorie, näher erläutert.92 Die wesentlichen Erkenntnisse für die Gestaltung der Interaktionsprozesse werden wiederum am Ende jedes Abschnittes kurz zusammengefasst. C 2.2.2.1 Gruppenforschung, Rollentheorie und Referenzgruppenmodell Das soziale Umfeld des Menschen ist in Gruppen eingeteilt, gegenüber denen sich der Einzelne positioniert, d.h. denen er (nicht) angehört oder (nicht) angehören möchte und die somit einen mehr oder weniger starken Einfluss auf ihn ausüben. Eine Gruppe ist definiert als „eine Mehrzahl von Personen, die in wiederholten und nicht nur zufälligen wechselseitigen Beziehungen zueinander stehen“ (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 433). Sie ist charakterisiert durch bestimmte Regeln resp. Normen und Rollenstrukturen, die den Bestand der Gruppe sichern sollen. Normen umfassen die „Auffassungen der Gruppenmitglieder, [die bestimmen,] wie das Verhalten der einzelnen Gruppenmitglieder in den einzelnen Situationen sein sollte“ (Bänsch 1989: 83).93 Rollen definieren dabei spezielle Verhaltensvorstellungen, die mit bestimmten Positionen innerhalb der Gruppe verbunden sind. Ihnen sind bestimmte Rechte und Pflichten zugeordnet, die von den Rollenträgern einzuhalten sind (vgl. (Sader 1969)). Die Durchsetzung der Konformität des Einzelnen mit der Normen- und Rollenstruktur einer Gruppe basiert zumeist auf einem System positiver und negativer Sanktionen. Unterschiedliche Erwartungen an eine Rolle innerhalb einer Gruppe oder auch an verschiedene Rollen in unterschiedlichen Gruppen, die von ein und derselben Person eingenommen werden, können zu Rollenkonflikten führen. Diese werden zumeist entweder durch ein Abwägen der mit der Zuwiderhandlung der sich widersprechenden Rollenerwartungen verbundenen Sanktionen oder aber durch Priorisierungen der Rollen und Erwartungen aufzulösen versucht. Gruppen können nach verschiedenen Kriterien kategorisiert werden: Nach der Art der interpersonalen Beziehungen differenziert man Primärgruppen von Sekundärgruppen, nach der Gruppenzugehörigkeit und ihrem Einfluss Mitgliedschaftsgruppen von Bezugsgruppen (Kruse 1972). Primärgruppen zeichnen sich durch ihre „geringe Grösse, engen Kontakt und ‚Wir-Gefühle’ als Ausdruck der psychologischen Nähe der Mitglieder und ihrer emotionalen Bindung“ aus (Bänsch 1989: 85). Die zentrale Primärgruppe ist die Familie. Bei Sekundärgruppen basiert die Gruppenzugehörigkeit vorrangig auf rationalen Gründen im Sinne gemeinsamer Ziele. Beispiele sind Parteien und Verbände. Mitgliedschaftsgruppen beruhen auf der formalen oder informalen Zugehörigkeit ihrer Mitglieder. Bezugsgruppen de- 92 Weiterhin hat auch das situative Umfeld sowie die kulturelle Einbettung des Menschen starke Aus- wirkungen auf das menschliche Verhalten. Die Betrachtung dieser weiterführenden Aspekte würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Für eine detaillierte Übersicht über diesbezügliche Forschungsansätze sei z.B. auf (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996) verwiesen. 93 In Anlehnung an (Homans 1972: 72) und (Mills 1969: 109). Design Patterns für digitale Produkte 95 finieren sich dagegen durch ihren Einfluss auf die Einstellungen und das Verhalten eines Individuum. Bezugsgruppen sind daher für diese Arbeit von zentraler Bedeutung.94 In bezug auf das Verhalten des Konsumenten haben Bezugsgruppen grundsätzlich zwei Funktionen: Sie dienen (1) als Vergleichsfunktion und bestimmen (2) die Normen, an die sich der Einzelne gebunden fühlt (Mann 1972: 65 ff.). Die Bezugsgruppe ermöglicht dem Individuum die Einschätzung und Rechtfertigung seiner eigenen Ziele und seines Verhaltens. Die Normen der Bezugsgruppe steuern dagegen sein Verhalten. Weiterhin unterscheidet man zwischen positiven und negativen Bezugsgruppen. Positive Bezugsgruppen dienen als Vorbilder. Der Einzelne strebt durch die Einhaltung der Gruppennormen eine Mitgliedschaft in diesen Gruppen an. Negative Bezugsgruppen dienen dagegen als Negativbeispiele, von denen sich der Einzelne durch sein Verhalten distanzieren möchte. Der Einfluss einer sozialen Gruppe auf das (Kauf-) Verhalten des Individuums hängt sowohl von den Charakteristika des Produktes als auch von der persönlichen Prädisposition des Individuums ab. Bei auffälligen Leistungen, deren Konsum von den Mitgliedern der Gruppe beobachtet werden kann, ist der Einfluss der Gruppe höher (Bourne 1972). Gleiches gilt für neuartige Produkte. Die Gruppe beeinflusst das Verhalten des Individuums, indem sie zum einen als Informationslieferant und auch –filter und zum anderen als Massstab des erwarteten Verhaltens dient. Dabei spielen bei vielen Produktentscheidungen die sozialen Risiken, die mit der Akzeptanz eines Produktes innerhalb der Gruppe verbunden sind, eine grössere Rolle als die ökonomischen Risiken. Bezüglich der persönlichen Prädisposition konnte vor allem ein Zusammenhang mit dem sozialen Status festgestellt werden. Dabei orientieren sich Individuen von geringerem sozialen Status prinzipiell stärker an ihren jeweiligen Bezugsgruppen, als dies bei Individuen mit höherem sozialen Status der Fall ist.95 Das Konstrukt der Bezugsgruppen wird dabei häufig über das enge Gruppenverständnis hinaus erweitert. Es umfasst weiterhin Einzelpersonen, soziale Kategorien (den sozialen Status) oder imaginäre Gruppen (Kroeber-Riehl & Weinberg 1996: 435). Zusammenfassung Die wesentlichen Erkenntnisse der Rollentheorie und der Referenzgruppenmodelle werden im folgenden kurz zusammengefasst: • Das menschliche Verhalten wird entscheidend durch die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen bestimmt. Der Einzelne ist bestrebt, sich konform zu der ihm zugeordneten Rolle sowie zu den Gruppennormen zu verhalten. Bei der Gestaltung neuer Produkte müssen diese Richtlinien für das menschliche Verhalten berücksichtigt werden. • Das Streben nach der Zugehörigkeit zu einer Gruppe kann jedoch auch genutzt werden, um den Einzelnen zur Nutzung eines Produktes zu motivieren: Die Anwendung 94 Man beachte, dass Bezugsgruppen nicht mit Mitgliedschaftsgruppen übereinstimmen müssen. 95 Wie wir in Abschnitt C 2.2.2.3 noch einmal aufzeigen werden, spielen hier zudem Persönlichkeits- merkmale, wie das Selbstvertrauen eine entscheidende Rolle. 96 Inhaltliche Grundlagen des Produktes kann innerhalb der Gruppe erwartet werden oder die Zugehörigkeit zur Gruppe resp. den sozialen Status innerhalb einer Gruppe ausdrücken. Die Ausbildung derartiger Assoziationen können durch Werbebotschaften, durch die Gestaltung des Produktes sowie insbesondere durch die Sichtbarkeit der Anwendung des Produktes innerhalb der Bezugsgruppe gefördert werden.96 C 2.2.2.2 Meinungsführerkonzepte, mehrstufige Kommunikation und soziales Lernen Im vorangegangenen Abschnitt wurde erläutert, wie das Verhalten von Individuen insbesondere durch seine Bezugsgruppe beeinflusst wird. Die einzelnen Mitglieder einer Gruppe unterscheiden sich in ihrem Einfluss auf die Meinungsbildung und Informationsverbreitung innerhalb der sozialen Gruppe. Diesbezüglich dominante Mitglieder haben den Rang von Meinungsführern. Sie nehmen eine Schlüsselposition innerhalb der Gruppe ein. Kennzeichnend für Meinungsführer sind ihr hoher Grad an sozialer Integration sowie das hohe Ansehen, das sie innerhalb der Gruppe geniessen (Bänsch 1989: 91). Meinungsführer übernehmen innerhalb der sozialen Gruppe die Informationsübermittlungsfunktion, die Verstärkerfunktion sowie die „Gate Keeper“ Funktion. Sie dienen somit als „Relais“, das Informationen an die Mitglieder der sozialen Gruppe weiterleitet. Durch die von ihnen vorgenommene „Filterung“ der Information kontrollieren sie weiterhin, mit welchen Themen sich die Gemeinschaft beschäftigt (vgl. bspw. (Nieschlag et al. 1994: 571)). Zudem beeinflussen sie die Wahrnehmung und die Wirkung neuer Informationen innerhalb der Gemeinschaft. Meinungsführer transformieren die Information in eine Sprache, die von den Gruppenmitgliedern verstanden wird und mit deren Normen und Werten übereinstimmt. Sie haben insbesondere durch ihre Anerkennung in der Gruppe einen besonderen Einfluss auf die Einstellungsbildung der Gruppenmitglieder. Dabei hat sich gezeigt, dass die Meinungsführerschaft zumeist themenbezogen ist. Ein Meinungsführer wird daher lediglich für bestimmte Themenstellungen als richtungsweisend angesehen (Katz 1973: 99 ff.). Die Wirkung von Meinungsführern beruht abgesehen von ihrer sozialen Anerkennung auf ihrer sozialen Integration in die Gruppe und somit ihrer geringen sozialen Distanz zu den anderen Gruppenmitgliedern. Man spricht hier auch von der Homophilie zwischen Meinungsführern und der Gruppe resp. den Gruppenmitgliedern. Homophilie misst dabei die Ähnlichkeit zweier Individuen in bezug auf deren Glaubenssätze, Werte, Sprache, etc. (Lazarsfeld & Merton 1964). Kommunikation tritt vor allem zwischen homophilen Partnern auf. Dies liegt darin begründet, dass die Kommunikation aufgrund des gemeinsamen Verständnisses effizienter abläuft.97 96 Weiterhin kann auch durch eine entsprechende Preis- und Produktpolitik das „Image“ des Produk- tes geformt werden. 97 Dabei handelt es sich um einen selbstverstärkenden Prozess, im Zuge dessen relativ geschlossene homophile (Kommunikations-) Gruppen gebildet werden. Design Patterns für digitale Produkte 97 Das Konstrukt der Meinungsführerschaft induziert einen zweistufigen Kommunikationsprozess, bei dem Informationen zunächst von den Meinungsführern aus externen Quellen aufgenommen werden, die dann von ihnen aus in die soziale Gruppe diffundieren. „Ideas often flow from radio and print to opinion leaders and from these to the less active sections of the population.“ (Lazarsfeld et al. 1944: 284) Dieses Kommunikationsmodell geht auf empirische Studien u.a. von Lazarsfeld zurück. Es löste das bis dato vorherrschende Modell der einstufigen Kommunikation durch Massenmedien, auch als „hypodermic needle model“ bezeichnet, ab (Katz & Lazarsfeld 1955). Empirische Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass das Modell eines strikt zweistufigen Kommunikationsprozesse ebenfalls nicht haltbar ist. Dies führte zu zahlreichen Erweiterungen des Konzeptes. Eines der bekanntesten Modelle ist das von Troldahl entwickelte Modell der „two cycle flow of communication”. Er unterscheidet dabei strikt zwischen Informationsfluss und Beeinflussung. Einfache Lernprozess können durch Massenmedien initiiert werden, während die Veränderung von Einstellungen und Verhaltensweisen einer Vermittlung durch Meinungsführer bedarf (Troldahl 1966). Darüberhinaus wurde festgestellt, dass es sich bei Kommunikation in der Regel nicht um einen richtungsstabilen (ein- oder) zweistufigen Prozess handelt, sondern um ein Kommunikationsgeflecht, bei dem sich Meinungsführer verschiedenen Grades untereinander sowie mit Gefolgsleuten austauschen (Wiswede 1978: 120 ff.). Kommunikation darf somit nicht als ein einfaches Aussenden von Informationen verstanden werden, sondern als interaktiver Prozess, im Zuge dessen das Wissen und die Einstellung aller Beteiligten angepasst werden. Weiterhin gibt es auch Individuen, die nicht oder nur schwach in soziale Gruppen eingebunden sind oder sich nicht von Meinungsführern beeinflussen lassen. Sie werden am ehesten durch Massenmedien oder direkte Vertreter der Produkte und Anbieter erreicht. Meinungsführern repräsentieren die Meinung ihres sozialen Umfeldes und nehmen dabei eine Vorbildfunktion ein. Die Mitglieder der Referenzgruppe orientieren sich an ihnen und imitieren ihr Verhalten. Diese Verhaltensanpassung wird als „soziales Lernen“ bezeichnet. Die zugehörige „Social Learning Theory“ ist ein sozialpsychologischer Ansatz, der Lernen nicht als individuellen kognitiven Prozess, sondern als einen sozialen Prozess betrachtet (Bandura 1977). Lernen beruht somit auf der Beobachtung anderer (der sozialen Bezugsgruppe resp. der Meinungsführer innerhalb der sozialen Bezugsgruppe). Dabei wird das Verhalten jedoch nicht exakt kopiert. Stattdessen extrahiert der Beobachter die für ihn essentiellen Komponenten des beobachteten Verhaltens und passt sie bei der Übernahme an seine eigenen Bedürfnisse an. Das Verhalten der Bezugspersonen oder –gruppen kann dabei auch über Massenmedien vermittelt werden. Die Wirkung des Imitationslernens kann generell auf zwei Wirkungsschemata zurückgeführt werden: (1) Zum einen erhofft sich das Individuum, durch die Imitation des Verhaltens einer bestimmten Bezugsperson dem von dieser repräsentierten Ideal näher zu kommen und somit mit diesem Vorbild „identisch“ zu werden. (2) Zum anderen verspricht sich das Individuum durch die Imitation des Verhaltens eine „Belohnung“. Sein Vorbild zeigt ihm den 98 Inhaltliche Grundlagen Weg zu erfolgreichem Handeln auf. Beide Wirkungsschemata beruhen somit darauf, dass das Verhalten des Vorbildes als Referenzwert angenommen und angestrebt wird. Zusammenfassung Die wesentlichen Erkenntnisse der soeben beschriebenen Konzepte werden im folgenden kurz zusammengefasst: • Die Wirkung von einstufiger Kommunikation ist beschränkt. Insbesondere die Ausbildung von Einstellungen beruht vorrangig auf der Kommunikation innerhalb der sozialen Gruppe. • Eine besondere Rolle nehmen Meinungsführer ein, die Informationen in die soziale Gruppe hineintragen und in eine Sprache übersetzen, die von den Mitgliedern verstanden wird. • Der Erfolg der Kommunikation ist positiv korreliert mit der Homophilie der Kommunikationspartner. Daher ist die Kommunikation innerhalb eines sozialen Netzwerkes besonders effizient. Diese Punkte sind vor allem bei der Gestaltung der Awarenessphase, Überzeugungsphase und der Entscheidungsphase zu beachten. Es sollte daher versucht werden, die interpersonelle Kommunikation innerhalb der Gruppe anzuregen. Der Aspekt der Homophilie sollte darüberhinaus bei der Gestaltung der Anwendungsphase und der Phase der Kundennachbetreuung beachtet werden. Dort können sich die Nutzer eines Produktes bei der Anwendung des Produktes gezielt unterstützen. • Lernen ist z.T. ein sozialer Prozess, bei dem das Verhalten anderer Mitglieder, insbesondere der Meinungsführer, imitiert wird. Die Sichtbarmachung des Verhaltens – angesehener – Vertreter der Community fördert somit die Übernahme des von diesen gezeigten Verhaltens und der zugehörigen Einstellungen. Auch dies ist bei der Gestaltung insbesondere der dem Kauf vor- und nachgelagerter Phasen zu beachten C 2.2.2.3 Diffusionstheorie – Innovator versus Imitator Die Diffusionstheorie interessiert sich für das Käuferverhalten in bezug auf die Einführung und Adoption von Neuprodukten und Innovationen. Diese Kaufsituationen sind aufgrund des Neuigkeitsgrades mit Unsicherheit und somit mit hohen ökonomischen, psychischen und sozialen Risiken verbunden (Rogers 1995: 6). Diffusion bezeichnet dabei den Prozess der Ausbreitung innovativer Ideen, Produkte etc. in einem sozialen System. „Diffusion is the process by which an innovation is communicated through certain channels over time among the members of a social system.“ (Rogers 1995: 5) Diffusion basiert nach dieser Definition auf kommunikativen Austauschbeziehungen. Dabei spielen die interpersonelle Kommunikation und das soeben eingeführte Prinzip der Meinungsführerschaft und der mehrstufigen Kommunikation eine entscheidende Rolle. Viele der in den vorangegangenen Abschnitten dargelegten Konzepte werden daher im Zuge der folgenden Ausführungen wieder aufgegriffen und in den Kontext des Diffusionsprozesses eingegliedert. Design Patterns für digitale Produkte 99 Beim Diffusionsprozess werden prinzipiell zwei verschiedene Typen von Menschen unterschieden: die Innovatoren und die Imitatoren. Die verschiedenen Diffusionsmodelle unterscheiden sich dabei in ihrem Verständnis der beiden Verhaltenstypen. Als die beiden wichtigsten Vertreter werden im folgenden das zeitbezogene Modell von Rogers (1995) und das verhaltensbezogene Modell von Bass (1969) betrachtet. Rogers teilt die Zielgruppe nach dem Zeitpunkt der Übernahme der Innovation, d.h. der Adoption, in fünf Gruppen ein: (1) die Innovatoren, (2) die frühen Anwender, (3) die frühe Mehrheit, (4) die späte Mehrheit und (5) die Unentschlossenen. Sie werden somit durch den Zeitpunkt der Übernahme einer Innovation bestimmt (Rogers 1995: 261 ff.). Gemäss dieser Aufteilung sind Meinungsführer jedoch nicht der Kategorie der Innovatoren, sondern derjenigen der frühen Anwender zuzuordnen. Diese sind im Gegensatz zu den sozial häufig eher isolierten Innovatoren stark in das soziale Umfeld integriert und teilen insbesondere die Werte und Vorstellungen ihres sozialen Umfeldes. Bass (1969) unterscheidet lediglich die beiden Typen Innovatoren und Imitatoren auf der Grundlage des von ihnen gezeigten Verhaltens. Innovatoren zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Verhalten kaum von ihrem sozialen Umfeld bestimmt wird. Im Gegensatz dazu richten sich Imitatoren sehr stark nach dem Verhalten ihrer Bezugsgruppen (repräsentiert durch Meinungsführer). „Innovators [...] decide to adopt an innovation independently of the decision of other individuals in a social system. Imitators […] are influenced in the timing of adoption by the decision of other members of the social system.” (Bass 1969: 216) Imitatorisches Verhalten kann somit prinzipiell zu jedem Zeitpunkt des Diffusionsprozesses auftreten.98 Im Folgenden wird das Verhalten von Imitatoren näher erläutert. Im Zentrum der Betrachtung stehen die Faktoren, die das imitatorische Verhalten beeinflussen sowie die Möglichkeiten zur kommunikativen Steuerung dieser Faktoren. Dabei wird das Begriffsverständnis von Bass zu Grunde gelegt. Imitatorisches Verhalten beruht grundsätzlich auf der Beobachtung des sozialen Umfeldes. Die zentralen Einflussgrössen sind dabei (1) die über soziale Kontakte vermittelte Information, (2) der verfügbare Erfahrungsfundus und (3) der durch die Bezugsgruppe ausgeübte Übernahmedruck (Pechtl 1991: 42): 1. Informationsübernahme: Während Innovatoren ihre Informationen vorrangig aus den Massenmedien oder durch direkte Kommunikation mit Vertretern der Anbieter, den sogenannten Change Agents, beziehen, informieren sich Imitatoren vorrangig durch interpersonelle Kommunikation innerhalb des sozialen Umfeldes. Bei den Kommunikationsinhalten kann unterschieden werden zwischen (1) persönlichen Erfahrungen, (2) Ratschlägen, die auch von Nicht-Adoptoren stammen können und (3) Produktneuigkeiten, die grundsätzlich auf die Existenz eines Produktes aufmerksam machen (Richins 1988: 33). 98 Für Weiterentwicklungen des Bass-Modells siehe (Pechtl 1991: 20 ff.). 100 Inhaltliche Grundlagen Diese Informationen, vor allem die der Kategorien (1) und (2), verringern die Unsicherheit bezüglich der Bedeutung und den Folgen eines Produktes. Je nach Vorzeichen der Information, d.h. einer positiven oder negativen Beurteilung, wirken sie sich fördernd oder hemmend auf die Adoptionsentscheidung der Imitatoren aus. Darüberhinaus liefert die hier übermittelte Information aber auch wertvolle Hinweise für die zielgerichtete Anwendung des Produktes und erleichtert somit die praktische Einführung der Innovation. Diese Informationen können über interpersonelle Kommunikation und je nach Art des Produktes durch Beobachtung des sozialen Umfeldes übermittelt werden. Weiterhin können sie jedoch auch indirekt durch Massenmedien oder Vertreter kommuniziert werden.99 2. Erfahrungsfundus: Der Erfahrungsfundus misst die Menge der Erfahrungen, die im sozialen Umfeld mit der Innovation bereits gemacht wurden. Erfahrungen dienen als Grundlage für Strategien zur Reduktion des mit der Einführung einer Innovation verbundenen Risikos. Wie bereits in Abschnitt C 2.2.1.3 erläutert wurde, kann hier grundsätzlich zwischen ökonomischem (sowie technischem), sozialem und psychischem Risiko unterschieden werden. In diesem Abschnitt wurden ebenfalls zentrale Strategien zur Verminderung des wahrgenommenen Risikos erläutert. Aufgrund des Neuigkeitsgrades des Produktes sind die Strategien der Markentreue und des gewohnheitsmässigen Verhaltens zumindest auf Produktebene nicht anwendbar. Wirksam sind jedoch die Strategien der Risikominderung basierend auf dem Ausprobieren des Produktes, Garantien oder einem kulanten Rückgaberecht sowie auf einer intensiven Informationssuche (s. Punkt 1). Weiterhin kann die sogenannte Strategie des „sinnvollen Wartens“ verfolgt werden. Gemäss dieser Strategie wartet das Individuum so lange mit der Übernahme eines Produktes, bis sich dessen Vorteilhaftigkeit durch eine breite Übernahme innerhalb des sozialen Umfeldes erwiesen hat (Rogers 1995: 171). Imitatoren unterscheiden sich dabei in der Toleranzschwelle bezüglich der von ihnen tolerierten Unsicherheit. Der Erfahrungsfundus, d.h. die Gesamtheit der im sozialen System gemachten Erfahrungen mit einem Produkt, verringert somit (mit zunehmender Verbreitung des Produktes) die mit der Übernahme eines Produktes verbundene Unsicherheit und erhöht somit die Glaubwürdigkeit der Erfahrungen. Der Erfahrungsfundus spiegelt sich direkt im Verbreitungsgrad des Produktes wider und kann somit durch interpersonelle Kommunikation, durch Massenmedien und bei beobachtbaren Produkten durch reine Beobachtung kommuniziert werden. 3. Übernahmedruck: Mit zunehmender Übernahme eines Produktes im sozialen Umfeld steigt der Übernahmedruck auf Imitatoren. Pechtl (1991: 53) unterscheidet dabei 99 Wie in Abschnitt C 2.2.1.2 erläutert wurde, hängt die Wirkung der Kommunikation mit der Glaub- würdigkeit und Attraktivität der Kommunikatoren zusammen. Design Patterns für digitale Produkte 101 zwischen dem ökonomischen und dem sozialen Druck auf das Individuum. Der ökonomische Druck ergibt sich durch die Gefahr einer Schwächung der eigenen Marktposition bei verzögerter Übernahme einer lukrativen Innovation. Ökonomischer Druck tritt vorrangig im Unternehmenskontext auf. Er ist somit für das hier betrachtete Segment der Endverbraucher weniger entscheidend. Dort spielt der soziale Druck die wesentliche Rolle. Der sich darin widerspiegelnde normative Einfluss der sozialen Gruppe kann weiter in den „value-expressive“ Einfluss und den „utilitarian“ Einfluss unterschieden werden (Bearden W.O. & Etzel 1982: 184): Der „value-expressive“ Einfluss beruht darauf, dass das Verhalten der Gruppe als erstrebenswertes Vorbild dient, dem das Individuum gleichkommen möchte. Der „utilitarian“ Einfluss basiert auf der Angst des Individuums vor einem Ausschluss aus der Gemeinschaft resp. vor einer geringen Akzeptanz innerhalb der sozialen Gruppe (vgl. auch Ausführungen in den Abschnitten C 2.2.2.1 und C 2.2.2.2). Eng mit dem sozialen Druck verbunden ist der Prestige-Wert eines Produktes. Er misst den subjektiven Wert eines Produktes innerhalb der Bezugsgruppe. Ein hoher Prestigewert erhöht somit die Adoptionsbereitschaft eines Imitators. Wie der Erfahrungsfundus spiegelt sich der Druck direkt im Verbreitungsgrad wider. Er kann daher durch interpersonelle Kommunikation, durch Beobachtung aber auch durch massenkommunikative Massnahmen verbreitet werden. Bei Innovatoren beruht die Adoption einer Innovation vorrangig auf der persönlichen Einschätzung des Produktes sowie – wenn möglich – den eigenen Erfahrungen mit dem Produkt. Dabei spielen insbesondere Kosten-Nutzen Abschätzungen sowie die wahrgenommenen ökonomischen und psychischen Risiken eine Rolle. Neben den Kosten für den Erwerb des Produktes entstehen ebenfalls Kosten für den Aufbau des notwendigen Konsumentenwissens (und insbesondere im Unternehmenskontext weiterhin für die Integration in die bestehende Problemlösungslandschaft). Das Entscheidungsverhalten entspricht somit vorrangig den in Abschnitt C 2.2.1.4 erläuterten extensiven Kaufentscheidungsprozessen. Innovatives und imitatives Verhalten lassen sich zumindest teilweise auf die soziodemographischen, psychographischen und situativen Eigenschaften des Individuums und der Kaufsituation zurückführen (Pechtl 1991: 85 ff.): Generell sind ein hohes Selbstvertrauen und eine hohe Risikobereitschaft positiv mit innovativem Verhalten korreliert. Ein hohes Involvement mit der Produktentscheidung verstärkt die Tendenz zu einem rationalen und somit eher innovativen Entscheidungsverhalten. Auch das Fachwissen erleichtert das Treffen persönlicher Entscheidungen und fördert somit innovatives Verhalten. Die soziale Stellung verringert den sozialen Gruppendruck und somit die Tendenz zu imitativem Verhalten. Schliesslich kann jedoch auch trotz einer positiven Einstellung gegenüber einem Produkt die Adoption durch situative Einflüsse, wie fehlende finanzielle Mittel (für den Erwerb des Produktes, aber auch für die Aneignung des benötigten Produktwissens), eine Adoption verhindern oder verzögern. Bei der Betrachtung des Adoptions- und Diffusionsprozesses wurde vorrangig das Entscheidungsverhalten, d.h. die Vorkaufsphase des Adoptionsprozesses betrachtet. Entscheidend für die auch langfristige Übernahme eines Produktes ist jedoch insbesondere die richtige 102 Inhaltliche Grundlagen Anwendung des Produktes. Dazu muss der Kunde über das nötige Konsumentenwissen verfügen (Witt 2001). Hier können die Erfahrungen anderer Kunden die Anwendung des Produktes erleichtern. Eine zentrale Wissensquelle bilden jedoch die Hersteller des Produktes resp. deren Vertreter. Sie verfügen im Gegensatz zu den meisten Anwendern über spezifisches Fachwissen. Sie sind weiterhin insbesondere zu Beginn des Adoptionsprozesses von Bedeutung, wenn noch wenig Erfahrungswissen vorliegt.100 Weiterhin kann auch das Produkt selbst Hinweise insbesondere über seinen Gebrauch geben und den Nutzern somit die Anwendung erleichtern. Digitale Medien und Produkte bieten weitreichende Möglichkeiten, die Anwendung zu unterstützen und die beiden Aspekte der Kommunikation über das Produkt und der Kommunikation durch das Produkt zu verknüpfen. Abschliessend soll daher noch auf diejenigen Eigenschaften des Produktes eingegangen werden, die sich auf den Adoptionsprozess des Produktes auswirken können. Dabei wird auch jedes Mal herausgestellt, ob sich die Eigenschaft primär auf innovatives oder imitatives Konsumentenverhalten auswirkt. Die folgende Einteilung geht dabei auf Rogers (1995: 204 ff.) zurück. Sie ist das Resultat der Analyse langjähriger Arbeiten in der Diffusionsforschung: • Relativer Vorteil: Der relative Vorteil einer Innovation misst den Nutzen, den ein Produkt für das Individuum relativ zu den eingesetzten Kosten und Risiken erbringt. Vorteile umfassen dabei neben ökonomischen Aspekten, wie Geld-, Zeit-, und Aufwandsersparnis, Faktoren wie die Bequemlichkeit, die Zufriedenheit, aber auch das mit einem Produkt verbundene soziale Prestige eines Produktes (Rogers 1995: 15).101 Der relative Nutzen ist insbesondere für das Verhalten von Innovatoren entscheidend. Aber auch für Imitatoren wirkt sich insbesondere der Prestigewert sowie das soziale Risiko auf ihr Adoptionsverhalten aus. • Kompatibilität: Die Kompatibilität bezieht sich auf die Übereinstimmung einer Innovation resp. eines Produktes mit den Werten, dem Wissen (insbesondere dem Problemlösungs- und Produktwissen) und den Bedürfnissen eines Individuums sowie – bei Imitatoren insbesondere – des sozialen Umfeldes. Die Kompatibilität mit den Werten und Normen ist Voraussetzung für die Akzeptanz des Produktes. Dabei spielen je nach Adoptionstyp die persönlichen Werte oder aber die Werte und Normen des sozialen Umfeldes eine entscheidendere Rolle. Die Kompatibilität mit bestehendem Wissen erleichtert es dem Adoptor, sich ein Bild von der Innovation und deren Bedeutung zu machen. Die Kompatibilität mit den Bedürfnissen wirkt sich auf den Nutzenfaktor des Produktes aus. Durch geeignete kommunikative Massnahmen können diese Bedürf100 Zur Bedeutung der sogenanten „Change Agents“, der Vertreter der Hersteller, siehe z.B. (Rogers 1995: 335 ff.). 101 Relevant sind neben dem zu erreichenden Nutzen und den damit verbundenen Risiken und Kosten auch die Zeitdauer bis zum Eintreten des Nutzens sowie die Wahrscheinlichkeit der Realisierung der Vorteile. Diese können vor allem bei präventiven Produkten zu Adoptionshemmnissen führen. Design Patterns für digitale Produkte 103 nisse geweckt oder verstärkt werden. Weiterhin sollte sich das Produkt ebenfalls einfach in die bestehende Problemlösungslandschaft eingliedern, um die Installationskosten gering zu halten.102 Die Kompatibilität des Produktes ist somit sowohl für Innovatoren als auch für Imitatoren entscheidend für die Adoption des Produktes. Dabei unterscheidet sich jedoch der jeweilige Referenzwert. Bei Innovatoren ist die Kompatibilität des Produktes mit dem Individuum, bei Imitatoren die Kompatibilität mit dem sozialen Umfeld entscheidend. • Komplexität: Die Komplexität bezieht sich auf die Kompatibilität eines Produktes mit dem bestehenden Wissensstand. Eine hohe Komplexität kann zur Ablehnung des Produktes führen, da dessen richtige Anwendung mit einem hohen Grad an Unsicherheit, hohen Risiken oder/und einem hohen Lernaufwand und somit hohen (initialen) Kosten verbunden ist. Weiterhin führt eine hohe Komplexität schnell zur fehlerhaften Anwendung und somit zur Unzufriedenheit des Nutzers sowie letztendlich zur nachträglichen Ablehnung des Produktes. Die Forderung nach der Reduktion der Komplexität stellt somit besondere Anforderungen an die Produktgestaltung und insbesondere an das Design der Schnittstelle. Sie muss lesbar und möglichst intuitiv verständlich sein. Ein kognitiver „Overload“ bei der Anwendung des Produktes resp. ein hoher initialer Lernaufwand kann weiterhin durch die schrittweise Einführung des Produktes vermieden werden. Informationen durch Change Agents oder auch die Erfahrungen von das Produkt bereits nutzenden Anwendern können die empfundene Komplexität reduzieren, den Lernaufwand verringern und den Lernprozess beschleunigen. Das Kriterium der Komplexität wirkt sich prinzipiell sowohl auf das Adoptionsverhalten der Innovatoren als auch auf das der Imitatoren aus. Innovatoren zeichnen sich jedoch tendenziell durch ein höheres Interesse am Neuprodukt, ein höheres Vorwissen und eine grössere Bereitschaft zur intensiven Auseinandersetzung mit dem Produkt aus. Die Komplexität hat somit tendenziell weniger Auswirkungen auf Innovatoren als auf Imitatoren. • Testbarkeit: Ein zentrales Hindernis bei der Adoption eines Produktes ist die damit verbundene Unsicherheit bezüglich des relativen Nutzens. Sie kann dadurch verringert werden, dass es dem potentiellen Anwender ermöglicht wird, das Produkt vor dem Erwerb zu testen oder aber zunächst mit einem beschränkten Leistungsumfang oder über einen limitierten Zeitraum und dadurch zu günstigeren Konditionen zu nutzen. Dies ist insbesondere in frühen Stadien des Adoptionsprozesses notwendig, in denen noch wenig Erfahrungen mit dem Produkt vorliegen. Die Testbarkeit unterstützt somit vor allem innovatives Käuferverhalten. • Beobachtbarkeit: Die Beobachtbarkeit eines Produktes wirkt sich vor allem auf die Imitatoren aus. Durch die sichtbare Verbreitung und Anwendung des Produktes wird 102 So war die Kompatibilität mit dem Festnetz eine Voraussetzung für die erfolgreiche Adoption der Mobiltelefonie. 104 Inhaltliche Grundlagen der (positive) Erfahrungsfundus transparent und der soziale Druck erhöht. Weiterhin kann durch die Beobachtung der Produktanwendung zumindest im beschränkten Masse bereits Information über die richtige Nutzung des Produktes verbreitet werden. Zusammenfassung Wie in den vorangegangenen Abschnitten werden auch hier die zentralen Erkenntnisse der Diffusionsforschung noch einmal kurz zusammengefasst: • Neuprodukte zeichnen sich durch einen hohen Grad an Unsicherheit mit dem noch unbekannten Produkt aus. Dem dadurch induzierten wahrgenommenen Risiko muss mit geeigneten Risikoverminderungsstrategien begegnet werden. Dies wirkt sich insbesondere auf die Gestaltung der Abwicklungs- und Anwendungsphase sowie auf das Design des Produktes selbst aus. Produkteigenschaften wie die Kompatibilität und der relative Nutzen unterstützen die rasche Ausbildung eines grundsätzlichen Verständnisses des Produktes sowie einer positiven Einstellung gegenüber dem Produkt. • Der Erwerb eines neuen Produktes bedarf der Aneignung neuen Konsumwissens. Durch die Minimierung der Komplexität des Produktes sollte dieser Aufwand möglichst minimiert werden. Dies stellt wiederum Anforderungen insbesondere an die „lesbare“ Gestaltung des Produktes sowie an das Design der Wissensphase in bezug auf die Vermittlung des benötigten Produktwissens. Weiterhin fördert die Testbarkeit des Produktes die rasche Adoption des Produktes, indem sie es dem potentielle Anwender ermöglicht, persönliche Erfahrungen mit dem Produkt zu machen und sich somit selbst von der Qualität des Produktes zu überzeugen. • Bei den potentiellen Adoptoren kann man zwei unterschiedliche Verhaltenstypen, die Innovatoren und die Imitatoren, unterscheiden: Imitatoren richten sich im Gegensatz zu den Innovatoren recht stark an ihrem sozialen Umfeld aus. Sie nutzen vorrangig Informationen aus ihrem sozialen Umfeld und lassen sich durch die Erwartungen ihres Umfeldes beeinflussen. Bei der Gestaltung der Interaktionsprozesse ist darauf zu achten, die Kommunikation und den Erfahrungsaustausch innerhalb der Bezugsgruppe zu fördern und sichtbar zu machen, um so das empfundene Risiko zu verringern und den sozialen Druck zu erhöhen. Dies fördert das imitative Konsumentenverhalten. Innovative Käufer werden vor allem durch das Aufzeigen des relativen Nutzens sowie durch die Reduktion der ökonomischen und psychischen Risiken zur Adoption motiviert. Dies ist somit bei der Gestaltung der Überzeugungs-, der Entscheidungsszene sowie der Szene der Kundennachbetreuung zu beachten. D Methodische Grundlagen Nachdem in Teil C die inhaltliche Grundlage der Arbeit gelegt wurde, wird diese im folgenden Teil D um die methodische Basis ergänzt. Als pragmatische und bereits in anderen Designdisziplinen etablierte Methode zur Unterstützung des Designprozesses soll in dieser Arbeit der Patternansatz genutzt werden. Dieser Ansatz definiert dabei nicht nur, wie Designwissen in Form von Patterns gespeichert und somit bewahrt werden kann, sondern auch wie diese Patterns zu erstellen, zu validieren und im Zuge des Designprozesses anzuwenden sind. Das folgende Kapitel D 1 führt ausführlich in alle Aspekte des Patternansatzes ein. Im Anschluss daran gibt Kapitel D 2 eine Übersicht über den State-of-the-Art in der Patternforschung. Dabei interessieren vor allem die Arbeiten der mit dem Design digitaler Produkte verwandten Disziplinen des Designs der Human Computer Interactions (HCI), des Designs von Hypermedia-Applikationen sowie des Designs von Electronic Commerce-Applikationen. Ziel dieses Kapitels ist es, die eigene Arbeit in die Patternforschung einzuordnen und die bestehenden Defizite in bezug auf das Design digitaler Produkte herauszuarbeiten, denen mit der in dieser Arbeit zu entwickelnden Patternsprache begegnet wird. Der Patternansatz gibt lediglich einen Rahmen für die Herleitung, die Beschreibung und den systematischen Einsatz von Designwissen. Der Designgegenstand sowie die Mittel zur Beschreibung des Designs werden jedoch noch nicht festgelegt. Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum, verstanden als Design der Interaktionsräumen, in denen Kunde und Produkt miteinander interagieren (s. Kapitel B 6). Für die Modellierung von digitalen Interaktionsräume wurden am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement die Modelle von Medien sowie deren Operationalisierung in Form der Theatermetapher entwickelt. Die Darlegung dieser Modelle beschliesst daher mit Kapitel D 3 den methodischen Grundlagenteil dieser Arbeit. D 1 Patternansatz In diesem Kapitel werden die Prinzipien des Patternansatzes eingeführt und damit die Grundlage für die Entwicklung der Patternsprache für digitale Produkte gelegt. Im einführenden Abschnitt werden zunächst die zentralen Begrifflichkeiten definiert sowie die konstituierenden Prozesse des Aufbaus, des Einsatzes und der Validierung von Patternsystemen erläutert. Eine Analyse der mit dem Patternansatz verfolgten Ziele ist Gegenstand des darauffolgenden Unterkapitels. Anschliessend werden alternative Möglichkeiten der Repräsentation von Designwissen diskutiert und dem Patternansatz gegenübergestellt. D 1.1 Design Patterns und Design Patternsprachen Ein Pattern ist eine Art Lösungsmuster, das für ähnliche bzw. sich wiederholende Designprobleme Lösungsansätze bietet. In diesem Abschnitt wird das in dieser Arbeit zugrundegelegte Verständnis von Patterns und Patternsystemen festgelegt sowie die Prozesse der Anwendung, Erstellung und Evaluierung von Patternsprachen erläutert. 105 106 Methodische Grundlagen D 1.1.1 Patterndefinition Patternsysteme werden mittlerweile in verschiedensten Designdisziplinen entwickelt. Prominente Vertreter sind die Architektur, das klassische Software Engineering sowie die Mensch-Maschine-Interaktionsforschung (Human Computer Interaction HCI). Es finden sich somit eine Vielzahl verschiedener Patterndefinitionen, die jeweils unterschiedliche Aspekte hervorheben. Die folgende Tabelle D 1-1 gibt eine Literaturübersicht über zentrale Definitionen von Patterns aus verschiedenen Disziplinen: (Alexander et al. 1977: „Each pattern describes a problem which occurs over and over again in our xs) environment and then describes the core of the solution to that problem, in such a way that you can use this solution a million times over without ever (Architektur) doing it the same way twice.” (Alexander 1979: 247) (Architektur) “As an element in the world, each pattern is a relationship between a certain context, a certain system of forces which occurs repeatedly in that context, and a certain spatial configuration which allows these forces to resolve themselves. As an element of language, a pattern is an instruction, which shows how this spatial configuration can be used, over and over again, to resolve the given system of forces, whenever the context makes it relevant.” (Tidwell 1999) (HCI) (Borchers 2000a: 7) (HCI) (Gamma et al. 1995: xi) (Software Engineering) „A pattern describes possible good solutions to a common design problem within a certain context, by describing the invariant qualities of all those solutions.“ “Put simply, a design pattern is a structured textual and graphical description of a proven solution to a recurring design problem.” “Design patterns capture solutions that have developed and evolved over time. Hence they aren’t the designs people tend to generate initially. They reflect untold redesign and recoding as developers have struggled for greater reuse and flexibility in their software. Design patterns capture these solutions in a succinct and easily applied form.” (Riehle & Züllighoven “A pattern is the abstraction from a concrete form which keeps recurring in 1996) specific non-arbitrary contexts.” (Software Engineering) (Appleton 2001) “A pattern is a named nugget of instructive information that captures the (Software Engineering) essential structure and insight of a successful family of proven solutions to a recurring problem that arises within a certain context and system of forces.” (Gabriel 2001) “Each pattern is a three-part rule, which expresses a relation between a certain context, a certain system of forces which occurs repeatedly in that context, and a certain software configuration which allows these forces to resolve themselves.” (Software Engineering) (Coplien 1994) (Software Engineering) “I like to relate this definition to dress patterns. I could tell you how to make a dress by specifying the route of a scissors through a piece of cloth in terms of angles and lengths of cut. Or, I could give you a pattern. Reading the specification, you would have no idea what was being built or if you Design Patterns für digitale Produkte 107 had built the right thing when you were finished. The pattern foreshadows the product: it is the rule for making the thing, but it is also, in many respects, the thing itself.” Tabelle D 1-1: Literaturübersicht über Patterndefinitionen Die wesentlichen Charakteristika von Patterns werden durch die erste Definition von Alexander erfasst. Sie beschreibt den Kern eines Patterns, der von den anderen Definitionen weiter detailliert wird: Definition: Patterns beschreiben wiederkehrende Designprobleme sowie den Kern ihrer Lösungen. Essentiell für die Güte eines Patterns ist die Art der Lösungsbeschreibung. Sie ist zum einen konstruktiv, d.h. Patterns liefern Instruktionen zur Lösung einer Problemsituation. Zum anderen sind die Lösungen auf einem Abstraktionsniveau verfasst, das eine breite Anwendung in verschiedensten Anwendungsfällen ermöglicht. Patterns erfassen dabei den stabilen Kern der Lösung. Sie sind somit über die Zeit hinweg gültig und weitestgehend invariant gegenüber neuen Möglichkeiten der jeweiligen Designdisziplin. Alexander et al. (1977) sprechen hier vom „Core of the solution“, Tidwell (1999) von „invariing qualitities of the solution“ und Appleton (2001) sehr bildlich von „nuggets of instructive information“. Die weiteren Definitionen konkretisieren die Ursachen des Designproblems sowie die Mittel zu deren Lösung. Ein Designproblem beruht darauf, dass sich in gewissen typischen Situationen, d.h. Kontexten, sich widerstrebende Kräfte entgegenstehen. Die Lösung besteht darin, mit Hilfe der in der jeweiligen Designdisziplin zur Verfügung stehenden Werkzeuge die Situation so zu gestalten, dass diese Kräfte optimal ausgeglichen werden. In der Architektur ist dies die räumliche Gestaltung von Gebäuden, im objektorientierten Software Engineering die Struktur der Klassensysteme. Ein Design Pattern ist somit eine Relation zwischen dem Kontext, dem System sich widerstrebender Kräfte und der Lösung mit den Mitteln der jeweiligen Designdisziplin. Obige Definition lautet, ergänzt um die beiden Aspekte der Beschreibung des Problems sowie der Mittel zur Lösung des Problems, somit folgendermassen: Definition: Pattern beschreiben wiederkehrende Designprobleme und den Kern ihrer Problemlösung. Das Designproblem beruht auf in bestimmten Kontexten auftretenden Systemen sich widerstrebender Kräfte. Die Lösung nutzt die Gestaltungsmöglichkeiten der jeweiligen Designdisziplin, um das sich widerstrebende Kräftesystem optimal auszubalancieren. Insbesondere die Patterndefinitionen aus dem Bereich des Software Engineerings betonen, dass es sich bei den Lösungen um Abstraktionen erfolgreicher Systeme handelt (s. auch Abschnitt D 2.2) und somit um Lösungen, die sich bereits in der Designpraxis bewährt haben. D 1.1.2 Patternstruktur Die generelle Struktur eines Patterns lässt sich direkt aus der soeben erfolgten Definition der Patterns ableiten. Alexander sagt dazu: „Every pattern we define must be formulated in the form of a rule which establishes a relationship between a context, a system of forces which arises in that context and a configuration, which allows these forces to resolve themselves in that context.“(Alexander 1979: 253) 108 Methodische Grundlagen Weiterhin empfiehlt er die Illustration der Lösung durch eine handschriftliche Skizze. Verschiedene Patternsysteme unterscheiden sich dann in der genauen Strukturierung der Patterns. In dieser Arbeit greifen wir auf die ursprüngliche Form von Christopher Alexander zurück (Alexandrian form). Die anderen Patternsysteme ergänzen diese z.T. um weitere Elemente.103 Alexander beschreibt ein Pattern mit den folgenden neun Elementen: 1. Namen des Patterns: Der Name soll die wesentlichen Aspekte der Lösung erfassen und dabei so kurz sein, dass er sich schnell einprägen lässt. 2. Ranking der Validität: Das Ranking verdeutlicht, wie sicher sich der Autor über die Validität des Patterns, d.h. der darin präsentierten Lösung, ist. 3. Illustration: Die Illustration erfasst eine möglichst bildliche Darstellung einer erfolgreichen Anwendung zur Illustration der Lösung sowie der Problemsituation. 4. Kontext: Der Kontext beschreibt die Situation, in der ein Problem auftritt. Hier werden die Vorbedingungen beschrieben, die für die Anwendung eines Patterns erfüllt sein müssen. 5. Kurze Problembeschreibung: Sie umreisst in kurzen Worten das durch das Pattern zu lösende Problem und somit das Ziel des Patterns. 6. Ausführlichere Problembeschreibung mit dem System sich widerstrebender Kräfte und wenn möglich einer empirischen Belegung für das Auftreten des Problems: Die Kräfte beruhen auf den sich widerstrebenden Bedürfnissen der Anwender. Beim HCI betrifft dies die Aspekte der Anwendbarkeit, beim Software Engineering vorrangig Aspekte der Wiederverwendbarkeit und der Flexibilität der Lösung. 7. Lösung: Dieser zentrale Teil beschreibt die Lösung des Problems mit den Mitteln der jeweiligen Designdisziplin. 8. Diagram: Eine graphische Beschreibung der wesentlichen Aspekte der Lösung. Um die Verständlichkeit dieser Darstellung auch für fachfremde Stakeholder zu erleichtern, sollte sie in einer möglichst wenig formalen Art und Weise, idealerweise in Form einer handschriftlichen Skizze, dargestellt werden. 9. Verwandte Patterns: Patterns sind Teil eines Patternsystems oder idealerweise einer Patternsprache (s. Abschnitt D 1.1.3). In Kombination mit anderen Patterns ermöglichen sie die Lösung komplexerer Probleme. Ihre Lösung selbst induziert dann in der Regel ebenfalls wieder die Anwendung spezifischerer Patterns. Diese Komponente umfasst diese Verbindungen zu anderen Patterns. Im Bereich des Software Engineerings werden diese Lösungsmuster um Hinweise zur konkreten Implementierung ergänzt. Weiterhin ist hier die Lösungsbeschreibung stärker forma- 103 Diese Erweiterungen werden bei der jeweiligen Beschreibung der Patternsprachen in Abschnitt D 2 näher erläutert und motiviert. Design Patterns für digitale Produkte 109 lisiert. Sie verwendet semiformale Beschreibungsmodelle, wie Klassendiagramme und Kollaborationsdiagramme (s. Abschnitt D 2.2). Weiterhin wird in einem weiteren Beschreibungselement, „Rational“, die Lösung begründet, d.h. aufgezeigt, wie diese das System sich widerstrebender Kräfte ausgleicht.104 D 1.1.3 Patternkataloge, Patternsysteme und Patternsprachen Ein einzelnes Pattern bildet lediglich einen Teil eines zusammenhängenden Systems. Man unterscheidet hier genauer zwischen Patternsprachen, Patternsystemen und Patternkatalogen. Diese Begrifflichkeiten werden in diesem Abschnitt erklärt. Die folgende Tabelle D 1-2 gibt zunächst eine kurze Übersicht über ausgewählte Definitionen von Patternsprachen in der Fachliteratur. (Alexander 1979) (Architektur) “Thus as in the case of natural languages, the pattern language is generative. It not only tells us the rules of arrangement, but shows us how to construct arrangements – as many as we want – which satisfy the rules.” (S. 186) “A pattern language gives each person who uses it, the power to create an infinite variety of new and unique buildings, just as his ordinary language gives him the power to create an infinite variety of sentences.” (S. 167) “The structure of the language is created by the network of connections among individual patterns: and the language lives, or not, as a totality, to the degree these patterns form a whole.” (S. 305) “Each pattern then, depends both on the smaller patterns it contains and on the larger patterns within which it is contained.” (S. 312) “The language is a good one, capable of making something whole, when it is morphologically and functionally complete.” (S. 316) (Borchers 2000a: 7) (HCI) (Coplien 2001) (Software Engineering) (Coplien 1994) (Software Engineering) “A pattern language is a hierarchy of design patterns ordered by their scope. High-level patterns address large-scale design issues and reference lower-level patterns to describe their solution.” “A Pattern Language defines a collection of patterns and the rules to combine them into an architectural style. Pattern languages describe software frameworks of families of related systems.” “A pattern language is a structured collection of patterns that build on each other to transform needs and constraints into an architecture.” “Good pattern languages guide the designer toward useful architectures and away from architectures whose literary analogies are gibberish or un- 104 Appleton (2001) betont hier, dass Patterns eine Position zwischen Theorie und Praxis einnehmen. Sie beschreiben in der Praxis bewährte Lösungen, die jedoch mit theoretischen Konzepten erklärt werden können: „ A pattern is where theory and practice meet to reinforce and complement one another, by showing that the structure it describes is useful, useable, and used!“ 110 Methodische Grundlagen artful writing. Good architectures are durable, functional, and aesthetically pleasing, and a good combination of patterns can balance the forces on a system to strive towards these three goals. A good pattern language gives designers freedom to express themselves and to tailor the solution to the particular needs of the context where the patterns are applied.” Tabelle D 1-2: Literaturübersicht über Definitionen von Patternsprachen Gemäss der ursprünglichen Intention von Christopher Alexander (1979) bildet die Menge der entwickelten Patterns eine Sprache. Dies bedeutet, dass sich die Patterns synergetisch zur Lösung komplexerer Probleme ergänzen. Zwischen den Patterns bestehen Beziehungen, die dieses Zusammenspiel regeln. Dabei handelt es sich zumeist um Verfeinerungs- und Komplementaritätsrelationen: Patterns verweisen in ihrer „verwandte Patterns“ Sektion auf spezifischere Patterns, die gemeinsam bei der Umsetzung der Lösung des übergeordneten Patterns eingesetzt werden sollen. Andererseits gliedert sich jedes Pattern auch selbst in den Kontext eines übergeordneten Patterns ein. Somit bilden die Patterns eine Hierarchie aus Patterns unterschiedlicher Reichweite und Spezifität. Die Anwendung eines Patterns bewirkt die Entstehung eines neuen Kontextes, der die Anwendung spezifischerer Patterns auslöst. Idealerweise sind die Patternsprachen vollständig, d.h. sie ermöglichen eine vollständige Herleitung von Gesamtsystemen und erfassen alle möglichen Beziehungen zwischen den Patterns. Die „Instanziierung“, d.h. die von einem Pattern abgeleitete Lösung, hängt mit den Lösungen aller „verwandten“ Patterns zusammen, seien diese abstrakter oder spezifischer. Die Patternsprache bildet somit eine Gestalt, in der die zusammenhängenden Patterns miteinander kollaborieren um ein gemeinsames übergeordnetes Problem zu lösen. Sie ist ein Ökosystem aus miteinander verbundenen Patterns, die gemeinsam eine organische Ordnung erzeugen. Diese Ordnung beschreibt Alexander (1988) als „the kind of order that is achieved when there is a perfect balance between the needs of the parts and the needs of the whole.“ Patternsprachen stehen Patternkatalogen und Patternsystemen gegenüber. Diese Unterscheidung geht auf Buschmann et al. (1996) zurück. Patternkataloge sind einfache Sammlungen verwandter Patterns. Zumeist werden ihre Patterns in verschiedene Kategorien eingeteilt und gewisse Beziehungen zwischen den Patterns aufgezeigt. Diese Beziehungen beruhen in der Regel auf der Ähnlichkeit oder der Komplementarität der jeweiligen Patterns. Die Patterns ergänzen sich jedoch nicht direkt zur Lösung komplexerer Probleme und sind weiterhin nicht auf die Erreichung eines übergeordneten Zieles ausgerichtet. Ein gutes Beispiel für einen Patternkatalog sind die Design Patterns der „Gang of Four“ (GoF) (Gamma et al. 1995) im Bereich des Software Engineerings (s. Abschnitt D 2.2). Patternsysteme umfassen dagegen eine Menge von Patterns auf verschiedenen Abstraktionsstufen, welche die Ableitung vollständiger Systemarchitekturen ermöglichen. Die Beziehungen zwischen den Patterns beschreiben, wie sich durch die Kombination der Patterns Lösungen komplexerer Probleme konstruieren lassen. Patternsysteme unterscheiden sich von Patternsprachen durch die fehlende Vollständigkeit sowie die fehlende Ausrichtung auf ein übergeordnetes Ziel. Patternsprachen weisen durch die Kohärenz der Ziele der einzelnen Patterns eine innere Geschlossenheit auf, die bei Patternsystemen nicht gegeben ist. Die Design Patterns für digitale Produkte 111 Übergänge zwischen Patternsystemen und Patternsprachen sind jedoch fliessend. In der Regel entwickeln sich dabei Patternsprachen sukzessive aus Patternsystemen und diese wiederum aus Patternkatalogen. Die meisten existierenden Pattern-“Sprachen“ genügen nicht den soeben konstatierten Anforderungen an eine Patternsprache. Ein prominentes Beispiel sind wiederum die Design Patterns der GoF (Gamma et al. 1995). Auch Patternsysteme finden sich eher selten. Eines der bekannten und vollständigsten Patternsysteme sind die HCI Patterns „Common Ground“ von Jennifer Tidwell (1998) (s. Abschnitt D 2.3.1). D 1.1.4 Quality without a name Alexander geht davon aus, dass es ein objektives Mass für ästhetische Schönheit mit einem universellen Geltungsbereich gibt. Schönheit und Ästhetik sind somit mit bestimmten zeitlosen Attributen und Eigenschaften verbunden, die von allen Menschen unabhängig von deren kultureller Herkunft geteilt werden. Diese Eigenschaften ergänzen sich zu einer Quality without a name (QWAN), der Qualität, die einer Struktur nichtkommunizierbare Schönheit und einen unermesslichen Wert verleiht. Patternsprachen sind auf die Erreichung dieser QWAN ausgerichtet. In der Architektur umfasst QWAN die folgenden Aspekte (Alexander et al. 1977): Universelle, erkennbare ästhetische Schönheit und Ordnung, rekursiv ineinander geschachtelte Symmetriezentren, Lebendigkeit und Vollständigkeit, Anpassbarkeit und Dauerhaftigkeit, menschliche Zufriedenheit und emotionale und kognitive Resonanz. Die Vorstellung von einer QWAN lässt sich auch auf andere Designdisziplinen übertragen. So haben verschiedene Autoren versucht, eine QWAN für den Bereich des Software Engineerings zu definieren. Nach Beedle (1997) ist QWAN erreicht, wenn die Patternsprache die Gestaltung einer lebendigen Architektur ermöglicht, die sich dynamisch an sich ändernde Bedürfnisse anpassen lässt. Lea (1994) erweitert dieses Verständnis um den Aspekt der positiven Auswirkungen der Software-Architektur auf deren „Bewohner“. Ist QWAN erreicht, so erhöht sich damit deren Lebensqualität und Zufriedenheit. Die „Bewohner“ umfassen im Bereich des Software Engineerings häufig die Designer selbst und weniger die Nutzer der Software. Im HCI ist die QWAN wieder verstärkt auf die Erreichung eines positiven Erlebnisses des Anwenders beim Umgang mit der Software ausgerichtet: „... one is looking for a way to create a genuinely good experience for people, via their built environment“ (Tidwell 1999). Nach Borchers (2000a: 28) kann dieses positive Erlebnis und somit die QWAN im HCI auf die Anforderungen nach Transparenz und Lesbarkeit des Software-Artefakts zurückgeführt werden. Generell stehen bei der Definition der QWAN sowohl in der Architektur als auch im HCI Design die Bedürfnisse der Anwender im Mittelpunkt, beim Software Engineering grundsätzlich eher die der Designer selbst. 112 Methodische Grundlagen D 1.1.5 Prozess der Anwendung: Piecemeal Growth Die Anwendung der Patterns erfolgt nach dem Prinzip des „piecemeal growth“, ebenfalls eingeführt von Christopher Alexander (Alexander et al. 1977). Danach wird ein Problem durch die sukzessive Anwendung der Lösungspatterns entlang der Patternhierarchie gelöst. Die Instanziierung eines Patterns generiert dabei einen Kontext, der wiederum mit dem initialen Kontext verschiedener spezifischerer Patterns übereinstimmt und somit deren Anwendung aktiviert. Dies bewirkt wiederum die Erzeugung initialer Kontexte weiterer Patterns. Auf diese Weise wird sukzessive die Gestalt des Gesamtsystems abgeleitet.105 Alexander betont, dass es sich bei diesem Prozess um einen dynamischen und iterativen Prozess handelt (Alexander et al. 1988). Einzelne Teile werden kontinuierlich an sich verändernde Umweltsituationen angepasst. Dies bewirkt eine Änderung der Kontexte, was eine erneute Anwendung der betroffenen Patterns und somit die dynamische Adaption des Gesamtsystems nach sich zieht. „According to the piecemeal point of view, every environment is changing and growing all the time, in order to keep its use in balance; and the quality of the environment is a kind of semi-stable equilibrium in the flux of time .“ (Alexander et al. 1988) D 1.1.6 Ableitung und Validierung von Patterns Patterns spiegeln Lösungen von Designsituationen wider, die sich in der Praxis bewährt haben. Sie beruhen somit auf eigenen Erfahrungen oder auf den Erfahrungen anderer. Validiert werden sie durch die wiederholte erfolgreiche Anwendung in verschiedenen Kontexten (siehe z.B. (Appleton 2001; Borchers 2000a; Gamma et al. 1995)) Erfolg wird an den zu erreichenden Zielen gemessen, d.h. der Erreichung der QWAN (s. Abschnitt D 1.1.4). In der Architektur ist das Ziel die Zufriedenheit der Bewohner, in der HCI das positive Erlebnis der Anwender bei der Nutzung des Systems und beim Software Engineering die Flexibilität und Wiederverwendbarkeit der entstehenden Software. Meistens werden die Patterns weiterhin einem Reviewprozess durch andere Experten unterzogen (Borchers 2000a). Dieser Prozess erfolgt oftmals über die Diskussion der Patterns innerhalb der Community, z.B. mittels Mailinglisten oder auf Konferenzen. Sehr gut etabliert ist dieser Prozess vor allem innerhalb der Software Engineering Community, in denen sich eigene Konferenzreihen zur Pflege des Patternwissens etabliert haben (Pattern Languages of Programs PLoP). D 1.2 Warum Design Patterns? Nach der allgemeinen Einführung von Patterns und Patternsystemen wird in diesem Abschnitt die Zielsetzung des Einsatzes von Design Patterns diskutiert. Die folgende Tabelle D 105 Diese Vorgehensweise entspricht dem etablierten Spiralmodell des Software Engineerings, wel- ches das rigide Wasserfallsmodell abgelöst hat (Fairley 1985: 38). Design Patterns für digitale Produkte 113 1-3 gibt eine Literaturübersicht über die generellen Einsatzmöglichkeiten von Patternsystemen. Die wesentlichen Aspekte sind dabei in den Zitaten hervorgehoben. (Appleton 2001) “So while the ability to codify patterns as generic software components may (Software Engineering) be important, even more important is the knowledge of how / when to apply and combine patterns, in conjunction with the ability to use a shared vocabulary of pattern names to communicate the nuggets of insights they represent. Because patterns capture knowledge that is primarily intended for humans, it is the social impact of patterns which largely shapes their technological impact.” (Appleton 2001) “Patterns represent distilled experience which, through their assimilation, (Software Engineering) convey expert insight and knowledge to inexpert developers.” (Gamma et al. 1995: 2) “Capture design experience in a form that people can use effectively” (Software Engineering) “Expressing proven techniques as design patterns makes them more accessible to developers of new systems.” (Gamma et al. 1995: “Design patterns provide a common vocabulary for designers to use to 352) communicate, document, and explore design alternatives. Designing (Software Engineering) patterns make a system seem less complex by letting you talk about it at a higher level of abstraction …” (Gamma et al. 1995: “… design patterns can also make you a better designer. They provide solu352) tions to common problems … will help you learn … much faster. Learning (Software Engineering) …patterns will help a novice act more like an expert.” (Borchers et al. 1999) „The goals of an HCI Pattern Language are to share successful HCI design (HCI) solutions among HCI professionals, and to provide a common language for HCI design to anyone involved in the design, development, evaluation, or use of interactive systems.“ (Borchers 2000a: 25) (HCI) “Software design patterns are considered a useful language for communication among software designers, and a practical vehicle for introducing less experienced designers into the field. The idea of end users designing their own (software) architectures has not been taken over.” (Tidwell 1999) “It captures ordinary design wisdom in a practical and learnable way” (HCI) (Bayle et al. 1998) (HCI) “many ways of using patterns: … capture and description …, generalization …, prescriptive …, rhetorical …, predictive …” (Rossi et al. 1999a) “Reusing design experience is difficult, however, because good design deci- (Hypermedia) sions often remain hidden in the designer’s mind and thus are difficult to share.” (German & 1999) (Hypermedia) Cowan “A design pattern attempts to collect experience from the expert to pass on to other experts or novices in the field, hence avoiding others reinventing them.” When designers become familiar with them, he or she can (1) more rapidly identify the problems being faced – correlating them with some problems already documented as patterns (2) avoid the expense of trying new solutions for the problem – the development of the patterns implies that several 114 Methodische Grundlagen different solutions have been tried and the best are documented --, (3) evaluate beforehand the cons and pros of such solution – since this information is already available in the … patterns. (Perzel & Kane 1999) (EC-Applikation HCI) “Patterns can provide a language for communicating usability concerns / among these diverse participants in the development process without hindering the creative elements of web development.” (van Duyne et al. 2000: “What makes patterns so compelling in the Internet age: (1) they make sites 1/2) easier to use because they often reflect the existing standards on the web, or (EC-Applikation) an existing standard offline (2) they speed design time and (3) hopefully, in the long run, once embraced by the design community, they make the web much easier to use as a whole.” “The benefit of using patterns is that they embody design experience that we as a community have developed and learned … A given pattern may not necessarily be the absolute best solution in every case, but it works in practice.” Tabelle D 1-3: Literaturübersicht über die Einsatzmöglichkeiten von Patterns Aus den obigen Zitaten lassen sich drei grundsätzliche Einsatzmöglichkeiten von Design Patterns ableiten: • Die konstruktive Unterstützung des Designprozesses: Design ist ein komplexer Prozess, bei dem eine Vielzahl von Einflussfaktoren zu berücksichtigen und verschiedenste sich oftmals widerstrebende Kräfte auszugleichen sind. Patternsysteme unterstützen die Wiederverwendung und den Transfer von Erfahrungswissen und erleichtern und beschleunigen somit das Design qualitativ hochwertiger Designlösungen. • Wissensaufbau und –erhaltung: Viel Designwissen ist lediglich in den Köpfen – erfahrener – Designer gespeichert. Patterns ermöglichen die systematische Erfassung dieses Designwissens sowie den Aufbau und das Management eines Designwissen-Repositoriums. • Gemeinsame Sprache zur Unterstützung des interdisziplinären Designprozesses: Am Design insbesondere der Benutzerschnittstelle sind in der Regel Vertreter unterschiedlicher Disziplinen beteiligt. Patterns bieten eine universelle von allen Beteiligten zu verstehende Sprache und unterstützen somit die erfolgreiche Kommunikation innerhalb interdisziplinärer Designteams. Diese Aspekte werden im folgenden im Detail diskutiert und erläutert. D 1.2.1 Patterns zur Unterstützung des Designprozesses Patterns erfassen Wissen über bewährte Lösungen wiederkehrender Designprobleme. Sie beschreiben das Problem und die Lösung in einer einfach verständlichen und somit auch für ungeübte Designer leicht verständlichen Form. Sie erleichtern insbesondere dem Novizen die Erstellung guter Designlösungen sowie das Erkennen und Verstehen von Problemsituationen und beschleunigen somit seinen Lernprozess (Appleton 2001; Borchers 2000a: 25; Gamma et al. 1995: 352; Tidwell 1999). Design Patterns wurden daher schon früh zu Schulungszwecken eingesetzt (Barfield et al. 1994). Design Patterns für digitale Produkte 115 Patterns beschreiben dabei nicht nur die Lösung, sondern auch wie und wann sie anzuwenden ist. Weiterhin erfassen sie die Designentscheidungen, die im Zuge der Lösung getroffen wurden. Dadurch ermöglichen sie einen gezielten und flexiblen Einsatz der Lösungsmuster in unterschiedlichen Problemsituationen und gewährleisten gleichzeitig das Verständnis der Lösung. Patterns erhöhen auch die Effizienz des Designprozesses (Gamma et al. 1995: 2; German & Cowan 1999; van Duyne et al. 2000). Lösungen zu Standardproblemen müssen nicht immer wieder neu durchdacht werden. Stattdessen kann auf bekannte und bewährte Designs zurückgegriffen werden. Design Patterns bilden somit die Grundlage zum Aufbau von Knowledge Managementlösungen zur Pflege von Designwissen. Dieser Aspekt wird im folgenden Abschnitt näher erläutert. D 1.2.2 Patterns als Basis des Knowledge Managements Wertvolles Designwissen ist in den Köpfen erfahrener Designer gespeichert (Rossi et al. 1999a). Es spiegelt sich ebenfalls in den Ergebnissen des Designprozesses wider.106 Das so reflektierte Wissen ist jedoch unvollständig. Es lässt nur sehr bedingt Rückschlüsse auf die im Zuge des Designprozesses getroffenen Designentscheidungen, die zu Grunde liegende Problemsituation sowie die berücksichtigten Einflussfaktoren zu. Design Patterns bieten die Möglichkeit der systematischen Erfassung all dieser Aspekte des Designwissens. Patternsprachen bilden somit die Grundlage für den Aufbau eines Wissensrepositoriums. Sie ermöglichen die Pflege und den Aufbau eines gemeinsamen Wissensbestandes auf globaler Ebene. Im wissenschaftlichen Kontext werden hier Gefässe wie Foren, Konferenzen, Mailinglisten und Newsgroups intensiv zum Austausch genutzt. Patternsysteme können jedoch auch zum unternehmensinternen Management von Designwissen im Rahmen des Aufbaus eines unternehmenseigenen Design Pattern Repositoriums genutzt werden. Ein bewährter Ansatz zum Management insbesondere stärker formalisierten Wissens ist hier die sogenannte „Experience Factory“ (vgl. (Basili et al. 1994)). Sie gestattet eine systematische Speicherung sowie ein effizientes Retrieval von Wissen. Als Retrievalmechanismus eignen sich insbesondere die Verfahren des Case-based Reasonings (vgl. (Aamodt & Plaza 1994)). Die wenig formale und gut verständliche Sprache der Patterns ermöglicht eine schnelle Aneignung des Wissens. Die Art der Darstellung erleichtert die Übertragung auf konkrete Problemsituationen. Patterns unterstützen jedoch auch weiterhin die Weiterentwicklung des Designwissens. Wissen wird durch die breite Anwendung und vor allem auch durch Kommunikation gebildet (s. insbesondere (Nonaka & Takeuchi 1997)). Patternsprachen bilden 106 Beim Wissen wird generell zwischen explizitem und implizitem Wissen unterschieden (vgl. (Nonaka & Takeuchi 1995: 59)) Boutellier und Gassmann (1996: 292) unterteilen diese beiden Wissensarten weiter. (1) explizites Wissen in Wissen als Artefakt und dokumentiertes Wissen und (2) implizites Wissen in Erfahrungswissen und soziales Wissen. Patterns dienen daher dazu Erfahrungswissen und das Wissen als Artefakt in dokumentiertes Wissen zu transformieren. 116 Methodische Grundlagen eine universelle und leicht verständliche Sprache, mittels derer Designwissen innerhalb der Community ausgetauscht werden kann (Borchers 2000a: 25). Die Patterns erläutern dabei nicht nur die Problemlösung, sondern erklären ebenfalls, wann und wie diese Lösung angewendet werden sollte und warum sie funktioniert (Appleton 2001). Diese Art der Darstellung erleichtert nicht nur die zielgerichtete Anwendung des Patterns, sondern insbesondere die fundamentale Diskussion und Weiterentwicklung der Patterns innerhalb der Community. Die Funktion von Patternsprachen als Lingua Franca ist jedoch nicht nur für die Kommunikation innerhalb der Design Community bedeutsam. Sie spielt insbesondere auch im Zuge des interdisziplinären Designprozesses – interaktiver – Systeme eine wesentliche Rolle. Die Diskussion dieses letzten Aspektes von Patterns ist Gegenstand des folgenden Abschnittes. D 1.2.3 Patterns als universelle Designsprache Beim Design handelt es sich in der Regel um einen interdisziplinären Prozess. So sind beispielsweise am Design eines interaktiven Systems Software-Ingenieure, Mensch-MaschineSchnittstellen Designer, Spezialisten der Anwendungsdomäne, Graphikdesigner, Marketingspezialisten, etc. beteiligt (Borchers 2000a: 3). „GUIDELINE: The most successful design result from a team approach where people with differing backgrounds and strengths are equally empowered to affect the final design.“ (Tognazzini 1992: 57) Kim (1990) vergleicht Disziplinen mit Kulturen mit einer eigenen Sprache, eigenen Konzepten und Methoden. Sie müssen die Sprache, Traditionen und Werte der anderen Disziplinen kennen und wertschätzen, um erfolgreich miteinander arbeiten zu können. Ein zentrales Problem interdisziplinären Designs liegt nun jedoch genau in der zumeist ineffektiven Kommunikation der am Designprozess beteiligten Parteien. Patterns stellen eine Möglichkeit zur Verfügung, Wissen in einer auch für andere, d.h. Fachfremde, verständlichen Form darzustellen. Oftmals werden Patternsysteme getrennt für alle beteiligten Disziplinen entwickelt, welche dann die jeweils interessierenden Aspekte erfassen (Borchers 2000a). Die identische Strukturierung und die wenig formale und durch Beispiele illustrierte Darstellung erleichtern das gegenseitige Verständnis der Patterns. Idealerweise sollten jedoch auch die Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Designaspekten modelliert werden und sich somit direkt in den Sprachen wiederfinden. Dies ist jedoch bei den aktuellen Patternsprachen nicht der Fall (s. insbesondere Abschnitt D 2.3.2). Die Existenz einer leicht verständlichen und interdisziplinären Sprache ist insbesondere beim Design interaktiver Systeme entscheidend.107 Bei diesen Systemen steht die Zufriedenheit der Anwender im Vordergrund. Die Designer müssen sich daher mit den Eigenheiten der Zielgruppe, deren Sprache sowie den Konzepten der Anwendungsdomäne intensiv ver- 107 Dieser Aspekt spielt daher für die in dieser Arbeit zu erstellende Patternsprache für digitaler Pro- dukte eine entscheidende Rolle. Design Patterns für digitale Produkte 117 traut machen (Newman & Lamming 1995: 91). Norman und Draper (1986) haben hierfür den Begriff des benutzerzentrierten Designs geprägt. Das benötigte Wissen wird zumeist initial über die Befragung oder Beobachtung der Ziel-Community gewonnen. Im Sinne der Wiederverwendung kann es dann in Patternsystemen systematisch abgelegt werden. Noch intensiver ist die weithin bevorzugte Zusammenarbeit im Sinne eines „participatory designs“, bei dem die Anwender direkt in den Designprozess integriert werden.108 „... the ultimate users of the software make effective contributions that reflect their own perspectives and needs, somewhere in the design and development lifecycle of the software.“ (Muller et al. 1997)109 Eine gemeinsame Sprache bildet hier die Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikation. Patternsprachen in ihrer Funktion als Lingua Franca sind daher von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des Designprozesses (Erickson 2000; Perzel & Kane 1999; Tidwell 1999). Der Einsatz von Patternsystemen zur Unterstützung des „gemeinschaftlichen Designs“ unter aktivem Einbezug des Anwenders war daher auch eine der Hauptmotivationen für die Erstellung der ersten Patternsprache durch Christopher Alexander (s. Abschnitt D 2.1). D 1.3 Diskussion alternativer Möglichkeiten der Wissensrepräsentation Patterns stellen lediglich eine Möglichkeit dar, Designwissen zu erfassen. In diesem Abschnitt werden alternative Wissensrepräsentationen diskutiert und dem Patternansatz gegenüber gestellt. Wir unterscheiden dabei zwischen den beiden Disziplinen des Software Engineerings und des HCI. D 1.3.1 Wissensrepräsentation im Software Engineering Im Software Engineering bilden Heuristiken, Regeln und Algorithmen prominente Alternativen zur Beschreibung von Designwissen. Heuristiken stellen lediglich sehr allgemeine Konzepte dar. Sie können in das Kräftesystem sowie die rationale Begründung eines Patterns mit eingehen (Appleton 2001). Regeln sind sehr starr. Sie berücksichtigen weder den Kontext, noch liefern sie eine rationale Begründung für die Lösung. Patterns sind somit flexibler. Sie beschreiben lediglich den Kern der Lösung, benötigen jedoch zu ihrer Anwendung die kreative Leistung des Designers. Coplien (1994) sagt dazu: „Rules aren’t commonly supported by a rationale, nor put in context. A rule may be part of the solution in a pattern description, but a rule solution is neither sufficient nor necessary. Patterns aren’t designed to be executed or analyzed by computers, as one might imagine to be true for rules: patterns are to be executed by architects with insight, taste, experience, and a sense of aesthetics.“ 108 Dies stellt einen Spezialfall des interdisziplinären Designs dar. 109 Für Details s. (Schuler & Namioka 1997). 118 Methodische Grundlagen Algorithmen und Datenstrukturen sind eine weitere Möglichkeit, Designwissen zu speichern. Sie liefern Lösungen für feingranulare Berechnungsprobleme. Das Optimierungskriterium ist hierbei die Reduktion des benötigten Speicherplatzes und der benötigten Zeit. Dagegen beschäftigen sich Patterns mit weiter gefassten architektonischen Problemen, bei denen die Interessen der Designer im Vordergrund stehen. Die auszubalancierenden Kräfte umfassen Aspekte der Wartbarkeit, der Wiederverwendbarkeit und der Flexibilität. (Appleton 2001). Patterns und Algorithmen unterscheiden sich somit in ihrer Granularität und Spezifität sowie in ihrem Zielsystem resp. ihrem Optimierungskriterium. Ein weiterer verbreiteter Ansatz zur Wiederverwendung von Programmierwissen sind Programmbibliotheken. Sie implementieren eine bestimmte Funktionalität, die in vielen Programmen benötigt wird. Die Bibliotheken sind dabei universell und unabhängig von der Struktur und der Programmlogik der jeweiligen Applikation einzusetzen. Die Verwendung von Bibliotheken wirkt sich somit nicht direkt auf das Design der Software aus. Sie liefern damit aber auch wenig Unterstützung bei komplexen Designentscheidungen. Bibliotheken ermöglichen also weniger die Wiederverwendung von Designwissen als vielmehr die direkte Wiederverwendung von Programmcode. Eine Möglichkeit zur Speicherung und Wiederverwendung von Designwissen bilden dagegen Software Frameworks. Appleton (2001) definiert diese folgendermassen: „A software framework is a reusable mini-architecture that provides the generic structure and behavior for a family of software abstractions along with a context of memes / metaphors which specifies their collaboration and use within a given domain“ Gamma et al. (1995) liefern die folgende Definition: „A framework is a set of cooperating classes that makes up a reusable design for a specific class of software. A framework provides architectural guidance by partitioning the design into abstract classes and defining their responsibilities and collaborations. A developer customizes a framework to a particular application by subclassing and composing instances of framework classes.“ Ein Framework beschreibt somit die generelle Architektur eines Softwaresystems. Dabei wird von der konkreten Applikationslogik abstrahiert. Diese kann an verschiedenen Anknüpfungspunkten („plug points“) ergänzt werden. In objekt-orientierten Frameworks erfolgt diese Konkretisierung in der Regel durch Subklassen-Bildung. Frameworks und Bibliotheken unterscheiden sich im Kontrollfluss zwischen Applikation und eingesetzter Software. Bei der Verwendung von Bibliotheken schreibt der Programmierer den Hauptteil der Applikationen und ruft die für die Implementierung einer bestimmten Funktionalität benötigten Subroutinen aus den Bibliotheken auf. Im Gegensatz dazu bestimmen Frameworks den Hauptteil des Programms; lediglich die spezielle Funktionalität wird dann durch den Applikationsprogrammierer hinzugefügt und von den Komponenten des Frameworks aufgerufen. Man bezeichnet dies häufig auch als „Hollywood Prinzip“ ("Don't call us, we'll call you.") oder „Greyhound Prinzip“ ("Leave the driving to us.") (Appleton 2001). Gamma et al. (1995) sehen die wesentlichen Unterschiede zwischen Design Patterns und Frameworks in den folgenden drei Punkten: Design Patterns für digitale Produkte 119 1. Design Patterns sind abstrakter als Frameworks. Frameworks können in Programmcode gegossen werden, Patterns können hingegen lediglich in Form von Beispielinstanziierungen codiert werden. Der Vorteil von Frameworks besteht daher darin, dass sie sich direkt in einer Programmiersprache ausdrücken lassen. Sie können somit nicht nur analysiert, sondern direkt ausgeführt und wiederverwendet werden. Design Patterns müssen jedes Mal neu implementiert werden. Design Patterns erklären jedoch auch die dahinterliegenden Absichten, die Abwägungen und die Auswirkungen der Designentscheidung. 2. Design Patterns betrachten kleinere architektonische Probleme als Frameworks. 3. Design Patterns sind weniger spezialisiert als Frameworks. Frameworks beziehen sich stets auf eine bestimmte Applikationsdomäne. Im Gegensatz dazu können Design Pattern in nahezu jeder beliebigen Applikation angewendet werden. Patterns können jedoch sowohl zur Implementation als auch zur Dokumentation von Frameworks verwendet werden. Sie zeichnen sich gegenüber den Frameworks durch ein höheres Abstraktionsniveau sowie eine explizite Erfassung der Motivation, der rationalen Begründung, der Abwägungen sowie der Konsequenzen aus. Sie sind flexibler und spiegeln insbesondere das Wissen erfolgreicher Designer in einer verständlichen und einfach anwendbaren Form wider. Patterns erleichtern somit das Wiedererkennen von Problemsituationen, die Anwendung von Lösungsmustern sowie das Verständnis der Lösung. D 1.3.2 Wissensrepräsentation im HCI Im Bereich der HCI ist der Einsatz von Style Guides, Guidelines und User Interface Standards verbreitet. Die Guidelines reichen dabei von high-level Konzepten („Reduce the user’s memory load“) bis zu detaillierten Regeln („Every form must contain an „OK“ Button in the lower-right corner“). Borchers (2000a) unterscheidet hier zwischen abstrakten und konkreten Richtlinien. Abstrakte Richtlinien, wie die vier Design-Prozess-Prinzipien von Gould et al. (1997) oder die acht goldenen Regeln des Schnittstellen-Designs von Shneiderman (1998: 74) sind in der Regel eher zur nachträglichen Bewertung des Designs geeignet und unterstützen weniger die eigentliche Konstruktion der Lösung. Häufig zitierte Nachteile dieser abstrakten Richtlinien sind (1) die Schwierigkeit der richtigen Interpretation von high-level Guidelines (de Souza & Bevan 1990), (2) die zu starke Vereinfachung von Sachverhalten, die eine Anwendung für Nicht-HCI-Spezialisten fast unmöglich machen (Chapanis & Budurka 1990) und (3) der hohe Aufwand bei der Identifikation der relevanten Guidelines (Lowgren & Lauren 1993). Tidwell (1999) weist weiterhin darauf hin, dass sich viele der Designprinzipien im konkreten Anwendungsfall widersprechen, was ein genaues Abwägen unter besonderer Berücksichtigung der situativen Gegebenheiten erforderlich macht. Diese Aufgabe ist nur von Spezialisten aufgrund deren Erfahrungswissen lösbar, nicht jedoch von Novizen. Konkrete Richtlinien, wie sie z.B. für das Design von Benutzerschnittstellen erstellt wurden, sind dagegen häufig auf die Verwendung eines bestimmten Werkzeuges ausgerichtet (s. bspw. Macintosh Human Interface Guideline (Apple Computer 1992), OSF / Motif Style 120 Methodische Grundlagen Guide (Open Software Foundation 1992)). Sie beruhen weniger auf generellem Designwissen oder –prinzipien, sondern werden durch die Möglichkeiten des Werkzeuges und den aktuell akzeptierten Überzeugungen der jeweiligen Programmier-Community determiniert. Eine Hauptmotivation der Anwendung konkreter Richtlinien ist die Gewährleistung der Konsistenz der Schnittstelle. Konsistenz kann zwar die Lesbarkeit für den Anwender unterstützen, sie reicht jedoch nicht aus, um die generelle Nützlichkeit der Schnittstelle zu gewährleisten. Design Pattern vermitteln zwischen den High-Level-Konzepten und dem konkreten Anwendungskontext. Sie ermöglichen, im Gegensatz zu den abstrakten Guidelines, eine gezielte Anwendung der Patterns, bleiben dabei jedoch unabhängig von spezifischen Werkzeugen. Sie sind dabei konsequent auf die Optimierung der Zufriedenheit des Anwenders ausgerichtet. Weiterhin richten sich Patterns, im Gegensatz zu den auf die jeweiligen Spezialisten ausgerichteten Guidelines, an alle am Design beteiligten Parteien und insbesondere den Kunden und unterstützen somit den partizipativen Designprozess. D 2 Einordnung in die Patternforschung Dieses Kapitel gibt eine Übersicht über die Patternforschung in verschiedenen Designdisziplinen und ordnet die eigene Arbeit in diesen Kontext ein. Besondere, auch inhaltliche Relevanz für die vorliegende Arbeit haben insbesondere die Ansätze des Human Computer Interaction Designs (HCI), der Hypermedia-Applikationen sowie speziell der web-basierten Electronic Commerce-Applikationen. Als bekannte und erfolgreiche Vertreter der Patternforschung werden zu Beginn weiterhin die Arbeiten aus dem Bereich der Architektur sowie des Software Engineerings dargelegt. Die Architekturpatterns illustrieren die ursprüngliche Vorstellung von Patterns, die mit ihrer Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Anwender auch für das Design digitaler Produkte bedeutsam ist. Software Patterns beschäftigen sich dagegen vorrangig mit Implementierungsaspekten und betrachten somit das Design aus Sicht des digitalen Produktes I. Für jede Disziplin wird zunächst eine Übersicht über die Arbeiten in diesem Bereich gegeben. Dabei interessieren vorrangig die Ausrichtung der Patterns und somit die QWAN, die Zielsetzung, die abgedeckten Problemfelder, die berücksichtigten Aspekte, die Organisationsstrukturen der Patternsysteme sowie die konstituierenden Prozesse. Die wichtigsten Patternansätze der jeweiligen Disziplin werden zur Illustration im Anschluss an diese generelle Übersicht im Detail erläutert. Die Ausführlichkeit der Beschreibung richtet sich dabei nach der Bedeutung und Bekanntheit der Patternsysteme. In der Regel wird ein Ansatz im Detail und die weiteren lediglich in einer Art Übersicht erläutert. Abschliessend wird für jede Disziplin die Bedeutung der bestehenden Patternansätze für die hier zu erstellende Patternsprache für digitale Produkte diskutiert. Im letzten Abschnitt erfolgt eine zusammenfassende Einordnung der eigenen Arbeiten in die vorgestellten Arbeiten der fünf Einzeldisziplinen. Weiterhin werden die Defizite der bestehenden Ansätze in bezug auf das Design digitaler Produkte erläutert. Ihnen wird durch die im folgenden Teil E entwickelte Patternsprache begegnet. Design Patterns für digitale Produkte 121 D 2.1 Patterns in der Architektur Die Ursprünge des Patternansatzes liegen in der Architektur. Die erste Patternsprache wurde dabei von Christopher Alexander entwickelt. Die generelle Idee einer systematischen Sammlung, Dokumentierung und Strukturierung architektonischen Designwissens entstand jedoch bereits zu Beginn der Renaissance (vgl. (de Haas 1999)). Die ersten bekannten „Patterns“ wurden dabei von Francesco di Giorgio entwickelt. Er dokumentierte erfolgreiche Designlösungen mit Hilfe einer graphischen sowie einer textuellen Darstellung. Zielsetzung und Ausrichtung Die Idee von Patterns wurde dann von Christopher Alexander in den 1970er Jahren wieder aufgegriffen und erweitert. Patterns spiegeln seine Vorstellungen von einem benutzerzentrierten Design wider. Danach wird das architektonische Design nicht primär durch den Architekten, sondern durch den Benutzer selbst bestimmt. Er gestaltet seine Umgebung derart resp. lässt sie derart gestalten, dass er sich in ihr wohl fühlt. Alexander geht dabei davon aus, dass das Leben der Bewohner durch immer wiederkehrende Ereignisse, die Ereignispatterns, charakterisiert wird. Diese müssen durch die architektonische Gestaltung der Umgebung optimal unterstützt werden. Den Ereignispatterns entsprechen geometrische Patterns resp. typische Beziehungen zwischen räumlichen Architekturkomponenten. Diese Patterns werden jedoch nicht primär von Architekten kreiert, sondern existieren bereits in den Köpfen der Benutzer resp. Bewohner. Sie spiegeln somit die QWAN wider, die den Bewohnern ein optimales Wohnerlebnis garantiert. Dabei wirken in den verschiedenen Situationen sich widersprechende Kräfte, die durch das architektonische Design ausgeglichen werden müssen. Diese Kräfte können individueller, sozialer, ökonomischer, natürlicher oder physischer Art sein. Ein gutes Beispiel ist das Pattern „Window Place“. Die beiden hier zu berücksichtigenden Kräfte sind (1) der Wunsch des Menschen, sich am Licht und somit in der Nähe eines Fensters aufzuhalten und (2) das Bedürfnis des Menschen, sich nach einer Weile hinzusetzten. Das Pattern schlägt somit vor, eine Sitzgelegenheit in der Nähe des Fensters vorzusehen (Alexander et al. 1977: 833). Alexander geht davon aus, dass insbesondere die Ereignispatterns, aber auch die architektonischen „Lösungs“-Patterns, zeitlos sind. Sie geraten lediglich in der heutigen Gesellschaft immer mehr in Vergessenheit. Die von ihm entwickelte Patternsprache soll eine Möglichkeit zur Verfügung stellen, dieses Wissen wieder zu rekonstruieren. Sie hat mehr den Charakter einer Erinnerungsfunktion als den einer normativen Lehrfunktion: „Indeed this ageless character has nothing in the end to do with languages. The language, and the processes which stem from it, merely release the fundamental order which is native to us. They do not teach us, they only remind us of what we know already […].” (Alexander et al. 1977: 53) Der Zweck seiner Patternsprache bestand im Management und in der Weitergabe von Wissen sowie insbesondere in der Unterstützung des partizipativen Designprozesses durch das 122 Methodische Grundlagen zur Verfügungstellen einer Lingua Franca. Die Zielgruppe seiner Patternsprache waren daher neben den Architekten die Bewohner der Gebäude und Städte selbst.110 Struktur und Umfang Die Sprache umfasst 253 Patterns. Sie deckt damit grosse Teile des architektonischen Gestaltungsraumes, angefangen bei umfassenden Konzepten, wie der Gestaltung von Städten und Gemeinden, bis hin zum Design sehr spezifischer Konzepte, wie z.B. Mauern, ab. Die Patternsprache selbst ist hierarchisch organisiert. Jedes Pattern referenziert dabei Patterns mit geringerer Reichweite und höherer Spezifität, die zur Umsetzung der Lösung benötigt werden. Weiterhin wird jedes Pattern selbst in den Kontext übergeordneter Patterns eingeordnet, zu deren Umsetzung es beiträgt. Bei der durch die Hierarchie ausgedrückten Beziehung handelt es sich somit um eine Verfeinerungsrelation. In den Patterns wird ausschliesslich die räumliche Gestaltung der Situation mit architektonischen Mitteln betrachtet. Ebenso beruhen die Beziehungen zwischen den Patterns ausschliesslich auf räumlicher Inklusion. Die Patterns ergänzen sich synergetisch zur Lösung komplexerer Problemstellungen, die sich in den Kontext übergeordneter Patterns einordnen lassen. Durch ihre hierarchische Strukturierung ermöglichen sie die sukzessive Ableitung gesamter Systeme. Die Patterns sind dabei auf ein gemeinsames übergeordnetes Ziel ausgerichtet. Bei dieser „Patternsprache“ handelt es sich daher tatsächlich um eine Sprache gemäss der Definition aus Abschnitt D 1.1.3. 111 Die Beschreibung der Patterns folgt der in Abschnitt D 1.1.2 bereits beschriebenen Struktur. Dabei liegt ein Schwergewicht auf der Beschreibung der Problemsituation sowie der Einordnung in das Gesamtsystem. Ausführliche Beispiele innerhalb der Problembeschreibungen erleichtern das Verständnis der Problemsituation. Die Darstellung ist sehr informell gehalten und in Prosa verfasst. Die Beschreibungen der einzelnen Patternelemente gehen ineinander über. Lesbarkeit und Verständlichkeit der Patterns sind somit erklärtes Ziel. Als typisches Beispiel wird im folgenden das Pattern 88-STREET CAFE dargestellt. Die Patterns von Alexander umfassen durchschnittlich vier Seiten. Die Vorstellung des Beispielpatterns erfolgt daher in einer gekürzten Version. Das Pattern beginnt mit dem Namen, der Nummer sowie dem Foto eines typischen Strassencafes. Im Anschluss daran erfolgt die Einordnung der betrachteten Situation in den Kontext übergeordneter Patterns. In diesem Fall sind dies SMALL PUBLIC SQUARE; ACTIVITY NODE und IDENTIFIABLE 110 Innerhalb der Architekten-Community stiess die Einführung seiner Patternsprache jedoch nicht nur auf Zustimmung. Das mit den Pattern verbundene partizipative Design induziert eine Verschiebung der Aufgabenverteilung von den Architekten zu den Anwendern oder Bewohnern selbst. Damit fürchteten die Architekten um ihre Macht und letztendlich auch um ihre Daseinsberechtigung (Borchers 2000a: 22). Weiterhin wurde die Sprache als eine Beschränkung der eigenen Kreativität empfunden. 111 Bei einer sehr strengen Auslegung der Definition von Patternsprachen dürfte man jedoch auch die Pattern“sprache“ von Alexander lediglich als System bezeichnen, da nicht alle Beziehungen zwischen den Patterns erfasst werden. Design Patterns für digitale Produkte 123 NEIGHBORHOOD. Danach wird die Problemsituation in kurzen Worten dargelegt, gefolgt von einer umfassenden Problembeschreibung mit einer ausführlichen Diskussion des Hintergrunds des Patterns, der Validität, der Einsatzsituationen sowie des Systems der sich in dieser Situation widerstrebenden Kräfte. Im Pattern 88 beschreibt Alexander bspw. die Situation in einem Cafe, analysiert und motiviert die typischen Gestaltungselemente eines Cafes und diskutiert die Ergebnisse eines Surveys, durch das die besondere Rolle von Cafes in Studentenkreisen aufgezeigt werden konnte. Die ausführliche Beschreibung hilft dem Anwender, die Einsatzsituationen besser zu verstehen. Es folgt eine kurze Lösungsbeschreibung. In diesem Beispiel erfasst sie die Kernelemente eines Strassencafes. Die Lösung wird weiterhin durch eine handschriftliche Skizze illustriert. Zum Abschluss der Patternbeschreibung wird der resultierende Kontext dargestellt. Er erfasst diejenigen Patterns, die für die Implementierung der Lösung genutzt werden können. In diesem Fall sind dies u.a. die Patterns OPENING TO THE STREET und SITTING WALL. 88 STRASSENCAFE **112113 Bild ausgespart ... Nachbarschaften sind durch eine IDENTIFIABLE NEIGHBORHOOD gekennzeichnet; ihre zentralen Plätzen werden dabei durch ACTICITY NODE und SMALL PUBLIC SQUARES definiert. Das vorliegende sowie die darauffolgenden Patterns geben der Nachbarschaft und ihren zentralen Plätzen ihre Identität. Ein Strassencafe erzeugt ein einzigartiges Setting, das sich speziell in Städten findet: Einen Ort, an dem Menschen ohne schlechte Gewissen faul herumsitzen können, an dem sie für andere sichtbar sind und die Welt an sich vorbeiziehen lassen können. Die meisten Städte sind voller Strassencafes. Lasst uns daher versuchen, das Erlebnis zu verstehen, das diese Orte für uns so attraktiv macht. Wir wissen, dass Menschen es geniessen, sich in der Öffentlichkeit, in Parks, auf Plätzen, auf Promenaden und Prachtstrassen, in Strassencafes unter die Leute zu mischen. Die Gründe dafür scheinen die folgenden zu sein:: Die Umgebung gibt dem Einzelnen das Recht, sich gewohnheitsmässig dort aufzuhalten; es gibt wenige, fast rituelle Dinge, die man an diesem Ort tun kann: Zeitunglesen, herumbummeln, an einem Bier sippen, fangen spielen; die anwesenden Menschen fühlen sich sicher genug, um sich zu entspannen, einander zuzunicken, sich vielleicht sogar dort zu treffen. [...] Die folgenden neun Abschnitte mit weiteren Erläuterungen werden hier ausgespart. Daher: Fördere die Errichtung von Strassencafes in jeder Nachbarschaft. Mache sie zu intimen Orten, bestehend aus mehreren Räumen, geöffnet zu einer bevölkerten Strasse, an dem Menschen mit einem Kaffee oder einem anderen Getränk sitzen und die Welt an sich vorbeiziehen lassen können. Positioniere an der Vorderseite des Cafes Tische, die sich aus dem Gebäude heraus bis auf die Strasse erstrecken. Diagramm ausgespart 112 Die Sternchen geben Auskunft über die Validität der Patterns (s. Abschnitt D 1.1.2). Bei Alexander werden die Patterns mit der höchsten Validität dabei mit drei Sternchen gekennzeichnet. 113 Übersetzung der Autorin. 124 Methodische Grundlagen Errichte eine weite, deutliche Öffnung zwischen der Terrasse und dem Innenraum – OPENING TO THE STREET; benutze die Terrasse als einen ORT ZUM WARTEN für nahegelegene Bushaltestellen und Büros; nutze sowohl im Cafe als auch auf der Terrasse eine Vielzahl verschiedener Stühle und Tische – DIFFERENT CHAIRS und grenze die Terrasse gegenüber der Strasse ab, insofern die Gefahr besteht, dass die Cafebesucher durch das Treiben auf der Strasse gestört werden – STAIR SEATS, SITTING-WALL, vielleicht ein CANVAS ROOF. Weiterer Text ausgespart Prozess Wie bereits erwähnt, reflektieren und rekonstruieren die Architekturpatterns Wissen über gute Designlösungen, die sich bewährt haben. Erklärt und gerechtfertigt werden sie weiterhin argumentativ, indem aufgezeigt wird, wie das vorgeschlagene Design die sich widerstrebenden Kräfte ausgleicht. Durch ihre Nutzung in einer Vielzahl erfolgreicher Beispielanwendungen werden sie aber insbesondere empirisch validiert.114 Die Anwendung der Patterns folgt dem in Abschnitt D 1.1.5 vorgestellten Prozess des „piecemeal growth“, bei dem die Gesamtlösung durch die sukzessive Anwendung der passenden Patterns entlang der Patternhierarchie abgeleitet wird. Die einzelnen Prozessschritte können dabei wie folgt zusammengefasst werden (s. (Alexander et al. 1977) und (Erickson 2000)): 1. Wähle dasjenige Pattern, das am besten den Gesamtumfang der Anwendung beschreibt. 2. Gehe zum Ende des Patterns, wo auf die spezifischeren Patterns verwiesen wird und wähle diejenigen Patterns aus, die auf die konkrete Anwendung zu passen scheinen. 3. Wiederhole Schritt 2 für jedes der ausgewählten Patterns und füge weiterhin alle relevanten Patterns aus deren Kontext-Sektion hinzu. 4. Wiederhole die Schritte 2 und 3, bis das gesamte Patternsystem durchgearbeitet wurde. 5. Passe das Patternsystem durch die Anpassung bestehender Patterns oder aber das Hinzufügen neuer Patterns an. Aus dieser Prozessbeschreibung wird deutlich, dass es sich hierbei um einen flexiblen und insbesondere kreativen Prozess handelt. Das Patternsystem wird hier nicht als fest vorgegeben, sondern als ein sich über die Zeit weiterentwickelndes dynamisches System angesehen. D 2.1.1 Bewertung Die Patternsprache von Christopher Alexander bildet die Grundlage aller nachfolgenden Patternansätze und daher auch der hier entwickelten Patternsprache für digitale Produkte. 114 Alexander selbst wendete die Patterns erfolgreich zur Planung der University of Oregon an (Alexander et al. 1977). Design Patterns für digitale Produkte 125 Vorbildfunktion hat sie vor allem bezüglich der Patternstruktur, der Ausrichtung der Patterns, der Zielsetzung sowie der konstituierenden Prozesse: • Die Beschreibung der Patterns für digitale Produkte folgt der Struktur der Architekturpatterns. Dabei wird allerdings mehr Gewicht auf die Lösung selbst gelegt werden. Die gute Verständlichkeit der Beschreibung sowie die Vollständigkeit der Sprache sind vorbildlich. • Als Qualitätskriterium steht auch in dieser Arbeit das positive Erlebnis der Anwender im Vordergrund. Bei elektronischen Produkten ist jedoch nicht nur die „Usability“, d.h. die optimale Unterstützung des Kunden bei der Erledigung seiner Aufgaben, zu berücksichtigen. Stattdessen müssen alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion, und nicht nur die eigentliche Anwendung des Produktes, unterstützt und auf die Optimierung des Kundenwertes ausgerichtet werden. • Wie die Patternsprache von Alexander soll auch die hier entwickelte Sprache dem Aufbau eines Wissensrepositoriums für gutes Design dienen, Designer bei ihrer Arbeit und im Sinne der Lingua Franca weiterhin den interdisziplinären Designprozess unterstützen. • Auch die Patterns lassen sich prinzipiell aus einer Analyse von Best Practice Beispielen ableiten und validieren. Aufgrund der besonderen Charakteristika des Designs digitaler Produkte muss diese Methodik jedoch erweitert werden (s. Abschnitt E 1.3). Unterschiede bestehen insbesondere natürlich in den Inhalten, aber auch in den betrachteten Designdimensionen und dem Aufbau der Gesamtsprache: • Die Patternsprache von Alexander beschränkt sich vollständig auf die äussere Gestaltung und nicht auf die Umsetzung des Designs im Sinne der Implementation I. Die Designsprache für digitale Produkte soll jedoch zumindest die Verbindung zum digitalen Produkt I und somit dem Produkt aus Sicht der Produktion aufzeigen. • Während Alexander lediglich die räumliche Dimension beachtet, ist in dieser Arbeit die Dimension Zeit von grundlegender Bedeutung. Die Zeit muss sich dabei sowohl innerhalb der Patterns als auch in den Beziehungen zwischen den Patterns widerspiegeln. Auch Alexander gliedert seinen Gestaltungsraum in verschiedene Situationen oder, wie er es nennt, Erlebnispatterns. In dieser Arbeit stellen diese Erlebnispatterns jedoch Ereignisse und Situationen dar, die in temporärer Abhängigkeit zueinander stehen. • Weiterhin handelt es sich bei den im Zuge des Designs digitaler Produkte zu gestaltenden Interaktionsräumen um ein interaktives Medium, und nicht um ein passives Artefakt. Die entsprechenden Besonderheiten dieses aktiven Gestaltungselements müssen in den Patterns berücksichtigt werden. D 2.1.2 Zusammenfassung Die folgende Tabelle D 2-1 fasst wesentlichen Charakteristika der Patternsprache von Christopher Alexander noch einmal zusammen. 126 Methodische Grundlagen Disziplin Architektur Zielsetzung • Wissensrepositorium • Lingua Franca zur Unterstützung des partizipativen Designs von architektonischen Umgebungen • Unterstützung des Designprozesses • „Benutzer“ der Bauwerke • andere Architekten Zielgruppe Optimierungskriterium / „Wohlfühlen“ der Benutzer durch (s. (Alexander et al. 1977)): • ästhetische Schönheit und Ordnung QWAN • geschachtelte Zentren der Symmetrie und des Gleichgewichtes • Lebendigkeit und Vollständigkeit • Anpassbarkeit und Dauerhaftigkeit • Zufriedenheit der menschlichen Benutzer • Emotionale und kognitive Resonanz Umfang • 253 Typus und Struktur • Die Patterns ergänzen sich zu einer Sprache durch: • die Ausrichtung auf ein übergeordnetes Ziel sowie • die, wenn auch nicht ganz vollständige, Verlinkung • Hierarchische Struktur mit Verfeinerungsrelation • Räumliche Zusammenhänge innerhalb der Patterns • Räumliche Inklusions- resp. Verfeinerungsbeziehung zwischen den Patterns Anwendung • Prozess der schrittweisen Verfeinerung: piecemeal growth Patternstruktur • Name, Ranking, Bild, Kontext, kurze Problembeschreibung, lange Problembeschreibung mit Kräften und Beispielen, Lösungsbeschrei- Dimensionen bung, Diagramm, verwandte Patterns.. Entdeckung der Patterns Validierung Kritik - positiv • Beobachtung der Umwelt • Best Practice • Beispiele • Erklärung der Lösung (jedoch nicht basierend auf einer bestimmten Theorie) • Patternsprache basiert auf der Definition eines „Ereignisraumes“ mit Ereignispatterns. Dies ähnelt den Situationen des Theaterstückes unter Betrachtung lediglich räumlicher Beziehungen Kritik - negativ • Weitgehende Vollständigkeit der Sprache • Verständliche Beschreibung • Vernachlässigung der zeitlichen Dimension • (Gegenstand des Designs ist ein passives Artefakt) Tabelle D 2-1: Übersicht über Architekturpatterns D 2.2 Patterns im Software Engineering Neben der Architektur ist das Software Engineering die zweite Disziplin, in der Patterns zur Unterstützung des Designs breite Anwendung finden. Design Patterns für digitale Produkte 127 Die Anfänge der Patternforschung im Software Engineering gehen auf Ward Cunningham und Kent Beck zurück. Sie entwickelten im Jahre 1987 fünf Patterns zur Unterstützung von Smalltalkprogrammierern bei der Entwicklung von Benutzerschnittstellen. Dabei konnte gezeigt werden, dass auch unerfahrene Programmierer unter Anwendung dieser Patterns schnell lernten, gute Benutzerschnittstellen zu entwickeln.115 Kurz darauf entwickelte Jim Coplien einen Patternkatalog zur Unterstützung der C++ Programmierung (Coplien 1992). Durchgesetzt hat sich der Einsatz von Patterns im Software Engineering jedoch erst durch die Arbeiten von Erich Gamma, Richard Helm, Ralph Johnson und John Vlissides, die häufig auch als „the Gang of Four“ (GoF) bezeichnet werden. Sie entwickelten einen Patternkatalog zur Unterstützung des objektorientierten Programmdesigns, der erstmalig auf der OOPSLA’93 präsentiert und 1995 als Buch „Design Patterns“ publiziert wurde (Gamma et al. 1995). 1994 wurde die Konferenzreihe PLoP (Pattern Languages of Programs) initiiert, die sich schnell zum zentralen Forum für Patternsprachen im Bereich des Software Engineerings entwickelte. Bei Software Patterns kann man primär zwischen drei Arten von Pattern unterscheiden: Design Patterns, Analysepatterns und Organisationspatterns. Am weitesten verbreitet sind die Design Patterns, welche die Designphase des Software Engineering Prozesses unterstützen. Deren bekannteste Vertreter sind die GoF (Gamma et al. 1995). Daneben haben die Arbeiten der „Siemens Gang of Five“, Frank Buschmann, Regine Meunier, Hans Rohnert, Peter Sommerlad und Michael Stal, breite Beachtung und Akzeptanz gefunden (Buschmann et al. 1996).116 Analysepatterns unterstützen die Analysephase des Software Engineering Prozesses und somit die Modellierung der Anwendungsdomäne. Der bedeutendste Vertreter ist Martin Fowler (vgl. (Fowler 1997)). Arbeiten über Analysepatterns haben sich mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Patternforschung entwickelt.117 Organisationspatterns beschreiben bewährte Lösungen für die Organisation der Programmentwicklung (Coplien 1996; Coplien & Schmidt 1995). Neben diesen drei zentralen Patterntypen wurden Patterns zu fast allen Aspekten des Software Engineerings entwickelt.118 Die meisten Arbeiten beschäftigen sich immer noch mit Design Patterns. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend, da sich dahinter sowohl Patterns zur Unterstützung des Softwaredesigns im engeren Sinne als auch der Architektur von Softwaresystemen sowie der Imple- 115 Die Ergebnisse wurden in (Cunningham & Beck 1987) dokumentiert und auf der OOPSLA’87, ei- ner der bedeutensten Konferenzreihen über objektorientierte Programmierung, präsentiert. 116 Weitere bedeutende Werke sind die Buchveröffentlichungen ausgewählter Papiere der verschiede- nen PLoP Konferenzen sowie die Bücher der Software Pattern Reihe. 117 Dies wird insbesondere in den Beiträgen der diversen PLoP Konferenzen sichtbar (s. bspw. (Kerth 1995; Withenack 1995)). 118 Beispiele sind Patterns zur Gestaltung des Softwareprozesses, der Projektplanung, der Bedürfnisaufnahme, des Managements von Softwarekonfigurationen, etc. Eine Übersicht erhält man am besten durch die Online Proceedings der PLoP Konferenzen (http://jerry.cs.uiuc.edu/~plop/, letzter Zugriff 02.11.2001). 128 Methodische Grundlagen mentierung verbergen. Zur namentlichen Unterscheidung dieser Patterntypen haben sich die Bezeichnungen architectural patterns, design patterns und ideoms durchgesetzt. Das Differenzierungskriterium zwischen den Patterntypen ist der Abstraktions- und Detaillierungsgrad: Architekturpatterns unterstützen die Gestaltung des Gesamtsystems aus vordefinierten Subsystemen. Design Pattern beschreiben das Design der Subsysteme und somit das Verhalten und die Beziehungen zwischen den Programmkomponenten. Ideoms betreffen die eigentliche Implementierung und berücksichtigen dabei die Besonderheiten einer bestimmten Programmiersprache (Buschmann et al. 1996). Riehle und Züllighoven (1996) unterscheiden ebenfalls zwischen drei Typen von Design Patterns: Konzeptuelle Patterns, Design Patterns und Programmierungs-Patterns. Ihre Aufteilung orientiert sich somit an den Phasen des Software Engineering Prozesses. Konzeptuelle Patterns zeigen dabei eine starke Ähnlichkeit zu den Analysepatterns auf, und Programmierungs-Patterns zu den Ideoms. Zielsetzung und Ausrichtung Wie die Patterns von Christopher Alexander sollen auch die Patterns des Software Engineerings dazu dienen, die Erfahrungen aus vergangenen Designprojekten zu extrahieren und zu systematisieren. Sie unterstützen sowohl die einfache Vermittlung von Design-Wissen als auch den Austausch und Aufbau von Wissen innerhalb der Community der Software Ingenieure. Ein grosser Vorteil wird in der Beschleunigung des Designprozesses durch die Wiederverwendung bereits entwickelter Lösungen gesehen. Im Gegensatz zu den Patterns von Christopher Alexander sind sie dagegen weniger darauf ausgerichtet, die Kommunikation zwischen Vertretern verschiedener Disziplinen und somit einen interdisziplinären Designprozess zu unterstützen. Die Zielgruppe der Software Engineering Patterns sind eindeutig die Software-Ingenieure. Daher ist auch der Massstab für gutes Design auf deren Bedürfnisse ausgerichtet. Gutes Design zeichnet sich somit nicht primär durch das positive Erlebnis des Endanwenders bei der Nutzung der resultierenden Software, sondern durch deren Wiederverwendbarkeit und Flexibilität aus. Michael Beedle beschreibt die QWAN daher auch als „something that is created when the attributes in the design made that design ‘live’. That is, designs that are flexible, extensible, adaptable, reusable and have other qualities of living things, except of course selfreproduction and metabolism“ (Beedle 1997). Struktur In dieser Disziplin wurden zumeist einzelne Patternsammlungen erstellt, ganze Patternsysteme oder gar –sprachen finden sich noch nicht. Software Engineering Patterns erheben somit nicht den Anspruch, sämtliche Problemsituationen erfassen zu können und die Erstellung vollständiger Systeme zu unterstützen. Die Beschreibung der Patterns ist formaler und häufig durch Hinweise auf Implementierungsaspekte ergänzt. Auch dies ist ein Anzeichen dafür, dass die Patterns nicht primär als interdisziplinäres Kommunikationsmedium gedacht sind. Die meisten Autoren lehnen sich dabei an die im folgenden Abschnitt vorgestellte Struktur der Design Patterns der GoF an. Die Patterns werden weiterhin um eine weitere Komponente, das „Rational“, ergänzt. Sie umfasst die Mechanismen und Theorien, Design Patterns für digitale Produkte 129 auf denen die Lösung des Problems basiert, und erklärt somit, wie und warum das dargestellte Lösungsmuster das Problem löst. Mit dieser Ergänzung wird die Positionierung des Patternansatzes zwischen Theorie und Praxis explizit hervorgehoben. “A pattern is where theory and practice meet to reinforce and complement one another, by showing that the structure it describes is useful, useable, and used!” (Appleton 2001) Prozesse Software Engineering Patterns beruhen auf den Erfahrungen erfahrener Designer und stellen somit Best Practice Wissen dar.119 Gamma et al. (1995) betonen, dass es sich bei den dargestellten Patterns zumeist nicht um offensichtliche Lösungen, sondern um das Ergebnis langjähriger Designerfahrung handelt. Die Anwendung der Patterns erfolgt durch den Abgleich der in den Patterns dargestellten Problemsituation mit der aktuellen Designaufgabe und der anschliessenden Anwendung der Lösung im konkreten Designkontext. Im folgenden werden als prominente Vertreter der Patternansätze im Software Engineering die Design Patterns der GoF im Detail beschrieben. Im Anschluss daran wird als zweiter bekannter Vertreter die Arbeit von Martin Fowler über Analyse Patterns vorgestellt. D 2.2.1 Design Patterns der GoF Die wohl bekannteste Sammlung von Design Patterns im Software Engineering sind die Design Patterns zur Unterstützung des objektorientierten Programmdesigns, entwickelt von Erich Gamma, Richard Helm, Ralph Johnson, John Vlissides (1995). Sie bilden vor allem bzgl. der Patternstruktur das Vorbild für die Entwicklung und Beschreibung der meisten nachfolgenden Design Patterns. Zielsetzung und Ausrichtung Die QWAN umfasst die Wiederverwendbarkeit und Flexibilität der Software. Die Patterns unterstützen somit eine Gestaltung der Softwarestrukturen, die es ermöglicht, die verschiedenen Designkomponenten, d.h. den Aufbau von Klassen und Objekten, ihre Implementation, die Beziehungen zwischen den Klassen und Objekten, das Verhalten von Objekten sowie das Verhalten zwischen Objekten flexibel an neue Gegebenheiten anpassen zu können. Sie sind dabei unabhängig von der jeweiligen Anwendungsdomäne. Struktur Die Design-Patterns weisen keine hierarchische Struktur auf. Weiterhin decken sie nicht alle möglichen Designprobleme ab. Im Gegensatz zu den Architekturpatterns ist es daher nicht möglich, ein Softwaresystem ausschliesslich unter Verwendung dieser Patterns zu entwer119 Borchers (2000a) kritisiert hierbei, dass es sich bei den Pattern z.T. nicht um Lösungen für prinzi- pielle Problemsituationen handelt, sondern um die Kompensation der mangelnden Funktionalität der zur Verfügung stehenden Programmiersprachen. 130 Methodische Grundlagen fen. Die Design Patterns zum objektorientierten Design stellen somit keine Sprache im engeren Sinne, sondern lediglich eine Sammlung von Patterns, d.h. einen Patternkatalog dar. Die insgesamt 23 Patterns werden in Abhängigkeit von ihrem Zweck und ihrer Reichweite in Kategorien eingeteilt. Das Kriterium Zweck unterscheidet „creational“ von „structural“ und „behavioral“ Patterns, in Abhängigkeit davon, ob sich die Patterns mit dem Prozess der Erzeugung von Objekten, mit der Zusammensetzung von Objekten oder Klassen oder mit der Interaktion zwischen Objekten oder Klassen beschäftigen. Die Reichweite charakterisiert Patterns danach, ob sie sich auf die Klassen- oder auf die Objektebene beziehen. Die Patterns sind über verschiedene Relationen miteinander verbunden: Patterns können alternativ eingesetzt werden, komplementär sein, oder ähnliche Resultate liefern. Es bleibt dabei jedoch unklar, wie sich die verschiedenen Patterns systematisch zur Lösung übergeordneter Ziele ergänzen. Im Vergleich zu den Architekturpatterns sind die Lösungsbeschreibungen stärker formalisiert. Sie verwenden dabei die Beschreibungskonstrukte des objektorientierten Designs, d.h. Klassenstrukturen und Kollaborationsbeziehungen zwischen den Klassen. Erfasst werden sowohl die statischen als auch die dynamischen Aspekte des Designs. Das System der sich widerstrebenden Kräfte findet sich explizit in der Beschreibung der „Konsequenzen“ wider. Bei den Design Patterns muss dabei insbesondere der Bedarf an Speicherplatz und Rechenzeit mit der Forderung nach Effizienz und Flexibilität der Software ausbalanciert werden. Ergänzt wird die Lösungsbeschreibung um eine beispielhafte Umsetzung in C++ Code sowie um weitere Hinweise zur Implementierung. Die Formulierung der Patterns selbst erfolgt weitgehend unter Verwendung natürlicher Sprache, illustriert durch Modelle des objektorientierten Designs. Innerhalb der Patterns werden vorrangig strukturelle Aspekte erfasst. Die structural Patterns betrachten den Aufbau von Klassen und Objekten, die behavioral Patterns die Zusammenarbeit zwischen Objekten. Aber auch hier stehen weniger die Prozesse im Vordergrund, als vielmehr die Aspekte des Managements dieser Zusammenarbeit, d.h. der Aufteilung der Verantwortlichkeiten sowie der Gestaltung der Kommunikationsbeziehungen. Ein typisches Beispiel eines Verhaltenspatterns, das „Observer“ Pattern120 wird im folgenden verkürzt dargestellt. OBSERVER Intention: Definiere eine 1-zu-n Beziehung zwischen Objekten, so dass bei einer Änderung des Zustandes eines Objektes, alle abhängigen Objekte automatisch benachrichtigt und aktualisiert werden. Auch bekannt unter: Dependents, Publish-Subscribe Motivation: Die Partitionierung eines Systems in eine Menge kooperierender Klassen bewirkt in der Regel, dass explizit für die Konsistenzerhaltung verwandter Objekte gesorgt werden muss. 120 Übersetzung der Autorin. Design Patterns für digitale Produkte Diese Konsistenzerhaltung darf jedoch nicht durch eine enge Kopplung der Klassen und damit auf Kosten der Wiederverwendbarkeit erfolgen. Viele Werkzeuge zur Erstellung graphischer Benutzerschnittstellen trennen die Darstellung von der zugrunde liegenden Applikation. Dies ermöglicht eine unabhängige Wiederverwendung der entsprechenden Klassen, ohne die Möglichkeiten für deren Zusammenarbeit zu stören. So kann sowohl ein Spreadsheet-Objekt als auch ein Balkendiagramm die Information des selben Applikationsobjektes darstellen. Die beiden Darstellungsobjekte wissen dabei nichts voneinander, obwohl sie sich so verhalten. Wenn ein Benutzer Eingaben im Spreadsheet ändert, wird diese Änderung im Bar-Chart reflektiert und umgekehrt. Dieses Verhalten deutet darauf hin, dass das Spreadsheet und das Balkendiagramm beide von einem gemeinsamen Datenobjekt abhängig sind und daher über dessen Zustandsänderungen benachrichtigt werden müssen. [...] Das Observer Pattern beschreibt, wie eine solche Verbindung herzustellen ist. Die Kernobjekte dieses Patterns sind subject und observer. [...] Alle Observer werden über jede Zustandsänderung des Subjektes benachrichtigt. Als Reaktion darauf wird jeder Observer das Subjekt anfragen, um den eigenen Zustand mit dem des Subjektes zu synchronisieren. [ ...] Das Subjekt sendet die Benachrichtigungen [...] ohne zu wissen, wer die Beobachter sind. Dabei kann sich eine beliebige Anzahl von Observern bei einem Subjekt anmelden. Anwendbarkeit: • Wenn eine Abstraktion zwei Sichten in sich vereinigt, die in gegenseitiger Abhängigkeit stehen. Die Kapselung dieser beiden Sichten in separaten Objekten ermöglicht deren unabhängige Änderung und Wiederverwendung. • Wenn die Veränderung eines Objektes die Veränderung anderer Objekte nach sich ziehen soll, man aber nicht weiss, wie viele Objekte geändert werden müssen. • Wenn ein Objekt andere Objekte benachrichtigen können möchte, ohne diese zu kennen [...]. Struktur: Klassendiagramm Teilnehmer: • Subjekt: Kennt seine Observers und besitzt eine Schnittstelle zum Hinzufügen und Entfernen von Observerobjekten. • Observer: Definiert eine Aktualisierungsschnittstelle für Objekte, die über Änderungen eines Subjektes informiert werden sollen. • Konkretes Subjekt: Speichert den interessierenden Zustand der konkreten Objekte und sendet Benachrichtigungen an seine Observer, wenn sich sein Zustand ändert. • Konkretes Objekt: Hält eine Referenz zu einem konkreten Subjekt, speichert den Zustand der konsistent mit dem Zustand des Subjektes gehalten werden soll und implementiert die Aktualisierungsschnittstelle des Observers, die es ermöglicht, die Zustände konsistent zu halten. Kollaborationen: • Das konkrete Subjekt benachrichtig seine Observer, wann immer sich sein Zustand so ändert, dass dies zu Inkonsistenzen mit den Zuständen der Observer führen kann. • Nach der Benachrichtigung [...] kann ein konkretes Objekt das Subjekt anfragen und seinen Zustand dementsprechend anpassen. Darstellung des Sequenzendiagramms ausgespart. Konsequenzen: Das Observerpattern gestattet die unabhängige Änderung von Subjekten und Observers. Man kann Subjekte ohne die Objekte wiederverwenden und vice versa. Das Pattern gestattet weiterhin das Hinzufügen weiterer Observers ohne Änderung der Subjekte oder der anderen Observers. 131 132 Methodische Grundlagen Weitere Auswirkungen des Observer Patterns umfassen die folgenden Punkte: • Abstrakte Kopplung zwischen Subjekten und Objekten: [...] • Unterstützung der Broadcast Kommunikation: [...] • Unerwartete Aktualisierungen: [...] Implementation: ausgespart Prozesse Die Design Patterns sind primär Ergebnis der langjährigen Erfahrung der Autoren in der objektorientierten Programmierung. Dabei wurden durch einen öffentlichen Reviewprozess auch die Erfahrungen anderer Designer in die Patterns mitintegriert. Die Anwendung der Patterns erfolgt im Zuge des Software Designs. Dabei werden die in den Patterns beschriebenen Problemsituationen mit der aktuellen Situation im Designprozess abgeglichen und die Lösungen auf den konkreten Anwendungskontext übertragen.121 Die Beziehungen zwischen den Patterns gestatten die Abwägung alternativer Lösungsmöglichkeiten, sie unterstützen jedoch keinen iterativen Designprozess. D 2.2.2 Analysis Patterns von Fowler Als weiterer prominenter Vertreter von Patterns im Software Engineering wird in diesem Abschnitt, allerdings nur in Form einer Übersicht, die Arbeit von Martin Fowler vorgestellt (Fowler 1997).122 Fowler entwickelte einen Patternkatalog zur konzeptuellen Modellierung von Business Systemen. Die Patterns konzentrieren sich dabei auf die Repräsentation der internen Strukturen und Abläufe des Systems. Die Interaktionen zwischen dem Anwender und dem System, die in der vorliegenden Arbeit im Vordergrund stehen, werden dagegen kaum betrachtet. Die Sprache richtet sich dabei an die Designer von Business Systemen, die sie bei deren Designaufgabe möglichst zielgerichtet unterstützen soll. Ein einheitliches Gütemass im Sinne einer QWAN ist dabei nicht ersichtlich. Die Patternsammlung umfasst insgesamt 74 Patterns aus 11 verschiedenen Bereichen. Die Patterns innerhalb der einzelnen Bereiche ergänzen sich z.T. zur Lösung komplexerer Problemstellungen. Auf diese Zusammenhänge wird jedoch in der Patternbeschreibung selbst 121 Die Patterns erleichtern dem Programmierer die Identifikation von Objekten, die Bestimmung der Granularität, die Festlegung der Interfaces sowie die Implementation. 122 Analysepatterns unterstützen die Analysephase des Software Engineering Prozesses. Sie beschrei- ben die Strukturen des Systems, konzentrieren sich dabei jedoch auf die funktionalen Aspekte und abstrahieren von den nichtfunktionalen Anforderungen des Systems sowie von den Beschränkungen der Architektur (Conallen 1999). Sie spezifizieren, wie das gewünschte Verhalten des Systems durch die internen Strukturen zu realisieren ist. Design Patterns für digitale Produkte 133 nicht eingegangen. Die Patterns bilden somit in gewissem Sinne ein Patternsystem, dessen Struktur jedoch nicht explizit in der Sprache erfasst wird. Die Patterns selbst umfassen lediglich vier Elemente: den Namen, die Beschreibung der Problemstellung in textueller Form, Beispiele zur Illustration der Problemstellung und die Lösung, ebenfalls in textueller Form. Illustriert werden Problemstellung und Lösung durch Diagramme der objektorientierten Modellierung. Unterschiedliche Konstellationen innerhalb der gleichen Problemstellung, die unterschiedliche Kräftesysteme innerhalb der gleichen Situation widerspiegeln, werden nicht in unterschiedlichen Patterns, sondern als unterschiedliche Lösungen im gleichen Pattern beschrieben. Die Herleitung und Validierung der Patterns beruht auf den langjährigen Erfahrungen des Autors im Bereich der objektorientierten Analyse von Business Systemen. D 2.2.3 Bewertung Die Patternsysteme des Software Engineerings unterstützen vor allen Dingen das Design des digitalen Produktes I, d.h. des Designs aus der Sicht der Produktion. Die vorliegende Arbeit interessiert sich jedoch primär für die Sicht des Kunden auf das Produkt sowie die Gestaltung der Schnittstelle und somit der Kommunikationsbeziehungen zwischen dem Produkt und dem Kunden (die dann natürlich ebenfalls wieder implementiert werden müssen.) Die Implementierungsdetails sowie die internen Strukturen des Systems interessieren dagegen weniger. Inhaltlich am nächsten verwandt sind die Analysepatterns. Sie beschreiben das konzeptuelle Modell der Anwendungsdomäne. Dabei erfassen aber auch sie weniger die hier interessierenden Interaktionen zwischen Benutzer und System, als vielmehr das konzeptuelle Modell der internen Systemfunktionalität. Relevant sind daher lediglich die Ausschnitte des konzeptuellen Modells, die sich mit der Schnittstelle zwischen System und Umwelt beschäftigen.123 Auch in ihrer Ausrichtung unterscheiden sich die Patternansätze des Software Engineerings von den Patterns für digitale Produkte II. Im Zentrum steht hierbei die Flexibilität und Adaptivität der entstehenden Software-Artefakte, und nicht die optimale Interaktion zwischen System und Anwender sowie die Ausrichtung auf den Kundenwert. Beide Ansätze entsprechen sich jedoch in ihrer generellen Zielsetzung im Sinne der Identifikation und Wiederverwendung bewährten Designwissens. 123 In der UML Terminologie werden diese als „Boundary Classes“ bezeichnet (s. (Conallen 1999)). Eine Einordnung des hier entwickelten Patternsystems in die Patternsysteme des Software Engineerings ist ansonsten primär auf der Ebene der funktionalen Anforderungsanalyse möglich. Diese findet in der Regel im Rahmen einer Use-Case-Analyse statt. Arbeiten zur Systematisierung des Use-Case-Wissens befinden sich jedoch erst in den Anfängen s. ChiliPLoP 2001, http://www.agcs.com/supportv2/techpapers/patterns/chiliplop/2001/2001_titlepage.htm, letzter Zugriff 02.11.2001). 134 Methodische Grundlagen Die Struktur der Patternsammlung hat ebenfalls keinen Vorbildcharakter. Die Patterns bilden keine Sprache. Sie lösen einzelne Probleme im gleichen Problemkontext, ergänzen sich jedoch nur bedingt zur Lösung komplexerer Probleme. Eine sukzessive Ableitung des Designs eines Gesamtsystems wird somit nicht unterstützt. Die Patternstruktur selbst ist weitgehend an die Alexandrinische Struktur angelehnt und verwendet dabei für die Beschreibung der Lösung Konzepte aus der Designdisziplin. Sie ist formaler und auf die spätere Implementierung ausgerichtet. In den Patterns werden vorrangig strukturelle Aspekte erfasst. Die für uns wichtigen dynamischen und zeitlichen Abhängigkeiten innerhalb und vor allem zwischen den Patterns werden dagegen auch bei diesen Patternansätzen kaum betrachtet. Die Ergänzung der Patternstruktur um das „Rational“ ist dagegen auch für diese Arbeit zentral. Sie erweitert die vornehmlich theoretische Basis des Patternansatzes um eine theoretische Fundierung und Erklärung. Dies ist besonders für junge Design-Disziplinen mit wenig fundiertem Praxiswissen entscheidend (s. Abschnitt E 1.3). D 2.2.4 Zusammenfassung Die folgende Tabelle D 2-2 fasst die wesentlichen Charakteristika der Patternansätze aus dem Software Engineering noch einmal zusammen. Disziplin Software Engineering Zielsetzung • Wissensbasis • Unterstützung des Designprozesses (Effizienzsteigerung) • Software-Ingenieure Zielgruppe Optimierungskriterium QWAN Umfang Typus und Struktur / • • Wiederverwendbarkeit Anpassbarkeit und Flexibilität • GoF: 23 • Fowler: 73 • Die Patterns ergänzen sich lediglich zu Katalogen. • Struktur • Gruppierung in Kategorien (s. GoF, Fowler) • Ähnlichkeits- und Komplementaritätsrelation (GoF) • Bedingt Verfeinerungsrelationen (Fowler) • Vorrangig strukturelle Zusammenhänge innerhalb der Patterns (Aufbau- und Managementstrukturen) • Vorrangig strukturelle Zusammenhänge zwischen den Patterns Anwendung • „Pattern Matching“: Vergleich der aktuellen Situation mit der Problembeschreibung der Patterns Patternstruktur • GoF: Name, Klassifikation, Intention, Aliase, Motivation, Anwendbarkeit, Struktur, Teilnehmer, Kollaborationen, Auswirkungen, Dimensionen Implementation, Beispielcode, bekannte Anwendungen, verwandte Patterns • Fowler: Name, Problembeschreibung, Illustration, Lösung • Kanonische Form (s. (Appleton 2001)): Name, Problem, Kontext, Kräfte, Lösung, Beispiele, Resultierender Kontext, Rational, Ver- Design Patterns für digitale Produkte 135 wandte Patterns, Bekannte Anwendungen. Entdeckung der Patterns • Erfahrungen aus langjähriger Designpraxis Validierung • Beispiele • Rationale Erklärung der Patterns • Diskussion innerhalb einer etablierten Pattern Community • Ergänzung um „Rational“ mit einer expliziten (theoretischen) Erläuterung der Funktionsweise der Lösung • Erwiesene einfache und bewährte Anwendbarkeit der Patterns • Strukturierung der Lösung in Struktur, Teilnehmer und Kollaboration • Betonung der systeminternen Strukturen und Abläufe • Vernachlässigung der Interaktionsbeziehungen mit dem Benutzer • Geringe Strukturierung der „Sprache“ • Keine Unterstützung des systematischen Designs gesamter Systeme • Vernachlässigung der zeitlichen Dimension • Keine Ausrichtung auf das Erlebnis und den Wert des Anwenders, stattdessen einseitige Betonung der internen Designaspekte Kritik - positiv Kritik - negativ Tabelle D 2-2: Übersicht über Software Engineering Patterns D 2.3 Patterns im HCI Zwischen den Gestaltungsproblemen der Architektur und des Human Computer Interaction (HCI) Designs können starke Parallelen gezogen werden. Bereits Barfield et al. (1994) argumentierten, dass sich der Nutzer von Computeranwendungen in einer sich entwickelnden Informationsökologie, d.h. einem virtuellen (Informations-) Raum, bewegt, der durch das HCI gestaltet werden muss. Das einzelne System ist dabei lediglich Teil eines umfassenden Netzwerkes.124 Sowohl in der Architektur als auch im HCI erfassen Patterns die Beziehungen zwischen den „physischen“ Elementen, d.h. der Plattform resp. den Gebäuden, und den dort stattfindenden Ereignissen. Mit dem Design soll das Verhalten der jeweiligen Benutzer resp. Bewohner so beeinflusst werden, dass diese sich in der jeweiligen Situation wohlfühlen. Die HCI-Forschung interessiert sich also dafür, wie ein Benutzer seine Umgebung wahrnimmt, wie sein Verhalten von seiner Umgebung beeinflusst wird, wie sich Umgebungen in grössere Kontexte einbetten lassen und wie sie sich über die Zeit verändern. Die ersten drei Punkte stimmen direkt mit dem Untersuchungsgegenstand des architektonischen Designs überein. Lediglich der Aspekt der dynamischen Veränderung unterscheidet die beiden Disziplinen. 124 Diese Vorstellung entspricht somit ziemlich genau unserer Vorstellung von einem digitalen Pro- dukt, das für den User einen Informationsraum konstituiert und dabei selbst in ein umgebendes Netz von Informationsräumen eingebettet ist. 136 Methodische Grundlagen Die Idee der Design Patterns wurde von Wissenschaftlern aus dem Gebiet der Human Computer Interaction daher bereits sehr früh und sogar vor deren ersten Anwendung im Bereich des Software Engineerings aufgegriffen. Dennoch erreichen HCI Patterns bis heute nicht eine ähnlich hohe Verbreitung und Akzeptanz. Eine der ersten Referenzen auf die Arbeiten von Alexander erschien im Standardwerk über benutzerzentriertes Systemdesign von Norman und Draper (1986) und erneut in Normans zentralem Buch über das „Design von alltäglichen Produkten“ (Norman 1998b). Im akademischen Lehrbetrieb führten Barfield et al. (1994) das Patternprinzip als Grundlage ihrer Lehre über HCI ein. Sie entwickelten Patterns nach der von Christopher Alexander festgelegten Struktur, wobei sie vorrangig bestehende Designregeln in die Patternstruktur überführten. Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre rückt der Patternansatz nun jedoch verstärkt in das Interesse der HCI Community. Dies spiegelt sich insbesondere in der Initiierung einer eigenen Konferenzreihe, der ChiliPLoP, wider. Aber auch in den etablierten Patternkonferenzen, wie der PLoP, finden sich mittlerweile Arbeiten über HCI Patterns. Zielsetzung und Ausrichtung Die Zielsetzung des Einsatzes von Patterns im HCI ist sehr stark an die Ziele der Architekturpatterns angelehnt. Patterns dienen zum einen dem Aufbau und der Übermittlung von Wissen und erleichtern somit den Designprozess insbesondere für Novizen. Sie unterstützen weiterhin, im Sinne einer Lingua Franca, den interdisziplinären Designprozess. Dabei steht auch hier die erfolgreiche Kommunikation mit dem Benutzer im Vordergrund.125 „The goals of an HCI Pattern Language are to share successful HCI design solutions among HCI professionals, and to provide a common language for HCI design to anyone involved in the design, development, evaluation, or use of interactive systems.“ (Borchers 2001) Patterns werden dabei nicht nur für das Design, sondern ebenfalls für die Analyse und somit die systematische Beschreibung bestehender Strukturen eingesetzt (s. insbesondere (Erickson 1998)). Man unterscheidet diese beiden Typen von Patterns auch in der Namensgebung und spricht einmal von Design Patterns und das andere Mal von Analysis Patterns (Bayle et al. 1998). Die QWAN umfasst hier das erfolgreiche und zufriedenstellende interaktive Erlebnis des Anwenders mit der Software (Tidwell 1998). Dabei lässt sich die QWAN weitestgehend auf das zentrale Gütekriterium des HCI, die „Usability“ (Anwendbarkeit) der Software, zurückführen. „An Interaction Pattern Language generates space / time interaction designs that create a system image close to the user’s mental model of the task at hand, to make the human-computer interface as transparent as possible.“ (Borchers 2000b) Aufgrund der Wichtigkeit des Begriffs der Usability wird dieser im folgenden genauer ausgeführt. 125 Bayle et al. (1998) verfeinern die Anwendungsarten von Patterns im HCI zu: (1) Beschreibung, (2) Generalisierung, (3) Richtlinien, (4) Sprache im Sinne einer Lingua Franca, (5) Vorhersage der Auswirkungen von Designänderungen. Design Patterns für digitale Produkte 137 Einer der bekanntesten Vertreter der HCI-Forschung vor allem auch im Bereich des Web Engineerings ist Jacob Nielsen. Er entwickelte ein breit akzeptiertes Vokabular von „Usability Attributen“, d.h. Eigenschaften, auf die sich die Usability zurückführen lässt (Nielsen 1993). Diese sind: (1) Lernbarkeit, (2) Erinnerbarkeit, (3) Effizienz, (4) Zuverlässigkeit, (5) Flexibilität, (6) Automatisierung, (7) Verständlichkeit und (8) subjektive Zufriedenheit. Norman (1998b) untersuchte dagegen konkret, durch welche Massnahmen die „Anwendbarkeit“ erzielt werden kann. Dabei identifizierte er die folgenden acht Prinzipien: • Sichtbarkeit oder Lesbarkeit der Schnittstelle: Dieses Prinzip ermöglicht es dem Benutzer, den Umgang mit dem System beim reinen Betrachten der Schnittstelle zu verstehen. • „Affordance“: Dieses Prinzip umfasst die wahrgenommenen und die tatsächlichen Eigenschaften des Systems, die dem Benutzer anzeigen, wie das System anzuwenden ist. • Natürliches Mapping: Dieses Prinzip fordert eine klare Verbindung zwischen den Aktionen, die ein Benutzer durchführen möchte, und den Mechanismen, die ihm dazu zur Verfügung stehen. • Beschränkungen: Gemäss diesem Prinzip wird der Benutzer durch die Beschränkung der Anzahl der möglichen Alternativen durch die Anwendung hindurchgeführt. • Konzeptuelles Modell: Dieses Prinzip fordert die Berücksichtigung des – bestehenden – Wissens des Anwenders bei der Schnittstellengestaltung. Das konzeptuelle Modell, das ein Anwender von der Funktionsweise eines Systems besitzt, sollte dabei mit dem tatsächlich implementierten Modell übereinstimmen. • Feedback: Dieses Prinzip sieht vor, dass dem Benutzer direkt zurückgemeldet wird, welche Aktionen er durchgeführt hat resp. ob er diese richtig durchgeführt hat. • Sicherheit: Gemäss diesem Prinzip muss der Benutzer davor geschützt werden, das System fehlerhaft zu bedienen. • Flexibilität: Nach diesem Prinzip muss es dem Benutzer möglich sein, Aktionen rückgängig zu machen oder auf eine andere Art und Weise lösen zu können. Während diese acht Prinzipien, vor allem die ersten sechs, auf einem abstrakten Niveau Möglichkeiten beschreiben, die Verwendbarkeit einer Schnittstelle zu gewährleisten, stellen die acht Attribute von Nielsen verschiedene Anforderungen an die Eigenschaften des Systems. Die Prinzipien der Flexibilität und Sicherheit befinden sich gewissermassen in einer Zwitterposition. Dabei kann das Prinzip der Sicherheit bis zu einem gewissen Grad mit dem Attribut der Zuverlässigkeit gleichgesetzt werden. Die Attribute und Prinzipien sind häufig nur bedingt miteinander in Einklang zu bringen. Bspw. geht eine Zunahme der Effizienz häufig mit einer Reduktion der Flexibilität einher. Diese Attribute stellen somit ein Basissystem sich widerstrebender Kräfte dar, die in den verschiedenen Problemsituationen ausgeglichen werden müssen. Nur wenige HCI Patternsysteme beziehen sich jedoch explizit auf ein derartiges, fest vorgegebenes System von Kräften. 138 Methodische Grundlagen Struktur In den letzten Jahren wurde eine Reihe von Patternsammlungen entwickelt. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Patternkataloge (van Welie & Troettenberg 2000). Viele Ansätze streben jedoch die Weiterentwicklung hin zu einer vollständigen Patternsprache an (Borchers 2000a; Tidwell 1999). Die verschiedenen Patternsammlungen weisen dabei keine einheitliche Strukturierung der Beziehungen zwischen den Patterns auf. Sie unterscheiden sich stattdessen in den betrachteten Aspekten sowie ihrem Abstraktionsgrad. Dieser Umstand erschwert eine Integration der verschiedenen Ansätze. Das Problem der Strukturierung der HCI Patterns und der Integration der verschiedenen Ansätze zu einer vollständigen Patternsprache rückt dabei immer stärker in den Mittelpunkt des Interesses der HCI Pattern Community. Einer der frühesten Strukturierungsvorschläge wurde auf der CHI’ 97 von George Casaday (1997) präsentiert. Er identifizierte drei Typen von Usability Patterns: „simple patterns“, „intrinsic patterns“ und „circumstantial patterns“. Deren Charakterisierung basiert auf den Usability-Attributen von Nielsen (1993). Die Patterntypen werden danach unterschieden, inwieweit sie die sich widerstrebenden Kräfte, das sind hier die Usability-Attribute, ausgleichen müssen. Bei „simple patterns“ dominiert eine Kraft, bei „intrinsic patterns“ müssen mehrere Kräfte ausbalanciert werden und bei „circumstantial“ Patterns beeinflussen weitere externe Faktoren die Gestaltung der Lösung. Diese Strukturierung ermöglicht jedoch in keinster Weise die Ableitung vollständiger Designlösungen. Sie klassifiziert die Patterns lediglich nach dem Schwierigkeitsgrad der Problemsituation. Weiterhin wurde dieser Rahmen von Casaday nicht mit Inhalten gefüllt. Er illustriert seinen Ansatz lediglich mit kurzen Beispielpatterns. Das Beispiel für „intrinsic patterns“ wird im folgenden dargestellt: • Name: „Airport passenger“126 • Kontext: Ein interaktives System mit einer bestimmten Funktionalität, die sofort bei der ersten Begegnung ersichtlich sein muss. • Kräfte: Effizienz, Zuverlässigkeit und schnelles Lernen. • Problem: Gleiche die Befriedigung aller Anforderungen aus. • Lösung: Standardisiere Komponenten und Abläufe und gestatte Abweichungen nur fallweise und wenn diese unvermeidbar sind. Diese Lösung kann in Flughäfen der ganzen Welt gefunden werden. Sie spiegelt sich insbesondere in der weltweit konsistenten Gestaltung deren Benutzerschnittstellen wider. Eine weitere Kategorisierung von Usability Patterns wurde von Mahemoff und Johnston (2001) entwickelt. Sie unterscheiden die folgenden vier Patterntypen: (1) Aufgabenpatterns, (2) Anwenderpatterns (3) Schnittstellenpatterns und (4) Systempatterns. Aufgabenpatterns beschäftigen sich mit den Problemen, die ein Anwender mit dem System lösen möchte, sowie mit der Art und Weise, wie die Anwender dabei am besten vom System unterstützt werden können. Die beiden Autoren fordern hier, dass bei der Lösung nicht nur die Benutzerschnittstelle, sondern auch Aspekte des Software Designs berücksichtigt werden. Zwischen den 126 Übersetzung der Autorin. Design Patterns für digitale Produkte 139 Aufgabenpatterns sollten reichhaltige Beziehungen aufgezeigt werden. Genauere Angaben über die Ausgestaltung dieser Beziehungen bleiben jedoch aus. Ein Beispiel ist das Pattern „Open Existing Document“ • Name: Open Existing Document127 • Kontext: Jede Software, die es dem Benutzer gestattet, verschiedene Dokumente zu betrachten und zu editieren, sollte dem Benutzer Mechanismen zur Verfügung stellen, ein zuvor erstelltes Dokument zu öffnen. • Kräfte: Der Benutzer muss das zuvor erstellte Dokument unter einer Vielzahl anderer Dokumente identifizieren können. • Lösung: [...] Das System muss Hinweise auf den Inhalt des Dokumentes liefern [...] Anwenderpatterns beschreiben die Kräfte, die bei Anwendern im Zuge der Nutzung des Systems ausbalanciert werden müssen. Sie sind weniger funktionsspezifisch und haben daher kaum direkte Auswirkungen auf das Software Design. Ein Beispiel ist das Pattern „Intermediate User, Domain Expert“. Es befasst sich mit dem Problem, dass Anwender in Abhängigkeit von ihrem Vorwissen unterschiedliche Anforderungen an ein System stellen. Die Lösung besteht darin, dem Anwender die einfache Anpassung des Systems zu ermöglichen. Schnittstellenpatterns betrachten das Design der Benutzerschnittstelle in Form von Kombinationen verschiedener Schnittstellenkomponenten. Die entsprechenden Problemstellungen sind weitgehend unabhängig von der jeweiligen Aufgabe und relativ nah mit Implementierungsaspekten verbunden. Sie beziehen sich vornehmlich auf die allgemeinen Anwendbarkeitsattribute von Nielsen (1993). Ein Beispiel ist das Pattern „Show Status“. Es befasst sich mit dem Problem, dass Benutzer Informationen über ein Objekt wünschen, dabei aber nicht mit Informationen überladen werden möchten. Die Lösung liegt in der Einführung eines dynamischen Statusobjektes, das bei Bedarf angezeigt werden kann. Systempatterns betrachten die Gestaltung des Gesamtsystems. Sie sind somit der Patterntyp mit dem höchsten Abstraktionsgrad. Genauere Ausführungen über den Inhalt dieser Patterns und vor allem ihre Zusammenhänge mit den anderen Patterngruppen werden jedoch nicht dargelegt. Ein Beispiel eines Systempatterns ist der „Document Manipulator“. Es befasst sich mit dem Problem der effizienten Editierung von Dokumenten. Gefordert werden Möglichkeiten der direkten Manipulation sowie eine Werkzeugpalette mit drag-and-drop Funktionalität. Das Strukturierungsschema von Mahemoff und Johnston erfasst somit verschiedenste Aspekte, die im Zuge der Erstellung „anwendbarer“ Softwaresysteme beachtet werden müssen. Die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Patterngruppen sowie ihr systematischer Einsatz bei der Erstellung gesamter Systeme bleibt jedoch unklar.128 127 Übersetzung der Autorin. 128 Diese Systematik wird dennoch von anderen Ansätzen zur Strukturierung ihrer Patternsammlun- gen wieder aufgegriffen (s. z.B. (Perzel & Kane 1999)). 140 Methodische Grundlagen Eine umfassende Taxonomie von Design Patterns wurde im Rahmen der ChiliPLoP’99 entwickelt. Sie ordnet Patterns in einen dreidimensionalen Eigenschaftsraum mit den Dimensionen Abstraktionsgrad, Funktion und physikalische Dimension ein. Der Abstraktionsgrad differenziert Patterns danach, ob sie sich auf die Gestaltung einer gesamten Aufgabe, eines bestimmten Teils der Interaktion (dem Stil) oder eines konkreten Schnittstellenobjektes beziehen. Die Dimension Funktion erfasst, ob sich ein Pattern mit dem Aspekt der Perzeption, der Manipulation oder der Navigation beschäftigt. Nach der physischen Dimension unterscheidet man schliesslich Patterns, die sich auf das räumlich Layout beziehen von Patterns, die diskrete Ereignissequenzen oder kontinuierlichen Zeitabläufe (wie Animationstechniken) betrachten. Diese Taxonomie konnte erfolgreich auf die eingereichten Patternsysteme angewendet werden.129 Eine weitere Strukturierung wurde auf der Interact’99 entwickelt, verabschiedet und durch ihre Anwendung auf die dort eingereichten Patternsysteme validiert. Dieses Schema erweitert die Dimension des „Abstraktionsgrades“ resp. der „Reichweite“ der zuvor diskutierten Taxonomie. Dabei werden neun Abstraktionsstufen unterschieden: die Gesellschaft, mehrere User, die soziale Position, das System, die Applikation, die Schnittstellenstruktur, Komponenten (wie Windows und Layouts), Primitive (wie Buttons) und physikalische Eigenschaften. Auch hier werden jedoch keine Beziehungen zwischen den verschiedenen Dimensionen herausgearbeitet. Das aktuellste Strukturierungsschema stammt von Borchers (2001). Er fordert, dass ein Patternsystem den gesamten Prozess des Software Engineerings abdecken und dabei einen sukzessiven Designprozess gemäss dem "piecemeal growth" ermöglichen sollte. Er entwickelte dazu ein System aus drei Patternsprachen, das die drei zentralen Bereiche des Software Engineering Prozesses abdeckt; die Analyse, das Schnittstellendesign und das Software Engineering. Jede Sprache besteht aus einer Hierarchie von Patterns unterschiedlichen Abstraktionsgrades. Dieser Ansatz wird in Abschnitt D 2.3.2 ausführlich erläutert. Auch bei diesem Ansatz fehlen jedoch klare Zusammenhänge, insbesondere zwischen den Patterns der einzelnen Sprachen, die einen interdisziplinären Designprozess direkt unterstützen könnten. Die Arbeiten zu Erstellung einer einheitlichen Metasprache für Patternsprachen im HCI Design befinden sich daher noch im Entwicklungsstadium. Befriedigende Lösungen existieren noch nicht. 129 Zur zielgerichteten Anwendung einer Patternsprache ist es jedoch entscheidend, die Zusammen- hänge zwischen den Patterns aufzuzeigen, die es ermöglichen, das Design gesamter Systeme in einem iterativen Prozess abzuleiten. Diese Beziehungen werden hier jedoch nicht erfasst. Der Abstraktionsgrad könnte dabei die zentrale Dimension einer zu entwickelnden Patternsprache sein. Die Aspekte der Funktion müssen dann innerhalb der Patterns unterschieden werden. Hier könnten sich somit weitere Subpatternhierarchien für die unterschiedlichen Aspekte entwickeln. Die zeitlichen Aspekte müssten dabei sowohl in den Patterns selbst als auch zwischen den Patterns betrachtet werden. Design Patterns für digitale Produkte 141 Prozess Zum Abschluss dieser Übersicht über HCI Patterns soll hier noch kurz auf die konstituierenden Prozesse eingegangen werden. Diese unterscheiden sich jedoch nicht wesentlich von denen der bereits vorgestellten Patternansätze der beiden anderen Disziplinen. Die Herleitung der Patterns beruht auf der Analyse von best practice Anwendungen sowie auf eigenen Design Erfahrungen. Die Validierung erfolgt ebenfalls zumeist empirisch. Eine Anwendung der Patterns gemäss dem Prozess des „piecemeal growth“ ist aufgrund der fehlenden Sprachstrukturen nur bedingt möglich. Zur Illustration der HCI Patterns werden im folgenden einige bekannte Patternsysteme vorgestellt. Die Design Patterns von Tidwell (1998), sowie der bereits erwähnte interdisziplinäre Patternansatz von Borchers (2000a) werden dabei ausführlich erläutert. Zusätzliche Arbeiten werden im Anschluss daran lediglich in Form einer Übersicht dargestellt. D 2.3.1 Common Ground Die von Jennifer Tidwell entwickelte Patternsprache „Common Ground“ ist das bis dato umfangreichste und am weitesten anerkannte System von HCI Patterns (Tidwell 1998; Tidwell 1999). Zielsetzung und Ausrichtung Die Sprache richtet sich zum einen an den einzelnen Designer, zum anderen aber an die gesamte HCI Community. Den einzelnen, insbesondere unerfahrenen, Designer soll sie dabei unterstützen, sich auf die wesentlichen Kriterien zu konzentrieren, die auftretenden Konflikte zu identifizieren und gezielt zu lösen. Auf der Ebene der gesamten HCI Community soll die Sprache die Diskussion und Weiterentwicklung des Design-Wissens fördern. Weitere Ziele bestehen darin, den Wissenstransfer mit anderen verwandten Disziplinen zu fördern sowie eine fundierte Grundlage für die Entwicklung neuer, den Designprozess unterstützender Tools zu liefern. Weiterhin soll die Patternsprache als Lingua Franca die erfolgreiche Kommunikation mit den beteiligten Parteien, insbesondere den Kunden, ermöglichen und somit einen partizipativen Designprozess unterstützen. Tidwell folgt dabei dem Ansatz der Architektur, nach dem Patternsprachen die grundsätzlichen und möglichst zeitlosen Prinzipien guten HCI Designs in einer verständlichen und einfach anzuwendenden Form erfassen. Das Qualitätskriterium ist wiederum die Usability. Gutes Design zeichnet sich also nach Ansicht von Tidwell durch ein optimales „Erlebnis“ des Kunden bei der Interaktion mit dem Software-Artefakt und somit letztendlich durch seine Zufriedenheit aus. Die Software und insbesondere das Schnittstellendesign sollen ihn bei der erfolgreichen Erfüllung seiner Anwendungsziele unterstützen. Dabei unterscheidet Tidwell grundsätzlich zwischen (1) dem Aufbau neuen Wissens und (2) der Lösung einer Aufgabe. Weiterhin werden an das Design die Anforderungen einfache Lernbarkeit, Erhöhung der Macht des Anwenders sowie hoher Unterhaltungswert gestellt. 142 Methodische Grundlagen Struktur und Umfang Tidwells „Common Ground“ ist in verschiedene Subsprachen gegliedert. Dabei können grundsätzlich zwei Abstraktionsebenen unterschieden werden. Die oberste Ebene beschreibt die generelle Gestalt und Ausrichtung des Software-Artefakts. Tidwell unterscheidet hierbei zwischen wissensvermittelnden Systemen und Systemen, welche die Durchführung einer bestimmten Aufgabe unterstützen.130 Auf der zweiten Abstraktionsebene finden sich dann die folgenden Subsprachen: • Patterns, die sich mit der generellen Abbildung des Anwendungsprozesses auf der Plattform beschäftigen und somit definieren, wie sich die Inhalte und Aktionen vor dem Benutzer entfalten • Patterns, die sich damit befassen, wie das Artefakt durch seine räumlich Positionierung im umgebenden Gesamtsystem, die Aufmerksamkeit des Benutzers auf sich lenkt • Patterns über die Organisation der Inhalte oder Aktionen auf der Arbeitsoberfläche • Patterns über die Navigationsmöglichkeiten des Benutzers • Patterns über die möglichen Aktionen des Benutzers • Patterns über die Anpassung des Systems durch den Benutzer • Patterns über die visuelle Gestaltung des Systems • Patterns über weitere Möglichkeiten der aktiven Unterstützung des Anwenders durch das System Tidwell erläutert jedoch nicht genauer, welche Art von Abhängigkeiten zwischen den jeweiligen Patterns generell existieren können. Lediglich die Beziehung zwischen den Patterns der übergeordneten Subsprache und den Patterns der Subsprachen auf dem untergeordneten Abstraktionsniveau ist relativ deutlich als Verfeinerungsrelation zu deuten. Die Beziehungen zwischen den Patterns verschiedener Subsprachen scheinen dann vorwiegend die Komplementarität der entsprechenden Patterns widerzuspiegeln. Die Patterns innerhalb einer Subsprache stellen dagegen häufig Alternativen für verschiedene Ausprägungen des zugrundeliegenden Kräftesystems dar. Das Patternsystem von Tidwell umfasst insgesamt 59 Patterns, die jedoch zum Teil noch in Bearbeitung sind. Wie soeben erläutert, handelt es sich bei dem System aufgrund des unzureichenden Strukturgerüstes nur bedingt um eine Patternsprache im engeren Sinne. Die Struktur der Patterns folgt dem Vorbild der Alexandrinischen Patterns. Die Beschreibung der Lösung abstrahiert dabei bewusst von implementationsspezifischen Aspekten. Ein Beispielpattern, Navigable Spaces, ist im folgenden in verkürzter Form dargestellt: 130 Diese Unterscheidung findet sich auch in der Disziplin des Web Engineerings wieder. Hier unter- scheidet man zwischen Web Sites und Web-Applikationen (Perzel & Kane 1999). Design Patterns für digitale Produkte 143 Navigable Space131 Beispiele: • • • • Das World Wide Web und andere Hypertextsysteme Myst Museumsausstellungen in Form einer Menge physischer Räume Menge von Applikationen in einer Suite, wie beispielsweise ein Palm Pilot oder Netzwerk Computer Kontext: Das Artefakt umfasst eine grosse Anzahl an Inhalten, zu viele, als dass diese in einer einzigen Ansicht sinnvoll darzustellen wären. Diese Inhalte können in verschiedene konzeptuelle Räume oder Arbeitsoberflächen abgebildet werden, die jedoch semantischen miteinander verbunden sind, so dass es natürlich und sinnvoll erscheint, sich von einem Raum zu einem anderen zu bewegen. Problem: Wie können die Inhalte so dargestellt werden, dass der Benutzer sie in seiner eigenen Geschwindigkeit und auf eine Art und Weise, die für ihn sowohl verständlich als auch ansprechend ist, erkunden kann. Kräfte: • • • • • Der Benutzer möchte wissen, wohin er sich als nächstes bewegen kann oder soll und wie sich die dadurch erreichte Position zu seiner aktuellen Position verhält. Der Benutzer möchte frei wählen, wohin er sich als nächstes bewegt. Der Benutzer möchte sich nicht verirren. Das Konzept der Informationsräume ist ein bekanntes Denkmodell, da es zum einen die Gegebenheiten der realen Welt widerspiegelt und zum anderen durch das WWW weit verbreitet und verstanden ist. Es macht Spass, neue Orte zu erkunden, bei denen der Benutzer nicht notwendigerweise weiss, was ihn dort erwartet. Lösung: Erzeuge die Illusion, dass die Arbeitsoberfläche aus Räumen besteht, die der Benutzer betreten und auch wieder verlassen kann. Beginne mit einem Startraum (Home Space), zu dem der Benutzer wieder einfach zurückkehren kann (Clear Entry Points). Verdeutliche in jedem Raum, wie der Benutzer zum nächsten Raum gelangen kann, z.B. durch einen unterstrichenen Text, Knöpfe, [...]. Nutze die räumliche Positionierung der Links, um dem Benutzer das Erkennen der Links zu erleichtern. Stelle ihm eine Karte mit einer Übersicht über die verlinken Räume zur Verfügung (Map of Navivable Spaces), idealerweise eine, die es gestattet, direkt zu den entsprechenden Räumen zu navigieren. Stelle sicher, dass der Benutzer die Räume wieder einfach verlassen (Go Back one Step) oder in den Startraum zurückkehren kann (Go Back to a Safe Place). [...] Resultierender Kontext: Wie bereits oben gezeigt, sollte Map of Navigable Spaces eines der ersten Patterns sein, die bei der Implementierung des Patterns zu berücksichtigen sind; das Gleiche gilt für Go Back One Step und Go Back to a Safe Place.[...] Prozesse Die Patterns leiten sich primär aus erfolgreichen Anwendungsbeispielen ab.132 Sie spiegeln dabei oftmals bestehende Designprinzipien wider, überführen diese jedoch in eine einfach verständliche und leicht anwendbare Form. 131 Übersetzung der Autorin. 144 Methodische Grundlagen Die Validierung des Patternsystems beruhte vorrangig auf dessen Diskussion innerhalb der HCI Community sowie auf der exemplarischen und erfolgreichen Anwendung der Patternsprache zum Design neuer Artefakte. Die Anwendung erfolgt durch den sukzessiven Abgleich der aktuellen Problemsituation mit den Problembeschreibungen der Patterns. Die – wenn auch nur bedingt – hierarchische Strukturierung der Patternsprache gestattet dabei prinzipiell eine iterative Verfeinerung des Designs. Tidwell betont weiterhin, das sich eine erfolgreiche Anwendung der Patterns in einen benutzerzentrierten und idealerweise partizipatorischen Designprozess eingliedern muss. Ausgangspunkt bildet die Analyse der Anwendungsdomäne, des Zwecks und der Zielgruppe des Artefakts. Ziel muss es sein, das mentale Modell, dass sich der Anwender von einem Artefakt macht, mit der – wahrgenommenen - Gestalt des Artefaktes in Übereinstimmung zu bringen. Die Patterns liefern bewährte Lösungskonzepte für sich wiederholende Designprobleme, die jedoch zunächst im Zuge der Analyse identifiziert werden müssen. Sie ermöglichen die Erstellung einer ersten Lösung, die in der Regel in weiteren Iterationsschritten in Zusammenarbeit mit dem Anwender und den weiteren Stakeholdern verfeinert werden muss. Die Patternsprache tritt hierbei vornehmlich in ihrer Funktion als Lingua Franca auf. D 2.3.2 Interdisziplinäre Patternsprache Borchers (2000a) entwickelte ein dreistufiges System von Patternsprachen, das den gesamten Prozess des Designs interaktiver Softwaresysteme unterstützen soll. Der besondere Schwerpunkt liegt auf der Patternsprache zum Schnittstellendesign. Borchers illustriert seinen Ansatz anhand der Entwicklung eines Patternsystems für interaktive Musik-Exponate. Zielsetzung und Ausrichtung Die Besonderheit dieses Ansatzes besteht darin, dass er den gesamten Prozess der Erstellung eines Software-Artefaktes von der Analyse über das Design der Schnittstelle bis zum Design der funktionalen Software unterstützen soll. Dazu entwickelte Borchers ein System aus drei Patternsprachen: eine Patternsprache für die Modellierung der Domäne, eine für die Gestaltung der Schnittstelle und eine für die Entwicklung der funktionalen Software. Die einzelnen Patternsprachen sollen dann insbesondere unerfahrene Designer bei der effizienten Erstellung guter Designlösungen unterstützen, dabei helfen, Wissen über gutes Design zu bewahren und weiterzuentwickeln, sowie im Sinne einer Lingua Franca den partizipativen Designprozess innerhalb interdisziplinärer Designteams unterstützen. „The goals of an HCI Pattern Language are to share successful HCI design solutions among HCI professionals, and to provide a common language for HCI design to anyone involved in the design, development, evaluation, or use of interactive systems.“ (Borchers 2001) 132 Diese können auch anderen verwandten Designdisziplinen, insbesondere den Printmedien und anderen traditionellen Medien, aber auch dem Design andere physischer Geräte entlehnt werden. Design Patterns für digitale Produkte 145 An die Sprachen stellt Borchers bestimmte Anforderungen, welche die Erreichung dieser Ziele gewährleisten sollen. Dies sind: (1) die disziplinunabhängige Lesbarkeit (Lingua Franca), (2) ein domänenunabhängiges, einheitliches und wohldefiniertes Format, (3) die empirische Validierung, (4) eine den Designprozess unterstützende hierarchische Strukturierung der Patterns, (5) die Abdeckung aller Designdimensionen und (6) die Integration in den Lebenszyklus (der Produktentwicklung). Die Anforderungen (1), (3) und (4) werden dabei direkt von Alexander übernommen. In bezug auf die Designdimensionen betont Borchers, dass bei HCI Patterns neben räumlichen insbesondere zeitliche Aspekte zu berücksichtigen sind. Die Anforderungen nach einer hierarchischen Struktur, einer empirische Validierung und einem einheitlichen Format spiegeln sich direkt in der Struktur der Patternsprache und der Patterns selbst wider. Die Lesbarkeit und die Abdeckung aller Designdimensionen stellen Anforderungen an die Darstellung und die Inhalte der einzelnen Patterns. Die Abdeckung des gesamten Designprozesses wird durch das entwickelte dreistufige Patternsystem sichergestellt. Ausgerichtet ist die Sprache resp. das Sprachensystem wiederum primär auf die Usability des entwickelten Software-Artefakts. Dies trifft insbesondere auf die HCI Patternsprache des dreistufigen Systems zu. Struktur Borchers schlägt eine universelle, von der jeweiligen Designdisziplin unabhängige Metasprache zur Strukturierung von Patternsprachen vor. Diese entspricht jedoch weitestgehend den von Alexander vorgeschlagenen Strukturen. Das System ist hierarchisch organisiert und unterstützt dadurch die schrittweise Ableitung der Lösung. Die Patternstruktur selbst entspricht ebenfalls weitestgehend der Alexandrinischen Struktur.133 Borchers Leistung besteht daher lediglich darin, die informale Beschreibung der Alexandrinischen Patternsprache in eine formale Darstellung zu transformieren (s. (Borchers 2000a: 52)). Wie bereits erwähnt, umfasst das Patternsystem selbst drei getrennte Instanzen der definierten Metasprache für die Aufgaben des Designs der Domäne, der Schnittstelle und der Funktionalität eines interaktiven Softwaresystems. Für jede dieser drei Sprachen definiert Borchers konkrete Stufen der zugehörigen Patternhierarchie: Bei der Anwendungsdomäne unterscheidet er lediglich zwischen weitgefassten und enggefassten Konzepten, bei den HCI Patterns zwischen Aufgaben, Dialogen (Stilen) und Interaktionsobjekten und bei den Software Engineering Patterns zwischen Architektur, Design und Implementation.134 Diese hierarchische Strukturierung der Patternsprachen erscheint zwar plausibel, sie spiegelt sich jedoch in der konkreten Instanziierung, insbesondere der HCI Patternsprache, nur bedingt 133 Aus den Anforderungen an das Patternsystem ergeben sich weitere Anforderungen an die Inhalte und deren Beschreibung. 134 Die Kategorien der HCI Patterns leitet sich von der Dimension „Scope“ der in (Borchers 2000b) entwickelten Patterntaxonomie ab. Die Strukturierung der Software Engineering Patterns entsprechen den drei Patterntypen im Software Engineering (s. Abschnitt D 2.2). 146 Methodische Grundlagen wider. Weiterhin werden auch die Beziehungen zwischen den Patterns der verschiedenen Designdisziplinen nicht explizit erfasst. Borchers argumentiert hier, dass allein schon die Ähnlichkeit der sprachlichen Gestaltung die Abstimmung der drei Designebenen erleichtern sollte. Das Patternsystem umfasst insgesamt 32 Patterns, davon gehören 11 zur Patternsprache der Anwendungsdomäne, 17 zur HCI Patternsprache und 4 zur Software Engineering Patternsprache. Die HCI Patternsprache ist dabei weitgehend unabhängig von der konkreten Anwendungsdomäne für das Design der Schnittstelle interaktiver Artefakte einzusetzen. Diese HCI Patternsprache umfasst, im Gegensatz zu den anderen beiden Patternsprachen, Aspekte, die auch bei der Entwicklung der Patternsprachen für digitale Produkte berücksichtigt werden müssen. Daher soll diese Sprache im folgenden etwas näher betrachtet und mit einem Beispielpattern illustriert werden. Der Anwendungskontext der hier entwickelten HCI Patterns umfasst interaktive Exponate in Ausstellungen, Museen, etc. Die Patternsprache spiegelt die Anforderungen dieses Einsatzfeldes explizit wider. Sie betrachtet daher nicht nur die Anwendung des Artefaktes selbst, sondern weiterhin die beiden vorgelagerten Phasen der Schaffung von Aufmerksamkeit und der Motivation der Interessenten zur Nutzung des Artefakts. Das allgemeinste Pattern, d.h. das Pattern auf der höchsten Abstraktionsstufe, fordert genau die integrierte Betrachtung aller drei Phasen. Dieses Pattern wird dann durch „Aufgabenpatterns“ verfeinert und implementiert, welche die jeweiligen Ziele der drei Phasen zu erreichen helfen. Das Pattern „Attraction Space“ beschäftigt sich beispielsweise mit dem Problem, die Aufmerksamkeit des potentiellen Users auf sich zu lenken. Es berücksichtigt dabei auch explizit die Eingliederung des Systems in eine Umgebung aus weiteren Exponaten. Die Lösung fordert, dass jedes Artefakt einen Aufmerksamkeitsraum um sich herum errichtet, der sich mit den Aufmerksamkeitsräumen der anderen Exponate möglichst nicht überlagern darf. Diese „Aufgabenpatterns“ werden dann durch „Dialogpatterns“ verfeinert, welche sich konkret mit den Interaktionsbeziehungen zwischen System und Anwender beschäftigen. Sie werden wiederum durch die Patterns für die Gestaltung der „Interaktionsobjekte“ konkretisiert. Das Pattern „Attraction Space“ wird im folgenden in verkürzter Form dargestellt: H2 Attraction Space *135 Illustration ausgespart [...] Sie [der Designer] sind dabei, die interaktive Schnittstelle eines interaktiven Exponats zu designen – ATTRACT-ENGAGE-DELIVER (H1). Sie betrachten momentan die erste Phase und müssen herausfinden, wie das System gestaltet sein muss, damit es vom Benutzer entdeckt wird und wie es sich dabei in seine Umgebung eingliedern soll. *** In einer Umgebung wie einem Ausstellungszentrum konkurrieren viele Systeme um die Aufmerksamkeit des Benutzers. Um herauszufinden, was ihnen ein System bieten kann, 135 Übersetzung der Autorin Design Patterns für digitale Produkte 147 müssen die Besucher zunächst auf das System aufmerksam gemacht werden. Systeme, die visuell zu auffällig oder zu laut sind stören, jedoch die Atmosphäre der gesamten Umgebung. ... Wenn der erste Eindruck eines Systems nicht die Aufmerksamkeit des Kunden weckt, wird dieser nie herausfinden, was ihm das System zu bieten hat. Weiterhin kann der Anwender in der Regel nicht gezwungen werden, eines der interaktiven Exponate zu benutzen. Die Situation in einer Ausstellung ist daher völlig verschieden von der Situation, in der eine Office Software verwendet wird. Dort führt das eigene Interesse des Anwenders an der Lösung einer bestimmten Aufgabe zur initialen Nutzung des Systems. Dem Exponat stehen prinzipiell zwei Möglichkeiten zur Verfügung, Aufmerksamkeit zu erregen: durch visuelle Signale, die gerichtet sind und daher nur die Besucher erreichen, die in die Richtung des Exponats schauen, oder durch akustische Signale, die ungerichtet sind. [...] Allerdings darf ein System nicht zu viele akustische und visuelle Signale aussenden, da der resultierende „Overflow“ dazu führt, dass der Besucher die gesamte Umgebung verlässt. Das einzelne Exponat muss daher mit den anderen Exponaten ko-existieren und kooperieren, um ein insgesamt positives Erlebnis für den Benutzer zu erzeugen. Das World Beat Exhibit löst diesen Konflikt auf die folgende Art und Weise: Obwohl das Exponat von Musik handelt, erzeugt es im unbenutzten Zustand keinerlei Geräusche. Stattdessen zeigt es eine sehr einfache und ästhetisch ansprechende Startseite, die den Besucher dazu einlädt, das Exponat zu erkunden. [...] Die Aufmerksamkeit des Benutzers wird hauptsächlich durch andere visuelle Hinweise geweckt, ein paar Infrarottaktstöcke, die von der Decke vor dem Bildschirm baumeln. [...] Daher: Definiere einen Aufmerksamkeitsraum um das Exponat, der so gross wie möglich ist, ohne dabei die Aufmerksamkeitsräume der benachbartern Exponate zu durchdringen. Gewährleiste, dass das System die Grenzen nicht häufig durchbricht. Um dies zu erreichen, verwende vorwiegend statische visuelle Reize in der physischen Gestalt und Erscheinung der Systemschnittstelle, die allein durch ihr Design ansprechend wirken. Vermeide den exzessiven Gebrauch von Animationen sowie vor allem von ungezielten beispielsweise akustischen Reizen, da diese sich sehr leicht mit den benachbarten Aufmerksamkeitsräumen überlagern. Eine gute Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erregen, besteht darin, dem Benutzer das Gefühl zu geben, etwas zu sehen, dass er noch nie zuvor gesehen hat – INNOVATIVE APPEARANCE. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass das Exponat nicht zu kompliziert erscheint, da dies potentielle Benutzer abschrecken kann – SIMPLE IMPRESSION. Eine erste Idee über die Funktionalität des Systems kann einfach dadurch vermittelt werden, dass die Gestaltung der Exponatumgebung an die Anwendungsdomäne angepasst wird – DOMAIN-APPROPRIATE-DEVICE. [...] Prozesse Die Anwendung der Patternsysteme erfolgt wie bei allen Patternsprachen durch die schrittweise Verfeinerung der Designaufgabe entlang der Patternhierarchie. Weiterhin fordert Borchers wie auch Tidwell die Einbettung der drei Patternsprachen in den Software-Entwicklungsprozess. Im Gegensatz zu Tidwell unterstützt sein System jedoch nicht nur das Design der Schnittstelle, sondern zusätzlich auch die Phasen der Analyse und des Programmdesigns. Konkret schlägt Borchers die Anwendung des von Nielsen (1993: 72) entwickelten „Usability engineering lifecycle models“ vor, das seinen Anforderungen an einen benutzerzentrierten Entwicklungsprozess genügt (s. (Borchers 2000a: 57 ff.)). Die drei von Borchers entwickelten Patternsysteme leiten sich aus den Erfahrungen mit dem Design konkreter Anwendungen ab. Auch ihre Validierung beruht somit zum grossen Teil auf empirischem Material. Weiterhin unterzog Borchers seine Patterns einem Reviewpro- 148 Methodische Grundlagen zess, im Zuge dessen die Qualität der Patterns durch Experten bestätigt wurde. Sie beurteilten vor allem die formalen und inhaltlichen Aspekte. Durch die Anwendung auf neue Designaufgaben konnte weiterhin gezeigt werden, dass die Patterns allgemeingültige und wiederverwendbare Designkonzepte vermitteln konnten. Ihr Einsatz innerhalb des studentischen Lehrbetriebes illustrierte schliesslich auch die didaktische Relevanz der Patternsprachen. D 2.3.3 Weitere Patternansätze Zum Abschluss sollen hier noch kurz zwei weitere Patternansätze betrachtet werden. „Experience“ von Todd Coram und Jim Lee (2001) ist eine ebenfalls noch in der Entwicklung begriffene Patternsprache. Auch sie soll das vollständige Design der Benutzerschnittstelle unterstützen. Die Sprache ist weitestgehend hierarchisch gegliedert. Auf der obersten Abstraktionsebene definieren die Autoren verschiedene Schnittstellenstile. Dabei unterscheiden sie zwischen „Text“, „Formular“, „Auswahlmenü“ und „entdeckbarer Schnittstelle“. Sie werden durch verschiedene „Settings“ sowie visuelle und akustische Signale realisiert. Settings bezeichnen die verschiedenen Aktionsstränge innerhalb einer Anwendung. Dabei unterscheiden die Autoren zwischen „multiple Settings“ und „single Settings“. Multiple Settings werden dann durch verschiedene Fenstergestaltungen verfeinert, single Settings durch verschiedene Fensterarten resp. –inhalte, wie Toolbars, Paletten, etc.. Diese können dann selbst wiederum durch verschiedene Bedienelemente verfeinert werden. Durch ihre hierarchische Gliederung scheint diese Patternsprache eine schrittweise Entwicklung der Schnittstelle zu ermöglichen. Sie konzentriert sich dabei sehr stark auf die reinen Gestaltungselemente und weniger auf die ablaufenden Prozesse. Die „Sprache“ ist jedoch noch sehr unvollständig. Eine Evaluierung ist daher noch nicht möglich. Insbesondere die Struktur und die Zusammenhänge scheinen ebenfalls nicht vollständig durchdacht zu sein. Das System umfasst insgesamt 25 Patterns, wovon 9 bereits näher beschrieben sind. Die Strukturierung der Patterns selbst lehnt sich weitestgehend an die Alexandrinische Notation an. Für diese Arbeit ist das Abstraktionsniveau dieser Patterns zu niedrig. Weiterhin fehlt auch hier eine Eingliederung in den konkreten Anwendungskontext. Van Welie und Troettenberg (2000) entwickelten 20 Patterns zum Design „anwendbarer“ Schnittstellen. Sie orientieren sich dabei sehr stark an den Usabilityprinzipien von Norman (1998b). Anderen renommierten Ansätzen, wie dem von Tidwell (1999), werfen die Autoren vor, dass diese vorwiegend die Sicht des Designers und nicht die des Anwenders einnehmen. Die Patterns ergänzen sich lediglich zu einem kategorisierten Katalog. Die Patterns werden dabei den verschiedenen Usabilityprinzipien zugeordnet. Zwischen den Patterns werden ausschliesslich Ähnlichkeitsrelationen erfasst. Eine Besonderheit der Sprache besteht in der expliziten Erläuterung der Funktionsweise der Patterns. Dabei wird für jedes Pattern erklärt, warum und wie sich dieses auf etablierte und messbare Usability Kriterien auswirkt. Diese Kriterien umfassen die Ausführungsgeschwindigkeit, die Lernbarkeit, die Erinnerbarkeit, die Zufriedenheit, die Anzahl vollständig bearbeiteter Aufgaben und die Fehlerquote (van Design Patterns für digitale Produkte 149 Welie & Troettenberg 2000). Die meisten Patterns beschäftigen sich damit, wie der Benutzer durch die Gestaltung der Abläufe bei der Erfüllung bestimmter Aufgaben unterstützt werden kann und wie er dabei vor dem Begehen von Fehlern geschützt werden kann. Die Struktur der Patterns folgt der traditionellen Struktur der Architekturpatterns. Dabei wird die Lösung zum Teil mit Hilfe von Modellierungstechniken des Interface Designs illustriert. Die fehlende Strukturierung, vor allem nach inhaltlichen Aspekten, erschwert eine gezielte Anwendung der Patterns in konkreten Applikationen. Beide Ansätze sind auf die Unterstützung der Spezialisten, d.h. der Designer, beim Designprozess ausgerichtet. User-centered Design bedeutet für die Autoren primär, dass das Interesse der Benutzer die entscheidende Zielgrösse beim Design darstellt. Ein partizipativer Designprozess, im Zuge dessen eine Patternsprache in ihrer Funktion als Lingua Franca eingesetzt werden kann, ist dagegen weniger entscheidend. D 2.3.4 Bewertung Im Gegensatz zu den Software Engineering Patterns sind die Patterns der HCI-Forschung klar auf die Interessen des Nutzers ausgerichtet. Sie beschäftigen sich mit der Gestaltung der Interaktionen zwischen Anwender und System, d.h. mit dem Design des Produktes aus der Sicht der Implementation II. Somit betrachten sie das Produkt von der auch in dieser Arbeit primär interessierenden Perspektive. Dabei bildet die Anwendbarkeit (Usability) des Systems das zentrale Gütekriterium. Lediglich Borchers (2000a) berücksichtigt die weiteren Anforderungen an das Design, die sich durch die Einordnung des Artefakts in den weiteren Anwendungskontext ergeben. Bei den von ihm betrachteten Ausstellungsexponaten muss der Anwender zunächst auf das Artefakt aufmerksam gemacht und für die Anwendung gewonnen werden; beides Aspekte, die auch beim Design digitaler Produkte beachtet werden müssen. Die sich im Zuge der Positionierung eines Produktes innerhalb eines globalen digitalen Wirtschaftsraumes ergebenden weitergehenden Situationen der Kunde-Produkt-Interaktion werden jedoch auch bei Borchers nicht berücksichtigt. HCI Patterns beschäftigen sich ansonsten vorrangig mit den domänenunspezifischen Aspekten der Schnittstellengestaltung. Eine Einordnung in den gesamten Erstellungsprozess interaktiver Applikation wird zumeist nicht vorgenommen. Am weitesten entwickelt ist hier der Ansatz von Borchers mit seinem dreistufigen, die verschiedenen Phasen der SoftwareEntwicklung abdeckenden Patternsprachen-System. Wie bereits erläutert, findet sich jedoch auch hier keine direkte Integration der verschiedenen Designaspekte. Das Abstraktionsniveau der HCI Patterns ist für diese Arbeit zu spezifisch. Die hier entwickelten Patternsprachen können jedoch zur Verfeinerung der Patternsprache für digitale Produkte genutzt werden. Am umfassensten und am weitesten entwickelt ist hierbei die Patternsprache von Jennifer Tidwell. Vorbildlich ist die HCI Patternforschung jedoch in ihrem Bemühen, vollständige Patternsprachen zu entwickeln, auch wenn diese sich lediglich auf die Erstellung der Benutzerschnittstelle beschränken. Die Beziehungen zwischen den Patterns reflektieren jedoch auch 150 Methodische Grundlagen hier ausschliesslich Komplementaritäts- und Verfeinerungsbeziehungen. Die Berücksichtigung zeitlicher und inhaltlicher Abhängigkeiten wird zwar gefordert, sie spiegeln sich jedoch in den bisher entwickelten Patternsystemen nur bedingt und, wenn überhaupt, lediglich innerhalb der Patterns wider. Aufgrund des fehlenden Anwendungsbezuges werden dagegen zeitliche sowie auch inhaltliche Beziehungen zwischen den Patterns gänzlich nicht erfasst. D 2.3.5 Zusammenfassung Die folgende Tabelle D 2-3 fasst die soeben beschriebenen wesentlichen Charakteristika der Patternansätze der HCI-Forschung noch einmal zusammen. Disziplin HCI Zielsetzung • Wissensbasis • Unterstützung des Designprozesses • Lingua Franca • HCI-Spezialisten, Schnittstellendesigner • Weitere Beteiligte am Schnittstellendesign, insbesondere der Anwender Zielgruppe selbst Optimierungskriterium / QWAN • Usability • Benutzererlebnis Umfang • Tidwell: 59 • Borchers: 32 • Coram / Lee: 25 • Van Welie / Troettenberg: 20 • Sprache / System: Tidwell, Borchers, Coran / Lee Typus und Struktur • Kataloge mit Strukturierung nach Usabilityprinzipien: Welie / Troettenberg Weitere Strukturierungsprinzipien • Tidwell: Subsprachen mit verschiedenen Aspekten (Prozess, Umwelt, Arbeitsoberfläche, Navigationsmöglichkeiten, Aktion, Modifikation, visuelle Gestaltung, aktive Unterstützung) • Borchers: Hierarchische Strukturierung der Patternsprachen; Domäne (weitgefasst, enggefasst), Schnittstelle (Aufgabe, Dialog, Interaktionsobjekt), Software Engineering (Architektur, Design, Implementation) • Casaday: Kategorisierung nach Komplexität der Problemsituation und nach den auszubalancierenden Kräften in simple, intrinsic, circumstantial Dimensionen Anwendung • Mahemoff / Johnston: Aufgabe / Schnittstelle / Anwender / System • Borchers et al.: Abstraktionsgrad, Funktion, physische Dimension • Räumliche Struktur und Zeit innerhalb der Patterns • Vorrangig strukturelle Beziehungen zwischen den Patterns • „Piecemeal growth“ bei den Patternsprachen, ansonsten • „Pattern Matching“: Vergleich der aktuellen Situation mit der Problembeschreibung der Patterns Design Patterns für digitale Produkte Patternstruktur • Entdeckung der Patterns • • Meist in starker Anlehnung an Alexandrinische Patternstruktur Erfahrungen aus langjährigem Arbeiten Analyse der Best Practices (auch aus verwandten Designdisziplinen) • Beispiele • Diskussion innerhalb einer etablierten Pattern Community • Begründung der Patterns Kritik - positiv • Ausrichtung auf Produkt aus Sicht der Implementation II Kritik - negativ • Mangelnde Strukturierung erschwert die direkte Anwendung der Patterns • Einseitige Ausrichtung auf die Usability, keine Berücksichtigung der Validierung 151 Auswirkungen des Anwendungskontextes, insbesondere der ökonomischen Motivation von Anbieter und Anwender • Weitestgehend Vernachlässigung der zeitlichen und auch inhaltlichen Abhängigkeiten vor allem bei den Beziehungen zwischen den Patterns Tabelle D 2-3: Übersicht über HCI Patternforschung D 2.4 Patterns für das Design von Hypermedia-Applikationen Digitale Produkte sind zumeist in den hypermedialen Raum des World Wide Webs eingebunden und stellen selbst ebenfalls Hypermedia-Applikationen dar. Patternansätze zum Hypermedia Design sind daher von besonderer Bedeutung für diese Arbeit. Hypermedia-Applikationen zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Schnittstelle zum Kunden aus miteinander verlinkten Informationsseiten besteht.136 Man unterscheidet hier häufig genauer zwischen Hypermedia Sites und Hypermedia-Applikationen. Sie unterscheiden sich in ihrer Komplexität und in der dahinter liegenden Programmlogik (Perzel & Kane 1999). Hypermedia Sites dienen vorrangig der Aufbereitung von Wissen. Die Eingaben des Users erfolgen lediglich im Zuge der Abfrage von Wissensbeständen oder der Navigation durch Wissensbestände. Hypermedia-Applikationen liegt dagegen eine Programmlogik zu Grunde. Sie unterstützen den Anwender bei der Erfüllung einer bestimmten Tätigkeit, z.B. dem Einkauf. Die Übergänge zwischen Sites und Applikationen sind jedoch fliessend. Das Design von Hypermedia-Applikationen verbindet die Bereiche des Software Engineerings und des Human Computer Interaction Designs. Viele Ansätze fokussieren dabei auf die Gestaltung der Benutzerinteraktion, referenzieren dabei jedoch die technischen und somit implementationsnahen Aspekte. Die Benutzerinteraktionen sind zumeist auf die Navi- 136 Nach Bieber und Kacmar (1995) zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie (1) dem Benutzer durch er- weiterte Möglichkeiten des Schnittstellendesigns und der Schnittstellenfunktionalität die Verständlichkeit erleichtern, (2) ihm in Form der Navigation durch Wissenselemente neue Möglichkeiten der Entdeckung und Manipulation von Wissen bieten und (3) es ihm ermöglichen, die Applikationen mit Kommentaren und Beziehungen zu kommentieren. 152 Methodische Grundlagen gation durch verlinkte (Informations-) Seiten abgebildet.137 Die zugrundeliegende ClientServer Technologie auf offenen Netzen stellt weiterhin besondere Anforderungen an das Design und die Implementation auf technischer Ebene. So müssen z.B. insbesondere bei Electronic Commerce-Applikationen Performanz- und Sicherheitsaspekte sowie die Besonderheiten der zugrundeliegenden Kommunikationsprotokolle berücksichtigt werden. Die Erforschung von Hypermedia Patterns hat relativ spät begonnen. Die ersten Patternansätze gehen auf die Arbeit von Garrido et al. (1997) zurück, die im Jahre 1997 veröffentlicht wurde. Seitdem wurde jedoch eine Vielzahl von Patternsammlungen entwickelt. Sie sind ausnahmslos das Ergebnis wissenschaftlicher Forschungsarbeit (German & Cowan 2000). Zielsetzung und Ausrichtung Die Idee einer Ausrichtung des Designs an einer QWAN ist in der Hypermedia Patternforschung weniger verbreitet. Übergeordnete Designziele lassen sich jedoch, je nach Ausrichtung, aus der Patternforschung des HCI Designs oder des Software Engineerings ableiten. Sie umfassen daher entweder die Aspekte der Anwendbarkeit oder die der Anpassbarkeit und Flexibilität der Software (s. Abschnitte D 2.2 und D 2.3). Die Forschung im Bereich der Hypermedia-Applikationen ist jedoch generell sehr stark von der Philosophie des Software Engineerings geprägt. Das zentrale Ziel der Entwicklung von Patternsystemen liegt in der Steigerung der Effizienz der Software-Erstellung. Die Patterns sollen bestehendes Designwissen, das in den Köpfen von Spezialisten verborgen ist und sich lediglich in deren Arbeiten widerspiegelt, externalisieren, systematisieren und für andere nutzbar machen. Patterns dienen daher primär der Wiederverwendung von Designwissen. Die Autoren insbesondere derjenigen Patternsysteme, die sich mit dem Design der Benutzerschnittstelle beschäftigen, weisen stets darauf hin, dass es sich beim Designprozess um einen interdisziplinären Prozess handelt, in den insbesondere auch der Anwender selbst zu integrieren ist. Die Bedeutung von Patternsprachen als Lingua Franca findet dennoch wenig Beachtung. Die Zielgruppe der hier entwickelten Patterns sind somit je nach Ausrichtung Software-Ingenieure oder Schnittstellendesigner, die bei ihrer Arbeit unterstützt werden sollen. Struktur Die Beschreibung der Patterns ist primär auf die Bedürfnisse der verschiedenen Spezialisten ausgerichtet. Sie lehnt sich sehr stark an die Patternstruktur aus dem Software Engineering an. Patterns sind somit stärker strukturiert und zumeist auch stärker formalisiert und enthalten direkte Hinweise auf Implementierungsaspekte. Hypermedia Patterns ergänzen sich in der Regel lediglich zu Patternkatalogen. Patternsysteme oder gar Patternsprachen existieren noch nicht. Die verschiedenen Sammlungen un- 137 Java Applets ermöglichen die Integration fast beliebiger Programmfunktionalitäten. Die Verwen- dung von Hypertext und Formularen bleibt jedoch das zentrale Charakteristikum von Hypermedia-Applikationen. Design Patterns für digitale Produkte 153 terscheiden sich sowohl in ihrem Abstraktionsgrad als auch in ihrer Ausrichtung und stehen meist unverbunden nebeneinander. Ein Hauptanliegen der Patternforschung im Bereich der Hypermedia-Anwendungen besteht daher, ähnlich wie bei der HCI Patternforschung, in der Zusammenführung der verschiedenen Ansätze durch eine einheitliche Strukturierung auf der Metaebene. In der wissenschaftlichen Literatur findet sich mittlerweile auch eine Vielzahl von Vorschlägen zur Klassifikation von Hypermedia Patterns. Eine einheitliche, umfassende und vor allem auch weithin anerkannte Strukturierung wurde bisher jedoch noch nicht entwickelt. Die verschiedenen Ansätze unterscheiden sich stark in den von ihnen zu Grunde gelegten Klassifikationskriterien. Garrido et al. (1997; 1996; 1997) kategorisieren Patterns nach den Phasen der von ihnen entwickelten objektorientierten Designmethode, der Object Oriented Hypermedia Design Method (OOHDM). Danach unterscheiden sie primär zwischen Patterns für das Navigationsdesign und Patterns für das Interface Design.138 German und Cowan (1999) schlagen eine Klassifikation nach dem Nutzen der Patterns vor. Sie unterscheiden zwischen „presentational“ (Präsentations-), „structural“ (Struktur-) und „support“ (Unterstützungs-) Patterns. Lyardet et al. (1998) teilen Patterns gemäss ihrer Zielsetzung in Patterns zur Unterstützung der Informationsorganisation, der Schnittstellenorganisation und der Implementation ein. Alle diese Strukturierungsschemata dienen jedoch lediglich zur Einordnung der von den jeweiligen Autoren entwickelten Patterns. Der Versuch einer Integration existierender Patternsammlungen wurde nicht unternommen. Universelle Klassifikationsschemata wurden dagegen von Paolini und Garzotto (1999), Nanard und Nanard (1999) und German und Cowan (2000) vorgeschlagen. Paolini und Garzotto (1999) unterscheiden drei Typen von Patterns: Patterns, die sich mit den Anforderungen des Benutzers beschäftigen, Patterns, die generische Designideen erfassen und Patterns, die wohldefinierte Designideen widerspiegeln. Die Autoren entwickeln jedoch keine eigenen Patterns und nehmen auch keine Einordnung bestehender Patterns vor. Nanard und Nanard (1999) entwickelten mit ihrem vierdimensionalen Patternraum, dem sogenannten „Hypermedia Design Pattern Space“ die bisher wohl umfassendste Charakterisierung von Hypermedia Patterns. Dabei unterscheiden sie die Dimensionen HypermediaApplikation, Hypermedia Design und Entwicklung, Hypermedia-System und menschliche Einflussfaktoren. Eine Validierung des Patternraumes durch eine Einordnung bestehender Patterns wurde jedoch auch hier nicht vorgenommen.139 Der jüngste Ansatz zur Strukturierung der Hypermedia Patterns stammt von German und Cowan (2000). Sie schlagen eine 138 Diese weit verbreitete Designmethode wird im Zuge der noch folgenden Beschreibung des „Pat- tern Systems for Hypermedia“ kurz erläutert (s. Abschnitt D 2.4.1). 139 Das erklärte Ziel der Autoren ist die Entwicklung einer Patternsprache. Ihr Designraum erfüllt die an Patternsprachen gestellten Anforderungen jedoch nicht. Jegliche Beziehungen zwischen den Patterns der verschieden Dimensionen sowie auch zwischen den Ausprägungen der einzelnen Dimensionen fehlen. Es ist somit unklar, wie und ob ihr Designraum das zielgerichtete Design vollständiger Hypermedia-Applikationen unterstützt. 154 Methodische Grundlagen Gruppierung der Patterns in fünf Kategorien vor: Architektur, Konstruktion von Komponenten, Navigation, Präsentation und Verhalten resp. Benutzerinteraktion. Darüberhinaus fordern sie eine Unterscheidung der Patterns nach ihrer Bedeutung und Wichtigkeit in zentrale und in zusätzliche Patterns. Unter Verwendung dieses Klassifikationsschemas entwickeln sie einen Katalog der wichtigsten Design Patterns als „a basic patterns system“. Die Inhalte bestehen aus Patterns bereits entwickelter Sammlungen. Eine Vereinheitlichung der Darstellung dieser Patterns wurde im Zuge der Zusammenführung jedoch nicht vorgenommen. Weiterhin fehlt auch hier eine klare Darlegung der Zusammenhänge zwischen den Patterns innerhalb einer Kategorie und zwischen den Patterns verschiedener Kategorien. Prozesse Die Herleitung der Patterns beruht auch hier auf der Analyse von Best Practice Wissen sowie auf eigenen Designerfahrungen der Autoren. Die Validierung erfolgt ebenfalls weitestgehend empirisch. Aufgrund der mangelnden Strukturierung der Patternsammlungen basiert die Anwendung der Patterns rein auf dem Mechanismus des „Pattern Matchings“. Zur Illustration werden in den folgenden Abschnitten zentrale Hypermedia Patternsammlungen vorgestellt. Der bekannteste und am weitesten entwickelte Ansatz stammt von Rossi et al.. Er wird daher zu Beginn ausführlich beschrieben. Im Anschluss daran folgt ein kurzer Überblick über weitere Ansätze. D 2.4.1 Pattern Systems for Hypermedia Garrido et al. (1997) waren unter den Ersten, die sich mit der Entwicklung von Patternsystemen zur Unterstützung des Designs von Hypermedia-Systemen beschäftigten. Ihre Patternsprache baut auf der ebenfalls von ihnen entwickelten Methode zum Design von objektorientierten Hypermedia-Systemen, der OOHDM, auf. Gemäss dieser Methodik gliedert sich der Designprozess in vier Stufen: (1) das konzeptuelle Design der Anwendungsdomäne, (2) das Design der Navigationsstrukturen, (3) das Design der Schnittstelle und (4) die Implementierung. Die Methode soll insbesondere die Erweiterung existierender, nach dem objektorientierten Paradigma entwickelter Applikationen um eine Web-Schnittstelle unterstützen. In diesem Fall beginnt der Prozess mit dem zweiten Schritt und setzt auf dem bereits bestehenden konzeptuellen Modell der Applikation auf. Zur Unterstützung des Designs entwickelten Garrido et al. (1997) drei Patternsysteme: (1) Patterns für Hypermedia-Systeme, hier verstanden als Programmierumgebungen zur Implementierung von Hypermedia-Applikationen, (2) Navigationspatterns und (3) Schnittstellenpatterns. Die Systempatterns dienen der Erweiterung der bestehenden Applikation um Hypermedia-Funktionalitäten. Trotz ihrer Ausrichtung auf die OOHDM betonen die Autoren, dass die Patterns unabhängig von dieser Methode und ebenfalls unabhängig vom zugrundeliegenden Programmierparadigma anwendbar sind. Im folgenden werden die einzelnen Patternsysteme kurz erläutert. Dabei wird jeweils ihre Ausrichtung und Zielsetzung, ihre Struktur sowie die konstituierenden Prozesse beschrieben. Die Navigationspatterns und die Schnittstellenpatterns werden aufgrund ihrer Bedeutung für die Arbeit ausführlicher beschrieben und mit Beispielen illustriert. Design Patterns für digitale Produkte 155 Wie bereits erwähnt, unterstützen Systempatterns die Konstruktion von Hypermedia-Systemen sowie die Erweiterung von Applikationen um die Hypermedia-Funktionalität. Diese Patterns richten sich somit an die Entwickler von Hypermedia-Systemen. Sie beschreiben die Struktur dieser Systeme mit Hilfe verschiedener Klassen für die Repräsentation der konstituierenden Elemente, d.h. Knoten, Links, Ankern, Navigationsstrategien und Navigationsbeobachtern. Dabei werden insbesondere die Beziehungen dieser Knoten zu den Strukturen des konzeptuellen Domänenmodells erfasst. Wrapperklassen ermöglichen dabei die Anbindung an existierende Schnittstellen. Die Sprache besteht insgesamt aus sieben Patterns. Sie umfassen jeweils eine Problembeschreibung, das System sich widerstrebender Kräfte, die Lösung, bekannte Anwendungsfälle sowie verwandte Patterns. Die Beschreibung der Inhalte erfolgt in Fliesstext. Zur Darstellung der Lösungskonzepte werden objektorientierte Konstrukte, d.h. insbesondere Klassen, genutzt. Die Beziehungen zwischen den Patterns spiegeln vorrangig die Komplementarität der entsprechenden Patterns wider. Weiterhin werden Ähnlichkeitsbeziehungen zu anderen Patternsystemen, insbesondere den Design Patterns der GoF (Gamma et al. 1995) aufgezeigt. Die Patterns sind das Ergebnis langjähriger Forschungsarbeiten, im Zuge derer auch eine Vielzahl von Hypermedia-Systemen entwickelt wurde. Für die meisten Patterns kann weiterhin auf Beispiele von Hypermedia-Systemen oder Designmethoden verwiesen werden, in denen die Patterns erfolgreich angewendet wurden. Die Validierung der Patterns erfolgt somit weitestgehend empirisch. Die Navigationspatterns dienen der Organisation der Navigationsstrukturen von Hypermedia-Applikationen. Sie richten sich ebenfalls an Spezialisten, in diesem Fall an die Designer von Hypermedia-Applikationen. Die QWAN entspricht, analog zum HCI Design der Zufriedenheit der Anwender. Er soll seine Aufgabe einfach und ohne kognitiven Overhead lösen können. Das Patternsystem besteht dann insgesamt aus fünf Patterns. Sie beschäftigen sich mit dem geeigneten inhaltlichen Umfang der Knoten, mit der Erzeugung von Knoten und Links, mit der Organisation des Navigationsraumes mit Hilfe sogenannter Navigationskontexte sowie mit der Unterstützung des Anwenders durch aktive Referenzen. Die Struktur und sprachliche Ausgestaltung der Patterns entsprechen denjenigen der Systempatterns. Die Lösungsdarstellung bedient sich jedoch der Komponenten von Hypermedia-Applikationen, d.h. Knoten und Links. Beziehungen bestehen vorrangig zwischen den Navigationspatterns und nur sehr beschränkt zwischen den Navigationspatterns und den Patterns der anderen beiden Patternsysteme. Auch hier scheint es sich vorrangig um Komplementaritätsrelationen zu handeln. Die Patterns sind wiederum das Ergebnis langjähriger Forschungsarbeiten. Sie spiegeln jedoch weiterhin oftmals weitverbreitete Designmethoden wider (s. z.B. (Nielsen 1993)). Für die meisten Patterns können konkrete Beispiele angegeben werden, in denen sie erfolgreich angewendet werden konnten. Auch hier erfolgt die Validierung der Patterns daher weitestgehend empirisch. Zur Illustration wird im folgenden ein Beispielpattern, „Active Reference“, verkürzt dargestellt: 156 Methodische Grundlagen Active Reference140 Problem: Wie kann ein permanenter Hinweis auf die aktuelle Position realisiert werden, der sowohl der Orientierung als auch der Navigation zu einer Menge verwandter Knoten des gleichen oder höheren Abstraktionsgrades dient? Motivation: In vielen Hypermedia-Applikationen müssen wir es dem Anwender ermöglichen festzustellen, wo er sich befindet, und ihn zusätzlich bei der Auswahl des nächsten Schrittes unterstützen. [...] Kräfte: • Die Navigation durch verschiedene Konzepte und verschiedene Thematiken auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen erschwert die Orientierung im Cyperspace. Daher wird ein Hinweis auf die jeweils aktuelle Position benötigt. • Ein Index auf den Knoten ermöglicht die gezielte Navigation zu einem bestimmten Folgeknoten. Die Einordnung in den Kontext ist jedoch verloren, sobald der Anwender den Zielknoten erreicht hat. • Eine Navigation History erfasst in der Regel nicht die Thematik resp. die semantischen Beziehungen zwischen den Knoten. Lösung: Eine gute Lösung besteht darin, ein aktives wahrnehmbares Navigationsobjekt in der Funktion eines Indexes auf andere Navigationsobjekte zur Verfügung zu stellen. Dieses Objekt kann zeitgleich mit den Zielobjekten wahrgenommen werden. Es gestattet dem Benutzer sowohl die Erkundung der Zielobjekte, als auch die Auswahl verwandter Zielobjekte. Auf diese Weise kann er sowohl mit dem Index als auch mit den Zielknoten interagieren. Dieses Pattern wird beispielsweise in der City.Net Web Site angewendet. Sie verdeutlicht dem Benutzer durch einen Index kontinuierlich, wo er sich im Navigationsbaum befindet. [...] Known Uses: […] Related Patterns: „Actice References“ werden innerhalb „Navigational Contexts“ erzeugt. Die Schnittstellenpatterns unterstützen das Design der graphischen Benutzerschnittstelle. Sie betrachten Fragestellungen der räumlichen und graphischen Gestaltung der Inhalte und Bedienelemente. Das Patternsystem richtet sich somit primär an die Schnittstellen-Designer. Es umfasst insgesamt sechs Patterns. Sie beschäftigen sich mit der Organisation von Information, die nicht vollständig auf einem Bildschirm angezeigt werden kann, mit der Positionierung von Kontrollelementen relativ zu anderen Informationen, mit der Organisation einer Menge von Kontrollelementen und den Möglichkeiten, dem Benutzer die Resultate seiner Aktionen aufzuzeigen. Die Beziehungen zwischen den Patterns beruhen wieder vorrangig auf Ähnlichkeits- oder Komplementaritätsrelationen zwischen den Patterns des Systems. Die Herleitung der Patterns erfolgt aufgrund von eigenen Erfahrungen, die Validierung durch die Angabe von Applikationen, in denen die Patterns erfolgreich angewendet werden konnten, und somit wiederum empirisch. Ein Beispielpattern, „Behavioral Grouping“, wird im folgenden verkürzt dargestellt: 140 Übersetzung der Autorin. Design Patterns für digitale Produkte 157 Behavioral Grouping141 Problem: Wie können verschiedenen Typen von Kontrollelementen so dargestellt werden, dass sie einfach vom Benutzer verstanden werden können? Motivation: [...] In einer typischen Hypermedia-Applikation gibt es mehrere Arten aktiver Schnittstellenobjekte: Objekte mit Navigationsmöglichkeiten, wie der „Back“ button, ...; Objekte zur Navigation innerhalb eines Kontextes, Objekte zur Kontrolle der Schnittstelle, etc. Kräfte: • Die Schnittstelle eines Knotens kann über viele verschiedene Kontrollobjekte verfügen, die unterschiedliche und vielfach unverbundene Funktionalitäten zur Verfügung stellen. • Die Vielfalt der Funktionen und Aufgaben gestattet es nicht, obiges Problem durch einfache Konventionen, wie „der Back Button ist immer auf der rechten Seite“, zu lösen. • Die Kontrollobjekte sollen die dargestellten Inhalte nicht stören oder überdecken. Lösung: Gruppiere die Kontrollobjekte nach ihrer Funktionalität in globale, kontextuelle, strukturelle und applikationsspezifische Objekte und stelle jede Gruppe in einer anderen Zone des Bildschirms dar. Gestalte die Schnittstellenobjekte jeder Gruppe ähnlich. [...] Known Uses: Diese Lösung findet sich in vielen kommerziellen Applikationen, wie z.B. der „Art Gallery“ und „Le Louvre“. [...] Verwandte Patterns: „Information-Interaction Decoupling“. In späteren Arbeiten wurden diese Design Patterns um weitere Patterns ergänzt. In (Rossi et al. 1999b) präsentieren Rossi, Schwabe und Lyardet vier weitere Navigationspatterns. Sie wurden bei der Analyse von Web-basierten EC-Systemen entdeckt. „Set-based-navigation“ ermöglicht die Navigation durch miteinander verlinkte Informationssammlungen, wie diese häufig in Produktkatalogen vorkommen, „News“ realisiert den schnellen Zugriff auf neu hinzugefügte Informationen, „Landmark“ erleichtert den Zugang zu zentralen Subsystemen, wie z.B. dem Checkout-Bereich, und „shopping basket“ ermöglicht die Sammlung ausgewählter Artikel, ohne den Suchprozess unterbrechen und verlassen zu müssen. Die Patterns finden sich in vielen Online Shops wieder. Die Autoren illustrieren ihren Einsatz daher mit Hilfe eines durchgängigen Beispiels, amazon.com. Ihr erklärtes Ziel besteht darin, die entwickelten Patterns, wann immer dies möglich ist, als Designprimitive in den Designprozess zu integrieren (entweder als Modellierungskonstrukte oder bei implementationsnäheren Konzepten als Templates). Sie sollen insbesondere dabei helfen, den Kommentierungsaufwand zu reduzieren. D 2.4.2 Weitere ausgewählte Patternsammlungen German und Cowan (1999) entwickelten einen Patternkatalog, bestehend aus drei Hypermedia Patterns. Sie beschreiben auf einem relativ hohen Abstraktionsniveau die Strukturen konkreter Anwendungen: eines virtuellen Buches („Hyper-Books“), einer virtuellen Landkarte („Hyper-Maps“) und eines virtuellen Produktes („Virtual Product“). Die Strukturierung der Patterns entspricht derjenigen der Design Patterns der GoF. Dabei werden in den Patterns sowohl Aspekte der Anwendungsdomäne als auch der Navigationsstruktur und 141 Übersetzung der Autorin. 158 Methodische Grundlagen der Schnittstellengestaltung betrachtet. Zwischen den Patterns werden keinerlei Beziehungen erfasst. Die Herleitung und Validierung der Patterns beruht auf der Analyse erfolgreicher Anwendungen. Diaz und Melser (1999) präsentieren zwei Patterns, die das Verhalten in virtuellen Räumen beschreiben, das Compound Pattern und das Collector Pattern. Die Modellierungskonstrukte sind Kontext, Anwender und Objekte. Die Beschreibung der Patterns orientiert sich an der Alexandrinischen Patternstruktur. Beziehungen zwischen den beiden Patterns existieren nicht. Die Patterns basieren auf Untersuchungen des Gruppenverhaltens und beschreiben die dabei identifizierten immer wiederkehrenden Konstellationen. Das Compound Pattern erfasst Situationen, in der das Verhalten eines Objektes von mehreren anderen Objekten abhängt. Dies wird durch die Einführung eines übergeordneten Kontrollobjektes ermöglicht. In der zweiten Konstellation müssen sich mehrere Objekte in Abhängigkeit von einem andern Objekt in der gleichen Art und Weise verhalten. Dies wird durch die Einführung eines Collectorobjektes realisiert. Bei diesen Patterns ist jedoch nicht klar, inwieweit sich diese Konstellationen direkt auf die konkrete Implementierung auswirken oder lediglich Möglichkeiten zur Koordination einer Gruppe beschreiben. Schummer und Schuckmann (1999) entwickelten eine Sammlung von Patterns zum Design kollaborativer Hypermedia-Applikationen. Sie lehnen sich dabei an die Methodik der OOHDM an, erweitern diese jedoch um den Aspekt der kollaborativen Zusammenarbeit mehrerer Parteien: d.h. der Kommunikation sowie der – gemeinsamen – Erzeugung und Veränderung komplexer Strukturen und Inhalte. Gegenüber traditionellen und zumeist auf einen Benutzer ausgerichteten Hypermedia-Applikationen erfassen die Patterns Aspekte (1) der Gruppen-Awareness, (2) der Kopplung des Applikationsverhaltens der einzelnen Gruppenmitglieder, (3) der Modellierung der Anwender und ihrer Rollen innerhalb der verschiedenen Situationen kollaborativer Zusammenarbeit sowie (4) der Kommunikation der Gruppenmitglieder. Weiterhin müssen Möglichkeiten zur Änderung der Inhalte berücksichtigt werden. Um diese Besonderheiten des Designs kollaborativer Hypermedia-Applikationen erfassen zu können, erweitern die Autoren den OOHDM Prozess um eine weitere Phase, das Kollaborationsdesign. Sie definiert die Interaktionsbeziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern. Weiterhin wird das Navigationsdesign durch Möglichkeiten zur Editierung der Inhalte ergänzt. Die Patternstruktur lehnt sich an die Alexandrinische Struktur an, enthält innerhalb der Lösungsbeschreibung jedoch weiterhin Implementationsaspekte. Das Patternsystem umfasst insgesamt sechs Patterns, vier zur Unterstützung des Kollaborationsdesigns und zwei zur Unterstützung des Schnittstellen-Designs: (1) „Communication Channel“ fordert die Einführung von Kommunikationskanälen, (2) „Session“ die Möglichkeit von Sitzungen zur – zeitlichen – Strukturierung der kollaborativen Zusammenarbeit, (3) „User Role“, die Einführung von Benutzerrollen sowie deren Zuordnung zu den Gruppenmitgliedern, (4) „Group Location Awareness“, die Einführung eines Beobachter-Objektes, welches die „Bewegungen“ der einzelnen Gruppenmitglieder beobachtet und Änderungen des Aufenthaltsortes an die anderen Teilnehmer weiterleitet, (5) „Avatar“, die Repräsentation der Benutzer durch Avatare und (6) „Virtual Room“, die Strukturierung der Zusam- Design Patterns für digitale Produkte 159 menarbeit mit Hilfe von virtuellen Räumen. Die Patterns unterscheiden sich sehr stark in ihrem Abstraktionsgrad. Zum Teil werden zwar Beziehungen zwischen den Patterns aufgezeigt, diese unterstützen jedoch nur bedingt ein gezieltes interaktives Design kompletter Anwendungen. Die Herleitung und Validierung der Patterns beruht auf der Analyse konkreter Applikationen. D 2.4.3 Bewertung Die Forschung im Bereich der Hypermedia Patterns ist breit gestreut. Die verschiedenen Patternansätze unterscheiden sich stark in ihrer Ausrichtung, ihrem Abstraktionsgrad und den betrachteten Aspekten. Generell herrscht die Bestrebung, alle Aspekte des Hypermedia Designs, d.h. insbesondere die Gestaltung der Schnittstelle als auch deren Abbildung und Anbindung an die Applikationslogik, zu erfassen. Die entsprechenden Arbeiten sind jedoch noch weitgehend im Entwicklungsstadium. Dabei handelt es sich zumeist um Patternsammlungen; Beziehungen zwischen den Patterns, welche diese zu einer Sprache ergänzen würden, werden dagegen kaum erfasst. Die Patterns richten sich sehr stark an den Bedürfnissen der jeweiligen Spezialisten aus. Sie unterstützen somit vorrangig einen effizienten Designprozess durch Software-Ingenieure, Hypermedia und Schnittstellen Designer. Es wird zwar immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich beim Design dieser Systeme um einen interdisziplinären Prozess handelt, der Einsatz der Sprache als Lingua Franca steht dennoch nicht im Vordergrund. Stattdessen besteht der Wunsch zu einer stärkeren Formalisierung der Design Patterns und zu deren Integration in Designtemplates, die dann direkt die Implementierung der ausgestalteten Strukturen unterstützen könnten. Generell sind die Patterns des Hypermedia Designs daher stärker an der Philosophie des Software Enigneerings ausgerichtet. Für diese Arbeit interessant sind vornehmlich die Patternsysteme, die sich mit der Gestaltung der Navigationsstrukturen und Schnittstellen beschäftigen. Wie die Patterns der HCIForschung steht bei ihnen der Aspekt der „Usability“ im Vordergrund. Anforderungen der Anwendungsdomäne werden dagegen auch hier nicht betrachtet. Wie bei den HCI Patterns erscheint daher auch bei den Hypermedia Patterns eine Anbindung an die hier entwickelte Patternsprache lediglich im Zuge einer Konkretisierung und Verfeinerung sinnvoll. Hypermedia Patterns haben dabei den Vorteil, dass sie bereits auf die Möglichkeiten und Besonderheiten von Web-Applikationen ausgerichtet sind. Weiterhin betrachten sie auch bereits grundsätzlich die Anbindung an die interne Applikationslogik. Von ihrem Umfang her sind sie jedoch den entsprechenden Patternsammlungen der HCIForschung unterlegen. D 2.4.4 Zusammenfassung Die folgende Tabelle D 2-4 fasst die wesentlichen Charakteristika der Patternansätze im Bereich des Designs von Hypermedia-Applikationen noch einmal zusammen. 160 Methodische Grundlagen Disziplin Hypermedia-Applikationen Zielsetzung • Unterstützung des Designprozesses (Effizienz- und Qualitätssteigerung) • Wissensbasis Zielgruppe • Spezialisten (Software-Ingenieure, Hypermedia Designer, Schnittstellendesigner) Optimierungskriterium Bei der Schnittstelle (Navigationsstrukturen, Schnittstelle) / QWAN Umfang Typus und Struktur • Usability, Benutzererlebnis Bei der Implementation der Funktionalität und der Schnittstelle • Flexibilität, Wiederverwendbarkeit • Rossi et al: 18 (7 Systempatterns, 5 Navigationspatterns, 6 Interfacepatterns) • German und Cowan: 3 • Diaz und Melser 1999: 2 • Schümmer und Schuckmann 1999: 6 • Kataloge mit Ähnlichkeits- und Komplementaritätsrelationen zwischen den Patterns Weitere Strukturierungsprinzipien • Nach den Phasen des Designprozesses (OOHDM): Systempatterns, Navigationspatterns, Schnittstellenpatterns, (Kollaborationspatterns) • Nach dem Nutzen: presentational, structural, support • Nach der Zielsetzung: Informationsorganisation, Schnittstellenorganisation, Implementation • Anforderungen des Benutzers, generische Designideen, wohldefinierte Designideen Dimensionen • Hypermedia Design Pattern Space: Hypermedia-Applikation, Hypermedia Design und Entwicklung, Hypermedia Systeme, menschliche Einflussfaktoren • Vorrangig räumlich strukturelle und bedingt zeitliche Gestaltung innerhalb den Patterns • Vorrangig räumliche und strukturelle Beziehungen zwischen den Patterns Anwendung • „Pattern Matching“: Vergleich der aktuellen Situation mit der Problembeschreibung der Patterns Patternstruktur • Meist in starker Anlehnung an Software Engineering Strukturen und bei implementationsfernen Patterns an Alexandrinische Strukturen Entdeckung der Patterns • • Validierung Kritik - positiv Erfahrungen aus langjährigen Arbeiten Analyse von Best Practice Cases und von etablierten Methoden • Beispiele • Diskussion innerhalb einer etablierten Pattern Community • Zumeist Ausrichtung auf die Usability der entstehenden Produkte (bei HCI Patterns) Kritik - negativ • Mangelnde Strukturierung erschwert die direkte Anwendung der Patterns • Für unsere Zwecke fehlende Referenz zum Anwendungsbezug, d.h. den konkreten Problemsituationen Design Patterns für digitale Produkte 161 • Einseitige Ausrichtung auf die Anwendbarkeit oder Flexibilität der Implementation • Weitgehende Vernachlässigung der zeitlichen und inhaltlichen Abhängigkeiten vor allem zwischen den Patterns Tabelle D 2-4: Übersicht über Hypermedia Patternforschung D 2.5 Patterns für web-basierte Electronic Commerce-Applikationen In diesem letzten Abschnitt werden Patternansätze vorgestellt, die speziell auf das Design web-basierter Electronic Commerce Systeme ausgerichtet sind. Sie sind sehr eng mit den Arbeiten in den Bereichen HCI und Hypermedia-Applikationen verbunden. Einige der dort entwickelten Patterns können sogar, eingeordnet in einen neuen Kontext, auch in Electronic Commerce (EC)-Applikationen verwendet werden. Bisher spezialisieren sich jedoch nur sehr wenige Patternansätze auf diesen speziellen Bereich des Software Designs. Insgesamt konnten lediglich drei umfassendere Patternansätze identifiziert werden. Der Ansatz von Rossi, Lyardet und Schwabe hat seine Wurzeln in der Hypermedia-Forschung, die Patterns von Perzel und Kane und die von Landay in der HCI-Forschung. Diese drei Ansätze für web-basierte Electronic Commerce-Applikationen werden im folgenden ausführlich beschrieben. D 2.5.1 Patterns for E-Commerce Applications Rossi et al. (2000) entwickelten einen Katalog aus fünf Patterns zur Unterstützung des Designs von EC-Applikationen, den „Patterns for E-Commerce Applications“. Zielsetzung und Ausrichtung Die Autoren betrachten EC-Applikationen als spezielle Web-Applikationen. An diese stellen sie daher auch prinzipiell dieselben Anforderungen wie an eine gute Hypermedia-Applikation: eine gute und zielführende Navigationsstruktur, eine lesbare Schnittstelle und ein klares Domänenmodell. Darüberhinaus fordern die Autoren, dass alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion erfasst werden und nicht nur die Anwendung des Produktes selbst. Dabei beschränken sie sich jedoch weitestgehend auf den Erwerbsprozess und weniger auf die dem Erwerb vor- und nachgelagerten Prozessstufen der Awareness, der Einstellungsbildung und der Entscheidung sowie der Abwicklung und der Kundenbetreuung. Neben den Interessen des Kunden sollen auch die Interessen der Anbieter berücksichtigt werden. Die QWAN erweitert sich somit um die Zufriedenheit und die Erreichung der Ziele aller Beteiligten im Zuge des Kaufprozesses. Die Patterns richten sich dabei vorrangig an Designspezialisten. Diese sollen bei der Entwicklung von auf den EC ausgerichteten Web-Applikationen unterstützt werden. Nach der Terminologie des von den Autoren entwickelten und in Abschnitt D 2.4.1 vorgestellten Pattern Frameworks für Hypermedia-Applikationen handelt es sich bei den Patterns um Navigationspatterns. Sie beschreiben Lösungen von Designproblemen bzgl. der Gestaltung der Navigationsstrukturen, die sich durch die spezifischen Anforderungen von ECAnwendungen ergeben. 162 Methodische Grundlagen Struktur Die Patternstruktur ist eine Kombination der Struktur der Design Patterns der GoF und der Struktur der Alexandrinischen Patterns. Die konstituierenden Elemente sind Intention, Motivation, Kräfte, Lösung, Beispiele, Konsequenzen, Implementation und verwandte Patterns. Die Beziehungen zwischen den Patterns erklären dabei lediglich Ähnlichkeiten oder Unterschiede zwischen den Patterns. Die Patterns ergänzen sich somit nicht zur Lösung komplexerer Lösungen und bilden daher lediglich einen Patternkatalog. Im einzelnen umfasst diese Patternsammlung die Patterns: „Opportunistic Link“, „Advising“, „Explicit Process“, „Easy Undo“ und „Push Communication“. „Opportunistic Link“ zeigt auf, wie der Kunde durch die geeignete Verlinkung verwandter Produkte selbst nach dem Auffinden des gesuchten Produktes zum weiteren „Stöbern“ im Online Shop animiert werden kann. „Advising“ fordert durch spezielle Beratungsfunktionen, die neben den eigentlichen Suchfunktionalitäten angeboten werden, die Auswahl eines geeigneten Produktes zu erleichtern. Beispiele sind die Empfehlungsfunktion von amazon.com oder die dort ebenfalls angebotenen Bestsellerlisten. „Explicit Process“ zeigt auf, wie bestimmte nicht atomare Prozesse durch explizites Feedback des Systems für den Benutzer verständlich dargestellt werden können. Dies erhöht das Vertrauen und das Sicherheitsgefühl des Nutzers insbesondere in diejenigen Prozesse, die vom Benutzer die Eingabe persönlicher und insbesondere zahlungsrelevanter Informationen erfordern. „Easy Undo“ verhält sich komplementär zum Pattern „Explicit Process“. Es gestattet dem Benutzer in einem mehrstufigen, nicht atomaren Prozess einzelne Prozessschritte kontrolliert rückgängig machen zu können. Hierfür wird die Verwendung von speziellen Navigationsmöglichkeiten, z.B. in Form von undo-Buttons vorgeschlagen. „Push Communication“ ermöglicht es, den Kunden kontinuierlich über Neuigkeiten informiert zu halten, ohne dass dieser die Information aktiv suchen muss. Zur Illustration wird das Pattern „Opportunistic Link“ im folgenden in gekürzter Form beschrieben. Opportunistic Link142 Intention: Erhalte das Interesse des Kunden an der Web Site. Motiviere ihn dazu, auf der Site zu bleiben, auch wenn er bereits gefunden hat, was er sucht. Motivation: Nehmen wir an, wir bauen ein Online-Geschäft auf, wie amazon.com. Nach dem Zugang zur Web Site können wir viele verschiedene Produkte anbieten. [...]Dennoch betreten viele Kunden den Online Shop mit einem ganz bestimmten Ziel vor Augen. [...] Wenn sie das gesuchte Produkt gefunden haben, tendieren sie dazu, die Site zu verlassen. Eine Möglichkeit, den Kunden auf der Site zu halten, besteht darin, Links zu anderen Produktseiten hinzuzufügen, die den Leser dazu motivieren sollen, zu anderen Produkten zu navigieren. [...] Mit Hilfe semantischer Links müssen wir dabei die Gefahr reduzieren, dass der Kunde die Orientierung verliert. Wie bringen wir nun aber diese beiden Anforderungen in Einklang? Kräfte: • Wir möchten den Kunden dazu motivieren, im Geschäft zu bleiben, selbst nachdem er das von ihm gesuchte Produkt gefunden hat. 142 Übersetzung der Autorin. Design Patterns für digitale Produkte • 163 Wir möchten die Struktur des Geschäftes nicht durch aussagenlose Links zerstören. Lösung: Verbessere die Verknüpfungstopologie durch Links auf neue Produkte. Verwende Links mit einer klaren semantischen Bedeutung. [...] Beispiel: „Opportunistic Link“ kann in vielen elektronischen Geschäften gefunden werden. Zum Beispiel findet man bei cdnow.com oder amazon.com weitere CDs, die inhaltlich zu der vom Kunden bereits ausgewählten CD passen. [ ...] Konsequenzen: • Bindet den Kunden länger an die Site und erhöht als indirekte Konsequenz die Verkaufszahlen. • Eine zu starke Verlinkung kann einen kognitiven Overload erzeugen. • Das zugrundliegende Datenmodell wird komplexer. Implementation: [...] Wir müssen einfach die Schnittstelle um weitere Links ergänzen. Diese Links können direkt aus dem zugrundeliegenden Datenmodell durch Algorithmen zur Identifikation von Ähnlichkeiten, berechnet werden. [...] Related Patterns: „Opportunistic Link“ ist sehr ähnlich zu „Advising“. [...] Sie unterscheiden sich jedoch in den dahinterliegenden Absichten. Während „Opportunistic Linking“ den Kunden dazu motivieren möchte, sich länger im Geschäft aufzuhalten, hilft ihm „Advising“ bei der Auswahl des gewünschten Produktes. Prozesse Die Anwendung der Patterns beruht auf einem Abgleich der aktuellen Situation mit der im Pattern beschriebenen Problemstellung und der anschliessenden Anwendung der zugehörigen Lösung. Die Patterns selbst sind Ergebnis von Analysen diverser Electronic CommerceApplikationen. Die Herleitung und Validierung der Patterns beruht somit auf einer empirischen Untersuchung von Best Practice Lösungen. D 2.5.2 Usability Patterns for Applications on the World Wide Web Die zweite hier vorgestellte Patternsammlung, die sich speziell mit den Anforderungen von Web-Applikationen im Umfeld des Electronic Commerce beschäftigt, wurde von Kimberly Perzel und David Kane entwickelt: die „Usability Patterns for Applications on the World Wide Web“ (Perzel & Kane 1999). Die beiden Autoren gliedern sich mit ihrer Patternsammlung in das Gebiet der HCI Patternforschung ein. Gemäss der Kategorisierung von Casaday (1997) (s. auch Abschnitt D 2.3) klassifizieren sie ihrer Patterns als „circumstantial patterns“, da bestimmte externe Kräfte der Web-Umgebung beim Design mit berücksichtigt werden müssen. Nach dem Klassifikationsschema von Mahemoff und Johnston (2001) (s. auch Abschnitt D 2.3) stellen ihre Patterns entweder Systempatterns oder Schnittstellenpatterns dar. Die vorherige Feststellung der Benutzerprofile und der Aufgabe setzen sie dabei als gegeben voraus. Zielsetzung und Ausrichtung Die Ausrichtung der Patterns, d.h. die QWAN, ist wie bei allen Patterns der HCI-Forschung die Anwendbarkeit der Applikation und die Zufriedenheit des Anwenders. Die Autoren erheben dabei den Anspruch, das Design typischer EC-spezifischer Situationen zu betrachten. Dies trifft jedoch lediglich auf die Systempatterns zu. Die Schnittstellenpatterns betrachten 164 Methodische Grundlagen dagegen generelle Probleme des Designs web-basierter Applikationen und gliedern sich somit direkt in die HCI resp. die Hypermedia Patternforschung ein. Bei der Zielsetzung der Patternsprache tritt neben der Unterstützung der Designer bei der effizienten Erstellung qualitativ hochwertiger Benutzerschnittstellen die Funktion der Sprache als Lingua Franca in den Vordergrund. Hier spiegelt sich wiederum die Tradition der HCIForschung wider. Struktur Die Patternstruktur entspricht weitgehend derjenigen der Alexandrinischen Patterns. Neben der Problembeschreibung, dem Kontext, den Kräften, der Lösung, dem resultierenden Kontext, den Beispielen und den verwandten Patterns ergänzen sie die Beschreibung um eine Einordnung in das Klassifikationsschema von Mahemoff und Johnston sowie um eine ausführliche Begründung der Lösung.143 Die Beziehungen zwischen den Patterns erläutern zwar, welche Patterns gemeinsam angewendet werden können, jedoch nur bedingt, wie sie sich gezielt zur Lösung eines übergeordneten komplexeren Problems ergänzen. Der Patternkatalog umfasst insgesamt fünf ausgearbeitete Patterns; 13 weitere werden lediglich namentlich erwähnt und in bezug auf die zugrundeliegende Designproblematik kurz umrissen. Eine ausführliche Ausformulierung steht jedoch noch aus. Im einzelnen handelt es sich bei den fünf beschriebenen Patterns um: „Carrot and a Stick“, „Policy Statement“, „Required Field Markers“, „What They See is All They Get“ und „Plan B“. “Carrot and a Stick“ zeigt auf, wie der Benutzer durch eine geeignete Gestaltung der Abläufe dazu motiviert werden kann, Informationen zur Verfügung zu stellen. Dabei soll dem Kunden vor der Aufforderung zur Eingabe persönlicher Informationen ein beschränkter Zugriff auf das ihn interessierende Angebot gewährt werden. Weiterhin ist ihm genau zu erklären, wie und von wem die eingegebene Information genutzt wird. „Policy Statement“ löst das Problem, dass die Bereitwilligkeit des Benutzers zur Preisgabe sensitiver Informationen sehr stark von seinem Vertrauen gegenüber dem Anbieter abhängt. Hier schlagen die Autoren die Online-Publikation eines Policy Statements vor. Während sich diese beiden Patterns mehr mit der Gestaltung des Gesamtsystems beschäftigen, stehen Überlegungen des Interface Designs im Zentrum der restlichen drei Patterns. „Required Field Markers“ sichert die Eingabe notwendiger Angaben durch den Anwender durch die Verwendung speziell markierter Eingabefelder. Das Problem, dass ein Anwender möglichst alle von ihm benötigten Informationen sehen sollte, wird durch das Pattern „What They See is All They Get“ gelöst. Es fordert, dass die wichtigste Information auf der Seite oben links präsentiert wird und möglichst alle weiteren benötigten Informationen ohne Scrollen einzusehen sind. „Plan B“ beschäftigt sich schliesslich mit dem Problem, dass sich Browser in ihren Darstellungsmöglichkeiten unterscheiden. Zur Lösung schlägt das Pattern vor, alternative Möglichkeiten vorzusehen, so dass die Applikation unabhängig vom benutzten Endgerät ansprechend dargestellt werden kann. 143 Diese Begründungen sind jedoch nicht theoretisch fundiert. Design Patterns für digitale Produkte 165 Zur Illustration wird im folgenden das Pattern „Carrot and a Stick“ in verkürzter Form beschrieben: Carrot and a Stick144 Problem: Wie bringt man seinen Anwender dazu, Informationen zur Verfügung zu stellen, die er nur widerwillig preisgibt? Kontext: Sie sind Entwickler einer Web-Applikation, die Formulare zur Eingabe von Benutzerinformationen nutzt. Diese Formulare enthalten bestimmte Felder, deren Input für die sinnvolle Anwendung der Applikation benötigt werden. Einige der Eingaben beziehen sich auf persönliche Informationen. Klassifikation: Systempattern Kräfte: • Anwender nutzen eine bestimmte Site insbesondere dann, wenn sie ihnen wertvolle Inhalte, gute Empfehlungen von Peers oder den Medien liefert. • Das Web ist ein Ort, an dem Information kostenlos ist und Anwender nur sehr widerwillig bereit sind, für Inhalte zu bezahlen (d.h. etwas Wertvolles dagegen einzutauschen). • Anwender werden eher nach einer alternativen kostenlosen Quelle suchen. • Anwender haben Angst vor Überwachung und bevorzugen es, ihre Anonymität zu bewahren. • Anwender des Internets geben persönliche Informationen nicht gerne preis, da es nicht klar ist, wie diese genutzt werden. • Anwender können geforderte Eingaben mit falscher Information füllen. • Web Sites benötigen so viel Information wie möglich über ihre Anwender, um daraus Anforderungen der Nutzer abzuleiten, Mailing-Listen aufzusetzen und Ausgaben für Wartung und Weiterentwicklung zu rechtfertigen. • [...] Lösung: Bestimmen Sie, was die Anwender als „wertvolle Karotte“ ansehen und stellen Sie den Anwendern einen Teil dieser Karotte zur Verfügung, bevor Sie sie um die Angaben persönlicher Informationen bitten. Halten Sie den Grossteil der Informationen so lange zurück, bis die Eingaben erfolgt sind. Erklären Sie den Anwendern genau, wie die Information genutzt wird. [...] Begründung: [...] In vielen Web Sites besteht der Wert der Site aus der dort zur Verfügung gestellten Information. [...] es ist schwierig vor der Betrachtung der Informationen zu entscheiden, ob sie den Austausch persönlicher Angaben wert ist. Daher ist es wichtig, zunächst etwas in den Augen des Kunden Wertvolles kostenlos zur Verfügung zu stellen. [...] Resultierender Kontext: Die Sammlung von Informationen ermöglicht es, die Site zu personalisieren sowie Mailing-Listen aufzusetzen. [...] Beispiel: Die New York Times online gestattet es ihren Lesern, die erste Seite kostenlos zu lesen. Um den ganzen Artikel zu lesen, muss sich der Anwender registrieren. Im Rahmen der Registrierung werden demographische Angaben erhoben. [...] Verwandte Patterns: Wenn eine Seite sowohl „Carrot and a Stick“ als auch „Policy Statement“ nutzt, beschreibt das „Policy Statement“ in der Regel die Bedingungen der „Carrot and a Stick“. 144 Übersetzung der Autorin. 166 Methodische Grundlagen Prozesse Die Anwendung der Patterns beruht wiederum auf einem Abgleich der in den Patterns dargestellten Problemsituationen mit der aktuellen Situation und der anschliessenden Anwendung der Lösung des passenden Patterns. Die Patterns leiten sich aus einer Analyse erfolgreicher Web-Applikationen ab. Die Validierung basiert daher auch hier auf der Darstellung dieser Best Practice Cases. D 2.5.3 The Design of Sites Als letzter Ansatz wird im folgenden die Arbeit von Douglas van Duyne, James Landay und Jason Hong vorgestellt und diskutiert: „The Design of Sites“ (van Duyne et al. 2000), einer Sammlung von Design Patterns für das zielgerichtete Design von Web Sites mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem Design web-basierter EC-Anwendungen. Bei diesen Patterns werden die verschiedenen Ebenen der Schnittstellengestaltung, vom Design der Prozesse bis zur Gestaltung der Schnittstellenelemente, betrachtet. Implementierungsaspekte sind dagegen nur dann von Interesse, wenn sie sich auf das positive Erlebnis des Anwenders mit der Software auswirken, da sie beispielsweise die Ladezeit der Web-Seiten beeinflussen. Die Ausrichtung auf Electronic Commerce-Applikationen spiegelt sich in der Berücksichtigung des Kaufprozesses und der damit assoziierten Situationen wider. Weiterhin werden von den hier entwickelten Patterns jedoch auch domänenunabhängige, d.h. allgemeine Probleme des Schnittstellendesigns erfasst. Auch hier besteht daher eine deutliche Verbindung, sowohl zu den Hypermedia Patterns, als auch zu den HCI Patterns. Die Pattern-“Sprache“ selbst ist noch im Entwicklungsstadium. Von den angekündigten 101 Patterns findet sich in elektronischen Veröffentlichungen lediglich die Beschreibung von acht Patterns.145 Zielsetzung und Ausrichtung Wie beim HCI Design sind auch diese Patterns auf das positive Erlebnis des Kunden ausgerichtet. Die QWAN wird jedoch über die reine Anwendbarkeit hinaus um den Aspekt der „Wertegenerierung“ für den Anwender, d.h. in der in dieser Arbeit verwendeten Terminologie, um den Kundenwert, ergänzt. „The Design of Sites capitalizes on the same things that have traditionally made businesses great in the offline world: attention to customer needs and desires and a strong focus on delivering value.“ (van Duyne et al. 2000: 1/3) Van Duyne et al. gehen dabei jedoch nicht genauer darauf ein, was sie unter dem Kundenwert verstehen möchten. Wie Christopher Alexander gehen auch sie davon aus, dass das Verhalten der Anwender durch bestimmte wiederkehrende Verhaltensmuster gekennzeichnet ist, die durch das Design der Umgebung unterstützt werden sollten. Van Duyne et al. sehen diese „Ereignispat- 145 Dabei handelt es sich um Auszüge eines gleichnamigen Buches „The Design of Sites“, dessen Veröffentlichung für Anfang 2002 geplant ist (van Duyne et al. 2002). Design Patterns für digitale Produkte 167 terns“ jedoch nicht als statisch und fest vorgegeben an. Diese Patterns entwickeln sich stattdessen in der Interaktion der Anwender mit der Software dynamisch weiter. „By no means is this a static pattern language. The language will continue to evolve over time, as new technologies evolve, and people design more and more powerful patterns.“ „Web design patterns emerge from how we interact with the world around us.“ (van Duyne et al. 2000: 2/2) Hier besteht somit eine Wechselwirkung zwischen den Verhaltenspatterns der Benutzer und deren Abbildung in der Software.146 Einerseits stellen die Verhaltenspatterns Anforderungen an die Software und beeinflussen somit deren Gestaltung. Andererseits wirkt das Design der Software umgekehrt auch auf das Verhalten der Anwender zurück. Auf diese Art und Weise können sich Designlösungen etablieren, die aus einer eher rationalen Betrachtung heraus keine optimalen Lösungen darstellen, jedoch im Laufe der Zeit von den Benutzern adoptiert wurden.147 Das Ziel des Patternsystems ist es, diese Regelmässigkeiten im Verhalten der Anwender und die entsprechenden etablierten Designmuster zu identifizieren. Die Design Patterns erfassen dann nicht unbedingt die besten, wohl aber die am breitesten etablierten Lösungen. „At the heart of these patterns is not some abstract design theory or some intangibly detached concepts – it’s all about people, the conventions they are used to, and designs that work. When people go online, they do not start with a blank slate. All of their experiences, all of their knowhow, all of their understanding of how the world works are taken with them when they go online.“ (van Duyne et al. 2000: 2/9) Van Duyne et al. argumentieren, dass die Ausbildung derartiger Standardlösungen insbesondere in offenen und integrierten Informations- und Wirtschaftsräumen wie dem Internet entscheidend sei. Wie bei der Architektur darf sich dort der einzelne Site-Betreiber nicht unabhängig von den anderen Anbietern sehen, sondern muss sich als Teil eines umfassenden Informationsraumes betrachten. Die Einhaltung bestimmter (de facto) Standards auch bzgl. der Gestaltung der Schnittstellen und Interaktionsprozesse bildet dabei die Voraussetzung für das gesamthafte Benutzererlebnis des Kunden. Sie erleichtert dem Kunden weiterhin auch das Verständnis der Schnittstelle. „Given that people learn behavior on the web as a whole, as opposed to any single site, it is in a business’ best interest to follow de facto standards used by other websites.”.(van Duyne et al. 2000: 2/1) “The benefit of using patterns is that they embody design experience that we as a community have developed and learned.“ (van Duyne et al. 2000: 2/4) Schliesslich unterstützen die Patterns auch direkt den eigentlichen Designprozess. Sie spiegeln Wissen über erfolgreiches und etabliertes Design wider und unterstützen somit das effiziente Design neuer Web Sites und deren konsistente Integration in einen globalen Erleb- 146 Diese Wechselwirkungen zwischen der Plattform und der auf ihr residierenden Community wurde unter der Bezeichnung „Media Spiral“ in (Klose & Lechner 2000) ausführlich beschrieben und diskutiert. 147 Man bezeichnet dies in der Innovationsforschung auch als dominantes Design (Utterback 1994). 168 Methodische Grundlagen nisraum für den Kunden. Dies ist insbesondere angesichts der zunehmenden Anzahl von Web Sites entscheidend, die einer entsprechenden Zunahme des Design Know Hows vorauseilt. Van Duyne et al. fassen diese verschiedenen Aspekte wie folgt zusammen: „What makes patterns so compelling in the Internet age: (1) they make sites easier to use because they often reflect the existing standards on the web, or an existing standard offline, (2) they speed design time, and (3) hopefully, in the long run, once embraced by the design community, they make the web much easier to use as a whole.” (van Duyne et al. 2000: 1/5) Struktur Die Struktur der Patterns lehnt sich nur sehr beschränkt an die etablierten Vorbilder aus den Disziplinen der Architektur oder des Software Engineerings an. Die Beschreibung beginnt mit einem Übersichtsteil. Er umfasst (1) eine kurze Zusammenfassung der Patterninhalte, (2) die Kategorie, (3) die Phasen des Designprozesses, in denen das Pattern verwendet wird148, (4) eine Menge von das Pattern beschreibenden Stichwörtern, (5) Werkzeuge, die bei der Umsetzung benötigt werden, (6) eine Abschätzung des mit der Umsetzung verbundenen Aufwandes, (7) Vor- und Nachteile des Patterns, (8) eine Zusammenstellung des Designteams (und somit die Zielgruppe des Patterns), (9) verwandte Patterns sowie (10) Hinweise auf Literatur, die sich mit der Thematik des Patterns beschäftigt. Im Anschluss an diese Übersicht wird die generelle Idee des Patterns anhand einer graphischen Darstellung illustriert. Sie umfasst die zugrundeliegenden Prinzipien, die Anwendungsprozesse oder die entsprechende Software-Architektur. Eine einheitliche Darstellung ist hier jedoch nicht ersichtlich. Den zentralen Teil des Patterns bilden dann die Beschreibungen der Motivation und der Vorteile des Patterns sowie Hinweise auf dessen erfolgreicher Anwendung. Die Beziehungen zwischen den Patterns werden in der Beschreibung der Lösung sowie in der Sektion „verwandte Patterns“ des Übersichtsteils erfasst. Sie spiegeln vor allem Verfeinerungsbeziehungen, oder aber eine gemeinsame Nutzung der Patterns, wider. Die Patterns ergänzen sich auch hier jedoch nur bedingt zur Lösung komplexerer Probleme. Es handelt sich somit beim „Design of Sites“ um eine Patternsammlung, und nicht um eine Patternsprache oder ein Patternsystem. Wie aus der Patternbeschreibung ersichtlich wurde, werden die Patterns in verschiedene Kategorien eingeteilt und dadurch nach ihrer thematischen Verwandtschaft gruppiert. Die entsprechenden Themen sind in der folgenden Tabelle erfasst. Pattern Name Anzahl Patterns Visual Navigation 9 Easy-to-Read Writing 5 Easy-to-Read Layouts 4 148 Diese Prozessphasen werden im weiteren Verlauf der Beschreibung dieser Patternsammlung noch näher erläutert. Design Patterns für digitale Produkte 169 Consistency in Navigation 13 Site Brand Builders 2 Mass Customization Sites 6 Creating a Powerful Home Page 4 Deceptively Simple Sites Search 4 Browsing for Content 2 Content Design 3 Self Service on Sites 3 Encouraging E-Commerce 18 E-Merchandising Methods 8 Fast Sites 8 Providing Abundant Help 2 Trustworthy Privacy Policies 2 Improving Location on Portals 4 Improving Browser Compatibility 4 Tabelle D 2-5: Thematische Kategorisierung der Patterns der Patternsammlung „Design of Sites“ Es ist dabei nicht offensichtlich, in welcher Beziehung diese Themencluster zueinander stehen. Sie unterscheiden sich insbesondere in ihrer kontextuellen Spezifität sowie ihrem Abstraktionsgrad. Die grundsätzliche Problematik dieses Ansatzes besteht genau in der Unterschiedlichkeit der Patterns und der verwirrenden Strukturierung der Patterns sowie der Beziehungen zwischen den Patterns. Insbesondere die Darstellung der Lösungen unterscheidet sich von Pattern zu Pattern. Die Patterns liefern darüberhinaus oftmals auch keine konkreten Lösungen. Stattdessen stellen sie lediglich Anforderungen an das Design und beschreiben die Prozesse zur Erreichung dieser Anforderungen. Diese beruhen zumeist auf einer Befragung der potentiellen Anwender. Von den angekündigten 101 Patterns, finden sich in den bis dato erschienenen Veröffentlichungen lediglich die Ausführungen von acht Patterns. Diese werden im folgenden kurz beschrieben: „Inverse Pyramid Writing Style“ gliedert sich in die Kategorie „Easy-to-readwriting“ ein, deren Patterns sich mit dem für die HCI-Forschung typischen Problem der Lesbarkeit von Informationsseiten beschäftigen. Das „Inverse Pyramid Writing Style“ Pattern begegnet konkret dem Problem, dass sich Online-Leser in der Regel wenig Zeit zum Lesen von Informationsseiten nehmen. Es fordert daher die Darstellung der Information in Form einer umgekehrten Pyramide, wobei die wichtigsten Informationen in prägnanter Form am Anfang der Web-Seite positioniert werden. Die Patterns „Home Page Design Rules“, „Personalize Your Home Page“, „Home Page Branding“ und „Home Page Value Proposition“ unterstützen die erfolgreiche Gestaltung von Homepages. Sie sind der Kategorie „Creating A Powerful Home Page“ zuzuordnen. 170 Methodische Grundlagen Auffallend ist hierbei die völlig unterschiedliche Ausrichtung der Patterns. „Home Page Design Rules“ beschreibt generelle Richtlinien, die bei der Gestaltung erfolgreicher Home Pages in ihrer Funktion als Einstiegsseiten erfüllt werden müssen. „Personalize Your Home Page“ stellt verschiedene Möglichkeiten zur Personalisierung der Page vor. „Home Page Branding“ diskutiert die Wichtigkeit des Brandings einer Home Page; konkrete Hinweise zur Etablierung einer Brand fehlen jedoch. „Home Page Value Proposition“ erklärt, wie die Value Proposition einer Site entwickelt und bedingt auch wie, diese auf der Homepage kommuniziert werden kann. Ingesamt betrachtet, dient das erste Pattern, „Home Page Design Rules“, somit gewissermassen als Rahmenkonzept, das durch die anderen Patterns konkretisiert wird. Vor allem die beiden letzten Patterns bleiben bei ihren dargestellten Lösungen auf einer sehr abstrakten und kaum direkt anwendbaren Ebene. Zwei weitere Patterns, „Shopping Cart“ und „Checkout“, beschäftigen sich mit sehr EC-spezifischen Problemen. Sie werden in die Kategorie „Encouraging E-Commerce“ eingeordnet. „Shopping Cart“ stellt bestimmte Designanforderungen an die Gestaltung des Einkaufsprozesses mit Hilfe des Shopping Carts. Das „Checkout“-Pattern beschreibt den Kaufprozess von der Produktauswahl bis zur Bestätigung des Kaufs. Die Lösungen definieren vor allem Anforderungen an den Ablauf der zugrundeliegenden Prozesse. Das letzte Pattern, „Recommendation Communities“, gliedert sich in die Kategorie der „EMerchandising Methods“ ein. Das Pattern beschreibt dabei eine Vielzahl verschiedener Aspekte, die bei der Gestaltung von Online Communities beachtet werden müssen. Allerdings steht auch hier weniger die Lösung als der Prozess der Lösungsfindung im Vordergrund. Um die Unterschiedlichkeit der Patterns zu unterstreichen, werden im folgenden zwei Beispiele in verkürzter Form dargestellt. Dabei wird jeweils auf die graphische Illustration verzichtet. Inverse Pyramid Writing Style149 ________________________________________________________________________ Das Web erfordert eine besondere Art der Darstellung von Information, die einfach zu verstehen ist und die Dinge schnell auf den Punkt bringt. Dieses Pattern beschreibt den Inverse Pyramid Writing Style, einen prägnanten Schreibstil, der es dem Besucher erleichtert, die Web Site zu überfliegen, zu verstehen, darin zu browsen und nach ihr zu suchen. Patterntyp: Easy-to Read Writing Designphase: Produktion, Implementation, Wartung und Evaluation Schlüsselworte: Text, Überfliegen, Titel, Suche Werkzeuge: Webseiten-Editor Aufwand: Anzuwenden bei der Erstellung jeder neuen Inhaltsseite der WebSite 149 Übersetzung der Autorin. Design Patterns für digitale Produkte Vorteile: Nachteile: 171 • Erleichtert das Überfliegen des Textes • Erleichtert das Verständnis des Textes • Erleichtert das Auffinden der Seite in Suchresultaten • Höherer Zeitaufwand bei der Erstellung • Benötigt Übung zum erfolgreichen Einsatz Zielgruppe unter den Anwendern, Informationsarchitekt, Marke- Team: ting Manager, Editor der Inhalte, technischer Schreiber Verwandte Patterns: Descriptive, Longer Link Name, Writing Style of Embedded Links, Familiar Language, Initial Branding, Search Results Siehe auch: [fehlt] ________________________________________________________________________ Lösungsdiagram: hier ausgespart Menschen sind ungeduldig. Als Websurfer suchen sie nach sofortiger Entlohnung. [ ...] Was bedeutet dies also für das Web-Design? Wie können wir angesichts dieser Aufmerksamkeitsdefizite Inhalte transportieren? Glücklicherweise gibt es eine verbreitete, aus dem Journalismus entlehnte Technik, dies zu tun. Sie wird als Inverse Pyramid Writing Style bezeichnet und ist darauf ausgerichtet, den Lesern das Browsen eines Textes zu erleichtern. Im folgenden beschreiben wir, wie Inhalte in diesem Stil gestaltet werden können. 1. Beginnen Sie mit einem guten, prägnanten Titel: [...] 2. Führen Sie dann die wichtigsten Punkte auf: [ ...] 3. Verwenden Sie wenig Text: [ ...] 4. Schreiben Sie in einem einfachen Stil: [ ...] 5. Verwenden Sie Aufzählungen und Listen: [ ...] 6. Ziehen Sie die Verwendung von „Embedded Links“ in Erwägung, um es dem Leser zu ermöglichen, weitere Informationen über das Thema zu finden: [ ...] 7. Experimentieren Sie mit verschiedenen Schreibstilen, je nach Zielsetzung der Web Site: [ ...] Checkout ________________________________________________________________________ Sie benötigen einen einfachen und zuverlässigen Weg, ihren Kunden den Abschluss einer Transaktion zu ermöglichen. Das Checkout Pattern definiert einen fünf-stufigen Prozess, der Probleme minimiert und den Weg zu einem erfolgreichen Einkauf ebnet. Überblick: ausgespart; erwähnt seien lediglich die verwandten Patterns: “Internationalization”, “Shopping Cart”, “Sign-In / New Account”,” Billing / Shipping Address Selection”, “Credit Card Entry”, “Order Confirmation”, “Thank you for shopping”, “Order Tracking”, “Storing Shipping Addresses”, “Storing Credit Cards”, “Storing Personal Preferences”. ________________________________________________________________________ Lösungsdiagram: hier ausgespart Der Checkoutprozess ist das Kernstück jeder EC Web Site. Ohne einen einfachen und klaren Checkoutprozess riskieren Web Sites, ihre Kunden genau dann zu verlieren, wenn sie gerade dabei sind, einen Kauf zu tätigen. Der Prozess besteht aus den folgenden fünf Schritten:: (1) Shopping Cart: [...], (2) Registrierung: [...], (3) Versand [...], (4) Bezahlung: [...], (5) Bestätigung: [...]. 172 Methodische Grundlagen Allerdings ist beim Checkoutprozess noch mehr zu beachten. Es folgen einige Tipps, wie sie Ihren Kunden beim Kaufprozess unterstützen können: 1. Erleichtern Sie es Ihrem Kunden zu jedem Zeitpunkt vor dem letzten Schritt des Prozesses, den Auftrag abzubrechen oder zu ändern: [ ...] 2. Vermeiden Sie es, Ihre Kunden Angaben wiederholt eingeben zu lassen: [ ...] 3. Verkürzen Sie den Prozess für wiederkehrende Kunden: [ ...] 4. Lenken Sie Ihren Kunden nicht durch irrelevante Links ab: [ ...] 5. Seien sie sich der Folgen einer Internationalisierung bewusst: [ ...] 6. Stellen Sie eine FAQ Liste über den Kaufprozess zur Verfügung: [ ...] 7. Es ist nicht vorbei, bevor Ihr Kunde zufrieden ist: [ ...] (Order tracking, ...) Prozesse Die Anwendung der Patterns beruht auch hier vornehmlich auf dem Abgleich der Problemstellung des Patterns mit der aktuellen Problemsituation und der anschliessenden Anwendung der entsprechenden Lösung. Weiterhin betten die Autoren den Einsatz der Patterns, ähnlich wie Borchers (s. Abschnitt D 2.3.2), in einen iterativen benutzerzentrierten Designprozess ein. Dieser Prozess ist das Ergebnis eigener Erfahrungen, intensiver Befragung von Praktikern sowie einem ausführlichen Literaturstudium (s. auch (Newman & Landay 2000)). Der Prozess gliedert sich in sechs Phasen: (1) die Entdeckung, (2) die Exploration, (3) die Verfeinerung, (4) die Produktion, (5) die Implementation und (6) die Wartung und Evaluation. Die Entdeckung umfasst die Analyse der Anforderungen. Im Zuge der Exploration werden verschiedene grob skizzierte Web Site Designs erstellt. Diese werden während der Verfeinerungsphase ausgearbeitet. Die Designaktivitäten selbst gliedern sich dabei in das Design der Informationsarchitektur und das graphische Design.150 In der Produktionsphase wird dann ein erster interaktiver Prototyp entwickelt, der in der Implementationsphase in ein vollständiges System umgesetzt wird. Im Zuge der Wartung und der Evaluation wird der Erfolg des Systems gemessen und gegebenenfalls Änderungen am System vorgenommen. Die Patterns sind das Ergebnis langjähriger Forschungsarbeiten. Sie beruhen auf umfangreichen Analysen erfolgreicher Web Sites, eigenen Erfahrungen in Designprojekten sowie den Praxiserfahrungen anderer Designspezialisten. 150 Die Gestaltung der Informationsarchitektur subsumiert das Informationsdesign, d.h. die Strukturierung der präsentierten Information sowie das Navigationsdesign, d.h. die Gestaltung der Abläufe. Das graphische Design umfasst die Gestaltung der Benutzerschnittstelle. Zur Beschreibung der verschiedenen Ebenen werden Sitemaps, Storyboards und Schematics genutzt (s. auch (Newman & Landay 2000)). Sitemaps illustrieren die generelle Struktur der Web Site und definieren dabei die Informationsarchitektur und das Informationsdesign. Storyboards beschreiben die Folge von Webseiten, die ein Anwender durchlaufen muss, um einen Aufgabe zu lösen. Schemata beschreiben die Gestaltung der einzelnen Webseiten auf einer abstrakten Ebene. Diese Beschreibungen werden im Zuge des Designs schrittweise und in Absprache mit dem Anwender konkretisiert. Design Patterns für digitale Produkte 173 D 2.5.4 Bewertung Die drei Patternansätze zum Design von EC-Anwendung kommen den Anforderungen der hier zu entwickelnden Patternsprache für digitale Produkte inhaltlich am nächsten. Perzel und Kane 1999 (1999) betrachten dabei noch relativ EC-unspezifische Probleme, wie die, den Nutzer zur Eingabe persönlicher Informationen zu motivieren. Ihre Patternsammlung umfasst daneben Patterns, die sich mit allgemeinen Problemen der konkreten Schnittstellengestaltung beschäftigen. Ihre Arbeit ordnet sich daher noch sehr stark in den Bereich der HCI-Forschung ein. Rossi et al. (2000) betrachten ganz speziell die Anforderungen von ECApplikationen an Navigationsstrukturen. Dieser Ansatz umfasst allerdings nur sechs Patterns und deckt somit bei weitem nicht alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion ab. Van Duyne et al. (2002) liefern das umfassendste Patternsystem. Dabei befindet sich jedoch ein Grossteil der angekündigten Patterns noch im Entwicklungsstadium. Die Autoren bemühen sich, sowohl die verschiedenen Designebenen, als auch die verschiedenen Anwendungssituationen abzudecken. Die fehlende Strukturierung der Patterns sowie des ganzen Patternsystems verhindert jedoch eine gezielte Anwendung der Patterns. Alle drei Systeme decken weiterhin nur einen Teil der Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion ab. Sie fokussieren dabei auf den eigentlichen Erwerbsprozess im engeren Sinne. Die vorgelagerten Phasen der Schaffung einer Awareness, einer Überzeugung und einer Absicht sowie die nachgelagerten Phasen der Abwicklung und der Kundenbetreuung werden dagegen ausgespart. Die Patterns der verschiedenen Ansätze stellen lediglich z.T. kategorisierte Patternkataloge dar. Beziehungen zwischen den Patterns, insbesondere die zentralen zeitlichen und inhaltlichen Abhängigkeiten, werden auch hier weitestgehend vernachlässigt. Die Patternstruktur lehnt sich bei den ersten beiden Ansätzen an den Vorbildern aus der Architektur und dem Software Engineering an. (Perzel & Kane 1999) ergänzen die Darstellung der Problemlösung um eine Begründung deren Funktionsweise. Diese basiert jedoch nicht, wie es in dieser Arbeit angestrebt wird, auf fundierten theoretischen Erkenntnissen. Die Struktur der Patterns von van Duyne et al. ist dagegen sehr unübersichtlich. Insbesondere die Darstellung der Lösungen unterscheidet sich von Pattern zu Pattern. An Stelle von konkreten Gestaltungsempfehlungen werden dabei häufig lediglich Lösungswege aufgezeigt, was der ursprünglichen Idee von Patterns widerspricht. In ihrer Ausrichtung und Zielsetzung kommen die drei Ansätze jedoch der hier zu entwickelnden Patternsprache sehr nahe. Die QWAN orientiert sich generell an der QWAN der HCI Patterns und umfasst somit die Anwendbarkeit sowie das positive Erlebnis des Anwenders. Sie wird insbesondere von van Duyne et al. um den Kundenwert ergänzt. Alle drei Systeme sehen das Ziel der Patterns vorrangig in der Unterstützung der verschiedenen am Design beteiligten Spezialisten. Van Duyne et al. betonen weiterhin die Bedeutung der Sprache als Lingua Franca und somit für die Unterstützung eines partizipativen Designprozesses. Ingesamt liefern die drei Patternansätze wertvolle Hinweise für die Gestaltung der Patternsprache für digitale Produkte. Die Patterns von Rossi et al. und die anwendungsspezifischen Patterns von Kane und Perzel können bei einer entsprechenden Erweiterung als (Teile der) Patterns in die Sprache integriert werden. Bei den Patterns von van Duyne et al. ist dies auf- 174 Methodische Grundlagen grund der mangelnden internen Strukturierung nicht direkt möglich. Aber auch sie liefern wertvolle Hinweise für die zu beachtenden Aspekte und die zu erfassenden Inhalte. D 2.5.5 Zusammenfassung Die folgende Tabelle fasst die soeben beschriebenen wesentlichen Charakteristika der Patternsysteme für das Design von webbasierten EC-Applikationen noch einmal zusammen. Disziplin EC-Applikationen Zielsetzung • Unterstützung des benutzerzentrierten Designprozesses (Effizienz- und Qualitätssteigerung) • Wissensbasis • Etablierung von Designstandards (van Duyne et al.) • (Lingua Franca) • Spezialisten (Software-Ingenieure, Hypermedia Designer, Interface Designer) • Bedingt auch Kunden • Positives Benutzererlebnis • Anwendbarkeit (Kane und Pezel) • Ziele des Providers (Rossi) • Wertgenerierung für den Kunden, Kundenwert (van Duyne et al.) • Rossi et al.: 5 • Perzel: 5 (+13) • van Duyne et al.: 8 (101) • Rossi und Perzel: Katalog mit Ähnlichkeits- und Komplementaritätsrelationen zwischen den Patterns • Perzel und Kane: Katalog mit Ähnlichkeits- und Zielgruppe Optimierungskriterium / QWAN Umfang Typus und Struktur Komplementaristätsrelationen, bedingt Verfeinerungsrelation zwischen Systempatterns und Schnittstellenpatterns • Van Duyne et al.: Kataloge mit Ähnlichkeits-, Komplementaritäts- und bedingt Verfeinerungsrelationen zwischen den Patterns Weitere Strukturierungsprinzipien • Rossi: Einordnung in eigenes Kategorisierungsschema für Hypermedia Patterns als Navigationspatterns Dimensionen • Perzel: Einordnung als System- und Schnittstellenpatterns in Klassifikationsschema von Mahemoff und Johnston • Van Duyne et al.: Klassifikation nach „Thema“, nach Phase im Designprozess, nach Schlüsselworten • Räumliche Anordnung der Schnittstellenobjekte, zeitliche Darstellung der Abläufe, jedoch nur innerhalb eines Patterns und nicht zwischen den Patterns Anwendung • „Pattern Matching“: Vergleich der aktuellen Situation mit der Problembeschreibung der Patterns Patternstruktur • Rossi; Perzel: Kombination aus Struktur von Alexander und Struktur der GoF • van Duyne et al.: eigenes Format Entdeckung der Patterns • Erfahrungen aus langjährigen Arbeiten Design Patterns für digitale Produkte • Analyse der Best Practice Cases und Methoden • Analyse der Common Practice (bei van Duyne et al.) Validierung • Beispiele Kritik - positiv • Ausrichtung auf das positive Erlebnis 175 Rossi: Erweiterung um Interesse des Provider van Duyne et al.: Erweiterung um Wertgenerierung für den Kunden • Erweiterung um spezifische Probleme des EC: Freiwilligkeit der Anwendung, Vertrauensproblematik, transaktionsspezifische Situationen Kritik - negativ • Keine Abdeckung der gesamten Kunde-Produkt-Interaktion • Weitgehend Vernachlässigung der zeitlichen und inhaltlichen Dimension vor allem bei den Beziehungen zwischen den Patterns • Mangelnde Strukturierung erschwert die direkte Anwendung der Patterns • Z. T fehlender Bezug zur Anwendungsdomäne Tabelle D 2-6: Übersicht über Patterns zur Gestaltung von EC-Applikationen D 2.6 Fazit: Anforderung an Patternsprache für digitale Produkte Das Ziel dieses Kapitels bestand darin, eine Übersicht über die zentralen Arbeiten im Bereich der Patternforschung zu vermitteln. In diesem abschliessenden Abschnitt sollen die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst und dabei insbesondere die Bedeutung der vorgestellten Ansätze für die im folgenden zu entwickelnde Patternsprache für digitale Produkte herausgestellt werden. Obwohl die Patternforschung der Architektur keinerlei inhaltliche Relevanz für die hier zu entwickelnden Patterns hat, dient sie dennoch in ihrer Funktion als „Mutter“ der Patternforschung als Vorbild bezüglich der Strukturierung der Patterns und der Patternsprache, deren Ausrichtung und Zielsetzung sowie der konstituierenden Prozesse. Die Struktur der von Christopher Alexander entwickelten Patterns ist universell und kann weitestgehend auf alle anderen Designdisziplinen übertragen werden. Für das Design digitaler Produkte im Kontext des Electronic Commerce müssen jedoch statt den hier ausschliesslich berücksichtigten Verfeinerungsbeziehungen vorrangig zeitliche und inhaltliche Relationen zwischen den Patterns erfasst werden. Die Ausrichtung des Designs auf das positive Erlebnis des Anwenders in den gestalteten Räumen kann übernommen werden, muss jedoch um weitere kontextspezifische Aspekte erweitert werden. Auch die Ziele der Patterns, die Schaffung einer Wissensbasis zur Unterstützung des Designs sowie einer Lingua Franca zur Kommunikation mit dem Anwender gelten ebenso für die vorliegende Arbeit. Die Herleitung und Validierung der Patterns durch die Beobachtung und Systematisierung von Best Practice Beispielen muss jedoch in dieser Arbeit um eine theoretische Basis erweitert werden (s. Abschnitt E 1.3). Die Patterns des Software Engineerings sind zu dem hier betrachteten Patternsystem eher als komplementär zu betrachten. Sie unterstützen das Design digitaler Produkte aus Sicht der Implementation I. Auch die Ausrichtung der Patterns auf die Flexibilität und Adaptivität der resultierenden Software steht beim Design des digitalen Produktes II weniger im Vorder- 176 Methodische Grundlagen grund.151 Äusserst relevant für diese Arbeit ist jedoch die Ergänzung der Patternbeschreibung um eine Begründung der Funktionsweise des jeweiligen Patterns. Diese basiert jedoch bei den Software Design Patterns zumeist nicht auf einem theoretischen Fundament, wie dies in dieser Arbeit angestrebt wird. Inhaltlich und von der Ausrichtung und Zielsetzung verwandter sind die Patterns der HCIForschung. Sie beschäftigen sich mit der Gestaltung der Interaktionsbeziehungen zwischen Anwender und System. Die Güte der Lösungen wird wie in der Architektur am positiven Erlebnis der Anwender gemessen. Dabei konzentriert sich die HCI-Forschung sehr stark auf den Aspekt der Anwendbarkeit und Lesbarkeit der Schnittstelle. Die besonderen auch inhaltlichen Anforderungen, die sich durch die Eingliederung eines Software-Artefakts in den Anwendungskontext, hier die Kunde-Produkt-Interaktion, ergeben, werden dagegen nicht betrachtet. Daher erfassen diese Patternsysteme auch keine zeitlichen und inhaltlichen Relationen zwischen den Patterns, die sich durch eine solchen Domänenbezug ergeben würden. Weiterhin ist das Abstraktionsniveau der HCI Patterns für unsere Zwecke zu niedrig. Sie können jedoch zur Verfeinerung der Patterns für digitale Produkte II eingesetzt werden. Die Forschung im Bereich Hypermedia Patterns verbindet die Arbeiten des Software Engineerings mit denen der HCI-Forschung. Sie untersucht, wie die Entwicklung gesamter Hypermedia-Applikationen mittels geeigneter Patterns unterstützt werden kann. Dabei werden die verschiedenen Designaspekte der Schnittstellengestaltung, der Gestaltung der Navigationsstruktur und der Anbindung an die interne Programmlogik jedoch, wenn überhaupt, in verschiedenen und nicht integrierten Sprachen erfasst. Auch diese Ansätze genügen daher nicht den Anforderungen an eine interdisziplinäre Patternsprache.152 Weiterhin findet auch hier keine Einordnung in den Anwendungskontext statt. Die Patterns sind sehr generisch und auf das Design „anwendbarer“ Lösungen ausgerichtet. Die Anforderungen, die sich durch die Einordnung in einen digitalen Wirtschaftsraum für das ganzheitliche Design digitaler Produkte ergeben, werden nicht betrachtet. Abgesehen von der unterschiedlichen Ausrichtung ist auch, wie bei den HCI Patterns, das Abstraktionsniveau der Hypermedia Patterns zumeist zu gering für eine direkte Eingliederung in die Design Patterns für digitale Produkte. Gegenüber den HCI Patterns haben Hypermedia Patterns jedoch den Vorteil, dass sie bereits auf die gestalterischen Möglichkeiten von Web-Applikationen ausgerichtet sind. Im Umfang sind die Hypermedia Patternsammlungen jedoch den schon sehr umfassenden HCI Patternsprachen bei weitem unterlegen. Bezogen auf die Inhalte, die Ausrichtung und den Abstraktionsgrad kommen die Patternsysteme, die sich mit der Gestaltung von webbasierten EC-Systemen beschäftigen, der Patternsprache für digitale Produkte am nächsten. Sie berücksichtigen die Anforderungen, die sich 151 Domänenspezifische Probleme werden in den Analysepatterns beschrieben. Auch sie beschäftigen sich jedoch kaum mit den Interaktionsbeziehungen zwischen dem Anwender des Systems und dem System selbst. 152 Zumeist ergänzen sich die entwickelten Patterns auch gar nicht zu einer Patternsprache. Design Patterns für digitale Produkte 177 durch den speziellen Anwendungskontext für das Design der Interaktionsbeziehungen zwischen Anwender und System ergeben. Die Güte der Lösung hängt hier nicht nur von der Lesbarkeit und vom positiven Erlebnis des Anwenders ab, sondern ebenfalls vom dadurch generierten Kundenwert. Die Patterns erfassen dabei das Design spezifischer Situationen innerhalb der Kunde-Produkt-Interaktion, wie der Produktauswahl oder dem Checkoutprozess. Dabei liegt jedoch ein klarer Fokus auf dem eigentlichen Erwerbsprozess. Ein entscheidendes Defizit dieser Ansätze liegt in der mangelnden Abdeckung aller Szenen der Kunde-Produkt-Interaktion. Weiterhin werden die zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhänge zwischen den Patterns nicht erfasst. Die Patterns ergänzen sich somit nicht zu einer Sprache, die das vollständige Design digitaler Produkte unterstützt. Den Forderungen an eine interdisziplinäre Patternsprache, die sowohl organisatorische, logische als auch implementationsspezifische Aspekte in einem Pattern erfasst, werden die Patterns nur bedingt gerecht. Ihnen fehlt eine dementsprechend klare Strukturierung der Lösungskomponente. Die Patterns können teilweise nach entsprechender Umstrukturierung und Erweiterung direkt in das hier erstellte Patternsystem für digitale Produkte eingeordnet werden, teilweise können jedoch auch lediglich die Inhalte der Patterns Anregungen für die hier entwickelten Patterns liefern. Zur Bildung einer Patternsprache für digitale Produkte fehlt den hier betrachteten Ansätzen: 1. Ein Rahmenkonstrukt im Sinne einer Metasprache, welche die Struktur der Patterns und dabei insbesondere die Relationen zwischen den Patterns definiert, durch die sich die Patterninstanzen zu einer Patternsprache für digitale Produkte ergänzen: • Die Relationen zwischen den Patterns müssen insbesondere die zeitlichen und inhaltlichen Abhängigkeiten zwischen den Patterns zu erfassen gestatten, durch die sich diese zum Design des Gesamttheaterstückes der Kunde-Produkt-Interaktion ergänzen. • Die Struktur der Patterns muss den Anforderungen nach einer interdisziplinären Patternsprache gerecht werden. Die Lösungskomponente muss daher sowohl die organisatorischen, als auch die logischen und besonders die technischen Aspekte der Umsetzung erfassen. 2. Die Abdeckung des Gesamttheaterstückes, also aller Szenen der Produkt-KundeInteraktion durch die Patternsprache. 3. Die Ausrichtung der Gestaltung der Szenen auf die Optimierung des Kundenwertes und somit insbesondere die Erreichung der jeweiligen Ziele. 4. Die explizite Berücksichtigung der Erkenntnisse über das Konsumentenverhalten und die Potentiale digitaler Produkte bei der Ausgestaltung der Lösungen. Die Patternansätze der anderen Disziplinen lassen sich in die Patternsprache für digitale Produkte dann folgendermassen eingliedern: • Die Patternsprache für digitale Produkte bildet einen Strukturierungsrahmen, in den sich die bestehenden EC-Patterns, nach einer Umstrukturierung und Ergänzung um fehlende Aspekte, direkt oder auch nur inhaltlich eingliedern lassen. 178 Methodische Grundlagen • Die Patternsprache kann bezüglich der Gestaltung der Schnittstelle durch die Arbeiten der HCI-Forschung und der Hypermedia-Forschung verfeinert werden. Sie schliessen die Lücke zur konkreten Umsetzung der Patterns in Software. • Die Patternsprache ist weitgehend komplementär zu den Arbeiten des Software Engineerings. Beim Design sollten jedoch idealerweise auch bereits Anforderungen der Implementation I berücksichtigt werden. Im folgenden zentralen Kapitel wird eine Patternsprache für digitale Produkte entwickelt, die den obigen Anforderungen genügt. D 3 Modelle von Medien zur Beschreibung digitaler Interaktionsräume Die Beschreibung digitaler Informations- und Interaktionsräume basiert auf den von Prof. Schmid entwickelten Modellen für digitale Medien, dem Medienmodell und dem Medienreferenzmodell (Schmid 1997c; Schmid 1999a). Die Modelle zeichnen sich dadurch aus, dass sie sowohl die organisatorischen und im Anwendungsfall betriebswirtschaftlichen Aspekte als auch die Aspekte der – informations – technischen Umsetzung betrachten. Sie dienen der ganzheitlichen Modellierung sozio-technischer Systeme und werden damit den besonderen Anforderungen eines in zunehmendem Masse digitalisierten Wirtschaftssystems gerecht. Das Medienmodell beschreibt die wesentlichen konstituierenden Elemente eines – digitalen – Interaktionsraumes. Das Medienreferenzmodell ordnet das Medienmodell in den Anwendungskontext ein. Während das Medienmodell definiert, mit welchen Komponenten Interaktionsräume modelliert werden sollen, beschreibt das Medienreferenzmodell, woraus ein Interaktionsraum besteht. Dabei werden die Komponenten des Medienmodells verfeinert und Relationen zwischen den verschiedenen Elementen aufgezeigt. Weiterhin werden beim Medienmodell die typischen Interaktionsbeziehungen zwischen den „Bewohnern“ der Interaktionsräume unterschieden. Medienmodell und Medienreferenzmodell sind statische Strukturmodelle. Zur Operationalisierung schlagen Schmid und Schmid-Isler die Verwendung der Theatermetapher vor (Schmid-Isler 2001a; Schmid-Isler 2001b; Schmid 2001b). Sie beruht auf den Analogien, die zwischen dem Design eines digitalen Interaktionsraumes und dem Design eines Theaterstückes gezogen werden können. Die drei Modelle werden in den folgenden drei Abschnitten eingeführt. D 3.1 Medienmodell Nach dem hier zu Grunde gelegten Schmid’schen Verständnis bezeichnen Medien Sphären oder Informationsräume für Gemeinschaften (Communities) aus verteilten und autonomen Agenten, in denen diese Agenten miteinander kommunizieren, interagieren oder allgemein Informationen und Güter austauschen können (Lechner & Schmid 1999; Lechner & Schmid 2000; Schmid 1997b; Schmid 1997c) (s. auch Abbildung D 3-1) Agenten umfassen dabei Einzelpersonen und Unternehmen, aber auch künstliche Agenten oder hybride Systeme. Design Patterns für digitale Produkte 179 Medium Medium Agents Communication Object Abbildung D 3-1: Medienmodell153 Eine Gemeinschaft zeichnet sich durch übergeordnete gemeinsame oder komplementäre Ziele aus, die durch die Interaktionen zwischen den Agenten erreicht werden sollen (Klose & Lechner 1999b; Lechner et al. 1999b). Ein Medium stellt die Möglichkeiten für diesen zielgerichteten Austausch zwischen den Agenten zur Verfügung und konstituiert damit die Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft kann daher auch definiert werden als Menge von Agenten plus Medium (Lechner & Schmid 2000): Gemeinschaft = Medium + Agenten Das Medium selbst besteht aus den drei Komponenten Kanalsystem, Organisation und logischer Raum (Schmid 1997c; Schmid 1999a): 1. Kanalsystem: Agenten benötigen Verbindungswege, die den Austausch und den Transport von Informationen über Raum und Zeit gestatten. Kanäle entsprechen somit der traditionellen Bedeutung eines Trägermediums. Der Begriff selbst entstammt der Nachrichtentechnik. Beispiele solcher Trägermedien sind Telekommunikationsnetzwerke, wie z.B. das Internet, für den Transport von Informationen über den Ort oder Datenbanken für den Transport von Informationen über die Zeit. 2. Organisation: Die erfolgreiche Interaktion innerhalb einer Community bedarf der organisatorischen Regelung dieser Interaktionsbeziehungen. Agenten übernehmen dabei in Abhängigkeit von ihren Fähigkeiten, Interessen und Zielen bestimmte Rollen innerhalb der Gemeinschaft. Rollen beschreiben mit Hilfe von Rechten und Pflichten das von den jeweiligen Rollenträgern erwartete Verhalten. Typische Rollen im kommerziellen Umfeld sind neben den Anbietern und Nachfragern einer Leistung auch Intermediäre, Vertrauensdienste, Behörden, etc. (Schubert 1999). Die Interaktionen zwischen den Agenten werden durch Protokolle und Prozesse geregelt und auf die Erreichung der Ziele der Gemeinschaft und der einzelnen Agenten ausgerichtet. Protokolle beschreiben dabei allgemeine Regelungen; sie sind quasi die „Verkehrsregeln“ des Mediums. Prozesse stellen konkrete Handlungssequenzen dar, die den allgemeinen Regelungen gehorchen müssen. Das System von Rollen 153 In (Schmid 1999a). 180 Methodische Grundlagen bestimmt somit die Aufbauorganisation, die Protokolle und die darauf abgestimmten Prozesse die Ablauforganisation des Mediums. 3. Logischer Raum: Voraussetzung für die erfolgreiche Kommunikation innerhalb einer Gemeinschaft ist eine gemeinsame Sprache, d.h. eine von den Agenten allgemein bekannte und akzeptierte Syntax und Semantik der ausgetauschten Information. Die Syntax legt die Strukturierung der Informationen fest. Sie definiert die Grammatik der gemeinsamen Sprache. Die Semantik definiert die Relation der sprachlichen Konstrukte zu den Begriffen und Ereignissen der realen Welt. Neben diesem gemeinsamen Begriffsverständnis umfasst der logische Raum weiterhin Informationen über die Anwendungsdomäne, das Medium, d.h. die Organisation und das Kanalsystem, sowie die Agenten der Gemeinschaft. Dieses Verständnis ermöglicht es den Agenten, zielgerichtet und konform zu den organisatorischen Regelungen des Mediums zu agieren. Die damit geschaffene Möglichkeit zum Räsonieren über das System gestattet es den Agenten, ihre Aktionen zu planen und auf die Erreichung ihrer Ziele auszurichten. Weiterhin können Agenten auf der Metaebene über die Strukturen des Mediums und ihrer Gemeinschaft kommunizieren und diese aktiv an sich ändernde Umweltbedingungen anpassen (Klose & Lechner 2000). Zusammenfassend besteht also ein Medium aus einem Kanalsystem für den Transport von Informationen über Raum und Zeit, einer Organisation zur Strukturierung und Steuerung des Verhaltens der Agenten innerhalb der Gemeinschaft sowie einer Logik zur Beschreibung der Syntax und der Semantik der ausgetauschten Information. “A medium consists of a channel system for the transport of information over space and time, a logic for capturing syntax and semantics of the information and an organizational system (roles and protocols) for structuring the behavior of agents.”(Lechner & Schmid 2000) Das hier zugrundegelegte Medienverständnis geht daher weit über das traditionelle Verständnis von Trägermedien hinaus. Medien sind nicht nur Träger von Information, sondern strukturieren offene, verteilte, miteinander vernetzte und sich dynamisch ändernde Informationsräume, die ‚neuen Medien’, und ermöglichen es damit Gemeinschaften von Agenten zielgerichtet miteinander zu interagieren (Schmid & Zimmermann 1998). Das Medienmodell zeichnet sich weiterhin dadurch aus, dass es nicht den einzelnen Agenten, d.h. das Unternehmen, sondern die Gemeinschaft als Ganzes modelliert. Diese Perspektive wird den Anforderungen und Charakteristika der heutigen Wirtschaft mit ihren offenen vernetzten Strukturen gerecht, in denen sich spezialisierte Agenten flexibel und dynamisch zur gemeinsamen Erstellung oder zum Austausch von Leistungen zusammenschliessen (s. Ansatz der Value Webs in (Selz 1999)). Agenten sind in der Regel Mitglieder mehrere Medien und nehmen dort unterschiedliche Rollen ein. Medien können weiterhin rekursiv aufgebaut werden. Agenten eines Mediums stellen dann selbst wieder Medien dar. Ein prominentes Beispiel ist die Logistik. Der Logistikdienstleister bietet seine Dienstleistungen, den Transport von Waren und idealerweise auch die Abwicklung des zugehörigen Zahlungsverkehrs als Dienstleistung in einem Medium, z.B. einem elektronischen Markt, an. Die Abwicklung dieser Dienstleistung bedarf des Zusammenspiels einer eigenen, hier als sekundär bezeichneten, Community, deren Mit- Design Patterns für digitale Produkte 181 glieder in einem eigenen Medium interagieren (Hoffmann et al. 1999a; Hoffmann & Klose 2000; Klose et al. 1999a)). D 3.2 Medienreferenzmodell für Geschäftsmedien Das Medienreferenzmodell (MRM) beschreibt den Aufbau und die Architektur von Medien nach dem soeben eingeführten Verständnis. Es liefert einen Rahmen für das Design und die Implementation konkreter Medieninstanzen, und unterstützt weiterhin die Analyse und das Re-Design bestehender Medien (Schmid 1999a: 41 ff.; Schmid & Lindemann 1998: 195 ff.; Schmid & Zimmermann 1998: 7 f.). Das Medienreferenzmodell verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl die kommunikativen als auch die organisatorischen und technischen Aspekte eines Medium betrachtet (Schmid & Lindemann 1998). Das MRM verfeinert die drei Komponenten des Medienmodells und stellt die Relationen zwischen den verschiedenen Komponenten dar. Es umfasst weiterhin die spezifischen Kommunikationssituationen, die zwischen den interagierenden Agenten auftreten können (Lechner & Schmid 1999; Lechner & Schmid 2000). Gemeinschaftssicht Gemeinschaft / Aufbauorganisation (Rollen und Protokolle) Prozesssicht Transaktionssicht Prozesse / Ablauforganisation Information Infrastruktursicht Angebot / Nachfrage Verhandlung / Vertrag Abwicklung IKT- Infrastruktur Wissen Absicht Verhandlung Abwicklung Logischer Raum Abbildung D 3-2: Medienreferenzmodell154 Das Medienreferenzmodell kann allgemein für das Design von Medien zur Unterstützung beliebiger Gemeinschaften genutzt werden. Dabei lassen sich vorrangig die beiden Typen Wissensmedien und Geschäftsmedien unterscheiden. Wissensmedien unterstützen Gemeinschaften beim Aufbau und bei der Verwaltung eines gemeinsamen Wissensstandes. Ge- 154 In Anlehnung an (Schmid 1999a). 182 Methodische Grundlagen schäftsmedien ermöglichen dagegen die ökonomische Leistungserstellung. Diese Arbeit fokussiert sich auf das Design von Medien im ökonomischen Kontext und interessiert sich somit primär für Geschäftsmedien. Auch in Geschäftsmedien wird der Aufbau von Wissen betrachtet. Dieser ist jedoch direkt ökonomisch motiviert und als erste Phase in den Ablauf einer Geschäftstransaktion eingegliedert. Das MRM, dargestellt in Abbildung D 3-2, unterscheidet zwei Dimensionen: die vier Abstraktionsebenen eines Mediums und die vier Interaktionsphasen. Das gesamte Medium ist eingebettet in einen logischen Raum. Die vier Phasen spiegeln die verschiedenen Interaktionstypen zwischen den Agenten wider. Im wirtschaftlichen Kontext entsprechen diese den vier Phasen einer Geschäftstransaktion gemäss dem erweiterten Verständnis des in Abschnitt C 2.1.4 erläuterten „integrierten Phasenmodells“. Die vier Ebenen reflektieren die Verbindungen zwischen den Komponenten des Mediums und verfeinern insbesondere die Komponenten des Kanalsystems. In den folgenden beiden Abschnitten werden zunächst die Schichten und anschliessend die Phasen des Medienreferenzmodells für Geschäftsmedien im Detail beschrieben. D 3.2.1 Schichten des Medienreferenzmodells Die Einteilung der Phasen beruht auf einer allgemeinen Architektur von Medien, dargestellt in Abbildung D 3-3 (Schmid 1999a; Schmid 2000a). Rollen, Protokolle Aufbauorganisation Implementation Ablauforganisation Kanäle Kanalsystem Logischer Raum Abbildung D 3-3: Architektur eines Mediums155 Diese Architektur illustriert die Verbindungen zwischen den drei Komponenten des Medienmodells: der Organisation, dem Kanalsystem und dem logischen Raum. Dabei wird die Organisation des Mediums durch entsprechende Prozesse auf der Grundlage des Kanalsystems implementiert. Das ganze System ist eingebettet in einen logischen Raum, der das zielgerichtete und erfolgreiche Interagieren der Akteure ermöglicht und steuert. Idealerweise werden die verschiedenen Phasen der Transaktion durch generische Services unterstützt. 155 In (Schmid 1999a). Design Patterns für digitale Produkte 183 Diese Architektur spiegelt sich direkt in den Schichten des Medienreferenzmodells sowie in dem sie umgebenden logischen Raum wider: 1. Gemeinschaftssicht: In dieser Sicht wird die durch ein gemeinsames, zumeist ökonomisch motiviertes Interesse konstituierte Gemeinschaft definiert. Gemäss dem Medienmodell werden hier die organisatorischen Strukturen mit den Rollen und Protokollen definiert. Auf der normativen Ebene umfasst die Gemeinschaftssicht die generellen Regeln, d.h. die Normen und Spielregeln, die das Zusammenspiel der Agenten steuern. Dazu zählt im Geschäftskontext insbesondere auch die allgemeine Geschäftspolitik. Die Protokolle sollen dabei so gestaltet sein, dass sie die Entwicklungs- und Lebensfähigkeit der Gemeinschaft und ihres Mediums gewährleisten. Auf der strategischen Ebene werden die generelle Geschäftsstrategie sowie die strategischen Ziele der einzelnen Rollenträger definiert (Klose & Lechner 1999b; Lechner et al. 1999b). 2. Prozesssicht: Die Prozesssicht definiert die Prozesse innerhalb der Community entlang des gesamten Wertschöpfungsprozesses. Sie bestimmen somit die Ablauforganisation des Mediums. In der Informatik spricht man hier auch vom Programm. Diese Prozesse setzen das in der Gemeinschaftssicht definierte Geschäftsmodell um. Sie folgen somit den allgemeinen aufbauorganisatorischen Strukturen, die in Form von Rollen und Protokollen in der Gemeinschaftssicht festgelegt wurden. Die Prozesse werden dabei mit Hilfe der Dienste der Transaktionsschicht implementiert. 3. Transaktionssicht: Die Transaktionssicht umfasst die Dienste, die für die Implementierung der Geschäftsprozesse benötigt werden. Sie sind auf die Unterstützung der einzelnen Phasen ausgerichtet. Idealerweise sind sie generisch und unabhängig vom jeweiligen Geschäftsmodell universell einsetzbar (Schmid 1999a). Um eine durchgängige Transaktion zu gewährleisten, müssen diese Steckdosenlösungen sorgfällig aufeinander abgestimmt werden. Hierzu werden offene und wohldefinierte Schnittstellen sowie eine Standardisierung der zwischen den Diensten ausgetauschten Informationen benötigt (Lindemann 2000). Beispiele für generische Dienste sind elektronische Produktkataloge, elektronische Signaturen, elektronische Kontrakte, Zahlungssysteme und Logistikdienste.156 4. Infrastruktursicht: Die Infrastruktursicht stellt die technologischen Kommunikationsund Transportstrukturen zur Verfügung, die zur Umsetzung der Dienste und der Interaktionsbeziehungen zwischen den Agenten benötigt werden. Hierzu zählen elektronische Kommunikationsnetzwerke wie das Internet, aber auch Datenbanken zur Speicherung von Daten. Weiterhin müssen in dieser Schicht die zur Kommuni- 156 Siehe z.B. die Arbeiten von Lincke und Schmid (1998) und Schubert (2000) über elektronische Pro- duktkataloge, von Runge (2000) und Schopp et al. (Runge 2000; 1999) für elektronische Verträge und von Hoffmann (2001) und Klose et al. (1999a) über elektronische Logistikdienstleistungen. 184 Methodische Grundlagen kation auf der technischen Ebene verwendeten Protokolle und Standards definiert werden. Logischer Raum: Das Medium ist eingebettet in einen logischen Raum. Er definiert die gemeinsame Sprache mit Syntax und Semantik sowie das gemeinsame Weltbild. Der logische Raum umfasst darüberhinaus das Wissen über die festgelegten Organisationsstrukturen sowie die Möglichkeiten der Kommunikation mit Hilfe der Kanäle (Lechner & Schmid 2000). Die im Medium festgelegten Strukturen und Protokolle sowie der logische Raum ermöglichen so eine zielgerichtete und von Missverständnissen und undefinierten Situationen möglichst freie Interaktion zwischen den Agenten (Schmid 1999a). D 3.2.2 Die Phasen des Medienreferenzmodells Die Phasen spiegeln die verschiedenen Schritte einer Geschäftstransaktion wider. Sie lassen sich dabei von einem aus der Agentenforschung verbreiteten Modell zur Beschreibung der zielgerichteten Interaktion autonomer Agenten ableiten, dem BDI-Modell (s. z.B. (O'Hare & Jennings 1996)). Danach können Agenten durch einen Zustand bestehend aus Wissen, Wünschen und Intentionen charakterisiert werden. Dieser Zustand steuert ihr Verhalten auch im Zuge der Interaktionen mit anderen Agenten. Aus ihrem Wissenstand entwickeln sie Wünsche, die sich schliesslich in Absichten zur Erreichung dieser Wünsche manifestieren. In dem hier interessierenden ökonomischen Kontext werden Intentionen durch den ökonomischen Austausch verwirklicht. Die Agenten müssen daher über Ressourcen verfügen, die sie im Zuge einer Transaktion mit anderen Agenten gegen andere Ressourcen eintauschen können. Der intendierte Austausch wird zunächst in Verträgen manifestiert, welche die Konditionen des Leistungsaustausches festlegen. Diese Verträge ändern die Rechte und Pflichten der beteiligten Agenten. Agent Wissen Kommunikation Absichten Signalisation Rechte / Pflichten Verhandlung Ressourcen Tausch Wünsche Abbildung D 3-4: Agenten-Architektur157 157 In Anlehnung an (Schmid 1999a). Design Patterns für digitale Produkte 185 In diesem ökonomisch motivierten Agentenmodell muss die Zustandsbeschreibung der Agenten gemäss dem BDI-Modell, daher um zwei weitere Komponenten, die Rechte und Pflichten sowie einen Warenkorb mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen ergänzt werden. Das resultierende Modell ist in Abbildung D 3-4 dargestellt. Das Verhalten eines Agenten in einer Geschäftstransaktion führt durch die Interaktion zwischen den Agenten zu Veränderungen des Zustandes der Agenten. Zunächst ändert sich durch die Kommunikation in der Community der Wissenstand eines Agenten. Dadurch werden bei ihm Wünsche resp. Bedürfnisse geweckt, oder bestehende Wünsche aktiviert, die sich in Intentionen zum Erwerb eines Produktes manifestieren. Diese Intentionen werden anderen Agenten signalisiert. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse bedarf der Zusammenarbeit resp. des ökonomischen Austauschs mit anderen Agenten. Die geäusserten Intentionen induzieren somit Verhandlungen mit potentiellen Anbietern der benötigten Leistungen, die im Erfolgsfall mit einem Kaufvertrag enden. Dadurch ändern sich die Rechte und Pflichten der beteiligten Agenten. Im Zuge der Abwicklung der Verträge werden Ressourcen zwischen den Vertragspartnern ausgetauscht. Dadurch ändert sich primär deren Ressourcenbestand und weiterhin ihre Rechten, Pflichten und Intentionen. Die vier Phasen des Medienreferenzmodells spiegeln somit die vier logischen Schritte wider, die in jeder Geschäftstransaktion durchlaufen werden müssen (Schmid 1999a): 1. Wissensphase: In dieser Phase wird der logische Raum des einzelnen Agenten, d.h. sein Wissen über mögliche Welten, seine Einstellungen zu bestimmten Angeboten und Produkten, welche die angestrebten Welten zu errichten helfen, und somit seine Wünsche durch den Austausch von Informationsobjekten geformt. Diese Phase umfasst daher, wie auch bereits in Abschnitt C 2.1.4 erläutert, die Subphasen der Schaffung von Awareness sowie eines ersten Bildes möglicher Problemlösungen. Als Voraussetzung für die erfolgreiche Kommunikation zwischen den Agenten wird weiterhin die gemeinsame Sprache mit Syntax und Semantik etabliert. Der logische Raum umfasst zudem Informationen über das Medium selbst, d.h. die Organisationsstrukturen und das Kanalsystem. Dieses Wissen wird von den Agenten benötigt, um regelkonform und zielgerichtet im Medium agieren zu können. Kommuniziert werden daher im ökonomischen Kontext Dinge wie Produktspezifikationen, Preise und Konditionen sowie rechtliche Fragen. Dienste, die diese Phase unterstützen, sind elektronische Kataloge, Werbung, Pushund Pulldienste sowie Suchdienste (Schmid 1999a). Die aktive Informationssuche wird häufig durch spezielle Intermediäre unterstützt, welche das Angebot der verschiedenen Anbieter vergleichen (Schmid 1999a). 2. Absichtsphase: In dieser Phase entwickeln Agenten aus dem in der Wissensphase angeeigneten Wissen, ihren Wünschen und Zielen konkrete Tauschabsichten und äussern diese. Die Verbindlichkeit der Offerten kann dabei in den einzelnen Geschäftsmedien unterschiedlich geregelt sein. 186 Methodische Grundlagen Während für die Repräsentation der Verkäuferabsichten bereits Dienste in Form von Produktkatalogen etabliert sind, sind Lösungen für die Darstellung der Käuferabsichten noch in den Anfängen der Entwicklung (Schmid 1999a)). Die Repräsentation beider Seiten ist jedoch entscheidend für eine aktive Unterstützung der Anbieter und Nachfrager in der nachfolgenden Verhandlungsphase. Sie ermöglichen es Intermediären, komplementäre Anbieter und Nachfrager zusammenzubringen und direkt in die Vereinbarungsphase überzuleiten (Schmid 1999a). 3. Verhandlungsphase: In dieser Phase werden potentielle Nachfrager und Anbieter zusammengebracht, die Konditionen der Geschäftstransaktion ausgehandelt und vertraglich festgehalten. Diese Verhandlungen können dabei sehr unterschiedlichen Protokollen folgen. Sie reichen von einseitigen Angeboten in Produktkatalogen, die vom Nachfrager lediglich akzeptiert oder abgelehnt werden können, über bilaterale Verhandlungen bis zu verschiedenen Arten von Auktionen (Krähenmann 1994: 223 ff.; Reck 1993: 245 ff.; Schmid 1999a: 38). Im Idealfall endet die Verhandlung mit dem Abschluss eines Vertrages. In dieser Phase ändern sich somit die Rechte und Pflichten der am Vertrag beteiligten Agenten. Anforderungen an die Rechtsgültigkeit, die Sicherheit sowie die Einklagbarkeit von Verträgen können durch verschiedene Institutionen gewährleistet werden. Beispiele sind Trusted Third Parties aber auch Online-Schiedsgerichte (Greunz et al. 2000; Greunz et al. 2001; Runge 2000; Stanoevska-Slabeva & Schopp 2000). 4. Abwicklungsphase: In dieser Phase werden die Verträge eingelöst und die darin eingegangen Verpflichtungen erfüllt. Die Agenten handeln somit in dieser Phase nach den in den Verträgen festgelegten Rechten, Pflichten und Protokollen. Im elektronischen Handel besteht die Abwicklung vorrangig aus dem Austausch von Ware gegen Geld. Spezielle Zahlungs- und Logistikdienste können diese Phase unterstützen (Hoffmann 2001).(Alt et al. 1995; Hoffmann et al. 1999a)158 In diese Phase fällt weiterhin die Anwendung des Produktes. Mit der Erfüllung des Vertrages ändern sich wiederum die Rechte und Pflichten sowie die Intention und Wünsche der Agenten. Letztere wurden idealerweise durch den Erwerb resp. durch die Anwendung des Produktes erfüllt. Zum Abschluss soll kurz beschrieben werden, wie sich das hier beschriebene Medienreferenzmodell für Geschäftsmedien vom allgemeinen Medienreferenzmodell unterscheidet. Die Phasen des MRM sind dazu näher an das eigentliche BDI-Modell anzulehnen und somit unabhängig vom ökonomischen Kontext zu betrachten. Die Interaktionen zwischen den Agenten zur gemeinsamen Erreichung eines übergeordneten Zieles beruhen aber auch beim all- 158 In diesem Zusammenhang wurde in Forschungsarbeiten am Institut für Medie- und Kommunikationsmanagement das Prinzip der computer-intergrierten Logistik entwickelt, eines integrierten Logistikdienstes, der insbesondere auf elektronischen Marktplätzen eingesetzt werden kann (Alt et al. 1995). Design Patterns für digitale Produkte 187 gemeinen MRM auf dem Finden geeigneter Partner, der Vereinbarung der Problemlösung und der Lösung des Problems gemäss diesen Vereinbarungen. Zur erfolgreichen Interaktion ist dabei ebenfalls zunächst ein gemeinsamer Wissenstand zu etablieren. Auch hier bestehen die Phasen der Zusammenarbeit daher aus dem Aufbau von Wissen, der Aktivierung und anschliessenden Signalisierung eines Bedürfnisses, der Vereinbarung der gemeinsamen Problemlösung und der Abwicklung der Problemlösung. Die Lösung des Problems muss hier jedoch nicht unbedingt aus dem Austausch von Leistungen gegen Geld bestehen. Die Agenten können auch gemeinsam an der Lösung eines Problems arbeiten. D 3.2.3 Einordnung in das Design digitaler Produkte: Geschäftsmedien als Kommunikations- und Transaktionsmedien Zum Abschluss dieses Abschnittes soll das soeben beschriebene Medienreferenzmodell noch einmal explizit in den Kontext des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum eingeordnet werden. Im Teil B wurde erläutert, welche Anforderungen das kundenzentrierte Design an die Gestaltung der es umgebenden Informationsräume stellt. Dabei wurden die beiden Aspekte der Kommunikation über das Produkt und der Kommunikation durch das Produkt resp. durch die Gestaltung des Interaktionsraumes unterschieden. Die Kommunikation über das Produkt findet in der Wissens- und der Absichtsphase statt. In diesen beiden Phasen muss das mit dem Produkt und seinem Erwerb verbundene Wissen kommuniziert und in den Köpfen der potentiellen Kunden implementiert werden. Insbesondere wird hier der Nutzen und die – soziale – Bedeutung des Produktes kommuniziert. Sie beeinflussen die Einstellung des Kunden zum jeweiligen Produkt und wecken im Idealfall den Wunsch, das Produkt zu erwerben. In dieser Phase werden somit die Voraussetzungen für die Initiierung und den erfolgreichen Ablauf der Transaktion im engeren Sinne, d.h. des Erwerbs des Produktes und der anschliessenden Anwendung gelegt. Die Kommunikation durch das Produkt und die eigentliche Problemlösung findet in den folgenden Phasen der Verhandlung und der Abwicklung der Geschäftstransaktion statt. Sie müssen so gestaltet sein, dass der Kunde die Abläufe versteht und akzeptiert und vor allem beim erfolgreichen Abschluss der Transaktion sowie bei der erfolgreichen Anwendung des Produktes unterstützt wird. Das Produkt resp. die Gestaltung der Interaktionsbeziehungen muss daher sowohl der Funktion des Produktes als Problemlösung als auch seiner Bedeutung als Zeichen gerecht werden. An die Gestaltung dieser Phasen werden daher die Anforderungen der Lesbarkeit oder allgemeiner der Anwendbarkeit gestellt sowie weiterhin die Anforderungen einer aktiven Unterstützung der mit den einzelnen Phasen verbundenen Ziele, dem Finden eines Anbieters, dem Abschluss eines Vertrages, der sicheren Abwicklung des Vertrages und der Anwendung des Produktes im Zuge der eigentlichen Problemlösung im engeren Sinne. In jeder Szene dieser Phasen ist dabei der Kundenwert zu maximieren (s. Abschnitt C 1.4.2). Zur Verdeutlichung dieser beiden Aspekte schlägt Schmid (2000a: 195) die Unterteilung eines Geschäftsmediums in ein Kommunikationsmedium und in ein Transaktionsmedium vor. 188 Methodische Grundlagen Diese beiden „Submedien“ sind jedoch eng miteinander verwoben. Nur ihre Integration garantiert die erfolgreiche Abwicklung der gesamten Geschäftstransaktion. Die Unterteilung ist in Abbildung D 3-5 noch einmal graphisch dargestellt. Kom m unikationsM edium Gemeinschaftsschicht Gemeinschaft / Aufbauorganisation (Rollen und Protokolle) Prozessschicht Transaktionsschicht TransaktionsM edium Prozesse / Alauforganisation Information Infrastrukturschicht Angebot / Nachfrage Verhandlung / Vertrag Abwicklung IKT- Infrastruktur Wissen Absicht Verhand -lung Abwicklung Logischer Raum Abbildung D 3-5: Geschäftsmedium als Kommunikationsmedium und Transaktionsmedium159 Das soeben beschriebene Medienmodell liefert einen Beschreibungsrahmen für die Gestaltung interaktiver Kommunikationsräume. Auf der Grundlage dieses Modells lässt sich nun eine Designmethodik ableiten, die den besonderen Ansprüchen digitaler Produkte gerecht wird. Sie wird im folgenden Abschnitt vorgestellt. D 3.3 Theatermetapher Wie in Teil B erläutert, sind digitale Produkte in Interaktionsräume eingebettet, in denen sie mit dem Kunden kommunizieren und interagieren können. Mit der Interaktion wird dabei ein bestimmtes Ziel verfolgt. Aus Sicht des Kunden ist dies der Erwerb einer Problemlösung in Form des jeweiligen Produktes und dessen erfolgreicher Anwendung im Zuge des Problemlösungsprozesses. Die Erreichung der Ziele hängt dabei von der Gestaltung der Interaktionsbeziehungen sowie deren lesbarer Abbildung auf der Plattform ab. 159 In Anlehnung an (Schmid 2000a). Design Patterns für digitale Produkte 189 Mit dem Design von Interaktionen haben sich bisher insbesondere die Theaterwissenschaften beschäftigt. Schmid und Schmid-Isler schlagen daher für das Design digitaler Produkte die Anwendung der Theatermetapher vor (Schmid-Isler 2001a; Schmid-Isler 2001b; Schmid 2001b). Dieser Ansatz wird im folgenden zunächst allgemein eingeführt und im Anschluss daran in den Kontext des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum eingeordnet. D 3.3.1 Theatermetapher: Konzept Das Konzept der Theatermetapher wurde bereits Anfang der 1990er Jahre für die Entwicklung interaktiver Applikationen entdeckt (Laurel 1993). Dabei steht die Verständlichkeit sowie das positive Erlebnis des Kunden bei der Anwendung der Applikation im Vordergrund. Die Eigenschaften des hier interessierenden ökonomischen Kontextes werden dort dagegen nicht beachtet. Die Theatermetapher sieht vor, den gesamten Interaktionsprozess als Theaterstück zu modellieren. Die Interaktionsbeziehungen werden in Akte mit verschiedenen Szenen und wohldefinierten Übergängen gegliedert. An die Gestaltung dieser Szenen und des gesamten Theaterstückes werden dabei die Anforderungen des Produktes II gerichtet (s. Abschnitt B 1). Sie müssen so gestaltet werden, dass die jeweiligen Probleme der Beteiligten und dabei insbesondere des Kunden gelöst werden, die Problemlösung verstanden und akzeptiert wird und das Bedürfnis nach der Nutzung des Produktes zunächst geweckt und dann aufrechterhalten wird. Organisationsdesign Interaktionsdesign Struktur des Theaterstückes mit Akten und Szenen sowie den Rollen der Akteure Drehbuch / Skript des Theaters Drehbuch / Skript des Theaters Konkrete Inszenierung des Theaterstückes durch die Abbildung auf Dienste Kanaldesign Konkrete Inszenierung des Theaterstückes durch die Abbildung auf der Dienste auf IKT-Infrastruktur Logisches Design Sprache des Theaterstückes Abbildung D 3-6: Theatermetapher als Operationalisierung des Medienreferenzmodells 190 Methodische Grundlagen Die Anwendung der Theatermetapher operationalisiert das Medienreferenzmodell. Während das MRM die verschiedenen Designaspekte und Ebenen statisch beschreibt, definiert die Theatermetapher eine Methodik zur Instanziierung des Modells. Das Design gliedert sich hierbei in die folgenden vier Phasen (Schmid 2001b: 7 ff.): 1. das Organisationsdesign 2. das Interaktionsdesign 3. das logische Design 4. das Kanaldesign Der Bezug zu den Komponenten des Medienreferenzmodells wird in Abbildung D 3-6 dargestellt. Im folgenden werden die verschiedenen Designschritte im einzelnen beschrieben. Das Organisationsdesign definiert die organisatorische Gesamtstruktur des Theaterstückes. Es erfasst die verschiedenen Szenen, in denen Produkt, Kunden und evtl. weitere Anbieter miteinander interagieren, sowie die Übergänge und Abhängigkeiten zwischen diesen Situationen. In der Sprache der Theaterwelt werden diese verschiedenen Situationen als Szenen bezeichnet. Sie können gegebenenfalls zu grösseren Einheiten, den Akten, zusammengefasst werden. Mit den Akten und Szenen wird die Struktur des Theaterstückes festgelegt. Weiterhin werden die Akteure des Theaterstückes definiert und charakterisiert. Die Charaktere werden mit Rollen und Protokollen beschrieben, denen Rechte und Pflichten zugeordnet werden.160 Diese Zuteilung von Rechten und Pflichten kann sich im Laufe des Theaterstückes von Szene zu Szene ändern. Im ökonomischen Kontext erwirbt sich beispielsweise ein Anwender durch den Kauf eines Produktes das Recht, dieses Produkt zu nutzen.161 Das Interaktionsdesign beschreibt den Ablauf des gesamten Theaterstückes: d.h. das Skript oder Drehbuch. In der Sprache der Betriebswirtschaftslehre spricht man hier von Ablauforganisation, in der Informatik von Programm. Das Skript steuert die Interaktionsbeziehungen zwischen den einzelnen Akteuren und richtet diese auf die Erreichung der Ziele aus. Verschiedene Arten der Ablauforganisation unterscheiden sich im Freiheitsgrad, den die Prozesse den jeweiligen Akteuren bei der Wahl ihrer Aktionen lassen. Schmid (2001b: 9) differenziert hier zwischen hierarchischen, freien resp. dezentralisierten und hybriden Prozessen. Hierarchische Strukturen legen den Interaktionsprozess vollständig fest. Freie Prozesse überlassen den Akteuren die Ausgestaltung der Interaktion. Um dennoch den Erfolg der Interaktion zu gewährleisten, müssen gewisse Rahmenbedingungen z.B. in 160 Gemäss dem in dieser Arbeit zu Grunde gelegten Modell von Agenten können Rollen weiterhin durch das von ihnen erwartete Wissen, ihre Intentionen und Wünsche charakterisiert werden. 161 Zur Beschreibung der Übergänge zwischen den Szenen können State-Transition-Diagrammen ver- wendet werden (Schmid-Isler 2001a; Schmid 2001a). Design Patterns für digitale Produkte 191 Form gemeinsamer Ziele oder gemeinsamer Problemlösungsstrategien festgelegt werden, die in den Köpfen der Anwender implementiert werden müssen. Ein digitales Produkt kann hier z.B. explizite Schulungsprogramme in seinen Interaktionsraum mit dem Kunden integrieren. Hybride Prozesse leiten den Anwender durch den Interaktionsprozess, schreiben ihm dabei jedoch keine rigide Abfolge von Aktionen vor. Aktive Unterstützung kann hier z.B. in Form von Hilfsfunktionen angeboten werden, die bei Bedarf vom Anwender aufgerufen werden können. Das logische Design beschreibt die Sprache, die in diesem Theaterstück gesprochen wird. Sie bilden die Voraussetzung für die Verständlichkeit der durch das Organisationsdesign und das Interaktionsdesign definierten Aufbau- und Ablauflogik des Theaterstückes sowie für die erfolgreiche Kommunikation zwischen den Akteuren. Den einzelnen Akteuren muss in jeder Szene klar sein, welche Rolle sie spielen, welches Verhalten von ihnen erwartet wird, welches Verhalten sie aber auch von den anderen Agenten erwarten können, welche Aktionen sie durchführen müssen, welche sie durchführen können und welche Auswirkungen diese Aktionen auf den aktuellen Zustand des Theaterstückes haben. Das Erlernen einer neuen Sprache ist ein langwieriger Prozess. Daher sollte für die Kommunikation des Organisations- und des Interaktionsdesigns sowie die Kommunikation zwischen den Beteiligten eine Sprache verwendet werden, die den Anwendern bereits bekannt ist und dies sie verstehen (Schmid-Isler 2001a; Schmid 2001b: 9). Die Verständlichkeit einer Szene kann weiterhin dadurch erreicht werden kann, dass darin bereits bekannte Situationen der Akteure referenziert werden (Schmid 2001b: 9). Die logische Gestaltung der Szene muss dann die Assoziation zwischen der bekannten und der neuen Situation hervorrufen. Das Kanaldesign definiert schliesslich die technische Umsetzung des Organisations-, Interaktions- und logischen Designs mit Hilfe der zur Verfügung stehenden informationstechnologischen Infrastruktur. Sie umfasst die beiden Aspekte des Graphic Designs zur Ausgestaltung der Benutzerschnittstelle sowie des Software Engineerings zur Implementierung der Funktionalität. Organisationsdesign, Interaktionsdesign und logisches Design liefern somit die Spezifikation für die Umsetzung im Zuge des Kanaldesigns.162 D 3.3.2 Einordnung der Theatermetapher in das Design digitaler Produkte Die Theatermetapher dient generell dem Design von Medien, d.h. interaktiven Interaktionsräumen. Die Methodik bezieht sich dabei noch nicht auf den direkten Business-Kontext, wie er im Medienreferenzmodell für Business Media mit der Ausgestaltung der verschiedenen Phasen einer Geschäftstransaktion beschrieben ist. Die Anwendung der Theatermetapher soll hier stattdessen allgemein dabei helfen, die Lesbarkeit der Applikation sowie das positive Gesamterlebnis der Kunden zu gewährleisten. 162 Dabei sind die Potentiale und Beschränkungen durch die zur Verfügung stehende IKT-Infrastruk- tur jedoch auch bereits beim Organisations-, Interaktions-, und logischen Design zu beachten. 192 Methodische Grundlagen Die verfolgten Ziele entsprechen somit primär denen des Human Computer Interaction Designs. In dieser Arbeit soll das Design digitaler Produkte jedoch primär aus einer ökonomischen Perspektive heraus betrachtet werden. Das hier betrachtete Theaterstück ist daher bereits in einen konkreten wirtschaftlichen Kontext eingebettet, der durch die Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion strukturiert werden kann (s. Abschnitt C 2.1.5). Ziel ist es, die das Produkt umgebenden Interaktionsräume so zu gestalten, dass der Kunde zunächst auf das Produkt aufmerksam gemacht wird, den Wunsch entwickelt, das Produkt zu besitzen, das Produkt erwirbt und erfolgreich anwendet. An die Gestaltung dieser Phasen wird selbstverständlich auch in dieser Arbeit die Anforderung nach der Lesbarkeit der Abläufe gestellt. Weiterhin ist jedoch mit jeder Phase ein bestimmtes Ziel verbunden, dessen Erreichung durch die Gestaltung der Organisations- und Interaktionsstrukturen, d.h. durch das Organisations- und das Interaktionsdesign, sowie auch des logischen Designs unterstützt werden soll (s. Abschnitt C 2.1.5). Die Güte des Designs wird dann am induzierten Kundenwert gemessen (s. Abschnitt C 1.4.2). Es sei hier erneut betont, dass die beiden ersten Phasen des integrierten Phasenmodells resp. die drei ersten Phasen des Gesamtmodells der Kunde-Produkt-Interaktion (s. Abschnitte C 2.1.4 und C 2.1.5) eine besondere Rolle bei der Gestaltung des Theaterstückes „Digitales Produkt II“ spielen. Sie errichten den logischen Raum, der in den folgenden Phasen für das logische Design der Szenen zur Verfügung steht. Beim Design dieses Theaterstückes müssen weiterhin die besonderen Ansprüche der Kunden im Electronic Business, wie beispielsweise die gesteigerten Anforderungen nach Sicherheit und Datenschutz, berücksichtigt werden, wie diese in Abschnitt C 1.3.3 ausführlich erläutert wurden. Das Design des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte stellt somit bereits konkrete Anforderungen an die Ausgestaltung des Theaterstückes. Es liefert in Form der Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion eine grobe Strukturierung, definiert die Ziele, die neben der Lesbarkeit in jeder Situation des Theaterstückes erreicht werden müssen, sowie die Besonderheiten des ökonomischen Kontextes, die bei der Gestaltung der Szenen zu beachten sind. E Entwicklung der Patternsprache Nachdem in den Teilen C und D die inhaltlichen und methodischen Grundlagen dieser Arbeit gelegt wurde, beschäftigt sich der vorliegende Teil E mit der Herleitung der Patternsprache für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum. Zugrundegelegt wird hierbei das ganzheitliche und kundenzentrierte Designverständnis aus Kapitel B 6. Diese Sprache soll somit die Gestaltung aller Szenen des „Theaterstückes“ der Kunde–Produkt/Anbieter– Interaktion unterstützen. Gütekriterium der Designlösungen ist der in Abschnitt C 1.4.2 eingeführte Kundenwert eines digitalen Produktes. Die Entwicklung der Patternsprache umfasst zwei aufeinander aufbauende Aufgaben: 1. Die Entwicklung einer Metasprache im Sinne einer Strukturierung der Designaufgabe und des Designwissens zur Unterstützung des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum: Diese Metasprache definiert die Struktur der Sprache. Sie umfasst zum einen die Relationen zwischen den einzelnen Patterns und zum anderen die Struktur der Patterns selbst. Die Metasprache schafft somit den Rahmen für die Entwicklung der konkreten Patternsprache. Sie beruht dabei auf den Erkenntnissen über die Kunde-Produkt-Interaktionsprozesse, wie sie ausführlich in Abschnitt C 2.1 dargelegt wurden. 2. Die Entwicklung und Ableitung der konkreten Design Patterns, d.h. der Patternsprache für das kundenzentrierte Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum als Instanziierung der Metasprache: Die Patterns füllen somit die durch die Metasprache festgelegten Strukturen mit Inhalt und ergänzen sich durch ihre Relationen zu einer Patternsprache. Die Patterns müssen sowohl die Besonderheiten digitaler Produkte und digitaler Wirtschaftsräume als auch die Gesetzmässigkeiten menschlichen Verhaltens beachten. Neben der Darstellung der Problemstellung und der Lösungsbeschreibung wird in den Patterns daher ebenfalls erläutert, warum diese Lösung funktioniert. Diese Begründung basiert dabei auf den in Kapitel C 1 dargelegten Eigenschaften digitaler Produkte sowie auf den in Kapitel C 2 eingeführten zentralen Theorien des Konsumentenverhaltens. Die in dieser Arbeit zu entwickelnde Sprache hat sich zum Ziel gesetzt, alle Szenen und somit die ganze Breite der Kunde-Produkt-Interaktion zu erfassen. Beim Design digitaler Produkte handelt es sich dabei um ein dynamisches Problemfeld. Die Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), die Verbreitung der IKT, die Weiterentwicklung des Wissensstandes der Anwender und auch neue Erkenntnisse bezüglich des Konsumentenverhaltens wirken sich auf die Designoptionen aus. Daher konzentriert sich diese Arbeit auf die Ableitung der zentralen Lösungsmuster auf der Grundlage des aktuellen Wissensstandes. Das Abstraktionsniveau ist so gewählt, dass ihre Gültigkeit auch gegenüber den erwähnten Änderungen der Ausgangslage weitestgehend bewahrt bleiben. Dennoch ist, insbesondere bzgl. der technischen Umsetzung, eine zeitliche Weiterentwicklung der konkreten Patternsprache wahrscheinlich. Der hier entwickelte Strukturrahmen in Form der Metapatternsprache und insbesondere die Fundierung der Patterns sowohl auf den Best 193 194 Entwicklung der Patternsprache Practice Cases als auch auf den theoretischen Grundlagen ermöglicht eine sukzessive Weiterentwicklung der Patternsprache. Die Metapatternsprache selbst basiert dagegen auf recht fundamentalen Gesetzmässigkeiten und ist daher weitestgehend stabil. Die Entwicklung der Metapatternsprache sowie des Entwicklungsrahmens zur Ableitung konkreter Sprachinstanzen ist Gegenstand des folgenden Kapitels E 1. In Kapitel E 2 wird dann im Sinne einer Instanziierung des durch die Metasprache gegebenen Strukturgerüsts und unter Anwendung der ebenfalls in Kapitel E 1 entwickelten Methode, die Patternsprache für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum abgeleitet. E 1 Metapatternsprache und Entwicklungsrahmen Ziel dieses Kapitels ist die Entwicklung einer Metasprache zur Strukturierung der konkreten Patternsprachen auf der Instanzenebene sowie eines Entwicklungsrahmens für die Ableitung, Anwendung und Validierung der Patternsprache für digitale Produkte. Im folgenden wird zunächst, in Analogie zur Beschreibung der Patternsprachen der unterschiedlichen Designdisziplinen in Kapitel D 2, die Ausrichtung und Zielsetzung, d.h. insbesondere die Quality without a name, definiert. Im Anschluss daran wird die eigentliche Metasprache als Rahmen der zu entwickelnden Patternsprache konzipiert. In Analogie zu Kapitel D 2 werden dann die Prozesse zur Herleitung und Validierung der Patterns festgelegt. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels werden schliesslich die Best Practice Beispiele eingeführt, auf denen die Ableitung der Patternsprache basiert. Durch dieses Kapitel wird somit die Grundlage für die Entwicklung der Patternsprache für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum gelegt. Diese ist Gegenstand des folgenden Kapitels E 2. E 1.1 Zielsetzung und Ausrichtung der Patternsprache Die Zielsetzung der hier zu entwickelnden Patternsprache für das Design digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum umfasst alle in Abschnitt C 1.2 erläuterten Vorteile resp. Anwendungsfelder von Patternsprachen: 1. die Unterstützung des Design Prozesses, 2. ihr Einsatz im Zuge des Knowledge Managements von Design Wissen, 3. ihre Funktion als Designsprache zur Unterstützung eines interdisziplinären Designprozesses. Diese drei Punkte werden im weiteren näher ausgeführt: Die Patternsprache soll Wissen über gutes Design digitaler Produkte in einer leicht verständlichen Sprache erfassen. Die Art der Wissensdarstellung in Form von Lösungsbeschreibungen für wiederkehrende Problemsituationen unterstützt – auch unerfahrene – Designer bei der Konstruktion qualitativ hochwertiger Lösungen. Die explizite Ausführung des Anwendungskontextes sowie die Erläuterung der Funktionsweise der Patterns gestatten deren zielgerichteten Einsatz, die Verbindungen zwischen den Patterns, das iterative Design einer kongruenten Lösung des Gesamtsystems. Design Patterns für digitale Produkte 195 Die Patterns bilden weiterhin die Basis des Managements von Designwissen. Die Strukturierung der Sprache sowie der Patterns ermöglicht nicht nur deren gezielten Einsatz, sondern weiterhin die sukzessive Erweiterung und Anpassung der Sprache, ohne die Konsistenz des Gesamtsystems zu gefährden. Die hier zu erstellende Patternsprache genügt weiterhin den besonderen Anforderungen des interdisziplinären Designprozesses. Im Sinne einer Lingua Franca umfasst sie die Sichtweisen der verschiedenen Stakeholder am interdisziplinären Designprozess. Hier werden somit insbesondere die Anforderungen der Anwender resp. Kunden als auch die der für die technische Umsetzung verantwortlichen Spezialisten in den Patterns erfasst. Die zentrale Bezugsgruppe, an der sich die Qualität des Designs misst, sind die Anwender resp. die Kunden. Die QWAN, die der hier zu konzipierenden Patternsprache zu Grunde liegt, ist somit der Kundenwert resp. das positive Kundenerlebnis. Wie in Abschnitt C 1.4 erläutert wurde, definiert sich dieser Kundenwert über den gesamten Prozess der Kunde-Produkt-Interaktion. Er umfasst dabei sowohl den Wert des Produktes selbst (den „Content“) als auch den Wert des Anwendungskontextes („den Kontext“). Letzterer wurde durch das Phasenmodell in Abschnitt C 2.1.5 genauer spezifiziert. In allen diesen Szenen des Interaktionsprozesses muss der Kunde bei der Erreichung seiner jeweiligen Ziele optimal unterstützt werden. Dabei sind sowohl die Verhaltensweisen der Kunden als auch die Charakteristika digitaler Produkte und Interaktionsräume zu berücksichtigen (s. Abschnitt C 2.2 und Kapitel C 1). Wie ebenfalls in Abschnitt C 1.4 erläutert wurde, lässt sich der Kundenwert auf die beiden zentralen Grössen Qualität und Kosten (einschliesslich Risiko) zurückführen. Sie sind somit durch das Design von „Content“ und „Context“ zu erhöhen resp. zu reduzieren.163 E 1.2 Metapatternsprache Die in diesem Abschnitt entwickelte Metasprache liefert das Gerüst zur Entwicklung konkreter Design Patterns sowie zu deren Zusammenführung zu einer Patternsprache. Den methodischen Ausgangpunkt bilden die in Kapitel D 3 eingeführten Modelle von Medien zur Modellierung digitaler Interaktionsräume sowie die Theatermetapher als zugehörige Operationalisierung. Die inhaltliche Basis bilden das in Abschnitt C 2.1.5 eingeführten Phasenmodelle der Kunde-Produkt-Interaktion. E 1.2.1 Struktur der Sprache Gemäss unserer Definition vom Design digitaler Produkte umfasst das hier zu modellierende Theaterstück alle Phasen des Interaktionsprozesses zwischen Kunde und Produkt. Nach den Ausführungen des Abschnittes C 2.1.5 gliedert es sich somit in die folgenden acht 163 Eine besondere Rolle spielt dabei die Möglichkeiten zur Indiviualisierung von „Content“ und „Context“(s. Abschnitt C 1.4). 196 Entwicklung der Patternsprache interdependenter, d.h. weitgehend aufeinander aufbauenden, Phasen ein: (1) die Awareness, (2) die Überzeugung, (3) die Entscheidung, (4) das Wissen, (5) die Verhandlung, (6) die Abwicklung, (7) die Anwendung und (8) die Kundenbetreuung, die wiederum in die Awareness-Szene überleitet und so den Kreis schliesst. Das Modell ist in Abbildung E 1-1 noch einmal skizziert. Entscheidung Absicht Überzeugung Verhandlung Awareness Wissen Kundenbetreuung Abwicklung Anwendung Abbildung E 1-1: Integriertes Modell der Kunde-Produkt / Anbieter-Interaktion mit den zentralen zeitlichen Übergängen. Sie werden in der konkreten Patternsprache erweitert und erläutert. Jede Phase ist dabei charakterisiert durch die Erreichung bestimmter Kundenziele: (1) die Kenntnis eines Produktes, (2) die Bildung einer Einstellung gegenüber einem Produkt, (3) die Entscheidung über den Erwerb eines Produktes, (4) die Aneignung von Wissen v. a. über die Anwendung des Produktes, (5) die Formulierung des genauen Kundenwunsches, dessen Abgleich mit bestehenden Angeboten sowie die Aushandlung und vertragliche Festlegung der Konditionen, (6) die Abwicklung der zahlungs- und transportlogistischen Prozesse im Zuge der Abwicklung des Vertrages, (7) die zielgerichtete Anwendung des Produktes und (8) die Unterstützung bei der Anwendung des Produktes sowie die Nachbetreuung durch den Produktanbieter (s. Abschnitt C 2.1.5). Die generelle Struktur der Patternsprache lässt sich nun auf der Grundlage dieser Phasen ableiten: Die Sprache besteht somit aus Patterns, welche das Design der entsprechenden „Szenen“ dieser Phasen definieren, sowie aus den Zusammenhängen und Übergängen zwischen diesen Patterns. Eine Phase, primär definiert durch die Erreichung eines bestimmten Zieles, manifestiert sich in der Regel in verschiedenen konkreten Situationen, in denen das Produkt (oder seine Repräsentation) und der Kunde im Zuge dieser Phase aufeinandertreffen. Beispielsweise kann ein Kunde im Verlauf des aktiven Suchverhaltens nach einer Problemlösung auf ein Produkt aufmerksam werden, er kann jedoch auch durch einen Bekannten auf das Produkt hingewiesen werden. Diese verschiedenen Szenen korrespondieren dabei häufig mit unterschiedlichen Verhaltenstypen der „Mitspieler“, hier insbesondere des (potentiellen) Kunden. Beispielsweise sind Innovatoren progressiver in ihrem Informationsverhalten und werden so eher im Zuge der aktiven Suche auf ein Produkt aufmerksam; Imitatoren sind dagegen eher Design Patterns für digitale Produkte 197 für Hinweise aus ihrem sozialen Umfeld aufgeschlossen. Dabei fokussiert diese Arbeit auf die Gestaltung der aktuelle am weitesten verbreiteten Browserschnittstelle. Die Schnittstellen anderer Endgeräte sind dagegen nicht Gegenstand dieser Arbeit. Die einzelnen Situationen, d.h. die konkreten Szenen dieser Phase, können auch aufeinander aufbauen. Sie sind dann auf die Erreichung von Subzielen ausgerichtet und gewährleisten gemeinsam mit den anderen Szenen dieser Phase die Erreichung des Gesamtzieles der Phase. Beispielsweise muss der Kunde in der Verhandlungsphase zunächst bei der Auswahl und Konfiguration, der Subszene 1, und anschliessend bei der Aushandlung der Konditionen, der Subszene 2, unterstützt werden. Für jede Phase existiert somit ein ganzes „Cluster“ von Szenen. Eine Szene ist dabei definiert durch die verschiedenen Anwendungskontexte, d.h. die Situation, in der ein Phasenziel oder eines der Subziele erreicht werden soll, sowie die jeweilige Zielgruppe. Die Patternsprache umfasst also auf der Metaebene acht „Szenencluster“, bestehend aus Szenepatterns, welche die optimale Gestaltung der jeweiligen Szenen definieren. Die Patterns eines Szenenclusters weisen oftmals weitreichende Gemeinsamkeiten auf. Diese können, in Analogie zur Strukturierung objektorientierter Sprachen, in einem abstrakten Pattern zusammengefasst werden.164 In der objektorientierten Programmierung (und Modellierung) fassen abstrakte Klassen die wesentlichen Eigenschaften, d.h. Attribute, sowie die Funktionalitäten, d.h. die Methoden, mehrerer Klassen zusammen. Sie vererben diese Struktur- und Verhaltensmerkmale an die von ihnen abgeleiteten Klassen. Dabei können sowohl die Attribute als auch die Funktionen verfeinert oder ergänzt werden. Diese Vererbungsrelation unterstützt die Wiederverwendung von Wissen und vermeidet die wiederholte Ausführung der gleichen Inhalte in unterschiedlichen Klassen resp. Patterns. Abstrakte Patterns umfassen die Einordnung in den Kontext und somit die Beziehung zu den Patterns anderer Szenen, die generelle Problemsituation, allgemeine Gestaltungshinweise und insbesondere die in dieser Phase zu berücksichtigenden Theorien des Konsumentenverhaltens sowie die Potentiale digitaler Produkte zur Steigerung des Kundenwerts, die für die Szenen eines Clusters gültig sind. Diese Eigenschaften werden an die konkreten Szenepatterns vererbt und im Zuge der Anpassung an den konkreten Anwendungskontext verfeinert. Die konkreten Szenen leiten sich dabei aus den theoretischen Konzepten des abstrakten Patterns ab. Die abstrakten Patterns liefern somit einen Rahmen für die konkreten Szenepatterns und motivieren deren Design. Diese Vererbungsrelation unterstützt jedoch noch nicht die Zusammenführung der Patterns zu einer kongruenten Patternsprache. Für die hier zu entwickelnde Patternsprache für digitale Produkte, die das Gesamttheaterstück der Kunde-Produkt-Interaktion erfassen soll, sind die zeitlichen und inhaltlichen Abhängigkeiten und Beziehungen zwischen den Patterns entscheidend: 198 1. Entwicklung der Patternsprache Die zeitlichen Abhängigkeiten: Sie beschreiben die zeitlichen Übergänge von einer Szene zu einer anderen. Hier ist es entscheidend zu erfassen, wie sich eine Folgeszene in den Anwendungskontext eingliedert. Dabei existieren grundsätzlich drei Möglichkeiten: (1) der Übergang führt zu einem Verlassen der Ausgangsszene (2) der Übergang führt zum Start eines parallen Theaterstückes oder (3) der Übergang führt nach der Beendigung der Folgeszene wieder zur Ausgangs-Szene zurück.165 2. Die inhaltlichen Abhängigkeiten: Sie beschreiben, wie sich die Vorgänge innerhalb eine Szene auf den Anwendungskontext einer anderen Szene auswirken. Inhaltliche und zeitliche Abhängigkeiten hängen in der Regel eng miteinander zusammen. Ein zeitlicher Übergang kann jedoch der Ausbildung einer inhaltlichen Dependenz zeitversetzt folgen. So wirken sich beispielsweise die in der Entscheidungsphase angekündigten Massnahmen zur Risikominderung auf die Ausgestaltung der Anwendungsphase aus. Nach der Entscheidung wird der Kunde jedoch zunächst in die Verhandlungs-Szene überwechseln. Überzeugung Entscheidung Absicht Verhandlung Awareness Wissen Abwicklung Kundenbetreuung Anwendung Abbildung E 1-2: Beispielhafte Darstellung der Struktur der Metasprache 164 Für eine Übersicht über die Konzepte der Objektorientierung s. (Ambler 2001; Forbig 2001; Rumbaugh et al. 1998). 165 Beispiele für (1) sind der Übergang von den Szenen der Verhandlungsphase zu den Szenen der Abwicklungsphase, für (2) der Übergang von der Schaffung einer Awareness für ein Produkt auf der Web Site eines anderen Produktes zur Vertiefung des Produktverständnisses auf der Web Site des Produktes selbst und für (3) der Übergang von den Anwendungsszenen zu den Wissensszenen und die anschliessende Rückkehr in den Anwendungskontext. Design Patterns für digitale Produkte 199 Abbildung E 1-2 gibt eine Übersicht über die soeben eingeführte Struktur der Metasprache. Die Cluster werden dabei als Ovale, konkrete Patterns als Kästchen, abstrakte Patterns als gestrichelte Kästchen, die Vererbungsrelation als durchgezogenen gerichtete Verbindungen von den abstrakten zu den abgeleiteten konkreten Patterns, die zeitlichen Relationen als gepunktete gerichtete Verbindungen und die inhaltlichen Relationen als gestrichelte gerichtete Verbindungen dargestellt. Die drei unterschiedlichen Arten zeitlicher Übergänge werden durch verschiedene Pfeilanfänge gekennzeichnet: das Verlassen der Szene durch einen geraden Anfang, der Übergang mit anschliessender Rückkehrt durch einen Kreis166 und der Übergang in ein neues Theaterstück durch eine Raute. Die obige Graphik dient lediglich der Illustration der Sprachkonstrukte. Die jeweiligen Ausprägungen stimmen dagegen nicht mit der Struktur der tatsächlichen Patternsprache überein. Mit der Betonung auf den zeitlichen und inhaltlichen Abhängigkeiten zwischen den Patterns unterscheidet sich dieser Ansatz von den bisher entwickelten Patternsprachen anderer Disziplinen. Für diese ist die Verfeinerungs- resp. Implementierungsrelation, die entscheidende und zumeist auch die einzige Relation zwischen den Patterns.167 Dabei ergänzen sich verschiedene Sub-Patterns zur Implementierung eines übergeordneten Patterns. Ziel der hier zu entwickelnden Patternsprache ist es jedoch, die gesamte Breite des „Theaterstückes“ abzudecken. Dies wirkt sich auf das Abstraktionsniveau der jeweiligen Szenenpatterns aus. Jedes Pattern deckt dabei die zentralen Gestaltungsvorschriften einer Szene ab. Sie könnten in einem Ausbauschritt der Sprache weiter verfeinert werden. Sinnvoll wäre hier insbesondere die Identifizierung von gleichzeitig in verschiedenen Szenen auftretenden und somit generischen Unterszenen. Eine derartige Aufsplittung und Verfeinerung der Szenen würde dann eine Hierarchie über- und untergeordneter Patterns induzieren. Sie ist jedoch nicht zentral für die Erreichung der hier verfolgten Ziele und daher auch nicht Gegenstand dieser Arbeit. Insbesondere die Anwendungsszene kann als eigenes Theaterstück mit verschiedenen Szenen und Szenenübergängen angesehen werden. Dabei unterscheiden sich die Auswahl und Gestaltung der Szenen in Abhängigkeit vom jeweiligen Produkt-Genre. Im Gegensatz dazu stellen die der Anwendung vor- und nachgelagerten Szenen relativ unabhängig vom jeweiligen Produkttypus die gleichen Anforderungen an das Design. Sie stehen daher im Zentrum dieser Arbeit. E 1.2.2 Struktur der Patterns Die Patternstruktur folgt weitestgehend dem Vorbild der von Christopher Alexander eingeführten Architekturpatterns. Sie wird in Anlehnung an die Struktur der Software Engineering Patterns um eine Begründung der Funktionsweise des Patterns ergänzt. Diese ba166 Z.B. vonder Anwendungsphase zur Wissensphase und zurück. 167 Siehe insbesondere die Architekturpatterns von Christopher Alexander in Abschnitt D 2.1 und die HCI Patterns von Tidwell in Abschnitt D 2.3.1. 200 Entwicklung der Patternsprache siert auf verhaltenstheoretischen Annahmen über das Konsumentenverhalten oder / und auf den Charakteristika digitaler Medien. In der folgenden Aufzählung werden die einzelnen Elemente der Patterns noch einmal erläutert: 1. Name des Patterns: Jedes Pattern erhält als erste Komponente einen prägnanten und einprägsamen Namen, der bereits auf die wesentlichen Aspekte der Lösung schliessen lässt. 2. Kontext: Dieses Element erfasst den Anwendungskontext des Patterns und somit die zeitliche und inhaltliche Einordnung in das Gesamttheaterstück der Kunde-Produkt Interaktion.168 3. Problem: Hier wird die Problemstellung erläutert, die durch das Pattern gelöst werden soll. Sie umfasst insbesondere die – sich widerstrebenden – Kräfte, die es im Zuge der Lösung auszugleichen gilt. Diese beruhen wiederum auf den Charakteristika der Kunden sowie den Besonderheiten digitaler Produkte. 4. Beispiel: Dieses Element untermauert die Problemstellung und motiviert deren Lösung durch die Darstellung erfolgreicher Designs. Hier gliedert sich das Best Practice Wissen in die Patternbeschreibung ein. 5. Lösung: Dieses zentrale Patternelement erfasst die eigentliche Problemlösung, d.h. das optimale Design der jeweiligen Szene. Zur Beschreibung der Gestaltung dient die Theatermetapher resp. das Medienreferenzmodell. Auf diesen Aspekt wird im weiteren Verlauf des Abschnittes noch genauer eingegangen. 6. Diagramm: Hier werden durch eine schematische Darstellung die zentralen Aussagen des Patterns skizziert. 7. Rational: Das Rational erklärt und fundiert die dargestellte Problemlösung mit Hilfe der Theorien über das Konsumentenverhalten sowie der Kenntnisse über die Besonderheiten digitaler Produkte. 8. Verwandte Patterns: In dieser letzten Sektion der Patternbeschreibung werden die zeitlichen und inhaltlichen Abhängigkeiten zu nachfolgenden Szenepatterns erfasst.169 Sie komplettieren somit die Kontextbeschreibung bzgl. der Einordnung in den Gesamtkontext des Theaterstückes. Vergleicht man die Patternstruktur mit der Struktur der Alexandrinischen Patterns mit den Komponenten Name, Ranking, Illustration, Kontext, kurze Problembeschreibung, ausführliche Problembeschreibung, Lösung, Diagramm und Referenz zu Patterns, erkennt man einige Abweichungen. 168 Bei der Erfassung von Verfeinerungsrelationen würde hier auch der Zusammenhang zu den übergeordneten Szenepatterns erfasst. 169 Bei der Erfassung von Verfeinerungsrelationen würden in dieser Sektion auch die Zusammen- hänge zu untergeordneten Szenepatterns festgehalten. Design Patterns für digitale Produkte 201 Auf das explizite Ranking der Patterns wurde verzichtet. Ein sinnvolles Ranking entwickelt sich über die Zeit im Zuge einer wiederholten Anwendung der Patterns. Die hier vorgestellten Patterns werden aus einer beschränkten Anzahl von Best Practice Beispielen abgeleitet. Dabei wird die Güte der Patterns zwar weiterhin durch deren theoretische Fundierung gestützt, ein Ranking der Patterns erscheint dennoch als wenig angemessen. Die Illustration der Patterns erfolgt im Zuge der Beschreibung der Best Practice Cases. Da es sich hier um das Design digitaler Produkte handelt, besteht die Illustration aus Screenshots der entsprechenden Web Sites. Aus Gründen der Klarheit findet die Beschreibung der Best Practices in einer eigenen Sektion Beispiel statt. Dagegen werden die kurze und die lange Problembeschreibung, die normalerweise die Beispiele subsumieren, in eine Sektion Problem zusammengefasst. Schliesslich ergänzt das Rational mit seiner ausführlichen Begründung der theoretischen Fundierung der Problemlösung die Patternstruktur um ein für diese Sprache wesentliches Element. Nach dieser generellen Beschreibung der Patternstruktur soll abschliessend als zentraler Bestandteil eines Patterns die Struktur der Lösungsbeschreibung näher betrachtet und spezifiziert werden. Um den Anforderungen einer interdisziplinären Designsprache gerecht zu werden, müssen bei der Formulierung der Lösung sowohl die organisatorischen als auch die informationstechnischen Aspekte berücksichtigt werden. Diese Verbindung zwischen den Anforderungen und Besonderheiten des Anwendungskontextes und der technischen Realisierung spiegelt sich im Medienreferenzmodell und seiner Operationalisierung in Form der Theatermetapher wider. Die Beschreibung der Lösung erfolgt somit durch die Spezifikation aller vier der dort erfassten Designebenen: 1. dem Organisationsdesign (O-Design), mit der Spezifikation der Rollen der in der jeweiligen Szene auftretenden Akteure einschliesslich deren Rechten und Pflichten, 2. dem Interaktionsdesign (I-Design), mit der Beschreibung der Interaktionsprozesse zwischen den Akteuren in den jeweiligen Rollen, 3. dem logischen Design (L-Design), mit der Sprache des Theaterstückes, die für die Verständlichkeit der Szene verantwortlich ist und 4. dem Kanaldesign (K-Design), mit der Beschreibung der informationstechnischen Umsetzung des Organisations-, des Interaktions- und des logischen Designs. Wie in Abschnitt D 3.3 erläutert wurde, bilden das Organisationsdesign, das Interaktionsdesign und das logische Design gewissermassen die Spezifikation für das Kanaldesign. Die Möglichkeiten und Beschränkungen oder allgemein die Charakteristika der IKT-Infrastruktur wirken sich jedoch auch rückwirkend auf die Gestaltung der Interaktionsbeziehungen aus und müssen daher bereits beim O-, I-, und L-Design beachtet werden. Beispielsweise kann das Verhalten eines Agenten nur bedingt durch die Plattform forciert werden, was durch organisatorische Regelungen, z.B. die Einführung eines Moderators in eine Diskussionsgruppe, kompensiert werden muss. Diese organisatorischen Regelungen haben dann wiederum Auswirkungen auf die informationstechnische Gestaltung. Daher müssen generell alle vier Designebenen explizit betrachtet werden. Bei der Modellierung des Kanaldesigns wird jedoch in dieser Arbeit von technischen Implementierungsdetails sowie von den Fein- 202 Entwicklung der Patternsprache heiten der – graphischen – Schnittstellengestaltung abstrahiert. Hier sei auf die Patterns des Software Engineerings und des HCI Designs verwiesen (s. dazu insbesondere die Abschnitte D 2.2 und D 2.3). Im Fokus der Patternbeschreibungen stehen dagegen die organisatorischen Strukturen und Abläufe unter Berücksichtigung der Möglichkeiten und Beschränkungen der IKT-Infrastruktur sowie die Ableitung von Anforderungen an ihre Umsetzung im Kanalsystem. E 1.3 Methodik: Herleitung und Validierung Den Ausgangspunkt für die Herleitung der Patterns bildet die durch die Metasprache vorgegebene Strukturierung des Designraumes in die acht Szenencluster und die zeitlichen und inhaltlichen Relationen zwischen den Patterns. Sie definieren die Szenen und die mit diesen verbundenen Ziele, die durch die Patternsprache abgedeckt werden müssen, sowie die möglichen Beziehungen zwischen den Patterns. Im folgenden wird nun die Methodik entwickelt, die der konkreten Herleitung der Patterninhalte zu Grunde gelegt werden soll. Gemäss den Ausführungen des Kapitels D 1 beruht der Patternansatz darauf, dass gutes Designwissen in Form bewährter Lösungen auf wiederkehrende Probleme systematisch erfasst wird. Diese Lösungen leiten sich also aus der Designpraxis ab. Die Patterns stellen dabei die Generalisierungen von Best Practice Cases dar. Da es sich beim Design von digitalen Produkten um eine relativ junge und dynamische Designdisziplin handelt, gibt es in der Praxis noch wenige Beispiele, die den Anforderungen der in Abschnitt E 1.1 definierten QWAN genügen. Weiterhin bedarf die systematische Ableitung von Patterns des Rückgriffs auf ein theoretisches Fundament. Hier sind dies die Theorien des Konsumentenverhaltens sowie die Potentiale digitaler Produkte und Interaktionsräume: • Die Erkenntnisse des Konsumentenverhaltens motivieren und erklären die Lösung wiederkehrender Problemsituationen sowie auch das Zustandekommen dieser Probleme selbst. • Die Charakteristika digitaler Interaktionsräume zeigen Möglichkeiten zur Erhöhung des Kundenwertes der jeweiligen Szene durch den gezielten Einsatz der IKT auf. Sie gehen daher vorrangig in die Gestaltung der Lösung ein. Aber auch sie können einen Einfluss auf das Zustandekommen der Problemsituationen haben. So bewirkt die Fähigkeit digitaler Interaktionsräume, Daten über den Anwender zu sammeln, zu verarbeiten und weiterzuleiten, eine Gefahr für den Schutz privater Informationen des Anwenders, denen durch entsprechende organisatorische, kommunikative und informationstechnischen Massnahmen zu begegnen ist. Wie in Abbildung E 1-3 illustriert, beruht die Herleitung der konkreten Patternsprache somit auf zwei Säulen: 1. Eine Säule für die Motivation und die Erklärung der Patterns, basierend auf dem in dieser Arbeit aufgebauten Theoriegerüst. Sie besteht aus: • den Kenntnissen über das Konsumentenverhalten und Design Patterns für digitale Produkte 203 • den Kenntnissen über die Charakteristika digitaler Interaktionsräume, 2. Eine Säule für die Umsetzung, basierend auf dem Best Practice Wissen aus der Designpraxis sowie eigenen Erfahrungen im Zuge mehrjähriger Forschungsarbeiten im Bereich des Designs digitaler Produkte und Interaktionsräume. Patternsprache Überzeugung Entscheidung Absicht Verhandlung Awareness Wissen Abwicklung Kunden betreuung Anwendung Theoretische Grundlagen: • Konsumentenverhalten • Eigenschaften Digitaler Produkte Best Practice Wissen aus der Design Praxis Eigene Designerfahrungen Abbildung E 1-3: Methodik zur Herleitung der Patternsprache Die Berücksichtigung der theoretischen Aspekte, die sich darüberhinaus bereits in der Strukturierung der Metasprache in die verschiedenen Szenencluster widerspiegeln, bringt weiterhin die folgenden Vorteile: • Sie erhöht das Verständnis der Lösung und der Problemsituation. • Sie erleichtert die Anwendung und Anpassung der Patterns: Annahmen über den Anwendungskontext, insbesondere die „Kontextvariable Mensch“ sowie über die technischen Möglichkeiten und Beschränkungen der IKT-Infrastruktur, steuern die zielgerichtete Anwendung der Patterns. Neue Erkenntnisse der Konsumentenforschung sowie Fortschritte der IKT können durch Anpassungen der Patterns resp. Erweiterungen der Patternsprache konsistenzerhaltend in die Patternsprache integriert werden. • Die Patterns erhalten durch die theoretische Untermauerung einen verstärkt normativen Charakter. Patterns spiegeln nicht nur das in bestehenden digitalen Produkten gespeicherten Designwissens wider, sondern tragen weiterhin zur Bildung neuen Designwissens bei. In den Patterns wird die theoretische Säule explizit in der Patternkomponente „Rational“ erfasst. Das abstrakte Pattern umfasst dabei die verschiedenen theoretischen Kenntnisse, die in dieser Phase zu berücksichtigen sind. Die konkreten Szenepatterns beschreiben dann die Umsetzung des Rationals in Form der Ausgestaltung der entsprechenden konkreten Szenen der Anbieter-Kunde-Interaktion. Die abstrakten Patterns liefern damit einen Rahmen für die konkreten Szenepatterns und motivieren durch das Rational deren Design. 204 Entwicklung der Patternsprache Die Validierung der Patterns beruht ebenfalls auf diesen beiden Säulen. Die Qualität der Lösungen wird somit zum einen durch deren erfolgreiche Anwendung beim Design digitaler Produkte und zum anderen argumentativ durch die theoretische Fundierung bezeugt.170 E 1.4 Cases Wie im vorangegangenen Abschnitt erläutert, basiert die Herleitung der Patternsprache auf den beiden Säulen: (1) Best Practices und (2) theoretisches Wissen über das Konsumentenverhalten und die Eigenschaften digitaler Produkte. In diesem Abschnitt werden als Vorbereitung für die konkrete Herleitung der Patterns die dort verwendeten Best Practice Beispiele vorgestellt: (1) amazon.com Inc., (2) Dell Computer Corporation, (3) eBay Inc. und (4) jobfair24. Essentiell für die Qualifikation als Best Practices ist dabei deren Erfolg bei den Kunden, primär gemessen an der Zufriedenheit und Grösse ihres – aktiven – Kundenstammes. Diese vier Services unterscheiden sich dabei in ihrem Innovations- resp. Neuigkeitsgrad.171 Bei amazon.com handelt es sich weitestgehend um die Übertragung eines aus der Offline-Welt bereits gut bekannten Geschäftsfeldes, das des Buchhandels oder generell das des – spezialisierten – Kaufhauses. Gleiches gilt für Dell.com, einen Online-Verkäufer von Computer Hardware einschliesslich der zugehörigen Services. Sowohl bei amazon.com als auch bei Dell.com ergeben sich jedoch durch die Übertragung auf das elektronische Medium weitreichende Möglichkeiten zur Verbesserung des Kundenservices. Auch eBay.com, das momentan weltweit führende Online-Auktionshaus, bietet einen prinzipiell bekannten Service an, mit dem jedoch die angestrebte Zielgruppe der Privatkunden zumeist wenig vertraut ist. Es weist daher gegenüber amazon.com und dell.com einen höheren Innovationsgrad auf. Dieser wird lediglich von Jobfair24.de übertroffen, dem ersten Online-Anbieter von virtuellen Jobmessen. Im folgenden werden die vier Vertreter erfolgreicher digitaler Produkte einzeln vorgestellt. Diese Übersicht umfasst jeweils, die „Entstehungsgeschichte“, den „Leistungsumfang“ und, in Form einer „Bewertung“, zentrale Geschäftszahlen, die Rückschlüsse über den Erfolg des digitalen Produktes in ihrem jeweiligen Kundenkreis gestatten. Jeder Case als Ganzes betrachtet qualifiziert sich dabei durch diesen Erfolg bei den Kunden als Best Practice. Analysiert man jedoch die einzelnen Szenen isoliert, so treten für jede Szene jeweils verschiedene der Produkte besonders hervor. Diese bilden dann die praktische Grundlage für die Ableitung der jeweiligen Patterns dieser Szene. 170 Darüberhinaus sollte die Validität der Patterns und der Patternsprache weiterhin durch die die Anwender resp. die Kunden bestätigt werden. Diese Validierung kann dabei auch technisch unterstützt werden. Die Möglichkeiten reichen hier von der Online-Befragung der Kunden bis zur Protokollierung des Kundenverhaltens mit anschliessender Ableitung von Kenngrössen der Kundenzufriedenheit. Alternativ können auch verschiedene Beobachtungstechniken angewandt werden (s. z.B. (Creative Good 2000: 20)). Dies würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen und soll daher als Anregung für nachfolgende Arbeiten dienen. 171 Für das hier zugrundegelegte Verständnis von Innovation s. Abschnitt C 2.1.3. Design Patterns für digitale Produkte 205 E 1.4.1 Amazon.com Inc. Der erste Best Practice Case ist amazon.com, ein Online-Einzelhändler, der sich seit seiner Gründung im Jahre 1995 vom Online-Buchhändler zum virtuellen Kaufhaus entwickelt hat, das eine breite Palette verschiedener Produktkategorien sowie zusätzliche Services, wie Auktionen, in seinem Angebot vereint. Entstehungsgeschichte Amazon.com wurde von Jeff Bezos im Jahre 1994 in Seattle gegründet. Im Juli 1995 ging das Unternehmen Online. Der Börsengang erfolgte dann im Mai 1997. Von Anfang an bediente amazon.com einen internationalen Kundenkreis.172 Um den Interessen der internationalen Kunden besser gerecht werden zu können, wurden 1998 lokale amazon Sites in Deutschland (amazon.de) und in Grossbritannien (amazon.co.uk) etabliert. Im Jahre 2000 wurden diese um zwei weitere Sites in Frankreich und Japan ergänzt. Leistungsumfang Amazon.com begann als reiner Online-Buchhändler. Bei Büchern handelt es sich um ein Produkt mit einer sehr hohen „Variantenvielfalt“. Durch die Möglichkeit der Abbildung der Information über Bücher in ein IT-System kann der Kunde bei der gezielten Suche nach geeigneten Büchern unterstützt werden. Weiterhin wird durch die Möglichkeit der Digitalisierung der Beschreibung sowie auch der Buchinhalte (oder Auszügen daraus) die Qualität der Suche erhöht. Bei der Übertragung in die Online-Welt lassen sich bei Büchern somit schnelle und deutliche Mehrwerte erzielen. Ab dem Jahre 1998 erweiterte amazon.com sukzessive seine Angebotspalette.173 Sie umfasst heute neben Büchern, Musikartikel, DVDs, Videos, Elektronikartikel, Spielwaren, Kameras und Photoartikel, Software, Computer und Videospiele, Werkzeuge, Gartenartikel, Küchenartikel und mobile Endgeräte. Weiterhin wurde das Angebot um weitere Services ausgeweitet. So bietet amazon.com Dritten in seinen ZShops die Möglichkeit, ihren eigenständig geführten Online Shop durch amazon.com hosten und in die amazon Site integrieren zu lassen. Dadurch vergrössert sich die Angebotspalette von amazon.com um weitere Produkte. Zusätzlich wurde die Shop-Funktionalitäten um eine Auktionsplattform erweitert. Amazon.com wird dabei jeweils am generierten Umsatz beteiligt und erhebt weiterhin Gebühren für die Nutzung der technischen Infrastruktur. amazon.com zeichnet sich, vor allem in bezug auf die von ihnen selbst direkt geführten Online Shops, dadurch aus, dass sie stets versuchen, die Möglichkeiten der Informationstechnologie auszuschöpfen, um ihren Kunden einen grösstmöglichen Mehrwert zu verschaffen. So nut- 172 Im Juli 1995 belieferte amazon.com Kunden aus 45 verschiedenen Ländern. Und auch im Jahre 2000 stammten 13.8% der Einnahmen aus Verkäufen ins Ausland (Krishnamurthy 2001). 173 Im Juni 1998 um Musik, im November des gleichen Jahres um DVDs, im Juli 1999 um Spielwaren und Elektronikartikel, im November 1999 um Haushaltswaren, Software und Videospiele. 206 Entwicklung der Patternsprache zen sie diese u.a., um ihre Web-Seiten auf die Bedürfnisse des Einzelnen zuzuschneiden und persönliche Empfehlungen und Benachrichtigungen auszusprechen und automatisch an die jeweiligen Kunden zu versenden. Sie waren weiterhin die ersten, die es den Kunden ermöglichten, persönliche Wunschlisten zu verwalten und Produkte durch Spezialisten und auch Kunden bewerten zu lassen, wobei diese Bewertungen selbst wieder durch die Kunden beurteilt werden können. Sie halten weiterhin ein Patent auf den Mechanismus des „OneClick-Shoppings“, der es wiederkehrenden Kunden ermöglicht, mit nur einem Mausklick ein Produkt zu kaufen. Darüberhinaus war amazon.com auch das erste Unternehmen mit einem sogenannten „Affiliates-Program“. Dabei werden Links auf die eigene Service Site in andere etablierte Service Sites integriert. Die „Affiliates“ werden dann prozentual an den über diesen Link zustande kommenden Einnahmen beteiligt. Bereits Ende Dezember 2000 nahmen über 530000 Web Sites an diesem Programm teil (Amazon.com Inc. 2001: 4). Bewertung Von der Kundenseite aus betrachtet, handelt es sich bei amazon.com (und auch ihren Tochterunternehmen, insbesondere die bereits etablierten amazon.de und amazon.co.uk) um eines der erfolgreichsten Online-Unternehmen. Gemessen an der Kundenausrichtung ihres Services dominieren sie die jeweiligen Konkurrenzunternehmen im Online-Verkauf von Büchern, Spielsachen, Videos und Musik (s.Tabelle E 1-1) (Krishnamurthy 2001). Bücher Spielsachen Videos Musik (Frühjahr 2000) (Herbst 2000) (Sommer 2000) (Sommer 2000) 1 Amazon.com 2 8.66 Amazon.com 8.02 Amazon.com 8.40 Amazon.com 8.16 Barnesandnoble.com 7.63 SmarterKids.com 7.99 Buy.com 8.25 CheckOut 7.67 3 Buy.com 7.50 ZanyBrainy.com 7.33 CDNOW 7.73 Buy.com 7.51 4 Borders.com 7.38 Kbkids.com 7.06 Express.com 7.58 Barnes 7.47 5 Booksamillion 7.35 Wal-Mart 6.33 800.com 7.29 CDNOW 7.24 6 Fatbrain.com 6.71 Nutty-Putty.com 6.30 CheckOut 7.25 SamGoody 6.89 Enter 7 Wal-Mart 6.60 JC Penney 5.73 Blockbuster 7.03 Tower 6.86 8 Gohatings.com 5.92 Target 5.61 Bigstar.com 6.90 Express.com 6.85 9 Varsitybooks.com 5.83 FAO Schwartz 5.56 Borders.com 6.86 ARTISTdirect.com 6.45 10 BookBuyerOutlet 5.43 SamGoody.com 6.83 MuZic 6.31 Tabelle E 1-1: Vergleich von amazon.com mit ihren Konkurrenten bzgl. der Ausrichtung auf das Wohl ihrer Kunden an Hand einer Punkteskala mit einem Maximalwert von 10 Punkten, s.: Gomez.com im Juli 2001. Die Zufriedenheit der Kunden zeigt sich durch eine Steigerung der Anzahl Kunden von 14 Millionen im Jahre 1999 auf 20 Millionen im Jahre 2000 (Amazon.com Inc. 2001).174 Im glei- 174 Im Dezember 1997 waren es noch 1.5 Millionen (Amazon.com Inc. 2000). Design Patterns für digitale Produkte 207 chen Zeitraum stieg der von einem Kunden durchschnittlich ausgegebene Betrag um 19% auf $ 134 (Amazon.com Inc. 2001). Ein weiterer wichtiger Indikator für die erfolgreiche Ausrichtung von amazon.com auf das Wohl ihrer Kunden ist die Bewertung mit 84 Punkten auf dem „American Customer Satisfaction Index“, einer Bewertung die in dieser Höhe bisher noch von keinem anderen Dienstleister erreicht wurde (Amazon.com Inc. 2001). Trotz dieser erfolgreichen Bilanz aus Sicht des Kunden ist es amazon.com immer noch nicht gelungen, Gewinne zu erwirtschaften. Wesentliche Gründe dafür sind fehlgeschlagene Investments in andere Firmen und eine zu schnelle Expansion in fremde und noch nicht vollkommen verstandene Betätigungsfelder (Krishnamurthy 2001). E 1.4.2 Dell Computer Corp. Der zweite Case umfasst Dell.com, den weltgrössten Direktverkäufer von Computersystemen. Sein Kundenkreis richtet sich an Firmen wie auch an Privatkunden mit einem Schwerpunkt auf dem Firmensektor. Aufgrund der Ausrichtung der Patternsprache interessiert dennoch vorrangig das Privatkundensegment. Entstehungsgeschichte Das Unternehmen Dell wurde im Jahre 1984 von Michael Dell gegründet. Die Geschäftsidee beruhte darauf, durch den Verkauf von Produkten direkt an den Kunden, diesen besser kennenlernen zu können und ihm dadurch individuell auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Systeme anbieten zu können. Die Web Site Dell.com wurde im Jahre 1995 gestartet. Aktuell unterhält 80 länderspezifische Sites. Leistungsumfang Das Leistungsangebot von Dell umfasst den Verkauf von Computersystemen (Servern, Speichermedien, Workstations, Notebooks und Desktops) sowie Peripheriegeräten und Software ihrer Partnerunternehmen. Es wird ergänzt durch ein weitreichendes Serviceangebot, einschliesslich On Site Installationen und Beratungsleistungen. Letzteres richten sich vor allem an Grosskunden. Um das Produkt optimal an die individuellen Bedürfnisse und Wünsche ihrer Kunden anpassen zu können, ermöglicht die Web Site von Dell die Konfiguration von Computersystemen durch den Kunden selbst. Die Abwicklung der Transaktion sowie die Verfolgung des Orderstatus erfolgt ebenfalls über die Web-Schnittstelle. Auf der Web Site findet sich weiterhin eine ausführliche Support-Sektion, in der dem Kunden ein vielfältiges Hilfsangebot zur selbständigen Beseitigung auftretender Probleme bei der Anwendung des erworbenen Systems angeboten wird. Spezielle weiterführende Dienstleistungen, die teilweise auch auf der Web Site abgebildet werden, richten sich vor allem an Grosskunden. Für eine ausführliche Erläuterung des Serviceangebots sei daher auf (Dell Computer Corp. 2001) verwiesen. 208 Entwicklung der Patternsprache Bewertung Ein Grossteil der Kunde-Anbieter Aktivitäten werden über die Web Site von Dell abgewickelt: Dies umfasst ca. 50% der Verkaufstransaktionen, 50% der Supportdienstleistungen und 75% der Auftragsverfolgungen (Dell Computer Corp. 2001). Alle länderspezifischen Sites zusammengenommen, erhält Dell.com pro Vierteljahr 500 Millionen Seitenzugriffe. In der Weihnachtszeit 2000 erreichte das Unternehmen nach Nielsen / Net Ratings sogar den dritten Platz der meistbesuchten Web-Sites (Dell Computer Corp. 2001). Gemessen am Marktanteil ist Dell der führende Verkäufer von Computersystemen weltweit. Die Gewinne im Fiskaljahr 2001 belaufen sich dabei auf $31.9 Milliarden. Sogar wenn man nur die Internet-Verkäufe betrachtet, nimmt Dell den Rang des 125-grössten US-Unternehmens ein (Amazon.com Inc. 2001). E 1.4.3 eBay Inc. Der dritte Case beschreibt eBay Inc., das momentan grösste Online-Auktionshaus auf dem Internet. Entstehungsgeschichte eBay Inc. wurde im September 1995 gegründet und ging am Labor Day des selben Jahres online. Im September 1998 folgte der Börsengang. Mittlerweile verfügt eBay über ein Netz von Auktionsplattformen in 10 Ländern.175 Neben diesen Sites auf nationaler Ebene eröffnete eBay weitere Sites auf regionaler Ebene, die sich auf den Handel von regional-typischen Produkten oder auch sperrigen Gütern, die hohe Lieferkosten verursachen würden, spezialisieren. Leistungsumfang Das – initiale – Kerngeschäft von eBay ist seine Online-Auktionsplattform. Sie gestattet es Verkäufern, ihre Waren darzustellen, Käufern Gebote abzusetzen, ersteigerte Produkte zu kaufen und allen Teilnehmern, das breite Angebot zu sichten. Das Angebot beläuft sich mittlerweile auf mehr als sechs Millionen Artikel in mehr als 8000 Kategorien (beides Stand vom 31. Dezember 2000) (eBay Inc. 2001: 1).176 Dieses Angebot wird durch spezielle Marktplätze zur Versteigerung von Autos, inklusive Zubehör- und Ersatzteile (eBay Motors) sowie von hochwertigen Kunst- und Sammlerstücken (eBay Premier) ergänzt. Neben diesem Auktionsservice bietet eBay mit Half.com eine Verkaufsplattform für Produkte mit einem zuvor festgelegten Preis an. Sie eignet sich somit vor allem für den Verkauf von Massengütern und richtet sich an Kunden und Verkäufer, denen der Auktionsmechanismus 175 Neben den USA umfasst dies Sites in Deutschland, Grossbritanien, Australien, Japan, Kanada, Frankreich, Österreich, Italien und Südkorea. 176 Die Hauptkategorien umfassen Antiquitäten und Kunstartikel, Filme, Musik, Münzen und Briefmarken, Sammlerstücke, Computer, Puppen, Puppenhäuser, Schmuck, Fotoartikel und Elektronik, Ton- und Glasartikel, Immobilien, Sportartikel, Spielwaren und Verschiedenes. Design Patterns für digitale Produkte 209 zu aufwendig ist oder von denen er als unangenehm empfunden wird. Um dieser Käufergruppe gerecht zu werden, wurde auch die Auktionsplattform selbst um einen weiteren Modus, das sogenannte „Buy it now“ erweitert, der es Kunden ermöglicht, ein Produkt direkt zu einem zuvor festgelegten Preis zu kaufen. Auf Half.com werden mehr als acht Millionen Artikel zum Verkauf angeboten (ebenfalls Stand Dezember 2000) (eBay Inc. 2001). Einen besonderen Wert legt eBay auf den Schutz der Sicherheit ihrer Community-Mitglieder, d.h. aller registrieren Teilnehmer an der Auktionsplattform. eBay etabliert daher verschiedenste Massnahmen, um diese vor finanziellen Verlusten zu schützen.177 Dabei waren sie auch die ersten, die ein Community Rating einführten, bei dem die Mitglieder selbst dazu aufgerufen werden, ihre Handelspartner nach dem Abschluss einer Geschäftstransaktion zu bewerten. Mit einem breiten Support-Programm unterstützen sie weiterhin ihre Anwender bei der Klärung auftretender Fragestellungen sowie beim Auf- und Ausbau des für die optimale Nutzung des Services benötigten Wissens. Schliesslich bemüht sich eBay intensiv um die Pflege und den Ausbau ihrer MitgliederCommunity. Mit verschiedenen Möglichkeiten zum gegenseitigen Austausch über gemeinsame Interessengebiete in Form von Diskussions- und Chatgruppen, ermöglicht sie den Aufbau persönlicher Beziehungen zwischen den Teilnehmern. Weiterhin hat der Einzelne die Möglichkeit, sich in einer eigenen „About Me“ Sektion den anderen Community-Mitgliedern zu präsentieren. Die Community wird ebenfalls in den Ausbau des Services sowie in die sozialen Aktivitäten von eBay integriert. So finden sich eigene Diskussionsgruppen über Möglichkeiten zur Verbesserung des Services sowie über sinnvolle Einsatzmöglichkeiten der Gelder der eBay Foundation. Bewertung eBay operiert den derzeit weltweit grössten Online-Marktplatz im Internet. Nach den Messungen von Nielsen Net Ratings & Harris Interactive eCommercePulse ist sie die am besten bewertete Auktions-Site, gemessen an den Kriterien Gewinn, Zufriedenheit der Kunden und Umwandlungsrate (von Besuchern zu aktiven Teilnehmern an Auktionen) (s. Tabelle E 1-2) (Krishnamurthy 2001). Auktions-Site 1 eBay.com (ohne Half.com) 2 3 Gewinne in $ Millionen Anteil am Gesamtgewinn Zufriedenheit Umwandlungsrate 357.51 64.30% 8.42 22.50% uBid.com 81.73 14.70% 7.87 11.00% Egghead.com 22.24 22.24% 7.75 8.00% 177 Diese umfassen Massnahmen wie Treuhänder, Entschädigung bei Betrugsfällen, Zugang zu Schiedsgerichten, etc. 210 Entwicklung der Patternsprache 4 Yahoo! Auctions 13.34 13.34% 7.84 4.40% 5 Amazon tions 11.12 11.12% 7.64 6.50% Auc- Tabelle E 1-2: Ranking der Auktionsplattformen in den US im Mai 2001. Quelle: Nielsen NetRatings & Harris Interactive eCommercePulse. Insgesamt wurden im ganzen Jahr 2000 mehr als 254.7 Millionen Artikel gelistet und ein Gesamtumsatz von $5.4 Milliarden generiert (eBay Inc. 2001). Die eBay Community umfasst mehr als 29.7 Millionen registrierte Benutzer (Stand Herbst 2001). Gemessen an der gesamten Zeitdauer, die Kunden auf der Site verbringen, ist sie die momentan beliebteste Shopping Site auf dem Internet (eBay Inc. 2001). Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Benutzers betrug dabei im September 2000 119.6 Minuten per Monat. Weiterhin wurde eBay 2001 mit verschiedensten Auszeichnungen honoriert, u.a. dem „Best Customer Satisfaction“ Award des Marktforschungsunternehmens Satemetrix (eBay Inc. 2001).178 E 1.4.4 Jobfair24 Der letzte Case, Jobfair24, ist wohl der in der Liste der vier Cases neuartigste Service.179 Jobfair24 betreibt die weltweit erste virtuelle interaktive 3D Personalrecruiting-Messe im Internet. Ihre Zielgruppe sind Studenten, Absolventen sowie junge Berufstätige. Entstehungsgeschichte Bei Jobfair24 handelt es sich um ein noch sehr junges Unternehmen. Gegründet im Jahre 1998 unter dem Namen Uniworkers, wurde es im Jahre 2000 zu Jobfair24 umbenannt. Die Messe ging dann im Frühjahr 2000 online. Im Oktober 2001 wurde die auf den deutschen Raum fokussierte Plattform www.jobfair24.de um eine Plattform für den Schweizer Markt, www.jobfair24.ch, ergänzt. Leistungsumfang Im Zentrum des Leistungsangebotes stehen die dreidimensionalen Messehallen der Jobfair24.de und die darin abgehaltenen Messetage. In den Hallen können sich Personalverantwortliche der beteiligten Firmen mit potentiellen Bewerbern treffen und via Chat-Kommunikation austauschen. Jeder Teilnehmer wird dabei durch einen dreidimensionalen Avatar repräsentiert, mit dessen Hilfe er sich durch die dreidimensionalen Räume bewegen kann. Die Bewerber haben weiterhin die Möglichkeit, sich auch untereinander zu unterhalten. Die Gespräche finden zunächst generell öffentlich statt. Durch einen einfachen Mausklick können diese jedoch in ein Vieraugengespräch transformiert werden. Jedes vertretene Unternehmen kann sich auf einem eigenen Stand präsentieren. Dort liegen dann auch In178 Für weitere Auszeichnungen siehe http://pages.ebay.com/aboutebay/overview/awards.html (Zugriff. 17.10.2001) 179 Für das hier zugrundegelegte Verständnis von innovativ oder neuartig siehe Abschnitt C 2.1.3. Design Patterns für digitale Produkte 211 formationsmaterialien für die interessierten Bewerber aus.180 Die Bewerber haben weiterhin die Möglichkeit, ihr Profil in einer digitalen Bewerbungsmappe abzulegen. Diese kann im Zuge oder im Anschluss an ein Bewerbungsgespräch an die interessierenden Firmen weitergeleitet werden. Die Initiative für die Aufnahme eines Gespräches kann von allen Beteiligten ausgehen. Durch das Anklicken des zugehörigen Avatars wird das Interesse an der Eröffnung eines Gespräches signalisiert. Die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Bewerberprofile der angemeldeten Teilnehmer unterstützt eine gezielte Ansprache interessanter Bewerber durch die Unternehmensvertreter. Die Messetage finden regelmässig, d.h. generell einmal im Monat statt. An diesen Tagen sind alle Stände der Messe mit Vertretern der entsprechenden Firmen besetzt. Die Teilnehmer haben den Vorteil, mit verschiedenen Firmen Kontakt aufzunehmen. Die Unternehmen selbst profitieren vom auch durch andere Unternehmen generierten Besucherstrom. Neben der Teilnahme an den Messetagen haben die Unternehmen die Möglichkeit, die virtuellen Räumlichkeiten für individuelle Veranstaltungen, wie Sprechstunden oder auch spezielle Workshops, zu nutzen.181 Das Leistungsspektrum umfasst weiterhin eine Online-Datenbank mit einer nach verschiedenen Kriterien durchsuchbaren Liste von Stellenangeboten. Auch hier besteht die Möglichkeit, auf ein interessantes Angebot mit der Versendung der eigenen Bewerbungsmappe zu reagieren. Schliesslich bietet jobfair24.de den Bewerbern Informationen und auch interaktive Beratungsleistungen über Karrierefragen an. Hierbei arbeiten sie sehr stark mit dem Unternehmen www.westerwelle.de, einer Portal-Site für Berufs- und Karrierefragen, zusammen. Bewertung Seit ihrem Online-Start im Frühjahr 2000 konnte Jobfair24.de ein schnelles und starkes Wachstum verzeichnen. Aktuell (Stand Herbst 2001) nehmen an den Messetagen ca. 45 Unternehmen teil. In der Stellendatenbank finden sich Angebote von ca. 100 Firmen. Jeden Tag informieren sich durchschnittlich 1000 Bewerber an den Messeständen. Die Anzahl der Messebesucher stieg dabei von Januar 2001 bis September 2001von 1139 auf 3498 und die der aktiv am Chat Beteiligten im gleichen Zeitraum von 513 auf 2069. Die durchschnittliche Verweildauer der Chat-Teilnehmer lag im September bei 38.4 Minuten (s. (Jobfair24.de 2001)). Angesichts der kurzen Zeit ihres Bestehens ist es noch zu früh, um eine abschliessende Bewertung des Online Recruiting-Services abzugeben. Die Akzeptanz und der Erfolg bei der angesprochenen Kundengruppe zeigt sich allerdings durch ihre durchwegs positive Resonanz bei Bewerbern und insbesondere auch bei renommierten Unternehmen, die sich im di180 Sie sind auch an den Tagen und zu den Zeiten einsichtbar, zu dem keine Messeveranstaltungen stattfinden. 181 Einige Unternehmen mieten sich sogar in einer vollständigen Halle ein. 212 Entwicklung der Patternsprache rekten Feedback, aber vor allem auch in der schnellen Zunahme der aktiven Teilnehmer sowie der beteiligten Unternehmen widerspiegelt. E 2 Patternsprache für digitale Produkte In diesem zentralen Kapitel der Arbeit werden die Patterns für das Design digitaler Produkte aus der kundenzentrierten Sicht abgeleitet. Ausgangspunkt bildet die im vorangegangenen Kapitel entwickelte Metasprache. Sie wird hier unter Anwendung des ebenfalls in Kapitel E 1 dargelegten methodischen Vorgehens mit Inhalten gefüllt. Awareness Etabliertes Produkt Aktive Suche Soziales Netzwerk Persönlicher Nutzen Risikomind. Produkt Überzeugung Verhandlung Abwicklung Anwendung Produkt Anwender Community Risikomind. Dritte Entscheidung Absicht Support Soziales Netzwerk Risikomind. Anwendercom. Etabliertes Produkt Transparente Auslieferung Treuhanddienst Probeweise Anwendung Anreize Interessen Community Beratungsgespräch Auktion Checkout Automatischer Abgleich K.Betreuung Individuelle K.Betreuung Community Versicherung Schiedsgericht Etabliertes Produkt Registration Wissen FAQ Demo Experten HilfeCommunity Abbildung E 2-1: Überblick über die entwickelte Patternsprache Abbildung E 2-1 gibt eine Übersicht über alle Patterns dieser Sprache. Die konkreten Szenepatterns, deren Gestaltung vom Produkt selbst direkt beeinflusst werden kann, sind hellgrau unterlegt, diejenigen, die sich in ein anderes Theaterstück eingliedern, sind weiss unterlegt und diejenigen, die sich in ein nicht direkt beeinflussbares soziales Umfeld eingliedern, sind dunkelgrau unterlegt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden lediglich die zentralen zeitlichen Abhängigkeiten durch gestrichelte Linien gekennzeichnet. Die vollständigen Abhängigkeiten werden in den jeweiligen Ausführungen zu den Szenenclustern in den folgenden Abschnitten ergänzt. Die Einordnung in den Kontext und somit die Beziehung zu den Patterns anderer Szenen (Kontext und verwandte Patterns), die generelle Problemsituation (Problem), allgemeine Gestaltungshinweise (Lösung) sowie insbesondere die in dieser Phase zu berücksichtigenden Design Patterns für digitale Produkte 213 Theorien des Konsumentenverhaltens und Eigenschaften digitaler Produkte sowie die Möglichkeiten zur Steigerung des Kundenwerts (Rational) werden jeweils in einem abstrakten Pattern zusammengefasst. Die konkreten Szenepatterns beschreiben dann die Umsetzung des Rationals in Form der Ausgestaltung der entsprechenden konkreten Szenen der AnbieterKunde-Interaktion. Die abstrakten Patterns liefern damit einen Rahmen für die konkreten Szenepatterns und motivieren deren Design. Die einzelnen Szenen werden mit Hilfe einfacher Graphiken, den Diagrammen, illustriert. Sie erfassen die Kernaussagen jedes Patterns. Dabei sind der Kunde und etwaige weitere Beteiligte durch ein Strichmännchen dargestellt, das Produkt selbst als Stern; es ist der „Star“ der Szene. Soweit existent, werden weiterhin in jedem Pattern die Verbindungen zu den in Kapitel D 2 vorgestellten Patternansätzen verwandter Designdisziplinen explizit erfasst. Relevant sind hierbei insbesondere die Patterns aus der HCI-Forschung, die Patterns für das Design von Hypermedia-Systemen sowie die Patterns für web-basierte Electronic Commerce-Applikationen. Die entsprechenden Verweise finden sich entweder in der Patternkomponente „verwandte Patterns“, insofern sie sich auf das gesamte Szenepattern beziehen und ansonsten innerhalb der Problemlösungsbeschreibung. Sie beziehen sich dann vorrangig auf das Kanaldesign. In den folgenden Abschnitten werden die Patterns jeder Szene der Kunde-Produkt-Interaktion auf der Grundlage der eingeführten Best Practice Cases aus Abschnitt E 1.4 sowie der theoretischen inhaltlichen Grundlagen der Kapitel C 1 und C 2 abgeleitet. Wie in Kapitel E 1 erläutert, fokussiert sich die Sprache auf die der eigentlichen Anwendung vor- und nachgelagerten Szenen, die für jedes digitale Produkt weitestgehend den gleichen Gestaltungsanforderungen gehorchen müssen. Die genrespezifischen Sub-Sprachen der Anwendungsphase sind dagegen nicht Gegenstand dieser Arbeit. E 2.1 Awareness Im folgenden Abschnitt werden die Patterns zur Gestaltung der Awarenessphase dargestellt. Die wesentlichen Prinzipien, d.h. die Einordnung in den Kontext, die Problemstellung und die allen Szenen gemeinsamen prinzipiellen Lösungsansätze und zu beachtende theoretischen Konzepte werden in einem abstrakten Pattern, Awareness abstrakt, erfasst. Gemäss den unterschiedlichen konkreten Szenen innerhalb der Awarenessphase werden im Anschluss daran die konkreten Szenepatterns, Eingliederung in etabliertes Produkt, Eingliederung in aktives Suchverhalten, Eingliederung in soziales Netzwerk und Awareness durch Produkt abgeleitet. Abbildung E 2-2 gibt einen Überblick über alle Patterns und illustriert die zentralen Zusammenhänge zu anderen Patterns innerhalb der gleichen Phase und zu anderen Phasen. 214 Entwicklung der Patternsprache Awareness Etabliertes Produkt Aktive Suche Überzeugung Soziales Netzwerk Entscheidumg Absicht Verhandlung Anwendung Produkt Abbildung E 2-2: Überblick über die Awarenesspatterns E 2.1.1 Awareness abstrakt Kontext: Dieses Patterncluster erfasst die erste Szene der Kunde-Produkt-Interaktion. Ausgangspunkt ist ein Kunde, dem das Produkt noch weitestgehend unbekannt ist. Im Zuge der ersten Begegnung mit dem Produkt soll er einen ersten Eindruck vom Produkt gewinnen, der ihn dazu motiviert, sich näher über das Produkt zu informieren oder gar das Produkt direkt erwerben zu wollen. *** Problem: Die Innovationsrate sowie allgemein die Anzahl – neuer – Produkte, die im Markt um die Akzeptanz und die Nachfrage durch den Kunden kämpfen, nimmt beständig zu. So wird die Aufmerksamkeit des Kunden zur wichtigsten beschränkten Ressource (s. Abschnitt C 1.3.3.2 und Abschnitt C1.3.2.1). Diese Problematik tritt bei digitalen Produkten in besonderem Masse auf. Sie treten in einem prinzipiell eher unstrukturierten Wirtschaftsraum, dem Internet, auf. Der Konkurrent ist lediglich einen Klick entfernt. *** Beispiel: s. konkrete Awarenesspatterns. *** Lösung: Die Gestaltung dieser Szene hängt sehr stark von den situativen Bedingungen sowie von den Charakteristika des Kunden ab. Die Beschreibung der Szenen mit Hilfe der Theatermetapher kann an dieser Stelle daher nur auf einem recht hohen Abstraktionsniveau erfolgen. O-Design: Beteiligte an dieser Szene sind prinzipiell der potentielle Kunde und das Produkt, resp. die Repräsentation des Produktes. Ziel des Produktes ist es, die Aufmerksamkeit und das Interesse des potentiellen Kunden auf sich zu ziehen. I-Design: Die Rolle des Produktes im Interaktionsprozess ist eher passiv. Die eigentliche „Initiative“ liegt beim Kunden, der sich der Information über das Produkt aussetzt oder auch nicht. Das Produkt kann diese Wahrnehmung lediglich dadurch beeinflussen, dass es sich (1) in Situationen einzugliedern versucht, in denen der Kunden generell zur Informationsaufnahme bereit ist und (2) sich dort so darstellt, dass das Interesse am Produkt geweckt wird. Welche Situationen das sind und wie sich das Produkt zu präsentieren hat, hängt vom Ver- Design Patterns für digitale Produkte 215 halten des potentiellen Kunden, seinem logischen Raum, d.h. insbesondere seinem Vorwissen, seinen Interessen und Einstellungen ab. L-Design: Die Darstellung des Produktes muss sich, wie bereits betont, an den logischen Raum des Kunden anpassen. Sein Vorwissen ist entscheidend für das rasche Verständnis des Produktes, seine Interessen und Einstellungen sind wesentlich für die erfolgreiche Erregung seiner Aufmerksamkeit für das neue Produkt. K-Design: Die Gestaltung der technischen Infrastruktur ist sehr stark von der konkreten Ausgestaltung der Szene abhängig und wird daher in den konkreten Szenepatterns beschrieben. *** Alternativprodukt A Potentieller Kunde Produkt Alternativprodukt B Alternativprodukt C Abbildung E 2-3: Diagramm Awareness abstrakt *** Rational: Bei der Gestaltung der Szenen dieser Phase müssen verschiedene Theorien des Konsumentenverhaltens beachtet werden. Sie beziehen sich 1. auf den Kommunikator und den Ort des Zusammentreffens von Kunde und Produkt: • Die selektive Wahrnehmung wirkt als Informationsfilter. Generell sind Personen besonders dann aufnahmebereit, wenn sie aktiv auf der Suche nach einer Problemlösung (Eingliederung in aktive Suche) sind oder aber sich für eine bestimmte Thematik interessieren (s. exploratives Verhalten in Abschnitt C 2.1.3). • Sie können dabei jedoch auch im Zuge ihres normalen Informationsverhaltens auf ein Produkt stossen (s. epistemisches Verhalten in Abschnitt C 2.1.3). Im digitalen Wirtschaftsraum geschieht dies zum Beispiel im Zuge des Browsens im Internet. Hier muss das Produkt durch seine Gestaltung das Interesse des Kunden wecken (Awareness durch Produkt). • Individuen unterscheiden sich dabei in ihrer Aufgeschlossenheit gegenüber Neuigkeiten. Innovatoren setzten sich generell verstärkt auch externen Informationsquellen aus (s. ersten Unterpunkt Eingliederung in aktive Suche), während Imitatoren Informationen über den Filter ihres vertrauten und sozialen 216 Entwicklung der Patternsprache Umfeldes wahrnehmen (s. Abschnitt C 2.2.2.3) (Eingliederung in soziales Netzwerk). • Dabei spielt insbesondere die Vertrautheit des Umfeldes resp. des Kommunikators eine Rolle. Die Eingliederung in eine vertraute (Kauf-) Umgebung fördert also die Aufmerksamkeit potentieller Kunden (Integration in etabliertes Produkt). 2. auf die Kommunikationsinhalte; sie sind somit bei der Gestaltung aller konkreten Szenepatterns zu beachten: • Das Kennenlernen eines neuen Produktes erfordert eine Einordnung in die vorhandenen kognitiven Schemata des Menschen. Die Kompatibilität mit vorhandenem Wissen erleichtert die rasche Bildung eines ersten Verständnisses sowie einer ersten Einstellung (s. Abschnitte C 2.2.1.5.2 und C 2.2.2.3). • Die Ähnlichkeit zu einem bekannten Produkt fördert sowohl die schnelle Einordnung des Produktes sowie auch durch die Reizübertragung die rasche Ausbildung einer ersten Einstellung. Dabei muss jedoch gewährleistet sein, dass der potentielle Käufer auch lernt, zwischen den ähnlichen Produkten zu differenzieren (s. Abschnitt C 2.2.1.5.1). • Aufmerksamkeit wird weiterhin auch durch die Erregung von (Schlüssel) Reizen sowie das Ansprechen zentraler Motive des Menschen geweckt. Sie sind mit Emotionen verbunden, die den ersten Eindruck resp. die erste Einstellung gegenüber einem Produkt beeinflussen können (s. Abschnitte C 2.2.1.1.1 und C 2.2.1.1.3). • Der Mensch strebt danach, kognitive Dissonanzen zu vermeiden. Die Erregung kognitiver Dissonanzen kann dabei auch motivierend und anregend wirken. Der Betroffene versucht dann durch die Suche nach weiteren Informationen, den Widerspruch aufzulösen. Kognitive Dissonanzen können aber auch zu Abwehrhaltungen führen und so die Wahrnehmung eines neuartigen Produktes hemmen. Diese Reaktion hängt mit dem eher innovativen oder imitativen Verhalten des Individuums zusammen (s. Abschnitt C 2.2.1.1.2). *** Verwandte Patterns: Im Erfolgsfall resultiert diese Phase nicht nur in der Erweiterung des Wissensstandes des Kunden um die neue Problemlösung (das Produkt) und in der Ausbildung einer ersten Einschätzung und Einstellung gegenüber dem Produkt, sondern motiviert den Kunden dazu, sich näher über das Produkt zu informieren oder sogar das Produkt sofort spontan erwerben zu wollen. Es findet somit ein Übergang zu den Szenen der Überzeugungsphase, der Entscheidungsphase oder direkt der Verhandlungsphase statt. Die Awarenessphase zwischen Produkt und Kunde gliedert sich häufig in andere Interaktionsprozesse, z.B. den Kauf eines komplementären Produktes, ein. Bei der Überschneidung der beiden Theaterstücke ist darauf zu achten, die Konsistenz beider Theaterstücke aufrechtzuerhalten. Design Patterns für digitale Produkte 217 E 2.1.2 Eingliederung in etabliertes Produkt Kontext: s. Awareness abstrakt *** Problem: s. Awareness abstrakt Die Aufmerksamkeit des potentiellen Kunden ist beschränkt. Ein grundlegendes Problem besteht darin, dass sich der potentielle Kunde den angebotenen Informationen über das Produkt gar nicht erst aussetzt. Individuen suchen jedoch gewohnheitsmässig bestimmte Dienste auf, die sie regelmässig in Anspruch nehmen und gegenüber denen sie bereits sowohl ein Verständnis als auch Vertrauen aufgebaut haben. Sie nutzen diese Dienste, um ein bestimmtes Bedürfnis zu befriedigen. Ihre Aufmerksamkeit und ihr Interesse gegenüber einer diesbezüglichen Thematik ist daher bereits geweckt. *** Beispiel: Viele Produkte nutzen andere Dienstleister mit einem bereits etablierten breiten Kundenstamm, um ihren eigenen Dienst bekanntzumachen, d.h. Wissen über ihre Existenz zu verbreiten, eine erste Einstellung auszubilden und potentielle Kunden zu motivieren, das Produkt näher kennenzulernen oder auch sofort zu nutzen. Abbildung E 2-4: Beispiel Integration von amazon.com sowohl als Problemlöser (unten links) als auch als Werbetreibender (oben rechts) in die Community Site ivillage.com; Zugriff 21.10.2001. So platziert amazon.com Informationen über ihren Service auf anderen frequentierten Web Sites, wie ivillage.com und sun.com, und verlinkt diese mit der eigenen Service Site (s. Abbildung E 2-4). Bei diesen etablierten Sites handelt es sich vor allem um erfolgreiche Produkt- und Community Sites. Die Kunden haben zu diesen bereits ein Vertrauensverhältnis aufgebaut und betreten die Site aus einem bestimmten Bedürfnis heraus. Sie sind somit für 218 Entwicklung der Patternsprache dort publizierte Informationen oder Services, die mit dieser generellen Thematik verwandt sind, prinzipiell aufnahmebereiter. amazon.com positioniert sich auf diesen Sites entweder als Werbetreibender in Form eines aktiven Werbebanners, über den man durch Anklicken auf die Seite von amazon.com gelangt, oder aber als Problemlöser, der direkt den Erwerb von Büchern (und anderen Produkten) ermöglicht. Die Einbettung in den umgebenden Service erleichtert die Erreichung potentieller Kunden, fördert deren Vertrauen und erleichtert durch die Einbettung in einen bestehenden Anwendungskontext, das Verständnis des Produktes. In der Rolle des Problemlösers werden die eigenen Dienste von einer anderen Service Site aus gestartet. Die Abwicklung findet dann jedoch auf der Site von amazon.com selbst statt. Die Integration der eigenen Web Site mit der des amazon-Bookstores wird durch das sogenannte „Affiliates“-Programm von amazon.com realisiert und institutionalisiert (s. Abschnitt E 1.4.1). amazon.com ruft hierbei andere Betreiber dazu auf, ihre Site mit der von amazon.com zu verknüpfen. Als Anreiz werden die Partner, die „Affiliates“, an jedem über den entsprechenden Link zustandgekommenen Kauf finanziell beteiligt. Durch die einfache Erweiterung um die Funktionalitäten eines „Buch“ladens erhöht sich dabei ebenfalls die Attraktivität der komplementären Affiliates Site. Entsprechende Programme finden sich auch bei anderen Services wie z.B. eBay.com und Barnesandnoble.com. *** Lösung: Integriere das Produkt an Orte, die der Kunde häufig aufsucht, die somit bereits in sein Problemlösungsverhalten integriert sind und zu denen er eine positive Einstellung und insbesondere Vertrauen aufgebaut hat. Dies umfasst neben kommerziellen Produktanbietern auch kommerzielle oder nicht kommerzielle (Interessen-) Communities.182 Im folgenden wird die Gestaltung dieses Szenarios mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben. O-Design: Diese Szene gliedert sich in die Anwendungsphase eines anderen Produktes ein und umfasst dort die Rolle des Kunden und die Rolle des angewendeten Produktes. Das hier interessierende Produkt, zur Differenzierung als Produkt-Awareness bezeichnet, spielt in dieser Szene eine mehr oder weniger passive Rolle. Je nach Grad der Integration in die umgebende Szenerie ist dies die eher passive Rolle eines Werbetreibenden oder die aktivere Rolle des Problemlösers. In beiden Rollen hat das Produkt-Awareness das Interesse, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Als Problemlöser übernimmt es jedoch weiterhin eine bestimmte Funktion innerhalb des umgebenden Anwendungsszenarios. 182 Diese Verbindung mit einem bereits etablierten Service kann gleichzeitig auch in die Entscheidungsphase eingliedert werden: Durch die Integration in einen etablierten Service entscheidet sich der Kunde weitgehend automatisch auch für die Nutzung des „neuen“ Services. Die Phase der Überzeugung entfällt somit weitestgehend (s. Abschnitt E 2.3.8). Design Patterns für digitale Produkte 219 I-Design: Wie bereits betont, spielt das Produkt-Awareness in der Rolle des Werbetreibenden die passive Rolle des „Zaungastes“ innerhalb des Anwendungsszenarios zwischen Kunde und dem etablierten Produkt. Es kann lediglich versuchen, durch eine geeignete Darstellung und Positionierung am Rande des eigentlichen Anwendungsszenarios die Aufmerksamkeit des Kunden auf sich zu ziehen und dem Kunden möglichst direkt eine Vorstellung von den eigenen Leistungen zu übermitteln (s. Patterns Helper Posture oder Background Posture in Tidwells (1999) Common Ground). Die Möglichkeiten zur Darstellung der eigenen Leistung sind zumeist sehr beschränkt. Förderlich sind hier sprechende Produktnamen, kurze Hinweise auf die Besonderheiten des Produktes, die möglichst auch über die Art des Produktes Auskunft geben. Weitere Möglichkeiten, die Aufmerksamkeit zu fördern, sind die Positionierung in inhaltlich verwandten Szenen der Anwendungsszene oder die Positionierung in besonders hervorgehobenen Sektionen innerhalb der Szene, z.B. die der „Sponsoren“ oder „Produktneuigkeiten“. Durch eine Aktivierung des mit der Werbebotschaft verbundenen Links gelangt der Kunde zur Web Site des Produkt-Awareness. In der Rolle des Problemlösers wird das Produkt-Awareness direkt in den umgebenden Anwendungskontext integriert. Die Ausgestaltung dieses Prozesses hängt dabei vom konkreten Anwendungskontext ab. L-Design: In der Rolle des Werbetreibenden muss sich das Produkt so positionieren und darstellen, dass es vom Kunden wahrgenommen und verstanden wird. Sprechende Bezeichner und die Positionierung in einem bekannten Anwendungskontext erleichtern das Verständnis, ein auffälliges Design und der Appell an Reize und Motive erhöhen die Aufmerksamkeit. In der Rolle des Problemlösers wird das Verständnis und das Interesse am Produkt durch die direkte Eingliederung in die Szene gewährleistet. K-Design: Die Rolle des Werbetreibenden wird technisch als Link auf die Web Site des Produkt-Awareness realisiert. Um dem Kunden die Rückkehr in den Anwendungskontext des aktuell verwendeten Produktes zu erleichtern, sollte die Aktivierung des Links das Öffnen eines neuen Browserfenster induzieren. Die Integration in das Anwendungsszenario basiert auf der Eingliederung der Anwendung in den Ablauf, d.h. in die Navigationsstruktur des Anwendungsprozesses, oder durch die geeignete Positionierung innerhalb des Szenarios. Sprechende Bezeichner der Links oder Aktivierungsbuttons erleichtern die Steuerung des Kundenprozesses (s. Patterns Short Description und Pointer Shows Affordance in Tidwells (1999) Common Ground).183 Je nach Integrationsgrad der beiden Anwendungsszenarien findet die Problemlösung selbst auf der Site des Produktes oder der Site des Produkt-Awareness statt. 183 Weiterhin kann hier auch das Pattern Disabled Irrelevant Things zum Einsatz kommen, das vor- schlägt, irrelevante Handlungsoptionen zu deaktivieren (Tidwell 1999). 220 Entwicklung der Patternsprache Um die Partner-Site an dem Gewinn zu beteiligen, der durch die Aktivierung des auf ihr plazierten Links induziert wurde, muss die Herkunft des Besuchers eindeutig identifiziert und zugeordnet werden können. Dies kann sehr einfach durch das Mitsenden einer dem jeweiligen Partner eindeutig zugeordneten ID erreicht werden. *** Etabliertes Produkt Potentieller Kunde Produkt Abbildung E 2-5: Diagramm Eingliederung in etabliertes Produkt *** Rational: Der Filter der selektiven Wahrnehmung wird durch die Positionierung in einem bekannten, vertrauten (und teilweise auch sozialen) Umfeld leichter durchdrungen. Das Ansprechen von Motiven und Reizen spielt, wie beschrieben, vor allem bei der Selbstdarstellung des Produktes in der Rolle des Werbetreibenden eine Rolle. Auch der dargestellte Neuigkeitsgrad kann das Interesse am Produkt wecken. Die Eingliederung und Abgrenzung des neuen Produktes gegenüber bestehenden Produkten sind bei der Selbstdarstellung zu beachten. Die Gestaltung des umgebenden Anwendungsszenarios, die Positionierung des Produktes und wiederum die Selbstdarstellung des Produktes muss auf den kognitiven Schemata des Kunden aufbauen, um ein schnelles Verständnis zu gewährleisten.184 *** Verwandte Patterns: In der Rolle des Werbetreibenden erreicht der Kunde über den Link die Einstiegsseite des digitalen Produktes. Hier muss das Produkt das geweckte Interesse aufrechterhalten und vertiefen. Das vorliegende Pattern leitet daher zum Pattern Awareness-Produkt oder direkt zu den Überzeugungspatterns über. In der Rolle des Problemlösers gliedert sich das Produkt idealerweise direkt in die Verhandlungsphase oder, bei einem höheren Integrationsgrad mit der Anwendungsszene des etablierten Produktes, in die Abwicklungs- oder Anwendungsphase ein. Hier leitet das vorliegende Pattern daher zu den entsprechenden Verhandlungs-, Abwicklungs-, oder Anwendungspatterns über. E 2.1.3 Eingliederung in aktives Suchverhalten Kontext: s. Awareness abstrakt 184 Dabei eignet sich eine Positionierung in besonders gekennzeichneten Sektionen resp. eine Einord- nung und Abgrenzung gegenüber den in den Köpfen der potentiellen Kunden bereits etablierten Produkträumen und –kategorien. Design Patterns für digitale Produkte 221 *** Problem: s. Awareness abstrakt Die Aufmerksamkeit des Kunden ist beschränkt. Individuen sind jedoch insbesondere dann aufnahmebereit, wenn sie aktiv nach Lösungsmöglichkeiten für ein aktuelles Problem suchen. In Abschnitt C 2.1.3 wurde dies als exploratives Verhalten bezeichnet. *** Beispiel: Individuen auf der Suche nach Informationen nutzen verschiedene Informationsdienste, d.h. Verzeichnisdienste wie yahoo.com oder „Search Engines“ wie google.com, um möglichen Problemlösungen und Angeboten auf dem Internet ausfindig zu machen. Yahoo.com kombiniert dabei die Stichwortsuche mit einem verzeichnisbasierten Dienst. Um das gezielte Auffinden des eigenen Produktes zu ermöglichen, muss das Produkt gewährleisten, dass es (1) bei der Eingabe gängiger Suchbegriffe an hoher Position angezeigt wird resp. (2) in der zugehörigen Kategorie innerhalb des Verzeichnisdienstes erscheint und sich dort so präsentiert, dass das Interesse des Kunden geweckt wird (s. Abbildung E 2-6). Abbildung E 2-6: yahoo.com als Beispiel für einen Verzeichnisdienst mit Positionierung von Dell.com an exponierter Position, Zugriff 11.10.2001. Die Einordnung des Produktes in die Verzeichnisstrukturen kann in der Regel durch das Produkt beeinflusst und gesteuert werden. So bietet z.B. yahoo.com auf seiner Site die Möglichkeit, eine Dienstleistung in die Verzeichnisstruktur aufnehmen zu lassen. Auf den Kategorienseiten findet sich dazu ein Link, über den man zu einem Online-Formular gelangt, auf dem man eine Web Site für die Aufnahme in die jeweilige Kategorie vorschlagen kann. Für kommerzielle Angebote erfordert dies die Leistung eines gewissen Entgeldes. Dies garantiert dem Produktanbieter dann jedoch auch die Überprüfung des Aufnahmegesuches innerhalb einer bestimmten zeitlichen Frist. 222 Entwicklung der Patternsprache Abbildung E 2-7: Beispiel für die Möglichkeiten der zentralen Positionierung innerhalb der Ergebnisliste bestimmter Anfragen, hier der Positionierung von amazon.com auf die Anfrage „Buch“, bei Google.com, Zugriff 11.10.2001. Die Beeinflussung der Stichwortsuche ist weniger einfach und direkt möglich. Die meisten Search-Engines nutzen die Information auf den entsprechenden Homepages und dabei vor allem die Metatags als Grundlage für die Indizierung und das Retrieval. Durch die Verwendung geeigneter Schlüsselwörter, insbesondere im Titel und in den Metatags, kann somit die Wahrscheinlichkeit des Auffindens des eigenen Produktes durch interessierte Kunden beeinflusst werden. Suchdienste verwenden insbesondere beim Ranking und somit bei der Darstellung der Ergebnisliste die Anzahl der vergangenen Zugriffe auf eine Site oder aber die Anzahl der auf eine bestimmte Site verweisenden Links. Dies bevorzugt bereits bekannte und bewährte Lösungen, benachteiligt dagegen die unbekannteren Services. Einige SearchEngines gestatten es weiterhin, die Positionierung innerhalb einer Ergebnisliste durch die Leistung eines Entgeldes zu verbessern. So bietet beispielsweise google.com Anbietern die Möglichkeit, auf der Ergebnisseite von bestimmten, zuvor vereinbarten Anfragen an zentralen Positionen, d.h. zu Anfang oder neben der Ergebnisliste, angezeigt zu werden (s. Abbildung E 2-7). *** Lösung: Integriere das Produkt resp. seine Darstellung in das Suchverhalten potentieller Kunden. Im Internet stehen dem Kunden verschiedene Dienste für die Suche nach Informationen über neue Problemlösungen zur Verfügung. Generell können hier stichwortbasierte Suchdiensten und Verzeichnisdienste unterschieden werden. Eine Möglichkeit, das Interesse des Kunden zu wecken, besteht also darin, sich in die jeweiligen Suchprozesse zu integrieren. Im folgenden wird der Interaktionsprozess zwischen Kunde, Intermediär und Produkt mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben. Dabei interessiert insbesondere, welche Möglich- Design Patterns für digitale Produkte 223 keiten einem Produkt in dieser Szene zur Verfügung stehen, um das Interesse eines potentiellen Kunden möglichst gezielt auf sich zu lenken. O-Design: Die Besetzung der ersten Szene umfasst primär zwei Rollen, den Informationssuchenden (und somit den potentiellen Kunden) und den Informationsanbieter oder Intermediär. Weitere Rollen übernehmen das Produkt als möglicher Problemlöser sowie andere (Konkurrenz-) Produkte. Diese bleiben zunächst im Hintergrund und treten erst dann zum Vorschein, wenn sie im Zuge einer Anfrage in deren Ergebnis erscheinen. Das Produkt spielt demnach in dieser Szene eine prinzipiell passive Rolle, die es lediglich durch seine Selbstdarstellung steuern kann. Der Kunde hat in dieser Szene das Interesse, möglichst zielgerichtet Informationen zu potentiellen Problemlösungen zu bekommen, der Intermediär die Pflicht, ihn dabei möglichst gut zu unterstützen. Das Produkt hat weiterhin das Interesse, sich gegenüber der Konkurrenz abzusetzen und die Aufmerksamkeit potentieller Kunden auf sich zu lenken. I-Design: Der Ablauf des Suchprozesses richtet sich nach den zur Verfügung gestellten Diensten185: • Die (Stichwort-) Suche: Hier spezifiziert der Kunde durch die Eingabe von Suchbegriffen seine Anfrage und erhält eine Liste der passenden Suchergebnisse mit einer kurzen Beschreibung der Inhalte zurück. Die Suche kann weiter verfeinert, eingeschränkt oder erweitert oder aber auf der Grundlage einer komplett neuen Suchanfrage neu gestartet werden. Durch das Anklicken der Ergebnisse erhält der Informationssuchende weitere Informationen resp. gelangt zur Seite des entsprechenden Anbieters. • Die Navigation durch Kategorie- und Themenhierarchien: Hier steuert der Informationssuchende den Suchprozess durch die Navigation entlang eines Kategorienschemas. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt analog zur (Stichwort-) Suche. Das Produkt kann auf den Ablauf dieser Szene lediglich durch die eigene Selbstdarstellung Einfluss nehmen. Es muss sich in Abhängigkeit von den gegebenen Such- und Darstellungsmöglichkeiten so präsentieren, dass es (1) von potentiellen Interessenten gefunden wird und (2) nach dem Auffinden das Interesse des potentiellen Kunden weckt. Das erste Ziel erreicht es bei den zuvor beschriebenen Informationsdiensten wie folgt: • Die Suche (nach Stichworten): Wie bereits am Beispiel erläutert, verwenden die meisten Search-Engines Informationen aus den Metatags und dem Titel der HTML Seiten. Durch die Besetzung dieser Tag-Inhalte mit gängigen Suchbegriffen kann das Auffinden des eigenen Services erleichtert werden. Die Positionierung innerhalb der Suchliste kann weiterhin oftmals durch die Leistung von Entgelten beeinflusst werden. Dadurch tritt das Produkt bei der Anfrage nach bestimmten Suchkriterien an zentralen Positionen innerhalb der Ergebnisliste auf. • Die Navigation durch Kategorie- und Themenhierarchien: Hier muss sich das Produkt in das gegebene Kategorienschema eingliedern. Innerhalb dieser Kategorien sollte sich 185 Für eine ausführliche Erläuterung der Abläufe s. Pattern Automatischer Bedürfnis-Produkt Abgleich. 224 Entwicklung der Patternsprache das Produkt wiederum an zentraler Stelle positionieren. Die Aufnahme in einen solchen Verzeichnisdienst erfolgt durch die Anmeldung des Produktes beim Service unter Vorschlag der geeigneten Kategorie. Der Service überprüft dann das Aufnahmegesuch und plaziert das Produkt an der geeigneten Stelle. Nach der Begegnung des Kunden mit dem Produkt, die, wie soeben erläutert, entweder durch die Positionierung des Produktes oder durch die geeignete Integration in den Suchmechanismus gefördert werden kann, muss das Produkt durch seine Darstellung das Interesse des Kunden wecken. Da sich der Kunde auf der Suche nach einer Problemlösung befindet, sollte die Darstellung des Produktes möglichst direkt darauf schliessen lassen, worum es sich bei dem Produkt handelt, welche Probleme gelöst resp. Bedürfnisse befriedigt werden und welchen besonderen Nutzen das Produkt liefert. Durch das gleichzeitige Auftreten mit anderen Konkurrenzprodukten ist hier insbesondere die erfolgreiche Abgrenzung gegenüber diesen Produkten entscheidend. Die Selbstdarstellung wird dabei durch die Gestaltungsmöglichkeiten des Dienstes bestimmt. Bei Search-Engines werden häufig lediglich der Titel und die Metatags sowie ein Auszug aus dem Inhalt der Web Site dargestellt. Bei Navigationsdiensten hat das Produkt häufig die Möglichkeit einer kurzen, von ihm selbst gestalteten Selbstdarstellung. Hier gelten ansonsten dieselben Regeln wie für die Selbstdarstellung im Pattern Integration in ein etabliertes Produkt. L-Design: Das logische Design stellt zunächst Anforderungen an die Gestaltung der umgebenden Szenerie. Um dem Kunden die Navigation im Informationsraum zu erleichtern, muss die Strukturierung der Informationen mit der Logik der Kunden übereinstimmen. Das Produkt selbst hat hier lediglich die Möglichkeit, sich in eine der Kategorien einzugliedern. Aufgrund der breiten Nutzung von Informationsdiensten ist die generelle Vorgehensweise beim Suchen mit Hilfe dieser Dienste weitestgehend als bekannt vorauszusetzen.186 Bei der Selbstdarstellung gegenüber dem Intermediär in Form von Metatags und Inhalten der Web Site, sowie gegenüber dem Kunden im Zuge der Ergebnisdarstellung, muss jedoch auch das Produkt den logischen Raum des Kunden beachten. Durch die Wahl der Metatags resp. durch die Einordnung in das bestehende Kategorienschema muss es sich so positionieren, dass potentielle Kunden bei der Suche auf das Produkt stossen. Bei der Darstellung ist, wie bereits im Zuge des I-Designs erläutert, die Bedeutung des Produktes und idealerweise sein besonderer Nutzen in der kurzen Darstellung klar zu kommunizieren. Hierbei sind die kognitiven Schemata des Kunden, insbesondere bezüglich des etablierten Produktraumes, zu beachten, um ihm eine schnelle Einordnung, aber auch eine schnelle Abgrenzung gegenüber anderen Produkten, zu ermöglichen. K-Design: Zur Realisierung dieser Szene können gängige Search-Engines und Verzeichnisdienste genutzt werden. Design Patterns für digitale Produkte 225 *** Potentieller Kunde Intermediär Produkt Alternative A Alternative C Alternative B Abbildung E 2-8: Diagramm Einordnung in aktives Suchverhalten *** Rational: Bei der Selbstdarstellung müssen wiederum die gleichen Prinzipien beachtet werden, wie dies bei der Integration in ein etabliertes Produkt der Fall war. Hier sei daher auf die entsprechende Passage dieser Patternbeschreibung verwiesen. Durch die Eingliederung in das aktive – explorative – Suchverhalten ist die Aufnahmebereitschaft des Kunden generell bereits erhöht (s. Abschnitt C 2.1.3). Das Erringen der Aufmerksamkeit des Kunden wird in dieser Szene jedoch durch das gleichzeitige Auftreten von Konkurrenzprodukten erschwert. Das Produkt muss sich daher bei seiner Darstellung von diesen Angeboten absetzen. Bei Search-Engines, in denen die Darstellungsmöglichkeiten besonders begrenzt sind, geschieht dies vorrangig durch die zentrale Positionierung am Beginn der Ergebnisliste. *** Verwandte Patterns: Idealerweise endet diese Szene damit, dass das Interesse des Kunden für das Produkt geweckt wird. In der Regel erreicht man dabei über Links in der Ergebnisdarstellung die Einstiegsseite des Produktes, in der das Wissen und das Interesse am Produkt weiter vertieft werden können. Hier findet daher ein direkter Übergang zum Pattern Awareness durch Produkt resp. zu den Patterns der Überzeugungsphase statt. E 2.1.4 Eingliederung in das soziale Netzwerk Kontext: s. Awareness abstrakt *** 186 Kurze Hilfeseiten (und damit ein Übergang in die Wissensphase) können jedoch auch hier zur Unterstützung unerfahrener Anwender angeboten werden. 226 Entwicklung der Patternsprache Problem: Die Aufmerksamkeit potentieller Kunden ist beschränkt. Insbesondere besteht ein Problem darin, dass sich potentielle Kunden den angebotenen Informationen über das Produkt überhaupt nicht erst aussetzen. Vor allem Imitatoren nehmen massenmediale Informationsangebote nur bedingt wahr. Auch ihr Interesse an Neuerungen sowie ihr aktives Suchverhalten ist eher beschränkt. Sie reagieren jedoch sensibel auf Informationen aus dem sozialen Umfeld. *** Beispiel: Jobfair24.de nutzt bestehende soziale Netzwerke aktiv, um neue Kunden auf ihren Service aufmerksam zu machen. Insbesondere in Studentenkreisen, ihrer primären Zielgruppe, sind die sozialen Bindungen recht stark ausgeprägt. Man befindet sich im selben Lebensabschnitt und teilt einen Grossteil privater und vor allem studienbezogener Interessen. Der gegenseitige (Informations-) Austausch ist rege. Abbildung E 2-9: Beispiel für die Integration in das soziale Umfeld durch die Möglichkeit des E-Mail Versandes interessanter Stellenanzeigen bei Jobfair24.de, Zugriff 15.10.2001. Jobfair24.de versucht diese sozialen Netzwerke zur Schaffung des Interesses potentieller Neukunden auszunutzen, indem es den bereits gewonnenen Kunden ermöglicht wird, während der Suche nach Jobangeboten, d.h. im Zuge der Anwendung des Dienstes, interessante Stellenanzeigen an Freunde weiterzuleiten. Bei der Anzeige der Detailinformation über ein gefundenes Jobangebot findet der Kunde einen Link „Diese Stellenanzeige weiter versenden“. Durch die Aktivierung dieses Links gelangt er zu einem Online-Formular, in dem er lediglich die E-Mail Adresse seines Bekannten sowie seine eigene E-Mail Adresse eintragen muss. Der Inhalt ist dabei bereits vorformuliert, kann jedoch durch den Sender editiert werden (s. Abbildung E 2-9). Der in der Mail enthaltene Link auf die Stellenanzeige führt den Empfänger direkt auf die Site von Jobfair24.de. Diese Art der Eingliederung des Produktes in das soziale Netzwerk bestehender Anwender nutzen auch anderer digitale Produktanbieter, wie z.B. eBay.com. Dieser Auktionsservice Design Patterns für digitale Produkte 227 bietet seinen Kunden dabei die Möglichkeit, Bekannte via E-Mail auf interessante Auktionen hinzuweisen. *** Lösung: Integriere das Produkt in die interpersonelle Kommunikation innerhalb des sozialen Umfeldes bereits gewonnener Kunden. Diese Situation verbindet somit zwei Szenen innerhalb zweier Theaterstücke miteinander: (1) Die Interaktion zwischen dem bereits gewonnenen Kunden und dem Produkt innerhalb der Anwendungsszene der Kunde-Produkt-Interaktion und (2) die Interaktion zwischen zwei Bekannten innerhalb des sozialen Netzwerks. Im folgenden wird zunächst die Erweiterung der Anwendungsszene mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben. O-Design: Da sich diese Szene in die Anwendung des Produktes eingliedert, sind die zentralen Akteure ein bereits gewonnener Kunde und das Produkt selbst. Der Kunde hat das Interesse, das Produkt zur Lösung seines Problems effizient anwenden zu können. Das Produkt hat das dazu komplementäre Interesse, ihn dabei möglichst gut zu unterstützen. Es möchte ihn jedoch weiterhin dazu motivieren, interessante „Erlebnisse“ im Zuge der Produktanwendung in seinem sozialen Umfeld zu verbreiten. I-Design: Im Zuge der Anwendung des Produktes wird dem Kunden an zentralen Stellen, d.h. nach möglichen positiven oder interessanten Erlebnissen innerhalb des Anwendungsprozesses, die Möglichkeit gegeben, diese Erlebnisse mit anderen zu teilen. An diesen Stellen kann er den Anwendungsprozess kurz unterbrechen, um eine E-Mail Botschaft an Bekannte zu versenden. Nach dem Versand wird der Anwendungsprozess fortgesetzt. Die Entscheidung, ob der Kunde eine Nachricht an einen Bekannten senden möchte, obliegt dabei dem Kunden selbst. Durch die Positionierung der entsprechenden Aufforderungen an zentralen Stellen des Anwendungsprozesses sowie durch die unaufwendige und integrierte Abwicklung des E-Mail Versands kann das Produkt den Kunden lediglich dazu motivieren, diesen Subprozesse auch tatsächlich auszuführen. Dabei gelangt er über einen Link auf ein OnlineFormular, in dem er lediglich die E-Mail-Adressen des Senders und des Empfängers angeben muss. Der Inhalt der Mail mit der zu übermittelnden Botschaft liegt bereits vorformuliert vor. Sie kann vor dem Abschicken jedoch bei Bedarf durch den Sender editiert werden. L-Design: Diese Szene stellt keine besonderen Anforderungen an das logische Design. Sie erfordert lediglich die Aktivierung eines Links sowie das Ausfüllen eines sehr einfachen Formulars und baut somit auf dem zu erwartenden Wissensstand auf. K-Design: Um dem Kunden die Möglichkeit des Versands einer Botschaft zu verdeutlichen, sollte an den jeweiligen Stellen ein Link mit sprechender Bezeichnung (wie z.B. „dieses Angebot an einen Freund versenden“) platziert werden (s. Pattern Short Description in Tidwells (1999) Common Ground). Durch die Positionierung des Links am Rande der Anwendungsszene wird gewährleistet, dass der Kunde in seinem Anwendungsprozess nicht gestört wird (s. Patterns Helper Posture und Background Posture in Tidwells (1999) Common Ground). Das Ausfüllen der E-Mail Botschaft erfolgt durch ein Formular, in das die Botschaft automatisch integriert wird. Dadurch wird der Aufwand für den Kunden minimal gehalten. Der Versand der Botschaft beruht dann auf der Verwendung eines E-Mail Dienstes. 228 Entwicklung der Patternsprache Die komplementäre Szene innerhalb der interpersonellen Kommunikation gestaltet sich wie folgt: O-Design: Die beiden Hauptakteure in dieser Szene sind der bereits gewonnene Kunde und ein Mitglied seines sozialen Netzwerkes in der Rolle des potentiellen Kunden. Das Produkt selbst nimmt die passive Rolle des Selbstdarstellers ein, der sich in der kurzen Botschaft möglichst interessant präsentieren muss. I-Design: Diese Szene gliedert sich in die E-Mail Kommunikation innerhalb etablierter sozialer Netzwerke ein. Der bereits gewonnene Kunde übermittelt mit Hilfe der Dienste eines Dritten, d.h. des Produktes, eine Neuigkeit an einen Bekannten, von der er annimmt, dass er an der Neuigkeit Interesse hat. Der Empfänger liest die Mail. Weckt der Inhalt sein Interesse, so hat er die Möglichkeit, über einen integrierten Link auf die Web Site des Produktes zu gelangen, um weitere Informationen einzuholen. Das Produkt kann diesen letzten Schritt des Prozesses nur indirekt beeinflussen, indem es den Inhalt der Mail möglichst ansprechend gestaltet. Dabei muss klar hervorgehen, worum es sich bei dem Produkt handelt und weiterhin, dass die Mail von einem Bekannten geschickt wurde. Die Angabe der E-Mail-Adresse des Absenders im Zuge des Ausfüllens des Formulars innerhalb der ersten Szene gestattet es, die Mail im Namen des Bekannten zu senden. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass diese Mail vom Empfänger überhaupt wahrgenommen und – wohlwollend – gelesen wird. Bei grossem gemeinsamen Interesse an der versandten Botschaft kann diese Szene eine Diskussion innerhalb des sozialen Netzwerkes auslösen, in der die Meinung über das Produkt ausgebildet und gefestigt wird. Logischer Raum: Wie bereits erwähnt, muss sich das Produkt so darstellen, dass dem Leser schnell deutlich wird, worum es bei dem Service geht. Das generelle Interesse des Kunden an den Inhalten wird dabei durch die Filter- und Selektionsfunktion des Senders gewährleistet. Er kennt seinen Bekannten und schickt ihm die Information, von der er annimmt, dass sie diesen auch interessiert und sie von ihm somit positiv bewertet wird. Durch den persönlichen Sender der Information erhält die „Botschaft“ zudem eine höhere Glaubwürdigkeit. K-Design: Die Umsetzung dieser Szenerie beruht auf einem einfachen E-Mail Service. Die Gestaltung der Inhalte wird somit durch die Darstellungsmöglichkeiten dieses Services beschränkt. Leser nehmen dabei vor allem die Informationen bewusst wahr, die am Anfang und am Ende eine E-Mail stehen (s. (Creative Good 2000: 23 ff.)). Daher müssen zentrale Aussagen, insbesondere der Links auf das Produkt, an den entsprechenden Stellen positioniert werden. *** Design Patterns für digitale Produkte 229 Bereits gewonnener Kunde Bekannter potentieller Kunde Produkt Abbildung E 2-10: Diagramm Eingliederung in soziales Netzwerk *** Rational: Diese Szene nutzt den sozialen Filter der menschlichen Informationsaufnahme. Insbesondere Individuen mit einer Tendenz zu imitativem Verhalten setzen sich vermehrt den Informationen aus, die ihnen durch ihr soziales Netzwerk übermittelt werden (s. Abschnitt C 2.2.2.3). Diese Art der Kommunikation hat weiterhin den Vorteil, dass die Inhalte direkt auf den Empfänger, d.h. den potentiellen Kunden, zugeschnitten werden können und somit in sein Interessenspektrum fallen. Der Sender aus dem sozialen Umfeld vermittelt zudem eine grössere Glaubwürdigkeit als ein direkter Vertreter des Produktes (s. Abschnitt C 2.2.1.2). *** Verwandte Patterns: s. Eingliederung in aktives Suchverhalten E 2.1.5 Awareness durch Produkt Kontext: s. Awareness abstrakt *** Problem: Die Aufmerksamkeit des potentiellen Kunden ist beschränkt. Insbesondere besteht ein Problem darin, dass sich der Kunde den angebotenen Informationen über das Produkt überhaupt nicht erst aussetzt. Vielfach stossen potentielle Kunden jedoch beim „Surfen“ im Internet auf die Einstiegseite des Produktauftritts. Wie erläutert, kann diese Szene auch weiterhin nach den Szenen der Eingliederung in ein etabliertes Produkt, der Eingliederung in das aktive Suchverhalten oder der Eingliederung in das soziale Umfeld erreicht werden. *** Beispiel: Jobfair24.de sieht sich in einer Konkurrenzsituation mit einer Vielzahl von OnlineJobbörsen. Ihr Dienstleistungsangebot zeichnet sich gegenüber diesen jedoch dadurch aus, dass Jobfair24.de nicht primär den reinen Abgleich zwischen bestehenden Jobangeboten und möglichen Kandidaten unterstützt; stattdessen ermöglichen sie es, den Erstkontakt zwischen Vertretern der teilnehmenden Unternehmen sowie den interessierten Bewerbern in dreidimensionalen Begegnungsräumen herzustellen. Im Rahmen von Messetagen kann der einzelne Bewerber mit Personalverantwortlichen vieler verschiedener Firmen sprechen und weiterhin seine Erfahrungen mit anderen Bewerbern austauschen. Die Nutzung von dreidi- 230 Entwicklung der Patternsprache mensionalen Interaktionsräumen, in denen die Individuen sich in Form von Avataren frei bewegen können, steigert zudem den Erlebniswert dieses digitalen Dienstleistungsangebots. Diese Besonderheiten, durch die sich dieser Dienst von anderen Jobbörsen absetzt, werden durch die graphische Gestaltung der Einstiegsseite in Form eines Ausschnittes der dreidimensionalen Messehallen sowie durch einen kurzen Informationstext klar dargestellt (s. Abbildung E 2-11). Weiterhin unterstützt die „sprechende“ Namensgebung die Assoziation mit realen Messen und beschleunigt somit das generelle Verständnis des Dienstes. Abbildung E 2-11: Beispiel der Schaffung von Awareness für die Jobfair24.de durch eine prägnante Darstellung des Services mit einer Betonung der Besonderheiten, Zugriff 21.10.2001. *** Lösung: Gestalte die Eingangsseite / Homepage eines digitalen Produktes so, dass dem Kunden schnell ein Verständnis vom Produkt und von dessen Besonderheiten vermittelt wird und dadurch sein Interesse am Produkt geweckt wird. Diese Szene der ersten Begegnung zwischen Produkt und Kunde wird im folgenden mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben. Dabei steht die Gestaltung des L-Designs sowie des K-Designs im Vordergrund. O-Design: Die Szene umfasst die beiden Akteure des potentiellen Kunden und des Produktes. Das Produkt übernimmt in dieser Szene wiederum die Rolle des Selbstdarstellers, der möglichst rasch ein positives, interessantes und verständliches Bild von sich übermitteln möchte. I-Design: Diese Szene erfordert wenig direkte Interaktion zwischen dem Kunden und dem Produkt. Der Kunde nimmt hier lediglich die ihm dargebotene Information wahr. Die Prozesse sind somit vorrangig kognitiver und affektiver Art und finden in den Köpfen des Betrachters statt. Das Produkt kann diese lediglich durch eine geeignete Darstellung beeinflussen. Design Patterns für digitale Produkte 231 L-Design: Um das Ziel zu erreichen, möglichst schnell ein Grundverständnis für das Produkt beim Betrachter aufzubauen, sind bei der Selbstdarstellung die kognitiven Schemata zu berücksichtigen. Hier müssen durch eine kurze textuelle Beschreibung sowie die graphische Gestaltung Assoziationen zum etablierten Wissensstand aufgebaut werden. Eine geeignete Namensgebung mit einem Bezug zu bekannten Produkten und Dienstleistungen fördert die rasche Einordnung des Produktes. Um jedoch weiterhin das Interesse des potentiellen Kunden zu wecken, müssen im Zuge dieser ersten Vorstellung ebenfalls die Besonderheiten und Differenzierungen gegenüber bestehenden Angeboten und somit die Value Proposition des Services dargelegt werden. K-Design: Die Aufnahme der Botschaften wird durch deren Positionierung innerhalb der Startseite sowie durch die graphische Gestaltung gefördert. Hierbei sollen die zentralen Botschaften entweder in einer getrennten Startseite oder aber an zentraler Position innerhalb der Startseite präsentiert werden (s. Pattern Sovereign Posture in Tidwells (1999) Common Ground). Animationen sind hierbei mit Bedacht einzusetzen. Sie eignen sich lediglich für bestimmte Produktkategorien, ansonsten können sie leicht unseriös wirken und von der Nutzung des Services abschrecken. Lange Ladezeiten und eine geringe Aussagekraft der übermittelten Information führen leicht zum spontanen Verlassen der Site. Dies ist beim Einsatz von Animationen und aufwendigen Graphiken zu beachten *** Potentieller Kunde Produkt Alternative A Alternative C Alternative B Abbildung E 2-12: Diagramm Awareness durch Produkt *** Rational: Eine mögliche Einordnung der Selbstdarstellung des Produktes in die kognitiven Schemata erleichtert den Aufbau des Produktverständnisses. Kognitive Dissonanzen, die durch Diskrepanzen zwischen der aufgenommenen Information und dem eigenen Wissen hervorgerufen werden, können jedoch auch das Interesse des Kunden wecken und ihn zur Suche nach weiteren Informationen motivieren. Hierbei müssen insbesondere die Besonderheiten des Produktes gegenüber bestehenden Produkten herausgearbeitet werden. Das Interesse am Produkt kann weiterhin durch das Ansprechen von Reizen, aber auch von bestimmten Motiven des potentiellen Kunden geweckt werden. 232 Entwicklung der Patternsprache *** Verwandte Patterns: Auch diese Szene endet im Erfolgsfall mit dem geweckten Interesse am Produkt. Dieses sollte genutzt werden, um eine positive Einstellung zum Produkt auszubilden (resp. zu festigen). Hier ist daher eine direkte Überleitung zu den Szenen der Überzeugungsphase zu gewährleisten (Überzeugungspatterns). Die Einstiegsseite dient jedoch auch als Einstieg für wiederkehrende Kunden, die das Produkt bereits kennen und nun nutzen möchten. Daher muss hier ebenfalls ein direkter Übergang zur Verhandlungs- oder Anwendungsphase ermöglicht werden (Verhandlungspatterns, Anwendungspatterns). E 2.2 Überzeugung In diesem Abschnitt werden die Patterns zur Gestaltung der Überzeugungsphase entwickelt. Eine Übersicht über die Patterns sowie die zentralen Abhängigkeiten zwischen den Patterns sind in Abbildung E 2-13 dargestellt. Sie werden im folgenden im Detail beschrieben. In einem abstrakten Pattern werden auch hier die generelle Problematik, die Einordnung in das Gesamttheaterstück, die allgemeinen Gestaltungshinweise sowie die zu beachtenden theoretischen Konzepte erfasst. Überzeugung Persönlicher Nutzen Anwender Community Entscheidung Absicht Soziales Netzwerk Verhandlung Anwendung Etabliertes Produkt Abbildung E 2-13: Übersicht Überzeugungspatterns E 2.2.1 Überzeugung abstrakt Kontext: Nach dem ersten Kennenlernen und der ersten Einschätzung des Produktes, wodurch im Erfolgsfall das Interesse des Kunden geweckt wurde, muss der Kunde dabei unterstützt werden, eine Einstellung bezüglich des Produktes bilden zu können. Dabei ist er nach der Awareness-Szene in der Regel bereits auf der Einstiegsseite des digitalen Produktes angekommen. *** Problem: Wie in Abschnitt C 2.2.1.2 erläutert wurde, wirkt sich die Einstellung zu einem Produkt zumindest indirekt auf die Kaufentscheidung eines Individuums aus. Positive Einstellungen fördern eine positive Kaufentscheidung, negative wirken einer positiven Kaufentscheidung entgegen. Einstellungen werden durch Kommunikation ausgebildet und verändert. Die Wirkung hängt jedoch sehr stark von den Inhalten, dem Kommunikator sowie auch vom Empfänger der Botschaften ab. Design Patterns für digitale Produkte 233 *** Beispiel: s. konkrete Überzeugungspatterns *** Lösung: Die Gestaltung dieser Szene hängt sehr stark von den situativen Bedingungen ab. Die Beschreibung der Szene mit Hilfe der Theatermetapher kann hier daher nur auf einem recht abstrakten Niveau erfolgen. O-Design: Die Szene umfasst stets den potentiellen Kunden und einen oder mehrere Kommunikatoren. Letztere müssen jedoch nicht mit dem Produkt resp. dessen Vertretern übereinstimmen. I-Design: Die Prozesse hängen sehr stark von der jeweiligen Szene ab. Sie unterscheiden sich vorrangig im Grad der Interaktivität zwischen den beteiligten Parteien. L-Design: Für die Wirkung der Kommunikation ist es entscheidend, die ausgebildeten Werte sowie auch die Motive des potentiellen Kunden und somit die Eigenschaften, die dieser Kunde bei einem Produkt wertschätzt, zu kennen, um diese gezielt ansprechen zu können und vor allem bei der Kommunikation nicht gegen das bestehende Wertesystem zu verstossen. Neben diesem inhaltlichen Aspekt spielen weiterhin die Beziehung des potentiellen Kunden zum Kommunikator sowie dessen individuelle Eigenschaften eine Rolle (s. Rational). K-Design: Die Anforderungen an das K-Design ergeben sich in Abhängigkeit von der Ausgestaltung der konkreten Szene. *** Abbildung E 2-14: Diagramm Überzeugung abstrakt187 *** Rational: Bei der Gestaltung dieser Phase sind die Theorien der Einstellungsbildung und insbesondere der Einfluss des sozialen Umfeldes auf die Einstellungsbildung des Individuums entscheidend. Die Einstellung gegenüber einem Produkt kann häufig auf dessen Eigenschaften, Besonderheiten resp. dessen Einfluss auf das Erreichen bestimmter Ziele zurückgeführt werden (s. Abschnitt C 2.2.1.2). Diese im weitesten Sinne nutzenstiftenden Eigenschaften eines Produk- 187 Das Produkt erscheint dem potentiellen Kunden als „Star“. 234 Entwicklung der Patternsprache tes müssen daher besonders bei High Involvement-Gütern klar kommuniziert werden (Persönlicher Nutzen). Für den Erfolg der Kommunikation spielen weiterhin die Eigenschaften der Botschaft und des Kommunikators eine Rolle (s. Abschnitt C 2.2.1.2). An beide werden insbesondere die Anforderungen der Verständlichkeit resp. der Glaubwürdigkeit gestellt. Die Glaubwürdigkeit ist bei Vertretern des Produktes generell beschränkt, da ihnen eine bewusste Beeinflussung des Kunden und somit eine gewisse Voreingenommenheit unterstellt wird. Bei unabhängigen Dritten (Anwender-Community, Eingliederung in etabliertes Produkt) und insbesondere Vertretern des sozialen Umfeldes (Eingliederung in soziales Netzwerk) ist die Glaubwürdigkeit dagegen besonders hoch. Die Kommunikation innerhalb der sozialen Gruppe hat weiterhin den Vorteil, dass sie aufgrund der dort gegebenen Homophilie häufig effektiver ist. Der Einfluss der interpersonalen Kommunikation ist dabei bei Individuen mit einer Tendenz zu imitativem Verhalten besonders hoch (s. Abschnitte C 2.2.2.2 und C2.2.2.3) *** Verwandte Patterns: Eine positive Einstellung fördert prinzipiell die Ausbildung einer positiven Kaufabsicht. Sie leitet jedoch in der Regel nicht direkt zum Kauf über. Dazwischen liegt eine Entscheidungsphase, in der sich neben der Einstellung situative, ökonomische und vor allem sozial normative Einflüsse auf die Ausbildung der Kaufabsicht auswirken. Diese Szene leitet daher zunächst in die Entscheidungsphase über (Entscheidungspatterns). E 2.2.2 Persönlicher Nutzen Kontext: siehe Überzeugung abstrakt *** Problem: Eine Kaufentscheidung wird zu einem gewissen Grad durch die Einstellung des potentiellen Kunden zum Produkt beeinflusst. Insbesondere bei Innovatoren ist die Einstellung zum Produkt positiv mit dessen persönlichem – relativen – Nutzen korreliert. *** Beispiel: Jobfair24.de ist ein neuer Service zur Unterstützung des Jobrecruitings mit einer Spezialisierung auf das akademische Umfeld. Als Intermediär umfasst ihre Zielgruppe sowohl Hochschulabsolventen, die nach einer Arbeitstelle suchen, als auch Unternehmen, die an qualifizieren Fachkräften interessiert sind. Um beide Seiten gezielt ansprechen zu können, werden in zwei getrennten Sektionen die Vorteile des Services für die jeweiligen Stakeholder erläutert. Neben der Darstellung der Besonderheiten und Vorteile des Angebotes wird der eigene Service gegenüber anderen bestehenden Angeboten, insbesondere den weit verbreiteten Stellenbörsen, klar abgegrenzt (s. Abbildung E 2-15).188 188 Der Übergang von der Einstiegsseite zu diesen Informationsseiten ist jedoch unklar gekennzeich- net und erschwert somit den Übergang von der Awarenessphase zur Überzeugungsphase. Design Patterns für digitale Produkte 235 Abbildung E 2-15: Beispiel Nutzendarstellung bei Jobfair24.de mit der klaren Herausarbeitung der Vorteile des eigenen Services insbesondere gegenüber anderen Anbietern, Zugriff 21.10.2001. Auch eBay.com präsentiert seinen neuen Kunden innerhalb der Hilfesektion in Form einer Online-Präsentation die zentralen Vorteile ihres Services. Durch eine graphische Illustration, die auch dem angestrebten Image des Services gerecht wird, werden die ansonsten textuell übermittelten Botschaften weiter veranschaulicht.189 *** Lösung: Stelle für jede der zentralen Zielgruppen den relativen Vorteil resp. Nutzen des Produktes – insbesondere im Vergleich zu bestehenden Alternativen – dar. Positioniere diese Information derart, dass interessierte Kunden direkt auf sie aufmerksam werden, wiederkehrende Kunden jedoch nicht in der Anwendung des Services gestört werden. Wie diese Szene zu gestalten ist, um das Ziel der positiven Einstellungsgewinnung zu erreichen, wird im folgenden mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben. O-Design: In dieser Szene stehen sich der interessierte potentielle Kunde und das Produkt gegenüber. Das Produkt spielt hier wiederum eine eher passive Rolle in der Form des Selbstdarstellers. Der interessierte Kunde hat das Interesse, sich einfach und schnell ein Bild vom vorliegenden Produkt machen zu können. Das Produkt hat das Interesse, durch seine Selbstdarstellung, ein möglichst positives Bild beim potentiellen Kunden zu hinterlassen. 236 Entwicklung der Patternsprache I-Design: Diese Szene erfordert generell recht wenig Interaktion zwischen Kunde und Produkt. Der Kunde nimmt die dargebotene Information auf und transformiert diese in eine Einstellung zum Produkt. Zentral ist hier die klare Positionierung der Information, so dass der interessierte potentielle Kunde diese bei Betreten der Einstiegsseite direkt findet. Das Informationsangebot selbst kann dabei über mehrere Seiten verteilt sein, durch die sich der Kunde mehr oder weniger geführt durchnavigieren kann. Wie in Abschnitt C 1.4.2 erläutert, beruht der Wert eines Produktes sowohl auf dem Wert des eigentlichen Produktinhaltes als auch auf dem Wert des Kontextes. Daher sollten auch die Besonderheiten des Kontextes, wie z.B. die kostenlose Auslieferung, an dieser Stelle kommuniziert werden. L-Design: Die Nutzendarstellung muss sich am logischen Raum des Kunden ausrichten, d.h. hier insbesondere an dessen Bedürfnissen, Motiven aber auch Werten. Weiterhin ist auch das Vorwissen des Kunden insbesondere in bezug auf das existierende Produktumfeld zu beachten, um dem Kunden die Einordnung zu erleichtern und die Ausbildung der Einstellung durch bereits etablierte Bewertungsmassstäbe zu ermöglichen. Die Beurteilung eines Services erfolgt dabei häufig auf der Grundlage von Schlüsselinformationen. Das Produkt sollte sich daher auf den entsprechenden Informationsseiten prägnant durch entsprechende Kernaussagen präsentieren. Der Stil der Ansprache des Kunden muss sich dabei an der Art des Produktes ausrichten. Beispielsweise werden bei Jobfair24 die Vorteile für das Unternehmen in einem sachlichen, rein informativen Stil möglichst prägnant formuliert. eBay.com präsentiert seine Information dagegen in einer Art Bildergeschichte. K-Design: Bezüglich der Darstellung der Information ist darauf zu achten, dass der Kunde die wesentlichen Aussagen schnell überschauen kann und weitere Informationen gegebenenfalls bei Bedarf beziehen kann. Eine verlinkte Auflistung der zentralen Aussagen wird diesen Anforderungen gerecht (s. Pattern Hierarchical Set und Optional Detail on Demand in Tidwells (1999) Common Ground) und Inverse Pyramid Writing Style in van Duyne et al.’s (2000) The Design of Sites). Ansonsten stellt diese Szene lediglich Anforderungen an ihre Positionierung innerhalb des Theaterstückes. So muss es dem Kunden möglich sein, direkt bei Betreten der Seite zur Überzeugungsszene zu gelangen. Dies erfolgt idealerweise durch einen entsprechend bezeichneten Link auf der Einstiegsseite des Produktes. Eine derartige Positionierung gewährleistet weiterhin, dass wiederkehrende Nutzer nicht durch die für sie überflüssige Information gestört werden. *** Rational: Diese Szene nutzt die Erkenntnisse der Einstellungsforschung. Dem Kunden werden die Eigenschaften und Vorteile des Produktes präsentiert, die aus seiner Sicht den Nut- 189 Die versteckte Positionierung dieser Präsentation erschwert jedoch das Auffinden dieser Sektion auf der Site. Design Patterns für digitale Produkte 237 zen resp. den Wert eines Produktes ausmachen. Die Einordnung in den bestehenden Produktraum – seinen diesbezüglichen kognitiven Schemata – erleichtert dem potentiellen Kunden die Einschätzung des Produktes insbesondere im Vergleich zu anderen Produkten. In dieser Szene werden dabei vor allem Kunden mit einer Tendenz zu innovativem Verhalten angesprochen, die sich argumentativ überzeugen lassen. *** • Vorteile • Eigenschaften • Einordnung in Produktraum Abbildung E 2-16: Diagramm Persönlicher Nutzen *** Verwandte Patterns: s. Überzeugung abstrakt für die zeitlichen Abhängigkeiten. Neben den dort erläuterten zeitlichen Abhängigkeiten bestehen hier jedoch auch inhaltliche Abhängigkeiten zu anderen Szenen. Die in dieser Szene geäusserten Eigenschaften des Produktes und seines Kontextes müssen sich in den entsprechenden Phasen des Erwerbs und der Anwendung des Produktes widerspiegeln. Somit herrschen hier inhaltliche Abhängigkeiten zu den Patterns der Verhandlungs-, Abwicklungs- und Anwendungsphase. Weiterhin sollte dem interessierten Kunden im Anschluss an diese Szene die Möglichkeit gegeben werden, sich weitere – unabhängige – Meinungen bestehender Kunden einholen zu können und damit sein Bild über das Produkt weiter zu festigen. Hier besteht somit ein Link zur Szene Integration in Anwender-Community. Dieses Pattern ähnelt in seinen Inhalten dem Pattern Value Proposition in van Duyne et al.’s (2000) The Design of Sites. E 2.2.3 Integration in Anwender-Community Kontext: siehe Überzeugung abstrakt Diese Szene wird dabei häufig im Anschluss an die Szene Persönlicher Nutzen erreicht, in der sich der Kunde ein erstes – vom Anbieter geprägtes – Bild von den Vorteilen des Produktes machen konnte. *** Problem: Eine Kaufentscheidung wird zu einem gewissen Grad durch die Einstellung zum Produkt beeinflusst. Die Einstellungsbildung beruht auf der Kommunikation über das Produkt. Deren Wirkung hängt von den dargestellten Inhalten, aber auch von den Eigenschaften des Kommunikators ab. Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikation sind insbesondere die Verständlichkeit der Kommunikationsinhalte, deren Übereinstimmung mit den be- 238 Entwicklung der Patternsprache reits gefestigten Einstellungen und Werten sowie die Glaubwürdigkeit und Attraktivität des Kommunikators.190 *** Beispiel: Bei der Jobfair24.de handelt es sich um einen neuartigen Service, der darüber hinaus von einem neuen Unternehmen angeboten wird. Die Neuartigkeit erschwert die Einschätzung des Services, die Unbekanntheit des Unternehmens limitiert weiterhin die Glaubwürdigkeit des Unternehmens. Um neue Kunden zu gewinnen, lässt Jobfair24.de daher bereits für den Service gewonnene Kunden zu Neukunden sprechen. Dies geschieht hier auf eine sehr einfache Art und Weise in Form der Publikation von Kundenmeinungen, d.h. in Form einer Referenzliste. Die Authentizität der Botschaften (oder zumindest das Gefühl der Authentizität) wird durch die Angabe der Quelle erhöht. Eine Kontaktaufnahme ist somit prinzipiell möglich, wird hier jedoch nicht direkt durch die Plattform unterstützt. Abbildung E 2-17: Beispiel Integration in Anwender-Community durch die Publikation der Meinungen anderer über die Jobfair24.de, Zugriff 15.10.2001. Auch eBay.com nutzt die bestehende Anwender-Community für die Einstellungsbildung bei neuen Kunden. Dabei hat der Kunde die Möglichkeit, direkt mit bestehenden Kunden über die integrierte Community-Plattform in Kontakt zu treten oder auch nur den Diskussionen der Mitglieder zu folgen. Eine Strukturierung der Kommunikationsinhalte nach bestimmten Themenstellungen erleichtert hier ein zielgerichtetes Auffinden relevanter Diskussionsrunden. 190 Siehe auch Argumentation in der Rational Sektion des Patterns Überzeugung abstrakt. Design Patterns für digitale Produkte 239 *** Lösung: Ermögliche interessierten Kunden den Zugang zur Community der bereits gewonnenen Kunden. Wie bereits aus den Beispielen ersichtlich wurde, gibt es verschiedene Möglichkeiten, interessierten Kunden den Zugang zur Anwender-Community zu ermöglichen. Die beiden extremen Ausprägungen bestehen (1) in der einfachen Darstellung der Erfahrungen und Meinungen der Mitglieder und (2) in der Integration des Interessenten in eine bestehende Anwender-Community. Sie werden im folgenden unter Verwendung der Theatermetapher beschrieben. O-Design: Die zentralen Akteure der ersten Ausgestaltungsform der Szene sind der interessierte potentielle Kunde und die bereits gewonnenen Kunden. Die bestehenden Kunden treten dabei in einer weitestgehend passiven Rolle auf. Sie werden lediglich in Form ihrer Meinungsäusserungen präsentiert. Das Produkt resp. der Anbieter des Produktes spielt hier lediglich die passive Rolle des Informationsfilters. Er entscheidet, welche Meinungen publiziert werden. Eben diese mögliche Filterung der Informationen reduziert jedoch auch die Glaubwürdigkeit des durch die Referenzliste vermittelten Bildes. I-Design: Der Interaktionsprozess ist auch hier sehr einfach. Der Interessent kann die Kommentare der ausgewählten Kunden lesen. Um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen, umfassen die Aussagen ebenfalls die Namen der entsprechenden Kunden. Idealerweise besteht hier weiterhin die integrierte Möglichkeit zur direkten Kontaktaufnahme mit diesen Kunden, z.B. via E-Mail. L-Design: Die Verständlichkeit der Botschaften wird durch die anzunehmende Homophilie zwischen interessierten und bestehenden Kunden weitestgehend gewährleistet. Die Bedienung der Schnittstelle stellt keine besonderen Ansprüche an das Wissen der potentiellen Kunden. K-Design: Die einfache Szene stellt auch keine besonderen Anforderungen an das K-Design. Bei einer Vielzahl an Kundenmeinungen muss der Kunde jedoch durch eine geeignete Darstellung der Information dabei unterstützt werden, sich schnell einen Überblick verschaffen zu können. Hier eignet sich eine verlinkte Liste der zentralen Aussagen, über die der Kunde bei Bedarf weitere Informationen erhält (s. Pattern Hierarchical Set und Optional Detail on Demand in Tidwells (1999) Common Ground) und Inverse Pyramid Writing Style in van Duyne et al.’s (2000) The Design of Sites). Die Möglichkeiten, direkt mit den bestehenden Kunden in Verbindung zu treten, erfordern die Integration von Kommunikationswerkzeugen. Als asynchroner, weit verbreiteter Kommunikationsdienst eignet sich hier besonders der Einsatz von E-Mail. 240 Entwicklung der Patternsprache Von der Szenengestaltung her aufwendiger ist die Integration des potentiellen Kunden in die Kommunikation einer bestehenden Kunden-Community.191 O-Design: Auch hier umfasst das Theaterstück generell die beiden Rollen des interessierten potentiellen Kunden und der bereits bestehenden Kunden. Der Interessent hat jedoch die Möglichkeit, aktiv mit den bestehenden Kunden in Kontakt zu treten oder aber deren Kommunikation untereinander zu verfolgen. Der Anbieter des Produktes übernimmt hier lediglich die Unterstützungsfunktion Er erleichtert durch eine geeignete Strukturierung die gezielte (themengerichtete) Kommunikation zwischen den Community-Mitgliedern. Weiterhin kann er – idealerweise – im Einverständnis mit diesen die Kommunikation moderieren. I-Design: Die Initiative geht auch hier vom Interessenten aus. Er hat die Möglichkeit, sich an verschiedenen Diskussionen zu beteiligen, gezielt Fragen an Community-Mitglieder zu richten oder auch nur der Diskussion zu folgen und dadurch einen Eindruck vom Produkt zu erlangen. Eine geeignete Strukturierung der Diskussionsgruppen erleichtert die gezielte Ansprache der Community-Mitglieder. L-Design: Die Mensch-zu-Mensch Interaktion mit ihren Möglichkeiten der Rückfrage zur Klärung von Missverständnissen erleichtert das Verständnis der ausgetauschten Informationen. Der anzunehmende hohe Grad der Homophilie zwischen potentiellen und bestehenden Kunden fördert weiterhin das gegenseitige Verständnis. Bezüglich der Gestaltung des Interaktionsraumes muss gewährleistet sein, dass die Strukturierung mit der Logik des potentiellen Kunden übereinstimmt, damit dieser sich auf der Community Site schnell zurechtfindet. Die Anwendung der Kommunikationstools ist weitestgehend intuitiv. Dennoch sollte dem Kunden die Möglichkeit gegeben werden, sich bei Bedarf über die Funktionsweise zu informieren. K-Design: Bei grossen Communities muss der Kunde durch eine klare Darstellung in verschiedenen Diskussionsgruppen bei der Navigation unterstützt werden. Die Umsetzung der Kommunikation beruht auf gängigen Kommunikationstools (Chat, Diskussionsgruppen, etc.). Sie sollten daher, wenn möglich, nicht die Installation zusätzlicher Software verlangen und dadurch einen zusätzlichen Aufwand beim Kunden induzieren. *** 191 Die generelle Ausgestaltung von Communities wird im Pattern Community ausführlich erläutert (s. Abschnitt E 2.7.4). Hier interessiert lediglich die Nutzung der Community für einen neuen potentiellen Interessenten eines Produktes. Design Patterns für digitale Produkte 241 AnwenderCommunity Potentieller Kunde Erfahrungen Beobachtung Abbildung E 2-18: Diagramm Integration in Anwender-Community *** Rational: Dieses Pattern beruht auf der Bedeutung der interpersonellen Kommunikation für die Einstellungsbildung. Aufgrund der Neutralität, und des fehlenden Eigennutzes ist die Glaubwürdigkeit bestehender Kunden besonders hoch. Weiterhin ist der Grad der Homophilie als hoch einzuschätzen, was insgesamt eine effiziente Kommunikation fördert (s. Abschnitt2 C 2.2.1.2 und C 2.2.2.2). *** Verwandte Patterns: s. Überzeugung abstrakt E 2.2.4 Eingliederung in das soziale Netzwerk Das Pattern Eingliederung in das soziale Netzwerk wirkt sich ebenfalls auf die Einstellungsbildung des Kunden aus. Im folgenden wird lediglich das Problem und vor allem das Rational des Patterns erweitert, die restlichen Teile bleiben identisch. Kontext: s Awareness abstrakt oder auch Überzeugung abstrakt, wenn der Kunde das Produkt bereits kennt. *** Problem: Eine Kaufentscheidung wird zu einem gewissen Grad durch die Einstellung zum Produkt beeinflusst. Diese Einstellung wird häufig im Zuge der Kommunikation innerhalb des sozialen Netzwerkes ausgebildet oder gefestigt. *** Lösung: Integriere das Produkt in das soziale Umfeld. Weitere Erläuterungen s. entsprechende Patternbeschreibung innerhalb der Awarenessphase (Abschnitt E 2.1.4). *** Diagramm: s. Erläuterungen in der Awarenessphase. *** Rational: Der Einzelne wird bei der Ausbildung der Einstellung in Abhängigkeit von seinem Typus bis zu einem gewissen Grad auch durch sein soziales Umfeld mitbestimmt. Die interpersonelle Kommunikation innerhalb des sozialen Netzwerkes spielt daher eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung der persönlichen Einstellung (s. Abschnitte C 2.2.1.2 und 242 Entwicklung der Patternsprache C 2.2.2). Der Hinweis auf ein neues Produkt durch ein Mitglied des eigenen sozialen Kreises bewirkt daher nicht nur, dass potentielle Kunden auf das Produkt aufmerksam werden, sondern übermittelt weiterhin deren positive Bewertung des Produktes innerhalb des sozialen Umfeldes. Im Idealfall wird eine Diskussion resp. ein iteratives Weiterleiten der Hinweise auf den Service innerhalb des sozialen Netzwerkes ausgelöst. Diese Entwicklung ist jedoch durch den Service nicht weiter zu beeinflussen.192 *** Verwandte Patterns: s. Erläuterung in der Awarenessphase. Die in dieser Szene geschaffene generell positive Einstellung kann durch die Kommunikation der persönlichen Vorteile weiter gefestigt werden. Diese Szene mündet daher in der Regel in die Szene persönlicher Nutzen. E 2.2.5 Eingliederung in etabliertes Produkt Wie die Szene Integration in das soziale Umfeld, so wirkt sich auch die Integration in ein etabliertes Produkt auf die Ausbildung der persönlichen Einstellung aus. Da sich auch hier die Gestaltung der Szene nicht ändert, wird im folgenden lediglich die Problemstellung und das Rational erläutert. *** Problem: Eine Kaufentscheidung wird zu einem gewissen Grad durch die Einstellung zum Produkt beeinflusst. Diese Einstellung wird dabei insbesondere durch den Kommunikator resp. das situative Umfeld bei der Begegnung mit dem Produkt geprägt. *** Lösung: Integriere das neue Produkt in ein bereits etabliertes Produkt. Weitere Erläuterungen s. entsprechende Patternbeschreibung innerhalb der Awarenessphase (Abschnitt E 2.1.2). *** Rational: Die Wirkung der Kommunikation hängt insbesondere von der Glaubwürdigkeit des Kommunikators ab (s. Abschnitt C 2.2.1.2). Die Integration des Produktes in die Anwendungsumgebung eines beim Kunden bereits etablierten und vertrauten Produktes, überträgt das dem etablierten Produkt entgegengebrachte Vertrauen und die generell positive Einstellung teilweise auch auf das neue Produkt. Die Integration in den bekannten Anwendungskontext erleichtert weiterhin die Einordnung und das Verständnis für das Produkt. *** 192 Diese Weiterleitung der Information über einen Service selbst kann jedoch durch bestimmte „Werbeboni“ motiviert werden. Design Patterns für digitale Produkte 243 Diagramm: s. Integration in etabliertes Produkt *** Verwandte Patterns: s. Erläuterungen im Pattern Eingliederung in das soziale Netzwerk (s. Abschnitt E 2.1.4) E 2.3 Entscheidung / Absicht Im folgenden werden die Szenepatterns der Entscheidungsphase erläutert. Die Einordnung in den Gesamtkontext, die Problemlösung, die zentralen patternübergreifenden Gestaltungsmerkmale sowie die zu beachtenden theoretischen Grundlagen mit ihrem Zusammenhang zu den konkreten Szenen werden wiederum zunächst in einem abstrakten Pattern erfasst. Abbildung E 2-19 gibt einen Überblick über alle Patterns dieser Szene sowie die zentralen Zusammenhänge zwischen den Patterns der gleichen und anderer Phasen. Risikomind. Produkt Risikomind. Dritte Risikomind. Anwendercom. Entscheidung Absicht Verhandlung Abwicklung Anwendung Probeweise Anwendung Anreize Interessen Community Etabliertes Produkt Abbildung E 2-19: Übersicht Entscheidungspatterns E 2.3.1 Entscheidung / Absicht abstrakt Kontext: Nachdem das Interesse des Kunden geweckt und eine persönliche Einstellung zum Produkt entwickelt wurde, muss der Kunde im nächsten Schritt dazu motiviert werden, das Produkt auch tatsächlich erwerben zu wollen. Dabei geht es noch nicht primär um die Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Hersteller, d.h. die Auswahl unter einer Reihe alternativer Produkte, sondern vielmehr um die generelle Entscheidung für (oder gegen) den Erwerb einer bestimmten Problemlösung. *** Problem: Wie in Abschnitt C 2.2.1.2 erläutert wurde, wirkt sich die Einstellung zu einem Produkt zwar generell auch auf die Kaufabsicht aus, allerdings besteht dabei kein direkter Wirkungszusammenhang. Hemmend wirkt sich insbesondere das mir dem Produkterwerb assoziierte wahrgenommene Risiko aus. Empfundener ökonomischer oder sozialer Druck kann die Ausbildung einer Kaufabsicht dagegen fördern. *** Beispiel: s. konkrete Entscheidungspatterns 244 Entwicklung der Patternsprache *** Lösung: Die Lösungen beruhen auf den verschiedenen Möglichkeiten, das vom Kunden empfundene Risiko zu minimieren oder aber den sozialen oder ökonomischen Druck zu erhöhen und damit den Kunden zu motivieren, seine – positive – Einstellung in eine Kaufabsicht zu transformieren (s. Rational). *** Abbildung E 2-20: Diagramm Entscheidung / Absicht abstrakt193 *** Rational: Wie erläutert, reicht eine positive Einstellung zu einem Produkt meist nicht aus, um bei potentiellen Kunden eine Kaufabsicht auszubilden. Eine Rolle spielen insbesondere die Einstellungen und somit die Verhaltenserwartungen des sozialen Umfeldes (s. Abschnitt C 2.2.1.2). Die Etablierung eines Produktes in bereits etablierte Bezugsgruppen und der dadurch induzierte soziale Druck resp. die gezeigte soziale Akzeptanz des Produktes kann das einzelne Mitglied zu einer positiven Übernahmeentscheidung motivieren (s. Abschnitt C 2.2.2.3) (Eingliederung in Interessen-Community). Weiterhin haben auch die situativen Rahmenbedingungen einen Einfluss auf die Umwandlung einer Einstellung in eine Kaufabsicht (s. Abschnitt C 2.2.1.2). Anreizmechanismen erhöhen den Wert eines Produktes und fördern somit die Ausbildung der Kaufabsicht (Anreizmechanismen) (s. Abschnitt C 2.1.3). Einen hemmenden Einfluss hat dagegen das wahrgenommene Risiko (s. Abschnitt C 2.2.1.3). Es umfasst zum einen das bereits angesprochenen soziale und weiterhin insbesondere das ökonomische Risiko. Letzteres umfasst vornehmlich die beiden Aspekte der möglichen finanziellen Einbussen und – als Besonderheit digitaler Produkte – die Gefahr für den Schutz der Privatsphäre und der Sicherheit der Datenübermittlung (s. Abschnitt C 1.3.3.3). Wie in Abschnitt C 2.2.1.3 erläutert wurde, können Risiken dadurch reduziert werden, dass entweder die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer unerwünschten Situation reduziert wird oder aber deren mögliche Konsequenzen gemildert werden. Risikominderungsmassnahmen können dabei durch das Produkt selbst oder durch Dritte getragen werden (Risikominderung durch Produkt, Risikominderung durch Dritte). Das Produkt 193 Umwandlung einer – positiven – Einstellung im Kopf eines potentiellen Kunden in eine Kaufab- sicht, die den konkreten Erwerbsprozess einleitet. Design Patterns für digitale Produkte 245 kann das Risiko insbesondere dadurch verringern, dass es den potentiellen Käufern ermöglicht, das Produkt in beschränktem Umfang oder über eine beschränkte Zeitdauer zu erwerben und somit vor der entgültigen Übernahmeentscheidung zunächst zu testen (Probeweise Anwendung). Alle diese Massnahmen sind im Zuge dieser Phase glaubwürdig an die potentiellen Kunden zu vermitteln. Die Glaubwürdigkeit der Produktanbieter ist aufgrund des bei ihnen zu vermutenden Eigennutzes jedoch beschränkt. Ihre Aussagen sollten daher durch dritte – bereits etablierte – Parteien untermauert werden. Weiterhin reduzieren auch die positiven Erfahrungen der Anwender-Community das wahrgenommene Risiko eines potentiellen Interessenten (Risikominderung durch Anwender-Community). Schliesslich werden Entscheidungen, induziert durch eine animierende (Kauf-) Umgebung, häufig spontan getroffen (s. Abschnitt C 2.2.1.4). Dies ist besonders bei Low-InolvementGütern der Fall. Die Eingliederung des Produktes in die Anwendung eines etablierten Produktes kann somit eine solche spontane Entscheidung zum Erwerb herbeiführen (Eingliederung in etabliertes Produkt). *** Verwandte Patterns: Die positive Entscheidung für den Erwerb des Produktes sollte den sofortigen Einstieg in die Kauftransaktion und somit den Übergang in die Verhandlungsphase ermöglichen (Verhandlungspatterns). E 2.3.2 Risikominderung durch das Produkt Kontext: s. Entscheidung / Absicht abstrakt *** Problem: Um einen potentiellen Kunden zum Kauf zu motivieren, muss dessen wahrgenommenes Risiko minimiert werden. Bei Produkten entsteht generell die Gefahr, durch den Nichterhalt eines Produktes oder durch einen Fehlkauf, d.h. den Erwerb eines Produktes, das nicht den Erwartungen des Kunden entspricht, finanzielle Einbussen zu erleiden. Insbesondere bei digitalen Produkten resp. einem digitalen Erwerbsprozess entstehen weitere Risiken bzgl. des Schutzes privater Daten sowie der Sicherheit der Datenübertragung.. *** Beispiel: Mittlerweile gehört es zum „guten Ton“ jedes Online-Business, zur sogenannten Netiquette, die Firmenpolitik bezüglich der Sammlung, Verwendung und Weiterleitung der über den Kunden gesammelten Daten auf der Web Site zur veröffentlichen. Beispiele finden sich bei amazon.com, bei eBay.com und bei dell.com (s. Abbildung E 2-21). Die entsprechenden Privacy Policies beziehen sich auf die Interaktionsprozesse innerhalb des Erwerbsprozesses, der After Sales Phasen und im Falle rein digitaler Produkte auch auf die Anwendung des Services. Neben dem Schutz privater Informationen muss weiterhin der Transfer der Daten gesichert ablaufen. Entsprechende Massnahmen, wie die Verschlüsselung der Daten, sind zu kommunizieren und dann auch in den entsprechenden Phasen zu implementieren. 246 Entwicklung der Patternsprache Abbildung E 2-21: Beispiel Privacy Policy bei dell.com, Zugriff 15.10.2001. Um dem Kunden das leichte Auffinden derartiger Risikominderungsmassnahmen zu ermöglichen, publiziert dell.com diese auf der Startseite ihres Online-Auftritts. Aufgrund des hohen Umfanges der Massnahmen werden diese hierarchisch in verschiedene Kategorien gegliedert. Innerhalb dieser Kategorien sind die wesentlichen Aussagen am Anfang jedes Abschnittes kurz in einem Satz zusammengefasst und farblich hervorgehoben, gefolgt von einer ausführlicheren Erläuterung der Inhalte. amazon.com schützt seine Kunden weiterhin durch ein kulantes Rückgaberecht vor Fehlkäufen. Den Kunden ist es hier möglich, die gekaufte Ware innerhalb von vier Wochen kostenfrei zurückzuschicken. Diese Information sowie auch die Massnahmen zum Schutz der Sicherheit und der Privatsphäre finden sich innerhalb der Hilfesektion. Die entsprechende Informationsseite ist auch hier in thematische Abschnitte gegliedert, deren Inhalte jeweils durch einen farbig hervorgehobenen Einleitungssatz kurz zusammengefasst werden. Dies erleichtert die schnelle Orientierung auf der Informationsseite sowie die rasche Aufnahme der zentralen Aussagen. eBay.com schützt die Anwender seines Auktionsservices durch eine kostenlose Versicherung gegen Betrugsfälle. Erhält ein Kunde ein ersteigertes Produkt nicht oder entspricht das Produkt nicht der Beschreibung des Anbieters, so bekommt der Kunde den Kaufpreis zurückerstattet. Die verschiedenen Sicherheitsmassnahmen finden sich auch hier innerhalb der Hilfesektion. Sie sind jedoch auch über eine spezielle Sektion für Einsteiger erreichbar. Die Informationsseiten selbst sind in verschiedene thematische Sektionen gegliedert, die man über einen Navigator auf der Einstiegsseite der Hilfesektion gezielt erreichen kann. *** Lösung: Implementiere und kommuniziere Massnahmen, die das Risiko der Kunden reduzieren. Positioniere diese derart, dass sie einfach gefunden werden können, wiederkehrende oder uninteressierte Kunden jedoch nicht stören. Design Patterns für digitale Produkte 247 Die Gestaltung dieser Szene wird im folgenden mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben. O-Design: Beteiligte an dieser Szene sind der potentielle Kunde und das Produkt in der weitgehend passiven Rolle des Selbstdarstellers. Dabei kommuniziert das Produkt seine Strategien zur Minimierung des Kundenrisikos. Sie umfassen i.d.R. den Schutz der persönlichen Daten durch die Einhaltung einer Privacy Policy, die Sicherheit der Datenübertragung durch entsprechende Sicherheitsmassnahmen wie Verschlüsselung, den Schutz vor Fehlkäufen durch eine kulante Rückgabegarantie, das Risiko des Nichterhalts der Ware durch entsprechende Versicherungen. I-Design: Der Prozess selbst ist wenig interaktiv. Er wird durch die Informationsstruktur der entsprechenden Seiten determiniert und vom Kunden gesteuert. Das Produkt stellt dem Kunden Informationen über die von ihm implementierten Strategien zur Risikominderung zur Verfügung, die er lesen kann. Es kann diesen Prozess lediglich durch eine übersichtliche Darstellung der Information, eine verständliche Beschreibung der Inhalte sowie eine geeignete Positionierung innerhalb des gesamten Web Site erleichtern und steuern. Idealerweise befindet sich ein Verweis auf die Information in einer speziellen Sektion auf der Einstiegsseite, in der Hilfesektion oder aber einer Sektion für neue Besucher. L-Design: Die dargebotenen Informationen müssen dem Kunden in klaren Worten die implementierten Massnahmen erklären und ihm dadurch die Angst vor möglichen Risiken nehmen. Die Darstellung der Massnahmen sowie etwaige Kategorisierungsschemata müssen der Logik des Kunden folgen. So entspricht die Positionierung innerhalb der erwähnten Sektionen den Erwartungen des Kunden. K-Design: Die Strukturierung der Informationen müssen es dem Kunden ermöglichen, eine schnelle Übersicht zu erlangen und sich lediglich bei Bedarf weitere Informationen zu verschaffen. Hierzu eignet sich ein pyramedialer Schreibstil resp. die Darstellung der Inhalte in Form einer verlinkten Liste, bei der lediglich die wesentlichen Aussagen dargestellt werden und die weiteren Ausführungen bei Bedarf über einen Link erreicht werden können (s. Pattern Hierarchical Set und Optional Detail on Demand in Tidwells (1999) Common Ground) und Inverse Pyramid Writing Style in van Duyne et al.’s (2000) The Design of Sites). Die in dieser Szene kommunizierten Massnahmen müssen dann in den entsprechenden Szenen organisatorisch und technisch umgesetzt werden. *** •Privacy Policy •Rückgaberecht •Sicherheitsmassnahmen Abbildung E 2-22: Diagramm Risikominderung durch Produkt 248 Entwicklung der Patternsprache *** Rational: Die Gestaltung dieses Patterns beruht auf der in Abschnitt C 2.2.1.3 dargelegten Theorie des wahrgenommenen Risikos und den ebenfalls dort erläuterten Strategien zur Risikominderung. Dabei kann das wahrgenommene Risiko vermindert werden, indem (1) die möglichen negativen Folgen abgeschwächt werden (Rückgaberecht, Versicherung), oder aber (2) die Eintrittswahrscheinlichkeit reduziert wird (Privacy Policy und Sicherheitsmassnahmen). Zusätzlich kann das Risiko im Sinne der negativen Folgen auch dadurch verringert werden, dass es dem Kunden möglich ist, das Produkt zunächst probeweise, d.h. in einem reduzierten Umfang und bei gleichzeitig reduzierten Kosten, auszutesten. Bei digitalen Produkten kommen durch die Möglichkeiten der Sammlung, Verarbeitung und Weiterleitung von Daten der Schutz der persönlichen Daten und durch die elektronische Übertragung der Daten die Datensicherheit als Risikoquellen hinzu (s. Abschnitt C 1.3.3.3). Insbesondere neue und daher noch nicht etablierte Produkte oder Produktanbieter haben das Problem, dass ihnen aufgrund des ihnen zu unterstellenden Eigennutzes eine geringe Glaubwürdigkeit und ein geringes Vertrauen entgegengebracht werden. Entsprechende bestätigende Aussagen unabhängiger dritter Parteien können die Glaubwürdigkeit und Qualität ihrer Massnahmen zur Risikominderung erhöhen oder das wahrgenommene Risiko durch eigene Massnahmen weiter reduzieren. Auch die Meinungen und Erfahrungen der Anwender-Community tragen zur Risikominderung bei und komplementieren somit die diesbezüglichen Massnahmen des Produktes. *** Verwandte Patterns: Nach getroffener Entscheidung muss es dem Kunden möglich sein, direkt in die Erwerbsphase überzutreten. Es besteht daher eine direkte Verbindung zu den Patterns der Verhandlungsphase (Verhandlungspatterns). Wie bereits bei der Beschreibung der Lösung konstatiert, hat die – inhaltliche – Gestaltung dieser Szene weitreichende Konsequenzen für die organisatorische und informationstechnologische Gestaltung der folgenden Szenen des Erwerbs und der Anwendung des Produktes (Verhandlungs-, Abwicklungs-, und Anwendungspatterns). Die kommunizierten Risikominderungsstrategien müssen in diesen Szenen umgesetzt werden. Weiterhin bestehen hier, wie soeben im Zuge des Rationals erläutert, direkte Verbindungen zu den Szenen Probeweise Anwendung, Risikominderung durch Dritte und Risikominderung durch Anwender-Community. Dieses Pattern subsumiert die Inhalte des Patterns Privacy Policy in Perzel und Kanes (1999) Usability Patterns for Applications on the World Wide Web. E 2.3.3 Risikominderung durch Dritte Kontext: s. Entscheidung / Absicht abstrakt Diese Szene kann sich weiterhin in die Szene Risikominderung durch Produkt eingliedern oder sich an diese anschliessen. Sie bestätigt die Aussagen des Produktes oder / und komple- Design Patterns für digitale Produkte 249 mentiert die Risikominderungsmassnahmen des Produktes durch eigene Massnahmen der unabhängigen Dritten Partei. *** Problem: s. Risikominderung durch Anbieter Anbieter haben ein Eigeninteresse, ihren Dienst oder ihr Produkt möglichst positiv darzustellen. Ihre Glaubwürdigkeit ist dadurch beschränkt (s. auch Abschnitt C 2.2.1.2). *** Beispiel: Es gibt verschiedene Institutionen, die Gütesiegel insbesondere für Online Shops ausstellen: Beispiele sind eTrusted.com, TrustedShops.com, und bbbOnline.com. Diese Siegel bezeugen in der Regel, dass die entsprechenden Anbieter die Regeln der Netiquette einhalten: d.h., dass sie ihre Kunden über ihre Privacy Policy informieren und diese auch tatsächlich auf ihrer Web Site implementieren. eBay.com weist direkt auf ihrer Einstiegsseite sowie auch in der entsprechenden Hilfesektion darauf hin, dass ihr Service von Trusted.com überprüft wird. dell.com verweist in ihren Sicherheitsinformationen auf die Zertifizierung durch bbbOnline.com, dell.de auf das europäische Gütesiegel TrustedShops. Die Hinweise auf die Zertifizierung finden sich bei Dell.com innerhalb der speziellen Sektion, in der die Privacy Policy erläutert wird, bei dell.de direkt auf der Einstiegsseite des Online Shops. Durch Anklicken des entsprechenden Labels erreicht man die Web Site dieser Institution, auf der das Zertifikat dargestellt ist (s. Abbildung E 2-23). Abbildung E 2-23: Beispiel Risikominderung durch Gütesiegel und Online-Versicherung bei dell.de, Zugriff 15.10.2001. Zum Teil umfassen diese Zertifizierungsdienste auch weitere Services, wie z.B. Schiedsgerichte, die bei Streitfällen angerufen werden können (s. bbbOnline.com). 250 Entwicklung der Patternsprache Daneben bieten verschiedene Versicherungen ihre Dienste zur Absicherung vor Fehlkäufen oder vor Betrugsfällen im Zuge der Auslieferung der Waren an. Ein Beispiel dafür ist wiederum TrustedShops.com. Sie kontrollieren nicht nur die Einhaltung gewisser Qualitätsstandards bzgl. des Schutzes der Privatsphäre und der Lieferung der Ware, sondern versichern den Kunden gegenüber Nicht-Lieferung der Ware, Kreditkartenmissbrauch und garantieren weiterhin das Rückgaberecht der Waren. Dieser Dienst wird z.B. von dell.de angeboten. Bei Abschluss eines Kaufvertrages kann der Kunde kostenlos eine Versicherung bei TrustedShops.com abschliessen. Die Kosten werden dabei von dell.de selbst übernommen. Die Kommunikation dieser Absicherung ist jedoch hier nicht optimal gelöst. Der Hinweis auf die Versicherungsleistungen findet sich nicht direkt auf der Web Site des Produktes, sondern erst in der Zertifizierungsinformation, die man über einen Link auf die Site von TrustedShops.com einsehen kann. *** Lösung: Implementiere und kommuniziere Risikominderungsmassnahmen, in Form von Gütesiegeln und Versicherungen durch vertrauenswürdige Dritte. Positioniere diese derart auf der Web Site, dass sie von interessierten potentiellen Kunden einfach gefunden werden, den Kunden jedoch nicht stören: am Rand der Einstiegsseite und in der Informations- / Hilfe-Sektion des Dienstes insbesondere für neue Kunden. Diese Szene ist komplementär zur Szene Risikominderung durch das Produkt und gliedert sich teilweise in die dortige Szenerie ein. So bezeugen dritte Parteien, die Qualität der Risikominderungsmassnahmen durch das Produkt oder ergänzen das Spektrum der Massnahmen des Produktes. O-Design: Diese Szene umfasst primär den potentiellen Kunden und die Dritte Partei. Wie das Produkt in der Szene Risikominderung durch das Produkt, so tritt die dritte Partei in dieser Szene als Selbstdarsteller auf und kommuniziert ihre Massnahmen zur Risikominderung. Dabei handelt es sich primär um Versicherungsleistungen sowie Zertifikate, welche die „Güte“ des Produktes resp. dessen Massnahmen zur Risikominderung bezeugen. I-Design: Die dritte Partei spielt eine eher passive Rolle, die lediglich durch ihre Positionierung innerhalb der Web Site des Produktes auf sich aufmerksam macht. Entsprechende Informationen finden sich prinzipiell an den gleichen Stellen, wie die Informationen über die Risikominderungsmassnahmen des Produktes. Gütesiegel, welche die Qualität der Produkte resp. deren Sicherheitsmassnahmen bezeugen, werden entweder auf der Einstiegsseite des Services, am Rande der Serviceseiten oder aber in den speziellen Informationssektionen in Kombination mit der Darlegung der entsprechenden Massnahmen des Produktes platziert. Die dritte Partei stellt sich zumeist in Form eines Labels dar, das mit der eigenen Site verlinkt ist. Durch die Aktivierung dieses Links wechselt man auf diese Web Site und erhält dort ideallerweise direkt diejenigen Informationen, die sich auf das interessierende Produkt beziehen (bspw. in Form eines Zertifikats). Logischer Raum: s. Risikominderung durch das Produkt: Dabei übernimmt die dritte Partei die Rolle des Produktes in der dortigen Szene. Design Patterns für digitale Produkte 251 Die Bedeutung des Labels sollte weiterhin bereits durch dessen Design, insbesondere die verwendeten Symbole und die Namensgebung kommuniziert werden. Für ein schnelles Verständnis ist auf dem zu erwartenden logischen Raum der Kunden aufzubauen. K-Design: Die Realisierung dieser Szene erfordert die Verlinkung mit den Sites der entsprechenden dritten Parteien. Dabei sollte dem Kunden direkt die von ihm benötigte Information, wie bspw. das Zertifikat des entsprechenden Anbieters, angezeigt werden. Dies erreicht man bei dynamisch generierten Web Sites durch die Mitlieferung einer dem Produkt zugeteilten ID. Anschliessend muss der direkte Rückschritt in den Kontext des Produktes gewährleistet werden, was sehr einfach durch die Öffnung eines neuen Browserfenster bei der Aktivierung des Links realisiert werden kann. *** •Gütesiegel •Versicherung Vertrauenswürdige Dritte Abbildung E 2-24: Diagramm Risikominderung durch Dritte *** Rational: Zertifikate und Leistungen von unabhängigen und vertrauenswürdigen Parteien erhöhen die Glaubwürdigkeit der bezeugten Massnahmen (s. Abschnitt C 2.2.1.2). Allerdings muss gewährleistet sein, dass diese dritten Parteien auch selbst eine positive Reputation besitzen und somit das Vertrauen der Kunden geniessen. Sie müssen daher gegebenenfalls selbst entsprechende Massnahmen (auf ihrer Web Site) etablieren. Steht hinter der Dritten Partei nicht ohnehin ein etablierter Dienstleister, so erhöht die Zusammenarbeit mit einem solchen das den Dritten entgegengebrachte Vertrauen. *** Verwandte Patterns: s. Risikominderung durch Produkt Dieses Pattern weist weiterhin enge inhaltliche (und zeitliche) Zusammenhänge mit dem Pattern Risikominderung durch das Produkt auf. Gütesiegel bezeugen die Qualität der dort kommunizierten risikovermindernden Massnahmen des Anbieters. E 2.3.4 Risikominimierung durch die Anwender-Community Dieses Pattern entspricht in der Ausgestaltung dem Überzeugungspattern Integration in die Anwender-Community. Durch die Sichtbarkeit der Meinung der Anwender und insbesondere deren positive Erfahrungen sowie gegebenenfalls durch die mögliche Interaktion mit den 252 Entwicklung der Patternsprache Anwendern wird jedoch nicht nur die Einstellung des Kunden gefestigt, sondern auch das wahrgenommene Risiko verringert. Die Gestaltung der Szene entspricht den Ausführungen in Abschnitt E 2.2.3. Kontext: s. Entscheidung / Absicht abstrakt resp. auch Überzeugung abstrakt Diese Szene kann sich insbesondere an die Szene Risikominderung durch Produkt anschliessen und die dort kommunizierten Risikominderungsmassnahmen komplementieren. *** Problem: s. Risikominderung durch Dritte *** Beispiel: s. Integration in die Anwender-Community *** Lösung: Ermögliche dem interessierten Kunden den Zugang zur Community der bereits gewonnenen Kunden und insbesondere zu deren – positiven – Erfahrungen mit dem Service. Für die weiteren Ausführungen s. Integration in die Anwender-Community *** Diagramm: s. Integration in die Anwender-Community *** Rational: Die Aussagen und Erfahrungen der Anwender haben generell eine grössere Glaubwürdigkeit als die Äusserungen des Anbieters selbst (s. Abschnitte C 2.2.1.2 und C 2.2.2). Positive Erfahrungen anderer Kunden, die das Produkt bereits anwenden, verringern dabei das empfundene Risiko eines potentiellen Kunden (s. Abschnitt C 2.2.1.3). Innerhalb einer Community besteht jedoch die Gefahr, dass dort auch negative Meinungen über das Produkt gebildet und verbreitet werden. Falls diese unberechtigt sind, werden sie im Idealfall von zufriedenen Mitgliedern der Community selbst widerlegt. Ansonsten sollte der Anbieter des Dienstes selbst auf diese „Beschwerden“ reagieren. Idealerweise geschieht dies im gleichen Medium, d.h. auf der Community-Plattform, sichtbar für alle CommunityMitglieder. *** Verwandte Patterns: s. Risikominderung durch das Produkt E 2.3.5 Probeweise Anwendung Kontext: s. Entscheidung / Absicht abstrakt Diese Szene gliedert sich häufig an die Szene Risikominderung durch Produkt an. *** Problem: Die Schaffung einer positiven Einstellung reicht häufig nicht aus, um den Kunden zur tatsächlichen positiven Kaufentscheidung zu motivieren. Insbesondere bei neuartigen Design Patterns für digitale Produkte 253 Produkten oder Erfahrungsgütern entwickelt sich das Verständnis und auch die Einstellung häufig erst im Zuge der Anwendung des Produktes. *** Beispiel: Bei der Jobfair24.de handelt es sich um einen neuartigen Service, dessen konkreter Nutzen daher nur schwierig im voraus abgeschätzt werden kann. Das durch diesen Umstand induzierte Risiko und die damit verbundene Einstiegshürde versucht die OnlineMesse u.a. dadurch zu minimieren, dass sie interessierten Unternehmen die Möglichkeit gibt, den Dienst in beschränktem Umfang und über einen beschränkten Zeitraum zu testen. So findet sich in der Informationssektion für Unternehmer, unter der Rubrik „Preise und Konditionen“, ein Testpaket für Neukunden mit einer Laufzeit von 2 Monaten und einem beschränkten Umfang von 50 Stellenanzeigen. Die Positionierung innerhalb der Konditionsliste ist hier allerdings nicht optimal gewählt, um die Aufmerksamkeit noch schwankender Kunden auf sich zu lenken. Abbildung E 2-25: Beispiel probeweise Anwendung bei Jobfair24.de, Zugriff 20.10.2001. *** Lösung: Ermögliche dem Kunden eine risikoreduzierte probeweise Anwendung des Dienstes. Dabei kann entweder die Verfügungsdauer oder die Funktionalität des Dienstes eingeschränkt werden. Positioniere diese Szene so, dass interessierte Kunde direkt auf die Möglichkeit aufmerksam werden. O-Design: Diese Szene umfasst den generell interessierten Kunden und das Produkt in der Rolle des Entscheidungsunterstützers. Durch die Darbietung der beschränkten Nutzungsmöglichkeiten hat das Produkt das Interesse, das wahrgenommene Risiko des Kunden zu reduzieren und somit die positive Entscheidung zum Erwerb des Produktes zu fördern. 254 Entwicklung der Patternsprache I-Design: In dieser Szene besteht die Interaktion lediglich darin, dass der Kunde das dargelegte Angebot wahrnimmt. Das Produkt muss die Aufmerksamkeit des Kunden durch eine geeignete Positionierung auf das Angebot lenken und durch eine klare Darstellung der Inhalte das empfundene Risiko minimieren. L-Design: Auf den logischen Raum des Kunden ist primär bei der Positionierung der Information zu achten. Diese sollte an einer zentralen Stelle im Anschluss an die Szene Risikominderung durch Produkt stehen. Das Angebot selbst muss so gestaltet werden, dass aus der Sicht des Kunden der erwartete Nutzen das eingegangene Risiko übersteigt. K-Design: Als reine Informationsszene stellt diese Szene keine weiteren Anforderungen an die Gestaltung der Szene. Die Kernelemente des Angebotes sollten lediglich klar, idealerweise in einer Tabelle, herausgestellt werden (s. Pattern Tabular Set in Tidwells (1999) Common Ground). *** Abbildung E 2-26: Diagramm probeweise Anwendung *** Rational: Diese Szene nutzt die Kommunikationswirkung des Produktes selbst. Durch die rasche Anwendung des Produktes kann der Kunde sich selbst ein Bild vom Produkt und dessen Nutzen verschaffen (s. Abschnitt C 2.1.3). Durch die Beschränkung der mit der Anwendung verbundenen vor allem finanziellen Risiken, wird die Hemmschwelle einer positiven Entscheidung reduziert. Der eingeschränkte Umfang der Funktionalität des Produktes und die damit realisierte sukzessive Einführung des Produktes ermöglicht weiterhin insbesondere bei komplexen neuartigen Produkten einen sukzessiven Aufbau des benötigten Anwendungswissens (s. Abschnitt C 2.1.3). *** Verwandte Patterns: Diese Szene leitet im Erfolgsfall direkt zur Verhandlungsphase über. Sie hat inhaltliche Abhängigkeiten zu den Phasen der Verhandlung und der Abwicklung sowie der Anwendung: Das beschränkte Gebot kann direkt in einen Vertrag transformiert werden, der dann die Ausgestaltung der Abwicklungs- und Anwendungsphase determiniert. Dieses Pattern ähnelt in seinen Aussagen und Inhalten dem Pattern Carrot and a Stick in Perzel und Kanes (1999) Usability Patterns for Applicaions on the World Wide Web. E 2.3.6 Anreizmechanismen Kontext: s. abstraktes Entscheidungspattern Design Patterns für digitale Produkte 255 Diese Szene kann auch im Zuge der Kundenbetreuungsphase eingesetzt werden, um bereits bestehende Kunden zum Wiederkauf zu motivieren. *** Problem: Die Schaffung einer positiven Einstellung reicht häufig nicht aus, um den Kunden zur tatsächlichen positiven Kaufentscheidung zu motivieren. Bestimmte Ereignisse, Rogers spricht hier von den „cues-to-action“ (Rogers 1995: 170), können diesen Übergang von einer ausgebildeten positiven Einstellung zur Entwicklung einer Kaufabsicht jedoch einleiten. *** Beispiel: amazon.de versucht durch Anreizmechanismen, neue Kunden zur Nutzung ihres Online Bookstores zu motivieren. Beim Betreten der Einstiegsseite öffnet sich ein neues Fenster, in dem neuen Kunden ein Start-Gutschein für ihren ersten Kauf bei amazon.de offeriert wird (s. Abbildung E 2-27). Dieser Gutschein führt über einen Link direkt zur kostenlosen Registrierung des Kunden. Der Gutschein kann dann im anschliessenden Kaufprozess eingelöst werden. Abbildung E 2-27: Beispiel Anreizmechanismen bei amazon.de, Zugriff 20.10.2001. Jobfair24.de etablierte ein zeitlich befristetes Bonussystem, um potentielle Kunden, d.h. Bewerber zur Teilnahme an ihrem Online Service zu motivieren: Wer bis zu einem bestimmten Endzeitpunkt eine Bewerbungsmappe des Online-Messeanbieters ausfüllte oder an einer Online-Messe teilnahm, wurde durch Bonuspunkte in einem, von mehreren Web-Anbietern getragenen Bonussystem belohnt. Diese Aktion hatte vom quantitativen Massstab her gesehen auch tatsächlich den gewünschten Erfolg und führte somit zu einer deutlichen und raschen Zunahme der registrierten Benutzer. Da die Bonuspunkte jedoch unabhängig von der Qualität der eingegebenen Bewerbungsmappen und der gezeigten Aktivität auf der OnlineMesse vergeben wurden, war der Erfolg unter einer qualitativen Betrachtung nicht ganz so überzeugend. *** Lösung: Entwickle ein zielgerichtetes System von Anreizmechanismen, das (neuen) Kunden die Entscheidung zum Erwerb des neuen Produktes erleichtert, und kommuniziere dies dem Kunden. 256 Entwicklung der Patternsprache Diese Szene ist von ihrer Gestaltung her sehr ähnlich zur Szene Awareness durch Produkt. O-Design: In dieser Szene treten der potentielle Kunde und das Produkt resp. dessen Anbieter auf. Auch hier ist die Rolle des Produktes eher passiver Natur. Es präsentiert bestimmte Anreizprogramme, die den Kunden dazu motivieren sollen, das Produkt zu erwerben. Dabei handelt es sich zumeist um ökonomische Anreize, wie Gutscheine, Bonuspunkte oder reduzierte Preise. Eine zeitliche Beschränkung der Aktion kann Spontanentscheidungen des Kunden fördern (s. (Bänsch 1989: 73)). Für den auch langfristigen Erfolg ist dabei die Ausrichtung der Anreizmechanismen auf die angestrebte Zielgruppe entscheidend. I-Design: Die Interaktion beruht darauf, dass der Kunde die Information über die Anreizmechanismen liest und, so motiviert, idealerweise direkt zum Erwerb des Produktes übergeht. Das Produkt kann die Wahrnehmung der Information lediglich durch die Darstellung sowie die Positionierung innerhalb der Web Site beeinflussen. Hier eignet sich die Präsentation an zentraler Position innerhalb der Einstiegsseite oder in einem separaten Fenster, das sich beim Betreten der Einstiegsseite öffnet (s. Pattern Sovereign Posture in Tidwells (1999) Common Ground). L-Design: Bei der Gestaltung der Inhalte muss der logische Raum des Kunden berücksichtigt werden. Die Anreize müssen unter Berücksichtigung der Interessen potentieller Kunden gewählt und in einer Form dargestellt werden, die für die Anwender leicht verständlich ist und diesen direkt anspricht. Die soeben erläuterte auffällige zentrale Positionierung fördert die Wahrnehmung durch potentielle Kunden. K-Design: An das K-Design werden hier insbesondere Anforderungen bezüglich des graphischen Layouts gestellt. Es muss das Interesse des Kunden auf sich ziehen und dabei die Botschaft klar kommunizieren. Die versprochenen Bonuspunkte können dabei auch in ein von einer Dritten Partei geführtes Bonussystem einfliessen, das mehrere Produktanbieter umfasst. Dies erfordert eine auch technische Integration der verschiedenen Theaterstücke. *** + Anreiz Abbildung E 2-28: Diagramm Anreizmechanismen *** Rational: Dieses Pattern beruht auf dem Prinzip, durch eine Erhöhung des wahrgenommenen Kundennutzens den interessierten Kunden zu einer Kaufentscheidung zu motivieren (s. Abschnitt C 2.1.3). Die zeitliche Beschränkung der Aktion fördert ein rasches Entscheidungsverhalten. Anreizmechanismen helfen jedoch lediglich dabei, unentschlossene Kunden zur ersten Nutzung des Produktes zu motivieren. Für eine langfristige Kundenbindung ist dann die Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt entscheidend. Essentiell ist daher weiterhin die Design Patterns für digitale Produkte 257 optimale Abstimmung des Produktes auf die Bedürfnisse des Kunden sowie die Ansprache der richtigen Zielgruppe. *** Verwandte Patterns: Die Szene endet im Erfolgsfall mit der Ausbildung einer Kaufabsicht. Diese sollte durch einen Übergang zum Vertragsabschluss direkt implementiert werden können (Verhandlungspatterns). Da dieser Anreiz auch beim ersten Kennenlernen des Produktes und somit gewissermassen in der Awarenessphase auftreten kann, muss der Kunde gegebenenfalls dabei unterstützt werden, zunächst eine Einstellung zum Produkt zu entwickeln, resp. das wahrgenommene Risiko weiter zu verringern. Hier ist somit ein direkter Übergang zu den Überzeugungsszenen sowie den anderen Entscheidungsszenen, insbesondere Risikominderung durch Produkt zu gewährleisten. Inhaltliche Abhängigkeiten bestehen zwischen diesem Pattern und den Patterns der Verhandlungsphase sowie der Abwicklungs- und Anwendungsphase. In die Verhandlung sind die versprochenen Zusätze aufzunehmen und in der Abwicklungsphase und gegebenenfalls auch der Anwendungsphase zu implementieren. E 2.3.7 Eingliederung in Interessen-Communities Kontext: s. Entscheidung / Absicht abstrakt *** Problem: Die positive Einstellung zu einem Produkt fördert generell die Bereitschaft zum Erwerb eines Produktes. Sie induziert jedoch nicht direkt die Ausbildung einer Kaufabsicht. Wie in Abschnitt C 2.2.1.2 erläutert wurde, beeinflussen jedoch insbesondere die Erwartungen resp. das Verhalten der relevanten Bezugsgruppen die Kaufabsicht des Kunden. Neben den „realen“ sozialen Netzwerken bilden sich in der vernetzten Welt immer mehr „virtuelle“ Gemeinschaften heraus. Diese Gemeinschaften basieren nicht primär auf räumlicher Nähe oder verwandtschaftlicher Bindung, sondern auf einem gemeinsamen Interesse ihrer Mitglieder. Sie dienen somit als Informations- und Austauschplattform für bestimmte Themenstellungen. Weiterhin ermöglichen sie auch den sozialen Austausch zwischen ihren Mitgliedern. Dadurch kann sich über die Zeit eine – soziale – Identität der Community herausbilden und sich auf diese Weise die Community zu einem sozialen Bezugspunkt für ihre Mitglieder entwickeln. Die Online-Gemeinschaft übernimmt dann eine gewisse Filterfunktion und wird weiterhin zum Massstab für das, was „man“ kennen, haben oder besitzen muss oder darf. *** Beispiel: Neben den mit einem Produkt oder Dienstleister direkt assoziierten Communities, wie amazon.com oder ebay.com etablieren sich auch immer mehr unabhängige Communities, wie z.B. ivillage.com (mit ihren zahlreichen Sub-Communities). ivillage.com gehört mit einer Mitgliederzahl von 7.2 Mio. registrierten Teilnehmern zu einer der erfolgreichsten Commu- 258 Entwicklung der Patternsprache nity Sites. Sie richtet sich dabei ausschliesslich an Frauen (über 18) und deckt dabei mit ihren verschiedenen Sub-Communities die zentralen frauenspezifischen Interessensgebiete ab. Abbildung E 2-29: Illustration Integration in Interessen-Community durch Etablierung einer Diskussionsgruppe über das eigene Produkt resp. über das durch das Produkt gelöste „Problem“, Zugriff 15.10.2001. Produkten stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, sich innerhalb der Community zu etablieren. So können sich Produktanbieter durch die Integration in bestehende Diskussionsgruppen oder die Etablierung produktspezifischer Diskussionsgruppen oder Chatveranstaltungen in die Community einzugliedern versuchen. Vertreter der Produkte treten hier als Experten auf. Beispielsweise findet sich innerhalb der Sektion Food and Health ein „Discussion Board“ über Slim Fast. Es wird von Vertretern der Firma, in der Rolle des Spezialisten, moderiert und geleitet (s. Abbildung E 2-29). Weiterhin können Produkte auch innerhalb der Informationssektionen auf sich aufmerksam machen. Die Publikation als „Sponsor“ kann dabei durch finanzielle Mittel „erkauft“ werden. Wirkungsvoller sind jedoch auch Berichte über das Produkt resp. neue Problemlösungen mit Hilfe des Produktes. Diese können jedoch vom jeweiligen Produkt nur bedingt durch die Kommunikation mit den Community-Betreibern resp. den Redakteuren der jeweiligen themenbezogenen Sub-Communities, gesteuert werden. Gleiches gilt für Community Ratings von Produkten. Sie haben eine hohe Wirkung auf die Mitglieder, können jedoch nicht von den jeweiligen Produktanbietern beeinflusst werden. Design Patterns für digitale Produkte 259 Neben diesen Interessen-Communities entstehen auch spezielle Verbraucher-Communities, die das gemeinsame Interesse am (Online) Shopping zusammenhält. Das bekannteste Beispiel ist ciao.com. Hier tauschen sich Kunden über ihre Erfahrungen in der Anwendung bestimmter Produkte aus. Diese Kommunikation findet dabei zumeist nicht direkt zwischen den Community-Mitgliedern, sondern über die Publikation, Sammlung und Veröffentlichung von Kunden-Ratings statt. Diese Gemeinschaft bildet somit nur bedingt eine soziale Identität aus und dient verstärkt der Minimierung des wahrgenommenen Risikos durch die Erfahrungen der Anwender der jeweiligen Produkte. *** Lösung: Integriere das Produkt in etablierte Interessen-Communities potentieller Kunden. Etabliere und verbreite dadurch eine – positive – soziale Einstellung gegenüber dem Produkt innerhalb der Interessen-Community in deren Funktion als Bezugsgruppe für ihre Mitglieder. In diesem Pattern stehen weniger die konkreten Abläufe innerhalb einer Online Community im Vordergrund. Diese werden im Pattern Community der Phase der Kundenbetreuung genauer spezifiziert. Dagegen interessieren hier die Möglichkeiten des Produktes, potentielle Kunden zum Kauf zu motivieren, die sich durch die Integration in eine bestehende Community ergeben. O-Design: Die zentralen Mitglieder innerhalb dieses Theaterstückes „Online Community“ sind die Mitglieder der Community sowie der Community-Betreiber in der Rolle des Community-Managers, der für die Strukturierung der Community und insbesondere der dargestellten Informationsangebote sowie für die Bereitstellung von Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Community-Mitgliedern verantwortlich ist. Das Produkt übernimmt in dieser Szene die Funktion des Selbstdarstellers oder, wenn möglich, des Experten. Er gliedert sich dabei in die Kommunikations- und Informationsdienste der Community-Plattform ein. Das Produkt hat in dieser Szene das Interesse, sich selbst innerhalb der Community zu etablieren. Dabei kann es sich jedoch lediglich in die gegebene Szenerie eingliedern. Seine Möglichkeiten zur aktiven Gestaltung der Szene sind dagegen beschränkt. I-Design: Mitglieder besuchen die Community, um sich über ein bestimmtes Interessengebiet zu informieren und sich mit Gleichgesinnten darüber auszutauschen. Dafür stehen ihnen prinzipiell die folgenden „Services“ zur Verfügung: (1) Redaktionell aufbereitetes Material, (2) die Diskussion mit anderen Community-Mitgliedern und (3) die Dikussion mit Spezialisten. Weiterhin veranstalten Community Sites häufig verschiedenartige Umfragen, in denen Mitglieder über ihre Meinung insbesondere zu Produkten befragt werden und die konsolidierten Ratings dann wiederum den Kunden zur Verfügung gestellt werden. In die verschiedenen Szenen kann sich das Produkt mehr oder weniger aktiv einbringen: Seine Integration der Problemlösung in das redaktionell aufbereitete Material kann das Produkt nur indirekt beeinflussen, indem es den zuständigen Redakteur auf das Produkt aufmerksam macht und ihn davon zu überzeugen versucht, über dieses Produkt zu berichten. Dies kann durch den parallelen Aufbau einer längerfristigen Partnerschaft zwischen Produkt und Community Site, die häufig zunächst auf einem reinen Sponsoring beruht, erleichtert 260 Entwicklung der Patternsprache werden. Um seine Glaubwürdigkeit zu bewahren, muss der verantwortliche Redakteur jedoch auf den Erhalt seiner Unabhängigkeit und seiner weitgehenden Unvoreingenommenheit bedacht sein.194 Einen direkteren und gezielteren Einfluss hat das Produkt, wenn es sich selbst als Experte positioniert. Dazu kann es an bestehenden Diskussionsgruppen teilnehmen oder aber selbst eine neue Diskussionsgruppe etablieren. Damit gliedert sich das Produkt in den sozialen Erfahrungsaustausch innerhalb der bestehenden Interessen-Communities ein und etabliert im Idealfall eine eigenen Interessen-Sub-Community über sein Produkt oder über das durch das Produkt gelöste Kundenproblem. Die Sichtbarkeit der Kommunikation innerhalb dieser Community fördert dann auch die Akzeptanz durch andere Community-Mitglieder. Weiterhin kann das Produkt sich auch als Sponsor auf der Site präsentieren und allein durch seine Präsenz die Akzeptanz innerhalb der Community Site ausstrahlen. Diese Positionierung wirkt sich dabei jedoch stärker auf die Awareness des Produktes als auch die Entscheidungsfindung aus. Auf Umfrageergebnisse innerhalb der Community hat es ebenfalls keinen Einfluss. Das Produkt ist hier lediglich Beobachter. Es kann die diesbezüglichen Informationen jedoch nutzen, um seine Marktposition und auch mögliche Defizite kennenzulernen und schnell darauf zu reagieren. Nach der Ausbildung der Kaufabsicht, sollte es dem Kunden dann möglich sein, direkt das Produkt erwerben zu können. L-Design: Das Produkt ist darauf angewiesen, dass es sich durch eine Eingliederung in das Informationsangebot und, soweit möglich, in die Diskussion zwischen Community-Mitgliedern innerhalb der Interessen-Community etabliert. Die Strukturierung der Community Site selbst muss dabei dem logischen Raum des Kunden entsprechen und ihm die Orientierung auf der Site ermöglichen. Diese Gestaltung liegt jedoch weitestgehend ausserhalb des Einflussbereiches des Produktes, das lediglich Gast auf dieser Site ist. K-Design: Das K-Design umfasst die bereits angesprochene Strukturierung der Web Site, die durch eine geeignete thematische Aufteilung in verschiedene „Räume“ den CommunityMitgliedern die Orientierung auf der Site erleichtern soll (s. Pattern Navigable Spaces in Tidwells (1999) Common Ground). Weiterhin müssen die technischen Möglichkeiten zur interpersonellen Kommunikation bereitgestellt werden. Der Übergang zur Verhandlungsszene wird durch einen einfachen Link realisiert. Der Erwerb des Produktes kann dabei in die Site integriert sein oder zu einem Wechsel in das Theaterstück zwischen Kunde und Produkt führen. *** 194 Er übernimmt hier gewissermassen die Rolle des „Change Agents“, s. Abschnitt C 2.2.2.2. Design Patterns für digitale Produkte 261 Potentieller Kunde Interessencommunity Abbildung E 2-30: Diagramm Integration in Interessen-Community195 *** Rational: In dieser Szene wird der Einfluss von Gemeinschaften auf das Verhalten ihrer Mitglieder ausgenutzt. Die Integration des Produktes in eine Gemeinschaft und insbesondere die sichtbare Anwendung und Bewertung durch die Gemeinschaft reduzieren die ökonomische, aber vor allem auch die soziale Unsicherheit, die mit einem Produkt verbunden ist. Weiterhin wird durch die Community auch ein gewisser sozialer Druck auf ihre Mitglieder zur Übernahme bestimmter Produkte und Problemlösungen ausgebildet. Der Einfluss der Community hängt dabei vom Typus des Individuums ab, d.h. dessen Tendenz zu innovativem oder imitativem Verhalten (s. Abschnitt C 2.2.2.3). Die soziale Kommunikation über das Produkt ist jedoch nur bedingt steuerbar und birgt somit auch die Gefahr der Ausbildung einer negativen „sozialen“ Einstellung gegenüber dem Produkt. Communities wirken somit generell als Informationsfilter und als Verstärker, wobei sich diese Verstärkung sowohl positiv als auch negativ auf die Produktverbreitung auswirken kann. *** Verwandte Patterns: Wie die anderen Szenen der Entscheidungsphase, muss auch diese Szene den direkten Übergang zur Verhandlungsphase gestatten. Wie bereits in der Beschreibung des K-Designs erläutert, kann dies einen Wechsel des Theaterstückes zur Bühne des Produktes mit sich bringen. Die Eingliederung des Produktes in etablierte Communities wirkt sich auch auf die Einstellung der Mitglieder zu diesem Produkt aus. Vor allem Individuen mit stark ausgeprägtem imitativem Verhalten orientieren sich in ihrem Verhalten, aber auch in ihrer Einstellung an ihrem sozialen Umfeld. Um kognitive Dissonanzen zu vermeiden gleichen sie ihre Einstel- 195 Das Produkt etabliert sich innerhalb einer Community, die Bezugsgruppe potentieller Kunden ist, als „Star“. 262 Entwicklung der Patternsprache lungen denen ihres sozialen Umfeldes an. Dieses Pattern kann daher im Grunde auch der Überzeugungsphase zugeordnet werden.196 Weiterhin bestehen starke inhaltliche Abhängigkeiten zur Szene Community der Phase der Kundenbetreuung. Die dort beschriebene, direkt mit einem Produkt assoziierte Community kann sich ebenfalls zu einer Bezugsgruppe ihrer Mitglieder entwickeln und nimmt somit ebenfalls Einfluss auf die Einstellungs- und Entscheidungsfindung ihrer Mitglieder. E 2.3.8 Integration in etabliertes Produkt (Problemlöser) Die Awareness-Szene Integration in ein etabliertes Produkt kann, wie bereits in Abschnitt E 2.1.2 beschrieben, direkt in die Verhandlungsphase überleiten. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das Produkt als Problemlöser auftritt. Diese Szene gliedert sich somit auch in die Entscheidungsphase ein. Die Beschreibung der Szene kann dabei direkt aus Abschnitt E 2.1.2 übernommen werden. Genutzt wird hier die animierende Wirkung der umgebenden Szenerie. E 2.4 Wissen In diesem Abschnitt wird die Gestaltung der Wissensszenen innerhalb des Theaterstückes der Kunde-Produkt-Interaktion durch Patterns beschrieben. Auch hier werden die Einordnung in das Gesamttheaterstück, die Problemsituation, die generellen Gestaltungsprinzipien und die zu berücksichtigenden theoretischen Grundlagen in einem abstrakten Pattern beschrieben. Die Ausgestaltung der konkreten Szenen wird dann in einzelnen Szenenpatterns erfasst. Abbildung E 2-31 gibt einen Überblick über die Patterns dieser Szene und ihre zentralen Abhängigkeiten. Wissen FAQ Demo Verhandlung Experten Anwendung Kundenbetreuung HilfeCommunity Abbildung E 2-31: Übersicht Wissenspatterns 196 Durch die Positionierung innerhalb einer etablierten Community kann ein Produkt auch zunächst die Aufmerksamkeit der Mitglieder auf das Produkt lenken. Unter diesem Gesichtspunkt ist diese Szene daher auch der Awarenessphase zuzuordnen. Design Patterns für digitale Produkte 263 E 2.4.1 Wissen abstrakt Kontext: Um ein Produkt nutzen zu können, benötigt ein Kunde Konsumwissen. Rogers (1995) unterscheidet hierbei zwischen Wissen über die Existenz des Produktes und Wissen über die Anwendung des Produktes. Die Übermittlung gliedert sich somit an verschiedenen Stellen des Kunde-Produkt-Interaktionsprozesses ein. In der Awarenessphase wird vorrangig das Wissen über die Existenz des Produktes sowie ein erstes Verständnis für das Produkt vermittelt. Detailliertes Anwendungswissen wird dann für die eigentliche Anwendung des Produktes im engeren Sinne (Anwendungsphase und Phase der Kundenbetreuung) aber auch für den Erwerbsprozess (Verhandlungs- und Abwicklungsphase) benötigt. Die Wissensszene gliedert sich somit in jede Szene ein, in der die explizite Vermittlung von Wissen benötigt wird. Dabei kann das Wissen generell vor oder im Zuge des Bedarfsfalles und somit vor oder innerhalb der jeweiligen Szene vermittelt werden. *** Problem: Um ein Produkt zu verstehen, erwerben und richtig anwenden zu können, muss beim Kunden in der Regel – neues – Wissen aufgebaut werden. Idealerweise orientiert sich das Produkt bei der Gestaltung der Interaktionsprozesse mit dem Kunden an dessen zu erwartendem Wissensstand und erfordert somit möglichst wenig zusätzlichen Lernaufwand. Dennoch lässt sich die explizite Wissensvermittlung insbesondere bei innovativen Produkten und Erwerbsprozessen häufig nicht gänzlich vermeiden. Der Lernaufwand sollte dabei durch gezielte und effiziente Lernmethoden möglichst gering gehalten werden. *** Beispiel: Auktionen stellen einen Dienst zum effizienten Abgleich von Angebot und Nachfrage dar, der prinzipiell bekannt, jedoch insbesondere im Endkundenbereich noch wenig verbreitet ist. Durch die Abbildung der Prozesse auf einer technischen Plattform ergeben sich weitere Besonderheiten, mit denen der Kunde per se nicht vertraut ist und die ihm somit erläutert werden müssen. Das Online-Auktionshaus eBay.com bietet daher ein umfangreiches Angebot an wissensvermittelnden Diensten an. Sie umfassen FAQs, Demos, Informationen der Community, etc. Eingegliedert sind sie sowohl in eine allgemeine Hilfesektion als auch in die Anwendungsszenen selbst. Innerhalb der Anwendungsszenen finden sich spezielle Hinweise über verschiedene Möglichkeiten zur Klärung der im Zuge der jeweiligen Szene häufig auftretenden Probleme (s. Abbildung E 2-32). 264 Entwicklung der Patternsprache Abbildung E 2-32: Beispiel Wissensübermittlung im Zuge der Anwendung der Auktion (linke Seite) und in einer separaten Sektion (rechte Seite) bei eBay.com, Zugriff 21.10.2001. Auch Dell.Com bietet auf seiner Web Site eine ausführliche Hilfesektion an. Dell ist dabei bemüht, durch die direkte Einbeziehung der Kunden seine Dienste zur Wissensvermittlung kontinuierlich zu verbessern und an die Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Dazu werden die Kunden auf jeder Seite innerhalb der Support-Sektion zur Beurteilung der verwendeten Hilfedokumente aufgefordert (s. Abbildung E 2-33). Der Prozess bedarf beim Kunden lediglich der Selektion einer von drei Beurteilungskategorien „hilfreich“, „nicht hilfreich“ oder „unzureichend“ und induziert somit keinen grossen Zusatzaufwand. Eine bessere Integration des Feedbackprozesses in die Szene würde die Wahrscheinlichkeit jedoch erhöhen, dass der Kunde tatsächlich von dieser Feedbackmöglichkeit Gebrauch macht. So könnte er direkt nach der Präsentation der jeweiligen Hilfeangebote beim Übergang zu weiterführenden Fragen oder zurück zur Ausgangsszene um eine kurze Stellungnahme gebeten werden. Design Patterns für digitale Produkte 265 Abbildung E 2-33: Beispiel Integration einer Feedbackschleife zur Verbesserung des Hilfeangebots bei dell.com, Zugriff 21.10.2001. *** Lösung: Stelle dem Kunden verschiedene Dienste zur Verfügung, die ihm im Bedarfsfall die Aneignung von Wissen erleichtern. Die Ausgestaltung der Wissensszene hängt von der zugrundegelegten Methodik ab und wird in den konkreten Szenepatterns erläutert. Für alle diese Patterns stimmt jedoch die Eingliederung in den Kontext weitestgehend überein. Wie oben beschrieben, finden sich die Informationen entweder in einer separaten Hilfesektion, oder aber sie gliedern sich direkt in die Situationen ein, in denen der Bedarf nach Wissensvermittlung auftritt. Damit diese Szenen jedoch diejenigen Anwender nicht stören, die mit der jeweiligen Szene vertraut sind, sollten sich die Hinweise auf das Wissensangebot am Rande der Szene in einer extra gekennzeichneten Sektion befinden (s. Pattern Sovereign Posture in Tidwells (1999) Common Ground). Durch die Integration einer Feedback-Schleife in den Prozess der Wissensvermittlung kann das Angebot kontinuierlich verbessert und an die aktuellen Bedürfnisse der Kunden angepasst werden. Die Wissensvermittlung spielt eine entscheidende Rolle im Zuge der Betreuung des Kunden. Die Ausgestaltung dieser Szene mit Hilfe der Theatermetapher wird daher im Pattern Support im Detail beschrieben. *** 266 Entwicklung der Patternsprache Wissensvermittler ? Abbildung E 2-34: Diagramm Wissen abstrakt *** Rational: Der Erwerb und die Anwendung eines Produktes benötigen (insbesondere bei neuartigen Produkten und Erwerbsprozessen) die Aneignung von Konsumwissen. Interaktive Produkte und Wirtschaftsräume bieten zwar weitreichende Möglichkeiten für die Gestaltung intuitiv nutzbarer Schnittstellen, dennoch erfordern insbesondere neuartige Produkte (und Erwerbsprozesse) die explizite Übermittlung neuen Wissens. Die Gestaltung dieser Szene ist dabei auf die Optimierung des Kundenwertes und somit auf die Steigerung der Qualität und die Reduzierung der Kosten auszurichten.197 Um den Komfort der Anwendungsszene zu steigern, ist die Wissensvermittlung bei rein digitalen Produkten direkt in die jeweilige Anwendungsszene zu integrieren und dem Kunden genau dann das benötigte Wissen zu vermitteln, wenn er es braucht. Die Qualität der Szene richtet sich weiterhin nach dem Erfolg der Wissensvermittlung, die Kosten nach dem induzierten Aufwand. Kunden unterscheiden sich dabei in bezug auf ihren Wissenstand und somit ihren Bedarf nach expliziter Wissensvermittlung sowie auch nach der gewünschten und effektivsten Art der Wissensvermittlung. Der interpersonelle Dialog mit Spezialisten ermöglicht es, direkt auf die Bedürfnisse des Einzelnen eingehen zu können (Expertengespräch). Diese Lösung kann sich jedoch für beide Parteien recht aufwendig und zeitintensiv gestalten. Die Automatisierung des Hilfeangebots, d.h. dessen Abbildung in Software ermöglicht dem Kunden dagegen den Bezug des Wissensangebotes, wann immer er dies benötigt und gegebenenfalls auch zum wiederholten Male. Die Automatisierung erfordert eine vorgelagerte systematische Aufbereitung des zu vermittelnden Wissens und zuvor die eigentliche Abschätzung des Wissensbedarfs bei den (potentiellen) Kunden. Diese Abschätzung kann durch eine Integration der Anwender-Community erleichtert werden. Fragen, die im Zuge der Anwendung wiederholt an die Support-Abteilung gestellt wurden, können gesammelt und in strukturierter Form der Anwender-Community wieder zur Verfügung gestellt werden (FAQ). Insbesondere unerfahrende Anwender können jedoch Schwierigkeiten haben, Probleme in Form von konkreten Fragen zu formulieren. Hier eignet sich daher die Vorführung des Produktes in Form einer Online-Demonstration, die den Hilfesuchenden in die zentralen Wissensinhalte einführt (Online-Demo). 197 Die Wissensszene trägt dabei zum Kontextwert des Produktes bei (s. Abschnitt C 1.4). Design Patterns für digitale Produkte 267 Weiterhin kann die Community der Anwender auch direkt in die Wissensvermittlung einbezogen werden (Hilfe-Community). Ein Hilfesuchender kann sich dann gezielt an die Community wenden. Im Gegensatz zu Spezialisten können sich die Community-Mitglieder häufig besser in die Problemsituationen anderer Mitglieder hineindenken und auftretende Fragen in einer Sprache beantworten, die das Gegenüber dann auch versteht (s. Homophilie-Eigenschaft in Abschnitt C 2.2.2.2). Das Feedback der Anwender des Hilfeservices ist zu nutzen, um die Qualität des Hilfeangebots kontinuierlich zu verbessern und an die Bedürfnisse des Kunden anzupassen. Dieser Prozess darf jedoch keinen grossen Aufwand verursachen und muss sich möglichst natürlich in den Hilfeprozess eingliedern. Ansonsten belastet er die Kunden und wird infolgedessen auch nicht akzeptiert. Ein einfaches Ratingschema, das nach (erfolgreicher) Wissensvermittlung schnell auszufüllen ist, wird diesen Anforderungen gerecht. *** Verwandte Patterns: Wie bereits bei der Einordnung in den Kontext ausgeführt, werden die Szenen der Wissensvermittlung entweder vor oder im Zuge eines konkreten Bedarfsfalles betreten. In jedem Fall sollte es möglich sein, das neu erlernte Wissen sofort in der konkreten Problemsituation anwenden zu können. Die Wissensszenen sollten daher direkt zur jeweiligen Ausgangsszene zurückführen.. E 2.4.2 FAQ Kontext: s. Wissen abstrakt *** Problem: Der potentielle Kunde möchte möglichst gezielt und ohne grossen Zeitaufwand Lösungen für seine aufkommenden Fragen erhalten. Oftmals treten im Zuge des Kennenlernens eines Services oder dessen Anwendung immer wieder die selben Fragestellungen auf. *** Beispiel: Das Online-Auktionshaus eBay.com stellt seinen Kunden in seiner Hilfesektion aber auch auf den jeweiligen Anwendungsseiten Listen der zentralen Fragen mit den zugehörigen Antworten zur Verfügung, die im Zuge der Anwendung bei den Kunden immer wieder auftreten. Diese werden auch abkürzend als FAQ (Frequently Asked Questions) bezeichnet. Innerhalb der Hilfesektion erfolgt die generelle Einteilung der Fragen zunächst gemäss den Zielgruppen: (1) den neuen Kunden, die zunächst ein generelles Verständnis für den Dienst gewinnen möchten, (2) den Anbietern (Sellers) und (3) den Nachfragern (Buyers) versteigerter Güter.198 Die einzelnen Listen sind wiederum in verschiedenen Sublisten unterteilt, die Fragen zu bestimmten Themenstellungen erläutern. Beispielsweise findet sich in der 198 Weitere Listen exisiteren für andere Phasen, in denen Information benötigt wird: der Verwaltung der persönlichen Konten (Anwendung und Kundenbetreuung), Information über die Sicherheitsmassnahmen (Entscheidung) und die Abrechungskonditionen (Abwicklung). 268 Entwicklung der Patternsprache „Basics“-Sektion für Anfänger eine Unterteilung in die Kategorien „Registration“, „Personal Information“, „Selling“, „Finding Items“ und „Bidding“ (s. Abbildung E 2-35). Jede der Sektionen ist mit den anderen Sektionen direkt verlinkt. Weiterhin gelangt man von der FAQ-Liste auch zu weiteren Aufbereitungsarten der Wissensinhalte, wie z.B. OnlineDemos und persönlichen Expertengesprächen. Die FAQ-Listen umfassen lediglich die Fragestellungen und sind dann mit der ausführlichen Darlegung der jeweiligen Antwort verlinkt. Diese Lösungsbeschreibungen enthalten gegebenenfalls weitere Links auf abgeleitete Fragestellungen. Weiterhin werden dem Kunden auch direkt innerhalb der Anwendungsszenen Lösungen auf die in dieser Szene regelmässig auftretende Fragestellungen angeboten. Diese FAQs stellen somit eine szenenspezifische Projektion auf die Gesamtheit der Fragestellungen dar. Abbildung E 2-35: Beispiel FAQs bei eBay.com, Zugriff 21.10.2001. Auch bei amazon.com findet sich, ebenfalls in der „Help“-Sektion, eine Liste mit FAQs. Diese Fragen sind wiederum zu verschiedenen Themenkomplexen zusammengefasst, zu denen jeweils eine eigene Sektion mit den entsprechenden FAQs existiert. Neben dieser Auflistung findet der Hilfesuchende weiterhin eine kontinuierlich aktualisierte Liste der insgesamt am häufigsten gestellten Kundenfragen. Diese erleichtert ihm den raschen Zugriff und die schnelle Klärung zentraler Fragestellungen. Durch Aktivierung der Links auf die FAQs erhält man eine ausführliche Erläuterung der entsprechenden Lösungen. Wie bei eBay.com, so finden sich auch hier u. U. Links auf weiterführende Fragestellungen. *** Lösung: Präsentiere den potentiellen Kunden eine Liste mit häufig auftretenden Fragen. Zur Erhöhung der Übersichtlichkeit, fasse diese Fragen zu inhaltlichen Komplexen zusammen. Design Patterns für digitale Produkte 269 O-Design: Diese Szene umfasst zwei Akteure, den Kunden, der sich Wissen über das Produkt aneignen möchte, und das Produkt in der Rolle des Wissensvermittlers. Das Produkt hat die Aufgabe, den Kunden dabei zu unterstützen, zielgerichtete und verständliche Antworten auf seine aufkommenden Fragen zu erhalten. I-Design: Die Interaktionsbeziehung beruht prinzipiell auf einem einfachen „Frage- und Antwort“ Prozess. Der Kunde wählt dabei innerhalb der aufgelisteten Themenkomplexe die Frage aus, die seiner aktuellen Problemsituation am besten entspricht. Beim Auffinden der passenden Frage unterstützt ihn der Wissensvermittler durch die Vorstrukturierung und Gruppierung der Fragen. Die Beantwortung der aktuellen Fragestellung kann weitere Fragen aufwerfen, die dann wiederum über die Aktivierung eines entsprechenden Links beantwortet werden. Nach erfolgreicher Klärung des Problems kann der Kunde sich entweder weitere Fragen beantworten lassen, oder aber sein Wissen nach dem Rücksprung in die Ausgangsszene direkt einsetzen. Führen die dargestellten Informationen nicht zur gewünschten Erkenntnis resp. Wissenszunahme, so kann der Kunde zu alternativen Lehrmethoden überwechseln. Dabei bietet es sich in dieser Szene an, dem Fragesteller die Möglichkeit zu geben, sich mit seiner Frage direkt an die Supportabteilung zu wenden (Übergang Expertengespräch). L-Design: Diese Phase stellt besondere Anforderungen an das logische Design bezüglich der Gestaltung der Inhalte. So muss die Strukturierung der Fragenkomplexe mit dem Verständnis des Kunden übereinstimmen, d.h. er muss sein Problem direkt in einen der Fragenkomplexe einordnen können. Gleiches gilt für die Formulierung der Fragen und insbesondere deren Antworten. Sie müssen sich an dem zu erwarteten Wissensstand des Kunden orientierten und dabei eine Sprache verwenden, die für den Kunden leicht verständlich ist. Bei der Erklärung der Abläufe erhöht die Verwendung bildliche Darstellungsformen, z.B. in Form von entsprechend kommentierten Screenshots, die Verständlichkeit der zu übermittelnden Lehrinhalte. Die Anforderung nach einer verständlichen Darstellung der Wissensinhalte kann weiterhin durch die direkte Einbeziehung der Anwender-Community einfacher gewährleistet werden. Bei der Strukturierung und Anordnung der FAQ-Liste sowie vor allem bei der Auswahl der Fragen sollte daher auf die Erfahrungen mit den Anwendern des Services zurückgegriffen werden. Durch eine Beobachtung und soweit möglich automatische Protokollierung der Kunden und deren Probleme können die regelmässig auftretenden Fragen der KundenCommunity identifiziert werden. K-Design: Wie soeben erläutert, stellt diese Szene vor allem Anforderungen an das Logische Design bzgl. der dargebotenen Inhalte und deren Strukturierung. Im K-Design entspricht diese Strukturierung einer Hierarchie von Webseiten, die den verschiedenen Themenclustern und Unterclustern zugeordnet sind (s. Pattern Hierarchical Set und Optional Detail on Demand in Tidwells (1999) Common Ground). Die Webseiten sind dann weiterhin gemäss den Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Fragen miteinander zu vernetzen. Besondere Anforderungen an die Funktionalität der Kanäle entstehen im Zuge der Aufbereitung der Community-Information. Durch die Protokollierung und Aufbereitung des Be- 270 Entwicklung der Patternsprache nutzerverhaltens und insbesondere deren auftretender Probleme können die tatsächlich relevanten Fragestellungen extrahiert werden. Dabei liefern vor allem die Expertengespräche zwischen dem Kundenservice und den Kunden diesbezüglich wertvolle Hinweise. In wie weit diese Aufbereitung der Daten automatisiert werden kann, hängt von der Strukturierung und Formalisierung der Kommunikationsbeziehungen ab. *** Rational: Ein Informationssuchender möchte möglichst schnell gezielte Antworten auf aufkommende Fragen erhalten. Dabei treten bei Anwendern regelmässig die gleichen Fragen auf. Eine sehr effiziente Art und Weise, diese Fragen zu beantworten, ist es daher eine Liste mit den immer wiederkehrenden Fragestellungen und den entsprechenden Antworten zusammenzustellen und den Kunden zur Verfügung zu stellen. Bei der Darstellung der Lösungen müssen die beim Kunden vorhandenen kognitiven Schemata und Skripten beachtet werden. Basieren die FAQs auf der Grundlage des beobachteten Frageverhaltens der bestehenden Kunden, so erleichtert die Homophilie innerhalb der Kunden-Community die Wahl der tatsächlich relevanten Fragestellungen sowie die soeben geforderte Formulierung der Antworten auf eine Art und Weise, die von den Kunden einfach verstanden wird. Wie im Pattern Wissen abstrakt geschildert wurde, unterstützt eine iterative Verbesserung und Erneuerung der FAQs auf der Grundlage des Kundenfeedbacks die Aufrechterhaltung von deren Qualität und Nützlichkeit. *** Informations- Wissensvermittler suchender • ... • ... • ... Abbildung E 2-36: Diagramm FAQ199 *** Verwandte Patterns: s. abstraktes Wissenspattern 199 Integration der Community in die Ableitung der häufig gestelltenFragen. Design Patterns für digitale Produkte 271 In dieser Szene ist vor allem ein direkter Übergang zu der Wissensvermittlung durch Expertengespräche sinnvoll. Sie ermöglicht es Kunden, die innerhalb der vorformulierten Fragenkomplexe keine auf ihre Problemstellung passende Fragestellung gefunden haben, sich mit einer frei formulierten Frage direkt an einen Spezialisten zu wenden. E 2.4.3 Demo Kontext: s. Wissen abstrakt *** Problem: Zur Anwendung des Services benötigt der Kunde Konsumwissen. Insbesondere bei neuartigen Problemlösungen sind Anwender oder potentielle Kunden nur bedingt in der Lage, das Produkt und v.a. dessen Anwendung durch das Stellen gezielter Fragen kennenzulernen. *** Beispiel: Bei der Jobfair24.de handelt es sich um ein sehr neuartiges Produkt. Um den Kunden einen ersten Eindruck von der gebotenen Funktionalität, den Möglichkeiten und dem Umgang mit dem System zu geben, bietet Jobfair24.de den Kunden eine Online-Demonstration des Services an. Die Demonstration bedarf eines Zusatzprogramms, das jedoch ohne Verlassen der Site geladen und installiert werden kann. Der Hinweis auf die Online-Demonstration findet sich in der Informationssektion des Services. Abbildung E 2-37 Beispiel für eine Online-Demo in Form von „WebRides“ bei eBay.com, Zugriff 21.10.2001. Auch bei eBay.com handelt es sich um eine zumindest für den Endkunden neuartige Dienstleistung, deren Bedeutung und Anwendung dem Benutzer zunächst erklärt werden muss. Für eine schnelle Vermittlung des grundsätzlichen Anwendungswissens stellt eBay.com interessierten Kunden sogenannte „narrated tours“ zur Verfügung (s. Abbildung E 2-37). Dabei 272 Entwicklung der Patternsprache werden die zentralen Anwendungsprozesse des Services („How to register“, „How to Buy“, „How to Sell“, etc.) in Form eines aufgezeichneten und kommentierten Durchgangs durch die entsprechenden Kunde-Produkt-Interaktionen erläutert. Erklärt wird sowohl der Erwerb des Produktes, der hier lediglich die Registrierung des Benutzers umfasst („How to regiter“), als auch die eigentliche Anwendung der Produktes. Die Nutzung der „narrated tours“ verlangt vom Nutzer nicht die Installation einer zusätzlichen Software. Innerhalb der Web Site von eBay.com findet sich dieses Lehrangebot innerhalb der Hilfesektion des Services. *** Lösung: Stelle dem Kunden die zentralen Prozesse beim Umgang mit dem Service in Form einer Online-Demonstration vor. Das eigentliche Szenario ist auch hier wieder relativ einfach, da die Interaktion zwischen Kunde und Produkt in der Rolle des Wissensvermittlers relativ beschränkt ist. O-Design: Diese Szene besteht wiederum aus Kunden in der Rolle des Informationssuchenden und dem Produkt in der Rolle des Wissensvermittlers. Hier möchte der Kunde auf möglichst einfache Art und Weise einen Einblick in die Anwendung des Produktes (sowie in dessen Erwerbsprozess) erhalten. Er spielt dabei die weitgehend passive Rolle des Konsumenten der dargebotenen Wissensinhalte. I-Design: Wie bereits erwähnt, erfordert dieser Prozess sehr wenig Interaktion zwischen Kunde und Produkt. Der Prozess beginnt damit, dass der Kunde die Online-Demonstration startet.200 Nach dieser Initiierung der Demonstration kann der Kunde den abgespielten Ablauf verfolgen. Die Möglichkeiten zum Eingreifen in das Lehrangebot sind dabei beschränkt: der Kunde kann die Darbietung unterbrechen, beenden oder innerhalb der Darbietung voroder zurückspringen. Die dargestellten Inhalte sowie die Reihenfolge deren Präsentation sind jedoch fest vorgegeben. L-Design: Die Demonstration der Anwendung soll dem Kunden das schnelle Verständnis der Services ermöglichen. Auch hier muss auf dem logischen Raum des Kunden aufgesetzt werden. Da der Kunde keine Möglichkeit zur direkten Nachfrage hat, müssen mögliche Unklarheiten zuvor abgeschätzt und im Zuge der Demonstration erklärt werden. Das einfache Verständnis der Bedienungselemente wird durch die Anwendung bekannter Metaphern, wie der des Tonbandgerätes, gewährleistet.201 Zusätzliche Informationen zur Vermeidung einer falschen Anwendung, wie der Hinweis darauf, dass die Lautstärke der 200 Unter Umständen ist hier ein weiterer Schritt vorgelagert, in dem der Kunde eine Spezialsoftware herunterladen und installieren muss, die für die Durchführung der Demonstration benötigt wird. Dieser Zwischenschritt erzeugt jedoch Mehraufwand und weitere Unannehmlichkeiten beim Kunden und sollte daher, wenn möglich, vermieden werden. 201 Weiterhin kann auch durch ein intuitives K-Design, inbesondere durch den Einsatz „sprechender“ Bezeichner der Bedienelemente, die leichte Verständlichkeit der Schnittstelle gewährleistet werden (s. Patterns Short Description und Disabled Irrelevant Things in Tidwells Common Ground (Tidwell 1999)). Design Patterns für digitale Produkte 273 Lautsprecher nach oben geregelt werden muss, um die Demonstration hören zu können, sind zu ergänzen. K-Design: Bei der technischen Umsetzung der Demonstration muss darauf geachtet werden, dass diese durch die beim Kunden standardmässig zu erwartende technische Ausstattung unterstützt wird und somit nicht die Installation zusätzliche Software erfordert. Ein gutes Beispiel ist die in eBay.com verwendete Technologie der Web-Rides. Sie gestattet das Abspielen zuvor aufgezeichneter und sowohl graphisch als auch vokal kommentierter Durchgänge durch eine Web Site. *** Informationssuchender Wissensvermittler Abbildung E 2-38: Diagramm Demo *** Rational: Dieses Pattern setzt das Prinzip des Nachahmungslernens um. Die Darstellung der Abläufe gestattet es dem Kunden, diese in sein Prozesswissen mit aufzunehmen. Dies ist umso einfacher möglich, je besser das neue Wissen mit dem bestehenden Wissen, d.h. seinen kognitiven Schemata und Skripten, in Einklang steht bzw. darauf aufbauen kann. Die Erläuterung der einzelnen Schritte kann das Verständnis und die Merkfähigkeit des Kunden weiter erhöhen (s. Abschnitte C 2.2.1.5 und C 2.2.2.2). Der Kundenwert beruht dabei auf dem hohen Automationsgrad und der dadurch ermöglichten flexiblen Nutzung des Wissensangebots. Die vermittelten Inhalte und die Art und Weise der Vermittlung sind jedoch starr vorgegeben. Eine individuelle Anpassung an die Bedürfnisse der Informationssuchenden ist daher nur bedingt möglich. *** Verwandte Patterns: s. abstraktes Wissenspattern Dieses Pattern subsumiert die Inhalte des Patterns Demonstration in Tidwells (1999) Common Ground. E 2.4.4 Expertengespräch Kontext: s. abstraktes Wissenspattern *** Problem: Zur Anwendung des Services benötigt der Kunde Konsumwissen. Die Anzahl möglicher Fragestellungen ist prinzipiell unbeschränkt. Sie können somit nicht alle in vorgefertigten FAQs für den Einzelnen zufriedenstellend beantwortet werden. Weiterhin ist es 274 Entwicklung der Patternsprache häufig für den Informationssuchenden schwierig, eine Frage so zu formulieren, dass diese direkt beantwortet werden kann. Wissensaufbau erfordert daher häufig einen Dialog, in dessen Verlauf das Problem analysiert und dann gelöst wird. Interaktive Kommunikationsformen mit menschlichen Agenten bieten weiterhin die Möglichkeit, individuell auf die Erklärungsbedürfnisse des Einzelnen einzugehen. Spezialisten der verschiedenen Gebiete können dabei gezielte Antworten auf die auftretenden Fragen geben. *** Beispiel: Neben zahlreichen weiteren Angeboten zur Wissensvermittlung bietet eBay.com einen Service an, in dem Spezialisten verschiedener Fachgebiete kostenfrei telefonisch befragt werden können. Auf jeder Seite innerhalb der FAQ Sektion findet der Kunde weiterhin die Möglichkeit, sich mit individuellen Fragen direkt an Vertreter des Kundenservices zu wenden. Im Zuge dieses Prozesses wird der Kunde gebeten, seine Frage gemäss dem Kategorisierungsschema der FAQ-Sektion thematisch einzuordnen. Aufgrund dieser Angaben wird dann überprüft, ob bereits eine Antwort auf diese Frage in der FAQ-Datenbank gespeichert ist. Ist dies nicht der Fall, so wird die Anfrage an den Kundenservice weitergeleitet. Die thematische Einordnung erleichtert die gezielte Weiterleitung der Anfrage an die entsprechenden Spezialisten. Sie induziert jedoch auch einen höheren Aufwand beim Informationssuchenden. Durch eine kurze Erläuterung der Vorteile im Sinne einer schnelleren Beantwortung der Anfrage wird dem Kunden dieser Zusatzaufwand erklärt und um sein Verständnis gebeten (s. Abbildung E 2-39, rechte Seite). Abbildung E 2-39: Beispiel: Expertengespräch telefonische oder via E-Mail bei eBay.com, Zugriff 21.10.2001. Auch amazon.com bietet eine Möglichkeit, sich mit Fragen direkt an den Kundenservice zu wenden. Dabei wird auch hier eine Vorselektion nach relevanten Themengebieten vorgenommen. Die Kommunikation erfolgt dann via e-Mail-Kommunikation. *** Design Patterns für digitale Produkte 275 Lösung: Biete den Informationssuchenden einen interaktiven Beratungsdienst durch Spezialisten an. O-Design: An dieser Szene nehmen wiederum der Anwender oder der potentielle Kunde in der Rolle des Informationssuchenden sowie das Produkt in der Rolle des Wissensvermittlers teil. Der Kunde ist auch hier an einer möglichst effizienten Wissensvermittlung interessiert. I-Design: Diese Szene wird durch eine Anfrage des Kunden initiiert. Um eine gezielte Beantwortung des Kundenproblems zu gewährleisten, wird der Kunde um die Einschränkung resp. thematische Einordnung der Anfrage gebeten. Dabei sollte der Aufwand durch das Vorschlagen möglicher Themengebiete möglicht gering gehalten werden. Durch eine kurze Erläuterung der Vorteile einer solchen Einordnung kann das Verständnis für den induzierten Mehraufwand geschaffen werden. Der Kunde muss jedoch auch stets die Möglichkeit haben, ohne vorherige thematische Einordnung eine Frage an den Wissensvermittler stellen zu können. Je nach Kommunikationsmöglichkeit, d.h. E-Mail-Austausch, (Internet) Telephonie, Chat etc. werden im Anschluss Botschaften zwischen den beiden Gesprächspartnern im asynchronen oder synchronen Modus ausgetauscht, bis die Frage zur Zufriedenheit des Informationssuchenden geklärt ist. Dieser Prozess folgt keinen fest vorgegebenen Regeln. Es ist hierbei jedoch die Aufgabe des Wissensvermittlers, die Wissenslücke durch die Anwendung gezielter Problemlösungsstrategien möglichst effizient zu schliessen. L-Design: Für den Erfolg der Wissensvermittlung ist es essentiell, dass Kunde und Anbieter die gleiche Sprache sprechen und der Wissensvermittler auf dem Wissensstand des Kunden aufsetzt. Ein natürlichsprachlicher Austausch, insbesondere im synchronen Modus fördert hier eine rasche Abstimmung der Interaktionspartner. Bei einer Vorstrukturierung der Frageinhalte muss darauf geachtet werden, dass der Informationssuchende aufgrund seines Wissensstandes diese Einordnung einfach leisten kann. Dies erreicht man durch eine Orientierung an den Anwendungsszenen oder / und der jeweiligen Rollen innerhalb der Szenen und somit an den Problemsituationen aus Sicht des Informationssuchenden. K-Design: Die Realisierung dieser Szene beruht auf der Anwendung von Kommunikationstools. Diese reichen von e-Mail, Chats bis zur (Internet-) Telefonie. Um beim Kunden keinen weiteren Aufwand zu induzieren, sollte diese Szene nicht die Installation weitere Spezialsoftware erfordern, sondern als Applets oder Servelets realisiert werden.202 Lässt sich dies nicht vermeiden, so ist die Installation in die Szenengestaltung direkt zu integrieren. *** 202 S. (Coad & Mayfield 1999) und (Hall 2000). 276 Entwicklung der Patternsprache Informationssuchender Wissensvermittler Abbildung E 2-40: Diagramm Expertengespräch *** Rational: Interpersonelle Kommunikation erleichtert die zielgerichtete und auf den Wissensstand des einzelnen Kunden abgestimmte Beseitigung von Wissenslücken. Unklarheiten können somit gezielt ausgeräumt werden. Das Spezialwissen der menschlichen Wissensvermittler ermöglicht dabei die schnelle Klärung auch komplexerer Kundenprobleme. Im Gegensatz zu den automatisierten Wissensvermittlungsangeboten sind Expertengespräche jedoch mit mehr Aufwand für beide Beteiligte verbunden. *** Verwandte Patterns: s. Wissen abstrakt E 2.4.5 Hilfe-Community Kontext: s. Wissen abstrakt *** Problem: Zur Anwendung des Services benötigt der Kunde Konsumwissen. Wie bereits bei der Darstellung des Patterns Expertengespräch erläutert, ist die interpersonelle Kommunikation flexibler und kann die Besonderheiten des Informationssuchenden besser berücksichtigen. Spezialisten sind zwar mit dem Produkt sehr gut vertraut, sprechen jedoch häufig eine andere Sprache als der Kunde selbst und können sich z.T. nur bedingt in die Problemsituation des Kunden hineindenken. Für bereits gewonnene Kunden ist die Diskrepanz der logischen Räume jedoch geringer (Homophilie-Eigenschaft). Die meisten Problemsituationen wurden bereits von anderen Kunden erlebt und gelöst. In den Köpfen der Anwender ist somit eine Menge praktischen Problemlösungswissens verborgen. *** Beispiel: Das Zielpublikum von eBay.com besteht vorrangig aus Privatpersonen, die Freude am Ver- und Ersteigern von Gütern haben. Für viele Anwender stellt der Service nicht nur eine bequeme Art des Austauschs von Gütern dar, sondern wird gewissermassen zur Passion und zum Hobby. Sie beschäftigen sich sehr intensiv mit dem Service und sind in ihrer Begeisterung häufig auch bereit, ihr Wissen mit andern zu teilen. eBay.com stellt den Anwendern einen digitalen Begegnungsraum zur Verfügung, in dem sie sich gegenseitig Hilfestellung leisten können (s. Abbildung E 2-41). Häufige Anwender können dort insbesondere neuen Mitgliedern wichtige Hinweise zur Nutzung des Services geben und diese vor allen Dingen auch in einer Sprache beantworten, die für den Fragesteller leicht verständlich ist. Design Patterns für digitale Produkte 277 Abbildung E 2-41: Beispiel für eine Hilfe-Community bei eBay.com, Zugriff 20.10.2001. eBay.com strukturiert den Interaktionsraum der „Hilfe-Community“ nach verschiedenen Themenbereichen, wie „Auction Listing“, „Bidding“, etc., in verschiedene sogenannte „Community Help Boards“. Jeder registrierte Kunde kann sich an den dortigen Diskussionen beteiligen oder neue Diskussionsstränge zu einer bestimmten Themenstellung eröffnen. Ein Informationssuchender mit einem bestimmten Problem betritt nach Auswahl des passenden Themengebietes den Chatraum des entsprechenden „Help Boards“. Mit Hilfe einer Suchfunktion kann er feststellen, ob es bereits eine Diskussionsrunde gibt, die sich mit diesem Thema gerade beschäftigt oder bereits beschäftigt hat. Ist dies der Fall, kann er diese Diskussionsrunde betreten. Findet er hier keinen entsprechenden Eintrag, so kann er eine Anfrage an die Teilnehmer dieser Gruppe richten. Besteht überhaupt noch keine Diskussionsrunde zu diesem Thema, so kann der Benutzer einen neuen Diskussionsstrang starten. An der Diskussion nehmen neben den Teilnehmern z.T. auch Mitarbeiter von eBay.com selbst teil, um bestimmte Fragestellungen zu beantworten. Deren Beiträge sind mit einem bestimmten „Tag“ gekennzeichnet, der ihre Zugehörigkeit zum eBay.com Team signalisiert. Da es sich bei diesen Community Boards um einen neuartigen Service handelt, bietet eBay.com ein kurzes Tutorial an, um neuen Teilnehmern den Einstieg zu erleichtern. Dies besteht aus einem Textdokument, in dem die wesentlichen Funktionalitäten des Dienstes erklärt sind. Auch dell.com bietet innerhalb seiner Support-Sektion Kunden die Möglichkeit, sich über gemeinsame Problemsituationen auszutauschen. Auch an diesen Diskussionsrunden nehmen Spezialisten und Kundenbetreuer von dell.com teil. Dieses Beispiel wird in Abschnitt E 2.7.4 noch näher erläutert. *** 278 Entwicklung der Patternsprache Lösung: Nutze die Community der User als interaktiven Wissensvermittler. Die Szenerie der Online Community wird innerhalb des zugehörigen Patterns der Kundenbetreuung noch eingehend erläutert (s. Abschnitt E 2.7.4). Die folgende Problemlösungsbeschreibung fokussiert auf die Rolle der Community als Wissensvermittler. O-Design: Die Akteure der Patterns sind der Informationssuchende und die restlichen Mitglieder der Community sowie evtl. weitere Vertreter des Produktes in der Rolle des Spezialisten. Dabei hat der Kunde das Recht, sich im Rahmen der festgelegten Regeln (s. I-Design) mit seinen Fragen an andere Community-Mitglieder zu richten. Diese sind jedoch nicht dazu verpflichtet, sich an einem Diskussionsforum zu beteiligen resp. auf dort aufgeworfene Fragen zu antworten. Die Vertreter des Produktes haben das Interesse, die Informationssuchenden möglichst gut bei der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen. I-Design: In einem ersten Schritt sucht der Informationssuchende somit nach der passenden Diskussionsgruppe. Eine geeignete Strukturierung erleichtert den Informationssuchenden das Auffinden geeigneter Beiträge und den zur Hilfestellung bereiten Anwendern das Auffinden von Problemen, zu deren Lösung sie einen Beitrag leisten können. Der Informationssuchende überprüft dann, mit Hilfe einer zur Verfügung gestellten Hilfefunktion, ob sein Problem bereits innerhalb der passenden Diskussionsgruppe diskutiert wird oder sogar bereits gelöst wurde. Gegebenenfalls sendet er eine Anfrage an die entsprechende Diskussionsrunde. Andernfalls kann er eine eigene Diskussionsrunde zu seiner Problemstellung eröffnen und damit die anderen Community-Mitglieder zur Unterstützung auffordern. Der Verlauf der dadurch induzierten Diskussion wird in der Regel durch die Teilnehmer selbst bestimmt. Zum Schutze der Community-Mitglieder werden oftmals bestimmte Verhaltensregeln aufgestellt; deren Einhaltung obliegt jedoch weitestgehend den Community-Mitgliedern selbst. Sie können nur bedingt informationstechnisch durchgesetzt werden. Auf organisatorischer Ebene kann die Überwachung der Regeln gegebenenfalls durch einen Moderator kontrolliert werden. Da es sich bei diesem Community Service für einige Teilnehmer um einen neuartigen Informationsservice handelt, sind die grundsätzlichen Funktionalitäten in einer integrierten Hilfesektion kurz zu erklären. L-Design: Die Diskussion innerhalb der Community erfolgt interaktiv in natürlicher Sprache. Dies eröffnet die Möglichkeit, Missverständnisse durch Nachfragen zu klären und im Gespräch direkt auf den Wissensstand des Gegenübers einzugehen. Mit steigender Homophilie unter den Anwendern erhöht sich dabei die Effizienz der Kommunikation. Um sich innerhalb der Community-Plattform zurechtzufinden, muss die Kategorisierung der Diskussionsräume auf dem zu erwartenden logischen Raum der Teilnehmer aufbauen. Die Interaktionsmöglichkeiten selbst können bei den meisten Teilnehmern aufgrund der weiten Verbreitung von Community-Diensten als bekannt vorausgesetzt werden. Ein geeignetes K-Design kann die Lesbarkeit der Schnittstelle weiter erhöhen (s.u.). Dennoch sollte neuen Kunden durch ein entsprechendes Wissensangebot der Aufbau des benötigten An- Design Patterns für digitale Produkte 279 wendungswissens erleichtert werden. Dieses Wissen umfasst dabei sowohl die Anwendung der Kommunikationsdienste als auch im Besonderen die zugrundegelegten Verhaltensregeln. K-Design: Die Umsetzung der Szene beruht auf dem Einsatz gängiger Kommunikationswerkzeuge, insbesondere der sogenannten „Chattools“ und Diskussionslisten. Durch die Verwendung bekannter Symbole und klingender Bezeichner für die Bedienungselemente ist den Anwendern die Nutzung dieser Dienste zu erleichtern (s. Patterns Short Description und Disabled Irrelevant Things in Tidwells (1999) Common Ground). Wie bereits erwähnt, unterliegt die Einhaltung der Community-Regeln der Verantwortung der Mitglieder selbst oder ist Aufgabe eines Moderators. Durch geeignete Filterfunktionen kann dies jedoch auch informationstechnisch unterstützt werden. *** Hilfe-Community Informationssuchender Abbildung E 2-42: Diagramm Hilfe-Community *** Rational: Viele Probleme eines (neuen) Anwenders wurden von einem anderen Anwender bereits gestellt und gelöst. Das diesbezügliche Wissen ist jedoch in den Köpfen eben dieser Mitglieder verborgen. In einer organisierten Hilfe-Community kann dieses Wissen anderen zur Verfügung gestellt werden und durch den Austausch mit anderen darüber hinaus auch weiter ausgebaut werden. Die interpersonelle Kommunikation fördert die flexible Beantwortung der Fragen und erleichtert die Berücksichtigung der individuellen Problemsituation und vor allem des individuellen Wissensstandes. Im Gegensatz zu den Spezialisten können sich Anwender zumeist besser in die Problemsituation eines anderen Anwenders hineindenken und die Lösung in einer verständlicheren Sprache ausdrücken Neben diesen Vorzügen des Einsatzes als Wissensvermittler, bringt die Anwender-Community gegenüber alternativen Möglichkeiten jedoch auch gewisse Nachteile mit sich. Spezialisten verfügen häufig über ein breiteres und fundierteres Wissen über Möglichkeiten und Defizite des Systems und können insbesondere bei Spezialproblemen bessere Lösungen präsentieren. Weiterhin ist der mit dieser Art der Wissensvermittlung verbundene Zeitaufwand für alle Beteiligten höher. Insbesondere bei Standardproblemen sind daher FAQs vorzuziehen. Schliesslich ist die Wissensvermittlung durch die Community auf die aktive Mitarbeit und das Engagement der Anwender angewiesen. Diese sind vor allem dann gegeben, wenn 280 Entwicklung der Patternsprache sich die Mitglieder mit der Community (und dem Produkt) zu einem gewissen Grade identifizieren (s. Pattern Community). Um die fachlichen Defizite sowie das Problem der mangelnden Motivation der CommunityMitglieder zu lindern, nehmen an den Diskussionsgruppen auch Vertreter des Service-Anbieters selbst teil. *** Verwandte Patterns: s. Wissen abstrakt. Da es sich bei Online Communities für einige Anwender ebenfalls um einen neuartigen Informationsdienst handelt, müssen Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, sich das benötigte Anwendungswissen schnell anzueignen. Hier eignen sich einfache Möglichkeiten in Form von FAQs oder kurzen textuellen Beschreibungen. In diese Szene integrieren sich somit die entsprechenden Wissensszenen (z.B. FAQ). E 2.5 Verhandlung In diesem Abschnitt werden die Patterns zur Gestaltung der Verhandlungsphase dargelegt. Wie in den vorangegangenen Abschnitten, so werden auch für diese Szene die generelle Einordnung in den Kontext der anderen Szenen des Theaterstückes, die generelle Problemstellung, allgemeine Gestaltungshinweise sowie die zu beachtenden theoretischen Grundlagen mit deren Zusammenhang zu den konkreten Szenen dieser Phase in einem abstrakten Pattern erfasst. Die konkreten Szenen werden dann in den Verfeinerungen dieses abstrakten Patterns erfasst. Abbildung E 2-43 stellt die Patterns dieser Szene sowie die zentralen Abhängigkeiten in einer Übersichtsgraphik dar. Wissen Automatischer Abgleich Beratungsgespräch Verhandlung Auktion Abwicklung Checkout Anwendung Registration Abbildung E 2-43: Übersicht Verhandlungspatterns E 2.5.1 Verhandlung abstrakt Kontext: Der Kunde hat nach Beendigung der Entscheidungsphase oder bereits in einer spontanen Reaktion nach Beendigung der Awareness- oder Überzeugungsphase die Absicht entwickelt, die Problemlösung in Form eines Produktes erwerben zu wollen. In dieser Szene muss er nun festlegen, in welcher Konfiguration, von wem und zu welchen Konditionen er das Produkt beziehen möchte und diese dann vertraglich festhalten. Design Patterns für digitale Produkte 281 Je nach Gestaltung der vorangegangenen Szenen wird sich der Kunde nach dem Übergang von der vorangegangenen Szene zu dieser Verhandlungsszene bereits in einem vom Produkt gestalteten Interaktionsraum befinden. Die Wahl des Anbieters ist in diesem Falle bereits erfolgt. Generell kann der Kunde nach Ausbildung der Kaufabsicht jedoch auch die Dienste eines unabhängigen Intermediärs in Anspruch nehmen, der verschiedene Produkte miteinander vergleicht. Das Produkt tritt hier lediglich als eines unter vielen auf und muss darauf achten, sich durch eine geeignete Selbstdarstellung von den anderen Produkten abzuheben. *** Problem: Nach der generellen Entscheidung für das Produkt, resp. die dadurch repräsentierte Problemlösung, muss der Kunde beim Erwerbsprozess möglichst gut unterstützt werden. *** Lösung: Generell besteht diese Szene aus drei – häufig überlappenden – Subszenen: (1) die generelle Auswahl und Konfiguration des Produktes nach den Bedürfnissen des Kunden, (2) die Aushandlung der Konditionen und (3) die Ausarbeitung eines Vertrages. Bei Schritt eins kann man wiederum zwei Gestaltungsalternativen unterscheiden: (1) die Auswahl zwischen einer Vielzahl unterschiedlicher Produkte, aus denen der Kunde das am besten auf seine Problemsituation passende Produkt nach einer Kosten-Nutzen (Risiken) Abschätzungen auswählen kann oder (2) die Konfiguration des Produktes nach den individuellen Bedürfnissen des Kunden. Die drei Subszenen sind je nach der konkreten Situation unterschiedlich stark ausgeprägt und gehen mehr oder weniger direkt ineinander über. So bilden die Konditionen, insbesondere der Preis, oftmals ein zentrales Kriterium bei der Auswahl oder Konfiguration des Produktes. Nach der erfolgten Bestimmung des Produktes finden zudem häufig keine weiteren Verhandlungen mehr statt. Die Vertragsfestlegung umfasst stattdessen lediglich die Ergänzung der genauen Zahlungs- und Lieferbedingungen. O-Design: Beteiligte an dieser Szene sind wiederum der Kunde und das Produkt, sowie zu Beginn der Szene evtl. weitere Produkte, die das Bedürfnis des Kunden befriedigen können und somit mit dem hier interessierenden Produkt in Konkurrenz stehen. An der Verhandlung können weiterhin je nach Verhandlungsmechanismus auch mehrere Kunden, d.h. mehrere Parteien auf der Nachfragerseite teilnehmen. Als weitere Rolle insbesondere in der ersten Phase dieser Szene kann ein Intermediär auftreten, der den Kunden bei seiner Auswahl resp. bei der Konfiguration des Produktes berät. Die Rolle des Intermediärs kann dabei von einem menschlichen oder einem künstlichen Berater eingenommen werden.203 Hat der 203 In einer vollständig digitalen Ökonomie kann natürlich auch die Rolle des Käufers von einem digitalen Agenten eingenommen werden. Diese Systeme aus künstlichen Agenten sind jedoch noch Gegenstand intensiver Forschungsarbeiten und finden noch kaum Einsatz in der Wirtschaftspraxis (vgl. u.a. (Kephart & Greenwald 2000)). 282 Entwicklung der Patternsprache Kunde sich bereits für ein Produkt entschieden und muss das Produkt lediglich konfigurieren, so wird diese Beratungsrolle vom Produkt selbst übernommen. Der Kunde hat das Interesse, auf möglichst effiziente Art und Weise das nach seinen Beurteilungskriterien möglichst optimal Produkt zu identifizieren und zu erwerben, und der Intermediär, oder auch das Produkt ihn dabei möglichst gut zu unterstützen. I-Design: Der Interaktionsprozess besteht generell aus einer Folge von Kommunikationsakten, in denen der Kunde seine Vorstellung von der gewünschten Problemlösung sukzessive konkretisiert und der Intermediär (/ das Produkt) diese Beschreibung auf ein entsprechendes konkretes und gegebenenfalls angepasstes Produkt abzubilden versucht. Der Intermediär kann den „Kunden“ mehr oder weniger durch diesen Prozess hindurchführen oder auch nur durch Vorschläge unterstützen. Im Zuge oder im Anschluss an diese Produktbestimmung werden die finanziellen und rechtlichen Konditionen des Leistungsaustausches ausgehandelt und im Folgeschritt vertraglich festgehalten. Die Verhandlungs-Subszene unterscheidet sich je nach dem zugrundegelegten Mechanismus in der Art und dem Grad der Formalisierung der Abläufe. Um für den Kunden die Bequemlichkeit dieser Szene zu erhöhen, sollten gleichbleibende Informationen über den Kunden (mit Einverständnis des Kunden) gesammelt und bei nachfolgenden Wiedereintritten in die Verhandlungsphase wiederverwendet werden. Dies betrifft neben den Angaben über Liefer- und Zahlungsbedingungen auch Eigenschaften und Präferenzen des Kunden. Sie können vor allem im Zuge der ersten Subszene der Produktauswahl eingesetzt werden. L-Design: Diese Szene stellt besondere Anforderungen an das logische Design bzgl. der Beschreibung des gewünschten Produktes innerhalb der ersten Subszene. Um dem Kunden die Spezifikation des gewünschten Produktes zu erleichtern, muss die Sprache und somit die Sicht des Kunden auf das Produkt als Problemlösung, und nicht die Sprache und Sichtweise der Produktion die Kommunikationsgrundlage für diese Szene bilden. Die aus diesem Blickwinkel geeignete Beschreibung hängt jedoch sehr stark vom Produktwissen des Kunden ab. Spezialisten sind in der Lage, Kennzahlen und Eigenschaften des Produktes direkt mit dessen Eignung zur Lösung des eigenen Problems in Verbindung zu setzen. Sie bewerten ein Produkt häufig direkt unter Verwendung dieser Eigenschaften. Laien beurteilen ein Produkt jedoch eher nach dessen Eignung für die Lösung ihres Problems. In dieser Szene muss sich die verwendete Sprache somit an die Denk- und Beurteilungsschemata der Kunden anpassen.204 Die Aushandlung und der Vertragsabschluss folgen fest vorgegebenen Regeln, die den beteiligten Parteien bekannt sein müssen. Je nach Formalisierungsgrad können diese auch di- 204 Da diese sich von Kunde zu Kunde unterscheiden können, sollte nicht nur das Produkt selbst, son- dern auch die Produktdarstellung in dieser Szene auf den logischen Raum des Kunden angepasst werden. Design Patterns für digitale Produkte 283 rekt durch die Plattform durchgesetzt werden. Dennoch muss das Verständnis und die Transparenz der Interaktionsprozesse gegeben sein, um beim Kunden das Gefühl der Unsicherheit zu vermeiden, das ansonsten leicht zum Abbruch der Transaktion führen kann. K-Design: Je nach Automatisierungsgrad dieser Szene, d.h. je nachdem, ob es sich beim Intermediär resp. dem Vertreter des Produktes um einen künstlichen oder einen menschlichen Agenten handelt, stellt diese Szene unterschiedliche Anforderungen an das K-Design. Bei einem menschlichen Agenten müssen die technischen Kanäle vorrangig eine effiziente Kommunikation zwischen Kunde und Intermediär / Produkt ermöglichen. Durch eine geeignete Strukturierung des Kommunikationsraumes und durch weiterführende technische Dienste, die neben der reinen Kommunikation ebenfalls den Austausch und die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten (im Sinne des Application Sharings) gestatten, kann diese Phase weiter unterstützt werden. Dabei muss jedoch in dieser Szene ein Zusatzaufwand durch die Installation einer speziellen Zugangssoftware vermieden werden. Bei gesteigertem Automationsgrad ist die Beratungslogik im System abzubilden. Dies umfasst ein Modell der Produkt- resp. Problembeschreibung aus Sicht des Kunden, dessen Mapping auf die Produktbeschreibung aus Sicht des Herstellers resp. der Produktion sowie ein Modell der möglichen Verhandlungsregeln und vertraglichen Bestimmungen. Informationen, die der Kunde im Zuge des Interaktionsprozesses bereitstellt, sollten – in Absprache mit dem Kunden – in einem elektronischen Kundenprofil gespeichert werden, um im Zuge zukünftiger Verhandlungsszenen wiederverwendet werden zu können. Idealerweise wird der gesamte Prozess durch einen elektronischen Vertrag und eine zugehörige Infrastruktur unterstützt. Der elektronische Vertrag dient als Bindeglied zwischen den Parteien und begleitet den gesamten Verhandlungsprozess bis zur Abwicklung des Vertrages. Durch eine geeignete Formalisierung der Vertragsbedingungen kann die vertragsgemässe Abwicklung kontrolliert oder sogar automatisch durchgesetzt werden. Die Infrastruktur umfasst verschiedene Dienste, die von der Authentifizierung der Parteien über die Validierung bis zur Schlichtung im Streitfall reichen. Derartige Konzepte sind jedoch noch Gegenstand der Forschung. *** Intermediär •Zahlungsbedingungen •Lieferbedingungen Abbildung E 2-44: Diagramm Verhandlung abstrakt *** 284 Entwicklung der Patternsprache Rational: Wie bereits bei der Problemlösung erläutert, umfasst diese Szene die drei Phasen der Auswahl und Konfiguration des Produktes (Automatischer Abgleich, Beratungsgespräch), (2) der Aushandlung der Konditionen (Auktion) und (3) der Ausarbeitung eines Vertrags (Checkout, Registration). Bei der Gestaltung dieser Szene müssen sowohl die Eigenschaften und besonderen Möglichkeiten digitaler Produkte und Interaktionsräume als auch die Verhaltenscharakteristika der Kunden berücksichtigt werden. Der Massstab für die Gestaltung dieser Szene ist wiederum der Kundenwert. Er setzt sich wie in Abschnitt C 1.4.2 erläutert aus dem Wert des Produktes und dem Wert des Kontextes zusammen. Bezüglich des Produktes muss der Kunde in dieser Szene dabei unterstützt werden, ein nach seinen Kriterien möglichst optimales Produkt zu erhalten. Diese Anforderung wirkt sich vor allem auf die Gestaltung der ersten Subszene aus. Der Intermediär muss den Kunden hier bei der Identifikation des geeigneten Produktes resp. der Konfiguration des Produktes nach seinen individuellen Wünschen unterstützen. Um dies zu erreichen und gleichzeitig den Aufwand für den Kunden möglichst gering zu halten, muss das Produkt in der Sprache (der Problemlösung) des Kunden ausgedrückt werden und sich in seine kognitiven Schemata und Denkstrukturen einpassen (s. Abschnitte C 2.2.1.5.2 und C 2.2.2.3). Die Anpassung des Produktes an die speziellen Bedürfnisse des Kunden im Sinne einer Individualisierung erhöht weiterhin den vom Kunden – empfundenen – Wert des Produktes (s. Abschnitt C 1.3.3.1). Er besitzt nun kein Massenprodukt mehr, sondern ein Unikat. Schliesslich kann der Wert des Produktes auch durch Zusatzleistungen, wie (kostenlose) Versicherungen, oder Möglichkeiten zur Ratenzahlung, erhöht werden (s. Abschnitt C 1.4.2). Der Wert des Kontextes beruht auf der Bequemlichkeit und ebenfalls auf möglichst geringen Kosten.205 Die Kosten der ersten Subszene beziehen sich dabei vor allem auf den damit verbundenen Zeitaufwand und die verbleibende Unsicherheit bei der Produktauswahl resp. der Konfiguration. Der Zeitaufwand kann durch einen hohen Automatisierungsgrad reduziert werden. Er gestattet zudem einen flexiblen und von Öffnungszeiten unabhängigen Auswahlprozess (Automatischer Abgleich). Die Unsicherheit beruht auf zwei Faktoren: (1) die Unsicherheit über die Übereinstimmung des Produktes mit dem eigenen Bedürfnis und (2) die Unsicherheit über die Auswahl des besten Angebots aus der Vielzahl der angebotenen Produkte. Dem ersten Faktor kann durch eine geeignete Produktbeschreibung in der Sprache des Kunden begegnet werden. Eine direkte Gegenüberstellung verschiedener Produktalternativen verringert den zweiten Unsicherheitsfaktor. Beide Unsicherheitsfaktoren können jedoch auch durch den Einsatz eines menschlichen Beraters limitiert werden (Beratungsgespräch). Er kann direkter und flexibler auf die Bedürfnisse 205 Weiterhin kann durch die optimale Gestaltung dieser Szenen auch deren Erlebniswert erhöht wer- den. Design Patterns für digitale Produkte 285 des Kunden eingehen. Der Einsatz menschlicher Berater induziert jedoch auf der anderen Seite höhere Kosten und einen generell höheren Zeitaufwand (s. Abschnitt C 1.3.3.3). Der (Kontext-)Wert der eigentlichen Verhandlungsphase beruht primär auf der Effizienz sowie auf Zufriedenheit des Kunden mit dem Verhandlungsergebnis. Auktionen stellen dabei einen besonders effizienten Mechanismus zur dynamischen Preisbildung dar (OnlineAuktion) (Klein 1997: 3). Er eignet sich vor allem für seltene oder neuartige Produkte, für die es schwierig ist einen Preis im vorhinein festzulegen (Ströbel 2000: 42). Teilnehmer vor allem im privaten Endkundenbereich empfinden die Teilnahme an Online-Auktionen weiterhin häufig als Erlebnis. Durch ihren Erlebniswert steigern Auktionen zudem die Qualität des Produktkontextes. Die Kosten der Szene beruhen auf dem zeitlichen Aufwand sowie auf den finanziellen Risiken. Ein hoher Automationsgrad sowie die Implementation entsprechender Risikominderungsstrategien tragen somit zur Reduktion dieser Kosten bei. Im Zuge des Vertragsabschlusses (Checkout, Registration) beruhen die Kosten wiederum vorrangig auf dem wahrgenommenen Risiko (s. Abschnitt C 2.2.1.3). Mit dem Vertragsabschluss werden Verpflichtungen und Rechte festgeschrieben. Diese Szene induziert somit insbesondere finanzielle Risiken. Durch transparente Prozesse sowie durch Hinweise auf die unternommenen Massnahmen zur Minderung des Risikos kann das wahrgenommene Risiko reduziert werden. Die Qualität des Kontextes basiert in dieser Subszene auf der Bequemlichkeit des Vertragsabschlusses. Sie kann durch die Fähigkeit digitaler Produkte zur Speicherung von Informationen erhöht werden (s. Abschnitt C 1.3.1.6). Einmal eingegebene Daten können dann bei einem Wiederkauf direkt übernommen werden und müssen somit vom Kunden nicht erneut eingegeben werden. *** Verwandte Patterns: Im Erfolgsfall endet diese Phase mit dem Abschluss eines Vertrages und mündet somit direkt in die Abwicklungsphase ein. Wie im Abschnitt „Rational“ erläutert, induzieren die für die Individualisierung des Produktes und der Beratungsdienstleistungen notwendigen Angaben beim Kunden ein Gefühl der Unsicherheit bzgl. des Schutzes seiner privaten Informationen. Es kann u.a. durch die glaubwürdige Kommunikation der dieses Risiko minimierenden Massnahmen reduziert werden. Hier findet somit gegebenenfalls ein „Rücksprung“ in die Entscheidungsphase statt. Dabei muss gewährleistet werden, dass der Kunde bei diesem Zwischenschritt den Kontext innerhalb der Verhandlungsszene nicht verliert und nach Abschluss der Entscheidungsphase wieder in die Verhandlungsszene zurückgeleitet wird. E 2.5.2 Automatisierter Bedürfnis-Produkt-Abgleich Kontext: s. abstraktes Verhandlungspattern Dieses Pattern bezieht sich auf die erste Subszene der Verhandlungsphase, in der das Bedürfnis des Kunden mit den passenden Produkten abgeglichen wird. *** 286 Entwicklung der Patternsprache Problem: Der Kunde wünscht ein Produkt, das seine individuellen Probleme möglichst gut löst, d.h. seinen Bedürfnissen und Wünschen möglicht gut nachkommt. Der Aufwand für die Suche nach dem Produkt resp. für die Anpassung eines Produktes an seine individuellen Bedürfnisse sollte dabei möglichst gering sein. Insbesondere möchte der Kunde die Bequemlichkeiten und Vorteile des virtuellen Wirtschaftsraumes, in dem er seine wirtschaftlichen Aktivitäten aufgrund eines hohen Automatisierungsgrades unabhängig von Zeit und Raum tätigen kann, optimal nutzen. *** Beispiel: Diese Szene wird anhand der beiden Beispiele, amazon.de und dell.com erläutert. amazon.de stellt seinen Kunden verschiedene Möglichkeiten zur Spezifikation ihrer Kundenwünsche zur Verfügung, die sich zu verschiedenen Graden direkt an der Produktbeschreibung oder am davon abstrahierenden Bedürfnis des Kunden orientieren: 1. Die Suchfunktionen von amazon.de ermöglichen es dem Kunden, sein „Problem“ direkt in der Sprache des Produktes, d.h. mit den Standardattributen, die zur Beschreibung eines Buches verwendet werden, wie Autor, Titel, etc. zu spezifizieren (s. Abbildung E 2-45 linke Seite). Die passenden Produkte werden in einer Liste dargestellt. Zur Bewahrung der Übersichtlichkeit werden dort lediglich der Titel, der Autor, der Preis und gegebenenfalls die durchschnittliche Leserbewertung angezeigt. Ausführlichere Informationen sind über einen Link auf die entsprechende Produktseite zugänglich. Von jedem Produkt aus kann er dann zu weiteren Produkten verzweigen, die bezüglich verschiedener Kriterien, wie dem Autor, dem Themenbereich, aber auch den an diesem Buch interessierten anderen Lesern, dem ausgewählten Buch ähnlich sind. Alternativ kann er auch die Suchanfrage selbst anpassen oder erweitern. Weiterhin hat der Kunde die Möglichkeit, entlang eines hierarchischen Kategorienbaumes durch den Produktraum zu navigieren und das gewünschte Produkt auf diese Weise zu finden. 2. Der Kunde kann aber auch mit einer bestimmten Problemsituation in die Verhandlung mit amazon.de starten, die noch von der konkreten Problemlösung z.B. in Form eines Buches abstrahiert. Das Problem eines Kunden ist beispielweise der anstehende Geburtstag eines Bekannten. Der Kunde sucht nach einer Geschenkidee. Diese spezielle Problemsituation unterstützt amazon.de durch eine eigene Sektion „Geschenkartikel“. In dieser angelangt, wird der Kunde gebeten, sein Problem weiter zu spezifizieren, in dem er z.B. den Anlass des Geschenkes definiert. Dabei hat er die Auswahl aus einer fest vorgegebenen Liste von Alternativen. Durch eine Aktivierung des entsprechenden Links erhält er eine Liste mit möglichen Geschenken, die für diesen Anlass geeignet erscheinen, sortiert nach den Verkaufszahlen innerhalb der Anwender-Community (s. Abbildung E 2-45 rechte Seite). Design Patterns für digitale Produkte 287 Abbildung E 2-45: Beispiel Bedürfnis-Produkt Abgleich bei amazon.com, Zugriff 15.10.2001. Nach dem Finden geeigneter Produkte kann der Kunde direkt in die anschliessende Subszene der Verhandlung und des Vertragsabschlusses überwechseln.206 Er kann das ausgewählte Produkt jedoch auch in einen „Einkaufkorb“ legen und die Suche zunächst fortsetzen. Die Firma Dell (www.dell.com) gibt ihren Kunden die Möglichkeit, den von ihnen gewünschten Computer nach ihren eigenen Angaben zusammenzustellen (s. Abbildung E 2-46). Der Kunde beschreibt dabei die von ihm gewünschte Problemlösung mit Hilfe zentraler technischer Kenngrössen, wie dem Prozessortyp, der Prozessorgeschwindigkeit und dem Arbeits- und Hauptspeicher. Daneben kann er auch das einzuhaltende obere Preislimit angegeben. Um dem Kunden die Belegung der Attributwerte zu erleichtern, erhält er jeweils eine Auswahl möglicher Attributbelegungen, aus denen er den passenden Wert lediglich auszuwählen braucht. Nach jeder neuen Eingabe eines Attributwertes, die in beliebiger Reihenfolge erfolgen kann, wird dabei die Anzahl der diesen Einschränkungen entsprechenden Produkte berechnet und angezeigt.207 Nach dem Abschluss der Spezifikation seines Bedürfnisses, kann sich der Kunde die Liste der sich qualifizierenden Produkte anzeigen lassen. Die Ergebnisse werden dabei durch ihren Namen, sowie die in der Anfrage spezifizierten Kenngrössen beschrieben. Der Kunde hat nun die Möglichkeit, (1) sich die Liste nach den verschiedenen Kenngrössen sortieren zu lassen, (2) sich nähere Informationen über eines der Produkte anzeigen zu lassen oder aber (3) sich ausgewählte Produkte in einer Liste gegen- 206 Hier ist dies konkret der Checkout Prozess. 207 Dabei wird der Kunde jedoch nicht von vornherein davon abgehalten, eine Angabe zu leisten, die in Kombination mit den bereits getätigten Angaben zu einer leeren Ergebnismenge führt. 288 Entwicklung der Patternsprache überstellen zu lassen. In diesen Produktvergleich werden neben den zentralen Kenngrössen weitere detaillierter Systemcharakteristika einbezogen Abbildung E 2-46: Produktkonfigurator bei dell.com, Zugriff 15.10.2001. Hat sich der Kunde für ein Produkt entschieden, kann er ausgehend von der dargestellten Grundkonstellation, die einzelnen Eigenschaften nach seinem Belieben anpassen. Auch hier werden ihm die möglichen Belegungswerte in einer Auswahlliste dargestellt. Bei einigen Attributen hat der Kunde die Möglichkeit, sich über einen Link weitere Informationen über deren Zusammenhang mit der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Produktes anzeigen zu lassen. Weiterhin werden die auftauchenden Fachtermini bei Bedarf in einem Glossar erläutert, so dass auch unerfahrenen Käufern die Auswahl und Konfiguration des Produktes erleichtert wird. Nach erfolgreichem Abschluss der Konfiguration steht dem Kunden auch hier ein „virtueller Einkaufskorb“ zur Verfügung, in dem er das spezifizierte Produkt zwischenspeichern kann, um den Auswahlprozess zunächst fortzusetzen. Der Konfigurator von Dell richtet sich primär an potentielle Käufer, die mit der Produktkategorie Computer bereits relativ gut vertraut sind. Die Erklärungen erleichtern jedoch auch weniger technikbegeisterten Kunden die Zusammenstellung des Produktes nach seinen Design Patterns für digitale Produkte 289 Wünschen. Dennoch orientiert sich Dell in dieser Szene weniger direkt am Kundenproblem, als an der konkreten Problemlösung in Form eines ihrer Produkte. *** Lösung: Stelle dem Kunden einen technischen Assistenten zur Verfügung, mit dessen Hilfe er eine Problemlösung gemäss seinen Bedürfnissen selbständig auswählen oder selbst zusammenstellen kann. Wie bereits in der Lösungsbeschreibung des Patterns Verhandlung abstrakt erläutert, beruht diese Anpassung entweder (1) auf der Auswahl des am besten passenden Produktes aus einer Menge alternativer Produkte, oder aber (2) aus der Zusammenstellung resp. Spezifikation eines Produktes, das nach diesen Angaben zunächst im Sinne des Mass Customization erstellt werden muss. Der Unterschied zwischen diesen beiden Alternativen wirkt sich vor allem auf die dahinterliegenden Produktionsprozesse aus, die den Kunden jedoch nicht weiter interessieren. Da die generelle Gestaltung der Szene in beiden Fällen grundsätzlich identisch ist, wird sie in einem, dem hier vorliegenden, Pattern beschrieben. O-Design: In dieser Szene identifiziert der interessierte Kunde seine Problemlösung mit der Unterstützung eines technischen Dienstes (eines künstlichen Agenten). Die Darsteller sind somit der Kunde sowie das Produkt resp. der Intermediär in Gestalt eines künstlichen Agenten, d.h. konkret eines Konfigurators oder eines Suchdienstes. Wir werden diese zweite Partei im weiteren unter dem Begriff des Intermediärs subsumieren. Es ist dabei die Aufgabe des Intermediärs, den Kunden zielgerichtet bei der möglichst effizienten Auswahl oder Zusammenstellung eines auf seine individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Produktes zu unterstützen. Diese Anforderung manifestiert sich insbesondere in der Gestaltung der im folgenden beschriebenen Prozessschritte. I-Design: Generell besteht die Interaktion zwischen Kunde und Produkt / Konfigurator aus einem Dialog, bei dem der Kunde durch sukzessive Angaben seine Vorstellungen immer weiter konkretisiert. Dabei können in jedem Schritt (1) bestimmte Einschränkungen hinzugefügt, (2) bestehende Einschränkungen geändert oder (3) nach ähnlichen Produkten gesucht werden, wobei die entsprechenden Ähnlichkeitskriterien vom Kunden beeinflusst werden können. Man kann hier generell zwischen zwei Arten von Interaktionsprozessen unterscheiden. Sie entsprechen weitestgehend den im Pattern Integration in die aktive Suche dargestellten Suchmöglichkeiten: • Die Stichwortsuche (frei oder attributiert) • Die Navigation durch den Produktraum, d.h. die sukzessive Einschränkung der Produkteigenschaften (im weitesten Sinne). Dabei können in jedem Schritt auch mehrere Angaben getätigt werden. Konfiguratoren sind der zweiten Suchmöglichkeit zuzuordnen. Dabei werden in einem Schritt häufig alle Angaben auf einmal getätigt. 290 Entwicklung der Patternsprache Gemäss dem Ziel, den Kunden mit möglichst wenig Aufwand zielgerichtet zur Spezifikation der gewünschten Problemlösung zu führen, werden die folgenden Anforderungen an den künstlichen Intermediär gestellt: 1. Eingabe: • Sind die möglichen Attributbelegungen beschränkt, so müssen die Werte bei der Eingabe auf ihre Richtigkeit und Plausibilität überprüft werden (s. Pattern Reality Check in Tidwells (1999) Common Ground). Idealerweise wird dem Kunden in diesem Fall die Eingabe durch die Darstellung der möglichen Werte in Form einer Auswahlliste erleichtert (s. Patterns Choice from a Small Set, Choice form a Large Set und good Defaults in Tidwells (1999) Common Ground). • Werden bestimmte Eingaben zwingend benötigt, so sind diese deutlich zu kennzeichnen. Ist die Notwendigkeit nicht offensichtlich, so sollte diese kurz erläutert werden. Dies ist insbesondere bei der Angabe von persönlichen Daten wichtig, die den Schutz privater Informationen gefährden (s. Pattern Required Field Markers in Perzel und Kanes (1999) Usability Patterns for Applications on the World Wide Web). • Bei unvollständigen oder fehlerhaften Eingaben ist der Kunde gezielt auf die betroffenen Einträge hinzuweisen. • Die Eingaben sollten möglichst selbsterklärend sein. Ist dies nicht möglich, müssen weitere Erläuterungen in Form optionaler Hilfetexte angeboten werden (s. Pattern Short Description in Tidwells (1999) Common Ground). • Von einer Eingabe abhängige Variablenbelegungen sollten nach erfolgter Eingabe der unabhängigen Variablen direkt abgeleitet werden, um den Aufwand des Kunden zu reduzieren. Um Überraschungen für den Kunden zu vermeiden, sollten diese automatisch ausgefüllten Angaben dem Kunden dennoch angezeigt und gegebenenfalls geändert werden können. 2. Ergebnisdarstellung. • Die Ergebnisliste sollte stets mindestens ein Ergebnis enthalten. Dies erreicht man entweder durch die frühzeitige Einschränkung und Überprüfung der Eingabewerte oder aber durch sogenannte Soft-Matching Mechanismen, die ebenfalls nach Ergebnissen suchen, die der Problembeschreibung zwar nicht direkt entsprechen aber dieser möglichst nahe kommen (Klose & Lechner 1999c) (s. auch Pattern Forgiving Text Entry in Tidwells (1999) Common Ground). • Bei einer grossen Anzahl von Ergebnissen sollten diese strukturiert dargestellt werden. Mehrere Strukturierungs- und Priorisierungsmöglichkeiten erleichtern dem Kunden den Vergleich verschiedener Alternativen gemäss unterschiedlichen Beurteilungskriterien. • Um es dem Kunden zu ermöglichen, sich schnell eine Übersicht über die Ergebnisse zu verschaffen, sollten zunächst lediglich die jeweiligen Schlüsselinformationen dargelegt werden und erst bei Bedarf die weiteren Details ergänzt Design Patterns für digitale Produkte 291 werden (s. Patterns Details on Demand und Hierarchical Set in Tidwells (1999) Common Ground). 3. Übergang zwischen den Iterationsschritten: • Das Ergebnis kann durch eine Modifikation der Anfrage resp. der geleisteten Angaben schrittweise weiter verfeinert werden. Dabei sollten dem Kunden durch eine Analyse der Ergebnismenge aber auch aufgrund seiner bekannten Präferenzen gezielte Einschränkungsmöglichkeiten offeriert werden. • Ausgehend von einer konkreten Ergebnismenge kann die Suche auch durch die Wahl eines ähnlichen Produktes fortgesetzt werden. Hierbei können verschiedene Ähnlichkeitsmasse zugrundegelegt werden: Beschreibungsmerkmale des Produktes oder idealerweise der Problemlösung aus der Sicht des Kunden, aber auch die Ähnlichkeit bezüglich der Einschätzung der Kunden-Community. Nach diesem Kriterium sind sich Produkte dann ähnlich, wenn sie von vielen Kunden gemeinsam gekauft werden. An den gesamten Prozess werden insbesondere bei einem stark durch den künstlichen Intermediär gesteuerten Prozess die Anforderungen gestellt, dass das Bedürfnis des Kunden durch eine möglichst geringe Anzahl von Eingaben spezifiziert werden kann. Daher sind zunächst die stark diskriminierenden Angaben abzufragen, die zu einer raschen Einschränkung des Möglichkeitsraumes führen. Um dem Kunden den Such- und Konfigurationsprozess bei Wiederkäufen zu erleichtern sind die vom konkreten Kaufakt unabhängigen Angaben, wie beim Kleidungskauf die Köpermasse, etc. zu speichern und bei Folgekäufen automatisch zu ergänzen. Um Unsicherheiten und das Gefühl der Bevormundung beim Kunden zu vermeiden, müssen diese automatisch zugefügten Angaben – bei Bedarf – angezeigt und auch vom Kunden geändert werden können. Eine gute Möglichkeit besteht somit darin, die gespeicherten Werte als DefaultWerte zu übernehmen, die jedoch lediglich Vorschlagscharakter haben. Die Sammlung von Informationen birgt eine potentielle Gefahr für den Schutz der gesammelten persönlichen Informationen. Dem Kunden müssen daher in dieser Szene Information über entsprechende Massnahmen beim Umgang mit persönlichen Daten auf Wunsch zur Verfügung gestellt werden. Hier findet somit ein Rücksprung zur Entscheidungsszene statt. Dabei darf durch diesen Zwischenschritt der Kontext innerhalb der Verhandlungsphase nicht verloren gehen. Diese Szene führt im Erfolgsfall direkt zur Verhandlung und zum Vertragsabschluss. Dennoch sollte es dem Kunden möglich sein, die Initiierung der Verhandlungs-Subszene auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, um die Subszene der Produktauswahl zunächst fortsetzen zu können. Dem Kunden wird daher in Form eines sogenannten Shopping Carts oder 292 Entwicklung der Patternsprache Einkaufswagens die Möglichkeit gegeben, die ausgewählten Produkte oder zusammengestellten Produktkonfigurationen zunächst zwischenzuspeichern.208 L-Design: Wie bereits im Pattern Verhandlung abstrakt erläutert, stellt diese Szene hohe Anforderungen an das logische Design in bezug auf die Produktbeschreibung. Sie muss sich am logischen Raum des potentiellen Kunden orientieren und das Produkt so beschreiben, dass es die Problemsituation resp. deren Lösung aus der Sicht des Kunden erfasst. Wie weit sich diese Sprache des Kunden von der Sprache des Herstellers oder der Produktion unterscheidet, hängt dabei vom Produktwissen des Kunden ab. K-Design: Diese Szene stellt hohe Anforderungen an das K-Design insbesondere bezüglich der „Intelligenz“ des künstlichen Beraters. Beim I-Design wurde gefordert, dass stets gewährleistet ist, dass die Eingaben des Kunden eine konsistente und in Form eines Produktes umsetzbare Problemlösung spezifizieren. Fehleingaben des Kunden müssen daher entweder durch eine Beschränkung der Eingabewerte von vornherein verhindert werden oder aber durch eine flexible Matching-Funktion aufgefangen werden, die dem Kunden Alternativkonfigurationen anbietet, die dessen Wünschen möglichst nahe kommen. Weiterhin wurde gefordert, dass Variabelenwerte, die sich aus den bereits erfolgten Eingaben des Kunden ableiten lassen, direkt berechnet werden, um so den Aufwand des Kunden sowie die Fehlerrate zu minimieren. Um all dies zu ermöglichen muss das System ein genaues internes Modell der Problemlösung enthalten, gegenüber dem die Angaben des Kunden abgeglichen werden können. Da die Sicht des Kunden auf die Problemstellung von der Sicht des Produktes selbst abweichen kann muss dieses interne Modell beide Sichten erfassen und zueinander in Verbindung setzen.209 Die Abbildungsfunktion zwischen den Bedürfnissen des Kunden, d.h. der Problemformulierung aus der Sicht der Kunden, und den Produkten selbst ist nicht immer direkt auf die offensichtlichen Produkteigenschaften zurückzuführen. Man denke z.B. an eine Kategorisierung von Büchern, nach deren Eignung als Geschenk für eine bestimmte Kundengruppe. Nach einer initialen Schätzung dieser Matchingfunktion kann diese jedoch durch die Sammlung und Aufbereitung der Kundeninformation iterativ verbessert und angepasst werden. Hier können verschiedene Datamining-Verfahren eingesetzt werden, welche die zugrundeliegenden Zusammenhänge in den Daten aufdecken und gegebenenfalls auf verschiedene messbare Attribute zurückzuführen gestatten. Diese Verfahren liefern umso bessere Ergebnisse, je mehr Daten zur Verfügung stehen. Weiterhin ermöglicht die Sammlung der Kundendaten und deren Aufbereitung die Entdeckung von Zusammenhängen zwischen Produkten, die nicht primär auf deren sichtbaren Eigenschaften, sondern auf dem gemeinsamen Interesse der Kunden an einem Produkt be208 Die langfristige Speicherung über das Ende dieser Interaktionssession hinweg erfordert dabei die Einrichtung eines Benutzerkontos mit einer festen ID. 209 Meier schlägt dazu, insbesondere bei eher technischen Produkten, den Einsatz von sogenannten Konfigurationsmatrizen vor (vgl. (Kunz et al. 1999) und (Meier & . 2001)). Design Patterns für digitale Produkte 293 ruhen. Sie können im Sinne des sogenannten Collaborative Filterings bei der Angabe von Alternativprodukten genutzt werden und dadurch den Suchprozess unterstützen (vgl. (Stohr & Viswanathan 1998)). Um die wiederholte Eingabe von Kundeninformationen zu vermeiden, muss für den einzelnen Kunden ein Profil resp. ein Kundenkonto angelegt werden. Dieses Konto kann prinzipiell auch beim Kunden selbst gespeichert und verwaltet werden. Die entsprechenden Angaben sind dann beim Betreten dieser Szene unter der Kontrolle des Kunden an den künstlichen Agenten zu übermitteln. Diese Konstellation verringert die Gefahr bzgl. des Schutzes der Privatsphäre. Allerdings stehen für eine derartige Benutzerrepräsentation noch kaum technische Möglichkeiten zur Verfügung (s. Abschnitt D 3.2.2). Die Schnittstellengestaltung selbst stellt die üblichen Anforderungen an die Lesbarkeit der Prozesse. Hier sei auf die Arbeiten der HCI Patternforschung verwiesen. Von Bedeutung für die Gestaltung dieser Szene sind die Umsetzung von Navigationsmöglichkeiten in Linkstrukturen sowie die übersichtliche Darstellung einer Vielzahl von Informationen (bei der Ergebnisdarstellung) (s. insbesondere die Patterns Navigable Spaces, High-Density Information Display, Hierarchical Set in Tidwells (1999) Common Ground). *** Abbildung E 2-47: Diagramm Automatischer Bedürfnis-Produkt Abgleich *** Rational: Die bei der Gestaltung dieser Phase zu beachtenden Punkte wurden bereits im Pattern Verhandlung abstrakt ausführlich erläutert. Im folgenden wird daher lediglich hervorgehoben, welche der dort genannten Aspekte in dieser konkreten Szene von besonderer Bedeutung sind. Um dem Kunden eine intuitive und leicht verständliche Zusammenstellung des Produktes zu ermöglichen, muss sich die Produktbeschreibung an der Sprache und am individuellen Problem des Kunden orientieren. Dadurch erhöht sich insbesondere die Bequemlichkeit, aber auch die Effizienz und somit der kontextspezifische Kundenwert dieser Szene. Durch die Individualisierung des Produktes erhöht sich jedoch auch der Wert des Produktes selbst. Der Wert des Kontextes kann weiterhin durch die Möglichkeiten der zugrundeliegenden IKT-Infrastruktur gesteigert werden: Der Aufwand und die Häufigkeit von Fehleingaben werden durch die Vorgabe von Belegungswerten, die Anwendung von Soft Matching Verfahren, die Ableitung abhängiger Wertebelegungen sowie die Speicherung und Wiederverwendung persönlicher Angaben reduziert und die Transparenz durch den direkten Ver- 294 Entwicklung der Patternsprache gleich der Ergebnisse erhöht. Durch die Aufbereitung der Community-Information können die internen Modelle der Problemlösung sukzessive verbessert werden. Die weitgehende Automatisierung dieser Szene gestattet die von festen „Öffnungszeiten“ unabhängige Teilnahme an dieser Szene und erhöht somit deren Komfort. Desweiteren wird erst dadurch die automatische Sammlung und Aufbereitung der Kundeninformationen und die darauf basierende sukzessive und ebenfalls weitestgehend automatisierte Verbesserung der Szenengestaltung ermöglicht. *** Verwandte Patterns: Wie bereits im Zuge des I-Designs erläutert wurde, leitet diese Subszene, gegebenenfalls über den Zwischenschritt eines „Einkaufswagens“, direkt zur eigentlichen Verhandlungs- und Vertragsabschluss-Subszene über. Diese besteht zumeist aus einem Checkout Prozess, der einen einfachen Verhandlungsprozess mit dem Vertragsabschluss in sich vereinigt (Checkout). Im Zuge dieser Szene werden in der Regel persönliche Daten gesammelt. Die dadurch induzierten Unsicherheiten müssen durch die Kommunikation der entsprechenden Risikominderungsmassnahmen verringert werden. Hier findet somit ein Übergang in die Entscheidungsphase statt (s. entsprechende Entscheidungspatterns), die jedoch direkt nach ihrem Abschluss wieder zur Ausgangsszene zurückführt. Dieses Pattern subsumiert weitestgehend die Inhalte der Patterns Advising in Rossi et al.’s (2000) Patterns for E-Commerce Applications, Set-based-navigation und shopping basket in Rossi et al.’s (1997) Pattern Systems for Hypermedia und Shopping Cart in van Dyne et al.’s (2000) The Design of Sites. E 2.5.3 Beratungsgespräch Kontext: s. abstraktes Verhandlungspattern *** Problem: Der Kunde wünscht ein Produkt, das möglicht gut auf seine individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Die Auswahl oder Zusammenstellung mit Hilfe eines künstlichen Intermediärs eignet sich nur bei einer relativ guten Strukturierung des Problems. Weiterhin können vor allem bei wertvollen, komplexen und insbesondere neuartigen Produkten, die Anonymität des künstlichen „Beratungsagenten“ und der hohe Grad an geforderter Selbstständigkeit Unsicherheiten und Unannehmlichkeiten beim Kunden hervorrufen. *** Beispiel: Eine Abhilfe für diese Situationen schaffen interpersonelle Beratungsgespräche. Sie bedürfen jedoch der technischen Ausstattung aller Beteiligten mit den notwendigen Kommunikationswerkzeugen. Da diese noch weniger verbreitet sind, ist auch der Einsatz von virtuellen Verkaufsgesprächen noch relativ beschränkt. Ein Beispiel für bereits weit fortgeschrittene interaktive „Beratungs-“Leistungen sind die interaktiven Gespräche zwischen Arbeitssuchenden und Unternehmen in der Rolle des po- Design Patterns für digitale Produkte 295 tentiellen Arbeitgebers in den virtuellen Messeräumen der Jobfair24.de. Hier wird Jobfair24.de somit nicht als Produkt, sondern als Unterstützungsdienst der Verhandlungsphase betrachtet. In dieser Funktion bietet sie Arbeitnehmern und Arbeitgebern in dreidimensionalen Messehallen die Möglichkeit zur ersten Kontaktaufnahme. Die Beteiligten werden in den jeweiligen Begegnungsräumen als dreidimensionale Avatare repräsentiert, mit deren Hilfe sie sich durch die Räume bewegen und mit anderen kommunizieren können. Die Gespräche zwischen Firmenvertretern und Jobsuchenden finden dann unter vier Augen in privaten Chaträumen statt. Die Durchführung dieser Gespräche unterliegt der Kontrolle der Beteiligten, d.h. des Unternehmensvertreters und des Arbeitssuchenden. Um eine sinnvolle und zielgerichtete Kommunikation zu ermöglichen müssen jedoch gewisse Gesprächskonventionen eingehalten werden. Jobfair24.de unterstützt hier in Bewerbungsgesprächen noch unerfahrene Arbeitssuchende durch die Bereitstellung von Informationsmaterial über die optimale Vorbereitung und Durchführung derartiger Gespräche. Mit aktuell über 2000 Teilnehmern an jedem Messetag, von denen 20% zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, ist die Jobfair24 zwar ein erfolgreiches aber dennoch eher ungewöhnliches Beispiel für virtuelle „Verkaufsgespräche“. Typischere Anwendungsfälle von Online-Beratungsgesprächen sind Versicherungs- und komplexe Bankleistungen. Wie Körner (2001) in einer umfangreichen Untersuchung feststellen konnte, haben viele Unternehmen dieser Branche auch tatsächlich die Absicht, OnlineBeratungsgesprächen in ihr Leistungsportfolio aufzunehmen. Dabei wurden auch bereits erste technische Lösungen für deren Umsetzung entwickelt (Scheer & Nüttgens 1999). Bisher beschränkt sich deren Einsatz jedoch auf die Online-Initiierung telefonischer Beratungsgespräche mit Hilfe sogenannte Call-me Buttons, durch die der Kunde online um den Rückruf eines Kundenberaters bitten kann. Ein bereits erfolgreiches Beispiel im Bankensektor ist die Flabstar Bank (www.flabstar.com). Sie unterstützt die Aufnahme von Hypothekendarlehen durch den Einsatz von Videokonferenzen zwischen den Kundenberatern und den Kunden. Dadurch konnten die Bearbeitungszeiten von durchschnittlich zwei bis drei Monaten auf unter eine Woche reduziert werden. (s. (Muther 1998: 69)). *** Lösung: Ermögliche interpersonelle Beratungsgespräche mit menschlichen Repräsentanten des Produktangebotes. O-Design: Diese Szene besteht wiederum aus dem Kunden und dieses Mal einem menschlichen Vertreter des Produktes. Er hat die Aufgabe, den Kunden bei der Auswahl resp. Konfiguration eines Produktes zu unterstützen, das seinen individuellen Anforderungen möglichst gut entspricht. I-Design: Im Gegensatz zur Kommunikation mit einem künstlichen Agenten unterliegt die interpersonelle Kommunikation per se keinen fest implementierten und automatisch durchsetzbaren Regeln. Um jedoch das Ziel der zielgerichteten Zusammenstellung eines auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnittenen Produktes erreichen zu können, müssen gewisse Konventionen eingehalten werden. Sie leiten sich in der Regel aus sozial etablierten Ge- 296 Entwicklung der Patternsprache sprächskonventionen ab. Die Führung des Gesprächs obliegt ansonsten weitestgehend dem Vertreter des Produktes. Prinzipiell gleicht das I-Design dieser Szene dem I-Design des Patterns automatischer Abgleich. Die wesentlichen Schritte sind auch hierbei die Aufnahme des Kundenproblems und der Abgleich mit passenden Problemlösungen. Auch die Anforderungen an die Prozessgestaltung stimmen mit den dort konstatierten Anforderungen überein. Allerdings liegt die Einhaltung dieser Anforderungen in der Verantwortung der menschlichen Agenten und insbesondere des Intermediärs. Die menschliche Interaktion ermöglicht dabei eine grössere Flexibilität der Prozessgestaltung, bei der direkt auf die Reaktionen des Kunden eingegangen werden kann. Allerdings hängt die Umsetzung dieser Vorteile vom Wissen des Vertreters über das Kundenbusiness sowie vom generellen Verständnis zwischen Kunde und Vertreter ab. L-Design: Auch in dieser Szene ist es essentiell, dass der Kunde sein Problem in seiner Sprache formulieren und spezifizieren kann. Der Vertreter hat die Möglichkeit aber auch die Verantwortung, mit dem Kunden in dessen Sprach- und Denkwelt zu sprechen. Voraussetzung dafür ist eine gute Kenntnis dieser Problemwelt und die Fähigkeit der Transformation dieser Denkwelt in die Produktwelt. Prinzipiell werden also bezüglich des L-Designs an den menschlichen Agenten die gleichen Anforderungen gestellt wie an sein künstliches Pendant im Pattern automatischer Abgleich. Die natürliche Sprache ist generell ein reicheres Ausdrucksmedium, sowohl was den Sprachschatz als auch was die Ausdrucksmöglichkeiten anbelangt. Potentielle Unklarheiten können durch einfaches Nachfragen rasch behoben werden. Visuelle Kommunikationswerkzeuge gestatten weiterhin die Ergänzung der rein sprachlichen Kommunikation um Gestik und Mimik. K-Design: Die Informationstechnologie muss die Möglichkeiten zur interpersonellen Kommunikation zur Verfügung stellen. Diese reichen von einfachen Lösungen wie E-Mail und Chat, zu Internettelephonie, virtuellen Kommunikationsräumen und Video-ConferencingLösungen. Dabei müssen alle Beteiligten über die benötigte Software und auch Hardware verfügen. Ausblick: Im Bereich des Wissensmanagements werden recht mächtige Werkzeuge zur Kommunikation und zum Wissensaustausch über vernetzte Systeme entwickelt. Ein aktuelles Beispiel ist das auf Peer-to-Peer Technologie basierende Wissensmanagementtool groove.210 Dieses System unterstützt sowohl die Chat-Kommunikation, den Austausch und die gemeinsame Verwaltung von Dokumenten, als auch die gemeinsame Nutzung von Applikationen (im Sinne des Application Sharings). Diese Möglichkeiten könnten in Zukunft auch für eine qualitativ hochwertige und hochgradig interaktive Beratung eingesetzt werden. 210 S. http://www.groove.com. Design Patterns für digitale Produkte 297 *** Abbildung E 2-48: Diagramm Beratungsgespräch *** Rational: Bei komplexen Problemen ist eine vollständige Formalisierung der Problembeschreibung aus Sicht des Kunden, der Abläufe sowie der Matchingfunktion zwischen Problembeschreibung und Angebotskonfiguration nicht oder nur sehr aufwendig möglich. Weiterhin vermittelt interpersonelle Kommunikation mit einem menschlichen Spezialisten ein gewisses Gefühl von Vertrauen und Sicherheit. Die interaktive Kommunikation gestattet zudem eine flexible Gestaltung dieser ersten Subszene, in der rasch auf die Besonderheiten des Gegenübers eingegangen werden kann. Bei komplexen und neuartigen Produkten bietet sich daher der Einsatz von Beratungsgesprächen mit menschlichen Vertretern an. Der Nachteil dieser Szenengestaltung im Vergleich zum automatischen Abgleich liegt im höheren Aufwand für alle Beteiligten und in der aufwendigeren, da verstärkt manuellen, Aufbereitung der Gespräche. *** Verwandte Patterns: s. automatischer Abgleich E 2.5.4 Auktion Kontext: s. Verhandlung abstrakt Gemäss den Ausführungen des abstrakten Verhandlungspatterns gliedert sich die Verhandlungsphase generell in die drei Phasen der Produktbestimmung, der Aushandlung der Konditionen und der Vertragsvereinbarung. Das vorliegende Pattern ordnet sich vorrangig in die zweite Phase dieses Gesamtprozesses ein. *** Problem: Der Preis eines Gutes sollte sich nach dessen Wert für potentielle Kunden richten. Dieser Wert ist jedoch insbesondere für Einzelstücke und neuartige Produkte schwierig im 298 Entwicklung der Patternsprache vorhinein festzulegen.211 Auktionen stellen nun aber einen sehr effizienten Mechanismus zur dynamischen Bestimmung des Gleichgewichtspreises dar (Klein 1997: 3). *** Beispiel: eBay.com stellt eine Plattform zur Verfügung, auf der Anbieter unterschiedlichster Produkte ihre Waren versteigern können. In dieser Szene wird eBay.com somit nicht primär als Produkt, sondern als Anbieter eines Dienstes zur Unterstützung der Verhandlungsphase von Geschäftstransaktionen betrachtet. Neben dem eigentlichen Auktionsmechanismus unterstützt eBay.com zunächst durch verschiedene Suchfunktionen (attributiert und Volltext) sowie durch ein hierarchisches Kategorisierungsschema das Auffinden eines geeigneten Produktes. Der Kunde hat dann die Möglichkeit, sich an der Auktion für das ausgewählte Produkt zu beteiligen: Innerhalb der Laufzeit der Auktion geben die Teilnehmer Gebote ab, die jedoch nur dann wirksam werden, wenn sie die bereits bestehenden Gebote übersteigen. Jeder Teilnehmer hat dabei die Möglichkeit, während der Laufzeit der Auktion wiederholt die anderen Teilnehmer zu überbieten. Den Zuschlag zum Erwerb des Produktes erhält derjenige, der zum Auktionsschluss das höchste Gebot abgegeben hat (s. Abbildung E 2-49). Um den Aufwand interessierter Käufers insbesondere angesichts der oftmals längeren Laufzeiten von Auktionen zu reduzieren, bietet eBay.com eine Reihe von Unterstützungstools und Services an: 1. Jeder Teilnehmer wird automatisch via E-Mail benachrichtigt, sobald das von ihm abgesetzte Gebot von einem anderen Teilnehmer überboten wurde. 2. Jeder Teilnehmer hat weiterhin die Möglichkeit, sich einen „künstlichen Assistenten“ einrichten zu lassen, der an seiner statt den Auktionsverlauf beobachtet und beim Eingang eines neuen Gebotes ein eigenes höheres Gebot absetzt. Dabei kann das eigene Gebot durch ein Höchstgebot nach oben beschränkt werden. Mit der Teilnahme an einer Auktion ist neben dem Aufwand die Ungewissheit verbunden, ob man das Produkt überhaupt erhält. Weiterhin verzögert sich die Zeit bis zum – sicheren – Erhalt des gewünschten Produktes um die Laufzeit der Auktion. eBay.com bietet jedoch auch hier eine Möglichkeit an, derartige Unannehmlichkeiten umgehen zu können: Der Anbieter kann einen Preis festsetzen, zu dem ein Interessent das Produkt direkt erwerben kann. 211 Stöbel (2000) nennt als weitere Konditionen der Kaufsituation, in denen sich eine dynamische Preisfindung anbietet, u.a.: einmalige und nicht standardisierte Transaktionen (Gemälde), neuartige Produkte mit unbekannter Nachfrage, differenzierte Märkte mit unbekanntem Angebot, vergängliche Angebote, heterogene Kundenanforderungen, unbekannte Value Proposition des Kunden, dynamische Märkte. Design Patterns für digitale Produkte 299 Abbildung E 2-49: Beispiel Auktionsseite von eBay.com, Zugriff 8.10.2001. Insbesondere in dem von eBay.com angesprochenen Privatkundenbereich werden die Produkte von unbekannten Verkäufern angeboten. Dies induziert bei vielen Kunden die Angst insbesondere vor finanziellen Verlusten durch die Nichtauslieferung der Produkte oder aber durch den Erhalt eines Produktes, das nicht der Produktbeschreibung entspricht. Um diese Gefahr zu minimieren, bietet eBay.com eine Reihe von Massnahmen zur Risikominderung an. Sie umfassen das Rating der Community (s. Pattern Risikominderung durch Community), die automatische Versicherung vor finanziellen Verlusten bei Nichterhalt der Ware (Risikominimierung durch Dritte), das integrierte Angebot eines Treuhänders für die sichere Abwicklung teurer Transaktionen (Online-Treuhänder) und das Angebot eines Online-Schiedsgerichtes (Online-Schiedsgericht) zur Schlichtung von Streitfällen. Weiterhin handelt es sich bei eBay.com um einen neuartigen Service, mit dem viele Anwender nicht direkt vertraut sind. Durch eine klare Gestaltung der Prozesse und deren lesbarer Abbildung auf die Plattform wird der benötigte Lernaufwand minimiert. Dennoch werden aufgrund der Neuartigkeit des Services explizite Lern- resp. Hilfedienste angeboten. Diese umfassen bei eBay.com alle in den Abschnitten E 2.4.2 bis E 2.4.5 erläuterten Services. Sie sind zu jedem Zeitpunkt des Auktionsprozesses über einen Link erreichbar. Weiterhin werden neuen Anwendern beim ersten Betreten der Auktionsplattformen spezielle Hilfeseiten zur Beantwortung zentraler Fragestellungen angeboten. Auch amazon.de bietet seinen Kunden die Möglichkeit, ausgewählte Produkte zu er- oder versteigern. Von amazon.de wird jedoch ausschliesslich der automatische Modus unterstützt, bei dem die Gebote eines Kunden automatisch erneuert resp. erhöht werden, sobald das ak- 300 Entwicklung der Patternsprache tuelle Gebot von einem anderen Bieter übertroffen wurde. Die geschieht jedoch nur so lange, bis der vom Kunden festgelegte Höchstpreis erreicht wurde. Für neue Benutzer stehen auch hier Möglichkeiten zur Verfügung, sich über den Auktionsmechanismus zu informieren. Die Reduktion der mit dem Service verbundenen Unsicherheit beruht schliesslich auch bei amazon.de auf einem Community Rating System und auf einer Versicherung gegenüber finanziellen Verlusten. *** Lösung: Biete einen Auktionsmechanismus zur Aushandlung der preislichen Konditionen an. Beachte dabei die besonderen Anforderungen des Kunden bezüglich der Bequemlichkeit der Anwendung, des Aufwandes bei der Nutzung des Services, insbesondere für das Erlernen der dazu benötigten Fähigkeiten sowie bezüglich der Reduktion des eingegangenen finanziellen Risikos. Im folgenden wird das zugehörige Szenario mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben. O-Design: Die Beteiligten an dieser Szene sind der oder die potentiellen Kunden, das Produkt resp. dessen Anbieter und der Intermediär in Form eines künstlichen Auktionators. Diese Grundbesetzung kann um weitere Rollen in Form von künstlichen Assistenten zur Unterstützung des Kunden ergänzt werden. Die Kunden haben das Recht, an einer Auktion teilzunehmen. Mit diesem Recht verbindet sie jedoch auch die Pflicht, sich an die Regeln der Auktion zu halten. Dies bedeutet insbesondere, dass sie dazu verpflichtet sind, das Produkt zu kaufen, wenn sie nach Beendigung der Auktion den Zuschlag erhalten. Ebenso ist der Anbieter dazu verpflichtet, das Produkt an den Bieter des höchsten Gebotes zu verkaufen. Diese Rechte und Pflichten sind jedoch vorwiegend moralisch und nicht rechtlich bindend. Sie werden vor allem durch die Auswirkung einer Zuwiderhaltung auf den eigenen Ratingwert durchgesetzt (s. I-Design). Die Hilfsassistenten unterstützen den Kunden bei der Verfolgung der Angebote und der Ausführung dessen Biet-Strategie. Sie sind dazu verpflichtet, diese Strategie nach den Vorgaben des Kunden an seiner statt auszuführen. Der Intermediär legt schliesslich die Regeln der Auktion fest und überwacht deren Einhaltung durch die Beteiligten. I-Design: Auf der Seite des Anbieters beginnt der Prozess mit der Eröffnung einer Auktion, bei der das Produkt definiert und beschrieben und der Start- und evtl. ein Minimalpreis sowie der Start- und Endzeitpunkt der Auktion festgelegt werden. Weiterhin können hier auch schon die Lieferbedingungen und Zahlungskonditionen fixiert werden. Während der Laufzeit der Auktion hat der Anbieter häufig das Recht, sein Angebot zurückzuziehen. Dies schädigt jedoch seinen Ruf innerhalb der Auktionsgemeinschaft. Für den Nachfrager beginnt der Prozess mit dem Auffinden eines für ihn interessanten Produktes resp. der zughörigen Auktion. In einem ersten Schritt kann er sich dann über das Produkt näher informieren. Während der Laufzeit der Auktion hat er die Möglichkeit, sich über deren aktuellen Status zu erkundigen. Daneben wird er jedoch auch automatisch vom Intermediär benachrichtigt, sobald neue Gebote der anderen Teilnehmer das eigene Gebot überbieten. Der Kunde kann auf ein derartiges Ereignis mit dem Absetzen eines höheren Gebotes reagieren. Design Patterns für digitale Produkte 301 Bei der Durchführung des Auktionsprozesses kann sich der Kunde durch einen künstlichen Assistenten unterstützen lassen, der an seiner statt seine Bietstrategie ausführt. In der Regel besteht diese lediglich darin, fremde Gebote bis zu einem bestimmten Höchstbetrag zu überbieten. Das Einrichten eines solchen Agenten bedarf daher lediglich der Angabe dieses Höchstbetrages. Nach dem Abschluss der Laufzeit der Auktion wird der Kunde darüber informiert, ob er den Zuschlag erhalten hat. Mit der Teilnahme an der Auktion, sind insbesondere beim Vertragsabschluss Risiken verbunden. Der Teilnehmer ist daher auch an dieser Stelle dabei zu unterstützen, sein wahrgenommenes Risiko vermindern zu können. Dies geschieht zum einen durch die Community selbst. Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, ihren Vertragspartner nach Abwicklung des Vertrages zu raten. Die Ratings werden zentral erfasst und anderen Community-Mitgliedern zur Verfügung gestellt. Das finanzielle Risiko kann weiterhin durch Massnahmen des Auktionsbetreibers selbst reduziert werden. Diese umfassen Versicherungsleistungen, Schiedsgerichte, Treuhanddienste etc. Die Kommunikation dieser Risikominderungsmassnahmen und damit der (Rück-)Sprung in die Entscheidungsszene ist somit auch in diese Szene zu integrieren. Da es sich bei Online-Auktionen um einen für viele Teilnehmer neuartigen Service handelt, ist der Kunde bei der Lösung seiner im Zuge des Auktionsprozesses auftretenden Fragestellungen aktiv zu unterstützen. Hier findet somit, gesteuert durch den Anwender selbst, ein Sprung zur Wissensphase statt. Dabei eignet sich in dieser Szene besonders die Darstellung der an den jeweiligen Stellen des Interaktionsprozesses am häufigsten auftretenden Fragestellungen (FAQ). L-Design: Wie bereits betont, handelt es sich beim Auktionsprozess nicht um einen sonderlich komplexen, wohl aber um einen neuartigen Prozess. Durch eine geeignete Abbildung der Abläufe (s. K-Design) sollte die Anwendung schnell einsichtig sein. Dennoch sind dem Kunden in den konkreten Anwendungsszene bei Bedarf Möglichkeiten zur Lösung auftretender Probleme anzubieten. K-Design: Die Schnittstellengestaltung stellt die üblichen Anforderungen an die Verständlichkeit der Darstellung. Entsprechend gekennzeichnete Links und Buttons erleichtern die Lesbarkeit, eine geeignete Strukturierung der Inhalte die Übersicht über die Szene (s. Patterns Short Description, Pointer Shows Affordance in Tidwells (1999) Common Ground). Dabei sind die zentralen Beschreibungsmerkmale der Auktion, d.h. die Konditionen der Auktion, Kurzinformation über den Anbieter und der aktuelle Höchstpreis zentral am Anfang der Szene zu präsentieren (s. Pattern What they see is all they get in Perzel und Kanes (1999) Usability Patterns for Applications on the World Wide Web. Hinweise zu Risikominderungsmassnahmen sowie Hilfeleistungen bei auftretenden Problemen sind am Rande der Szene zu positionieren, so dass auf sie bei Bedarf zugegriffen werden kann (s. Patterns Helper Posture und Background Posture in Tidwells (1999) Common Ground). Die Regeln der Auktion müssen soweit möglich in Software abgebildet und automatisch kontrolliert und durchgesetzt werden. Benachrichtigungen sind automatisch an die Teilnehmer zu versenden und Gebote durch die elektronischen „Biet-Assistenten“ gemäss der 302 Entwicklung der Patternsprache Bietstrategie selbständig zu erhöhen. Besondere Anforderungen werden an die zugrundeliegende Datenverwaltung gelegt, die dafür Sorge tragen muss, dass Gebote in der Reihenfolge ihres Eintreffens bearbeitet werden. *** Abbildung E 2-50: Diagramm Auktion *** Rational: Insbesondere bei Einzelstücken oder geringer Auflage gestaltet sich die Bestimmung eines geeigneten Marktpreises schwierig (Ströbel 2000). Der Auktionsmechanismus gestattet es, den Preis durch die Nachfrager selbst bestimmen zu lassen (Klein 1997). Im Privatkundenbereich werden Auktionen weiterhin als (Einkaufs-) Erlebnis empfunden und bieten so in Form dieses Erlebniswertes einen weiteren Mehrwert für den Kunden. Der Einsatz von Auktionen stösst aber ebenfalls insbesondere im Privatkundenbereich auf Hemmschwellen. Zum einen bedingen Auktionen für den Einzelnen einen höheren Aufwand. Zum anderen erfolgt der Erwerb des Produktes erst nach Ablauf der Auktionsdauer. Dabei ist es weiterhin nicht gewährleistet, dass der Kunde das Produkt auch tatsächlich erhält. Wie erläutert, kann der Aufwand durch den Einsatz von künstlichen Agenten verringert werden, die einfache „Bidding“-Strategien ausführen können. Das Unbehagen bezüglich des zeitverzögerten und mit Unsicherheit verbundenen Erwerbsprozesses kann durch die Möglichkeit des Direkterwerbs des interessierenden Produktes zu einem festgelegten Preis reduziert werden.212 *** Verwandte Patterns: Durch die Teilnahme an einer Auktion haben sich die beteiligten Parteien bereits dazu verpflichtet, das Produkt an den Sieger der Auktion zu verkaufen resp. das Produkt nach den bereits im Angebot enthaltenen Konditionen bezüglich Lieferkosten, etc. 212 Beim Einsatz von Auktionen ist weiterhin darauf zu achten, dass es sich hierbei um einen für viele Anwender neuartigen Service handelt, mit dem sie weniger vertraut sind und der vor allem mit finanziellen Risiken verbunden ist. Daher müssen hier besondere Hilfsprogramme angeboten werden, die den Erwerb des benötigten Wissens erleichtern. Dem wahrgenommenen Risiko kann durch die in den Abschnitten E 2.3.2 bis E 2.3.4 dargestellten Patterns zur Risikominderung begegnet werden. Design Patterns für digitale Produkte 303 zu erwerben. Mit dem Abschluss der Auktion ist der Vertrag zwischen Kunde und Anbieter de facto besiegelt. Diese werden in der folgenden Subszene der Vertragsfestlegung noch einmal mehr oder weniger formal fixiert (Checkout-Prozess). Wie bereits erwähnt, bedarf der Einsatz von Auktionen, der Vermittlung neuen Anwendungswissens. Hier bestehen daher direkte Verbindungen zu den Wissenspatterns. Die mit diesem Mechanismus verbundenen Unsicherheiten und Risiken leiten zu den Szenen der Entscheidungsphase über (Entscheidungspatterns), wobei auch hier ein direkter Rückschritt zur Ausgangsszene zu gewährleisten ist. E 2.5.5 Checkout Kontext: s. Verhandlung abstrakt Dieses Pattern schliesst sich je nach Verhandlungsmechanismus direkt an die erste Szene des Verhandlungsprozesses an, in der das Bedürfnis des Kunden definiert und auf ein passendes Produkt abgebildet wurde, oder aber an die darauffolgende Subszene der Aushandlung der Konditionen. In dieser Szene werden somit die Vereinbarungen festgelegt und um weitere benötigte Angaben ergänzt. *** Problem: Nach der Zusammenstellung und Auswahl des gewünschten Produktes und der Aushandlung der Konditionen müssen diese vertraglich festgelegt werden. Diese Szene ist für den Kunden mit Risiken insbesondere finanzieller Natur verbunden. Der Kunde möchte genau festlegen können, welche Ansprüche er erhält und welche Verpflichtungen er eingeht. Weiterhin werden hier private und sensible Daten des Kunden ausgetauscht, die vor dem Missbrauch durch andere geschützt werden müssen. Transparenz und Klarheit, die Vermeidung von Fehlern und der Schutz der übermittelten Information sind somit die zentralen Anforderungen an diese Szene. *** Beispiel: amazon.de stellt dem Kunden verschiedene Möglichkeiten für die Abwicklung des Bestellvorgangs zur Verfügung: (1) ein „normaler“ Checkout Prozess und (2) das verkürzte One-Click-Shopping. Letzteres bedarf des Rückgriffs auf vorhandene Benutzerdaten und ist daher lediglich für bereits registrierte Kunden möglich. Der normale Checkout-Prozess unterscheidet sich ebenfalls in Abhängigkeit davon, ob er von einem neuen oder von einem bestehenden Kunden durchgeführt wird. Bei einem neuen Kunden liegen noch keine Angaben über den Lieferort, die Zahlungsarten, etc. vor, die für die Abwicklung benötigt werden. Zu Beginn des Checkout Prozesses wird ein neuer Kunde zunächst nach seiner E-Mail Adresse gefragt, die ihm für spätere Einkäufe oder auch personalisierte Teile des Online Services als Login-Name dient. Durch die Verwendung der E-Mail Adresse wird der Kunde davon entlastet, sich unnötigerweise weitere Zusatzinformationen merken zu müssen. Im Anschluss wird der Kunde gebeten, zunächst die Lieferadresse und danach die Rechnungsadresse anzugeben. Letzteres ist jedoch nur dann nötig, wenn die Rechnungsadresse nicht be- 304 Entwicklung der Patternsprache reits mit der Lieferadresse übereinstimmt. Der Kunde muss nun ein Passwort auswählen (und dieses bestätigen). In einem kurzen Kommentar werden ihm an dieser Stelle die mit der dadurch erfolgenden Eröffnung eines Benutzerkontos verbundenen Vorteile kurz erläutert.213 Im nächsten Schritt wird er gebeten, die Zahlungsart zu definieren und die jeweils benötigen Angaben zu leisten. Mögliche Bedenken bezüglich der Angabe dieser privaten Informationen werden durch eine kurze Erläuterung der Sicherheitsvorkehrungen bei der Übertragung der Daten ausgeräumt. Um die Übersichtlichkeit des Bestellvorgangs nicht zu stören, findet sich auf der Bestellseite jedoch lediglich ein Link auf ausführliche Sicherheitsinformationen. Bei bleibenden Sicherheitsbedenken ist es dem Kunden möglich, die genauen Zahlungsangaben auch telefonisch nachzureichen. Weiterhin kann sich der Kunde hier bei Bedarf über die Einzelheiten der Lieferung informieren. Im abschliessenden Schritt werden die Bestellinformationen noch einmal zusammengestellt und dem Kunden präsentiert. Erst bei Bestätigung der Order durch den Kunden durch die Aktivierung eines Buttons und der anschliessenden Bestätigung durch amazon.de via E-Mail wird der damit geschlossene Kaufvertrag gültig. Alle Eingaben werden, soweit möglich, auf ihre Richtigkeit resp. Plausibilität hin überprüft, um fehlerhafte Eingaben zu vermeiden. Im Fehlerfall wird der Kunde gezielt auf die fehlenden oder fehlerhafte Eingabe hingewiesen (s. Abbildung E 2-51 linke Seite). Abbildung E 2-51: Beispiel Checkout-Prozesse bei amazon.de, Zugriff 15.10.2001. Handelt es sich beim Benutzer um einen bereits bestehenden Kunden, so werden die Angaben soweit wie möglich aus dem bestehenden Konto übernommen und somit der Prozess verkürzt. Bei mehreren Möglichkeiten, z.B. mehreren Lieferadressen werden dem Kunden die Alternativen präsentiert. Er muss somit lediglich aus den verschiedenen Möglichkeiten 213 Insbesondere verkürzt sich dadurch der Aufwand bei Folgeeinkäufen. Design Patterns für digitale Produkte 305 die passende auswählen oder gegebenenfalls die vorhandenen Angaben modifizieren oder ergänzen. Bereits registrierte Kunden haben weiterhin die Möglichkeit des One-Click-Shoppings (s. Abbildung E 2-51 rechte Seite). Dazu legen sie zunächst eine Lieferadresse und eine Zahlungsart fest, die sie standardmässig für die Bestellung nutzen möchten. Statt des oben beschriebenen Checkout-Prozesses kann der Kunde direkt nach dem Auffinden eines gewünschten Produktes durch die Aktivierung eines mit „One-Click-Shopping“ bezeichneten Buttons die Bestellung aktivieren. Um versehentliche Fehlkäufe zu vermeiden, wird die Bestellung erst nach 90 Minuten aktiviert. In der Zwischenzeit hat der Kunde die Möglichkeit, die Bestellung durch entsprechende Einträge in seinem Benutzerkonto zu stornieren. Ähnlich ist der Bestellvorgang bei Dell.com. Wir beschränken uns hier auf die Betrachtung der Web Site für Privatkunden. Nach der Auswahl eines Produktes wird der Kunde auch hier gebeten, Angaben über seine Anschrift, seine Rechnungs- und Lieferadresse zu leisten. Er muss die Lieferadresse wiederum nur dann angeben, wenn diese nicht mit der Rechnungsadresse identisch ist. Durch die Auswahl der Option „Bitte um Rückruf“ kann der Kunde sich dafür entscheiden, die entsprechenden Angaben telefonisch zu leisten. Im Gegensatz zu amazon.de bietet dell.com seinen Kunden somit den Service, nicht selbst anrufen zu müssen, sondern angerufen zu werden. Darüber hinaus wird dem Kunden auch die Möglichkeit offeriert, den Rechnungsbetrag in Raten zu bezahlen, was bei den im Vergleich zu Büchern höherpreisigen Elektronikartikeln auch angemessen erscheint. Auch hier findet sich an dieser für den Kunden, zumindest von seinem subjektiven Empfinden her, sicherheitskritischen Stelle des Bestellprozesses, Informationen über Dells Massnahmen zum Schutz der Sicherheit.214 Zum Abschluss des Bestellvorganges wird der Kunde gefragt, ob er von dell.com zukünftig über Neuigkeiten etc. informiert werden möchte oder nicht.215 Den an dieser Stellte schnell aufkommenden Bedenken über den Schutz persönlicher Daten wird durch einen entsprechenden Kommentar über die Nichtweitergabe der gesammelten Daten an Dritte begegnet. Die konsolidierten Bestelldaten werden auch hier noch einmal in einer Übersicht zusammengestellt, die vom Kunden entweder editiert oder einfach bestätigt werden können. Wie bei amazon.de ist der Bestellprozess sehr stark strukturiert. Dem Kunden werden die Eingabefelder genau vorgegeben und dabei angezeigt, welche Informationen optional und welche notwendig sind. Wenn möglich, wird die Eingabe durch die Vorgabe einer Liste der möglichen Attributbelegungen erleichtert. Die Vollständigkeit und Richtigkeit der Daten 214 Da es sich bei Dell.com um ein amerikanisches Unternehmen handelt, wird der Kunde im nächsten Schritt dazu aufgefordert, Angaben zu leisten, die für die Überprüfung der Einhaltung der Exportbeschränkungen benötigt werden. Dabei wird dem Kunden an dieser Stelle explizit erklärt, warum er diese Angaben zu leisten hat. 215 In dieser Szene werden bereits die Grundlagen für die Phase der Kundenbetreuung gelegt. 306 Entwicklung der Patternsprache wird, wann immer möglich, kontrolliert und der Kunde gegebenenfalls konkret auf die fehlenden oder fehlerhaften Werte hingewiesen. *** Lösung: Ermögliche dem Kunden einen klaren, einfachen und effizienten Checkout-Prozess. Berücksichtige dabei insbesondere das Sicherheitsempfinden des Kunden und nutze die Möglichkeiten, die sich durch die Verwaltung der Kundendaten für die Vereinfachung des Bestellprozesses ergeben. Die Ausgestaltung dieser Lösung wird im folgenden wiederum mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben. O-Design: Beteiligte an diesem Prozess sind der Kunde und das Produkt resp. dessen Anbieter. Der Kunde ist daran interessiert, möglichst sicher und ohne grossen Aufwand den Bestellprozess abwickeln zu können. Der Anbieter ist dafür verantwortlich, diesen Anforderungen nachzukommen. Dabei muss er jedoch auch selbst auf seine eigene Sicherheit bedacht sein. Er benötigt somit alle Angaben, die es ihm gestatten, die Bonität des Kunden zu überprüfen. Durch das Angebot bestimmter Zusatzleistungen, wie der Finanzierung, dem kostenlosen Versand oder aber einer freizügigen Rückgabegarantie kann der Kundenwert weiter erhöht werden. Diese Zusatzwerte sind jedoch bereits im Zuge der Überzeugungsphase resp. der Entscheidungsphase zu kommunizieren, da sie entscheidend dazu beitragen, den Kunden überhaupt erst zum Erwerb des Produktes zu motivieren. I-Design: Der Prozess umfasst die sukzessive Eingabe der von einem Kunden benötigten Informationen. Er ist sehr stark durch den Anbieter reglementiert. Bei der Prozessgestaltung ist darauf zu achten, dass die Abfolge transparent, verständlich resp. einsichtig und fehlerresistent ist, vom Kunden möglichst wenig Eingaben erfordert und dabei weiterhin seine Sicherheitsbedenken berücksichtigt: • Die Transparenz erreicht man dadurch, dass dem Kunden – z.B. durch einen eingeblendeten Navigator – stets verdeutlicht wird, an welcher Stelle des Prozesses er sich gerade befindet (s. amazon.de), oder man den gesamten Prozess, wenn möglich, auf eine Seite abbildet (s. dell.com) (s. Pattern Explicit Process in Rossi et al.’s (2000) Patterns for E-Commerce Applications und What they see is all they get in Perzel und Kanes (1999) Usability Patterns for Applications on the World Wide Web). • Das Verständnis des Kunden wird dadurch gefördert, dass der vertraute Bestellvorgang der Offline-Welt auf die virtuelle Welt abgebildet wird und somit die gleichen Angaben zu leisten sind. Abweichungen von diesem Prozedere müssen in kurzen klaren Worten erläutert werden. • Die Sicherheit vor Falscheingaben erreicht man durch die Verwendung sprechender Bezeichner (Name, Adresse, etc.) und, wo möglich, die Bereitstellung von Auswahllisten (s. Patterns Short Description, Choice from a small set, choice from a large set in Tidwells (1999) Common Ground). Weiterhin sind die Eingaben vor dem Abschicken der Bestellung soweit wie möglich auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen (s. Pattern Reliability Check in Tidwells (1999) Common Ground). Schliesslich sollte es dem Kunden stets möglich sein vor dem Abschluss des Checkoutprozesses getätigte Eingaben rückgängig Design Patterns für digitale Produkte 307 machen zu können. Dies ist sehr einfach durch die Einführung eines Backbuttons möglich (s. Pattern Easy Undo in Rossi et al.’s (2000) Patterns for E-Commerce Applications). • Den Aufwand für die Eingabe der benötigten Angaben reduziert man dadurch, dass bereits getätigte Eingaben soweit wie möglich wiederverwendet werden, so dass z.B. eine Lieferadresse, die mit einer Rechnungsadresse übereinstimmt, nicht erneut eingegeben werden muss. Weiterhin sind Angaben, mit dem Einverständnis des Kunden, zu speichern und in Folgebestellprozessen wiederzuverwenden. • Sicherheitsbedenken kann durch Hinweise auf die umgesetzten Massnahmen zum Schutz der Datensicherheit begegnet werden. (Hier findet ein Rücksprung zur Entscheidungsphase statt). Weiterhin sollten dem Kunden die Möglichkeit gegeben werden, insbesondere die sensiblen Zahlungsinformationen auch auf anderem Wege, d.h. beispielsweise telefonisch, leisten zu können.216 Nach der vollständigen Eingabe der benötigten Angaben werden diese dem Kunden noch einmal in einer Übersicht präsentiert, in der einzelne Angaben durch den Kunden korrigiert werden können. Der Bestellvorgang endet dann mit der Bestätigung der Angaben durch den Kunden und einer anschliessenden Bestätigung durch den Produktanbieter zunächst auf der Web Site und anschliessend via E-Mail. Dieser ausführliche Prozess ist im Grunde lediglich bei Erstkäufen notwendig. Bei erneuten Käufen können die Angaben des Kunden genutzt werden, um den Prozess zu vereinfachen. Die bestehenden Angaben werden dabei direkt in das Formular übernommen. Wie im Beispiel erläutert, kann der Prozess im Idealfall auf einen Click reduziert werden, durch den das ausgewählte Produkt nach zuvor festgelegten Konditionen bestellt wird. Um versehentliche Bestellungen zu vermeiden, muss es dem Kunde möglich sein, eingegangene Bestellungen innerhalb einer bestimmten Frist durch das Löschen der entsprechenden Einträge in seinem Benutzerkonto zu stornieren.217 Besondere Leistungen, wie eine kostenlose Lieferung, Finanzierungsangebote z.B. in Form von Ratenzahlungen oder Versicherungsleistungen müssen hier vertraglich festgehalten werden. Dies geschieht durch eine Erweiterung des obigen einfachen Frage- und Antwortprozederes. Insbesondere die Versicherungsleistungen können dabei auch von einer Dritten Partei übernommen werden. In diesem Fall ist ein weiterer Vertrag zwischen Kunde, der Dritten Partei und u. U. dem Anbieter selbst zu schliessen. Dieser Prozess verläuft prinzipiell nach dem gleichen Ablaufschema wie die Aushandlung des Primärvertrages. Dabei 216 Hier ist darauf zu achten, dass die personelle Infrastruktur leistungsfähig genug ist, um die zu er- wartende Zahl von Telefonbestellungen effizient und ohne lange Wartezeiten für den Kunden bewerkstelligen zu können. 217 Weiterhin sollte vor Ausführung der Bestellung deren Plausibilität geprüft werden und der Kunde im Zweifelsfall, z.B. der mehrfachen Bestellung des gleichen Artikels, um einen Bestätigung der Eingaben gebeten werden. 308 Entwicklung der Patternsprache sind die bereits bekannten Informationen über die Vertragsobjekte direkt in diesen sekundären Vertragsprozess zu übernehmen. Durch die nahezu vollständige Abbildung realer Bestellprozesse auf ein neues Medium, sollten dem Kunden die Abläufe weitestgehend verständlich sein oder durch kurze Anmerkungen erläutert werden können. Unerfahrenen oder unsicheren Kunden sollte dennoch der Übergang in die Wissensszene, zu einer kurzen Erläuterung der Abläufe, ermöglicht werden. Logischer Raum: Wie soeben erläutert, baut die Gestaltung dieser Szene sehr stark auf bekanntem Wissen des Kunden über den Ablauf eines Bestellvorgangs in der „realen Welt“ auf, das der Kunde somit einfach in die „Online-Welt“ übertragen kann. Kanalsystem: Die Schnittstelle zum Kunden wird durch ein einfaches Formular realisiert (s. Pattern Form in Tidwells (1999) Common Ground). Um der Forderung nach der Überprüfung der Angaben gerecht zu werden, muss das System über ein internes Modell, z.B. in Form eines Regelsystems, verfügen, gegenüber dem die Eingaben abzugleichen sind. Wiederholte Angaben werden durch die Einrichtung und Verwaltung einer Benutzerrepräsentation vermieden. Dabei ermöglicht die Speicherung von Cockies auf dem Rechner des Kunden die Assoziation des Benutzerkontos mit dem aktuellen Online-Kunden. Die Anforderungen an die sichere Übertragung der privaten Information werden durch die Verschlüsselung der Daten, zumeist unter Verwendung des SSL-Übertragungsprotokolls, gewährleistet. Ausblick: Idealerweise würden die Vertragsbedingungen in einem rechtsgültigen elektronischen Vertrag festgehalten. Bei einer geeigneten formalen Darstellung der Vertragsinhalte kann die Einhaltung der Vertragbedingungen automatisch kontrolliert und sogar durchgesetzt werden. Weiterhin dient dieser Vertrag dann auch als Grundlage für etwaige Streitfälle. Elektronische Verträge sind bisher jedoch noch Gegenstand der Forschung (vgl. (Runge 2000)). *** •Leistungsumfang •Zahlungsbedingungen •Lieferbedingungen Abbildung E 2-52: Diagramm Checkout Prozess *** Rational: Auch in dieser Szene muss der Kundenwert insbesondere bezüglich des Anwendungskontextes erhöht werden. Dieser beruht hauptsächlich auf der Effizienz und Bequemlichkeit des Prozesses, auf der Reduktion finanzieller Risiken sowie etwaiger Risiken bzgl. des Datenschutzes. Die Effizienz und Bequemlichkeit werden durch die Wiederverwendung bereits gespeicherter Daten erhöht. Die Verständlichkeit des Prozesses wird durch die Anlehnung an den „traditionellen“ Bestellprozess sowie durch eine klare Gestaltung der Schnittstelle mit sprechenden Bezeichnern und einer klaren Einordnung in den Prozessverlauf gewährleistet. Das Risiko kann durch entsprechende technische und organisatorische Massnahmen reduziert werden (d.h. Verschlüsselung oder z.B. Versicherungen). Weiterhin Design Patterns für digitale Produkte 309 können hier durch ergänzende Leistungen wie kostenlose Lieferung oder die Möglichkeit zur Ratenzahlung Zusatzwerte geschaffen werden. Diese sind ebenfalls im Vertrag festzulegen. *** Verwandte Patterns: Diese Szene leitet direkt zur Abwicklungsphase über. Hier bestehen sowohl zeitliche als auch inhaltliche Abhängigkeiten.218 Weiterhin weist die Szene, wie bei der Lösungsbeschreibung dargestellt, direkte Links zu den Überzeugungs- und vor allem Entscheidungsszenen (zur Kommunikation der Zusatzleistungen und etwaiger Sicherheitsmassnahmen) und gegebenenfalls ebenfalls zu den Wissensszenen (zur Übermittlung notwendigen Anwendungswissens) auf. Dieses Pattern subsumiert weitgehend die Inhalte des Patterns Checkout in van Duyne et al.’s (2000) The Design of Sites. E 2.5.6 Registration Diese Szene entspricht von ihrem Ablauf her grösstenteils dem ausführlichen Checkout-Prozess. Bei den Erläuterungen der Problemlösung mit Hilfe der Theatermetapher wird daher weitestgehend auf die dortigen Ausführungen verwiesen. Kontext: s. Verhandlung abstrakt Diese Szene gliedert sich konkret vor die Benutzung eines Online Services ein. *** Problem: Für die Nutzung eines Online Dienstes ist es hilfreich, die Anwender identifizieren zu können. Dies ermöglicht es, die Aktionen auf der Plattform einer bestimmten Person zuordnen zu können. Bei kostenpflichtigen Services ist dies sogar die Voraussetzung für die Zuordnung und Abrechnung der im Zuge der Nutzung entstandenen Kosten. Weiterhin gestattet die Registration, gezielt Daten über den Kunden sammeln zu können und diese zu nutzen, um den Service auf die Bedürfnisse des Kunden zuzuschneiden. *** Beispiel: Das Online-Auktionshaus eBay.com bittet seine Anwender, sich beim Service zu registrieren (s. Abbildung E 2-53). Diese Registration ist Voraussetzung dafür, sowohl an Auktionen als auch an Diskussionsforen auf der Community-Plattform teilnehmen zu können. Mit der Registration verpflichtet sich der Kunde zur Akzeptanz der Nutzungsbedingungen des Services. Diese umfassen gewisse Verpflichtungen bezüglich des Verhaltens auf der Web Site, bezeugen die Kenntnisnahme und Akzeptanz der Privacy Policy des Services sowie der möglichen Risiken bei der Nutzung des Services. Im Zuge der Registration wird weiterhin ein eigener Bereich für den 218 Die vertraglich festgelegten Vereinbarung sind in der Settlementphase durchzusetzen. 310 Entwicklung der Patternsprache Anwender angelegt, in dem seine persönliche Daten (die im Verlauf der Anwendung immer wieder benötigt werden), sowie Einstellungen bzgl. der in Anspruch genommenen ServiceLeistungen (z.B. der gewünschten Newsletters) verwaltet werden. Abbildung E 2-53: Ausschnitt aus dem Registrationsprozess von eBay.com, Zugriff 15.10.2001. Der Prozess der Registration ist sehr stark formalisiert und durch den Anbieter vorgegeben. Er beginnt mit der Eingabe von Angaben zur Person, insbesondere der E-Mail-Adresse. Nach der vollständigen Eingabe der Informationen werden diese noch einmal in einer Übersicht zusammengestellt. In dieser hat der Anwender die Möglichkeit, einzelne Einträge noch einmal anzupassen. Nach der letztendlich erfolgten Bestätigung werden ihm dann die Nutzungsbedingungen vorgelegt, deren Akzeptanz er per Mausklick bestätigt. An dieser Stelle wird der Prozess zunächst unterbrochen. Die Initiative für den Folgeschritt liegt dann bei eBay.com, das durch das Aussenden einer E-Mail, die eingegebenen Daten bestätigt und den Kunden dazu auffordert, einen Mitgliedsnahmen und ein Passwort auszuwählen. Der Link auf die entsprechende Webseite mit dem Formular zur Eingabe der benötigten Daten findet sich in der gesendeten E-Mail. Die Registration endet dann mit der Bestätigung des Passwortes durch den Kunden. Bei amazon.com findet die Registration, wie im Beispiel des Patterns Checkout beschrieben, im Zuge des ersten Bestellvorganges statt. Die Information wird hier gezielt dazu genutzt, um dem Kunden zukünftige Bestellprozesse zu erleichtern, aber auch um die Serviceleistung des Online Bookstores auf das Kundenprofil zuzuschneiden. Design Patterns für digitale Produkte 311 *** Lösung: Ermögliche dem Kunden eine klare, einfache und effiziente Registration. Berücksichtige dabei insbesondere das Sicherheitsempfinden des Kunden. Der Prozess der Registration folgt weitestgehend den Erläuterungen des ausführlichen Checkout-Prozesses. Wie im Beispiel deutlich wurde, kann der Login-Name und das Passwort dabei erst nach einer ersten Überprüfung der Eingaben, bei eBay.com im Grunde lediglich der E-Mail-Adresse, vergeben werden. Die Angaben beziehen sich dabei auf die Person, die Nutzenbestimmungen sowie Einstellungen bezüglich der vom Dienstleister angebotenen Leistungen. *** Diagramm: s. Checkout *** Rational: s. Checkout Digitale Produkte bieten durch ihre Möglichkeit zur Speicherung, Sammlung und Verarbeitung von Daten weitreichende Möglichkeiten zur Unterstützung der Anwender. Der Service kann auf ihre Vorstellungen und Bedürfnisse zugeschnitten werden und einmal getätigte Eingaben im wiederholten Bedarfsfall wiederverwendet werden. Voraussetzung dafür ist jedoch die erstmalige Registration des Benutzers und im Zuge dessen die Errichtung einer Anwenderrepräsentation. Zum eigenen Schutz und zum Schutz anderer Anwender ist eine eindeutige Zuordnung von auf der Plattform getätigten Aktionen zu einem bestimmten Nutzer unabdingbar. Auch dies ist lediglich durch eine vorherige Registration möglich. Die im Zuge der Registration akzeptierten Nutzungsbestimmungen insbesondere bezüglich der Privacy Policy entlasten den Anbieter vor möglichen späteren Schadensansprüchen. Die Eingabe der persönlichen Informationen gestattet eine zumindest rudimentäre Überprüfung der Identität des Kunden. Bei der Gestaltung dieser Szene ist es entscheidend, auf die Sicherheitsbedürfnisse des Kunden Rücksicht zu nehmen. Ängste um den Schutz der Daten müssen durch die Kommunikation der entsprechenden Massnahmen ausgeräumt oder zumindest gemildert werden. Das Verständnis für die Notwendigkeit der Angaben muss durch entsprechende Erläuterungen der dadurch ermöglichten Erhöhung des Kundennutzens geschaffen werden. *** Verwandte Patterns: Dieses Pattern leitet direkt zur Anwendungsphase der Kunde-ProduktInteraktion über (Anwendungspatterns resp. Kundenbetreuungspatterns). E 2.6 Abwicklung Dieser Abschnitt umfasst die Szene der Abwicklung, d.h. der Vertragserfüllung im Sinne des Austausches von Leistung gegen Geld. Die Einordnung in den Kontext, die Problemstellung, allgemeine Gestaltungsrichtlinien sowie die relevanten theoretischen Grundlagen werden 312 Entwicklung der Patternsprache auch hier zunächst in einem abstrakten Pattern zusammengefasst. Die Ausgestaltung der konkreten Szenen erfolgt in den davon abgeleiteten Szenepatterns. Abbildung E 2-54 gibt eine Übersicht über die Patterns dieser Szene sowie der zentralen Abhängigkeiten. Wissen Abwicklung Anwendung Entscheidung Transparente Auslieferung Treuhanddienst Versicherung Schiedsgericht Abbildung E 2-54: Übersicht Abwicklungspatterns E 2.6.1 Abwicklung abstrakt Kontext: In der Szene des Vertragsabschlusses wurde ein Produkt, das die geweckten Bedürfnisse des Kunden möglichst optimal befriedigt identifiziert, die Konditionen ausgehandelt und vertraglich festgelegt. In der folgenden Phase der Kunde-Produkt-Interaktion müssen diese Verträge nun eingelöst werden. *** Problem: Nach dem Vertragsabschluss müssen die ausgehandelten Konditionen in Aktionen umgesetzt werden. Dabei geht es vorrangig um den Austausch Geld gegen Ware. Mit der Vertragsabwicklung sind stets Risiken und Kosten verbunden, die sich negativ auf den Kontextwert dieser Szene auswirken. *** Beispiel: s. entsprechende Sektionen der konkreten Patterns *** Lösung: Erhöhe den Kundenwert der Abwicklungsphase durch effiziente, transparente, flexible und sichere Abwicklungsprozesse (Subszene 1) sowie die effiziente und für den Kunden unaufwendige Auflösung etwaiger, im Zuge der Vertragserfüllung auftretender Streitfälle (Subszene 2). Diese Phase unterteilt sich somit in zwei generelle Subszenen: (1) die Abwicklung des vertraglich festgelegten Leistungsaustausches und (2) die Schlichtung etwaig auftretender Streitfälle. Die entsprechenden Szenen werden in den konkreten Patterns definiert. *** Design Patterns für digitale Produkte 1. 2. 313 3. 4. 5. •Leistungsumfang •Zahlungsbedingungen •Lieferbedingungen Abbildung E 2-55: Diagramm Abwicklung *** Rational: Wie soeben erläutert, unterteilt sich diese Szene in zwei Subszenen (1) die eigentliche Abwicklung und (2) die Lösung von Streitfällen, deren Gestaltung auf die Erhöhung des Kundenwertes ausgerichtet werden müssen. Die Qualität der eigentlichen Vertragserfüllung (transparente Abwicklung) stellt zum einen Anforderungen an die Effizienz der zugrundeliegenden Prozesse. Sie kann durch einen hohen Automationsgrad gewährleistet werden. Zudem gestattet es die Abbildung der Prozesse auf der technischen Plattform dem Kunden, sich ständig über den Status der Vertragsabwicklung zu informieren oder informieren zu lassen und gegebenenfalls sogar ändernd in den Prozess einzugreifen. Die dadurch geschaffene Transparenz reduziert die Unsicherheit des Kunden. Dies wirkt sich somit auch positiv auf die Kostenseite des Kundenwertes aus. Auf der anderen Seite kann jedoch ein höherer Automationsgrad durch die dadurch entstehenden Risiken für den Schutz der übertragenen Daten auch Kosten erzeugen. Diesen Risiken ist durch entsprechende Verschlüsselungsmassnahmen zu begegnen. Das finanzielle Risiko kann jedoch auch zusätzlich organisatorisch, durch die Einführung einer neutralen Dritten Partei reduziert werden (Online-Treuhänder), die als Zwischenstelle zwischen den Vertragsparteien fungiert. Beim tatsächlichen Eintreten von Streit- oder Schadensfällen kann vor allem der Wert des Kontextes erhöht werden, indem der Aufwand des Kunden bei der Schadensregulierung möglichst gering gehalten wird.219 Wurde im Zuge des Vertrages eine Versicherung abgeschlossen, so bezieht sich dies auf die effiziente Klärung und Abwicklung des eingetretenen Versicherungsfalles (Online-Versicherung). Andernfalls müssen die Vertragsparteien dabei unterstützt werden, ihren Streit möglichst schnell und zur Zufriedenheit beider Parteien zu lösen (Online-Schiedsgericht). *** 219 Man könnte dies auch als Reduktion des Aufwandes hier auch der Kostenseite des Kundenwertes zurechnen. 314 Entwicklung der Patternsprache Verwandte Patterns: Diese Phase geht im Erfolgsfall direkt zur Anwendung des Produktes resp. in die Phase der Kundenbetreuung über. Führen Streitfälle zur Annullierung des Vertrages so ist das Theaterstück der Kunde-Produkt-Interaktion hier zunächst beendet. Die im Zuge der Beseitigung von Streitfällen ausgehandelten Vertragsänderungen wirken sich dagegen auf die darauffolgende Phase der Vertragserfüllung aus, in der diese umgesetzt werden müssen. Hier besteht somit eine zeitliche Abhängigkeit zwischen den Patterns der Subszene zwei zur Subszene eins. Weiterhin kann diese Szene durch die Einbeziehung eines Treuhänders erweitert werden (Online-Treuhänder). E 2.6.2 Transparente und flexible Abwicklung Kontext: Diese Szene gliedert sich an die Verhandlung und den Abschluss eines Vertrages an. Sie umfasst die Erfüllung der vertraglichen Verbindungen, welche die Auslieferung und die Bezahlung der Leistung und somit die erste Subszene dieser Phase betreffen (s. Abwicklung abstrakt).220 *** Problem: Zwischen dem Abschluss des Vertrages und der Auslieferung der Ware vergeht (insbesondere bei massgefertigter Ware) Zeit. Dies kann beim Kunden Unsicherheit über den Status und die vertragsmässige Abwicklung der Bestellung hervorrufen. Neue Technologien bieten umfassende Möglichkeiten, den Kontakt mit dem Kunden während der gesamten Abwicklungsphase aufrechtzuerhalten und ihn kontinuierlich oder nach Bedarf über den aktuellen Status zu informieren. Durch die direkte Integration des Kunden in den Prozess kann dieser ebenfalls, zumindest in beschränktem Masse, in den Ablauf des Abwicklungsprozesses eingreifen. *** Beispiel: amazon.de bietet dem Kunden zwei Möglichkeiten, sich über den Status seiner Bestellung zu informieren resp. den Ablauf des Prozesses noch zu verändern: • Push-Dienst: amazon.de benachrichtigt den Kunden via E-Mail, sobald das Produkt ausgeliefert wurde. • Pull-Dienst: Über sein Benutzerkonto hat der Kunde die Möglichkeit, sich jederzeit über den Status seiner laufenden Bestellungen zu informieren. Bestellungen, die noch nicht ausgeliefert wurden, können jederzeit storniert oder modifiziert werden, indem z.B. die Lieferadresse geändert wird (s. Abbildung E 2-56). 220 Bei einem rein digitalen Produkt beschränkt sich die Auslieferung der Ware auf das einfache Download der Software. Design Patterns für digitale Produkte 315 Abbildung E 2-56: Beispiel für die Statusanzeige und einfache Möglichkeiten zu Stornierung von Bestellungen bei amazon.de, Zugriff 8.10.2001. Auch dell.com gibt seinen Kunden die Möglichkeit, sich regelmässig über den Status ihrer Bestellungen informieren zu lassen. Auch hier werden die beiden Modi der Push- und der PullKommunikation unterstützt. Um den Besonderheiten massgefertiger Produkte (und deren Produktion) gerecht zu werden, reflektieren die Statusmeldung im Pull-Mechanismus genau die Phase der auftragsspezifischen Fertigung in der sich der Auftrag momentan befindet (Auftragserfassung, Produktionsvorbereitung, Produktion, Versandvorbereitung, Transportweg). Der Kunde hat jedoch nicht die Möglichkeit, Vertragskonditionen online zu ändern. *** Lösung: Ermögliche eine für den Kunden transparente und effiziente Vertragsabwicklung. Stelle ihm dazu Möglichkeiten zur Verfügung, sich über den Status zu informieren oder informieren zu lassen und soweit angebracht in den Prozess einzugreifen. O-Design: Teilnehmer in dieser Szene sind der Kunde und das Produkt resp. dessen Vertreter in der Rolle des Verwalters der Vertrags- und der Statusinformation. Der Kunde hat das Recht, sich in dieser Phase über den Status seiner Bestellung zu informieren und im vereinbarten Rahmen noch Änderungen am Vertrag vorzunehmen. Das Produkt ist dazu verpflichtet, die Anfragen wahrheitsgemäss zu beantworten, den Kunden gegebenenfalls in Eigeninitiative zu informieren und die gestatteten Änderungen der Kundenwünsche zu akzeptieren und umzusetzen. I-Design: Die Kommunikation zwischen Kunde und Produkt findet entweder im Push- oder im Pullmodus statt. In Abhängigkeit davon gestalten sich die Interaktionsprozesse unterschiedlich. 316 Entwicklung der Patternsprache Im Pushmodus, benachrichtigt der Anbieter den Kunden über zentrale Ereignisse innerhalb des Abwicklungsprozesses. In der Regel umfasst dies lediglich den Zeitpunkt der Auslieferung des Produktes. Im Pullmodus hat der Kunde die Möglichkeit, sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt über den Status seiner Bestellungen zu informieren. Bei dieser Konstellation ist insbesondere die Einbindung des Prozesses in den Anwendungskontext dieser Szene entscheidend. So muss es dem Kunden mit wenigen offensichtlichen Schritten möglich sein, eine Einsicht in die Statusinformation zu erhalten und gegebenenfalls Änderungen der Vertragsbedingungen vorzunehmen. Um ein schnelles Auffinden der entsprechenden Sektion zu erreichen, wird die Statusinformation entweder in die persönliche Sektion des Kunden (sein Konto) oder aber in die allgemeine Supportsektion integriert. Diese Sektionen sind direkt von der Startseite des Services zu erreichen. Nach der Identifizierung kann er sich dort über den Status seiner Bestellung informieren und je nach Fortschritt im Orderprozess die Vertragsbedingungen noch verändern. Hier muss dafür gesorgt werden, dass nur sinnvolle und vertraglich gestattete Änderungen vorgenommen werden können. Bei diesem Prozess handelt es sich somit um eine sehr einfache Abfolge, die vom Kunden in der Regel nicht den Aufbau neuen Wissens abverlangt. Zentral ist lediglich, dass dem Kunden klar kommuniziert wird, welche Änderungen er vornehmen kann und was die Statusmeldungen bedeuten. Auch hier kann also ein Übergang zur Wissensszene in allerdings inhaltlich sehr beschränktem Ausmass sinnvoll sein. L-Design: Wie bereits erwähnt, muss insbesondere bei der Einordnung des Pull-Dienstes in den Gesamtauftritt des Produktes der logische Raum des Kunden berücksichtigt werden. Entsprechend dem zu erwartenden Ordnungsschema des Kunden ist die Sektion daher entweder in den persönlichen Bereich des Kunden oder in den Supportbereich einzugliedern. Der Interaktionsprozess selbst ist relativ einfach und durch ein entsprechendes, gut lesbares K-Design einfach nachzuvollziehen und bedarf daher nicht des Aufbaus neuen Wissens. K-Design: Voraussetzung für die Realisierung des Dienstes ist die Verwaltung und kontinuierliche Aktivierung der Vertragsinformationen und des aktuellen Bestellstatus. Die Realisierung des Push-Mechanismus beruht auf der Verwendung eines einfachen E-Maildienstes, der durch die Änderung des Status getriggert wird. Der Pull-Mechanismus gestattet den Zugriff auf die Statusinformationen sowie u. U. die Änderung der Vertragsdaten. Durch eine Abbildung der vertraglichen Regeln ist hier zu gewährleisten, dass Änderungen lediglich im gestatteten Umfang zugelassen werden. Idealerweise werden die Statusmeldungen aus den jeweiligen Produktions- und Liefersystemen abgeleitet. Dies erfordert die Integration und Konsolidierung der entsprechenden IKT-Infrastruktur.221 221 Dies kann insbesondere dann mit Aufwand verbunden sein, wenn am Abwicklungsprozess ver- schiedene unabhängige Parteien beteiligt sind. Etablierte Standards erleichtern jedoch die technische Integration der Systeme. Design Patterns für digitale Produkte 317 *** 1. 2. 3. 4. 5. •Leistungsumfang •Zahlungsbedingungen •Lieferbedingungen Abbildung E 2-57: Diagramm Transparente und effiziente Abwicklung222 *** Rational: Die Gestaltung dieser Szene steigert den Wert des Produktkontextes durch die Ausnutzung der Möglichkeiten der IKT, den Prozess(verlauf) abbilden, automatisch verfolgen und gegebenenfalls ändern zu können (s. Abschnitt C 1.3.1). Dadurch kann der Kunde sich jederzeit über den Status seines Auftrages informieren und gegebenenfalls sogar steuernd in den Prozessverlauf eingreifen. Die Protokollierung des Prozessverlaufes ermöglicht weiterhin die automatische Benachrichtigung des Kunden über zentrale Ereignisse innerhalb des Prozessverlaufs. Insgesamt steigt daher die Transparenz, die Flexibilität und auch die Bequemlichkeit des Abwicklungsprozesses und somit die Qualität dieser Szene, während die Unsicherheit und somit die Kosten des Kunden sinken. *** Verwandte Patterns: Diese Szene endet mit dem Erhalt des Produktes. Sie geht daher direkt in die Anwendungsphase resp. in die Nachbetreuung des Kunden über (Anwendungspatterns, Kundenbetreuungspatterns). Weiterhin bestehen hier für die Vermittlung des benötigten Wissens, wenn auch nur in beschränktem Masse, Verbindungen zu den Wissenspatterns. Zur weiteren Absicherung der Szene kann ein Treuhänder in den Prozess des Austausches Ware gegen Geld integriert werden (Online-Treuhänder). E 2.6.3 Treuhanddienst Kontext: s. Pattern Transparente und effiziente Abwicklung *** Problem: Insbesondere bei unbekannten Parteien, ist die Abwicklungsphase, d.h. der Tausch Geld gegen Ware, mit finanziellen Risiken verbunden. Der Kunde muss befürchten, dass er 222 Der Kunde kann sich jederzeit über den Status der Bestellung informieren und gegebenefalls auf die Verragsbedingungen Einfluss nehmen. 318 Entwicklung der Patternsprache seine Ware nicht erhält oder der Zustand der erhaltenen Ware nicht den Vereinbarungen entspricht, der Lieferant, dass er den vereinbarten Kaufbetrag nicht erhält. *** Beispiel: eBay.com, in dieser Szene wiederum als Transaktionsplattform betrachtet, vermittelt seinen Kunden die Nutzung der Dienste eines Online-Treuhänders, tradenable.com. Dieser fungiert als vertrauenswürdiger Dritter. Er nimmt den Rechnungsbetrag eines Kunden entgegen und leitet diesen jedoch erst dann an den Anbieter weiter, wenn die Ware gemäss den Vertragsbedingungen ausgeliefert wurde. Bei tradenable.com kann sowohl der Käufer als auch der Verkäufer den Leistungsaustausch starten. Beide Parteien müssen sich dazu zunächst beim Service registrieren. Zu Beginn der Transaktion loggt sich dann eine der Parteien auf der Service Site ein und gelangt nach Aktivierung eines Buttons mit dem bezeichnenden Namen „Start new transaction“ zu einem Online-Formular, in dem er um die Spezifikation der Vertragskonditionen gebeten wird. Nach der Bestätigung der eingegebenen Information durch den „Antragsteller“ wird automatisch eine Benachrichtigung an den Vertragspartner via E-Mail versandt. Dieser muss nun ebenfalls auf seinem Benutzerkonto, der sogenannten „QuickTrack“ Transaktionsliste, die Angaben bestätigten. Daraufhin wird der Kunde benachrichtigt und dazu aufgefordert, den Rechnungsbetrag an den Treuhänder zu übermitteln. Nach dem Eintreffen des Geldes wird der Anbieter dazu aufgefordert, die Ware an den Kunden zu liefern. Er ist dabei dazu verpflichtet, einen Dienst zu verwenden, der die Verfolgung der Ware gestattet. Die zugehörige „Tracing-Nummer“ ist an tradenable.com zu übermitteln. Nach dem Eintreffen der Ware bestätigt der Kunde ebenfalls auf der Web Site des Treuhänders den Erhalt der vereinbarten Ware. Der Treuhänder übermittelt dann den Rechnungsbetrag an den Anbieter. Ist der Kunde mit der erhaltenen Ware nicht zufrieden, so teilt er dies ebenfalls dem Treuhänder mit. Bei der Angabe der Gründe wird er durch ein Online-Formular unterstützt. Der Kunde sendet anschliessend das Produkt an den Anbieter zurück. Dieser inspiziert die Ware. Nach der Bestätigung des Rückerhalts der Ware in unverändertem Zustand wird der Rechnungsbetrag (nach Abzug der entstandenen Kosten) an den Kunden zurückversandt. EBay.com integriert diesen Prozess direkt in den Abwicklungsprozess seiner Auktionsplattform (s. Abbildung E 2-58). Wenn der Anbieter eines Produktes dazu bereit ist, einen Treuhänder in den Abwicklungsprozess einzugliedern, kann der Kunde direkt nach dem Abschluss der Transaktion den Treuhänderprozess starten. Er wird über einen Link auf eine Login-Seite geleitet, auf der er sich mittels seiner eBay-ID und seinem Passwort anmelden kann. Dem Kunden werden dann automatisch die Vertragsinformationen zur Durchsicht vorlegt. Hier entfällt somit der Schritt der expliziten Eingabe der vereinbarten Vertragskonditionen. Sie können direkt aus der Verhandlungsphase übernommen werden. Nach der Bestätigung oder Anpassung der Daten werden diese dann direkt an tradenable.com weitergeleitet. Besitzen die Kontrahenten noch kein Konto beim Treuhänder, so werden sie dazu aufgefordert, dieses zunächst anzulegen. Der weitere Prozess folgt dem zuvor beschriebenen Ablaufschema. Design Patterns für digitale Produkte 319 Abbildung E 2-58: Beispiel Integration eines Treuhandservices bei eBay.com, Zugriff 20.10.2001. *** Lösung: Biete dem Kunden einen effizienten und sicheren Treuhandservice, der als Zwischenstelle zwischen den Kunden und den Anbieter tritt und die ordnungsgemässe Vertragsabwicklung kontrolliert und gewährleistet. Der Prozess wurde bereits sehr ausführlich bei der Darstellung des Beispiels dargelegt. Die wesentlichen Gestaltungsparameter werden im folgenden mit der Theatermetapher beschrieben. Gegebenfalls wird an die bereits geleisteten Ausführungen verwiesen. O-Design: Beteiligte an dieser Szene sind der Kunde, der Anbieter und der Treuhänder. Der Kunde hat die Pflicht, den Rechnungsbetrag an den Treuhänder zu überweisen und den Erhalt der Ware zu bestätigen. Nach geleisteter Bezahlung hat er das Recht, die Ware zu den vertraglich festgelegten Konditionen zugesandt zu bekommen. Der Anbieter hat die komplementären Pflichten und Rechte der Auslieferung der Ware und des Erhalts des Geldes resp. der Rücknahme des unveränderten Produktes bei Unzufriedenheit des Kunden. Der Treuhänder übernimmt die Verwaltung des Geldes und je nach Verlauf der Transaktion dessen Weiterleitung an den Kunden oder an den Anbieter. I-Design: Der Ablauf des Prozesses wurde bereits im Beispiel ausführlich beschrieben. Bei diesem Prozess handelt es sich um einen sehr formalen und in seinen Abläufen fest vorgegebenen Prozess, der somit sehr gut auf einer elektronischen Plattform abgebildet und durch diese kontrolliert und gesteuert werden kann: So werden die beteiligten Parteien jeweils automatisch benachrichtigt und durch die Angabe der benötigten Informationen hindurchgeführt. Diese Szene schliesst sich an die Verhandlungsphase an, aus der alle Vertragsinformationen vorliegen. Dem Kunden ist somit die Arbeit zu erleichtern, in dem die bereits aufgenommenen Daten soweit wie möglich direkt übernommen werden und er diese lediglich bestätigen muss. 320 Entwicklung der Patternsprache Beim Treuhänder handelt es sich um einen weiteren Dienstleister, der dem Kunden in der Regel unbekannt ist. Der Kunde muss daher dabei unterstützt werden, diesen Service kennenzulernen und eine Einstellung auszubilden. Hier besteht somit eine Verbindung zu den entsprechenden Szenen der Überzeugungs- und v. a. der Entscheidungsphase. Durch den Prozess selbst wird der Kunde weitestgehend durchgeführt. Die Verständlichkeit des Services kann daher durch eine geeignete Schnittstellenbeschreibung gewährleistet werden (s. K-Design). Aufgrund des insbesondere für Endkunden hohen Neuigkeitsgrades dieses Prozesses erscheint eine kurze Erklärung der Abläufe dennoch als sinnvoll. In diese Szene gliedert sich somit ebenfalls eine Szene der Wissensvermittlung ein (idealerweise in Form einer Online-Demo), in der den beteiligten Parteien, bei Bedarf, die Abläufe erläutert werden. L-Design: Der Abwicklungsprozess unter Einbezug eines Treuhänders kann für den Kunden neu sein. Er ist jedoch nicht sonderlich komplex. Durch eine kurze erklärende Darstellung des Prozesses, kann das benötigte Wissen über die Abläufe schnell aufgebaut werden. Aufgrund des hohen Formalisierungsgrades der Szene kann der Kunde durch den Prozess und insbesondere durch das Ausfüllen der Formulare hindurchgeführt werden. Die verwendeten Begrifflichkeiten müssen auch hier mit dem zu erwartenden logischen Raum des Kunden übereinstimmen und insbesondere im Endkundenbereich von juristischer Fachtermini abstrahieren. K-Design: Die relativ formalen Prozesse können weitestgehend direkt auf der Plattform abgebildet und von dieser durchgesetzt werden. Die Interaktionsprozesse mit dem Kunden umfassen vorrangig das Ausfüllen von Formularen. Durch sprechende Bezeichner kann hier die Eingabe erleichtert und durch die Vorgabe und die Überprüfung von Attributwerten die möglichen Fehlerquellen reduziert werden (s. Patterns Form, Short Description, Choice form a Small Set, Choice from a Large Set, Forgiving Text Entry, Good Defaults in Tidwells (1999) Common Ground). Weiterhin stellt diese Szene besondere Anforderungen an die Sicherheit der Datenübertragung. Diese wird wiederum durch die Verwendung von Verschlüsselungsverfahren, in der Regel des SSL-Protokolls, gewährleistet. Über unverschlüsselte E-Mails dürfen somit lediglich Benachrichtigungen, nicht jedoch sicherheitskritische Informationen, selbst verschickt werden. Diese sind stattdessen von den jeweiligen Parteien über die Web Site des Treuhänders in der jeweiligen Passwort-geschützten Kundensektion direkt abzuholen resp. einzugeben. Ist der Treuhandservice in einen anderen Dienst eingebunden223, so sind die entsprechenden bereits aufgenommenen Vertragsdaten ebenfalls über gesicherte Datenleistungen direkt an den Treuhänder weiterzuleiten. Für eine einfache Integration in die Systeme des Treuhän- 223 Wie z.B. in einen Marktplatz, einen Online Shop oder ein Online-Auktionshaus. Design Patterns für digitale Produkte 321 ders ist ein Abgleich der Datenformate, idealerweise auf der Basis etablierter Standards, erforderlich *** Rational: Der Einsatz eines Treuhänders schützt sowohl den Kunden als auch den Anbieter vor finanziellen Verlusten. Dieser Dienst verursacht jedoch auch einen zusätzlichen Aufwand sowie weitere Kosten. Er eignet sich daher vor allem bei höherpreisigen Produkten. Der Aufwand kann insbesondere durch den Einsatz von Informationstechnologie und der dadurch ermöglichten Automatisierung der Abläufe reduziert werden. Vor allem die Integration dieser Szene mit der Verhandlungsszene mit der automatischen Übernahme der Vertragsinformation erhöht die Qualität dieser Szene und trägt zur weiteren Steigerung des Kundenwerts dieser Szene bei. *** Lieferung (3) Bestätigung (2) Geld (1) Geld (6) Bestätigung (5) Benachrichtigung (4) Treuhänder Abbildung E 2-59: Diagramm Treuhänder *** Verwandte Patterns: Diese Szene endet im positiven Fall mit der Auslieferung der Ware. Sie geht somit direkt in die Anwendungsphase resp. die Phase der Kundenbetreuung über. Wie in der Lösungsbeschreibung erläutert, fordert diese Szene gegebenenfalls den Aufbau neuen Wissens beim Kunden sowie die Ausbildung einer positiven Einstellung sowie von Vertrauen bezüglich des Treuhänders. In diese Szene sind somit Übergänge zu den Szene-Patterns der Wissensphase, der Überzeugungsphase und v.a. der Entscheidungsphase zu integrieren. Allerdings beziehen sich diese Szenen nicht auf das Produkt resp. dessen Anbieter, sondern auf den Treuhänder selbst, im Rahmen eines sekundären Theaterstücks. E 2.6.4 Online-Versicherung Kontext: Die Szene betrachtet die Zeit nach dem Erwerb des Produktes. Sie gliedert sich somit in die zweite Szene der Abwicklungsphase ein (s. Abwicklung abstrakt). Im Zuge des Vertragsabschlusses hat der Kunde eine Versicherung abgeschlossen oder allgemein das Recht zugesprochen bekommen, seine bereits erbrachten finanziellen Leistungen zurückzuerhalten, wenn bestimmte Vertragsbedingungen nicht eingehalten wurden. *** 322 Entwicklung der Patternsprache Problem: Der Kunde befindet sich nach Vertragsabschluss in der Situation, dass bestimmte Vertragsbedingungen nicht eingehalten wurden. Um seinen finanziellen Schaden zu minimieren, hat der Kunde eine Online-Versicherung abgeschlossen. Er ist nun daran interessiert, die bereits entstandenen Kosten so schnell und einfach wie möglich wieder auszugleichen. *** Beispiel: Wie bereits in den Entscheidungspatterns erläutert wurde, können die Versicherungsleistungen sowie die Abwicklung des Rückerstattungsprozesses vom Anbieter selbst oder von einer dritten Partei übernommen werden. eBay.com versichert seine Anwender vor finanziellen Verlusten, die als Folge eines Betrugsfalles entstehen. Um einen Betrugsfall handelt es sich dabei genau dann, wenn ein Käufer ein Produkt bezahlt hat und er dieses nicht erhält oder wenn der Käufer ein Produkt erhält, das nicht der Produktbeschreibung entspricht. Bei Eintreten eines Betrugsfalls kann sich der Kunde direkt an eBay.com wenden. In der Hilfesektion steht ihm dazu ein Online-Formular zur Verfügung, das ihn sukzessive durch den Prozess der Spezifikation des Betrugsfalls hindurchführt (s. Abbildung E 2-60). eBay.com tritt dann selbsttätig in Kontakt mit dem Anbieter der Ware und untersucht den Betrugsfall. Ist die Anzeige gerechtfertigt, so entschädigt eBay.com den Kunden um den entstandenen Kaufbetrag (bis zu einem bestimmten Höchstbetrag). Die Kommunikation zwischen den Beteiligten innerhalb der Untersuchung findet dabei primär auf E-Mail-Basis statt. Abbildung E 2-60: Beispiel Versicherung von eBay.com gegen Betrugsfälle, Zugriff 20.10.2001. Vor Initiierung des Betrugsverfahrens weist eBay.com den Kunden mehrfach auf alternative und zumeist auch schnellere Möglichkeiten zur Begleichung von Streitfällen zwischen Kunden und Anbietern hin. Diese reichen von einem einfachen direkten Ausdiskutieren des Design Patterns für digitale Produkte 323 Streitfalles zwischen den beiden Parteien bis zur kostenlosen Nutzung eines Online-Schiedsgerichtes (s. Online-Schiedsgericht). Viele Anbieter und insbesondere Shop-Betreiber nutzen die Versicherungsdienstleistungen von Dritten Parteien, wie dem „Trusted Shop“. Abbildung E 2-61: Beispiel eines Online-Versicherungsanbieters, Zugriff 20.10.2001. Er stellt zum einen ein Gütesiegel aus, das die Qualität von Online-Anbietern bezüglich deren Daten- und Liefersicherheit bezeugt. Weiterhin übernimmt er jedoch auch die Abwicklung von Versicherungsleistungen, d.h. hier die Durchsetzung einer Geld-Zurück-Garantie. Abgedeckt sind die finanziellen Verluste bei Nichteintreffen einer Ware, bei der Rücklieferung eines Produktes, das nicht den eigenen Anforderungen entspricht und bei Kreditkartenmissbrauch (s. Abbildung E 2-61). Tritt ein Versicherungsfall ein, so wendet sich der Kunde an diese dritte Partei. Den Einstieg findet er direkt auf der Homepage in der Verbraucher-Sektion. Dort meldet er sich mit seinem im Zuge des Abschlusses der Versicherung vergebenen Login-Namen und seinem Passwort beim Service an und erhält dann einen Überblick über seine bestehenden Garantieleistungen, aus denen er die betroffene Leistung auswählen kann. Durch das Ausfüllen eines Online-Formulars spezifiziert er den Versicherungsfall und beauftragt den Versicherungsdienstleister mit der Prüfung des Schadensfalls. Die Rechtmässigkeit des Anliegens wird untersucht und der entstandene finanzielle Verlust gegebenenfalls beglichen. *** Lösung: Ermögliche dem Kunden bei Eintreten eines versicherten Schadensfalles dessen schnelle und effiziente Überprüfung und Abwicklung. O-Design: Die primären Akteure dieser Szene sind der Kunde und der Versicherungsdienstleister. Der Kunde ist daran interessiert, seinen Schadensfall ohne grossen Aufwand 324 Entwicklung der Patternsprache abwickeln zu können. Die Pflicht des Versicherungsdienstleisters ist es, diesen Forderungen nachzukommen und die Interessen seines Mandanten bestmöglich zu vertreten. I-Design: Der Prozess der Versicherungsabwicklung beginnt mit dem Anmelden auf der Site des Versicherungsdienstleisters oder des Online Services. Durch eine geeignete Positionierung der Schadensregulierung in der Kundensektion oder einer besonders gekennzeichneten Sektion wird der Kunde direkt auf der Homepage zur entsprechenden Servicesektion geleitet. Nach dem Einloggen bestimmt er den Versicherungsfall. Um ihm die Auswahl zu erleichtern, ist ihm eine Liste aller versicherten Leistungen vorzulegen, aus der er den betroffenen Vertrag auswählen kann. Mit Hilfe eines Online-Formulars wird er dann durch die Spezifikation seines Versicherungsfalles hindurchgeführt. In diesem Formular muss deutlich und verständlich dargelegt werden, welche Angaben benötigt werden. Bereits bekannte Daten (aus der Vertragsvereinbarung) sind direkt in den Antrag zu übernehmen.224 Nach Abschluss der Eingaben kümmert sich der Versicherungsdienstleister selbständig um die Klärung des Falles. Bei Rückfragen tritt er mit dem Kunden – via E-Mail – in Kontakt. Der Prozess endet bei Eintritt des Versicherungsfalles mit dem Geldtransfer zum Kunden, im Ablehnungsfall mit einer Begründung, warum der Schadensfall nicht gedeckt ist. L-Design: Der Kunde wird weitestgehend durch den Prozess der Angabe des Schadensfalles hindurchgeführt. Die zu leistenden Einträge sind dabei am zu erwartenden Wissensstand des Kunden auszurichten und sollten somit kein Spezialwissen im Versicherungsbereich erfordern. Mögliche Unklarheiten sind durch kurze – optionale – Hilfetexte zu erläutern (s. Pattern Short Desciption in Tidwells (1999) Common Ground). Bei dieser Szene ist es weiterhin bereits im Vorfeld wichtig, dem Kunden die Garantieleistungen so darzulegen, dass er versteht, welche Fälle durch die Versicherung gedeckt sind und welche nicht. Dies geschieht jedoch bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. K-Design: Die Kommunikation zwischen Kunde und Versicherungsdienstleister beruht weitestgehend auf Online-Formularen oder E-Mail Kommunikation. Die Anforderungen an die Verständlichkeit wurden bereits im L-Design erläutert. Durch sprechende Bezeichner, Plausibilitätsüberprüfungen, Auswahllisten möglicher Einträge und die Ableitung abhängiger Variabelenbelegungen ist dem Kunden eine möglichst fehlerfreie Eingabe zu erleichtern (s. Patterns Form, Short Description, Choice form a Small Set, Choice from a Large Set, Forgiving Text Entry, Good Defaults in Tidwells (1999) Common Ground). Um, wie gefordert, Informationen aus den bereits vorliegenden Vertragsdaten übernehmen zu können, muss eine technische Verbindung zu den entsprechenden Systemen der Vertragsverwaltung etabliert werden. Weiterhin handelt es sich bei den im Zuge dieser Szene übermittelten Daten um vertrauliche Informationen. Die Übertragung muss daher durch den 224 Dies umfasst u.a. die Angaben über das Produkt, den Anbieter und den Empfänger. Design Patterns für digitale Produkte 325 Einsatz von Verschlüsselungsmassnahmen, in der Regel der Nutzung des SSL-Protokolls, gesichert werden. *** Kunde •Leistungsumfang •Zahlungsbedingungen •Lieferbedingungen ? Vermittler •Leistungsumfang •Zahlungsbedingungen •Lieferbedingungen Abbildung E 2-62: Diagramm Online-Versicherung Rational: Der Schutz vor finanziellen Verlusten ist Voraussetzung für eine auch langfristige Nutzung des Services. Eine Möglichkeit zu dessen Gewährleistung bieten Online-Versicherungen. Der Kundenwert dieser Zusatzleistung wird erhöht, indem die Abwicklung eines eintretenden Versicherungsfalls möglichst effizient und ohne grossen persönlichen Aufwand des Kunden abläuft. Weiterhin wirken sich insbesondere die Möglichkeit der Automation der Abläufe sowie der Übernahme vorhandener Daten aus der Verhandlungsphase positiv auf die Bequemlichkeit und die Effizienz dieser Szene aus. *** Verwandte Patterns: Dieses Pattern bildet den Abschluss einer Transaktion. Es gibt daher keine sich direkt daran anschliessenden Folgeszenen. Allerdings bestehen starke inhaltliche Abhängigkeiten zu der vorgelagerten Entscheidungsphase sowie der Verhandlungsphase, in denen die Versicherungsleistungen kommuniziert werden resp. die Versicherung abgeschlossen wird. E 2.6.5 Online-Schiedsgericht Kontext: Die Szene betrachtet die Zeit nach dem Erwerb des Produktes. Auch sie gliedert sich somit in die zweite Szene der Abwicklungsphase ein (s. Abwicklung abstrakt). *** Problem: Der Kunde befindet sich nach Vertragsabschluss in der Situation, dass bestimmte Vertragsbedingungen nicht eingehalten wurden: d.h. (1) das Produkt nicht geliefert wurde, (2) das Produkt nicht der Beschreibung durch den Anbieter entspricht, etc.. Eine Versicherung wurde jedoch nicht abgeschlossen. 326 Entwicklung der Patternsprache *** Beispiel: Um seinen Kunden, sowohl den Käufern als auch den Verkäufern, eine Möglichkeit zu geben, ihre Streitfälle schlichten zu können, kooperiert eBay.com mit einem OnlineSchiedsgericht, squaretrade.com. Abbildung E 2-63: Beispiel eines Online-Schiedsgerichtes integriert in eBay.com, Zugriff 15.10.2001. Dieser Service ermöglicht es gegnerischen Parteien, in einer gesicherten Umgebung ihren Streitfall zu diskutieren und im Idealfall zu einer Einigung zu gelangen. Der Prozess beginnt damit, dass eine der Parteien das Schiedsgericht anruft und zunächst den Streitfall aus ihrer Sicht darstellt. Dabei wird er mit Hilfe eines Online-Formulars bei der klaren Darlegung der Sachverhalte unterstützt (s. Abbildung E 2-63). Squaretrade.com tritt dann via einer automatisch generierten E-Mail in Kontakt mit der gegnerischen Partei und fordert diese dazu auf, zu diesem Fall Stellung zu nehmen. Auch er wird durch den Prozess der Darstellung seiner Sicht auf den Streitfall mit Hilfe der Instruktionen eines Online-Formulars hindurchgeführt. Beiden Kontrahenten steht dann ein passwortgeschützter Bereich zur Verfügung, in dem die Darstellung und der Gegendarstellung präsentiert werden und die beiden Parteien online ihre Standpunkte ausdiskutieren können. Gelingt es ihnen nicht, sich gütlich zu einigen, so können sie die Unterstützung eines Schlichters anfordern. Er versucht, zwischen den beiden Parteien zu vermitteln und zu einer Übereinkunft zu gelangen. squaretrade.com berichtet, dass diese Vermittlung in 80% der Fälle zu einem für beide Seiten befriedigenden Ergebnis gelangt. Bei diesem Schiedsgericht handelt es sich jedoch nicht um eine rechtliche Institution. Der Vermittler unterstützt lediglich die Einigung, kann jedoch keine rechtsgültigen Urteile sprechen. Im Business-to-Business Bereich ist es dagegen bereits heute in der Offline-Welt üblich, bei Vertragsabschluss ein Schiedsgericht festzulegen, dessen Urteil im Streitfall von beiden Parteien akzeptiert wird. *** Design Patterns für digitale Produkte 327 Lösung: Ermögliche es den Streitparteien in einer privaten, anderen unzugänglichen Umgebung, ihre gegenseitigen Positionen darstellen und ausdiskutieren zu können. Stelle ihnen weiterhin die Dienste einer neutralen Partei, d.h. eines Schlichters, zur Verfügung, der zwischen den beiden Parteien vermittelt und so die Konsensbildung beschleunigen kann. Auch diese Szene wird mit ihren wesentlichen Anforderungen an die Gestaltung im folgenden mit Hilfe der Theatermetapher spezifiziert. O-Design: Beteiligte an dieser Szene sind die beiden gegnerischen Parteien sowie gegebenenfalls ein Schlichter. Die beiden Parteien haben das Interesse, ihre Position zu verteidigen und mit einem möglichst geringen Aufwand ihren Streitfall zu klären. Ein eingeschalteter Schlichter hat die Aufgabe, schnell eine für beide Parteien akzeptable Einigung herbeizuführen. I-Design: Die Initiierung des Schlichtungsprozesses verläuft relativ formal und kann somit weitestgehend auf der Plattform abgebildet werden. Die eigentliche Aushandlung wird dann durch die Beteiligten selbst gesteuert und unterliegt keinen festgelegten Regeln. Beim Einbezug eines Schlichters übernimmt dieser die gezielte Steuerung des Prozesses, um möglichst schnell den angestrebten Zielzustand in Form eines beidseitigen Einverständnisses zu erreichen. Der Prozess beginnt mit der Darstellung des Streitfalles aus Sicht des „Klägers“. Um den Kunden bei einer vollständigen und klaren Darlegung seines Standpunktes zu unterstützen, ist der Kunde aktiv durch einen relativ stark formalisierten Prozess hindurchzuführen. Im nächsten Schritt wird die gegnerische Partei zur Stellungnahme aufgerufen. Auch sie wird mit Hilfe eines Formulars durch diesen Prozess hindurchgeführt. Auf der Grundlage der Darlegung der beiden Positionen können die beiden Parteien ihren Disput austragen. Dieser Prozess der Aushandlung wird lediglich durch das von beiden Seiten verfolgte Ziel in Form einer Einigung sowie durch allgemeine sozial etablierte Gesprächskonventionen gesteuert. Um diesen Prozess zu beschleunigen und festgefahrene Situationen aufzulösen, ist die Einbeziehung eines Schlichters häufig sinnvoll oder sogar unerlässlich. Dieser übernimmt dann auch die zielgerichtete Steuerung des Schlichtungsprozesses. Nach einer erfolgten Einigung kann das Ergebnis schriftlich festgehalten und von beiden Parteien bestätigt werden. Idealerweise bildet ein elektronischer Vertrag die Grundlage für den Schlichtungsprozess, der dann als Ergebnis um einen weiteren Passus ergänzt wird. Derartige Konzepte sind zwar in der Forschung angedacht, allerdings findet sich noch keine konkrete Umsetzung (s. (Runge 2000)). L-Design: Insbesondere die ersten Schritte des Prozesses sind durch einen hohen Formalisierungs- und Automatisierungsgrad gekennzeichnet. Die zu leistenden Angaben müssen daher für den Kunden verständlich und nachvollziehbar sein. Von der extensiven Verwendung juristischer Fachterminologie ist insbesondere im Endkundenbereich abzusehen. Die eigentliche Verhandlung fordert lediglich die Kenntnis der verwendeten Kommunikationsmittel, die jedoch weitestgehend vorausgesetzt werden kann, sowie ein gemeinsames Verständnis der gängigen Gesprächskonventionen. Bei Einbezug eines Schlichters übernimmt dieser die 328 Entwicklung der Patternsprache Gesprächsführung. Er bestimmt – im Einverständnis mit den beiden Streitparteien – die Regeln und kann Missverständnissen direkt im Gespräch begegnen. K-Design: Der erste Teil des Prozesses, die Darstellung der Sachverhalte aus den verschiedenen Blickwinkeln, ist sehr stark formalisiert und kann somit direkt auf der Plattform abgebildet werden. Durch sprechende Bezeichner, Plausibilitätsüberprüfungen, Auswahllisten möglicher Einträge und die Ableitung abhängiger Variablenbelegungen ist dem Kunden die möglichst fehlerfreie Eingabe zu erleichtern (s. Patterns Form, Short Description, Choice form a Small Set, Choice from a Large Set, Forgiving Text Entry, Good Defaults in Tidwells (1999) Common Ground). Die eigentliche Verhandlung beruht auf etablierten Technologien zur Online-Kommunikation, wie Chat und Online-Diskussionsforen, etc. Deren Nutzung sollte möglichst keinen intialen Installationsaufwand bei den teilnehmenden Parteien hervorrufen. Weiterhin werden auch in dieser Szene besondere Anforderungen an die Sicherheit der Datenübertragung gestellt, denen durch etablierte Mechanismen, wie die Verschlüsselung der ausgetauschten Botschaften sowie den passwortgeschützten Zugang zu den gemeinsamen Diskussionsräumen genüge getan wird. *** Kunde ? • Leistungsumfang • Zahlungsbedingungen • Lieferbedingungen Vermittler • Leistungsumfang • Zahlungsbedingungen • Lieferbedingungen Abbildung E 2-64: Diagramm Online-Schiedsgericht225 *** Rational: Viele Streitfälle können durch einfache Kommunikation, die Darlegung der gegensätzlichen Standpunkte und das Ausdiskutieren einer gemeinsamen Lösung beigelegt werden. Die Beteiligung einer neutralen dritten Partei unterstützt und beschleunigt den Einigungsprozess erheblich und erhöht somit die Qualität dieser Szene. 225 Schlichtung eines Streitfalles nach dem Vertragbruch, hier des Anbieters der Ware, unterstützt durch einen Vermittler. Design Patterns für digitale Produkte 329 Im Vergleich zum Einsatz von Versicherungen ist dieser Prozess in der Regel kürzer, erfordert jedoch einen höheren persönlichen Aufwand der streitenden Parteien. *** Verwandte Patterns: Im Falle der Einigung führt die Schlichtung zu einer Abänderung des Vertrages. Diese Phase führt somit auf der Grundlage eines neuen Vertrages zur Abwicklung desselben und somit zum Übergang zur ersten Subszene der Abwicklung über (Transparente und effiziente Abwicklung, Online-Treuhänder). E 2.7 Kundenbetreuung Dieser Abschnitt betrachtet die Gestaltung der Phase nach der erfolgreichen Abwicklung des Kaufvertrages, d.h. die Phase der Kundenbetreuung. In einem abstrakten Pattern werden zunächst die generelle Einordnung in den Kontext, die allgemeine Problemstellung, die generellen Gestaltungshinweise sowie die zu berücksichtigenden theoretischen Grundlagen für diese Szene zusammenfassend dargelegt. Die Ausgestaltung der jeweiligen Szene der Kunde-Produkt-Interaktion erfolgt dann wieder in den konkreten Szenepatterns. Abbildung E 2-65 gibt eine Übersicht über alle Patterns dieser Phase mit den zentralen Abhängigkeiten. Kunden betreuung Wissen Support Individuelle K.Betreuung Überzeugung Entscheidung Absicht Anwendung Community Abbildung E 2-65: Überblick Patterns der Kundenbetreuung E 2.7.1 Kundenbetreuung abstrakt Kontext: Diese Szene schliesst sich an den Abschluss und die Abwicklung des Kaufvertrages im Sinne des Austausches Ware gegen Geld an. Sie umfasst die Nachbetreuung des Kunden und schliesst im Idealfall den Kreis zu Wiederkäufen. *** Problem: Es ist in der Regel einfacher, einen bestehenden Kunden zu halten, als einen neuen Kunden zu akquirieren (s. z.B. (Sojek 2000) und (Kunz 1996)). Bestehende Kunden sind offener und aufnahmebereiter für Neuerungen des Anbieters, haben bereits eine generell positive Einstellung zum Anbieter und dessen Produkten entwickelt sowie ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut und verfügen über grundlegendes Anwendungswissen, auf das bei der Einführung eines neuen Produktes aufgesetzt werden kann. Bestehende Kunden sind daher auch leichter für Wiederkäufe zu gewinnen. Entscheidend für die Bindung ist neben der Aufrechterhaltung des Dialogs zwischen Kunde und Produkt die Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt selbst. Er muss daher bei der 330 Entwicklung der Patternsprache Anwendung des Produktes sowie insbesondere bei der Beseitigung von auftretenden Problemsituationen möglichst effizient unterstützt werden. *** Beispiel: s. Erläuterungen der konkreten Szenepatterns dieser Phase *** Lösung: Etabliere eine Beziehung zum Kunden. Unterstütze ihn optimal bei der Lösung der im Zuge der Anwendung des Produktes auftretenden Probleme. Etabliere und pflege den intensiven Dialog mit dem Kunden und lerne dadurch seine Bedürfnisse und seine Präferenzen besser kennen. Nutze dieses Wissen zur Verbesserung des eigenen Angebotes und steigere so die Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt (und dessen Folgeprodukten). Diese Bindung kann: 1. direkt, d.h. bilateral zwischen dem Kunden und dem Produkt / Anbieter, (s. Pattern individuelle Kundenbetreuung) oder 2. durch den Aufbau eines sozialen Umfeldes um das Produkt, im Sinne einer Interessen-Community, aufgebaut werden (s. Pattern Community). Die Supportleistungen sollten insbesondere bei rein digitalen Produkten direkt in die Anwendung des Produktes integriert werden und dabei die individuellen Bedürfnisse des Kunden mit berücksichtigen (s. Pattern Support). *** Abbildung E 2-66: Diagramm Kundenbetreuung226 *** Rational: Kundenbindung kann zum einen durch den intensiven – bilateralen – Dialog zwischen dem Kunden und dem Produkt resp. dessen Anbieter aufgebaut und gepflegt werden (Individuelle Kundenbetreuung). Dabei ist darauf zu achten, dass die Informationsversorgung für den Kunden mit wenig Aufwand verbunden ist (und somit der Kostenfaktor dieser Szene minimiert wird). Dies fordert das aktive Auftreten des Produktes / Anbieters unter Ausnutzung der Möglichkeiten der IKT (s. insbesondere Abschnitte C 1.3.1.6, C 1.3.1.7 und C 1.3.1.9). Andererseits darf dem Kunden die Informationsversorgung jedoch auch nicht als aufdringlich oder manipulierend erscheinen (s. Abschnitte C 2.2.1.2 und C 2.2.2.2). Der Kunde muss daher kontrollieren können, in welchem Umfang und in welcher Intensität er das Informationsangebot des Services wahrnehmen und den Dialog mit dem Anbieter auf226 Aufbau und Pflege der Kundenbindung. Design Patterns für digitale Produkte 331 rechterhalten möchte. Durch die Ausrichtung der Inhalte auf die Interessen und Bedürfnisse des Kunden kann der Kundenwert dieser Phase weiter gesteigert werden. Kundenbindung kann jedoch auch durch die Etablierung einer Community um das Produkt und die Integration des Kunden in diese Community erreicht werden (Community). Die Community formiert sich dabei um ein gemeinsames Interesse, das mit dem Produkt assoziiert ist oder durch das Produkt befriedigt wird. Die Community-Plattform fungiert als zentraler Treffpunkt zum Auf- und Ausbau von Wissen sowie zum sozialen Austausch unter den Community-Mitgliedern. Durch die sozialen Interaktionen innerhalb dieser Community können sich soziale Bindungen zwischen den Mitgliedern entwickeln, die den Kunden zunächst an die Community und schliesslich auch an das Produkt binden. Durch die Kommunikation innerhalb der Community wird weiterhin verborgenes Wissen freigesetzt, das von den Anbietern zur Verbesserung ihres Services genutzt werden kann. Neue Produkte können dadurch gewissermassen in der oder durch die Community entwickelt werden (s. Abschnitte C 1.3.3.1 und C 1.4.2). Zudem kann die Akzeptanz gegenüber Neuerungen und Erweiterungen des Produktes direkt innerhalb der Community getestet resp. im sozialen Dialog ausgebildet werden (s. Abschnitt C 2.2.2.2). Weiterhin ist in den Köpfen der Mitglieder eine Menge von Erfahrungswissen bzgl. des Umgangs mit dem Produkt gespeichert, das in der Kommunikation mit anderen Mitgliedern weitergegeben und ausgebaut werden kann. Somit kann die Community selbst einen Teil der Supportleistung für das Produkt übernehmen. Diese Punkte werden im entsprechenden Pattern Community noch im Detail erläutert. Ein weiterer entscheidender Faktor bei der Ausbildung einer Kundenbindung ist die Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt. Sie regt darüber hinaus eine positiver Mund-zuMund-Propaganda an und fördert somit die Diffusion im persönlichen Umfeld des Anwenders. Voraussetzung für die Zufriedenheit ist die zufriedenstellende Anwendung des Produktes sowie die schnelle Behebung etwaig auftretender Problemfälle (Support). Dabei ist darauf zu achten, dass sich die Hilfestellung an den konkreten Problemsituationen des Kunden sowie vor allem an dessen Wissenstand anpasst (s. Abschnitte C 2.2.1.5.2 und C 2.2.2.3), um das auftretende Problem gezielt und schnell beseitigen zu können *** Verwandte Patterns: Die Patterns der Kundenbetreuung tragen dazu bei durch den Aufbau und die Pflege eines bilateralen Dialoges zwischen Kunde und Produkt(anbieter) oder den Aufbau einer Community das Interesse am Produkt aufrechtzuerhalten und auszubauen und so eine Beziehung zwischen Produktanbieter und Kunde zu etablieren. Der Kunde wird dadurch zur wiederholten Anwendung des Produktes resp. des Online Services motiviert. Somit findet hier ein direkter Übergang zur Anwendungsphase statt. Im Zuge dieser Szene kann der Anwender weiterhin auf Neuerungen aufmerksam gemacht und bei der Ausbildung einer Einstellung gegenüber dem neuen Produkt oder auch einer bereits vorhandenen Kaufabsicht unterstützt werden. Diese Phase gliedert sich somit ebenfalls in die Awareness-, die Überzeugungs-, und die Entscheidungsphase ein und weist infolgedessen Übergänge zu den entsprechend nachfolgenden Phasen auf. 332 Entwicklung der Patternsprache Die Supportdienstleistung selbst findet im Zuge der Anwendung des Produktes statt und führt nach erfolgreicher Vermittlung des benötigten Wissens idealerweise wieder in die Anwendungsszene zurück. E 2.7.2 Support Kontext: Diese Szene gliedert sich in die Phase nach dem Erwerb des Produktes ein. Der Kunde besitzt das Produkt und muss bei dessen Anwendung möglichst gut unterstützt werden. *** Probleme: Trotz einer möglichst verständlichen und am zu erwartenden Kundenwissen ausgerichteten Benutzerschnittstelle treten im Zuge der Anwendung eines Produktes immer wieder Probleme auf. Die Zufriedenheit eines Kunden mit einem Produkt hängt dabei sehr stark von der problemlosen Anwendung des Produktes resp. der raschen Behebung auftretender Anwendungsprobleme ab. *** Beispiel: Dell.com stellt in einer speziellen Support-Sektion auf seiner Web Site umfassende Dienste zur Lösung von Anwendungsproblemen zur Verfügung. Um es den Kunden zu erleichtern, möglichst gezielt Antworten auf ihre Fragestellungen zu bekommen, ist die Sektion gemäss den generell möglichen Anliegen eines Hilfesuchenden in fünf Sektionen gegliedert: (1) „Fix It“ für die Lösung von Hard- und Softwareproblemen, (2) „Downloads“ für die Aktualisierung der Software, (3) „Wenden sie sich an uns“ zur Herstellung eines persönlichen Kontaktes zu Supportmitarbeitern oder aber anderen Kunden, (4) „Einführung“ mit allgemeinen Informationen, aktuellen Trends und technischen Tipps und (5) „Kundenservice“ mit nicht-technischen Anfragen über den Auftragsstatus oder das Kundenkonto.227 Hinter diesen Sektionen verbergen sich fünf zentrale Hilfedienste: 1. eine Wissensbank, die das Wissen der Techniker, des Kundenservices und der Kunden-Community widerspiegelt: Die Inhalte sind dort in Form einer FAQ-Liste gespeichert. Sie können mittels verschiedener Suchfunktionen gezielt abgerufen werden. 2. technische Dokumentationen und Spezifikationen verschiedener Systeme und Systemkomponenten. 3. kostenlose Erweiterungen und Updates der verschiedenen Systeme 4. e-Mail Beratungsservices 5. Diskussionsgruppen zu bestimmten Services. 227 Hier verschmelzen die Szenen der Abwicklung mit der Szene der Kundenbetreuung. Design Patterns für digitale Produkte 333 Die einzelnen Angebote entsprechen somit, bis auf die Downloads und die technischen Dokumentationen, den Wissensszenen aus Abschnitt E 2.4.228 Der Kunde hat weiterhin die Möglichkeit, sich „seine“ Supportseite individuell zusammenstellen zu lassen. Berücksichtigt werden hierbei (1) das erworbene Produkt und (2) das technische Vorwissen des Kunden sowie seine Präferenzen bezüglich des Erklärstils der Lösungen. Die angebotenen Informationen der verschiedenen Hilfedienste werden dann im Sinne einer Vorselektion auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten und in einer persönlic hen Sektion zusammengestellt (s. Abbildung E 2-67). Abbildung E 2-67: Beispiel für individualisierte Supportseiten bei dell.com (rechte Seite) und die Möglichkeit für deren einfache Konfiguration (linke Seite), Zugriff 15.10.2001. Wie bereits erwähnt, stellt auch eBay.com seinen Anwendern eine sehr ausführliche HilfeSektion mit verschiedenen Möglichkeiten zur Wissensvermittlung zur Verfügung. Für eine detaillierte Beschreibung sei hier auf die Ausführungen in Abschnitt E 2.4 verwiesen. Neben dieser zentralen Anlaufstelle, die von jeder Seite der Web Site aus zu erreichen ist, werden auch direkt am Ort des potentiellen Auftretens von Problemen Informationen zumeist in Form der dort am häufigsten gestellten Fragen, geliefert. Diese Integration von Anwendung und Supportleistung ist möglich, da es sich bei eBay.com um einen digitalen, in ein globales Netzwerk integrierten Service handelt. *** Lösung: Unterstütze den Kunden bei der schnellen und gezielten Bewältigung seiner während der Anwendung auftretenden Probleme im Umgang mit dem Produkt. Berücksichtige die speziellen Problemsituationen des Kunden sowie das zu erwartende Vorwissen bei der 228 Für den Support werden weiterhin die in Abschnitt E 2.6.2 erläuterten Möglichkeiten zur Verfol- gung des Status der Abwicklung angeboten. 334 Entwicklung der Patternsprache Strukturierung und Darstellung der Lösungen. Nutze weiterhin die Möglichkeiten digitaler Services, um die Lösungen möglichst direkt am Ort des Auftretens der entsprechenden Problemsituationen anzubieten und das Hilfsangebot auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten des Kunden zuzuschneiden. Bei der folgenden Darstellung der Szene wird weitgehend von den speziellen Möglichkeiten zur Wissensvermittlung abstrahiert. Sie wurden in Abschnitt E 2.4. ausführlich dargelegt. Stattdessen interessiert hier die Einordnung in den Anwendungskontext sowie die Strukturierung der Szene. Wie ebenfalls bereits in Abschnitt E 2.4 allerdings nur kurz erläutert, können hier zwei Grundkonstellationen unterschieden werden: 1. die Eingliederung der Unterstützungsfunktionen in die direkte Anwendung des Produktes und somit an den Ort des Auftretens der Problemsituation, 2. die getrennte Darstellung der Unterstützungsfunktionen in einer speziellen Support- oder Hilfesektion innerhalb der Web Site des Produktanbieters. Diese beiden Ausgestaltungsarten werden im folgenden nacheinander ausführlich mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben: O-Design: Die erste Szene gliedert sich direkt in die Anwendung des Produktes ein. Beteiligte sind somit der Kunde und das Produkt. Idealerweise sollte die Benutzerschnittstelle so gestaltet sein, dass der Kunde das Produkt ohne weitere Hilfe intuitiv richtig bedient. Für dennoch auftretende Probleme tritt das Produkt hier in der Rolle des Hilfeassistenten auf, der den Kunden bei der Überwindung möglicher Schwierigkeiten im Zuge der Anwendung des Produktes unterstützt. Idealerweise ist die Rolle des Kunden hier individualisiert, d.h. die individuellen Bedürfnisse und Kenntnisse des Kunden werden bei der Wissensvermittlung mit berücksichtigt. I-Design: In dieser Szene wird der Kunde mit einer Anwendungssituation konfrontiert, die er nicht selbständig lösen kann. Er wendet sich daher an das Produkt in der Rolle des Hilfeassistenten. Dieser zeigt ihm in möglichst wenigen Schritten einen Lösungsweg auf. Von den in Abschnitt E 2.4 dargelegten Arten der Wissensvermittlung eigenen sich hier vor allem die FAQs als schnellste, unaufwendigste und gezielteste Art der Wissensvermittlung sowie das etwas aufwendigere aber flexiblere persönliche Expertengespräch oder gegebenenfalls der Einbezug der (Hilfe-) Community. Demos erklären in der Regel umfassendere Fragenkomplexe und sind daher für die gezielte Unterstützung in einer konkreten Problemsituation weniger geeignet. Um die gezielte Problemlösung zu gewährleisten, muss beim Übergang in die jeweiligen Wissensszenen möglichst viel Information über den aktuellen Anwendungskontext berücksichtigt werden. Im Falle von FAQs oder der Einbettung in die Community bedeutet dies, dass dem Kunden lediglich die auf diese Situation passenden Fragen resp. Diskussionsgruppen präsentiert werden. In Beratungsgesprächen sollte sich der Kunde direkt an den entsprechenden Spezialisten wenden können. Nach erfolgreicher Wissensvermittlung wird der Kunde dann an die Stelle des Anwendungskontextes zurückgeführt, an der er diesen verlassen hat. Design Patterns für digitale Produkte 335 L-Design: Bei der Darstellung der Lösungen muss der logische Raum, d.h. insbesondere das Vorwissen des Kunden, berücksichtigt werden. Der Hilfsassistent muss sich dabei in die Problemsituation des Kunden hineindenken können. Insbesondere bei einem hohen Automatisierungsgrad sind die möglichen Problemsituationen im voraus zu identifizieren und die Lösungen in einer Sprache darzustellen, die für den Hilfesuchenden leicht verständlich ist. Wie bereits in Abschnitt E 2.4 erläutert, kann dies iterativ erreicht werden, indem die Community mit in den Erstellungsprozess der Hilfeseiten integriert wird.229 Weiterhin kann auch die Community selbst als Problemlöser eingesetzt werden. Eine Individualisierung der Kundenrolle, auch in bezug auf die angebotenen Hilfeleistungen, erhöht weiterhin eine gezielte Hilfestellung, sowohl was die Einschätzung möglicher Problemsituationen betrifft, als auch was die Darstellung der Lösung selbst anbelangt. K-Design: Die Integration der Hilfeszene in den Anwendungskontext erfolgt entweder durch einen Link auf die entsprechende Hilfesektion oder durch das Einrichten einer speziellen Hilfesektion innerhalb der Anwendungsszene.230 Im I-Design wurde weiterhin gefordert, dass sowohl bei der Auswahl des Hilfsangebots als auch bei der Darstellung der Lösungen sowohl der Anwendungskontext als auch das Wissen und die Kenntnisse des Kunden berücksichtigt werden. Dies erfordert eine geeignete Kategorisierung des Hilfsangebots sowie eine Verwaltung der Kundenprofile.231 In der zweiten Konstellation werden die Supportfunktionen in einer separaten Sektion angeboten. O-Design: Die Akteure dieser Szene sind wiederum der Kunde in der Rolle des Hilfesuchenden sowie das Produkt in der Rolle des Hilfeassistenten. Die Anforderungen des Kunden stimmen mit denen der ersten Szene überein. Die Rolle des Kunden ist auch in dieser Szene idealerweise individualisiert, d.h. die Auswahl der Problemsituationen und die Darstellung der Lösung wird auf die Präferenzen und das Vorwissen des Kunden ausgerichtet. I-Design: In dieser Szene ist der Kunde dabei zu unterstützen, möglichst schnell eine Lösung auf sein Problem zu finden. In einem ersten Schritt muss er die Problemsituation spezifizieren. Hierbei kann er durch eine geeignete Strukturierung des Problemraumes unterstützt werden, in dem die prinzipiell möglichen Problemsituationen dargestellt werden. Diese 229 Dabei werden die von Community-Mitgliedern gestellten Fragen protokolloliert und aufbereitet oder die Kunden gebeten, die angebotenen Lösungen nach ihrer Brauchbarkeit zu beurteilen. 230 Dadurch werden Anwender, die keine Hilfe benötigen, nicht bei der Anwendung des Produktes gestört (s. Pattern Helper Posture und Background Posture in Tidwells Common Ground (Tidwell 1999)). 231 Um die Aktionen des Kunden auf der Web Site mit seinem Profil in Verbindung zu bringen, muss sich der Kunde vor der Nutzung des Services zunächst anmelden. Die Verwendung von Cookies unterstützt dann die Assoziation zwischen Kundenaktion auf der Webseite und der Kundenidentität. 336 Entwicklung der Patternsprache Szene entspricht somit in ihrer Ausgestaltung der Szene automatischer Bedürfnis-Produkt-Abgleich, wobei das Bedürfnis aus der Problemlösung besteht. Die entsprechenden Aussagen über die Gestaltung der Interaktionsprozesse können daher direkt aus dieser Szene übernommen werden. Nach der Identifikation des geeigneten Wissensvermittlungsangebots erfolgt die eigentliche Problemlösung in Abhängigkeit von der ausgewählten Art der Wissensvermittlung. Für das I-Design der entsprechenden Szenen sei auf die ausführlichen Erläuterungen in Abschnitt E 2.4 verwiesen. Die geforderte Individualisierung der Hilfesektion bedarf der zuvorigen Aufnahme des Kundenprofils, das sowohl den Wissenstand als auch die persönlichen Präferenzen bzgl. des Erklärstils umfasst. Dabei handelt es sich um einen stark strukturierten und geführten Prozess, in dessen Verlauf die jeweiligen Angaben vom Kunden zu leisten sind (s. Registration). L-Design: s. erste Konstellation. K-Design: An das K-Design werden die üblichen Anforderungen an die übersichtliche Darstellung umfassender Informationen gestellt. Eine geeignete Strukturierung erleichtert das Auffinden der benötigten Wissensinhalte. Die Szene erfordert darüber hinaus die Aufnahme und die anschliesende Verwaltung eines Kundenprofils. Durch sprechende Bezeichner, Plausibilitätsüberprüfungen, Auswahllisten möglicher Wertebelegungen und die Ableitung abhängiger Variabelenbelegungen ist dem Kunden die effiziente und möglichst fehlerfreie Eingabe zu erleichtern (s. Patterns Form, Short Description, Choice form a Small Set, Choice from a Large Set, Forgiving Text Entry, Good Defaults in Tidwells (1999) Common Ground) *** ? Abbildung E 2-68: Diagramm Support *** Rational: Um die Zufriedenheit des Kunden zu gewährleisten, muss dieser bei der Anwendung durch das Produkt möglichst gut unterstützt werden. Dies stellt vorrangig Anforderungen an eine intuitive Benutzerschnittstelle. Dennoch auftretende Probleme müssen dann jedoch möglichst effizient gelöst werden. Um den Komfort dieser Szene zu steigern, ist die Art der Wissensvermittlung an die Bedürfnisse und insbesondere den Wissensstand des Kunden möglichst individuell anzupassen. Weiterhin kann bei digitalen Produkten im engeren Sinne die Wissensvermittlung in die Anwendungsszene integriert werden und dem Kunden somit die benötigte Hilfeleistung direkt am Ort des Bedarfs angeboten werden. Bei der von der Anwendung getrennten Wis- Design Patterns für digitale Produkte 337 sensvermittlung ist durch eine geeignete Strukturierung des Problemlösungsraumes ein schnelles Auffinden der benötigten Hilfsangebote zu gewährleisten. *** Verwandte Patterns: Diese Szene gliedert sich direkt in die Anwendung des Produktes ein. Idealerweise sollte sie daher den direkten Übergang zurück in den Anwendungskontext ermöglichen. Dies ist jedoch nur bei digitalen Produkten im engeren Sinne möglich. Weiterhin bestehen direkte Verbindungen zu den Wissensszenen, in denen die eigentliche Wissensvermittlung stattfindet (Wissenspatterns). E 2.7.3 Individuelle Kundenbetreuung Kontext: s. Kundenbetreuung abstrakt *** Problem: Jeder Kauf bringt eine gewisse Unsicherheit mit sich. Der Kunde fragt sich, ob er auch wirklich das richtige Produkt erworben hat. Neben den eigenen Erfahrungen mit dem Produkt stärken auch positive Information über das Produkt das Gefühl der Zufriedenheit mit dem Produkt. Zufriedene Kunden wirken dann auch häufig selbst als Multiplikatoren, die ihre positiven Erfahrungen im sozialen Umfeld verbreiten und somit die Diffusion des Produktes unterstützen. Weiterhin ist es bedeutend einfacher, einen bestehenden Kunden zu einem erneuten Kauf zu animieren, als einen neuen Kunden zu gewinnen (s. Kundenbetreuung abstrakt). Insbesondere durch das bereits geschaffene Vertrauen und das aufgebaute Produktwissen sinken die Kosten für künftige Interaktionsbeziehungen in der Awarenessphase, der Überzeugungsphase und der Entscheidungsphase von Nachfolgeprodukten. Der Aufbau einer Kundenbindung ist daher essentiell für den langfristigen Erfolg des Produktes und seiner Folgeprodukte. *** Beispiel: amazon.com bietet seinen Kunden die Möglichkeit, sich über einen Newsletter über Neuigkeiten informieren zu lassen. Dies umfasst (1) neue Angebote (einschliesslich Sonderaktionen), (2) Kundenbefragungen, (3) Informationen von Partnerunternehmen von amazon.com, (4) individuelle Produktempfehlungen und (5) Benachrichtigungen über Änderungen der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Sie werden regelmässig via E-Mail an die Kunden versandt. Der Kunde hat dabei die Möglichkeit, die Auswahl der ihm zugesandten Informationen jederzeit zu ändern. Dazu muss er lediglich die diesbezüglichen Präferenzen in seiner persönlichen Sektion auf der amazon.com Web Site ändern. Diese Sektion erreicht er ebenfalls direkt über einen Link am Ende jeder ausgesandten E-Mail. Informationen zu den Punkten 1, 2, 3 und 5 findet er ansonsten auch auf der amazon.com Homepage und zu Punkt 4 in der persönlichen Sektion des Kunden, zu der er über einen direkten Link auf der Homepage gelangt (s. Abbildung E 2-69). Auch eBay.com bietet seinen Kunden die Möglichkeit an, sich über einen Newsletter informieren zu lassen. Die Optionen werden ebenfalls in der persönlichen Sektion gesetzt und 338 Entwicklung der Patternsprache geändert. Die Inhalte stimmen im wesentlichen mit denen von amazon.com überein. Lediglich individuelle Produktempfehlungen werden nicht ausgesprochen.232 Abbildung E 2-69: Beispiel Kundenbetreuung bei amazon.com; Zusammenstellung der Benutzerpräferenzen (linke Seite) und Beispiel eines Newsletter-Beitrags (rechte Seite), Zugriff 15.10.2001. Neben diesem Push-Service bietet eBay.com in der privaten Kundensektion auch die Möglichkeit, sich selbst über Neuerungen zu informieren. Diese finden sich teilweise auf der Homepage des Services, aber vor allem in der persönlichen Sektion des Kunden. *** Lösung: Pflege den Kontakt mit gewonnenen Kunden. Informiere sie insbesondere über Neuigkeiten und nutze dabei die Möglichkeiten der Individualisierung. Erleichtere den Kunden die Informationsversorgung und gestattet es ihnen, selbst darüber zu entscheiden, in welcher Art und wie intensiv sie betreut werden möchten. O-Design. Die Beteiligten an dieser Szene sind wiederum der Kunde sowie das Produkt resp. dessen Anbieter. Der Kunde ist prinzipiell nicht abgeneigt, sich insbesondere über Neuerungen des Services, die seiner Interessenlage entsprechen, informieren zu lassen. Das Produkt / der Anbieter selbst hegt die Absicht, durch die Informationsversorgung, das Wissen über die Existenz des Produktes und das Interesse an dessen (wiederholter) Nutzung aufrechtzuerhalten oder den Kunden über Weiterentwicklungen zu informieren und ihn zu deren Erwerb zu motivieren. 232 Weiterhin ist es einem eBay.com Kunden nicht möglich, sich aus den Newslettern über Änderung der gesetzlichen Bestimungen entfernen zu lassen. Design Patterns für digitale Produkte 339 I-Design: Der Prozess besteht generell darin, dass der Anbieter dem Kunden Informationen zur Verfügung stellt und der Kunde diese aufnimmt. Dabei kann die Initiative vom Kunden oder vom Anbieter ausgehen. Im „Push-Modus“ übermittelt der Anbieter in regelmässigen Abständen Informationen an den Kunden, in der Regel via E-Mail oder mit der traditionellen gelben Post. Die Neuigkeiten sind auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden zuzuschneiden. Der Kunde bestimmt somit initial die Informationen, die ihn interessieren. Diese Präferenzen kann jedoch er in der Folge jederzeit ändern. Die Anmeldung beim Service erfolgt dabei in der Regel im Rahmen der Registrierung resp. des – ersten – Vertragsabschlusses zwischen Kunde und Serviceprovider. Sie ist jedoch auch im Zuge der Nutzung des Services, über einen entsprechenden Link auf der Homepage möglich. Die Änderung dieser Einstellung erfolgt innerhalb der persönlichen Sektion des Benutzers, die ebenfalls direkt über die Homepage zu erreichen ist. Weiterhin finden sich in jeder EMail Informationen darüber, wie man sich einfach aus dem Newsletter austragen lassen oder die eigenen Präferenzeinstellungen ändern kann. Im „Pull-Modus“ wird der Anbieter im Zuge der Nutzung des Services resp. bei der aktiven Kontaktaufnahme mit dem Produktanbieter auf Neuigkeiten aufmerksam gemacht. Hierzu findet er in einer besonders gekennzeichneten Sektion der Startseite des Services Hinweise auf etwaige Neuigkeiten. Weitere Informationen, die idealerweise auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind, befinden sich in der persönlichen Sektion des Kunden, die ebenfalls direkt von der Einstiegsseite aus zu erreichen ist.233 Der Anbieter hat nur bedingt Einfluss darauf, inwieweit ein Kunde die angebotenen Informationen aufnimmt: bei der Pull-Kommunikation durch die geeignete Plazierung und durch eine prägnante Darstellung der Informationen, bei der Push-Kommunikation ebenfalls durch eine prägnante Darstellung der wesentlichen Informationen. Weiterhin trägt die Individualisierung der Informationen zur Förderung der Aufmerksamkeit des Kunden bei. L-Design: Der logische Raum des Kunden ist bei der Formulierung der Inhalte aber auch bei der Positionierung der Neuigkeiten zu beachten. Um es dem Kunden zu ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über die Neuigkeiten zu verschaffen, müssen die zentralen Aussagen prägnant formuliert werden. Die zentrale Positionierung auf der Startseite oder innerhalb der persönlichen Sektion und die Bezeichnung der entsprechenden Rubrik mit einem „sprechenden“ Namen fördert die Aufmerksamkeit und zunächst auch nur das Auffinden dieser Informationen. Auch die Positionierung der Möglichkeiten zur Änderung der Präferenzen innerhalb der persönlichen Sektion des Kunden entspricht der zu erwartenden Logik des Kunden. 233 Weiterhin könnte auch bereits die Einstiegsseite auf den (wiederkehrenden) Kunden zugeschnitten werden (s. Pattern Personalize your Homepage in van Duyne et al.’s (2000) Design of Sites). Dies kann technisch durch den Einsatz von Cookies realisiert werden. 340 Entwicklung der Patternsprache K-Design: Der Forderung nach einer übersichtlichen und prägnanten Darstellung der Informationen kann dadurch nachgekommen werden, dass die Informationen auf eine verlinkte Liste abgebildet werden, in der lediglich die Kerninformationen direkt dargestellt werden und die näheren Ausführungen über die jeweiligen Verweise zu erreichen sind (s. Patterns Optional Detail on Demand und Hierarchical Set in Tidwells (1999) Common Ground). Der PushDienst wird auf der Basis eines E-Mail Dienstes realisiert. Die Individualisierung der Inhalte erfordert die Verwaltung der Kundenpräferenzen in einem Benutzerkonto. Die Inhalte entstammen zum einen den direkten Eingaben durch den Kunden, zum anderen aber den Profilinformationen, die sich durch die Protokollierung und Aufbereitung der Benutzeraktionen ableiten lassen. *** Abbildung E 2-70: Diagramm individuelle Kundenbetreuung234 *** Rational: Es ist einfacher, einen Kunden zu halten, als einen neuen Kunden zu gewinnen. Die durch den Produktkauf initiierte Beziehung zwischen dem Kunden und dem Anbieter muss daher gepflegt werden. Dies erreicht man durch die Integration in das normale Informationsverhalten des Kunden, d.h. seinen E-Mail Verkehr sowie durch die Integration in die Anwendung des Produktes, d.h. durch die Positionierung der Information auf der Homepage des Online Services oder aber in der persönlichen Sektion des Kunden. Die Individualisierung der Information steigert die Aufmerksamkeit und vor allem auch den Kundenwert des Informationsangebots und fördert somit deren positive Wirkung. Durch den Einsatz der Push-Kommunikation reduziert sich der Aufwand des Kunden, d.h. seine Informationskosten. Auch dies trägt zur Steigerung des Kundenwertes dieser Szene bei. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass der Kunde sich nicht durch die Information bedrängt, gestört oder bevormundet fühlt. Dies erreicht man zum einen durch die bereits angesprochene Ausrichtung der Information auf die Interessen des Kunden und zum anderen durch die Möglichkeit des Kunden, das Informationsangebot jederzeit und ohne grossen Aufwand an seine Wünsche anpassen zu können. *** 234 Das – positive – Bild des Produktes im Kopf des Kunden wird durch den intensiven Dialog aufge- frischt und die Bindung zum Produkt resp. dessen Anbieters gefestigt. Design Patterns für digitale Produkte 341 Verwandte Patterns: Dieses Pattern trägt zur Schaffung und Aufrechterhaltung der Awareness und der positiven Einstellung bezüglich eines Produktes bei. Der durch den Kauf etablierte Kundenkontakt kann weiterhin genutzt werden, um den Kunden auf neue (weiterführende) Leistungen aufmerksam zu machen und ihn zum Kauf oder zur erneuten Nutzung des Produktes oder dessen Nachfolgeprodukte zu motivieren. Diese Phase leitet somit zur Überzeugungs- oder Entscheidungsphase oder sogar direkt zur Verhandlungsphase über.235 Dieses Pattern integriert die Inhalte des Patterns Push Communication in Rossi et al.’s (2000) Patterns for E-Commerce Applications. E 2.7.4 Community Kontext: Auch diese Szene gliedert sich in die Phase nach dem Erwerb des Produktes ein. *** Problem: Wie bereits im Pattern individuelle Kundenbetreuung erläutert, ist es ein zentrales Anliegen des Produktes resp. des Anbieters innerhalb der Nachkaufphase die gewonnenen Kunden an den Service zu binden. Eine Möglichkeit besteht darin, den Kunden regelmässig auf das Produkt und insbesondere über diejenigen Neuigkeiten aufmerksam zu machen, die seiner Interessenlage entsprechen. Der kontinuierliche und idealerweise personalisierte Dialog fördert den Aufbau einer direkten Bindung zwischen dem Produkt und dem Kunden. Diese Grundlage der Kundenbindung wurde im Pattern individuelle Kundebetreuung umgesetzt. Eine Bindung zum Produkt kann jedoch auch durch dessen Verknüpfung mit einem sozialen Umfeld aufgebaut werden. Die mit einer etablierten Community verbundene soziale Identität kann dann genutzt werden, um die Kunden zunächst an die Community Site und schliesslich an das damit verbunden Produkt selbst zu binden. Der Aufbau und die Pflege einer Anwender-Community bringen jedoch noch weitere Mehrwerte für den Anbieter eines Produktes. Neben der Bindung des Kunden sind dies der Auf- und Ausbau des Anwendungswissens beim Kunden und damit auch eine Entlastung der Supportabteilung, der Aufbau von Wissen über den Kunden, die Anregungen für Verbesserungen des Produktes sowie die direkte Überprüfung oder Schaffung der Akzeptanz gegenüber den entsprechenden Neuerungen (s. Abschnitt C 1.3.3.2). Ein Kunde ist jedoch nur dann bereit, sich in einer Community zu engagieren, wenn er durch diese Teilnahme einen persönlichen Mehrwert erwarten kann. *** Beispiel: Eine der erfolgreichsten direkt produktbezogenen Communities ist die Community von eBay.com. Sie unterhält eine eigene Sektion innerhalb der eBay.com Web Site. Die Community dient dabei primär als Anlaufstelle für Personen mit den gleichen Interessen, die mit 235 Dabei sind die Hürden der Überzeugungs- und Entscheidungsphase bei Wiederholungskäufen auf- grund der Vertrautheit mit dem (Vorgänger-) Produkt und dessen Anbieter geringer. 342 Entwicklung der Patternsprache dem Aktionsservice von eBay.com assoziiert sind. So finden sich auf der Community-Plattformen Informationssektionen über die verschiedenen Arten zu ersteigernder Güter. Diese Sektionen umfassen allgemeine, von Spezialisten aufbereitete und stets aktualisierte Informationen über das jeweilige Interessengebiet sowie ausführliche Hinweise über die optimale Nutzung des Auktionsservices zur Ver- und Ersteigerung der interessierenden Produktkategorien. Hier wird daher direkt eine Verbindung zum Service-Angebot von eBay.com geschaffen. Innerhalb dieser Sektion bestehen die Community-Komponenten (1) aus der Möglichkeit jedes Teilnehmers, seine eigenen Ideen zu diesem Thema innerhalb dieser Sektion zu publizieren, und (2) aus einem Link auf das thematisch zugehörige Online-Forum. Abbildung E 2-71: Beispiel Community bei eBay.com; Übersicht über die verschiedenen Discussion Boards und Ausschnitt aus einer Diskussionsrunde, Zugriff 15.10.2001. Im Zentrum der Community Site stehen jedoch eine Reihe von themenspezifischen Diskussionsforen, in denen sich die Community-Mitglieder austauschen können. Diese Foren beziehen sich, wie soeben erläutert, auf bestimmte Interessengebiete, d.h. Produktkategorien, aber auch auf Probleme bei der Anwendung des Dienstes sowie auf Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Dienstes und der Community-Plattform (s. Abbildung E 2-71). Über diese Foren können die Community-Mitglieder somit Anwendungs- und vor allem Problemlösungswissen austauschen und weiterhin gezielt auf die Gestaltung des Services Einfluss nehmen. Durch die Kombination verschiedener Wissensblöcke wird neues Wissen aufgebaut. Die Kommunikation in Chatforen regt dabei die Kreativität des Einzelnen an. Es werden Ideen bezüglich möglicher Neuerungen generiert und deren Akzeptanz innerhalb der Comunity sogleich getestet oder im Zuge der sozialen Interaktion aufgebaut. Neben diesen Foren werden sogenannte „Community Events“ angeboten, die zumeist der Weiterbildung dienen. Sie umfassen Online Workshops und Online-Seminare, in denen sich die Community-Mitglieder bestimmtes Wissen aneignen können. Dieses Wissen bezieht sich Design Patterns für digitale Produkte 343 wiederum primär auf die optimale Anwendung der Auktionsplattform. Die CommunityMitglieder haben dabei die Möglichkeit, sich selbst zu engagieren und derartige Workshops in eigener Regie anzubieten und durchzuführen. Weiterhin kann sich jedes Mitglied selbst in einer persönlichen Homepage darstellen. Diese ist jedoch nur für diejenigen Mitglieder zugänglich, die aktuell an einer Auktion mit dem jeweiligen Community-Mitglied teilnehmen. Offen sichtbar ist für jedes Mitglied dagegen das Community Rating der Mitglieder sowie die Dauer ihrer Mitgliedschaft. Dies erleichtert anderen, insbesondere neuen Mitgliedern eine erste Einschätzung ihres Gegenübers. Innerhalb der Community nehmen auch Mitarbeiter von eBay.com selbst teil. Sie engagieren sich vor allem in den Hilfe-Foren, in denen sie offene Fragen beantworten. Um die Transparenz zu bewahren und somit die eBay-Mitarbeiter von den anderen Mitgliedern unterscheiden zu können, werden sie durch ein bestimmtes Icon gekennzeichnet. Auch Dell.com bietet seinen Kunden die Möglichkeit, sich in Chatforen auszutauschen. Diese Foren dienen dabei vorwiegen der gegenseitigen Hilfestellung bei der Anwendung der gekauften Produkte. Während alle Kunden daran interessiert sind, das Wissen anderer Kunden zu nutzen, ist der Anreiz, selbst zum Wissensaufbau und zur Problemlösung anderer beizutragen, nur bei einem gewissen Involvement mit dem Produkt resp. der Problemlösung gegeben. Daher stammen auch viele der Antworten von Dell-Mitarbeitern selbst. Amazon.com bietet den Kunden die Möglichkeit, eine eigene soziale Umgebung um das Produkt aufzubauen. Diese Communities formieren unter dem Namen „Friends & Favorites“. Dabei kann jeder Kunde andere Kunden, denen er bezüglich deren Interessen und Einstellungen ähnlich ist, zur Menge seiner „Favoriten“ hinzuzufügen. Er wird dann informiert, wann immer diese einen Review oder eine Empfehlung publizieren. Die entsprechenden Informationen finden sich in einer speziellen persönlichen Sektion, der „About You“ Area, des Kunden. In dieser Sektion kann der Kunde auch persönliche Informationen, wie seine E-Mail Adresse oder auch eine Liste der von ihm gekauften Artikel einschliesslich deren Bewertung darstellen. Diese sind jedoch lediglich seinen „Freunden“ zugänglich. Auch er hat ausschliesslich Zugang zu den persönlichen Informationen derjenigen Teilnehmer, die ihn dazu aufgefordert haben, ihr „Freund“ zu sein. Innerhalb dieses Freundschaftsnetzes werden Kunden automatisch darüber informiert, wenn ein Freund einen neuen Kauf getätigt (und kommentiert) hat. Direkte Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Community-Teilnehmern sind jedoch nicht auf der Plattform integriert. *** Lösung: Schaffe eine Plattform, auf der sich die Anwender-Community treffen und austauschen kann. Ermögliche den Teilnehmern die Realisierung von Mehrwerten persönlicher, sozialer, psychologischer und ökonomischer Art, um die Bindung der Teilnehmer an die Community zu initiieren und auszubauen. Die genaue Ausgestaltung dieser Szene wird im folgenden mit Hilfe der Theatermetapher beschrieben. 344 Entwicklung der Patternsprache O-Design: Die zentralen Akteure dieser Szene sind die Mitglieder der Community. Weiterhin können sich auch Spezialisten und Vertreter des Produktes innerhalb der Community engagieren. Die Mitglieder haben das Interesse, ihren Wissensstand auf- und auszubauen, soziale Kontakte aufzubauen und zu pflegen, sich innerhalb der Community zu etablieren und gegebenenfalls auf die Weiterentwicklung des Produktes und der Community einwirken zu können. Die Vertreter des Produktes müssen die Community-Mitglieder möglichst gut bei der Erreichung ihrer Ziele unterstützen. Sie übernehmen zum einen die Rolle des Spezialisten und Wissensvermittlers und zum anderen die des Community-Managers, der für eine geeignete Strukturierung des Angebots, die Bereitstellung und Pflege der Kommunikationswerkzeuge sowie in begrenztem Ausmass die Aufstellung und Einhaltung von Regeln verantwortlich ist. I-Design: Die Prozesse orientieren sich an den Zielen, welche die Teilnehmer mit dem Besuch der Community (-Plattform) erreichen möchten. Diese umfassen primär den Wissensaufbau, die gegenseitige Unterstützung bei der Anwendung des Services und die Einflussnahme auf die Gestaltung der Community und des Services. Der Auf- und Ausbau des gemeinsamen Wissens wird (1) durch die Bereitstellung von redaktionell aufbereitetem und stets aktualisiertem Informationsmaterial, (2) durch die Diskussion mit anderen Teilnehmern gleichen Interesses sowie (3) durch Informationsveranstaltungen und Online Workshops oder Schulungen von Spezialisten unterstützt. Dabei können sich auch die Community-Mitglieder selbst engagieren und derartige Veranstaltungen in eigener Regie durchführen. Dies bietet ihnen eine Möglichkeit, ihren Expertenstatus innerhalb der Community auf- und auszubauen Für die gegenseitige Unterstützung bei der Anwendung des Services sind diesbezügliche Diskussionsrunden zu etablieren. Um den Problemlösungsprozess zu beschleunigen, nehmen an diesen Diskussionen auch Vertreter des Produktes in der Rolle des Spezialisten teil. Schliesslich werden weitere Diskussionsrunden über Gestaltungs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten etabliert, die es der Community gestattet, Einfluss auf die Weiterentwicklung der Community Site aber auch des Produktes zu nehmen. Auch diese Foren bedürfen der Teilnahme von Produktvertretern, allerdings vorrangig in der Rolle des Zuhörers. Sie nehmen die Vorschläge auf und sind für ihre Umsetzung verantwortlich. Die Interaktion innerhalb der Diskussionsgruppen unterliegt nur wenig festgelegten Regeln. Grundsätzliche Verhaltensregeln werden in einem Verhaltenskodex der Community festgeschrieben. Sie decken sich dabei in der Regel mit allgemeinen, sozial etablierten Gesprächskonventionen. Diese Regelungen können jedoch nur bedingt durch die Plattform durchgesetzt werden. Eine Protokollierung und Filterung der ausgetauschten Nachrichten kann lediglich das Aufdecken von Verstössen erleichtern. Auf der organisatorischen Ebene können die Verhaltensregeln zusätzlich durch das Einsetzen eines Moderators kontrolliert werden. Design Patterns für digitale Produkte 345 Zumeist ist jedoch eine Kontrolle durch die Community selbst am effektivsten, die eine Zuwiderhaltung mit entsprechenden Reaktionen bestraft.236 Einen direkteren Einfluss auf die Steuerung der Interaktionsprozesse hat der Kunde bei angebotenen Weiterbildungsmassnahmen sowie auch bei der Gestaltung des Informationsangebotes. So werden die Verhaltensregeln im Zuge spezieller Weiterbildungsveranstaltungen durch den Veranstalter festgelegt und durchgesetzt. Bei der Darstellung von Informationsangeboten wird der Interessent durch die Verlinkung der einzelnen Informationsseiten durch das Angebot hindurchgeführt. Die Vertreter des Produktes in der Rolle des Community-Managers unterstützen die Interaktionsprozesse somit durch die Bereitstellung der Technologie sowie durch die geeignete Strukturierung der verschiedenen Angebote, die das zielgerichtete Agieren auf der Community-Plattform erleichtern. Die aktive Teilnahme an der Community bedarf in der Regel der vorherigen Registration resp. Anmeldung. Für die entsprechende Szenengestaltung sei auf das Pattern Registration verwiesen. Im Rahmen dieser Registration werden dem neuen Teilnehmer die CommunityRegeln kommuniziert. Die Anmeldung der Teilnehmer ermöglicht dem Servicebetreiber die Sammlung und Aufbereitung von Kundendaten. Da dies mit Gefahren für den Schutz der Privatsphäre verbunden ist, sind an dieser Stelle Hinweise auf entsprechende Risikominderungsmassnahmen zu kommunizieren (Übergang zur Entscheidungsszene). Bei einer geeigneten Strukturierung bedarf das Agieren innerhalb der Community Site nicht des expliziten Aufbaus von neuem Wissen beim Kunden. Auch die Bedienung der Kommunikationswerkzeuge sollte durch deren bereits hohen Verbreitungsgrad sowie durch eine intuitive Schnittstellengestaltung weitestgehend intuitiv erfolgen. Um dennoch auftretenden Unsicherheiten bei der Anwendung schnell begegnen zu können, ist auch in diese Szene ein kurzes Lehr- oder Problemlösungsangebot in den Service zu integrieren (Übergang zur Wissensszene). Schliesslich sollte den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben werden, sich in einer eigenen Sektion selbst darstellen zu können, über die sie anderen ein durch sie gestaltetes Bild von sich selbst vermitteln können. Durch einen stark geführten Prozess sollte es auch Laien möglich sein, auf einfache und unaufwendige Art und Weise ihre persönliche Sektion zu erstellen.237 236 Letztendlich muss aber auch hier der Community-Manager aktiv werden und störende Teilneh- mer gegebenefalls aus der Community ausschliessen. 237 Durch die Integration eines Ratingmechanismus kann weiterhin ein „Community-Profil“ aufge- baut werden, dass die Meinung der anderen Teilnehmer über den Einzelnen widerspiegelt und insbesondere neuen Mitgliedern hilft, sich schnell ein erstes Bild von der Stellung des jeweiligen Mitgliedes innerhalb der Community zu machen. Diese Bewertung ist besonders wichtig, wenn die Community-Mitglieder, finanzielle Geschäfte treiben, wie dies bei einer Auktionsplattform wie eBay.com der Fall ist. 346 Entwicklung der Patternsprache L-Design: Um die Community-Dienstleistungen nutzen zu können, muss sich der Anwender zunächst auf der Site zurechtfinden. Die Navigationsstruktur muss daher mit den logischen Strukturen des Kunden übereinstimmen. Kurze Erläuterung erleichtern das rasche Zurechtfinden innerhalb der Site-Struktur (s. Pattern Short Description in Tidwells (1999) Common Ground). Der Umgang mit den Kommunikationsmöglichkeiten kann weitgehend als bekannt vorausgesetzt werden. Sprechende Bezeichner und optionale Hilfetexte erleichtern die Anwendung zusätzlich (s. Patterns Optional Detail On Demand und Short Description in Tidwells (1999) Common Ground). Weiterführende Hilfestellungen sollten lediglich optional angeboten werden, um bereits mit der Technologie vertraute Kunden nicht zu stören (s. Pattern Helper Posture und Background Posture in Tidwells (1999) Common Ground). Die Einhaltung der Gesprächskonventionen kann nur bedingt technisch oder organisatorisch durchgesetzt werden. Das Wissen über diese Konventionen muss daher in den Köpfen der Mitglieder implementiert sein (oder werden). Da diese Regeln mit den allgemeinen Gesprächskonventionen weitestgehend übereinstimmen, sollte dies keinen grossen Lernaufwand induzieren. Eine Informationsseite mit den wesentlichen Regeln im Zuge der Registrierung erscheint ausreichend. Ansonsten erfolgt das Erlernen der Regeln durch die Beobachtung der Community-Mitglieder resp. durch deren positive oder negative Reaktion auf das eigene Verhalten.238 K-Design: Diese Szene stellt besondere Anforderungen an die zur Verfügung gestellten Kommunikationswerkzeuge. Sie müssen von den Teilnehmern ohne zuvorige Installation spezieller Software oder die Aufrüstung ihrer Hardware nutzbar sein. Die Anforderungen an intuitiv nutzbare Schnittstellen und eine klare Strukturierung wurden bereits im Zuge des L-Designs erläutert. Ermöglicht die Community private Diskussionsgruppen, die für andere Mitglieder nicht zugänglich sind, so ist die Sicherung dieser Privatsphäre durch geeignete Massnahmen, wie einen Passwortschutz der entsprechenden Sektion, zu gewährleisten. *** Rational: Gelingt es, eine Interessen-Community um ein Produkt zu etablieren, so kann die damit verbundene soziale Identität genutzt werden, um die Kunden zunächst an die Community Site und schliesslich an das damit verbunden Produkt zu binden. Weiterhin befindet sich innerhalb der Kunden-Community eine Menge von Wissen über die Anwendung des Produktes, über mögliche Problemsituationen und deren Lösungen sowie insbesondere über die Vorlieben und Präferenzen ihrer Mitglieder. Es gestaltetet sich jedoch häufig schwierig, dieses Wissen aus den Köpfen der Kunden zu „extrahieren“. Das Wissen offenbart sich jedoch indirekt in der Kommunikation der Community-Mitglieder untereinander. Es kann dann genutzt werden, um den Service an die Bedürfnisse der Community 238 S. Abschnitt C 2.2.2.2 über soziales Lernen und Abschnitt C 2.2.1.5.1 über die operande Konditionierung. Design Patterns für digitale Produkte 347 anzupassen und auf diese Weise den Kundenwert und somit auch die Zufriedenheit des Kunden zu erhöhen. Weiterhin kann auch ein Teil der Support-Leistungen an die Community „outgesourced“ werden. Der Kunde wird sich jedoch nur dann an einer Community beteiligen, wenn diese ihm einen Mehrwert bringt. Dieser Mehrwert kann auf der Befriedigung persönlicher, psychologischer, sozialer oder ökonomischer Bedürfnisse beruhen: Eine Community formiert sich auf der Grundlage eines gemeinsamen Interesses. Der Einzelne ist daher daran interessiert, durch die Teilnahme an gemeinsamen Diskussionsforen sein Wissen auf- und ausbauen zu können. Dies motiviert ihn zur Nutzung der Community als Informationsquelle (persönlicher Mehrwert). Der soziale Mehrwert beruht auf der Möglichkeit zum sozialen Austausch innerhalb der Gemeinschaft und der sich dadurch ausbildenden sozialen Bindungen zwischen den Mitgliedern. Die Community entwickelt im Idealfall eine eigene Identität und bildet eine neue Bezugsgruppe für ihre Teilnehmer. Durch die Teilnahme an Community-Aktivitäten kann sich der Einzelne innerhalb der Community etablieren und seine dortige Stellung ausbauen (psychologischer Mehrwert). Durch sein Engagement in der Community kann er weiterhin einen Einfluss auf die Gestaltung der Community sowie insbesondere auf die Gestaltung und Weiterentwicklung des Produktes nehmen. Dies erhöht den Wert der Community Site resp. des Produktes, die sich dadurch beide besser an den speziellen Bedürfnissen der Teilnehmer / Kunden ausrichten können (persönlicher und ökonomischer Mehrwert). Die – soziale – Akzeptanz etwaiger Neuerungen kann dann ebenfalls gleich in der Community getestet resp. ausgebildet werden. *** Produktvertreter Spezialisten Wissensaufbau ... Anpassung der Services Support Anwender Community-Mitglieder Abbildung E 2-72: Diagramm Community *** Verwandte Patterns: In dieser Szene wird unter anderem Problemlösungswissen in bezug auf die konkrete Anwendung vermittelt. Das so erworbene Wissen sollte insbesondere bei einem 348 Entwicklung der Patternsprache Online Service direkt angewendet werden können. Somit ergibt sich hier ein Übergang in die entsprechende Anwendungsszene. Weiterhin versucht der Anbieter hier durch die Integration von Informationen über sein Angebot oder über Neuerungen das Interesse der Community-Mitglieder aufrechtzuerhalten resp. zu wecken. Diese Szene ist somit auch der Awarenessphase zuzuordnen und richtet sich dabei an bereits gewonnene Kunden. Die Diskussion von Ideen innerhalb der Community wirkt sich zudem auch auf die Einstellung der Kunden aus. Insofern gliedert sich diese Szene ebenfalls in die Überzeugungs- und Entscheidungsphase ein. Wie beim Pattern individuelle Kundenbetreuung besteht hier somit ein Übergang zu den Phasen der Überzeugung, Entscheidung oder direkt der Verhandlung oder Anwendung. Etwaige Wissensdefizite in bezug auf die Anwendung der Community-Plattform bedingen einen Übergang zur Wissensphase, Unsicherheit bzgl. des Schutzes privater Daten den Übergang zur Entscheidungsphase. F Zusammenfassung und Ausblick In diesem abschliessenden Kapitel werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengestellt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Darlegung der Besonderheiten der entwickelten Patternsprache für digitale Produkte im digitalen Wirtschaftsraum. Eine Forschungsarbeit ist nie wirklich beendet, sondern motiviert spezialisiertere Fragestellungen und mögliche Weiterentwicklungen. Diese werden zum Abschluss des Kapitels erfasst und sollen zu weiterführenden Arbeiten anregen. F 1 Ergebnisse Hauptziel dieser Arbeit war die Entwicklung einer Patternsprache zur Unterstützung des Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum. Diese Zielsetzung wurde in einem zweistufigen Ansatz erfüllt, bei dem zunächst eine Metasprache sowie ein Vorgehensmodell zur Instanziierung dieser Metasprache (s. Kapitel E 1) und anschliessend die Patternsprache selbst entwickelt wurde (s. Kapitel E 2). Auch die abgeleiteten Forschungsziele konnten in dieser Arbeit erreicht werden (s. Abschnitt A 3): • Konkretisierung des Verständnisses des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum: Als Ausgangspunkt und zentrale Grundlage dieser Arbeit wurde in Teil B der Begriff des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschafsraum definiert sowie dessen Bedeutung in einer im zunehmendem Masse digitalisierten Wirtschaft herausgearbeitet. Dabei wurden zunächst die beiden Seiten resp. Sichten auf das Produkt unterschieden, die beim Design eines Produktes berücksichtigt werden müssen: die Sicht des Kunden und die Sicht der Produktion. Aus der Sicht des Kunden muss das Produkt sowohl die funktionalen Anforderungen im Sinne der Befriedigung eines Kundenbedürfnisses, als auch seine Funktion als Zeichen erfüllen. Die funktionalen Anforderungen bezieht sich dabei nicht nur auf das Produkt selbst, sondern auch auf den gesamten Anwendungskontext, vom Erwerb des Produktes, über die Anwendung und die Nachbetreuung. In der Zeichenfunktion muss das Produkt lesbar sein, sowohl was seine Funktionsweise aber vor allem auch was seine Bedeutung (im sozialen Umfeld) sowie seine Einordnung in sein Anwendungsumfeld anbelangt. Voraussetzung für den Erfolg eines Produktes ist somit nicht nur die optimale Ausrichtung des Produktes und des Anwendungskontextes auf das Bedürfnis des Kunden, sondern in einem ersten Schritt auch der Aufbau von Wissen über das Produkt beim Kunden. Er muss das Produkt und seine Bedeutung kennen und verstehen, um das Produkt erwerben zu wollen und im Anschluss daran richtig anwenden zu können. Diese Wissensvermittlung, die Implementation II, kann dabei sowohl durch die Kommunikation über das Produkt als auch durch die Kommunikation durch das Produkt selbst erfolgen. Schliesslich wurde argumentiert, dass durch die Einbettung eines digitalen Produktes in einen digitalen Wirtschaftsraum alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion vom Aufbau des Wissens 349 350 Zusammenfassung und Ausblick über das Produkt über den Erwerb bis zur Anwendung des Produktes in digitalen Interaktionsräumen abgebildet werden können. Dies führte zur Definition des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte im digitalen Wirtschaftsraum: einem Design, das auf die Optimierung des Kundenwertes des Produktes (und seines Anwendungskontextes) ausgerichtet ist, das alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion umfasst und dabei die beiden Aspekte eines Produktes als Funktion und als Zeichen berücksichtigt. • Bestimmung der Charakteristika digitaler Produkte: Zentral für das Design digitaler Produkte war das Verständnis der Besonderheiten digitaler Produkte und des digitalen Wirtschaftsraumes, in den sie eingebettet sind. In Kapitel C 1wurde daher, nach einer ausführlichen Übersicht über gängige Definitionen und Kategorisierungsschemata, zunächst das in dieser Arbeit zugrundegelegte Begriffsverständnis festgelegt. Im Anschluss daran wurden die Charakteristika digitaler Produkte und deren Auswirkungen insbesondere aus der Sicht des Kunden herausgearbeitet. Als das zentrale Gütekriterium des kundenzentrierten Designs wurde schliesslich der Kundenwert eines Produktes genau definiert und untersucht, wie dieser Wert speziell bei digitalen Produkten erhöht werden kann. • Bestimmung des Anwendungskontextes digitaler Produkte: Bei der Definition des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte wurde gefordert, dass alle Phasen der KundeProdukt-Interaktion berücksichtig werden. In Abschnitt C 2.1 wurde daher genau dieser Anwendungskontext definiert. Dazu wurden die gängigen Phasenmodelle zur Beschreibung der Kunde-Produkt-Interaktion vorgestellt und in einem umfassenden Modell integriert. Wesentliche Komponenten waren die Modelle der Adoption von Innovationen und der Geschäftstransaktion. • Analyse des Konsumentenverhaltens: Um die Ausgestaltung der einzelnen Phasen und insbesondere der dem eigentlichen Erwerbs- und Anwendungsprozess vorgelagerten Phasen besser zu verstehen, wurden im Abschnitt C 2.2 die wesentlichen Theorien der Konsumentenforschung dargelegt und ihre Auswirkungen auf die Gestaltung der Szenen der Kunde-Produkt-Interaktion herausgearbeitet. • Analyse des Patternansatzes sowie der bestehenden Patternsysteme und Herausarbeitung der bestehenden Defizite: Zur Unterstützung des Designprozesses sollte das Designwissen in dieser Arbeit in Form von Design Patterns beschrieben werden. In Kapitel D 1 wurden dazu die wesentlichen Konzepte des Patternansatzes dargestellt. Neben der Darlegung der damit verbundenen Methodik zur Ableitung, Speicherung und Anwendung von Designwissen, stand die Herausarbeitung der Überlegenheit dieses Ansatzes gegenüber alternativen Ansätzen zum Wissensmanagement von Designwissen im Vordergrund. Der Patternansatz wurde bereits in verschiedenen Disziplinen verwendet. Besonders auch inhaltlich relevant sind dabei die Patterns des Human Computer Interaktion Designs, des Designs von Hypermedia-Applikationen sowie des Design von EC-Applikationen. In Kapitel D 2 wurden die verschiedenen Patternansätze vorgestellt. Untersucht wurden vor allem ihre Defizite sowie ihre Bedeutung für die zu entwickelte Patternsprache für digitale Produkte. Design Patterns für digitale Produkte 351 • Entwicklung einer Metasprache: Wie im Zuge der Übersicht über bestehende Patternsprachen gezeigt werden konnte, mangelt es diesen Ansätzen an einer geeigneten Strukturierung der Patterns und vor allem deren Zusammenhängen. Mit der in Kapitel E 1 entwickelten Metapatternsprache konnte diesem Defizit erfolgreich begegnet werden. • Ableitung der Design Patterns: In Kapitel E 2 wurde dann der Patternansatz auf der Grundlage der entwickelten Metasprache dazu angewendet, eine Patternsprache für das Design digitaler Produkte zu entwickeln. Wie initial gefordert, erfasst sie alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion und berücksichtigt dabei die Kenntnisse über das Konsumentenverhalten sowie die Eigenschaften digitaler Produkte. • Anwendung des Modells von Medien und der Theatermetapher: In der Patternsprache wurden die für digitale Produkte charakteristischen Interaktionsbeziehungen zwischen Kunde und Produkte sowie die temporalen Strukturen in und zwischen den Szenen der Kunde-Produkt-Interaktion erfasst und umgesetzt. Die Strukturierung basierte dabei auf den am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement entwickelten Modellen von Medien sowie deren Operationalisierung in Form der Theatermetapher239. F 2 Besonderheiten des Ansatzes Nachdem im vorangegangenen Abschnitt erläutert wurde, dass und wie die einzelnen Ziele dieser Arbeit erreicht wurden, werden im folgenden die Besonderheiten dieses Ansatzes zusammengestellt. Metasprache als Ordnungsrahmen zur systematischen Entwicklung der Patternsprache Das Design digitaler Produkte wurde in dieser Arbeit definiert als das Design aller Interaktionsräume, in denen der Kunden mit dem Produkt zusammentrifft oder / und interagiert. Es umfasst somit alle Szenen des Theaterstückes der Kunde-Produkt-Interaktion sowie insbesondere auch die Übergänge resp. Abhängigkeiten zwischen den Szenen. Diese Relationen gestatten die explizite Gestaltung des Zusammenspiels zwischen allen Szenen, durch die sich diese zu einem positiven Gesamterlebnis für den Kunden ergänzen. Voraussetzung für die Entwicklung der Patternsprache für das Design digitaler Produkte war daher eine klare Strukturierung auf der Metaebene, die eine Erfassung der Szenen und der diversen Relationen zwischen den Szenen ermöglicht. Die in dieser Arbeit entwickelte Metasprache wurde diesen Anforderungen gerecht. Mit ihrem Gerüst aus neun verschiedenen Szenenclustern umfasst sie alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion und mit ihren vielfältigen insbesondere zeitlichen und inhaltlichen Beziehungen die zentralen Abhängigkeiten und Übergänge zwischen den entsprechenden Szenen. Eine Besonderheit dieses Ansatzes besteht in diesen multi-dimensionalen Relationen zwischen den Patterns. Tradierte Ansätze berücksichtigen lediglich eine Relation, die der Ver239 In dieser Arbeit konnte daher gezeigt werden, dass diese Modelle erfolgreich für die Beschreibung von Designlösungen digitaler Produkte angewendet werden können (s. Kapitel E 2). 352 Zusammenfassung und Ausblick feinerung. Insbesondere im HCI Design wurde zwar die Erfassung von zeitlichen Abhängigkeiten in und zwischen den Patterns wiederholt gefordert (s. Abschnitt D 2.3), die bisherigen Ansätze werden diesen Anforderungen jedoch nicht gerecht. Auch die Patternansätze für das Design von Electronic Commerce Anwendungen lassen eine klare Strukturierung sowie insbesondere die Erfassung der zeitlichen und inhaltlichen Abhängigkeiten vermissen. Die hier entwickelte Patternsprache ist somit der erste Ansatz, der mit der Entwicklung einer Metasprache eine umfassende Strukturierung der Patterns auf der Instanzenebene ermöglicht. Im Gegensatz zu den bisherigen Ansätzen werden dabei nicht nur statische Strukturen, sondern weiterhin auch die inhaltlichen und insbesondere zeitlichen Beziehungen zwischen den Patterns erfasst. Entwicklung einer umfassenden Patternsprache Aufbauend auf dem durch die Metasprache geschaffenen Strukturgerüst wurde in dieser Arbeit eine umfassende Patternsprache entwickelt, die, abgesehen von der sehr produktspezifischen Anwendungsphase, die zentralen Szenen aller Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion erfasst. Weiterhin definiert sie die inhaltlichen Abhängigkeiten und zeitlichen Übergänge zwischen den Szenen, durch die sich die entsprechenden Szenen zu einem kongruenten Gesamttheaterstück ergänzen. Bei diesem Patternansatz handelt es sich somit tatsächlich um eine Pattern-„sprache“, die das weitestgehend vollständige Design digitaler Produkte ermöglicht. Die bisherigen Ansätze, insbesondere aus dem Design von Electronic Commerce-Applikationen, stellen dagegen zumeist lediglich Patternsammlungen dar. Sie decken weder alle Szenen der Kunde-Produkt-Interaktion ab, noch ermöglichen sie durch die fehlenden Verbindungen zwischen den Szenen die Ableitung eines vollständigen Designs aus der kundenzentrierten Perspektive und unter Berücksichtigung aller Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion. Insbesondere die dem eigentlichen Erwerb vorgelagerten Szenen der Kommunikation über das Produkt werden hier zumeist vernachlässigt. Ausrichtung des Designs auf den Kundenwert Im Sinne der QWAN ist die in dieser Arbeit entwickelte Patternsprache auf die Optimierung des Kundenwertes und somit auf das optimale Erlebnis des Anwenders sowie auf die Erreichung der einzelnen Phasenziele der Kunde-Produkt-Interaktion ausgerichtet. Bei den verwandten Ansätzen aus der HCI-Forschung erfasst die QWAN lediglich die Lesbarkeit und die Anwendbarkeit des resultierenden Software-Artefakts. Die Patterns für ECAnwendungen erweitern dieses Verständnis z.T. um ein „Äquivalent“ des Kundenwerts. Dabei wird jedoch nicht definiert, was genau unter diesem Kundenwert zu verstehen ist. Weiterhin wird in den Patterns nicht deutlich, ob und wie die Lösungen konkret auf die Erreichung eines wie auch immer gestalteten Kundenwertes hinwirken. Die vorliegende Arbeit ist somit der erste Ansatz, der die Ausrichtung auf den Kundenwert konsequent verfolgt und weiterhin auch systematisch umsetzt. Dabei wird in jedem Pattern in der Komponente Rational erläutert, wie die vorgeschlagene Designlösung den Wert der jeweiligen Szene für den Kunden erhöht. Design Patterns für digitale Produkte 353 Theoretische Fundierung der Patterns Der Patternansatz in seiner Reinform beruht darauf, in der Designpraxis bewährte Lösungen auf wiederkehrende Designprobleme systematisch zu erfassen und diese dann anderen Designern zur Verfügung zu stellen. Design Patterns generalisieren daher in der Praxis bewährte Designlösungen. Weiterhin ist die so abgeleitete Lösung um eine Begründung von deren Funktionsweise zu ergänzen. Das erhöht das Verständnis und erleichtert die Weiterentwicklung der Lösungen. Eine solche systematische Erklärung auf der Grundlage eines fundierten Theoriegerüsts bleibt jedoch bei allen bisherigen Ansätzen aus. Insbesondere bei jungen und sehr dynamischen Designdisziplinen, wie dem Design digitaler Produkte, ist die rein empirische Fundierung der Patterns aufgrund der noch fehlenden praktischen Designerfahrung jedoch auch kaum möglich. Daher wurde die Herleitung der Patternsprache in dieser Arbeit auf eine zweite – theoretische – Säule gestellt. Kenntnisse aus der Konsumentenforschung dienten der Motivation und der Erklärung für das Zustandekommen von Problemsituationen sowie für die Funktionsweise der vorgeschlagenen Lösungen. Kenntnisse über die Besonderheiten digitaler Produkte dienten vor allem der Herleitung der Lösungen selbst. Best Practice Cases wurden dann zur Illustrierung und Validierung der Patterns genutzt und lieferten insbesondere die Ideen für die konkrete Umsetzung der Lösungsmuster. Die hier entwickelte Patternsprache ist somit die erste Patternsprache mit einem sauberen theoretischen Fundament und einer empirischen Validierung. Durch die Integration der Theorie ist es möglich, das Design weitestgehend unabhängig von der konkreten Technologie zu beschreiben. In einem sehr dynamischen Umfeld, wie dem digitaler Medien, ist eine theoretische Fundierung daher entscheidend für den (langfristigen) Nutzen der Designmethode. Ein offener Ansatz Wie soeben erläutert, basiert die hier entwickelte Patternsprache auf zwei Säulen, einer theoretischen und einer praktischen. Diese Integration von Theoriewissen und Praxiswissen in einer Sprache gestattet die wechselseitige Weiterentwicklung sowohl der Sprache als auch des theoretischen Fundaments: Neue Erkenntnisse der Konsumentenforschung sowie neue Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie ermöglichen und fordern neue Gestaltungsmöglichkeiten und führen so zur Anpassung der Patternsprache.240 Andererseits kann jedoch auch das im Zuge des Designprozesses und insbesondere der Anwendung der Design Patterns gewonnene Praxiswissen zu einer Anpassung der Patternsprache und weiterhin auch zur Überprüfung der zugrundeliegenden Theorien führen.241 240 Aufgrund der Abstraktion von Implementierungsdetails sollten die Patterns jedoch relativ resi- stent gegenüber technischen Neuerungen sein. 241 Siehe auch Ausführungen in Kapitel A 5.1. 354 Zusammenfassung und Ausblick Bei der hier entwickelten Patternsprache handelt es sich somit um einen offenen Ansatz. Neue Patterns, aber auch neuer Theorieansätze, können leicht in das bestehende Framework eingegliedert werden. Die Eigenschaft der Offenheit ist essentiell für das dynamische und noch wenig erforschte Gebiet neuer Medien, für das die Entwicklung geschlossener Ansätze mit einem Anspruch auf Vollständigkeit nicht angebracht erscheint. Weiterhin konnte in der Arbeit gezeigt werden, dass sich die Patterns anderer Ansätze aus verwandten Disziplinen in die Patternsprache für digitale Produkte integrieren lassen.242 Relevant für diese Arbeit waren neben den Patterns für das Design von EC-Applikationen vor allem die Patterns des HCI Designs sowie des Designs von Hypermedia-Applikationen. Sie liessen sich vorrangig im Zuge der Verfeinerung resp. der informationstechnischen Umsetzung der Lösung in das Kanaldesign eingliedern.243 Die hier entwickelte Patternsprache ist daher auch offen für die Integration anderer Patterns und unterstützt damit die in der Patternforschung vielfach geforderte, aber bisher nicht erreichte, Integration unterschiedlicher Patternansätze. Interdisziplinarität der Patternsprache Bei digitalen Produkten handelt es sich um sozio-technische Systeme. Menschen interagieren mit künstlichen Agenten oder mit anderen menschlichen Agenten über ein digitales Medium. Beim Design einer Patternsprache für digitale Produkte müssen daher sowohl die organisatorischen Aspekte der Gestaltung der Interaktionsbeziehungen, als auch die logischen Aspekte der verständlichen Abbildung sowie die informationstechnischen Aspekte der technischen Umsetzung beachtet werden. Die Abbildung aller dieser Aspekte in einer Sprache gestattet die gleichzeitige Berücksichtigung der verschiedenen Anforderungen und fördert dabei das gegenseitige Verständnis der verschiedenen am Design beteiligten Stakeholder. Dies sind hier vorrangig der Kunde, der Schnittstellendesigner und der Software-Ingenieur. Die Patternsprache bildet damit die Grundlage für einen interdisziplinären und partizipativen Designprozess. Insbesondere beim HCI Design, beim Design von Hypermedia-Applikationen sowie auch beim Design von EC-Applikationen erheben einige Ansätze den Anspruch der Interdisziplinarität. Sie erfassen die verschiedenen Designaspekte jedoch zumeist in getrennten, nicht integrierten Sprachen (s. Abschnitt D 2). Erfolgt eine Betrachtung in einer Sprache, wie dies bei den Patternansätzen für EC-Applikationen z.T. der Fall ist, so fehlen eine systematische Darlegung und Verbindung der verschiedenen Ansätze. Die vorliegende Arbeit nutzt das Medienreferenzmodell resp. die Theatermetapher zur Modellierung der verschiedenen Designaspekte in einem Modell und erfüllt daher als erste Patternsprache die Anforderungen an die Interdisziplinarität. 242 Dabei wurden direkt in die Patterns der eigenen Sprache Verweise auf die entsprechenden Pat- terns anderer Ansätze aufgenommen. 243 Einige der Patterns für das Design von EC-Applikationen lieferten weiterhin auch Hinweise für die Gestaltung des Interaktionsdesigns. Design Patterns für digitale Produkte 355 Systematische Methodik zur Unterstützung des Designs erfolgreicher digitaler Produkte Die hier entwickelte Patternsprache dient insbesondere der Unterstützung des Designprozesses digitaler Produkte. Die Art der Designunterstützung in Form einer ProblemstellungsLösungskombination erleichtert die zielgerichtete Konstruktion digitaler Produkte. Die in die Patterns integrierte Begründung der Lösung erhöht das Verständnis und erleichtert die richtige Anwendung der Patterns. Die Patterns fokussieren dabei auf den Kern der Lösung und abstrahieren somit weitestgehend von konkreten Implementierungsdetails. Im Gegensatz zu den weitverbreiteten Style Guides sind sie somit unabhängig von bestimmten Umsetzungswerkzeugen, gleichzeitig sind sie jedoch im Vergleich zu den ansonsten vorherrschenden allgemeinen Richtlinien konkret genug, um direkt Lösungen ableiten zu können. Die hier entwickelte Patternsprache wird somit den Anforderungen an eine Patternsprache in bezug auf ihren Einsatz zur Unterstützung des Designprozesses gerecht und füllt damit eine Lücke, die im Bereich der Gestaltung von digitalen Produkten bisher noch vorherrschte. F 3 Ausblick Die in dieser Arbeit entwickelte Patternsprache zählt zu einer der ersten Arbeiten, die den Patternansatz für die Unterstützung des Designs digitaler Produkte verwenden. Sie eröffnet somit ein neues Forschungsfeld, in dem sich noch vielfältige Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und Erweiterung identifizieren lassen. Diese Arbeit soll daher mit Hinweisen auf zentrale weiterführende Arbeiten abgeschlossen werden. Weiterführende empirische Validierung Die Herleitung und Validierung der Patterns dieser Arbeit basierte auf zwei Säulen: einer Theoriesäule und einer Praxissäule. Eine empirische Validierung fand dabei nur in einem beschränkten Ausmass statt. Sie war jedoch angesichts der noch jungen Disziplin des Designs digitaler Produkte, in der es noch kaum erprobte Best Practice Lösungen gibt, auch nur bedingt möglich. Im Zuge der Anwendung der Patterns für das Design konkreter digitaler Produkte sollten die Patterns jedoch vertieft empirisch validiert und weiterentwickelt und damit der zyklische Forschungsprozess fortgesetzt werden (s. Abschnitt A 5.1). Die Qualität der Patterns wurde am Kundenwert gemessen. Daher sollte eine empirische Überprüfung der entwickelten Patternsprache insbesondere unter Einbeziehung der Anwender stattfinden. Eine solche Überprüfung kann auch technisch unterstützt werden. Dabei reichen die Möglichkeiten von der Online-Befragung der Kunden bis zur Protokollierung des Kundenverhaltens mit einer anschliessenden Aufbereitung der Daten. Alternativ können auch verschiedene Beobachtungstechniken angewandt werden (s. z.B. (Creative Good 2000)). Ergänzung produktspezifische Patternsprachen Die in dieser Arbeit entwickelten Patternsprache fokussiert auf das Design der Szenepatterns, die der eigentlichen Anwendung des Produktes vor- und nachgelagert sind. Diese stellen relativ unabhängig vom spezifischen Produkttyp die gleichen Anforderungen an ihre Gestaltung. 356 Zusammenfassung und Ausblick In nachfolgenden Arbeiten ist diese Patternsprache um die Patterns der Anwendungsphase zu ergänzen. Dazu müssen zunächst Produktgenres identifiziert werden, die sich in ihrer Kunde-Produkt-Interaktion ähneln. Die Gestaltung jedes dieser Produktgenres umfasst somit ein eigenes (Sub-) Theaterstück, dessen optimale Gestaltung mittels einer Sub-Patternsprache beschrieben werden kann. Ableitung von Subsprachen Ziel dieser Arbeit war es, eine Patternsprache zu entwickeln, die möglichst alle Phasen der Kunde-Produkt-Interaktion umfasst. Dabei wurden einzelnen Szenen identifiziert, die sich durch ein gemeinsames Ziel sowie eine bestimmte organisatorische Zusammenstellung der beteiligten Akteure auszeichneten. Die Gestaltung jeder dieser Szenen wurde dann in einem Pattern erfasst. In vielen Szenen lassen sich jedoch Subszenen finden, die gleichzeitig in verschiedenen anderen Szenen vorkommen. Ein Beispiel wäre eine einfache Suche. Im Sinne der Wiederverwendbarkeit von Designlösungen (und deren Umsetzung) erscheint es daher sinnvoll, diese Szenen zu identifizieren. Auf diese Weise entsteht eine Hierarchie von Szenen unterschiedlicher Granularität, wobei die „übergeordneten“ Patterns vor allem das Zusammenspiel der „untergeordneten“ Patterns erfassen. Einbettung in Knowledge Management Lösung Design Patterns dienen der strukturierten Speicherung von gutem und idealerweise bereits bewährtem Designwissen. Sie dienen somit vor allem der Bewahrung von Wissen. Die Art der Beschreibung des Designwissens im Sinne einer Kombination aus Problembeschreibung und Lösung unterstützen eine einfache Anwendung der Patterns. Die weitestgehend unformale Art der Patterns erleichtert es dabei auch unerfahreneren Designern, diese Patterns für die Lösung ihrer Probleme einzusetzen. Patterns dienen somit insbesondere der Nutzung von Wissen. Schliesslich bilden Patternsprachen auch eine Grundlage für die Diskussion von Designlösungen und somit auch der Weiterentwicklung und Verbreitung von Designwissen. Insgesamt stellen Patterns daher eine Grundlage für das Management von (Design-) Wissen dar. Wissensmanagement bedarf jedoch nicht nur eines „Gefässes“ zur Ablage und zum Retrieval von Wissensinhalten, wie dies durch die Patternsprache gegeben ist, sondern weiterhin einer organisatorischen Einbettung und wenn möglich einer technischen Unterstützung zur Ablage und zum Retrieval der Patterns. Die Anwendung, Verbesserung und Weiterentwicklung der Design Patterns ist in den Arbeitsprozess der Designer digitaler Produkte zu integrieren. Ein möglicher Ansatz, der sich im Unternehmensumfeld insbesondere im Bereich des Software Engineerings etabliert hat, ist die sogenannte „Experience Factory“, ein Ansatz zur Unterstützung des Wissensmanagements in Projektorganisationen (Basili et al. 1994). Die zentrale Idee dieses Ansatzes besteht darin, die Aufgaben der Wissensaufbereitung und Unterstützung in eine eigene organisatorische Einheit auszulagern. Diese umfasst dann die organisatorischen Rollen des „Experience Engineers“ für die Erfahrungsbewahrung und -weiterentwicklung, des Experience Factory Managers für die strategische Ausrichtung der Experience Factory sowie des Project Supporters für die Betreuung und Mitarbeit in Projekten. Im wissenschaftlichen Umfeld haben sich insbesondere für die Weiterentwicklung Design Patterns für digitale Produkte 357 der Patterns Institutionen in Form von Mailinglisten und eigenen Konferenzreihen entwickelt. Auf technischer Ebene ist der Patternansatz durch entsprechende Patterndatenbanken zu unterstützen, die das Ablegen, das Auffinden und die Weiterentwicklung der Patterns unterstützen. Mit dieser Arbeit wurde ein erster Schritt bei der Entwicklung einer auf dem Patternansatz basierten Methode zur Unterstützung des kundenzentrierten Designs digitaler Produkte getan. Dabei ist zu erwarten, dass im Zuge der zunehmenden Digitalisierung des Wirtschaftssystems die Bedeutung derartiger Unterstützungswerkzeuge rapide zunehmen wird. Patternsprachen stellen dabei ein lebendiges und dynamisch an die Anforderungen und Möglichkeiten der sie umgebenden Realität anpassbares Werkzeug dar. Daher soll diese Arbeit mit dem Appell an die Praxis sowie auch an die Wissenschaft enden, diese Sprache zu leben und sie in der Diskussion und Anwendung weiterzuentwickeln. 358 Zusammenfassung und Ausblick Literaturverzeichnis Aamodt, A. & Plaza, E. 1994, "Case-based reasoning: Foundational issues, methodological variations, and system approaches", AI Communications, vol. 7, no. 1, pp. 39-59. Adriaans, P. & Zantinge, D. 1996, Data Mining, Addison-Wesley, Harlow, England. Ajzen, I. 1988, Attitudes, Personality and Behavior, Open University Press, Milton Keynes, England. Alexander, C. 1979, The Timeless Way of Building, Oxford University Press, New York. 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