Erfahrungsbericht der Georg-Schumann

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Erfahrungsbericht der Georg-Schumann
Der Erfahrungsbericht wurde auf der Grundlage eines im Juli 2015 geführten leitfadengestützten Interviews erar­
beitet. Um eine gute Lesbarkeit zu sichern, wurde keine reine Transkription angefertigt, sondern ein Mix aus Pro­
tokoll und Audiofassung. Durch die Verwendung von Auszügen aus dem so entstandenen Text gelang eine kon­
sequente Ausrichtung des Erfahrungsberichtes auf den unten genannten Fokus. Am Interview nahmen die Schul­
leiterin und Lehrkräfte der Schule teil. Um den Erfahrungsbericht authentisch und praxisnah zur Verfügung zu
stellen, wurde vorwiegend der tatsächliche mündliche Sprachgebrauch der Befragten verwendet. Geringfügige
Änderungen im Sprachduktus wurden für eine bessere Lesbarkeit vorgenommen.
Erfahrungsbericht der Georg-Schumann-Schule – Oberschule des
Deutsch-Französischen Bildungszentrums der Stadt Leipzig
Entwicklungsschwerpunkt: An der Schule wird die sächsische Konzeption zur Integra­
tion von Migranten umgesetzt.
Fokus: Anpassung der Maßnahmen, um einer veränderten Schülerschaft gerecht zu
werden
In der Mitte des ersten Schulhalbjahres des Schuljahres 2014/2015 wurde an der Schule
eine Vorbereitungsklasse eröffnet. Die Schulgemeinschaft wurde in einem transparenten und
gut durchdachten Verfahren darauf vorbereitet. Wie das passierte und welchen Effekt die
intensive Kommunikation hatte, beschreibt der Erfahrungsbericht. Es wird verdeutlicht, dass
bei einer gelingenden Schulprogrammarbeit Transparenz, Kommunikation und Beteiligung
unerlässliche Faktoren sind.
Die Schule befindet sich, bezogen auf den Qualitätskreislauf, in der Phase „Maßnahmen
planen und umsetzen“.
So wurde der Anlass zu einem Entwicklungsschwerpunkt
Die Regionalstelle Leipzig der Sächsischen Bildungsagentur (SBA) informierte die Schulleite­
rinnen und Schulleiter der Stadt Leipzig über die Notwendigkeit, an verschiedenen Schulen
Vorbereitungsklassen einzurichten. Im November 2014 wurde eine Vorbereitungsklasse an
der Georg-Schumann-Schule eröffnet. In einer Gesamtlehrerkonferenz wurden dem Kollegi­
um durch die SBA und die Betreuungslehrerin Inhalte der Ausbildung [Anmerkung: Ziele und
Inhalte des Lehrplans Deutsch als Zweitsprache] zur Kenntnis gegeben. Dies erfolgte sehr
fundiert und präzise. Es wurde sachlich argumentiert und erläutert, welche einzelnen Schritte
die Kinder gehen, inwieweit sie begleitet werden, unter welchen Bedingungen sie in die Re­
gelklassen integriert bzw. teilintegriert werden. Diese Information erfolgte so klar und deut­
lich, dass die Einrichtung der Vorbereitungsklasse vom Kollegium relativ schnell angenom­
men wurde. Eine Lehrerin berichtet: „Ich hatte auch Kinder aus der Vorbereitungsklasse in
meinem Unterricht. Ich wusste, worauf ich mich einlasse, war gut informiert: das und das
geht gut, hier gibt es keine Noten, das können die Kinder, das ist zu erwarten, diese Forde­
rungen soll man stellen. Aufgrund der Vorbereitung war es ein ordentlicher Einstieg.“
Es gab trotzdem Probleme und Fragen, wie zum Beispiel: „Wann wird in welches Fach teilin­
tegriert?“. Hier mussten wir uns erstmal abstimmen und einen Weg finden, wie die Informati­
onen von der Schulleitung zu den Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern und den Fachleh­
rerinnen und Fachlehrern kommen. Es gab keine große Diskussion darüber, ob eine Vorbe­
reitungsklasse eingerichtet wird. Es gab jedoch berechtigterweise Diskussionen über die
organisatorische Umsetzung. Es stand zum Beispiel kein Zimmer für die Vorbereitungsklas­
Material E09/Erfahrungsbericht/Praxishilfe „Schulprogrammarbeit an sächsischen Schulen“ (2016)
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se zur Verfügung. Das Zimmer, das dann ausgewählt wurde, sollte ursprünglich ein Speise­
raum werden, welcher auch ganz dringend gebraucht wurde.
In vielen Klassen wurden die Schülerinnen und Schüler durch die Klassenlehrerin bzw. den
Klassenlehrer vorbereitet. So wurde zum Beispiel über die Flüchtlingssituation in Deutsch­
land und damit auch in Leipzig gesprochen, die nun auch in Leipziger Schulen spürbar ist.
Die Eröffnung der Vorbereitungsklasse, als eine Folge davon, wurde thematisiert. Aber auch
Hintergründe wurden besprochen. […] Wichtig war, die Schülerinnen und Schüler der Regel­
klassen darüber aufzuklären, warum für die Schülerinnen und Schüler der Vorbereitungs­
klasse die Notengebung ausgesetzt ist. Die Sensibilisierung bezüglich der Hintergründe wur­
de auf die anderen Klassen übertragen. In einer sechsten Klasse wurde zum Beispiel dar­
über hinaus ein Anti-Rassismus-Training durchgeführt. Gespräche und Interviews zum Ken­
nenlernen wurden geführt. Die Themen „Flucht“ und „Kultur“ wurden in den Unterricht einge­
bettet. Es kam vor, dass jemand, der schon eine ganze Weile in Deutschland lebt und bisher
nichts von sich preisgegeben hatte, nun seine Geschichte erzählte. Kinder haben sich auf
dem Schulhof angefreundet und sich gegenseitig in den Klassenräumen besucht. So haben
die Schülerinnen und Schüler der Vorbereitungsklasse dazu beigetragen, dass sich alle un­
tereinander besser verstehen. Die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler der Regel­
klassen erwies sich als enorm wichtig. Dort, wo informiert und miteinander gesprochen wur­
de, führte es zu einem angenehmeren Lernklima, wenngleich nicht bei allen Schülerinnen
und Schülern Offenheit und Wertschätzung gegenüber ihren Mitschülerinnen und Mitschü­
lern entwickelt werden konnte. Diese Erfahrungen zeigen, dass wir noch mehr mit den Kin­
dern sprechen müssen, noch mehr zusammen machen müssen, weil es Befürchtungen gibt,
die die Kinder auch äußern. Warum kommen die Schülerinnen und Schüler jetzt? Warum
werden ihre Leistungen nicht benotet? Warum und wie lange werden sie in diesem Status
sein? Wie lange werden sie etwas Besonderes sein? Hier müssen wir noch transparenter
sein, denn Kinder wollen gleich behandelt werden.
In der Schulkonferenz haben wir den Eltern den Stand vorgestellt. Sie waren positiv über­
rascht, wie strukturiert es vorgetragen wurde und fühlten sich gut informiert. Es wurde zum
Beispiel erklärt:
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Was bedeutet Deutsch als Zweitsprache?
Wo kommen die Schülerinnen und Schüler her?
Wie sind die Abläufe?
Was bedeuten die drei Etappen? Was passiert in den einzelnen Etappen?
Wie lange sind die Kinder in der Schule?
Welche Abschlüsse erhalten die Schülerinnen und Schüler?
So konnten die Eltern verstehen, was an der Schule passiert. Dieses Verständnis war uns
wichtig, weil das dann über die Eltern wiederum an ihre Kinder herangetragen wird.
Material E09/Erfahrungsbericht/Praxishilfe „Schulprogrammarbeit an sächsischen Schulen“ (2016)
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