Eidesstattliche Erklärung - Donau
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Eidesstattliche Erklärung - Donau
Eidesstattliche Erklärung a Ich, Mag. Karin Wiedner, geboren am 18.06.1975 in Graz, erkläre, 1. dass ich meine Master Thesis selbständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfen bedient habe, 2. dass ich meine Master Thesis bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe, 3. dass ich, falls die Arbeit meine/n ArbeitgeberIn oder eine/n andere/n externe/n KooperationspartnerIn betrifft, diese/n über Titel, Form und Inhalt der Master Thesis unterrichtet und sein/ihr Einverständnis eingeholt habe, erhobene Daten und Informationen in die schriftliche Arbeit einfließen zu lassen. Fürstenfeld, 24.01.2014 Product-Lifecycle-Management in der Erwachsenenbildung Master Thesis zur Erlangung des akademischen Grades Master of Business Administration (MBA) im Universitätslehrgang MBA General Management Competences der Donau-Universität Krems Department für Wirtschafts- und Managementwissenschaften Danube Business School eingereicht von Mag.a Karin Wiedner ErstbegutachterIn: Priv.-Doz. Mag. Dr. Nino Tomaschek, MAS ZweitbegutachterIn: Helga Wannerer, MA Fürstenfeld, 24.01.2014 Abstract Ziel dieser Master Thesis ist es, Product-Lifecycle-Management (PLM), das vornehmlich in der Industrie und IT Verwendung findet, in adaptierter Form auf den Erwachsenenbildungsmarkt zu übertragen. Aktives PLM erleichtert die Produktsteuerung, -planung-, -adaptierung und Produktinnovation und ermöglicht eine marktorientierte Betrachtungsweise der Portfolios in der Erwachsenenbildung. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der Definition von spezifischen Indikatoren für die verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus von Bildungsprodukten. PLM ist auch für das Bildungsmarketing ein wichtiges Konzept und ergänzt das herkömmliche Bildungscontrolling um die lebenszyklusorientierte Sicht. Diese Master Thesis ist Grundlage eines 2-jährigen EU-Projektes, das das Ziel hat, eine PLMSoftware für den europäischen Bildungsmarkt zu entwickeln. Stichworte: Produktlebenszyklen, Product-Lifecycle-Management, PLM Bildungsmanagement, Erwachsenenbildung, Bildung als Ware Lebenslanges Lernen, Wissensmanagement, Halbwertszeit von Wissen Bildungsmarketing, Portfolio-Management, Bildungscontrolling EU- Projektmanagement The aim of this master’s thesis is to transfer Product Lifecycle Management (PLM) that is primarily being used in the industrial and IT area, to the field of further education in an adapted form. Active PLM facilitates product control, -planning, -adaptation and product innovation, thus enabling a market orientated approach of the portfolios in further education. The emphasis of this thesis lies in the definition of specific indicators for the various phases of the life cycle of educational products. PLM is also an important concept for the marketing of education, and completes traditional educational controlling with the life cycle aspect. This master’s thesis is the basis of a 2-year EU project that aims to develop PLM software for the European educational market. Keywords: Product lifecycles, Product Lifecycle Management, PLM Educational management, further education, education as a product Lifelong learning, knowledge management, half-life period of knowledge Educational marketing, portfolio management, educational controlling EU project management I Vorwort Die Idee zu dieser Master Thesis entwickelte sich aus einer neuen beruflichen Herausforderung. Das bfi Steiermark hatte im Februar 2013 ein EU-Projekt mit dem Titel Quality Assurance for VET Providers Using Product Lifecycle Management (Q-PLM) bei der EACEA in Brüssel eingereicht und im August 2013 dafür den Zuschlag erhalten. Im Sommer 2013 war ich auf der Suche nach einem passenden Thema für meine Master Thesis und so war es naheliegend, das Thema PLM in meiner Master Thesis zu verarbeiten. Ich bin Erwachsenenbildnerin und mittlerweile seit mehr als 15 Jahren in diesem Bereich tätig. Ich arbeite am bfi Steiermark, leite das bfi Bildungszentrum in Fürstenfeld und bin in der Produktentwicklung tätig. Seit 1998 bin ich Trainerin, Moderatorin und Coach. Meine Trainingsschwerpunkte liegen vorwiegend in den Bereichen Sprachen und Kommunikation, Zeit- und Projektmanagement, Leadership sowie Jobcoaching, im öffentlichen Seminarbereich, im Firmenschulungs- sowie AMS-Bereich. Weiters leite und koordiniere ich seit mehr als 10 Jahren EU-Projekte. Es war mir ein Anliegen, mehrere Bereiche des MBA-Studiums für diese Master Thesis zu kombinieren, was mir mit dieser komplexen Themenstellung auch gelang: Bildungsmanagement, Bildungsmarketing, Produktentwicklung, Bildungscontrolling, Qualitätsmanagement und (EU-) Projektmanagement sind die Bereiche, die ich hierbei vertiefen konnte. Leben heißt für mich Lernen. Das lebenslange Lernen ist für mich eine Selbstverständlichkeit und eines meiner Lebensprinzipien. Bin ich doch aus purer Entdeckerinnenlaune und Neugier heraus motiviert, ständig unendlich Spannendes zu entdecken, Neues dazuzulernen, neue Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben und daran zu wachsen. „Das Allerwichtigste ist, neugierig zu bleiben. Ich lerne jeden Tag etwas Neues. Und ich hoffe, nie den Tag zu erleben, an dem es für mich nichts mehr zu lernen gibt." Rigoberta Menchú II Inhaltsverzeichnis Abstract ............................................................................................................................................I Vorwort .......................................................................................................................................... II Inhaltsverzeichnis .......................................................................................................................... III Verzeichnis für Abbildungen und Tabellen ................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................. VI Glossar ......................................................................................................................................... VII Executive Summary ................................................................................................................... VIII 1 2 3 4 Der Erwachsenenbildungsmarkt .............................................................................................. 1 1.1 Erwachsenenbildung: Definition....................................................................................... 4 1.2 Bildung und Management– (k)ein Paradoxon? ................................................................ 6 1.3 Bildung als Ware vs. wahre Bildung ................................................................................ 7 1.4 Bedeutung und Perspektiven der Ressource Weiterbildung ........................................... 10 1.5 Lebenslanges Lernen und Megatrend Bildung ............................................................... 11 1.6 Wissensmanagement und die Halbwertszeit von Wissen ............................................... 13 1.7 Betriebliche Weiterbildung in Österreich und im europäischem Vergleich ................... 14 1.8 Vom anbieterInnen- zum teilnehmerInnen- bzw. marktorientierten Bildungsmarkt ...... 15 Produktentwicklung für Bildungsmaßnahmen ...................................................................... 18 2.1 Der Produktentwicklungsprozess .................................................................................... 18 2.2 Produktportfolio-Analyse................................................................................................ 22 2.3 Die Marktwachstums-/Marktanteils- Matrix nach der BCG ........................................... 23 Product-Lifecycle-Management ............................................................................................ 26 3.1 Produkte, Produktleben und Produktlebenszyklen ......................................................... 26 3.2 Produktlebenszyklusmanagement ................................................................................... 29 3.3 Definition und Einsatz von PLM .................................................................................... 30 3.4 PLM Software ................................................................................................................. 32 3.5 Das Nutzenpotenzial von PLM ....................................................................................... 33 3.6 Einsatz von PLM in der Erwachsenenbildung ................................................................ 35 Product-Lifecycle- und Portfoliomanagement in der Erwachsenenbildung .......................... 36 4.1 Lebenszyklen von Bildungsmaßnahmen ........................................................................ 36 4.2 Verständnis von PLM von europäischen Bildungseinrichtungen ................................... 38 4.3 Beispiel zum Einsatz von Portfoliomanagement in der Erwachsenenbildung................ 39 4.4 Indikatoren von PLM in der Erwachsenenbildung ......................................................... 40 4.4.1 Indikatoren für die die Lancierung eines Bildungsproduktes ......................................... 41 III 4.4.2 Indikatoren für den Ausbau eines Bildungsproduktes .................................................... 41 4.4.3 Indikatoren für den Verbleib eines Bildungsproduktes .................................................. 42 4.4.4 Indikatoren für die Eliminierung eines Bildungsproduktes ............................................ 44 4.5 5 Einsatz von PLM und Portfoliomanagement in der Erwachsenenbildung ..................... 45 Marketing als Erfolgsfaktor in der Erwachsenenbildung ...................................................... 47 5.1 Unterschiede Bildungsmarketing und traditionelles Marketing ..................................... 48 5.2 Der 7 P Marketingmix in der Weiterbildung .................................................................. 50 5.2.1 Produkt-, Angebots- und Programmpolitik in der Erwachsenenbildung ........................ 51 5.2.2 Preispolitik in der Erwachsenenbildung ......................................................................... 52 5.2.3 Distributionspolitik in der Erwachsenenbildung............................................................. 53 5.2.4 Kommunikationspolitik in der Erwachsenenbildung ...................................................... 53 5.2.5 People, Physical Facilities und Process-Management in der Erwachsenenbildung ....... 54 6 7 8 5.3 Lebenszyklusorientierte Marketingstrategien ................................................................. 54 5.4 Möglichkeiten, Trends und Empfehlungen für das Bildungsmarketing ......................... 61 Bildungscontrolling und Qualitätsmanagement in der Erwachsenenbildung ........................ 62 6.1 Qualitätsmanagement in der Erwachsenenbildung ......................................................... 62 6.2 Das Modell von Donald L. Kirkpatrick .......................................................................... 65 6.3 Return on Training .......................................................................................................... 66 6.4 Bildungscontrolling ......................................................................................................... 67 6.5 Kennzahlen im Bildungsmanagement ............................................................................ 69 6.6 Lebenszyklusorientiertes Controlling ............................................................................. 70 6.7 Empfehlungen zu BC und QM in der Erwachsenenbildung ........................................... 72 LdV LLP Projekt Q-PLM ...................................................................................................... 74 7.1 Das Management von EU-Projekten............................................................................... 74 7.2 Q-PLM: Ausgangsbasis, Projektziele und Outputs......................................................... 77 7.3 Partner und Stakeholder .................................................................................................. 79 7.4 Workshop about indicators for PLM in VET.................................................................. 79 7.5 Status quo und Ausblick ................................................................................................. 81 Chancen und Grenzen von Product-Lifecycle-Management in der Erwachsenenbildung .... 82 Literaturverzeichnis ....................................................................................................................... 85 Anhang .......................................................................................................................................... 88 IV Verzeichnis für Abbildungen und Tabellen Abbildung 1: Produktentwicklung für den Bildungsmarkt, einfacher Prozess, eigene Darstellung .......... 19 Abbildung 2: Komponenten eines Bildungsangebots ................................................................................ 20 Abbildung 3: Marktwachstums-/Marktanteils-Matrix der BCG ................................................................ 23 Abbildung 4: Produktleben aus Sicht des PLM, eigene Darstellung ......................................................... 27 Abbildung 5: Produktlebenszyklus nach Kotler ........................................................................................ 28 Abbildung 6: Prozesslandkarte des PLM ................................................................................................... 31 Abbildung 7: Komponenten zu industriellem PLM ................................................................................... 32 Abbildung 8: Lebensdauer und Lebenszyklus einer Bildungsmaßnahme nach Ehlers/Schenkel, eigene Darstellung .......................................................................................................................... 37 Abbildung 9: Marktwachstum-Marktanteil-Matrix in Anlehnung an die BCG Matrix ............................. 39 Abbildung 10: Kriterien für die Lancierung eines Bildungsproduktes ...................................................... 41 Abbildung 11: Kriterien für den Ausbau eines Bildungsproduktes ........................................................... 42 Abbildung 12: Kriterien für den Verbleib eines Bildungsproduktes .......................................................... 43 Abbildung 13: Eliminierungskriterien für Bildungsprodukte .................................................................... 45 Abbildung 14: Erweiterter Marketing-Mix für Bildungsdienstleistungen, eigene Darstellung ................. 51 Abbildung 15: Produkt/Markt-Matrix nach Ansoff, eigene Darstellung ................................................... 55 Abbildung 16: Die 4 Stufen des Kirkpatrick-Modells, eigene Darstellung ............................................... 65 Abbildung 17: Projektlogo Q-PLM und Gruppenfoto Projektpartnerschaft .............................................. 77 Abbildung 18: Übersicht Projektoutputs Q-PLM, eigene Darstellung....................................................... 78 Abbildung 19: Projektpartnerschaft Q-PLM .............................................................................................. 79 Abbildung 20: Indicators for PLM in VET ................................................................................................ 80 V Abkürzungsverzeichnis BC Bildungscontrolling BCG Boston Consulting Group CD Corporate Design CI Corporate Identity CRM Customer Relationship Management DMS Dokumenten-Management-System EB Erwachsenenbildung ERP Enterprise Resource Planning KVP Kontinuierlicher Verbesserungsprozess LDV Leonardo da Vinci LLL Lifelong learning / Lebenslanges Lernen LLP Lifelong Learning Programme LmM Lehre mit Matura NPO Non-Profit-Organisation PDM Product Data Management PLM Produktlebenszyklusmanagement / Product-Lifecycle-Management PLZ Produktlebenszyklus QM Qualitätsmanagement Q-PLM Quality Assurance for VET Providers Using Product Lifecycle Management ROI Return on Investment SCM Supply Chain Management SGF Strategisches Geschäftsfeld TQM Total Quality Management USP Unique Selling Proposition VET Vocational education and training VI Glossar BCG Portfolio-Matrix Die BCG-Matrix ist ein Portfolio für das strategische Management von Unternehmen. Sie wurde von der Boston Consulting Group (BCG) entwickelt und soll den Zusammenhang zwischen dem Produktlebenszyklus und der Kostenerfahrungskurve verdeutlichen. EACEA Die Education, Audiovisual and Culture Executive Agency ist eine Behörde der Europäischen Union mit Sitz in Brüssel, die europäische Bildungsprogramme verwaltet. Lebenslanges Lernen Lebenslanges Lernen ist ein Konzept, das Menschen befähigen soll, während ihrer gesamten Lebensspanne eigenständig zu lernen. Lebenslanges Lernen setzt auf die Informationskompetenz des Einzelnen und hat deshalb Aufnahme in vielen bildungspolitischen Programmen gefunden. Leonardo da Vinci Programme Leonardo da Vinci ist ein Programm der EU-Kommission zur Förderung der Aus- und Weiterbildung, insbesondere der grenzüberschreitenden beruflichen Bildung. PDCA-Zyklus Der PCDA-Zyklus oder Demingkreis beschreibt einen vierphasigen Problemlösungsprozess, der seine Ursprünge in der Qualitätssicherung hat. PDCA steht hierbei für das Englische plan – do – check – act. Produktlebenszyklus Der Produktlebenszyklus besagt, dass der Absatz eines Produktes typische Phasen von der Produktidee bis zum Ausscheiden aus dem Markt durchläuft. Die Phasen sind Einführung, Wachstum, Reife und Degeneration. Product-Lifecycle-Management Produktlebenszyklusmanagement (PLM) ist ein Konzept zur nahtlosen Integration sämtlicher Informationen, die im Verlauf des Lebenszyklus eines Produktes anfallen. Das Konzept beruht auf abgestimmten Methoden, Prozessen und Organisationsstrukturen und bedient sich IT-Systemen für die Aufzeichnung und Verwaltung der Daten. Die hier angeführten Begriffserklärungen stammen aus folgenden Onlinelexika: <http://wirtschaftslexikon.gabler.de/> (01.09.2013), <http://www.wirtschaftslexikon24.net> (01.09.2013) und <http://de.wikipedia.org> (03.09.2013). VII Executive Summary Der Erwachsenenbildungsmarkt ist sehr vielfältig, scheinbar unerschöpflich und verändert sich zurzeit ähnlich rasant und gravierend wie viele andere Märkte. Unsere Informationsgesellschaft zeichnet sich durch einen steten und immer schnelleren Wandel und einen extremen Bedarf an Informationsverarbeitung aus. Es werden die unterschiedlichsten Bildungsprodukte entwickelt und nachgefragt, von der Einschulung in Basistechniken bis zu Trainingsangeboten, die exklusives ExpertInnen-Know-how in Fachtrainings und Coachings bereitstellen. Durch immer kürzere Produktlebenszyklen und sich immer rascher wandelnde Prozessabläufe ist die Flexibilität zu einem essentiellen Bestandteil unseres Lebens geworden. Der Begriff des Lebenslangen Lernens impliziert die veränderten Anforderungen, die vor allem der berufliche Alltag an jede einzelne Person stellt. Bis dato existiert PLM in der Erwachsenenbildung kaum bis gar nicht, es kann aber ein Tool sein um folgenden Rahmenbedingungen am Bildungsmarkt erfolgreich zu begegnen: immer schärfer werdendem Wettbewerb, permanentem Innovationsdruck, immer rascheren Produkt- innovationen, immer stärkeren Individualisierungen von Bildungsangeboten, immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen und den damit einhergehenden betrieblichen Veränderungen. Ziel dieser Master Thesis ist es, Product-Lifecycle-Management, das vornehmlich in der Industrie und IT Verwendung findet, in adaptierter Form auf den Erwachsenenbildungsmarkt zu übertragen und Empfehlungen zum Einsatz von aktivem PLM und zur lebenszyklusorientierten Betrachtungsweise der Portfolios in der Erwachsenenbildung zu geben. Diese Master Thesis diskutiert dazu folgende 7 Thesen: 1. Bildung und Management sind kein Paradoxon, wenngleich Bildung nicht ausschließlich als Ware betrachtet werden kann. 2. Es gibt Produkte. Es gibt alle Arten von Produkten und für jedes Produkt gibt es ein Produktleben - so auch für die Produkte der Erwachsenbildung. 3. Jedes Unternehmen, das Produkte herstellt, muss auch die Lebenszyklen von Produkten managen. PLM existiert bis dato in der Erwachsenenbildung kaum bis gar nicht. Der Großteil der Bildungsprodukte wird entwickelt ohne standardisierte Tools zur Einschätzung ihres Verbleibs auf dem Bildungsmarkt. VIII 4. Es können spezifische Indikatoren zur Steuerung von Produktlebenszyklen für Bildungsprodukte definiert werden. 5. Der Produktlebenszyklus ist für das Bildungsmarketing ein wichtiges Konzept, er beeinflusst die Marketingstrategien eines Unternehmens und bringt Erkenntnisse über die Wettbewerbsdynamik eines Produktes mit sich. 6. Bildungscontrolling und bestimmte Kennzahlen im Bildungsmanagement ermöglichen eine lebenszyklusorientierte Steuerung der Produktportfolios der Erwachsenenbildung. 7. Produktlebenszyklusmanagement, das vornehmlich in der Industrie und IT Verwendung findet, kann in der Erwachsenenbildung eingesetzt werden, allerdings adaptierter Form. Aktives PLM erleichtert die Produktsteuerung, -planung-, -adaptierung und -innovation der Portfolios der BildungsanbieterInnen. Aktives PLM erleichtert also die Produktsteuerung in der Erwachsenenbildung. PLM ist weiters für das Bildungsmarketing ein wichtiges Konzept und ergänzt das herkömmliche Bildungscontrolling um die lebenszyklusorientierte Sicht. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der Definition von spezifischen Indikatoren für die verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus von Bildungsprodukten. Diese Master Thesis ist Grundlage des 2-jährigen EU-Projektes Q-PLM (Quality Assurance for VET Providers Using Product Lifecycle Management), das mit 01.10.2013 startete und das Ziel verfolgt, eine PLM-Software für den europäischen Bildungsmarkt zu entwickeln. In dieser Master Thesis kamen folgende Methoden zum Einsatz: Literaturrecherche und Literaturstudium zu den Themen, sowie Interviews, Brainstormings und Diskussionen mit europäischen Bildungseinrichtungen. Der Theorieteil dieser Master Thesis beschreibt, analysiert und diskutiert die angeführten Themen und Unterthemen. Der empirische Teil basiert auf den Diskussionen mit 8 europäischen Bildungseinrichtungen im Zuge des Kick-off-Meetings des QPLM Projektes im November 2013 in Schwerin, Deutschland. Ziel dieses Meetings war es, u.a. einen Einblick über das Produktverständnis von europäischen BildungsanbieterInnen zu erhalten und die Einsatzmöglichkeiten und Perspektiven von PLM in der Weiterbildung abzufragen. In einem Workshop wurden Indikatoren zu PLM erarbeitet und diskutiert. Die Ergebnisse wurden zusammengefasst und die Flipchartprotokolle in den Anhang der Master Thesis gestellt. IX 1 Der Erwachsenenbildungsmarkt Um Wissen zu erwerben gibt es zahlreiche und vielfältige Möglichkeiten. Eine dieser Möglichkeiten ist es, die Bildungsangebote diverser Erwachsenenbildungseinrichtungen zu nutzen. Der Erwachsenenbildungsmarkt besteht aus einer Vielzahl von Bildungseinrichtungen mit unterschiedlichsten Zielsetzungen und Bildungsangeboten. Er ist als Marktplatz qualifizierter und qualifizierender Dienstleistungen sehr vielfältig, scheinbar unerschöpflich und verändert sich zurzeit ähnlich rasant und gravierend wie viele andere Märkte. In Österreich gibt es rund 5000 SeminaranbieterInnen.1 Die Weiterbildungsbranche ist sehr heterogen, die einzelnen Organisationen sind schwer überschaubar und eine exakte Ab- oder Eingrenzung des Weiterbildungsmarktes ist aufgrund von fehlender Systematik, Ungleichheit, Unerwünschtheit und Intransparenz nur schwer möglich.2 Der Weiterbildungsmarkt wächst kontinuierlich - mittlerweile gibt es ein so großes Angebot an Bildungsdienstleistungen, dass man durchaus behaupten kann, dieser Markt sei übersättigt. Den Bildungssektor BildungsanbieterInnen, bestimmen sowohl kommerziell orientierte zahlreiche öffentliche Organisationen sowie sowie private Verbände der gemeinnützigen Erwachsenenbildung (EB). Das Spektrum der EB-Einrichtungen reicht von Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten über Volkshochschulen, Wirtschafts-, Berufsförderungs- und ländliche Fortbildungsinstitute zu Bildungs- und Literaturhäusern, Vereinen, Medienanstalten, Büchereiverbänden, sowie selbständigen EinzeltrainerInnen und Unternehmen als sekundäre BildungsanbieterInnen. Bei den Bildungsangeboten selbst herrscht nur eine geringe Produktdifferenzierung: Viele Programme ähneln einander, vieles wird mit gleichen oder ähnlichen Seminartiteln und identen oder fast identen Inhalten in derselben Qualität angeboten, die Seminarpreise orientieren sich an jenen der Konkurrenz, TrainerInnen wechseln von einem Institut zum anderen und die KundInnen haben es zunehmend schwer, einen Überblick über diese Angebotsvielfalt zu behalten. 1 2 Vgl. Markowitsch/Strobl 2005: 34 Vgl. Möller 2011: 72 1 Als wichtigster/wichtigste AnbieterIn von Erwachsenenbildung in Österreich gilt der/die eigene ArbeitgeberIn als innerbetrieblicher/innerbetriebliche WeiterbildungsanbieterIn: 35,5% der hauptsächlich beruflich motivierten Bildungsaktivitäten der Erwerbstätigen finden als Weiterbildung im eigenen Betrieb statt. An zweiter Stelle liegen die EB-Einrichtungen wie Wifi, bfi und Volkshochschulen mit 18,1%, gefolgt von sekundären BildungsanbieterInnen, die primär nicht auf Trainingsschwerpunkte ausgerichtet sind, wie Herstellerfirmen oder LieferantInnen mit 15,2%.3 Als weiteres wichtiges Standbein für die Erwachsenenbildungsstruktur in Österreich gilt natürlich das reguläre Bildungswesen mit Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten mit einem Anteil von 7,5%.4 Die Unternehmensgröße der EB-Einrichtungen variiert stark. Es gibt FreiberuflerInnen, Einzelund Kleinunternehmen, mittlere Unternehmen und Großunternehmen. Das bfi Steiermark, ein gemeinnütziger Verein ohne Erwerbszweck, ist mit seinem jährlichen Bildungsprogramm mit 2600 Bildungsangeboten, 37.214 TeilnehmerInnen in 402.616 Unterrichtseinheiten pro Jahr, 420 angestellten MitarbeiterInnen und 1.140 freiberuflichen TrainerInnen die größte steirische Erwachsenenbildungseinrichtung.5 Weiterbildungseinrichtungen lassen sich auch je nach Gesellschaftsstruktur unterscheiden: Die Mehrzahl der ErwachsenenbildungsanbieterInnen sind gewinnorientierte Einzelunternehmen gewerbliche TrainerInnen, die ihr ExpertInnen-Know-how in exklusiven Seminaren und Fachtrainings verkaufen und ihre Existenz ausschließlich aus ihren Betriebsergebnissen absichern. EB-Einrichtungen können folgende Betriebsziele haben: überwiegend erwerbswirtschaftliche Ziele, eine kostendeckende Betriebstätigkeit oder überwiegend nicht-monetäre Ziele.6 Am EB-Markt werden die unterschiedlichsten Bildungsprodukte entwickelt und nachgefragt – von allgemeinbildenden Angeboten bis zur Nachholung von Bildungsabschlüssen im zweiten Bildungsweg, von der Einschulung Trainingsangeboten, die exklusives in Basistechniken Fachwissen bis bereitstellen. zu Das berufsbildenden Spektrum von Bildungsprodukten ist äußerst vielfältig, schier unerschöpflich und reicht vom Staplerschein zur Sprengbefugtenausbildung, vom Weinseminar zum Kochkurs nach Traditioneller Chinesischer 3 Vgl. Statistik Austria 2012a: 106 f. Vgl. ebd. 5 Vgl. Business Report des bfi Steiermark 2012: 12 6 Vgl. Bernecker 2007: 21 4 2 Medizin, vom Italienisch- zum Yogakurs, von der Personalverrechnung zum Projektmanagement, von der Burn-Out-Prophylaxe zum Führungskräftetraining, von der außerordentlichen Lehrabschluss- zur Berufsreifeprüfung, vom Industrieführerschein bis hin zum Fernstudium, und vielem mehr. Dr. Michael Landertshammer, Leiter des Wirtschaftsförderungsinstitutes der WKO, beschreibt in einem Interview mit dem Magazin Training folgende Weiterbildungstrends der Zukunft: Hochtechnologie, Wellness, Gesundheit sowie unternehmensbezogene Dienstleistungen. Fachwissen fächere sich immer weiter auf. Im Wellnessbereich, zum Beispiel, gibt es derzeit schon über 800 Berufe und auch in der IT kommen ständig Tätigkeitsbereiche dazu. DienstnehmerInnen in diesen Branchen müssten sich da ständig spezialisieren und ihr Wissen Up-to-date halten.7 Weitere Wachstumsthemen sind vor allem die Bereiche Ökologie, erneuerbare Energien und Pflegeberufe, weiters Mediation, Stressbewältigung, betriebliche Gesundheitsförderung, interkulturelle Trainings sowie Gender- und nach wie vor Social SkillsTrainings. Ein weiterer Trend in der Erwachsenenbildung geht eindeutig in Richtung Fernlehre, Blended Learning und Online-Unterricht - berufsbegleitendes Lernen sollte heutzutage bei Bedarf abseits von festen Uhrzeiten und Zeitplänen funktionieren. Die Erwachsenenbildungserhebung (AES - Adult Education Survey) aus dem Jahr 2009 liefert einen Überblick sowohl über beruflich als auch privat motivierte Lernaktivitäten der österreichischen Bevölkerung im Alter zwischen 25 und 64 Jahren. Demnach wurden im Jahr 2009 in Österreich rund 207.000 Bildungsveranstaltungen angeboten, welche von rund 2,9 Mio. TeilnehmerInnen besucht wurden.8 Die nächste Erhebung soll nach den Bestimmungen der entsprechenden Verordnung der Europäischen Kommission im Jahr 2016 stattfinden. Obwohl Österreich im europäischen Vergleich bei der Teilnahme an formaler und non-formaler Erwachsenenbildung mit 41,9% gut über dem EU-Durchschnitt von 34,9% liegt, weisen wir im Vergleich zu den Spitzenländern Schweden und Finnland mit 73,4% und 55% durchaus noch Aufholmöglichkeiten auf.9 7 Vgl. <http://www.magazintraining.com/2010/12/02/weiterbildungstrends/> 08.08.2013 Vgl. Statistik Austria 2012a: 97 9 Vgl. ebd.: 45 8 3 Laut der von der Statistik Austria durchgeführten Konsumerhebung 2009/10 belaufen sich die durchschnittlichen Haushaltsausgaben für den gesamten Bereich Bildung auf rund 520 Euro pro Jahr – was 1,0% der Gesamtverbrauchsausgaben eines österreichischen Haushaltes entspricht. Mehr als zwei Drittel, rund 345 Euro, fließen davon in die Erwachsenenbildung.10 Das Bankhaus Merrill Lynch hat das Finanzvolumen des globalen Bildungsmarktes, der Knowledge Enterprise Industry, übrigens geschätzt. Demzufolge hat der globale Bildungsmarkt ein Volumen von rund 2200 Mrd. US-Dollar jährlich.11 1.1 Erwachsenenbildung: Definition Der Begriff Erwachsenenbildung ist nicht einheitlich definiert, vielmehr werden die Begriffe Bildung, Weiterbildung und Erwachsenenbildung in der Literatur und im allgemeinen Sprachgebrauch oft synonym verwendet. Bildung bezeichnet die Formung des Menschen im Hinblick auf sein „Mensch-Sein“ und seine geistigen Fähigkeiten. Der Begriff bezieht sich sowohl auf den Prozess des Sich-Bildens als auch auf den Zustand des Gebildet-Seins. Ein Zeichen der Bildung, das nahezu allen Bildungstheorien gemein ist, lässt sich umschreiben als „das reflektierte Verhältnis zu sich, zu anderen und zur Welt“12. Bildung entsteht dann, wenn der Umgang mit Wissensbeständen persönlichkeitswirksam geworden ist und die Lernenden geprägt hat.13 Die Begriffe Erwachsenenbildung und Weiterbildung können laut Bundesgesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln, BGBl. Nr. 171//1973 § 1 Abs. 2, gleichgesetzt und synonym verwendet werden und beziehen sich auf die berufliche und berufsbezogene Bildung, d.h. sie dienen dem Erhalt, der Vertiefung und der Erweiterung von Kompetenzen als Qualifikationen für das Berufsleben und umfassen alle allgemeinbildenden, beruflichen, politischen und kulturellen Lehr- und Lernprozesse für 10 Vgl. Statistik Austria 2012a: 45 Vgl. <http://www.erzwiss.uni-hamburg.de/Personal/Lohmann/Publik/WYB-2006-17-32.pdf> 28.08.2013 und Krautz 2011: 159 12 Vgl. <http://de.wikipedia.org/wiki/Bildung> 28.08.2013 13 Vgl. Krautz 2011: 17 11 4 Erwachsene, die im öffentlichen, privaten und wirtschaftlichen Kontext von anderen und/oder selbst gesteuert werden.14 Erwachsenenbildung ist auch eine Theorie und Wissenschaftsdisziplin: die des Lehrens und Lernens von und mit Erwachsenen.15 Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union setzt sich außerdem immer mehr die Sichtweise durch, dass Erwachsenenbildung ein Teil des Prozesses des lebenslangen Lernens ist.16 In dieser Master Thesis wird Erwachsenenbildung als allgemeine oder berufliche Lernaktivität im formalen, non-formalen oder informellen Kontext verstanden, die von und mit Erwachsenen nach Abschluss der allgemeinen oder beruflichen Ausbildung angestrebt wird, beruflichen oder privaten Zwecken dient und unabhängig von dem im Lernprozess erreichten Niveau ist. Formales Lernen wird als Lernen verstanden, das in einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung stattfindet und zu einer Zertifizierung führt. Non-formales Lernen ist Lernen, das nicht in Bildungs- oder Berufsbildungseinrichtungen stattfindet und zu keiner Zertifizierung führt. Informelles Lernen bezeichnet Lernen, das im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der Freizeit stattfindet, es ist nicht strukturiert und führt zu keiner Zertifizierung. Den größten Nutzen der Erwachsenenbildung stellt zweifelsohne die berufliche Qualifizierung dar. Die Erwachsenenbildung kann somit als Schlüssel zum Erhalt der fachlichen und persönlichen Qualifikationen gesehen werden, der es erlaubt, dem immer stärkeren Wettbewerb am Arbeitsmarkt erfolgreich standzuhalten. 14 Vgl. <http://erwachsenenbildung.at/themen/eb_in_oesterreich/definition/aktuelle_entwicklungen.php> 01.09.2013 Vgl. <http://erwachsenenbildung.at/themen/eb_in_oesterreich/definition/> 17.08.2013 16 Vgl. <http://erwachsenenbildung.at/themen/eb_in_oesterreich/definition/index.php> 01.09.2013 15 5 1.2 Bildung und Management– (k)ein Paradoxon? Wir befinden uns zurzeit in einem spannenden und dynamischen Prozess rascher wirtschaftlicher, soziokultureller und gesellschaftspolitischer Entwicklungen, der den kontinuierlichen Erwerb adäquater Qualifikationen notwendig macht. Unser Arbeitsmarkt verändert sich radikal und ist von immer komplexer werdenden Qualifikationsanforderungen und einem immer stärkeren Wandel geprägt. Zusätzlich zur Komplexität der Qualifikationsbedürfnisse veraltet Wissen im beruflichen wie privaten Kontext in immer kürzeren Abständen. Berufliche Weiterbildung und der Erhalt und die Entwicklung der fachlichen und persönlichen Qualifikationen der MitarbeiterInnen erfahren für Unternehmen in der heutigen Arbeitswelt somit eine existentielle Bedeutung.17 Erwachsenenbildung und lebensbegleitendes Lernen dienen also auch zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs und sind in der Bildungspolitik und Gesellschaft heutzutage nicht mehr wegzudenken, daher scheinen eine Professionalisierung von Bildung und die Assoziation von Bildung und Management durchaus angebracht. Es stellt sich hierbei allerdings die Frage: Wie viel Management verträgt die Weiterbildung? Zum Management der Ressource Bildung in Erwachsenenbildungseinrichtungen gehören zahlreiche Aufgaben und Aspekte: Neben der Planung, Gestaltung und Steuerung der organisatorischen, personalen und finanziellen Rahmenbedingungen von Bildungseinrichtungen, sind vor allem die Organisations- und Produktentwicklung, das Personalmanagement, die Bildungsbudgetierung, das Bildungsmarketing, das Bildungscontrolling, das Qualitätsmanagement und das Projektmanagement zentrale Elemente. Führungskompetenz, Managementfähigkeiten und betriebswirtschaftliches Know-how sind für Führungskräfte in der Erwachsenenbildung mittlerweile unabdingbar geworden. Die Erwachsenenbildung steht im Spannungsfeld von pädagogischen, volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Ansprüchen, wobei Bildung und Management hierbei kein Paradoxon sind. EB-Institutionen und Bildungsprozesse bedürfen sehr wohl Managementkompetenzen für ein wirtschaftlich verantwortungsvolles und erfolgreiches Handeln im Bildungsbereich allerdings sollten die besonderen ökonomischen, organisationalen und pädagogischen Anforderungen der Erwachsenenbildung nicht völlig außer Acht gelassen werden. 17 Vgl. Markowitsch/Strobl 2005: 181 6 1.3 Bildung als Ware vs. wahre Bildung “There is only one thing in the long run more expensive than education: no education.“ John F. Kennedy Im Mittelpunkt von „wahrer“ Bildung und Erziehung steht eigentlich nicht die Frage, wie man möglichst optimal für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt ausbildet, sondern da sollte der pädagogische Bildungsauftrag mit den Prämissen der Allgemein- und Menschenbildung stehen. Zu den Bildungsaufgaben zählen neben der Wissens- und Kulturvermittlung auch Bereiche der Wertevermittlung, etwa die Förderung von Toleranz, die Aufgeschlossenheit oder die Ehrfurcht vor Mitmensch und Natur.18 Als Bildungsauftrag wird die Aufgabe staatlicher Institutionen bezeichnet, für die Allgemeinheit geeignete Bildungsangebote zu erarbeiten und bereitzustellen – das gilt prinzipiell für alle geförderten Bildungseinrichtungen. Für öffentliche Schulen findet er in Schulprofilen und Lehrplänen seinen Niederschlag, für Hochschulen u.a. in den Studienplänen und in der Erwachsenenbildung im Selbstverständnis der TrägerInnen des jeweiligen Bildungshauses. Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung bieten heutzutage allerdings nicht mehr Bildung und Erziehung um ihrer selbst und um des Menschen willen an, sondern gelten als Standortfaktor im Wirtschaftskampf: Der Markt diktiert zunehmend, welches Wissen relevant sein soll. Aus Bildung wird Ausbildung, Wissen wird zur Ware, SchülerInnen und Studierende zu „Humankapital“ und Bildung und Erziehung werden zunehmend auf ihre Verwertbarkeit geprüft.19 Zahlreiche ExpertInnen warnen heutzutage vor einer Ökonomisierung der Bildung. Es gibt zahlreiche Publikationen und noch mehr Diskussionen über die drohende Ökonomisierung der Bildung und es wird eindrücklich davor abgeraten, Bildung ausschließlich als eine handelsfähige Ware zu sehen. Aber warum sollte Bildung, insbesondere die Erwachsenenbildung, nicht als Ware gesehen werden, zumal die Umdeutung von Bildung zur Ware ja längst vollzogen ist? 18 19 Vgl. <http://de.wikipedia.org/wiki/Bildungsauftrag> 28.08.2013 Vgl. Krautz 2011: 8 7 Die ökonomische Betrachtung von Bildung lässt sich bis Adam Smith (1723-1790) zurückverfolgen. Er weist in seinem Werk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“ (1776) auf die Notwendigkeit von Geldausgaben für die Ausbildung, das Studium oder die Lehrzeit hin, die sozusagen ein in einen Menschen investiertes Kapital darstellen: “[…] The acquisition of such talents, by the maintenance of the acquirer during his education, study, or apprenticeship, always costs a real expense, which is a capital fixed and realized, as it were, in his person.”20 Spätestens seit den 1960er Jahren konnte sich die Vorstellung von Bildung als ökonomisch zu kalkulierende Größe nachhaltig etablieren.21 Dementsprechend wird es heute als primäre Aufgabe der Erwachsenenbildung gesehen, für die Qualifikationsbedarfe der Wirtschaft auszubilden. Der Grund für die Teilnahme an Erwachsenenbildungsaktivitäten für TeilnehmerInnen selbst ist meist auch ein ökonomischer: Menschen implizieren mit dem Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen und der damit verbundenen Zeit-, Kosten- und Energieinvestition die Erwartung, den Beruf besser ausüben zu können bzw. die Karriereaussichten am Arbeitsmarkt zu verbessern und sich darüber hinaus Wissen und Fertigkeiten für den Alltagsnutzen anzueignen.22 Jochen Krautz definiert drei Dimensionen in der Bildungsökonomie:23 1. Ökonomisierung der Bildungsinhalte: Die Bildungsinhalte werden auf ökonomisch notwendiges Wissen und auf die Kenntnisse und Fähigkeiten, die von der Wirtschaft gefordert werden, angepasst. 2. Ökonomisierung der Bildungsdienstleistungen: Bildung wird entsprechend konfektioniert und verkauft, wobei es um die konkrete Gewinnausrichtung von Bildungseinrichtungen geht. 3. Ökonomisierung der Bildungsinstitutionen: die Führung und Verwaltung von Bildungseinrichtungen wird in ein betriebswirtschaftliches Muster gezwängt. 20 <http://en.wikisource.org/wiki/The_Wealth_of_Nations/Book_II/Chapter_1> 27.08.2013 gl. homepage.uni ie.ac.at erich.ribolits php eb m archi e do nload > 15.08.2013 22 Vgl. Statistik Austria 2012a: 64 23 Vgl. Krautz 2011: 111 21 8 Doch Vorsicht: Bildung, Erziehung und Erwachsenenbildung können nicht nur ökonomisiert betrachtet und völlig unter den Maßstab der Effizienz und Profitabilität gestellt werden, sondern müssen auch pädagogisch sinnvoll und sozial verantwortbar umgesetzt werden. Folgendes Beispiel möge das ökonomisch-pädagogische Paradoxon verdeutlichen: Wir führen ein Sprachseminar durch und haben einen Seminarraum mit 30 Plätzen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht würde man die Veranstaltung bis auf den letzten Sessel komplett befüllen um einen möglichst hohen Deckungsbeitrag zu erwirtschaften. Pädagogisch gesehen ist eine so große TeilnehmerInnengruppe bei Sprachseminaren natürlich unsinnig, viel zu kurz kämen dabei die Übungssequenzen und die interpersonellen Dialoge. Da wäre es viel besser die TeilnehmerInnen in drei Gruppen mit drei ReferentInnen zu splitten, was die seminarbezogenen Kosten (TrainerInnenhonorar, Fahrtkosten, Raumkosten) zu Lasten des Deckungsbeitrages verdreifacht. Schule, Universität und Erwachsenenbildung können auch nicht rein als outgesourstes Jobtraining für Unternehmen gesehen werden, sie können es sich andererseits aber auch nicht leisten, völlig am Arbeitsmarkt vorbeizuqualifizieren. Die Bildungsfrage lässt sich nicht unabhängig von dem diskutieren, was in der Welt, in der Politik, Gesellschaft und Wirtschaft vor sich geht24 und die Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung haben sehr wohl die Pflicht, qualifizierte und arbeitsfähige AbsolventInnen zu entlassen, die im Arbeitsleben bestehen können25. Wenn SchulabgängerInnen heutzutage die Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen nicht mehr beherrschen, schaffen sie als zukünftige Lehrlinge nicht einmal die Einstellungstests. Bildung und im speziellen die Erwachsenenbildung kann und muss heutzutage ihrer Existenz wegen ökonomisch betrachtet werden, daher ist die Betrachtung von (Weiter)Bildung als Ware durchaus legitim. Keinesfalls sollte Bildung aber ausschließlich als Ware und der Mensch rein als Kapitalanlage betrachtet werden, der am Arbeitsmarkt Profit abwirft und zum Wachstum der Kapitalrendite beiträgt. Es bleibt also notwendig, trotz des härteren Wettbewerbes, trotz des Kampfes um TeilnehmerInnen, steigenden Kostendruckes, sinkender Zuschüsse und verschärfter Ausschreibungsmodalitäten, den eigentlichen Sinn und den eigentlichen Bildungsauftrag von Pädagogik, Bildung und Erziehung nicht ganz außer Acht zu und sich als EB-Einrichtung der Diskrepanz zwischen Gewinnmaximierung und pädagogisch sinnvollem Unterricht zu stellen. 24 25 Vgl. Krautz 2011: 23 Vgl. ebd.: 38 9 1.4 Bedeutung und Perspektiven der Ressource Weiterbildung In den letzten Jahren Gewinnmaximierung, prägen Begriffe Konkurrenzdruck, wie Globalisierung, Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftswachstum, Technologiewettbewerb, Informations- und Kommunikationstechnologien, Veränderungsdynamik, Wissensverfall und Strukturwandel unsere immer dynamischere Wirtschafts- und Arbeitswelt. Berufliche, aber auch private Weiterbildungen im Erwachsenenalter als Förderung der beruflichen, sozialen und persönlichen Kompetenzen werden für den Menschen, aber auch für Betriebe und den Staat immer wichtiger.26 Individuelle und betriebliche Weiterbildung gewinnt somit für die Investition in den eigenen Wert auf dem Arbeitsmarkt und damit als Garant für Weiterentwicklung und Erhöhung der eigenen Berufs- und Karrierechancen als auch für den Unternehmenserfolg zunehmend an Bedeutung. Eine europaweite Unternehmensbefragung aus dem Jahr 2002 bestätigt den Zusammenhang von betrieblichen Kompetenzressourcen als zentrale Wettbewerbsfaktoren für die Zukunft: Erfolgreiche Unternehmen investieren demnach mehr Geld und Zeit in die Entwicklung ihrer Unternehmensangehörigen und verfügen über ein deutlich höheres Wissen als ihre Konkurrenzunternehmen.27 Prof. Dr. F. Malik fand schon im Jahr 2005, dass eine Bildungsexplosion stattfände und eine tiefgreifende Transformation von der Industrie- zur Wissensgesellschaft vor sich ginge, in der das Thema Bildung in allen Erscheinungsformen ein zentrales Thema sei28 - dieser Trend hält heutzutage sicherlich weiterhin an. Weiterbildung erfährt zunehmend zur ökonomischen auch eine volkswirtschaftliche Bedeutung: der rasche Wandel der technologischen und sozialen Umwelt, eine alternde Gesellschaft mit sinkenden Geburtenraten und steigender Lebenserwartung in Kombination mit einer stetigen Anhebung des Pensionsantrittsalters – diesen Faktoren kann nur mit einer gut ausgebildeten und weiterbildungsaffinen Bevölkerung begegnet werden. Dass Bildung die Chancen am Arbeitsmarkt verbessert, ist unbestritten. Ein Blick in die Arbeitslosenstatistiken zeigt, dass mit zunehmendem Bildungsgrad das Risiko sinkt, arbeitslos zu werden. Neben einer fundierten Grundausbildung ist ein lebenslanges Weiterlernen in unserer heutigen Wissensgesellschaft eine notwendige Pflicht geworden. 26 Vgl. Statistik Austria 2012a: 18f. Vgl. Markowitsch/Strobl 2005: 117 28 Vgl. Malik 2005: 37 27 10 1.5 Lebenslanges Lernen und Megatrend Bildung „Adult learning: It is never too late to learn“ Europäische Kommission Seit den 1990er Jahren prägt der Betriff lebenslanges oder lebensbegleitendes Lernen als Konzept die Bildungspolitik der Europäischen Union sowie ihrer Mitgliedsstaaten und soll Menschen befähigen, während ihrer gesamten Lebensspanne selbständig zu lernen. Lebenslanges und lebensbegleitendes Lernen werden oft synonym verwendet. Auf europäischer Ebene ist der Begriff lebenslanges Lernen vorrangig, daher sei dieser auch in dieser Master Thesis verwendet. Der Begriff des lebenslangen Lernens (LLL) ist mittlerweile bei keiner Bildungsdiskussion mehr wegzudenken. Lebenslanges Lernen umfasst „alles Lernen während des gesamten Lebens, das der Verbesserung von Wissen, Qualifikation und Kompetenzen dient“29 und die Erwachsenenbildung ist eine der wichtigsten Säulen in diesem Prozess. Die Mitteilung der Europäischen Kommission „Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen“ aus dem Jahr 001 und die Entschließung des Rates zum lebensbegleitenden Lernen von 2002 hoben hervor, dass das LLL von grundlegender Bedeutung sei, und zwar nicht nur für die Wettbewerbs- und die Beschäftigungsfähigkeit, sondern auch für die soziale Integration, den Bürgersinn und die persönliche Entwicklung.30 Der Europäische Rat setzte außerdem am Gipfel von Lissabon im Jahr 2000 das ehrgeizige strategische Ziel, dass die Europäische Union bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt werden sollte.31 In einer wissensbasierten Gesellschaft sollte es selbstverständlich sein, dass Wissen, Qualifikationen und Kompetenzen in erster Linie nicht als formale Bildung weitgehend vor Beginn des Erwerbslebens vermittelt bzw. erworben werden, sondern dass es vielfältige Chancen zur Auseinandersetzung mit den aktuellen Entwicklungen und zur Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit gibt. Denn das Wissen und die Fähigkeiten, die während der Berufsausbildung erlernt wurden, genügen in den meisten Fällen nicht mehr, um eine vierzig- bis fünfzigjährige Berufslaufbahn zu garantieren. 29 Statistik Austria 2012a: 70 <http://www.europarl.europa.eu/ summits/lis1_de.htm> 18.08.2013 31 Vgl. Markowitsch/Strobl 2005: 52 30 11 Der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx beschreibt Bildung als einen der Megatrends der Zukunft, der alle Lebensbereiche betrifft. Die Zukunft gehöre der Hochbildungsgesellschaft und Hochbildung in Zukunft heiße nicht mehr der Besitz eines Titels. Die Hochbildung der Zukunft befähige zur permanenten Weiterentwicklung der Fähigkeiten und zur Ausbildung des eigenen Charakters. Es gelte, den Menschen als lernendes, neugieriges Wesen zu sehen.32 Dr. Michael Landertshammer, Institutsleiter Wifi Österreich, meint, dass Bildung zu Recht als Megatrend gelte und für ihn unmittelbar mit Herausforderungen wie dem Wandel in der Demografie, dem rasanten technologischen Fortschritt, der Ressourcenknappheit und der Internationalisierung der Wirtschaft verbunden sei.33 Um LLL messbar zu machen hat die Europäische Union den Strukturindikator "Lebenslanges Lernen" geschaffen, der die Teilnahme an formaler oder non-formaler Weiterbildung von 25- bis 64-Jährigen innerhalb der EU misst. Im Jahr 2011 nahmen rund 14% der österreichischen Gesamtbevölkerung ab 15 Jahren in den letzten 4 Wochen vor der Befragung an einer beruflichen oder privaten Weiterbildung teil und damit übertrafen wir den europäischen Durchschnitt: Die Vergleichszahlen lagen im EU-15-Schnitt bei 10,1% und im EU-27-Schnitt bei 8,9%. Im Jahr 2020 sollte eine Quote von 20% erreicht werden.34 Die Industriellenvereinigung (IV) verfolgt seit den 1990er Jahren das Thema LLL und räumt diesem eine hohe Priorität ein, zumal LLL darüber entscheidet, ob Österreich im Wettbewerb der erfolgreichen Wirtschaftsstandorte ganz vorne mit dabei sein kann. Mag. Holger Heller von der IV sieht im LLL folgende Schlüsselrollen:35 LLL ist das Fundament der modernen Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft LLL wird in Zukunft der Wettbewerbsfaktor sein, der wesentlich zur Betriebssicherung beitragen wird LLL ist für das Individuum eine Art Beschäftigungsversicherung und Garant für die Beschäftigungsfähigkeit Lebenslanges Lernen ist also seit mehr als 20 Jahren einer der zentralen Begriffe der Bildungsgesellschaft. Dabei gilt heute mehr als je zuvor: Nichts ist beständiger als der Wandel. 32 Vgl. <www.entega.de/fileadmin/downloads/.../megatrends_horx.pdf> 08.08.2013 Vgl. <http://www.magazintraining.com/2010/12/02/weiterbildungstrends/ > 08.08.2013 34 Vgl. <http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bildung_und_kultur/erwachsenenbildung_weiterbildung_ lebenslanges_lernen/weiterbildungsaktivitaeten_der_bevoelkerung/index.html> 18.08.2013 35 Vgl. Heller 2005: 71 ff. 33 12 Die sich ändernden Anforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft können nur bewältigt werden, wenn wir sowohl als Einzelpersonen, als auch als Unternehmen fähig und gewillt sind, ständig dazuzulernen. LLL ist zwar kein Garant für ein und denselben Arbeitsplatz während des gesamten Erwerbslebens, dennoch nimmt es eine Schlüsselrolle ein um den immer neuen Herausforderungen im Berufsleben erfolgreich zu begegnen. 1.6 Wissensmanagement und die Halbwertszeit von Wissen Neben den klassischen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital hat Wissen mittlerweile einen ähnlich bedeutenden Stellenwert eingenommen und wird als vierter Produktionsfaktor bezeichnet. In den Industrieländern sind Wissen und Weiterbildung in vielen Unternehmen die Ressource, die zu mindestens 60% für die Gesamtwertschöpfung eines Unternehmens verantwortlich ist.36 Wissen ist für Unternehmen in der heutigen, von Globalisierung, steigendem Konkurrenzdruck, zunehmenden KundInnenerwartungen, komplexer werdenden Produkten und Dienstleistungen sowie immer kürzeren Produktlebenszyklen geprägten Welt ein für den Unternehmenserfolg entscheidender Wettbewerbsfaktor.37 Wir leben in einer Zeit, in der sich das Wissen der Menschheit schneller denn je weiterentwickelt. So wird beispielsweise alle fünf Minuten eine neue medizinische Erkenntnis gewonnen, alle drei Minuten ein neuer physikalischer Zusammenhang und jede Minute eine neue chemische Formel entdeckt. Und die Halbwertszeit von Wissen, also die Zeit, in der vorhandenes Wissen nur noch die Hälfte wert ist, wird dabei immer kürzer. Die Halbwertzeit des Wissens dauerte um 1800 hundert Jahre. Seit dem Anfang des 21. Jahrhunderts verdoppelt sich das Wissen alle vier Jahre.38 Schulwissen ist heutzutage nach circa 20 Jahren nur noch zur Hälfte gültig, Hochschulwissen und berufliches Fachwissen verlieren nach zehn bis fünfzehn Jahren 50% ihrer Bedeutung, die Hälfte des nutzbaren technologischen Wissens verfällt nach zwei bis 36 Vgl. <http://www.business-wissen.de/organisation/wissensmanagement-faktor-wissen-in-der-heutigen-zeitimmer-wichtiger/> 08.08.2013 37 Vgl. Ehlers/Schenkel 2005: 2 38 Vgl. <http://wb-cc.de/im-verlag/demo/demolc/th01/in0104c.htm> 08.08.2013 13 drei Jahren und EDV-Wissen besitzt zurzeit nur noch eine Halbwertzeit von weniger als zwei Jahren.39 Ein interessanter Ansatz ist jener von Konrad Paul Liessmann, der besagt, dass nicht die Wissensgesellschaft die Industriegesellschaft abgelöst hat, sondern umgekehrt, das Wissen werde in unserer Informationsverarbeitungsgesellschaft immer rasanter industrialisiert.40 Unser Wissen wird immer mehr und immer spezialisierter, stellt höhere Anforderungen und unsere heutige Wirtschaft beruht mehr denn je zuvor auf technologisch-wissenschaftlichen Zusammenhängen.41 Lebenslanges Lernen wird also unabdingbar sein, um den neuen Anforderungen in Beruf und Gesellschaft gerecht werden zu können, denn das Wissen der Menschen muss durch permanente Lernprozesse ständig aktualisiert und angepasst werden. 1.7 Betriebliche Weiterbildung in Österreich und im europäischem Vergleich „Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.“ Benjamin Franklin Neben der individuellen und eigenverantwortlichen Weiterbildung ist es für jedes dauerhaft erfolgreiche Unternehmen unerlässlich, firmenintern in die Aus- und Weiterbildung der MitarbeiterInnen zu investieren. Weiterbildungen in Unternehmen sind keine „Nice-to-ha es“ 42 mehr, sondern zentrale und für den Unternehmenserfolg entscheidende Faktoren. Laut einer Studie der Arbeiterkammer Österreich kommt jeder Euro, der in die betriebliche Weiterbildung investiert wurde, dreizehnfach ins Unternehmen zurück43. Betriebe verfolgen mit Weiterbildung also vor allem ökonomische Ziele, somit können Bildungsinvestitionen auch als immaterielle Investitionen im weiteren Sinne betrachtet werden. 39 Vgl. <http://www.business-wissen.de/organisation/wissensmanagement-faktor-wissen-in-der-heutigen-zeitimmer-wichtiger/> 08.08.2013 40 Vgl. Liessmann 2006: 39 41 Vgl. Krautz 2011: 113 42 Ehlers/Schenkel 2005: 2 43 Vgl. Ostermann 2013: 115 14 Betriebliche Weiterbildung ist in Österreich sehr weit verbreitet: Laut einer Befragung der Statistik Austria setzen 81% der österreichischen Unternehmen ab 10 Beschäftigten Weiterbildungsaktivitäten. Bei größeren Unternehmen mit mehr als 50 MitarbeiterInnen liegen diese sogar bei 90%.44 Über Bildungsmaßnahmen in Unternehmen im europäischen Vergleich informiert die europaweite Erhebung über betriebliche Bildung CVTS – Continuing Vocational Training Survey. Die zuletzt durchgeführte Studie stammt aus dem Jahr 2010 und bescheinigt Österreich mit 87% den im europaweiten Vergleich höchsten Anteil weiterbildungsaktiver Unternehmen.45 Unternehmen bilden MitarbeiterInnen extern oder intern weiter. Wichtige Weiterbildungsaktivitäten sind die Weiterbildung am Arbeitsplatz durch den Austausch von Erfahrungswissen, Jobrotations, Lern- und Qualitätszirkel, Workshops, Konferenzen, Tagungen, Fachmessen, Fachvorträge, etc. Die wichtigsten externen BildungsanbieterInnen sind private BildungsanbieterInnen mit Erwerbszweck bzw. private Unternehmen, die primär keine Bildungsanbieter sind, wie z.B. LieferantInnen, Herstellerfirmen oder Muttergesellschaften.46 Österreichische Unternehmen scheinen erkannt zu haben, dass die Investition in Weiterbildung eine der besten Investitionen mit den höchsten Renditen ist. 1.8 Vom anbieterInnen- zum teilnehmerInnen- bzw. marktorientierten Bildungsmarkt Weltweit findet ein Paradigmenwechsel im Verständnis von Bildung statt. Während früher der Bildungsauftrag noch eine viel bedeutendere Rolle spielte, findet heute eine verstärkte Orientierung an der Kaufkraft der SeminarteilnehmerInnen statt. Die ursprüngliche Orientierung der Lernenden an den Bildungsorganisationen dreht sich um. Die Erwachsenenbildungsinstitute müssen sich verstärkt an den Lernenden orientieren und mehr noch: Die Ausrichtung auf die Lernenden weicht mehr und mehr der Ausrichtung auf den Markt bzw. orientiert sich an den Bedürfnissen des Marktes, so auch Karin Eder in ihrem Artikel „Trainingsentwicklung, Trainerqualität und Trainerauswahl“47, denn es gilt heutzutage mehr 44 Vgl. Statistik Austria 2012a: 73 Vgl. Statistik Austria 2013: 66 46 Vgl. ebd.: 74 47 Vgl. Eder 2005: 109 45 15 denn je mit Wissen den Vorsprung am Arbeitsmarkt zu erhalten und auszubauen um den rasanten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen standzuhalten. Auch auf der begrifflichen Ebene spricht man mittlerweile nicht mehr von TeilnehmerInnen, sondern von KundInnen, wobei diese beiden Begriffe inhaltlich nicht weiter unterschieden, sondern synonym verwendet werden. Der Wandel von der TeilnehmerInnen- zur KundInnenorientierung ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Ökonomisierung der Bildung schon weit fortgeschritten ist und wird aus bildungspolitischer Sicht teilwiese als kritisch wahrgenommen 48. Es kommt also verstärkt zu einer Verschiebung von der klassisch pädagogischen TeilnehmerInnenzentrierung zur ökonomischen KundInnenorientierung und zwar auf allen Ebenen: begrifflich, inhaltlich und praktisch.49 Auf der praktischen Ebene findet heute viel stärker eine Orientierung an der Kaufkraft der KundInnen statt. Seminare werden termin- und zeitlich so angeboten, dass ein Maximum an TeilnehmerInnen erreicht werden kann. Bereits bei der Kursprogrammplanung wandelt sich die Ausrichtung also von der pädagogisch definierten Zielgruppe zur ökonomisch dominierenden Zielgröße50 und dies ist für den wirtschaftlichen Seminarerfolg wesentlich. Inhaltlich geht der Trend ganz klar weg vom Einheits-Standard-Seminar: Angebote werden zunehmend in individueller Abstimmung mit den KundInnen entwickelt und Bildungsmaßnahmen und Bildungsinhalte werden speziell im Firmenschulungs- aber auch im öffentlichen Seminarbereich auf die KundInnenwünsche zurechtgeschnitten und an die unternehmensspezifischen und individuellen Rahmenbedingungen adaptiert. Parallel dazu verhalten sich SeminarteilnehmerInnen verstärkt kritischer, emanzipierter und fordernder. Sie investieren Zeit, Geld und Energie in eine Weiterbildungsveranstaltung und erwarten sich dabei eine Menge – und das oft zu Recht. Seminarevaluierungen, die meist am Ende einer Bildungsveranstaltung durchgeführt werden um ein Feedback über das Seminar zu erhalten, fallen generell kritischer aus als vor noch ein paar Jahren. 48 Vgl. Möller 2011: 39 Vgl. ebd.: 40 50 Vgl. ebd.: 41 49 16 Transfersicherung ist vor allem für betriebliche Schulungen von besonderer Bedeutung – Schulungen müssen sicherstellen, dass die vermittelten Trainingsinhalte auch tatsächlich im beruflichen Alltag eingesetzt werden können. TrainerInnen fungieren somit immer mehr als auch Coaches und ProzessbegleiterInnen, als UnternehmensberaterInnen und Personal- entwicklerInnen. Der Weiterbildungsmarkt entwickelt sich also immer mehr zum NachfragerInnenmarkt und SeminarteilnehmerInnen haben mit ihrer Buchung einen wesentlichen Anteil am Zustandekommen eines Seminars. Für sie müssen neue Bildungsprodukte entwickelt oder die bestehenden upgedated werden, neue USPs gefunden, neue Weiterbildungsbedarfe geweckt werden, neue Lernformen und -möglichkeiten gefunden werden, neue ReferentInnen gesucht und Lernmaterialien konzipiert werden. All dies stellt die Produktentwicklungs- und Marketingverantwortlichen der EB-Einrichtungen vor Herausforderungen. 17 2 Produktentwicklung für Bildungsmaßnahmen Produktentwicklung ist generell für alle Märkte geprägt von immer rascheren Produktinnovationen, immer stärkeren Individualisierungen von Produkten und Dienstleistungen für KundInnen, immer kürzeren Produktlebenszyklen und den damit einhergehenden betrieblichen Umstellungen, permanentem Innovationsdruck und immer schärfer werdendem Wettbewerb. In diesem Kapitel wird der Produktentwicklungsprozess für Bildungsprodukte näher beschrieben. Doch zunächst: Was ist eigentlich eine Bildungsmaßnahme? Eine Bildungsmaßnahme ist ein Bündel von inhaltlich und zeitlich zusammenhängenden Aktivitäten, die erforderlich sind, um zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Weiterbildungsprozess für Lernende bzw. mit Lernenden bestimmte Bildungsziele zu erreichen.51 2.1 Der Produktentwicklungsprozess Die Einführung neuer Bildungsmaßnahmen sowie die Adaption der bestehenden Angebote stellen einen zentralen Erfolgsfaktor für Weiterbildungseinrichtungen dar. Vor dem Hintergrund der Dynamisierung der Umwelt verkürzen sich auch die Lebenszyklen von Bildungsprodukten und die Gefahr von Flops sowie die Entwicklungskosten neuer Bildungsleistungen steigen.52 Es gilt innovative, tragfähige Bildungskonzepte zu entwickeln und bestehende zu modifizieren und dabei die Bedürfnissen und Bedarfe der SeminarteilnehmerInnen zu berücksichtigen. Mit Bildungsinnovation ist nicht nur die Schaffung neuer Seminare, Aus- und Weiterbildungen – also echte Innovation – gemeint. Am häufigsten werden Produktvariationen, also quasi-neue Bildungsprodukte, erstellt, die keine wesentlich neuen Inhalte, aber vielmehr eine innovative Kombination von bereits vorhandenen Wissensbausteinen darstellen. Der/die Bildungsanbieter/in hat auch die Möglichkeit vorhandene Bildungsprodukte nachzuahmen, also bereits existente Seminare durch Imitation, Kauf oder Lizenzen als Mee-too-Leistungen zu übernehmen. 51 52 Vgl. Ehlers/Schenkel 2005: 38 Vgl. Bernecker 2007: 200 18 Produktentwicklungsprozesse starten generell mit einer Produktidee, so auch in der Erwachsenenbildung. Wichtige Quellen für neue Seminarideen sind die folgenden: AuftraggeberInnen Betriebe MitbewerberInnen ProduktmanagerInnen SeminarbetreuerInnen TeilnehmerInnen TrainerInnen, ReferentInnen, SeminarleiterInnen, Vortragende, LektorInnen OrganisationsentwicklerInnen und UnternehmensberaterInnen VertriebsmitarbeiterInnen WissenschaftlerInnen etc. Hat eine Produktidee eine Marktchance, kommt es zur Erstellung eines Grobkonzeptes. Nach der Freigabe kommt es zur Entwicklung des Feinkonzeptes durch die Produktverantwortlichen. Das Feinkonzept wird ggf. mit den TrainerInnen abgestimmt. Ist das Seminar fertig designt wird es auf dem Markt lanciert, d.h. es kommt in das Bildungsprogramm, auf die Homepage, in den Newsletter, als Directmail an Interessierte, als Firmenschulungsangebot zu Unternehmen oder als Angebot für eine öffentliche Einrichtung in das Ausschreibungsprozedere. Das Produkt wird geschult und bleibt bis zu seiner Eliminierung im Produktportfolio des/der Bildungsanbietenden und am Bildungsmarkt. Produktidee Grobkonzept Feinkonzept Lancierung am Bildungsmarkt Eliminierung vom Bildungsmarkt Abbildung 1: Produktentwicklung für den Bildungsmarkt, einfacher Prozess, eigene Darstellung Je nach Größe der Bildungseinrichtung ist das Procedere der Produktentwicklung mehr oder weniger umfangreich. Ein-Personen-Unternehmen entwickeln Seminare rasch und ohne größeren Aufwand, da sie sich nicht mit verschiedenen Abteilungen abstimmen müssen. In größeren Instituten ist dieser Prozess umfangreicher und bedarf der Freigabe mehrerer Instanzen. Auf Seite 1 des Anhangs dieser Master Thesis ist der ziemlich umfangreiche Produktentwicklungsprozess für das öffentliche Seminarangebot des bfi Steiermark dargestellt. 19 Ein Bildungsangebot besteht in der Regel aus folgenden Komponenten, welche auch Hinweise auf wichtige und kritische Punkte für die Konzeptentwicklung und –umsetzung geben: Seminartitel / Bezeichnung der Maßnahme Die Bezeichnung der Maßnahme sollte ansprechend sein, zum Thema passen und den Charakter der Bildungsleistung wiedergeben. Lernziele und KundInnennutzen Jede Bildungsmaßnahme sollte den KundInnennutzen betonen, dies geschieht häufig mit der Beschreibung der Lernziele, die erreicht werden sollen. Zielgruppe Für den Erfolg einer Veranstaltung ist eine zielgruppenspezifische Ansprache notwendig. TrainerInnen Eine Beschreibung des Lehrpersonals mit den wichtigsten Angaben wie Namen, Titel, Funktion, Qualifikationen und Referenzen ist für die Seminarbuchung von entscheidendem Vorteil. Termine / Dauer / Seminarzeiten Die Dauer von Bildungsveranstaltungen wird in Unterrichtseinheiten, Stunden oder Tagen angegeben. Der Termin ist so zu legen, dass ein Maximum an KundInnen erreicht werden kann. TeilnehmerInnenanzahl Die minimale und/oder maximale TeilnehmerInnenanzahl wird definiert. Voraussetzungen Um den Lernerfolg optimal gestalten zu können, sollten im Vorfeld die Teilnahmevoraussetzungen definiert sein. Inhalte Im Angebot sind die Maßnahmeninhalte detailliert zu schildern um die Erwartungshaltungen der Seminarteilnehmenden positiv zu beeinflussen. Methodik und Didaktik Eine kurze Beschreibung der angewandten Methodik und Didaktik ist hilfreich um die NachfragerInnen auf die Bildungsmaßnahme einzustimmen. Seminarort / Räumlichkeiten / Service Attraktive Schulungsräumlichkeiten sind heutzutage Standard. Seminarort, -räume und Service sollten adäquat sein, ggf. können eine Beschreibung der Räumlichkeiten und des Services, sowie eine Anfahrtsskizze im Angebot enthalten sein. Seminarpreis / TeilnehmerInnengebühren / Nebenkosten Der Seminarpreis kann pro Person oder als Gesamtpreis ausgewiesen werden, es empfiehlt sich der Hinweis auf Fördermöglichkeiten. Preisangaben sollten vollständig sein und neben den Seminargebühren auch etwaige Nebenkosten wie Lehrmittel, Fahrtkosten, Unterkunftskosten, Stornogebühren und die Umsatzsteuer beinhalten. Abbildung 2: Komponenten eines Bildungsangebots 20 Die Herausforderungen für die Produktentwicklungsabteilungen der Erwachsenenbildungseinrichtungen liegen nun darin, aktuelle, trendige und passgenaue Bildungsangebote zu entwickeln, Marktnischen herauszuarbeiten, die Bedürfnisse und Bedarfe der BildungsnachfragerInnen genau zu treffen und somit Wettbewerbsvorteile für die eigene Bildungseinrichtung zu erzielen. Ein qualifiziertes Bildungsangebot ist dann akzeptabel, wenn es:53 den neuesten Stand des verfügbaren Know-hows als Inhalt hat auf die zu erwartenden Lernbedürfnisse und –bedarfe der Zielgruppe zugeschnitten ist Lösungswege für die methodische-didaktisch Konstruktion des Lehr- und Lernprozesses aufzeigt Seminare werden also entwickelt und kommen ins Bildungsprogramm. Bildungsprodukte verbleiben mehr oder weniger lange bzw. mehr oder weniger gesteuert im Portfolio der Bildungsorganisationen. Natürlich gibt es die Evergreens unter den Seminaren, diese werden seit Jahrzehnten nachgefragt - man denke da an die unzähligen Staplerausbildungen, Zeitmanagementseminare und Beschwerdemanagementtrainings. Daneben gibt auch in der Weiterbildungsbranche modische Trends mit kurzen Produktlebenszyklen: Lomi Lomi Nui, zum Beispiel, eine hawaiianische Massagetechnik, war vor einigen Jahren ein topaktueller Weiterbildungstrend für MasseurInnen, wird heute aber nicht mehr nachgefragt. Gezieltes Produktportfoliomanagement ist ein Weg - und sei an dieser Stelle EB-Einrichtungen ausdrücklich empfohlen - um Bildungsprodukte erfolgreich zu implementieren, zu steuern und zu überwachen, mit dem Ziel auf die Anforderungen des Weiterbildungsmarktes rasch reagieren und aus den Produktportfolios mehr Transparenz, Wertschöpfung und Nachhaltigkeit generieren zu können. 53 Merk 1998: 165 21 2.2 Produktportfolio-Analyse Die Portfolioanalyse, eine Methode der strategischen Unternehmensplanung, ist in den 1950er Jahren entstanden. Unter Portfolio versteht man die Gesamtheit der Produkte oder, im Bildungsbereich, die Gesamtheit der Bildungsdienstleistungen, mit denen ein Unternehmen auf dem Markt präsent ist. Die Kombinationen aus Marktanteil und Marktwachstum sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf Gewinn, Liquidität und Wachstum werden mit Hilfe der Portfolio-Matrix dargestellt. Das Konzept des Produktlebenszyklus spielt im Portfolio-Ansatz eine wichtige Rolle, da dieser davon ausgeht, dass sich der Absatz eines Produktes bzw. Seminars in einem bestimmten Zeitraum in bestimmten Lebensphasen entwickelt. Planung, Entwicklung, Betreuung, Steuerung und Optimierung der bestehenden Produktportfolios sind die grundlegenden Aufgaben eines jeden Unternehmens um mögliche Umsatzpotenziale optimal auszuschöpfen und Fehlinvestitionen zu vermeiden – das gilt auch für die Erwachsenenbildung. Dabei sind vor allem wirtschaftliche Kriterien zu beachten und Antworten auf Fragen dieser Art zu suchen: Wie lange bleibt ein Produkt generell im Bildungsprogramm? Solange Bedarf besteht und es gebucht wird? Aus strategischen Gründen ewig? Mit welchen Bildungsprodukten werden welche Umsätze und Deckungsbeiträge erzielt? Welches sind die Stars, welches sind die Cash Cows im Bildungsprogramm? Welches sind Question Marks mit einem etwaigen zukünftigen Erfolg? Aus welchem Grund ist das Seminar noch immer am Markt, ist es doch seit Jahren ein Poor Dog? Welches sind die Indikatoren, die für eine Eliminierung eines Bildungsprodukts sprechen? Welche für einen Verbleib am Bildungsmarkt? Welche Marketingstrategien gehen mit diesen Produktkategorien einher? Welche Informationen können aus einem Controlling abgeleitet werden, wenn dieses die Lebenszyklen von Bildungsprodukten betrachtet? Produkte müssen den Bedürfnissen der KundInnen entsprechen, ihre Erwartungen erfüllen und dabei auch preislich attraktiv positioniert werden. Versagt das Produktportfolio-Management, bleiben die SeminarteilnehmerInnen aus. 22 2.3 Die Marktwachstums-/Marktanteils- Matrix nach der BCG Die Marktwachstums-/Marktanteils-Matrix der Boston Consulting Group (BCG) ist eines der bekanntesten Analyseverfahren und ein Instrument zur strategischen Planung, Steuerung, Ausrichtung und Bewertung von Produkten. Basierend auf Wachstumsraten und Marktanteil teilt die BCG-Matrix die strategischen Geschäftsfelder (SGF) in folgende vier Kategorien: Abbildung 3: Marktwachstums-/Marktanteils-Matrix der BCG54 Question Marks sind die Newcomer unter den Produkten. Der Markt hat ein hohes Wachstumspotenzial, die Produkte haben jedoch nur geringe relative Marktanteile. Diese Produkte erwirtschaften noch keinen positiven Cash Flow und müssen von anderen Produkten, den Cash Cows, gestützt werden um einen Marktanteil zu generieren. Der Begriff „Fragezeichen“ sei äußerst treffend – so Kotler55, denn das Management steht vor der Entscheidung, ob es investieren oder das Produkt aufgeben soll. Im Falle einer Investition benötigt das Produkt liquide Mittel, die es jedoch nicht selbst erwirtschaften kann. Eine offensive Strategie wird empfohlen und diese lautet: Selektion und eventuell eine Penetrationsstrategie, um Marktanteile zu erhöhen. 54 55 Kotler 2007a: 105 Vgl. ebd. 23 Stars sind die vielversprechendsten Produkte des Unternehmens. Diese Produkte befinden sich noch in der Wachstumsphase und sind durch einen hohen relativen Marktanteil und hohes Marktwachstum gekennzeichnet. Sie haben einen hohen Bedarf an Finanzmitteln, den sie weitestgehend selbst decken. Als Normstrategie wird in diesem Feld die Investition empfohlen, um den relativen Marktanteil zu erhalten oder auszubauen. Stars können einen positiven Cash Flow generieren, meist benötigen sie jedoch Unterstützung um ihr schnelles Wachstum zu finanzieren. Die Strategieempfehlung lautet: Investition, sowie eventuell eine Abschöpfungsstrategie, um Deckungsbeiträge zu erhöhen ohne den Marktanteil zu gefährden. Cash Cows sind Geschäftseinheiten mit einem hohen Marktanteil in einem reifen Markt mit niedrigen Wachstumsraten. Durch ihre vorteilhafte Marktposition erwirtschaften sie aufgrund niedriger Kosten und geringer Investitionen Finanzmittelüberschüsse, die für andere Geschäftsfelder abgeschöpft werden können. Sie haben einen hohen relativen Marktanteil in einem nur geringfügig bzw. langsam wachsenden oder statischen Markt. Sie produzieren stabile hohe Cash-Flows und können ohne weitere Investitionen "gemolken" werden. Poor Dogs sind die Auslaufprodukte im Unternehmen. Sie haben ein geringes Marktwachstum, manchmal sogar einen Marktschwund sowie einen geringen relativen Marktanteil. Sie generieren kaum einen positiven Cash Flow. Spätestens sobald der Deckungsbeitrag für diese Produkte negativ ist, sollte das Portfolio bereinigt werden. Die BCG Matrix umgelegt auf die Produktentwicklung und –steuerung in der Erwachsenenbildung bedeutet nun folgendes: Eine Bildungsveranstaltung wird zuerst konzipiert. Wenn sie marktreif ist, wird sie am Bildungsmarkt eingeführt und kontinuierlich verbessert, so dass sie ihren Marktanteil stetig ausbauen kann und sie sich von einem Fragezeichen zum Star im Portfolio entwickelt. Das Produkt bleibt im Programm und hält eine Zeit lang einen hohen Marktanteil – es kann als Cash Cow zur Finanzierung der Fragezeichen herangezogen werden, die noch in den Kinderschuhen stecken. Das Wachstum stößt irgendwann an seine Grenzen, spätestens dann, wenn ein Wandel in den Lernbedürfnissen der TeilnehmerInnen eintritt, das Weiterbildungsthema 24 überholt ist, die TeilnehmerInnen ausreichend geschult sind oder konkurrenzierende Bildungseinrichtungen das gleiche Thema anbieten. Das Produkt wird zum Poor Dog und es muss über die Eliminierung oder Adaption des Seminarangebotes entschieden werden. Die Anwendung der BCG Matrix für BildungsanbieterInnen und die Unterteilung der Bildungsprodukte in die o.g. anschaulichen vier Kategorien ist für Bildungsorganisationen zu empfehlen, da sie darüber Aufschluss gibt, ob der bestehende Produkt-Mix ausreichend ist, um den langfristigen Unternehmenserfolg zu sichern und ob bzw. in welchem Maße in bestehende und neue Produkte investiert werden soll. Durch eine Analyse des Portfolios einer EBEinrichtung können bestehende Bildungsprodukte besser geplant, leichter gesteuert und adaptiert werden, es können einfacher Trends erkannt und Innovationen durchgeführt werden. 25 3 Product-Lifecycle-Management Product-Lifecycle-Management bzw. Produktlebenszyklusmanagement (PLM) ist ein Konzept, das in der industriellen Fertigung, produzierenden Industrie und IT mittlerweile sehr verbreitet ist und zur nahtlosen Integration sämtlicher Informationen, die im Verlauf des Lebenszyklus eines Produktes anfallen, dient. Es ist ein Ansatz zur ganzheitlichen, unternehmensweiten Verwaltung und Steuerung aller Produktdaten und Prozesse des kompletten Lebenszyklus entlang der erweiterten Logistikkette – von der Produktidee, zur -entwicklung und Produktion über den Vertrieb bis hin zur Demontage und dem Recycling.56 3.1 Produkte, Produktleben und Produktlebenszyklen Es gibt unzählige Produkte und es gibt alle Arten von Produkten am Markt: Gebrauchs- und Verbrauchsgüter, Produktions-, Investitions- und Konsumgüter ebenso wie Produkte der Beratungs- und Dienstleistungen. Produkte sind im Prinzip alles, was entwickelt und hergestellt wird mit dem Ziel, diese im Sinne einer maximalen KundInnennutzung und -bedürfnisbefriedigung zu verkaufen. Es gibt also alle Arten von Produkten und für jedes Produkt gibt es ein Produktleben. Produktleben hängen von der Betrachtungsweise ab: KundInnen verstehen darunter den Zeitraum, innerhalb dessen das Produkt für sie existiert. Für ProduzentInnen ist das Produktleben viel komplexer: Alles beginnt mit einer Idee zur Produktentwicklung und einer Marktanalyse, dann folgen die Produktplanung, die Produktentwicklung, die Produktionsvorbereitung, die Produktion, der Vertrieb und Versand, das Service, der KundInnendienst, die Wartung und letztendlich die Demontage und das Recycling. Die folgende Abbildung stellt ein Produktleben aus Sicht des PLM dar: 56 Vgl. <http://de.wikipedia.org/wiki/Product-Lifecycle-Management> 17.08.2013 26 Produktidee Marktanalyse Produktplanung Produktentwicklung Produktionsvorbereitung Produktion / Fertigung Vertrieb und Versand Service und Wartung Demontage und Recycling Abbildung 4: Produktleben aus Sicht des PLM, eigene Darstellung Jedes Produkt hat eine zeitlich begrenzte Existenz, ein Produktleben also, und für jedes Produkt kann ein Produktlebenszyklus definiert werden. Das Konzept des Produktlebenszyklus beschreibt die typischen Phasen des Prozesses zwischen der Produktidee bzw. der Markteinführung und dem Ausscheiden des Produktes aus dem Markt. Die grundlegende Aussage ist, dass jedes Produkt bestimmte Phasen durchläuft und zunächst steigende und dann sinkende Umsätze erzielt.57 Produkte haben unterschiedlich lange Produktlebenszyklen: Produkte können sehr kurze, kurze oder lange Lebenszyklen haben, einige Produkte haben einen sinusartigen Zyklusverlauf – sie verschwinden vom Markt und tauchen Jahre später als Produktrevival wieder auf. Generell geht der Trend zu einer immer schnelleren Verkürzung der Produktlebenszyklen – und das gilt für beinahe alle Produkte und alle Märkte. Aufgrund des immer stärkeren Wettbewerbs, einfacherer Produktentwicklungen und neuer Technologien werden immer schneller neue Produkte auf den Markt gebracht. Lag die Produktlebenszeit von Fahrzeugen in den 1970er Jahren im Schnitt noch bei acht Jahren, so bringen AutomobilherstellerInnen heute mittlerweile 57 Vgl. Bernecker 2007: 83 27 alle 2-3 Jahre einen neues Modell oder zumindest ein Facelift eines ihrer Fahrzeuge heraus und Smartphones sind, wenn sie heute auf den Markt kommen, auch schon wieder veraltet. Produktlebenszyklen werden in der Fachliteratur oftmals als unterschiedliche Modelle und Darstellungsformen beschrieben, es unterscheiden sich auch die einzelnen Phasen. Ich greife hier auf das Kotlersche Verständnis von Produktlebenszyklen zurück, da Kotler, zum Unterschied von anderen Definitionen, auch noch die Phase vor der Markteinführung - die Produktentwicklungsphase - berücksichtigt. Die Kurvenverläufe sind bei allen PLZ-Modellen ähnlich. Für Kotler stellt der typische Produktlebenszyklusverlauf eine s-förmige Kurve dar und ist in folgende 5 Stadien unterteilbar:58 Phase der Produktentwicklung Markteinführungsphase Wachstumsphase Reifephase Degenerationsphase Abbildung 5: Produktlebenszyklus nach Kotler 59 58 59 Vgl. Kotler 2007a: 700 <http://widawiki.wiso.uni-dortmund.de/index.php/Produktlebenszyklus> 17.08.2013 28 Der Produktlebenszyklus beginnt bei Kotler mit der Produktentwicklung, in der die Idee für ein neues Produkt geboren wird, das Produkt bis zur Marktreife entwickelt wird und der Entschluss gefasst wird, das Produkt herzustellen.60 Die Phase der Markteinführung ist gekennzeichnet durch langsames Wachstum und keinen oder wenigen Gewinnen, da das Produkt noch zu wenig bekannt ist und hohe Marketingaufwendungen für die Etablierung am Markt nötig sind. Verläuft die Markteinführungsphase erfolgreich, erreicht das Produkt die Wachstumsphase, seine Akzeptanz wächst und es macht in der Regel Gewinne. In der Reifephase verlangsamen sich das Wachstum und der Absatz und die Gewinne geraten unter Druck.61 Der Absatz kann ggf. mit einem gezielten Marketing-Mix belebt werden. In der Degenerationsphase sinken Absatz und Gewinn deutlich. ProduktmanagerInnen müssen nun entscheiden, ob das Produkt weitergeführt, weiterentwickelt oder eingestellt und durch ein Nachfolgeprodukt ersetzt werden soll. Ein Seminarthema entwickelt sich dem Produktlebenszyklus entsprechend von einem Mode- zu einem Hype-Thema, dann zu einem etablierten Inhalt, bis es irgendwann nicht mehr nachgefragt und aus dem Bildungsprogramm entfernt wird.62 3.2 Produktlebenszyklusmanagement Das Product-Lifecycle-Management bzw. Produktlebenszyklusmanagement (PLM) ist eine ganzheitliche und strategieorientierte Vorgehensweise und impliziert eine integrierte und innovative Produktpolitik, die den gesamten Lebenszyklus berücksichtigt und in der Industrie und IT mittlerweile sehr häufig zum Einsatz kommt. In der Vergangenheit wurden Produkte mit Hilfe von Entwürfen, Zeichnungen, Arbeitsblättern, Pflicht- und Lastenhefen, Aufträgen und Verträgen entworfen, entwickelt, produziert und vermarktet. PLM stellt für die Produktentwicklung einen grundlegenden Wandel, eine neue Philosophie und eine neue Denkweise dar. PLM hat das Ziel mit dem Einsatz der IT einen fachübergreifenden Lösungsansatz zu schaffen um die Prozesse der Produktentwicklung, der Produktplanung und –steuerung, sowie die Abteilungen Vertrieb, Marketing KundInnenservice besser zu steuern und raschere Entscheidungen zu ermöglichen.63 60 Vgl. Kotler 2007a: 700 Vgl. ebd. 62 Vgl. Bernecker 2007: 83 63 Vgl. ebd.: 89 61 29 und 3.3 Definition und Einsatz von PLM PLM ist ein umfassendes Konzept mit dem Ziel, Produkte über ihren gesamten Lebenszyklus effektiv und effizient zu gestalten. PLM ist ein Konzept zur nahtlosen Integration sämtlicher Informationen, die im Verlauf des Lebenszyklus eines Produktes anfallen. Das Konzept beruht auf abgestimmten Methoden, Prozesse und Organisationsstrukturen und bedient sich üblicherweise IT-Systemen für die Aufzeichnung und Verwaltung der Daten. PLM entstand aus dem enger definierten Produktdatenmanagement (PDM) und entwickelte sich in den letzten Jahren zu einem beherrschenden Instrument in der Produktentwicklung in der Industrie. Unternehmen erhoffen sich vom PLM eine verbesserte Kontrolle über die diversen Prozesse, die im Laufe des Lebenszyklus anfallen.64 Der Begriff Produktlebenszyklusmanagement wurde in den Liebensteiner Thesen im Mai 2004 wie folgt definiert:65 Product-Lifecycle-Management (PLM) ist ein Konzept, kein System und keine (in sich abgeschlossene) Lösung. Zur Umsetzung/Realisierung eines PLM-Konzeptes werden Lösungskomponenten für den Produktentstehungsprozess benötigt. Schnittstellen zu anderen Anwendungsbereichen (ERP, SCM oder CRM) sind Komponenten eines PLM-Konzeptes. PLM-AnbieterInnen offerieren Komponenten und/oder Dienstleistungen zur Umsetzung von PLM Konzepten. Aus der folgenden Prozesslandkarte ist ersichtlich, dass PLM nicht nur die Kernprozesse zu Produktmanagement und Produktentwicklung, sondern das ganze Unternehmen inklusive strategischem Management und diverser Unterstützungsprozesse betrifft: 64 65 Vgl. <http://de.wikipedia.org/wiki/Product-Lifecycle-Management> 17.08.2013 Vgl. Sendler 2009: 885 30 Abbildung 6: Prozesslandkarte des PLM66 PLM basiert auf Produktinformationen, die im Rahmen der Produkterstellung sowohl innerhalb, als auch außerhalb eines Unternehmens anfallen. Mit PLM wird durch Prozesse, Methoden und Werkzeuge eine Umgebung zur Verfügung gestellt, um Produktinformationen in der richtigen Zeit, Qualität und Reihenfolge am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen.67 PLM ist in der industriellen Fertigung und produzierenden Industrie mittlerweile stark vertreten, insbesondere in den Bereichen Automobilindustrie, Elektronik- und Hightech, Holz und Textil, Konsumgüter, Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau, Medizintechnik, Werkzeug- und Werkzeugmaschinenbau sowie in weiteren Branchen der Fertigungsindustrie.68 Je nach Umfang und Spezifität kommen eine andere Herangehensweise sowie eine spezielle Software zum Einsatz. In der Industrie umfasst PLM den Entwurf, die Konstruktion, die Produktion und die Dienstleistung mit folgenden Komponenten: 66 Scheer 2006: 16 Vgl. <http://www.ulrichsendler.de/tl_files/plm/img/presse/02_06_04-1/PI%20Liebensteiner%20Thesen.htm> 18.08.2013 68 Vgl. <http://plmware.tesis.de/de/index.php?page=1396> 29.09.2013 67 31 Abbildung 7: Komponenten zu industriellem PLM69 3.4 PLM Software PLM - Softwaresysteme unterstützen Unternehmen darin, die Steuerung von Produktlebenszyklen zu erleichtern, die vielfältigen Produktdaten auf effiziente Art und Weise zu verwalten, alle beteiligten AkteurInnen und logistischen Ketten abzustimmen und die Anforderungen des Produktsortiments mit dem Budget abzugleichen. Optimal aufeinander abgestimmte Prozesse über mehrere Standorte ermöglichen schnelle Reaktionen auf Bedarfsänderungen am Markt. Somit kann das richtige Produkt, zum richtigen Zeitpunkt, mit dem richtigen Preis auf den Markt gebracht werden. Portfoliomanagement-Systeme dienen dazu die Produktportfolios mittels einer speziellen IT zu steuern. Daneben existieren Lifecycle-Management-Systeme, die den gesamten Lebenszyklus von Dienstleistungen betrachten. Die Idee von PLM ist es, alle Daten des PLZ in einem System zu verwalten, inklusive aller Services, die ein Dienstleistungsprodukt abrunden. 69 <http://de.wikipedia.org/wiki/Product-Lifecycle-Management> 28.09.2013 32 Die Software-Industrie hat PLM-Produkte entwickelt, die Unternehmen in die Lage versetzen sollen, die vielfältigen Informationsbedürfnisse zu integrieren und zu befriedigen. Die größten Anbieter sind in alphabetischer Reihenfolge:70 Dassault Systèmes Parametric Technology Corporation SAP Siemens PLM Software Daneben vermarkten zahlreiche Anbieter ihre PDM-Lösungen heute ebenfalls als PLMLösungen:71 Contact Software (Produkt: CIM Database) keytech Software GmbH (Produkt: keytech PLM & DMS) Oracle (Produkt: Oracle Agile PLM) Procad (Produkt: Pro.File) Eine PLM-Software kann Erwachsenenbildungsinstituten zur Koordination der Trainingsveranstaltungen und zur Steuerung der Bildungsprozesse und Produktportfolios in der Erwachsenenbildung dienen. Die Geschäftsprozesse und das Bildungsproduktportfolio können damit besser visualisiert und einfacher überwacht werden. 3.5 Das Nutzenpotenzial von PLM Globalisierung, kürzere Produktlebenszyklen, höhere Anforderungen an Qualität und die Individualisierung von KundInnenbedürfnissen sind nur einige der Gründe bedrohter Gewinnmargen und erschwerter Wettbewerbsbedingungen in der Industrie und in vielen anderen Bereichen. Dauerhafte Wettbewerbsvorteile lassen sich nicht länger durch die Optimierung einzelner Bereiche realisieren, sondern basieren auf einem ganzheitlichen Ansatz, der bereichsübergreifend Produkt- und Prozessinnovationen kombiniert. Aktives PLM wird also in erster Linie dazu verwendet um den Produktentstehungsprozess nachhaltig und umfassend zu optimieren.72 70 Vgl. <http://de.wikipedia.org/wiki/Product-Lifecycle-Management> 30.09.2013 Vgl. ebd. 72 Vgl. <http://plmware.tesis.de/de/index.php?page=1396> 29.09.2013 71 33 Die Nutzenpotenziale eines PLM hängen stark von der Unternehmensstrategie und den Rahmenbedingungen eines Unternehmens hinsichtlich des Marktes, der KundInnen, der ZuliefererInnen und WettbewerberInnen ab. Entscheidend für den Erfolg der PLM-Initiative eines Unternehmens sind die Identifizierung der unternehmensspezifischen Nutzenpotenziale, die auf verschiedenen Ebenen realisiert werden können, und deren Verankerung in der Unternehmensstrategie. Was bringt PLM nun aber konkret? Eine genaue Betrachtung der lebenszyklusrelevanten Daten und die Integration dieser in den Produktentwicklungsprozess erlauben Unternehmen Steigerungen der Unternehmenseffektivität und –effizienz. Neben einer generellen Zeit- und Kosteneinsparung birgt ein aktives PLM folgende Nutzenpotenziale:73 Abbildung der Komplexität von Produkten und ihrer Beziehungen untereinander Aktive Unterstützung des Produktentstehungsprozesses Einhaltung von Standards im Unternehmen Gezieltes Change Management Mehr Transparenz in den Produktportfolios Offenlegung von Optimierungspotenzialen Produktivitäts- und Effektivitätssteigerung Schneller Datenzugriff aller Abteilungen Sicherstellung eines aktuellen Datenbestands Standortübergreifende Koordination Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen Unterstützung für die Entwicklungsteams Unterstützung hinsichtlich Qualitätssicherungsmaßnahmen Vermeidung von Dateninkonsistenzen Zielgerichtete Kommunikation aller an der Produktentstehung beteiligten Personen und Abteilungen 73 Vgl. <http://plmware.tesis.de/de/index.php?page=1396#1403> 30.09.2013 34 3.6 Einsatz von PLM in der Erwachsenenbildung Es stellt sich nun die Frage, ob und in welcher Form das sehr komplexe Konzept des PLM, das vornehmlich in der Industrie und IT Einsatz findet, in die Erwachsenenbildung übertragen werden kann. Das Produktlebenszyklusmodell kann in der Erwachsenenbildung für die Prognose des Entwicklungspotenzials und die Absatzentwicklung und eines Bildungsproduktes eingesetzt werden, es leichtert die Produkt- und Programmplanung, die damit einhergehende Budgetierung und gibt einen Überblick über den Einsatz eines auf den PLZ bezogenen Marketing-Mix. Der Aufbau und Einsatz eines PLM-Systems ist für größere EB-Einrichtungen sinnvoll, vornehmlich dann, wenn es mehrere ProduktentwicklerInnen gibt und mehrere MitarbeiterInnen Zugriff auf Produktdaten benötigen, insbesondere auf Entwicklungsdaten und Kennzahlen. Für EinzeltrainerInnen und kleine Bildungseinrichtungen ist das System zu komplex. Die Steuerung und Überwachung des Produktportfolios einer EB-Einrichtung mittels eines EDV-Systems ist generell um einiges einfacher als bei industriellen Produkten und bedarf viel weniger Indikatoren. Im Vergleich zu materiellen Gütern benötigt ein Bildungsprodukt vom TrainerInneneinsatz, den passenden Seminarräumlichkeiten und –unterlagen abgesehen zusätzlich keine Ressourcen. Bildungsprodukte können außerdem leicht vom Markt entfernt, archiviert und bei Bedarf rasch wieder neu aufgelegt werden. Aktives Product-Lifecycle-Management inklusiv Einsatz einer geeigneten PLM-Software zur Überwachung, Steuerung und Kontrolle der Angebote und des Produktportfolios sei an dieser Stelle vor allem größeren Bildungseinrichtungen ausdrücklich empfohlen. Und das nicht nur aus Gründen der Qualitätssicherung, sondern vor allem zur Erleichterung der Produktentwicklung, für mehr Transparenz in den strategischen Geschäftsfeldern und letztendlich zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Erwachsenenbildungsinstituten. 35 4 Product-Lifecycle- und Portfoliomanagement in der Erwachsenenbildung Jedes Unternehmen, das Produkte herstellt, sollte auch die Lebenszyklen seiner Produkte managen - so auch die Erwachsenenbildung. PLM existiert in der Erwachsenenbildung bis dato kaum bis gar nicht. Der Großteil der Bildungsprodukte wird entwickelt ohne standardisierte Tools zur Einschätzung ihres Verbleibens auf dem Bildungsmarkt. Bildungsveranstaltungen kommen ins Bildungsprogramm und verbleiben mehr oder weniger lange bzw. mehr oder weniger reflektiert und gesteuert auf dem Bildungsmarkt. Aktives PLM- und Portfoliomanagement erleichtern die Produktsteuerung, -planung, -adaptierung und -innovation der Portfolios der BildungsanbieterInnen. 4.1 Lebenszyklen von Bildungsmaßnahmen Bildungsmaßnahmen haben einen Lebenszyklus und das Konzept des Produktlebenszyklus spielt im Portfolioansatz eine wichtige Rolle.74 Der Produktlebenszyklus für Bildungsprodukte ist produktbezogen, von absatzpolitischen Instrumenten und von regionalen Besonderheiten abhängig.75 In der Entwicklungsphase wird eine Bildungsveranstaltung konzipiert. Ist sie reif für den Markt, dann wird sie eingeführt, kontinuierlich adaptiert und verbessert, so dass ihr Marktanteil ausgebaut werden kann. Das Wachstum stößt an seine Grenzen, wenn das Seminarthema überholt ist, die TeilnehmerInnen ausreichend informiert oder weitere MitbewerberInnen mit dem gleichen Thema am Markt sind. Der Umsatz geht zurück. Dazu kommt, dass sich die Lernbedürfnisse der TeilnehmerInnen ändern. Der Umsatz eines jeden Seminars lässt sich grafisch darstellen. Der Kurvenverlauf ist aufgrund der Umsatzentwicklung oder TeilnehmerInnenzahl nachweisbar und lässt Vergleiche mit anderen Seminaren zu. 74 75 Vgl. Merk 1998: 107 Vgl. ebd. 36 Ehlers und Schenkel skizzieren den typischen Lebenszyklus einer Bildungsmaßnahme folgendermaßen: Der Lebenszyklus von Bildungsprodukten entsteht aufgrund einer zyklischen Abfolge von Betriebsaktivitäten und Weiterentwicklungsaktivitäten, wobei Controllingaktivitäten dazu parallel laufen. Folgende Phasen können hierbei unterschieden werden:76 Entwicklungsphase Aufbauzeitraum Betriebszeitraum Außerdienststellen der Maßnahme Aus folgender Abbildung wird ersichtlich, dass sich während des Betriebszeitraums einer Bildungsmaßnahme die Bereiche B (Betrieb bzw. Durchführung der Maßnahme) und W (Weiterentwicklung und Wartung) abwechseln: Aufbauzeitraum Betriebszeitraum Zeitachse B Start der Entwicklung und Einbettung der Maßnahme in die Organisation W B W B W B W B Betrieb, Wartung/Pflege, Weiterentwicklung der Maßnahme Entwicklung der M aßnahme B: Betrieb / Durchführung der M aßnahme W: Wartung Fehlerbeseitigung Effizienzverbesserung Adaptierung an veränderte Rahmenbedingungen Weiterentwicklung Abbildung 8: Lebensdauer und Lebenszyklus einer Bildungsmaßnahme nach Ehlers/Schenkel, eigene Darstellung77 Ständige Adaptierungen und Wartungen, sowie die Pflege und Weiterentwicklung einer Bildungsmaßnahme sind also essentiell und dienen dazu, die Seminare an die sich stets ändernden Rahmen- und Umweltbedingungen anzupassen, Fehler zu beseitigen, die Effizienz zu verbessern und die Konzepte weiterzuentwickeln und zu erweitern. 76 77 Vgl. Ehlers/Schenkel 2005: 46 Vgl. ebd. 37 In der Einführungsphase wird eine neue Trainingsmaßnahme am Weiterbildungsmarkt lanciert. Die Maßnahme wird häufig und in kurzen Zeitabständen durchgeführt. Die Wachstumsphase ist entscheidend für den Ausbau, den Verbleib oder die Eliminierung eines Bildungsproduktes. Falsche Entscheidungen können hier das Aus für einen Fachbereich oder sogar für eine Trainingsinstitution bedeuten, stagnierende Märkte haben Umsatz- und Gewinneinbußen zur Folge. 4.2 Verständnis von PLM von europäischen Bildungseinrichtungen PLM wird bis dato in der Erwachsenenbildung in Österreich und in Europa als Tool zur Planung, Steuerung und Kontrolle nicht eingesetzt. Das bfi Steiermark als größter steirischer Bildungsanbeiter mit 2600 Bildungsprodukten im jährlichen Bildungsprogramm verfügt über kein adäquates Tool zur Abbildung und zum Controlling der Lebenszyklen der Produkte. Im bfi Steiermark gibt es ein komplexes QM-System, PLM ist darin allerdings nicht integriert und das Controlling betrachtet generell die Geschäftsjahre und ist nicht auf einzelne Produktleben ausgerichtet. Einzig das Marketing des bfi Steiermark richtet sich nach Marktanteil und Marktpotential, so werden in Cash Cows andere Marketingaktivitäten gesetzt als in Question Marks oder Stars. Aber ein Tool zur Abbildung des genauen Verbleibs und Potentials der Produkte fehlt auch hier. Im europäischen Vergleich ist dies nicht anders. Das bfi Steiermark startete im Oktober 2013 das EU-Projekt „Q-PLM“ (siehe dazu Kapitel 7) und befragte dazu die 11 VertreterInnen von 8 europäischen Partnerorganisationen über ihr Verständnis von PLM und den Einsatz von PLM in deren Organisationen. PLM ist in ihren Instituten als Steuerungstool Bildungseinrichtungen verfügen gänzlich zwar unbekannt. über gut Die einzelnen durchdachte Mission europäischen Statements, Qualitätsnormen (ISO 9001:...), standardisierte Abläufe und Prozesse - der Lebenszyklus der Bildungsprodukte selbst aber ist bis dato unbeachtet. 38 4.3 Beispiel zum Einsatz von Portfoliomanagement in der Erwachsenenbildung Die BCG-Matrix ist relativ leicht in die Erwachsenenbildung übertragbar. Sie ist ein einfaches Tool um die strategischen Geschäftsfelder (SGF) von Bildungszentren in einer anschaulichen Marktwachstum-Marktanteil-Matrix abzubilden. Als Beispiel dafür zeigt die folgende Darstellung die sechs SGF des bfi Fürstenfeld in Relation zu deren Marktanteil und Marktwachstum. Die Größe der Kreise versteht proportional zum Umsatz, die Abszisse stellt den relativen Marktanteil und die Ordinate das Marktwachstum dar. Die sechs SGF sind folgende: AMS Maßnahmen (AMS) Öffentliche Schulungen (ÖS) Firmenschulungen (FS) EU-Projekte (EU) Erlöse öffentlicher Institutionen (ÖI) Sonstige Umsatzerlöse (SU) Stars Question Marks EU 100,00% ÖS AMS FS 0,00% ÖI SU Cash Cows Poor Dogs -100,00% 0,00% 50,00% Abbildung 9: Marktwachstum-Marktanteil-Matrix in Anlehnung an die BCG Matrix 39 100,00% Folgende Empfehlungen können aus dieser Matrix abgeleitet werden: Das Unternehmen ist grundsätzlich in einem annehmbaren Zustand. Die Einrichtung hat drei Stars, zwei Cash Cows und ein Fragezeichen im Portfolio. Das Gesamtbild sähe schlecht aus, wenn das Unternehmen keine Stars oder zu viele Poor Dogs hätte. Wichtig ist auf die Stars zu achten um sie in Cash Cows überführen zu können. Den größten Umsatzanteil hat der AMS-Bereich, der ein Star ist und sich in Richtung Cash Cow weiterentwickelt, d.h. das Wachstum ist stabil, droht aber zu stagnieren. Ziel sollte die Verteidigung der Marktführerschaft der Stars zur Finanzierung des Question Mark (FS) und der Fixkosten des allgemeinen Seminarbetriebes sein. Der Firmenschulungsbereich (FS) ist noch ein Fragezeichen und ausbaufähig, hierbei wäre auf eine Erhöhung des Marktanteils mit einer gut durchdachten Marketingstrategie zu setzen. 4.4 Indikatoren von PLM in der Erwachsenenbildung Die Einflüsse auf Bildungsprodukte sind zahlreich. Es gilt nicht nur die Anforderungen des Arbeitsmarktes, betriebliche Voraussetzungen oder die Bedingungen der SozialpartnerInnen zu beachten. Vor allem sollte auf die Bedürfnisse und Bedarfe der Lernenden eingegangen werden, gesetzliche Rahmenbedingungen eingehalten, Lerninhalte passend adaptiert und der Lernaufwand an die Lernoutputs angepasst werden. Weiters werden Bildungsprodukte natürlich von den Lehrenden und deren Methodik und Didaktik beeinflusst. Von welchen Parametern hängt nun der Verbleib eines Bildungsproduktes am Bildungsmarkt genau ab und welches sind zuverlässige und passende Indikatoren um lebenszyklusbasierte Empfehlungen für Bildungsprodukte abzubilden? In den folgenden Unterkapiteln sind die qualitativen und quantitativen Indikatoren für die Lancierung, den Ausbau, den Verbleib einer Bildungsmaßnahme und die Eliminierung dieser vom Bildungsmarkt dargestellt. 40 4.4.1 Indikatoren für die die Lancierung eines Bildungsproduktes In der folgenden Tabelle sind qualitative und quantitative Indikatoren definiert, die dafür sprechen, dass ein Bildungsprodukt in das Portfolio aufgenommen und am Bildungsmarkt lanciert wird: Qualitative Indikatoren Aktualität der Seminarinhalte Alleinstellung am Bildungsmarkt Beginnende Nachfrage seitens der Betriebe Beginnende Nachfrage seitens der KundInnen Beginnende Nachfrage seitens öffentlicher AuftraggeberInnen Das Seminarthema wird am Arbeitsmarkt nachgefragt Gesetzliche Änderungen und daraus resultierende Adaptierung bestehender Seminarinhalte Infrastruktur vorhanden Neues, trendiges, topaktuelles Seminarthema TrainerInnenressourcen vorhanden Trend in der Weiterbildung Weiterbildungsbedarf von KundInnen, Betrieben, SozialpartnerInnen Quantitative Indikatoren Beginnende Kursnachfragen InteressentInnenlisten Abbildung 10: Kriterien für die Lancierung eines Bildungsproduktes 4.4.2 Indikatoren für den Ausbau eines Bildungsproduktes Wurde ein Weiterbildungsprogramm erfolgreich im Bildungsmarkt eingeführt und gebucht, müssen ProduktmanagerInnen über den weiteren Verlauf dieses Produktes entscheiden. Folgende qualitative und quantitative Indikatoren erleichtern die Entscheidung für den Ausbau in der Wachstumsphase: 41 Qualitative Indikatoren Aktualität der Seminarinhalte Alleinstellung am Bildungsmarkt Ausreichend kompetentes Trainingspersonal vorhanden Erfolgsrate bei Kursabschlüssen Gleichbleibende oder steigende KundInnenzufriedenheit Gleichbleibende oder steigende TeilnehmerInnenzahlen Gute Evaluierungsergebnisse Häufigkeit der Durchführung Positiver Einfluss auf das Image des Bildungsträgers Steigende Nachfrage Steigende Wirkung des Marketings Steigender Marktanteil Trend in der Weiterbildung Quantitative Indikatoren Beginnende und anhaltende Kursbuchungen und TeilnehmerInnenanzahl Steigende Deckungsbeiträge Steigende Rentabilität Steigender Umsatz Zunehmende Gewinnspanne Abbildung 11: Kriterien für den Ausbau eines Bildungsproduktes 4.4.3 Indikatoren für den Verbleib eines Bildungsproduktes Hat ein Bildungsprodukt die Reifephase erreicht, gilt es über dessen weiteren Verbleib zu entscheiden. Folgende Indikatoren sprechen für einen Verbleib eines Bildungsproduktes im Produktportfolio des/der Bildungsanbietenden: Qualitative Indikatoren Alleinstellung am Bildungsmarkt Ausreichende Wirkung des Marketings 42 Das Bildungsprodukt ist ein „Klassiker“ Gleichbleibende KundInnenzufriedenheit Gleichbleibende Nachfrage seitens der TeilnehmerInnen Gleichbleibende TeilnehmerInnenzahlen Gute Evaluierungsergebnisse Häufigkeit der Durchführung Motivation der TeilnehmerInnen Positiver Einfluss auf das Image des Bildungsträgers Prestige Stabile Evaluierungsergebnisse Stabile Nachfrage Weiterbildungsbedarfe von KundInnen und Betrieben Quantitative Indikatoren (noch) ausreichende Kursbuchungen Haltung des Markt- und Umsatzanteils Stabile Deckungsbeitragsentwicklung Stabile Gewinnspanne Stabile Rentabilität Stabile Umsatzentwicklung Abbildung 12: Kriterien für den Verbleib eines Bildungsproduktes Ein Seminar sollte am Bildungsmarkt verbleiben, wenn das Produkt noch den Anforderungen des Arbeitsmarktes und den damit einhergehenden beruflichen Qualifizierungen entspricht. Ein Seminar sollte des Weiteren am Bildungsmarkt verbleiben, wenn das Bildungsprodukt ein „Klassiker“ ge orden ist - es sind zwar keine großen Wachstumskurven zu erwarten, dennoch wird das Seminar stabil nachgefragt. Beispiele dafür sind die laufenden Qualifizierungen zu HubstaplerfahrerInnen – am bfi Steiermark werden pro Jahr rund 2200 Staplerausweise ausgestellt. Weitere „Klassiker“ sind Kranscheine, PflegeheferInnenausbildungen, Berufsreifeprüfungen, etc. Solange ein eliminationsverdächtiges Seminar noch einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaftet, reduziert es auch die Fixkostenbelastung aller anderen angebotenen Bildungsleistungen. Sind die Fixkosten allerdings nicht durch andere Seminare abzudecken, 43 entsteht ein negatives Betriebsergebnis und das Management der Weiterbildungseinrichtung hat Handlungsbedarf. Produkte können auch rein zu Imagezwecken im Bildungsprogramm verbleiben. Ein Bildungsprodukt kann trotz unterdurchschnittlichem bis keinem Erfolg im Sinne einer Buchung durch TeilnehmerInnen weitergeführt werden. Es könnte ja noch immer die Funktion eines „Lockseminars“ haben, das Bildungsangebot komplettieren, mit besonderen TrainerInnen werben oder generell ein Aushängeschild für die Bildungseinrichtung sein. 4.4.4 Indikatoren für die Eliminierung eines Bildungsproduktes Welches sind die Indikatoren für die Sättigungsphase eines Bildungsproduktes und wann ist es wirklich Zeit ein Seminar aus dem Kursprogramm zu nehmen? Im Zeitablauf ist zu beobachten, dass Bildungsleistungen veralten - und das immer rascher. Bildungsinhalte kommen aus der Mode, Technologien entwickeln sich weiter, Rahmenbedingungen ändern sich, die Nachfrage kann nachlassen und Bildungsprogramme bedürfen von Zeit zu Zeit einer Bereinigung und Adaptierung. Spätestens in der Sättigungsphase sollte bei einer Stagnierung des Absatzes eine Analyse der Nachfragesituation erfolgen und die Ursachen für den Rückgang der Nachfrage durchleuchtet werden, eventuell können noch Marktnischen identifiziert bzw. die Entscheidungen zur Eliminierung oder Archivierung des Produktes erleichtert werden. Als Indikatoren für die Sättigungsphase und als Parameter für die Eliminierung eines Bildungsproduktes vom Bildungsmarkt können folgende qualitative und quantitative Kriterien sprechen: Qualitative Indikatoren Änderung der gesetzlichen Grundlagen Fehlende Infrastruktur Fortschreitende technische Entwicklungen Keine TrainerInnenressourcen 44 Nachlassende Wirkung des Marketings Negativer Einfluss auf das Image des Bildungsträgers Sinkende KundInnenzufriedenheit Sinkende Nachfrage Substitutive Leistungen durch KonkurrentInnen Unzureichende Kursbuchungen Veralterung der Seminarinhalte Veränderte Vorstellungen über die Seminarziele Quantitative Indikatoren Abnehmende Gewinnspanne Anzahl der Seminarnachfragenden sinkt (gegen Null) Dropout-Quoten Geringer Umsatzanteil Sinkende Deckungsbeiträge Sinkende Rentabilität Sinkende Umsätze Abbildung 13: Eliminierungskriterien für Bildungsprodukte 4.5 Einsatz von PLM und Portfoliomanagement in der Erwachsenenbildung Die Beachtung der Produktlebenszyklusphasen erleichtert die Steuerung der Produktportfolios, ermöglicht genauere Prognosen über den Verbleib des Produktes am Absatzmarkt und lässt Strategien und operative Maßnahmen ableiten. Das Produktlebenszyklusmodell kann in der Erwachsenenbildung für die Prognose des Entwicklungspotenzials eines Bildungsprodukts eingesetzt werden. Es erleichtert die Produktund Programmplanung und die damit einhergehende Budgetierung und gibt einen Überblick über den Einsatz eines auf den PLZ bezogenen Marketing-Mix. 45 Der Einsatz von professionellem Portfoliomanagement und gezieltem Product-LifecycleManagement in der Erwachsenenbildung ist aus folgenden Gründen zu empfehlen: Abbildung der Komplexität des Produktportfolios Abbildung der strategischen Geschäftsfelder und Aufteilung dieser in die 4 Kategorien: Question Marks, Stars, Cash Cows und Poor Dogs Beitrag zur Qualitätssicherung Bereinigung des Produktsortiments auf Basis von Marktanteil und Wachstumsmöglichkeiten Bildungsprodukte können dadurch einfach strategisch besser geplant, analysiert, bewertet, adaptiert oder eliminiert werden Die Produktplanung richtet sich nach Marktanteil und Marktwachstum Die Verfügbarkeit von Informationen zu Kosten und Aufwand bei der Markteinführung eines Produkts kann effizienteres Handeln fördern und die Markteinführungszeit für neue Produkte verkürzen Einfacher und rascher Überblick über den Zustand und Verbleib des Produktportfolios Erhöhung der Treffsicherheit in der Produktentwicklung Erleichterung für die Produktenwicklung von neuen Seminaren Ermittlung von Bestsellern (Stars und Cash Cows) und Ladenhütern (Poor Dogs) Gezielte Marketingkonzepte für Bildungsprodukte lassen sich auf Basis von Marktanteil und Marktwachstum leichter ableiten Gezielte und rasche Adaptierungen und Innovationen von Seminaren werden möglich Mehr Transparenz in den Strategischen Geschäftsfeldern Mit gezieltem Produkt Portfolio Management können Bildungseinrichtungen den Entscheidungsprozess und die Produktentwicklung verbessern und dadurch den Umsatz steigern Produktlebenszyklen werden transparenter und besser planbar Reduzierung von Durchlaufzeiten von Produkten Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Bildungsunternehmen Transparente Darstellung des Verbleibens der Produkte am Bildungsmarkt Überwachung des Produktportfolios und Erkennen möglicher Engpässe Unterstützung für die ProduktentwicklerInnen und BildungsmanagerInnen 46 5 Marketing als Erfolgsfaktor in der Erwachsenenbildung Mit zunehmender Professionalisierung und steigender ökonomischer Durchdringung des Bildungssektors steigt auch die Bedeutung der erfolgreichen Positionierung einer Bildungsanbieterin/eines Bildungsanbieters am Markt. Als Dienstleistungsunternehmen kommt die EB-Einrichtung daher um ein systematisches, strategisch geleitetes Marketingmanagement im Sinne einer optimalen Markt- und TeilnehmerInnenorientierung nicht umhin. Dazu bedarf es allerdings einer Adaption des klassischen Marketings für den Bildungsbereich. Als Bildungsmarketing werden Methoden zur Vermarktung von Angeboten im Bildungswesen bezeichnet78. Bildungsmarketing dient dazu, Bildungsbedarfe zu erkennen, neue SchulungsteilnehmerInnen zu gewinnen bzw. die bestehenden zu halten sowie den einzelnen Bildungsorganisationen Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenzunternehmen zu verschaffen. Bildungsmarketing beschäftigt sich mit der Optimierung des Verhältnisses von Bildungsanbietenden und Bildungsnachfragenden und hat die Aufgabe, Weiterbildung ins Bewusstsein der Menschen zu bringen und die Beziehungen zu den Bildungsnachfragenden, diversen anderen PartnerInnen und gesellschaftlichen Anspruchsgruppen aufrechtzuerhalten und zu intensivieren.79 Bildungsmarketing kann als eine Unterform des Social- bzw. Non-Profit-Marketings und als ein Ableger des Profit-Marketings aus der freien Wirtschaft betrachtet werden.80 Wobei hierbei zu beachten ist, dass das Marketing im NPO-Bereich für immaterielle Dienstleistungsprodukte sich anders und anspruchsvoller gestaltet als das traditionelle Marketing für materielle Güter aller Art. Heutzutage ist es für Bildungseinrichtungen nicht nur lebens-, sondern mittlerweile auch schon überlebensnotwendig geworden, sich mit Bildungsmanagement und Bildungsmarketing zu beschäftigen. Um Weiterbildung gegenüber TeilnehmerInnen und Unternehmen zu verkaufen, müssen Bedarfe erkannt und bedarfsgerechte Angebote erstellt und verkauft werden mit dem Ziel, sich trotz immer stärkerer Konkurrenz und immer knapperer Weiterbildungsbudgets der TeilnehmerInnen gegenüber anderen BildungsanbieterInnen durchsetzen zu können. 78 <http://de.wikipedia.org/wiki/Bildungsmarketing> 18.08.2013 Vgl. Beneke 2010: 19 80 Vgl. Jochum 2006: 3 79 47 Unabhängig vom Marketing steigt der generell Akquisitionsaufwand für Bildungsorganisationen. Persönliche Arbeit in der Bildungs- und Unternehmensberatung, im Karrierecoaching und der Personalentwicklung im Vorfeld um die Auftragsanbahnung und eine intensive und persönliche KundInnenbetreuung vor der Seminarbuchung sind eine Notwendigkeit um das erforderliche Vertrauen zwischen Schulungsverantwortlichen, Betrieben und interessierten zukünftigen SeminarteilnehmerInnen herzustellen. EB-Einrichtungen fungieren dabei immer mehr als BildungsberaterInnen, die Informationen fließen lassen, Lernprozesse initiieren, individuelle Curricula steuern, TeilnehmerInnen und Personalverantwortliche coachen und Netzwerke aufbauen, mit dem Ziel, sich langfristig und nachhaltig einen Auftragsmarkt zu sichern. Bildungsmarketing trägt dazu bei, ein Bewusstsein für Weiterbildung zu schaffen, Lernangebote für verschiedene Zielgruppen zu positionieren und dabei den Nutzen für die Teilnehmenden darzustellen, die Bedürfnisse und Erwartungen der Bildungsnachfragenden zu erfüllen, zufriedene und treue KursbesucherInnen zu erhalten, eine hohe Servicequalität bei der Bildungsdienstleistung zu transportieren und Effizienz und Effektivität in der Umsetzung zu erzielen. 5.1 Unterschiede Bildungsmarketing und traditionelles Marketing Das Marketing für Bildungsleistungen weist eine relativ kurze Tradition auf. Erst seit Mitte der 1980er Jahre haben Begriffe wie Bildungsmarketing, Zielgruppen, Kundinnen und Kunden und Bildungsprodukte Einzug in den Alltag von EB-Einrichtungen gefunden, so dass diese sich verstärkt mit Überlegungen in Richtung TeilnehmerInnenakquise, Produktgestaltung, Preispolitik und Kommunikationsmöglichkeiten auseinandersetzen. Das traditionelle Marketing kann nicht einfach eins zu eins aus der betriebswirtschaftlichen Marketinglehre in die Erwachsenenbildung übernommen werden oder wie Svenja Möller meint: „Marketing für den Bildungsbereich erfordert einen eigenen Ansatz. Der bloße Transfer von Strategien, Konzepten und Methoden aus der Betriebswirtschaftslehre führt hier nicht zum Erfolg“.81 81 Möller 2011: 14 48 Dienstleistungsmarketing und im speziellen das Bildungsmarketing unterscheidet sich vom traditionellen Marketing in mehrfacher Hinsicht: Erwachsenenbildung ist eine abstrakte immaterielle Dienstleistung.82 Die Bildungsdienstleistung an sich ist immateriell, sie enthält aber zusätzlich materielle Bestandteile, wie Schulungsunterlagen, Skripten, Bücher, Lernprogramme, Lernvideos, etc. Man kann also auch sagen, Bildungsleistungen sind immaterielle Dienstleistungen mit materiellen Zusatzleistungen.83 Bildung ist nicht lagerfähig und es gibt sie nicht auf Vorrat, ihre Entstehung hängt vom Wohlwollen aller Beteiligten ab. Bildung wird im Regelfall zeitgleich produziert und konsumiert. Ein Seminar entsteht somit erst zum Zeitpunkt der Durchführung. Erwachsenenbildung ist eine Dienstleistung, die ständig neu erbracht werden muss. Kein Seminar – auch jenes mit den exakt gleichen Inhalten und denselben Trainierenden – ist zu 100% ident mit dem vorherigen. Bildungsdienstleistungen können nicht an einem Objekt, sondern nur an Personen vollzogen werden.84 Lernprozesse und Wissenstransfer erfordern auch die Mitwirkung von Lernenden: Die SeminarteilnehmerInnen sind nicht KonsumentInnen, sondern als integrierter Bestandteil der Bildungsleistung notwendige MitgestalterInnen der Leistungserbringung. Verweigern diese das Lernen, entsteht kein Bildungsprodukt – eine Veränderung des Wissens und des Verhaltens bei den Lernenden bleibt aus. Bildung bringt keine direkten Besitz- oder Eigentumsveränderungen mit sich und es kann erst nach der Weiterbildung festgestellt werden, ob das Leistungsversprechen - nämlich der Wissenszuwachs in einem bestimmten Bereich - eingehalten wurde.85 Die Möglichkeiten der Standardisierungen sind eingeschränkt: Bildungsdienstleistungen sind individualisierte und einmalige Leistungen. Nachdem TeilnehmerInnen als auch TrainerInnen im Bildungsprozess eine wesentliche Rolle spielen, wird die Leistungserbringung immer von diesen handelnden AkteurInnen mit beeinflusst. Immaterielle Dienstleistungen sind kaum zu patentieren, Bildungsleistungen können also kaum urheberrechtlich geschützt werden. 82 Vgl. Bernecker 2007: 14 Vgl. ebd. 84 Vgl. ebd. 85 Vgl. Kotler 2007b: 547 83 49 Da das Produkt Bildung selbst erst während des Trainiertwerdens durch den/die TrainerIn und des Lernens durch den/die TeilnehmerIn entsteht, sind die Erfolge und Misserfolg nur mittel- bis langfristig messbar. Die Qualität der Leistung ist nicht direkt prüfbar: Die Qualität und damit die Bewertung der erbrachten Schulungsleistung ist von unterschiedlichen Einflussfaktoren abhängig, wie z.B. von der TrainerInnenqualität, von Schulungsinhalten, von der Qualität der Seminarbetreuung, der räumlichen und technischen Ausstattung, von Lehrmitteln und Medien, etc. Marketing für etwas nicht Vorhandenes bzw. erst zu einem späteren Zeitpunkt Entstehendes ist somit komplexer als für herkömmliche Produkte, wie es z.B. bei Konsumgütern der Fall ist. Die Teilnehmenden können nicht beworben, sie müssten umworben86 werden. Es gehöre besonderes Geschick und Fingerspitzengefühl dazu, Menschen so anzusprechen, dass sie nicht nur Lust auf Lernen bekommen, sondern auch den Kurs buchen, der sowohl ihnen als Lernende nützt als auch die Finanzierung der Bildungsinstitute sicherstellt.87 Für das Marketing von Bildungsangeboten gilt: nicht das Produkt, sondern nur das Angebot bzw. das Lernergebnis kann beworben werden, so z.B. die angenehme Lernatmosphäre, top ausgestattete Seminarräumlichkeiten, kundInnenfreundliche Seminarzeiten, beste Seminarbetreuung, bessere Chancen am Arbeitsmarkt, etc. Bildungsmarketing muss daher sensibler agieren als herkömmliches Marketing, bei dem ein fertiges Produkt vermarktet wird, denn die TeilnehmerInnen sind als notwendige MitproduzentInnen integraler Bestandteil des Produktes Bildung. 5.2 Der 7 P Marketingmix in der Weiterbildung Grundsätzlich stellt sich auch in der Weiterbildung die klassische Frage, wer mit welchem Bildungsangebot, zu welchem Preis, über welchen Weg, mit Hilfe welcher Kommunikationsform welchen Nutzen gewinnen kann. Im Rahmen des Dienstleistungsmarketings hat sich 86 87 Vgl. Möller 2011: 67 Vgl. ebd. 50 allerdings eine Erweiterung des klassischen 4 P Marketing-Mixes zu folgendem Mix mit 7 P für BildungsdienstleisterInnen durchgesetzt:88 Product Process Management Price Physical Facilities Place Promotion People Abbildung 14: Erweiterter Marketing-Mix für Bildungsdienstleistungen, eigene Darstellung 5.2.1 Produkt-, Angebots- und Programmpolitik in der Erwachsenenbildung Unternehmen verkaufen Produkte um Gewinne zu erzielen. Ein Produkt ist grundsätzlich dazu da um ein Bedürfnis oder einen Wunsch einer Person zu befriedigen.89 Die Gestaltung des Bildungsproduktes selbst kann als die grundlegendste Aufgabe des Bildungsmarketings aufgefasst werden, da ohne diese Basisleistung keine anderen Teilleistungen wirksam werden können. Die Seminargestaltung steht somit immer am Anfang des Entwicklungsprozesses.90 Der Produktbegriff in der Erwachsenen- und Weiterbildung ist grundsätzlich anders als im herkömmlichen Sinne zu definieren, da dieser ja immer auch die Lernaktivität der Teilnehmenden impliziert. Ohne das Zutun der Lernenden entsteht schlichtweg kein Produkt 88 Vgl. Bernecker 2007: 197 Vgl. Kotler 2007b: 12 90 Vgl. Bernecker 2007: 199 89 51 Bildung – d.h. kein Wissenszuwachs bei dem/bei der Lernenden. Svenja Möller meint, dass eine Weiterbildungseinrichtung keine Produkte, sondern nur Dienstleistungen verkaufen kann, und spricht daher von Angebotspolitik statt Produktpolitik.91 BildungsveranstalterInnen bringen zudem in periodischen Abständen ihre Bildungsprogramme heraus, daher kann man auch von Programmpolitik sprechen.92 5.2.2 Preispolitik in der Erwachsenenbildung Die Preisgestaltung in der Erwachsenenbildung hängt eng mit der Art der Finanzierung der Bildungsangebote zusammen. Oft werden die Weiterbildungskosten nicht ausschließlich von den KundInnen getragen, sondern von bestimmten FördergeberInnen. Dabei kann es sich um Bildungsschecks, Rabattierungen, Finanzierungen durch DienstgeberInnen, Stiftungen, Übernahme der Kurskosten durch das AMS, etc. handeln. In der Erwachsenenbildung werden oft aufgrund des Bildungsauftrages keine Marktpreise, sondern „sozial erträgliche“ Preise93 festgesetzt. Bei der Durchführung von für TeilnehmerInnen kostenlosen Seminaren empfiehlt es sich zu beachten, dass das Angebot nicht unter das Motto „Was nichts kostet, ist nichts ert“ fällt, denn Gratiskurse erfahren im Bewusstsein der TeilnehmerInnen keine Wertschätzung. Im Rahmen der Preispolitik können auch die Honorare für ReferentInnen diskutiert werden, denn hier stehen wir wieder vor einem ökonomisch-pädagogischen Paradoxon: BildungszentrumsleiterInnen haben festzulegen, welcher Referent/welche Referentin für das jeweilige Seminar zum Einsatz kommt. Sie müssen darüber entscheiden, ob der/die kostengünstigste Trainierende oder jener/jene mit den geringsten Fahrtkosten oder die beste am Bildungsmarkt verfügbare aber nicht unbedingt günstigste Lehrkraft den Schulungsauftrag erhält. 91 Vgl. Möller 2011: 79 Vgl. ebd. 93 Ebd.: 83 92 52 5.2.3 Distributionspolitik in der Erwachsenenbildung Die Distributionspolitik umfasst alle Maßnahmen, die eine Bildungseinrichtung setzt, um das Bildungsangebot an interessierte Personen zu bringen. Dazu zählen der Absatz des Bildungsangebotes, die physische Verteilung der Dienstleistung, die Ausstattung des Standortes sowie die Termin- und Zeitplanung.94 Eine optimale Distributionspolitik sieht eine möglichst teilnehmerInnenfreundliche Verteilung der Schulungsorte mit kurzen Anfahrtswegen für die Teilnehmenden sowie ausreichend Parkmöglichkeiten vor. Der Standort der EB-Einrichtung ist oft auch zugleich der Ort der Planung, Verwaltung und Durchführung der Seminare. 5.2.4 Kommunikationspolitik in der Erwachsenenbildung Bildungsmarketing benötigt eine abgestimmte Kommunikation nach außen und innen. Die Kommunikationspolitik im Bildungsmarketing hat die Aufgabe, die Bedeutung der Ressource Weiterbildung sicht- und begreifbar zu machen.95 Zu den klassischen Kommunikationsinstrumenten in der Erwachsenenbildung zählen folgende: das Kurs- bzw. Bildungsprogramm die Öffentlichkeitsarbeit als eines der wichtigsten Instrumente der Kommunikationspolitik mit dem Ziel, den Bekanntheitsgrad der Bildungsinstitute zu steigern und ein positives Image nach innen und außen zu transportieren. Zu den Instrumenten der Öffentlichkeitsarbeit zählen: Pressearbeit, Website, Publikationen, Events und Veranstaltungen, etc. Werbung (Folder, Flyer, Plakate, One-Side-Letter, Webauftritt, Inseratschaltungen, Direct-Mailings, Telefonmarketing, etc.) das Image der EB-Einrichtung die Corporate Identity mit den Elementen Corporate Design, Coporate Communication, Corporate Behaviour und Corporate Culture 94 95 Give-aways (Werbemittel wie Blöcke, Kugelschreiber, Bleistifte, Leuchtmarker, USB Sticks, etc.) Vgl. Beneke 2010: 49 Vgl. ebd.: 51 53 5.2.5 People, Physical Facilities und Process-Management in der Erwachsenenbildung Die oben beschriebenen 4 P des klassischen Marketingmix werden für den Weiterbildungssektor um folgende 3 P erweitert: People, Physical Facilities und Process-Management. People: Dienstleistungen sind meist sehr personalressourcenintensiv und Personen sind bei der Erstellung und Konsumierung von Dienstleistungen der wesentliche Faktor. Die Nachfragenden der Dienstleistung haben im Erstellungsprozess einer Bildungsdienstleistung eine weit größere Bedeutung für das Bildungsmarketing als für das Marketing von Gütern und Waren herkömmlicher Art.96 Physical Facilities: Aufgrund der objektiven Bewertungsproblematik von immateriellen Dienstleistungen greifen vielen Kundinnen und Kunden auf Hilfsindikatoren, wie z.B. die Ausstattung des Institutes, zurück um die Qualität zu beurteilen. Gleichzeitig beeinflussen die räumlichen und technischen Ausstattungen der Seminarräumlichkeiten auch tatsächlich die Qualität der Schulungen, Tagungen, Seminare und Trainings. Process-Management: Das Process-Management beschäftigt sich mit der Frage, wie der Standardprozess der Bildungsleistung aufgebaut sein soll, wobei zu beachten gilt, dass der/die Nachfragende der Dienstleitung aufgrund seiner/ihrer direkten Eingebundenheit in den Prozess der Leistungserstellung eine große Bedeutung für das Bildungsmarketing hat. 5.3 Lebenszyklusorientierte Marketingstrategien Der Produktlebenszyklus ist ein für das Marketing wichtiges Konzept, er beeinflusst die Marketingstrategien eines Unternehmens und bringt Erkenntnisse über die Wettbewerbsdynamik eines Produktes mit sich. Das Modell des Lebenszyklus hat Auswirkungen auf alle 7 P im Marketingmix eines Bildungsanbieters. Für jede Phase des PLZ gibt es unterschiedliche Aufgabenstellungen, Chancen und Herausforderungen hinsichtlich der Marketingstrategie und der Realisierung dieser. 96 Vgl. Bernecker 2007: 199 54 Als lebenszyklusabhängige Marketingziele können die folgenden identifiziert werden: In der Markteinführungsphase gilt es, die Bekanntheit eines Bildungsproduktes zu steigern und zu Erstbuchungen anzuregen. In der Wachstumsphase sollten die Bekanntheit und der Marktanteil ausgebaut und die Seminarbuchungen intensiviert werden. Hat ein Seminar die Reifephase erreicht, so sollte versucht werden, die Produktmerkmale und den Nutzen für die Teilnehmenden besonders hervorzuheben, den Gewinn zu maximieren und den Marktanteil zu verteidigen. In der Degenerationsphase sinkt der Gewinn gegen Null, die Marketingausgaben können auf ein Minimum reduziert werden, die loyalen SeminarbucherInnen sollen erhalten bleiben. Aus dem Marktwachstum einerseits, dem Indikator für die jeweilige Phase des ProduktLebenszyklus, und dem relativen Marktanteil andererseits ergeben sich die vier Felder der Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff: Marktdurchdringung, Marktentwicklung, Produktentwicklung und Diversifikation. Darin werden die Produkte und Märkte jeweils in bestehende und neue unterschieden: Bestehende Märkte Neue Märkte Bestehende Produkte Neue Produkte Marktdurchdringung Produktentwicklung Marktentwicklung Diversifikation Abbildung 15: Produkt/Markt-Matrix nach Ansoff, eigene Darstellung Die Phasen des Produktlebenszyklus lassen sich auch mit dieser Produkt/Markt-Matrix kombinieren und können auf den Weiterbildungsmarkt wie folgt umgelegt werden: Die Strategie der Marktdurchdringung empfiehlt sich, wenn bestehende Seminare in bestehenden Märkten zu mehr Marktwachstum gelangen sollen, d.h. es gibt in der Wachstumsphase noch unausgeschöpfte Marktchancen. Es soll zu einer Erhöhung der Buchungszahlen bei den 55 bestehenden KundInnen kommen. Bei vorhandenem TeilnehmerInnenstamm und vorhandenem Angebotsportfolio werden die TeilnehmerInnen dazu angeregt auch andere als die bisher konsumierten Veranstaltungen zu besuchen bzw. ihre Teilnahme aufrechtzuerhalten und zu intensivieren. Die Produkte dazu sind die Question Marks, die zu Stars ausgebaut und die Stars, die zu Cash Cows werden sollen. Mögliche Marketingmaßnahmen für die Marktdurchdringung sind: Erhöhung der Attraktivität durch günstigere Seminarpreise Flexibilisierung der Bildungsangebote Intensivierung der Bildungsberatungen Intensivierung des Vertriebs Publikumswirksame Veranstaltungen wie Bildungsmessen, Impulsvorträge, Tage der offenen Tür, etc. Einstieg in den Markt der MitbewerberInnen Hinweis auf spezielle Fördermöglichkeiten Infoveranstaltungen Verstärkter Einsatz von Direct Mailings Die Strategie TeilnehmerInnen der Marktentwicklung und das Eindringen sieht in die Gewinnung neuer zusätzliche Märkte für und zusätzlicher das vorliegende Seminarprogramm vor. Die Marktentwicklung ist für alle Phasen des Produktlebenszyklus wichtig, gilt es ja den KundInnenkreis des bestehenden Bildungsprogramms zu erweitern und NeukundInnen zu gewinnen. Die Erweiterung und Differenzierung kann räumlich (durch den Einstieg in regionale, nationale und internationale Märkte) und inhaltlich (durch neue Marktsegmente) vorgenommen werden. Marketingmaßnahmen folgender Art sind dazu zu empfehlen: Erweiterung in Richtung neue Zielgruppen (spezielle Weiterbildungsangebote für z.B. Frauen, Lehrlinge, AnalphabetInnen, MigrantInnen, Führungskräfte, etc.) Erweiterung nach Themengebieten (Gesundheitsausbildungen, technische Ausbildungen, Kommunikationsseminare, Führungskräftetrainings,…) Erweiterung in neue Branchen (spezielle Seminarangebote für den Handel, die Industrie, die Baubranche, etc.) 56 Die Strategie der Produktentwicklung beinhaltet die Entwicklung neuer Produkte für bestehende KundInnen. Neue Bildungsangebote werden an bestehende KundInnen herangetragen. So können Marktlücken erschlossen und Folgeseminare angeboten werden. Die bereits vorhandenen Zielgruppen können leicht mit Direct Mailings umworben werden. Die Strategie der Produktentwicklung wird vor allem in der Entwicklungsphase vor der Markteinführung angewandt. Ist das Produkt dann in der Markteinführungsphase gilt es die Produktbekanntheit zu steigern und zu Erstbuchungen anzuregen. Folgende Marketingmaßnahmen sind bei einem bestehenden InteressentInnenpool zu empfehlen: neue Bildungskonzepte entwickeln und anbieten bestehende Produkte adaptieren, modifizieren, ausbauen, kürzen, neu organisieren oder kombinieren Ausbildungen in der Dauer ändern, ggf. kürzen Ausbildungsinhalte anpassen methodisch-didaktische Änderungen vornehmen (z.B. Umstellung von einem Präsenzunterricht auf Blended Learning oder gänzlich auf Fernlehre) Seminarinhalte den neuen Entwicklungen und Trends anpassen einen Lehrgang in verschiedene Module splitten verschiedene Versionen desselben Produktes anbieten (gleiche Inhalte in unterschiedlichen Lernformen, verschieden große Module, etc.) Direct Mailings, da ein bestehender KundInnenstock vorhanden ist (Anschreiben per Brief, per E-Mail,…) Diversifikation bedeutet für Bildungseinrichtungen in erster Linie eine Ausweitung auf neue Fachbereiche und eine Spezialisierung des Bildungsangebots.97 Die Strategie der Diversifikation kommt zum Einsatz, wenn neue Bildungsprodukte in neuen Märkten lanciert werden sollen, d.h. es werden neue Seminarangebote für NeukundInnen, neue Zielgruppen und neue Marktsegmente entwickelt oder die bestehenden Produktportfolios erweitert. Das ist oft im Firmenschulungsbereich der Fall, wenn eine neue Firma ein maßgeschneidertes Seminar beauftragt. Dieses Seminar ist dann noch ein Question Mark, kann aber - wenn das Potenzial vorhanden ist – ins reguläre Bildungsprogramm aufgenommen und zu einem Star werden. Anfragen von Firmen nach speziellen Seminarthemen sind oft ein Indikator für Bildungsthemen, die in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt nachgefragt sind. 97 Vgl. Merk 1998: 112 57 Diversifikation kann eingeleitet werden durch: Adaption bestehender Konzepte Erweiterung der Fachbereiche und Einstieg in andere Bildungsbereiche Kooperationen mit anderen Bildungseinrichtungen neue ReferentInnen neue Schritte in neue Märkte Einstieg in verwandte Konzeptentwicklung von Geschäftsfelder, Lehrplänen, wie die Seminarausstattung, Unternehmensberatungen, Personal- entwicklung, etc. Beispiel: Lehre mit Matura (LmM) am bfi Steiermark Lehre mit Matura ist eine Form der ausbildungsbegleitenden Matura. Seit September 2009 ist es für Lehrlinge möglich, parallel zur Lehre die Matura zu absolvieren, dabei wird die Matura in Form der Berufsreifeprüfung abgelegt. Durch eine Bundesförderung ist diese Form der Matura für Lehrlinge kostenlos. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Lehrlinge können ihren Traumberuf erlernen, eigenes Geld verdienen und müssen dabei nicht auf die Matura verzichten. Durch die Kombination von Lehre und Matura stehen ihnen alle weiteren Bildungswege offen und die Karrierechancen am Arbeitsmarkt steigen enorm. Das bfi Steiermark ist Marktführer in diesem Bereich und erfolgreichster Bildungsanbieter in Österreich: LmM wird flächendeckend an allen 20 Bildungszentren des bfi Steiermark angeboten, aktuell gibt es 1828 Teilnahmen von 1356 Lehrlingen in 125 Lehrgängen (Stand 25.11.2013). Die Herausforderung für das Marketing war es, ein neues Produkt – die Lehre mit Matura gab es bei der Einführung im Jahr 2008 noch nicht - in neuen Märkten bei der Zielgruppe Lehrlinge bekannt zu machen. Folgende Marketingaktivitäten wurden im Laufe des Lebenszyklus des Produktes Lehre mit Matura gesetzt: 58 Einführungsphase (Juni 2009 - März 2010): Drucksorten: Plakate, zielgruppenspezifische Folder für Jugendliche und Lehrbetriebe Directmailings an Lehrbetriebe, Schulen und Betriebsräte steiermarkweit inkl. Versendung des LmM-Lehrlingsfolders Internetkampagne: Newsbericht, KundInnen-Newsletter Infoscreens in den Foyers der einzelnen Bildungszentren Präsentation des Modells LmM bei relevanten Stakeholdern (Schulen, LehrerInnen, Forum Lehre, DirektorInnentagungen, Bildungsnetzwerk Steiermark, BildungsberaterInnen und BerufsberatungslehrerInnen) Regionale Printkampagnen: Mediamix diverser regionaler Magazine und Zeitschriften (PR in Kombination mit Inseraten) Verstärkte Vertriebsaktivitäten seitens der VertriebsmitarbeiterInnen Zielgruppenspezifische Informationsveranstaltungen Wachstumsphase (April 2010 - Oktober 2012): Zielgruppenspezifische Plakate und Flyer für Lehrlinge und Unternehmen bfi Infostände bei Veranstaltungen speziell für Jugendliche Bildungsberatungen in Betrieben, in den 9. Schulstufen und Berufsschulen Bildungsmessen und Informationsstände steiermarkweit Direct Mailings an alle Lehrlinge im 1. Lehrjahr steiermarkweit Direct Mailings an Unternehmen, Schulen und Betriebsräte steiermarkweit LmM - Facebookseite seit 31.08.2010 Gewinnspiele via Facebook und Homepage Gezielte Verteilung der LmM-Flyer auf Veranstaltungen für Jugendliche Infoscreens in den Foyers der einzelnen Bildungszentren Intensive Vertriebsaktivitäten Kinowerbung steiermarkweit McDonald‘s-TV Mousepads im Design von LmM Neues Kursprogramm: bfi Lehrlingsakademie inkl. LmM 59 Internetkampagne: Newsberichte, als Top-Produkt auf der bfi-Startseite, KundInnen-Newsletter Printwerbung: starke mediale Präsenz durch PR und Inserate inkl. regionale Printkampagnen: Mediamix diverser regionaler Magazine und Zeitschriften (PR in Kombination mit Inseraten) Radiowerbung: 15 Sekunden-Spots Testimonials in den Bildungsprogrammen Reifephase (seit November 2012) Das Produkt „Lehre mit Matura“ befindet sich zurzeit in der Reifephase und hat den Höhepunkt des Absatzes erreicht. Das bfi Steiermark ist nach wie vor Marktführer in diesem Segment, das Produkt hat Bekanntheit in allen Regionen der Steiermark gewonnen und hat sich in gewisser Weise zu einem Selbstläufer entwickelt. Folgende Marketingaktionen laufen weiterhin: Eingeschränkte Werbung im Printbereich Weiterhin Vertriebsaktivitäten, allerdings weniger intensiv Weiterhin Facebook-Aktivitäten Weiterhin Kinospots Direct Mailing inkl. LmM-Flyer an alle steirischen Lehrlinge im 1. Lehrjahr (ca. 5.800 Jugendliche) Direct Mailings zu den Lehrlingsverantwortlichen in den Betrieben inkl. LmM Flyer und Starterminvorschau Direct Mailings zu allen steirischen Polytechnischen Schulen sowie Hauptschulen bzw. Neuen Mittelschulen, als Beilage dienen LmM für Jugendliche sowie A3Plakate 60 5.4 Möglichkeiten, Trends und Empfehlungen für das Bildungsmarketing Das traditionelle Marketing kann nicht einfach eins zu eins aus der betriebswirtschaftlichen Marketinglehre in die Erwachsenenbildung übernommen werden. Grundlage für jede Marketingentscheidung ist das Produkt, wobei das Produkt Bildung anders als herkömmliche Produkte ist und einer besonderen Form der Vermarktung bedarf. Es müssen vor allem die Besonderheiten der Weiterbildung und die erwachsenenpädagogischen Prämissen beachten werden, denn TeilnehmerInnen von Bildungsveranstaltungen sind eben keine passiven KundInnen und KonsumentInnen, sondern sind als notwendige MitproduzentInnen integraler Bestandteil des Produktes Bildung. Eine EB-Einrichtung kann und muss gewinnorientiert arbeiten – allerdings mit Maß und Ziel und pädagogisch sinnvoll. Ein zu 100% kommerzielles Marketing ist für den Bildungsbereich aufgrund des pädagogischen Hintergrundes nicht möglich, dazu spielt außerdem der/die Seminarteilnehmer/in eine zu tragende Rolle. Das klassische Marketing will für das Unternehmen den maximalen Gewinn herausholen, während die Pädagogik ein Maximum an Bildung für die Lernenden anstrebt. Der Produktlebenszyklus ist für das Bildungsmarketing ein wichtiges Konzept, er beeinflusst die Marketingstrategien eines Unternehmens und bringt Erkenntnisse über die Wettbewerbsdynamik eines Produktes mit sich. Das Modell des Lebenszyklus hat Auswirkungen auf alle 7 P im Marketingmix einer Bildungsorganisation und für jede Phase des PLZ können unterschiedliche Aufgabenstellungen, Chancen und Herausforderungen hinsichtlich der Marketingstrategie und der Realisierung dieser definiert werden. 61 6 Bildungscontrolling und Qualitätsmanagement in der Erwachsenenbildung Bildungscontrolling (BC) und Qualitätsmanagement (QM) gehören längst zum Standard auf dem Erwachsenenbildungsmarkt und verfolgen wirtschaftliche, pädagogische und qualitätsbezogene Ziele. Es geht dabei es vor allem darum, den Lehr- und Lernprozess in der Erwachsenenbildung zu optimieren, d.h. diesen systematischer, ganzheitlicher, integrativer, marktorientierter, unternehmens- und teilnehmerInnenzentrierter, bedarfsorientierter und lernzielgenauer zu gestalten. BC und QM haben das Ziel, die Erwachsenenbildung transparent zu steuern, Abläufe und Strukturen zu optimieren sowie eine erhöhte Kostentransparenz in der Weiterbildung zu schaffen. 6.1 Qualitätsmanagement in der Erwachsenenbildung Weiterbildung hat eine große qualitative Dimension98 und Begriffe wie Zertifizierungen, Qualitätssicherung, Qualitätssteigerung, Qualitätsentwicklung und Qualitätsmanagement prägen immer mehr die EB-Einrichtungen, denn Qualitätsnachweise und Zertifizierungen sind für immer mehr BildungsanbieterInnen ein entscheidender Wettbewerbsvorteil zur Sicherung von Marktanteilen. Wie in vielen anderen Branchen, hat sich auch in der Aus- und Weiterbildung der kundInnenorientierte Qualitätsbegriff durchgesetzt, der durch das kooperative Verständnis von Bildungsanbietenden und Bildungsnachfragenden geprägt ist.99 Den Qualitätsbegriff bestimmen demnach nicht mehr (nur) die Lehrenden, sondern vor allem die Lernenden mit ihrer subjektiven Wahrnehmung der Bildungsdienstleistungen. Qualität für die Erwachsenenbildung definiere ich persönlich als die bestmögliche Erfüllung der an eine Weiterbildungsmaßnahme gestellten Anforderungen und Erwartungen der TeilnehmerInnen, wobei die Wünsche und Erwartungen der KundInnen im Mittelpunkt stehen. 98 99 Merk 1998: 69 Vgl. Bernecker 2007: 65 62 Aus einem in der Unternehmensstrategie gut verankerten und gut strukturierten QM ergeben sich folgende Vorteile für Weiterbildungseinrichtungen: Beitrag zur Qualitätssicherung kontinuierliche Qualitätsverbesserung klare Strukturen, Abläufe und Regeln erhöhe Transparenz in den Abläufen Sicherung des Wissens im Unternehmen durch Dokumentation Standardisierung der Informationsweitergabe Vermeidung von Konflikten Zeitersparnisse Zur Förderung der Qualitätskultur in der Erwachsenenbildung empfiehlt die Europäische Kommission ihren Mitgliedsstaaten die Beachtung folgender Parameter:100 Qualität des Unterrichts: Die Verbesserung des Unterrichts in der Erwachsenenbildung ist ein entscheidender Faktor für die Erhöhung der TeilnehmerInnenzahl. Eine qualitativ schlechte Erwachsenenbildung führt zu schlechten Lernergebnissen. Qualität der AnbieterInnen: Die Gesamtqualität der AnbieterInnen sollte durch Zulassungsmechanismen, Qualitätssicherungskonzepte sowie durch interne und externe Kontrollen und Evaluierungen der Lehre und der Lernergebnisse sichergestellt werden. Qualität der Lehrkräfte: Die berufliche Weiterentwicklung des in der Erwachsenenbildung tätigen Personals ist von großer Bedeutung für die Qualität der Weiterbildung. Didaktik: die Lehrmethoden und -materialien sollten auf die besonderen Bedürfnisse von Erwachsenen und die Art und Weise, wie sie lernen, abgestimmt werden. 100 Vgl. Mitteilung der Kommission 2006: 7f. 63 Die Qualität der Bildungseinrichtungen kann durch Zulassungsmechanismen, Qualitätssicherungskonzepte sowie durch interne und externe Kontrollen und Evaluierungen der Lehre und der Lernergebnisse sichergestellt werden. Zertifizierungsstellen geben Qualitätsstandards vor, legen definierte Prozesse zum QM-System fest, überprüfen mittels interner und externer Audits die Einhaltung dieser standardisierten Prozesse und initiieren den kontinuierlichen Verbesserungsprozess der Bildungseinrichtung. Die Qualität der Bildungsleistung wird vor allem gemessen an der Erreichung der Zielgruppen, der Übereinstimmung des Angebotes mit den Bedürfnissen und Interessen der Lernenden sowie dem beruflichen und persönlichen Nutzen für die Teilnehmenden. Eine der Herausforderungen bei der Bewertung von Bildungsmaßnahmen ist die Tatsache, dass eine Bildungsveranstaltung als immaterielle Dienstleistung an sich nicht greifbar und nicht direkt evaluierbar ist. Bildung ist als Produkt einzigartig und als solches kaum mit anderen Produkten oder Dienstleistungen vergleichbar, da es nicht von den Anbietenden hergestellt, sondern von den Lernenden in Eigenaktivität und mit Unterstützung durch die Vortragenden erarbeitet wird. Die Erwartungen und Anforderungen, die Teilnehmende an ein Seminar knüpfen, sind sehr individuell und variieren von Person zu Person. Die Faktoren, die auf den Lernerfolg einwirken, sind, neben inhaltlich-fachlichen und methodisch-didaktischen Aspekten, vor allem die organisatorischen Rahmenbedingungen sowie die persönlichen Faktoren jedes einzelnen Lernenden wie die Persönlichkeit, das Vorwissen, die Lernmotivation, der Lernstil, etc. Die Qualität des Unterrichts in der Erwachsenenbildung, sowie die Zufriedenheit der SeminarteilnehmerInnen und die daraus resultierende Loyalität zur Bildungseinrichtung sind wesentliche Erfolgsgrößen für die langfristige KundInnenbindung und den wirtschaftlichen Erfolg einer Weiterbildungsorganisation. 64 6.2 Das Modell von Donald L. Kirkpatrick Donald L. Kirkpatrick, Professor am Management Institut der Universität Wisconsin und Präsident der American Society for Training and Development, hat 1959 folgendes Modell zum Bildungscontrolling entworfen: Stufe 4: Resultate Stufe 3: Verhalten Stufe 2: Lernen / Wissen Stufe 1: Reaktion Abbildung 16: Die 4 Stufen des Kirkpatrick-Modells, eigene Darstellung Dieses Modell gilt als eines der ersten zum Thema BC und beinhaltet komplexe quantitative und qualitative Messungen von Reaktionen auf Bildungsveranstaltungen und wird nach wie vor vielfach zur Qualitätssicherung im Bildungsbereich eingesetzt.101 Das Modell unterscheidet folgende vier Stufen: Die Stufe 1 erfasst die unmittelbaren Reaktionen der Teilnehmenden einer Weiterbildungsveranstaltung und deren Zufriedenheit und misst das persönliche Erleben der Trainingsinhalte, die TrainerInnenkompetenz, die Methodik und Didaktik sowie die Seminarraumausstattung, die Organisation der Veranstaltung oder die Seminarbetreuung. Die Messung der TeilnehmerInnenreaktionen wird mittels Feedbackgesprächen meist Erhebungsbögen, am Ende der Seminarevaluierungen Veranstaltung und durchgeführt persönlichen und ist im Seminargeschehen üblich und sehr weit verbreitet. Die Stufe 2 ermittelt den Zuwachs an Wissen, Kenntnissen und Fähigkeiten, den die Teilnehmenden durch den Besuch einer Weiterbildungsmaßnahme erwerben. 101 Vgl. Birgmayer 2011: 6 65 Die Stufe 3 misst, wie viel vom erworbenen Wissen tatsächlich am Arbeitsplatz angewandt werden kann. Eine solche Messung zeigt den Einfluss der Weiterbildung auf das Verhalten im beruflichen Alltag und ermöglicht es abzuschätzen, wie lange es dauert, bis Veränderungen greifen oder im Sand verlaufen. Verhaltensänderungen sind häufig die wichtigsten, wenn aber auch die am schwierigsten zu erreichenden und messbaren Outputs von Lernprozessen. Bei Stufe 4 geht es um die Resultate und Auswirkungen, die Bildungsmaßnahmen für das Unternehmen bzw. die Organisation haben - dazu ist es allerdings notwendig, vor der Weiterbildungsmaßnahme konkrete Ziele zu definieren, die nach Abschluss der Weiterbildung auf ihre Zielerreichung hin überprüft werden können. Während die Überprüfungen von Stufe 1 von den meisten EB-Einrichtungen in Form der üblichen Kursevaluierungen durchgeführt werden, sind die Auswirkungen Bildungsmaßnahmen ab Stufe 2 anspruchsvoller zu messen und werden kaum erfasst 102 von , wobei gerade die Stufen 2-4 die Trainingsqualität genauer abbilden könnten. 6.3 Return on Training Return on Training ist in Anlehnung an den Begriff Return on Investment (ROI) zu verstehen, einer Kennzahl aus der Kapitalwirtschaft, die das Verhältnis zwischen Gewinn und investiertem Kapital angibt. Der Return on Training stellt sich der Frage nach dem Wert der Bildungsinvestition und nach der Wertschöpfung im Sinne eines Returns on Investment. Was bringt Weiterbildung dem Unternehmen wirtschaftlich und den TeilnehmerInnen persönlich? Es wird dabei der Gewinn bzw. Mehrwert einer Bildungsmaßnahme für die Teilnehmenden und für das Unternehmen, abzüglich aller Kosten (Weiterbildungskosten, Personalausfall, Verpflegung, ggf. Nächtigung, etc.) erfasst. Aus Analysen von betrieblichen Weiterbildungen lassen sich also Erkenntnisse über die Rendite von Weiterbildungsmaßnahmen treffen und es kann ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen Ausgaben für betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen pro beschäftigter Person und 102 Vgl. Birgmayer 2011: 5 66 Bruttowertschöpfung pro Arbeitsstunde hergestellt werden.103 Wie schon im Kapitel 1.7 erwähnt, kommt laut einer Studie der Arbeiterkammer Österreich jeder Euro, der in die betriebliche Weiterbildung investiert wurde, dreizehnfach104 ins Unternehmen zurück. 6.4 Bildungscontrolling Bildungscontrolling (BC) ist ein Instrument zur Optimierung der Planung, Steuerung, Durchführung und Qualitätssicherung von Bildungsmaßnahmen. Es dient als integratives, ganzheitliches und systematisches Planungs-, Bewertungs- und Informationssystem zur Koordination und Steuerung der bildungsbezogenen Prozesse und Aktivitäten und stellt die Effizienz und Effektivität von Bildungsmaßnahmen dar.105 BC ist im Sinne des Controllings also eine vorausschauende und begleitende Steuerungsmaßnahme, die den wirtschaftlichen Erfolg und nachhaltigen Nutzen von Bildungsmaßnahmen sichert.106 Das Bildungscontrolling ist ein vielschichtiges Konstrukt mit vielfältigen Zielsetzungen und steht im Spannungsfeld folgender unterschiedlicher Ansätze, Ebenen und Konzeptionen:107 ebenen-orientierte Ansätze Effizienz/Effektivität handlungsorientierte Ansätze investitionale Ansätze kennzahlenorientierte Ansätze kompetenzorientierte Ansätze kosten- und nutzenanalytische Ansätze phasenorientierte Ansätze prozessorientierte Ansätze 103 Vgl. Statistik Austria 2012a: 89 Vgl. Ostermann 2013: 115 105 Vgl. Ehlers/Schenkel 2005: 3 106 Vgl. Birgmayer 2011: 2 107 Vgl. Ehlers/Schenkel 2005: 4 104 67 Zu den Instrumenten des Controllings und der Qualitätssicherung in der Erwachsenenbildung zählen folgende Maßnahmen:108 Qualitätsmanagementkonzeption der Bildungseinrichtung Erfolgs- und Transfercontrolling Evaluation einzelner Bildungsveranstaltungen ROI-Berechnungen einzelner Bildungsmaßnahmen Kostencontrolling Kennzahlenanalysen Kosten-Nutzen-Rechnungen Gütesiegel ISO-Zertifizierungen EFQM TQM u.v.m. Das Bildungscontrolling dient also der Qualitätssicherung und der Steuerung der Weiterbildung. BC geht dabei über die gängigen Methoden der Seminarevaluierung hinaus. BC ist ein Prozess, der nicht nur die „Messung des Messbaren“ sondern auch im Sinne on Weiterbildungs eranstaltungen beinhaltet, on „Controlling“ eine orausschauende oder begleitende Steuermaßnahme darstellt und den nachhaltigen Nutzen und eine höhere Qualität von Weiterbildungsmaßnahmen sichern will.109 Was die betriebliche Weiterbildung betrifft, so ist das Bildungscontrolling teilweise in die Unternehmensstrategie eingebunden. Das betriebliche BC fragt dabei nach dem größtmöglichen Nutzen der Bildungsinvestition für den Betrieb.110 Ziele des betrieblichen Bildungscontrollings sind der Nachweis und die Bewertung der Erträge von Bildungsinvestitionen nach bestimmten Kriterien, um die Planung, Durchführung und Kontrolle von Investitionen in Weiterbildungen zu verbessern.111 Da für betriebliche Weiterbildungen oft hohe Investitionssummen ausgegeben werden, ist eine zielorientierte Bildungsplanung im Rahmen der Personalentwicklung zu empfehlen, wobei der Return on Training durchaus eine interessante Kennzahl zur Qualitätssicherung der Weiterbildungsmaßnahmen darstellt. 108 Vgl. Ehlers/Schenkel 2005: 5 Vgl. Birgmayer 2011: 2 110 Vgl. ebd.: 17 111 Vgl. <http://de.wikipedia.org/wiki/Bildungs-Controlling> 17.08.2013 109 68 Ein anspruchsvolles BC und QM sind ziemlich kosten- und ressourcenintensiv und daher nur für größere Bildungseinrichtungen empfehlenswert. Kleinere Bildungsorganisationen sowie EinPersonen-Unternehmen können und sollten aber durchaus Grundprinzipien zu BC und QM für ihre Einrichtung definieren und diese in die Steuerung ihres Unternehmens einfließen lassen. 6.5 Kennzahlen im Bildungsmanagement Benchmarking als Kennzahlenvergleich ist ein beliebtes betriebliches Steuerungsmittel. Für die Erwachsenenbildung können, neben den klassischen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen aus der Bilanz und GuV, folgende Kennzahlen und Daten aussagekräftig sein: KundInnenzufriedenheitsmessungen (Kennzahlen aus Evaluierungen, Reklamationsbehandlungen, aus KundInnen– und MitarbeiterInnenbefragungen) Buchungsbezogene Kennzahlen wie die Teilnahmequote oder Stornorate Persönlichkeitsbezogene Kennzahlen wie die Dropout-Quote Innerbetriebliche Kennzahlen wie Bildungsinvestition und Weiterbildungszeiten je MitarbeiterIn Prozessorientierte Kennzahlen wie Prozesszeiten oder Flopraten bei Produkteinführungen Deckungsbeitragsmessungen Renditebezogene Kennzahlen wie den Zusammenhang von Ausgaben für Weiterbildung und Bruttowertschöpfung Wichtige interne Quellen zur Planung, Steuerung und Kontrolle von Bildungsmaßnahmen sind folgende: Absatz-, Verkaufs- und Umsatzzahlen Berichte und Kennzahlen aus dem Vertrieb Beschwerdewesen Deckungsbeitragsrechnungen Fehlzeitenraten von TeilnehmerInnen Fluktuationsraten von TeilnehmerInnen 69 InteressentInnenkartei Jahresabschlüsse Kennzahlen aus dem Rechnungswesen KundInnenstatistiken Kursabbrüche von TeilnehmerInnen Mahnwesen Prüfungsergebnisse Folgende externe Daten erleichtern das Controlling von Bildungsmaßnahmen: 6.6 Daten aus der Wirtschaftspolitik Daten der Statistik Austria Daten des Arbeitsmarktservices Statistiken zur Bevölkerungsentwicklung Statistiken zu Insolvenzen und Betriebsschließungen Lebenszyklusorientiertes Controlling PLM hat die Aufgabe, sämtliche am Produktlebenszyklus beteiligte Faktoren optimal zu koordinieren. Im Unterschied zum klassischen Controlling, das den Fokus auf Geschäftsjahre legt, steuert das lebenszyklusbezogene Controlling ein Produkt über seinen gesamten Lebenszyklus hindurch. Das produktlebenszyklusorientierte Controlling für Weiterbildungseinrichtungen geht über die Funktion einer reinen Planung, Steuerung und Kontrolle hinaus. Vielmehr ist es ein Konzept, das speziell auf den Lebenszyklus ausgerichtet ist und die Steuerung einer Bildungsmaßnahme auf ihren PLZ bezogen ermöglicht. Dadurch lassen sich die finanziellen Potenziale einzelner Produkte, Projekte oder Portfolios besser überwachen und leichter steuern. Das lebenszyklusorientierte Bildungscontrolling erlaubt die Planung, Steuerung und Kontrolle der Kosten und Erlöse über alle Phasen des Produktlebenszyklus und sucht Antworten auf Fragen wie: 70 Was kostet ein Bildungsprodukt über dessen gesamten Lebenszyklus hinweg? Was erwirtschaftet man mit diesem Bildungsprodukt über dessen gesamten Lebenszyklus hinweg? Wo im Lebenszyklus befindet sich dieses Bildungsprodukt gerade und welches Potenzial birgt es noch? Welches sind die Stars und die Cash Cows im Bildungsproduktportfolio und wie kann ihr weiterer Lebenszyklus optimal gesteuert werden? In der Unterstützung des Produktlebenszyklusmanagements nimmt das lebenszyklusorientierte Controlling eine Koordinationsaufgabe und Reflexionsfunktion ein, wobei die Darstellung der Profitabilität eines Produktes über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg die Herausforderung ist. Das herkömmliche Controlling von Weiterbildungsorganisationen orientiert sich normalerweise an den Geschäftsjahren und nicht am PLZ der Bildungsprodukte. Ein auf den PLZ bezogenes Controlling ermöglicht jedoch eine genauere Steuerung der Bildungsprodukte über deren Produktleben hindurch. Sowohl der Prozess der Bildungsprodukterstellung, als auch die Bildungsprodukte selbst bedürfen im Laufe ihres Produktlebens einer ständigen Adaptierung an den Weiterbildungsmarkt. Der Lebenszyklus eines Bildungsproduktes entsteht aufgrund der zyklischen Abfolge von Planung, Durchführung, Prüfung und Anpassung. Dies sind die vier Phasen des PDCA-Zyklus, der somit auf die Erwachsenenbildung übertragen werden kann und den Lebenszyklus und v.a. auch die Qualität von Weiterbildungsmaßnahmen beeinflusst. PDCA für den Bildungsmarkt lässt sich wie folgt beschreiben: Plan: Planung der Bildungsprodukte in Übereinstimmung mit den KundInnenanforderungen und Festlegung der strategischen Unternehmensprozesse und Unternehmensziele 71 Do: Durchführung und Umsetzung der Weiterbildungsangebote Check: Überwachung der Bildungsprodukte anhand der Anforderungen des Bildungsmarktes im Einklang mit den Unternehmensprozessen und Unternehmenszielen Act/Adept: Adaptierung der Bildungsprodukte an den Weiterbildungsmarkt und an die Bedürfnisse der Teilnehmenden mit dem Ziel, eine ständige Verbesserung der Bildungsdienstleistungen zu ermöglichen Ein lebenszyklusorientiertes Controlling empfiehlt sich vor allem für längere, größere und umfangreichere Bildungsmaßnahmen. Es macht wenig Sinn, jedes einzelne Seminar anhand seines Lebenszyklus controllen zu wollen. Es empfiehlt sich aber durchaus einzelne strategische Geschäftsfelder sowie die Stars und Cash Cows im Produktportfolio lebenszyklusorientiert zu betrachten um Schlüsse über das Potenzial dieser Produkte ziehen zu können und um deren Position im Portfolio und deren Verbleib am Bildungsmarkt genauer steuern zu können. 6.7 Empfehlungen zu BC und QM in der Erwachsenenbildung Weiterbildungsinstitutionen können mit Hilfe von BC das eigene Angebot kritisch durchleuchten und mit den gewonnenen Erkenntnissen das Produktportfolio genauer planen, überwachen und steuern. In der Unterstützung des Produktlebenszyklusmanagements nimmt das produktlebenszyklusorientierte Controlling eine Koordinationsaufgabe und Reflexionsfunktion ein, wobei die Darstellung der Profitabilität eines Produktes über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg die Herausforderung ist. Ein strukturiertes Bildungscontrolling ist zwar kosten- und ressourcenintensiv, dennoch ist es gerade für größere Bildungseinrichtungen zur einfacheren Steuerung der Produktportfolios, zur Überwachung der Budgets und besseren Qualitätskontrolle empfehlenswert. 72 Kleinere Bildungsorganisationen sowie Ein-Personen-Unternehmen können und sollten durchaus Grundprinzipien zu BC und QM für ihre Einrichtung definieren und diese in die Steuerung ihres Unternehmens einfließen lassen. Ein lebenszyklusorientiertes BC empfiehlt sich vor allem für die Stars im Bildungsproduktportfolio: so kann ihr Verbleib, ihre Entwicklung und Adaptierung optimal verfolgt, gesteuert und kontrolliert werden. Weiters können größere Geschäftsfelder, diverse Fachbereiche, Produktgruppen und Projekte hinsichtlich ihrer Lebenszyklen gelenkt werden. Die Aufgabe des PLM ist die Planung, Steuerung und Kontrolle aller am Produkt beteiligten Abteilungen und IT-Systeme, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Ein am Lebenszyklus orientiertes Controlling ermöglicht die Steuerung eines Bildungsproduktes bezogen auf den gesamten Produktlebenszyklus. Controlling-Aktivitäten laufen parallel zu den Planung- und Gestaltungsaktivitäten während des gesamten Lebenszyklus von Bildungsmaßnahmen. Es stellt einerseits eine ideale Ergänzung zum PLM dar und ergänzt andererseits das klassische Controlling um die essentiell wichtige lebenszyklusorientierte Sicht. 73 7 LdV LLP Projekt Q-PLM 7.1 Das Management von EU-Projekten Die Leitung von Projekten ist ein komplexer Prozess und stellt ProjektmanagerInnen vor beachtliche Herausforderungen. Bezogen auf Management von internationalen Projekten mit heterogenen Partnerschaften sind die Anforderungen an das Projektmanagement dementsprechend höher. Im internationalen Projektmanagement treten alle Herausforderungen auf, die auch im klassischen Projektmanagement zu finden sind und diese sind vor allem: knappe Personalressourcen knappe Zeitressourcen Komplexität der Projekte Erfolgsdruck Kommunikation innerhalb der Projektpartnerschaft Notwendigkeit der permanenten Steuerung und Kontrolle Einsatz einer geeigneten Projektmanagement-IT Folgende Punkte erfahren im Management von EU-Projekten besondere Bedeutung: Hoher Wettbewerb bei der Projekteinreichung EU-Projekte unterliegen generell strengen Ausschreibungs- und Einreichungskriterien. Der Wettbewerb im Zuge des jährlichen Aufrufs zur Projekteinreichung für von der EU geförderte Projekte ist hoch. So lag die Zuschlagsquote beim Call for Proposals 2013 für das Lifelong Learning Programme der Europäischen Union bei nur 12,92%. Personaleinsatz Der Erfolg eines Projektes hängt ganz klar von den Menschen und vom/von der Projektleiter/in ab, der/die diese Menschen führt. Die Personalbesetzung ist aber nicht leicht zu lösen, da oftmals die für ein internationales Projekt geeigneten MitarbeiterInnen nicht verfügbar oder die verfügbaren MitarbeiterInnen für das internationale Projekt nicht geeignet sind. Die Anforderungen an internationale ProjektmanagerInnen sind hoch, müssen diese nicht nur über fachliche Kompetenzen im jeweiligen Bereich, sondern auch über Soft Skills und ein hohes Maß an Methodenkompetenz verfügen. Selbstmanagement, Belastbarkeit und Ausdauer, eine 74 ganzheitliche Denkweise sowie hohe kommunikative Kompetenz erleichtern Leitungssaufgaben wie Leadership, Teambildung, Teamführung und Konfliktmanagement. Projektkommunikation und Projektsprache Die Projekt-Kommunikation ist grundsätzlich bei jedem Projekt, bei nationalen und mehr noch bei internationalen, von entscheidender Bedeutung. Sie nimmt beim Rating der größten Problemfelder im internationalen Projektmanagement einen hohen Stellenwert ein112. Die Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten ist oft lückenhaft, unstrukturiert und, über mehrere Länder verteilt, nicht einfach. Zur Kommunikation innerhalb einer internationalen Partnerschaft werden hauptsächlich traditionelle Medien wie E-Mail und Telefon verwendet, darüber hinaus erlangen aber immer öfter moderne Kommunikationsmittel wie Video- und Telefonkonferenzen via Skype, Chats und der Austausch auf Online-Plattformen an Bedeutung. Die meisten EU-Projekte basieren auf Englisch als Arbeitssprache, wobei die ProjektpartnerInnen oft Unterschiede im Sprachlevel aufweisen, so dass Projektinhalte teilwiese anders verstanden werden und Missverständnisse und Fehlinterpretationen die Folge sind. Projektmeetings Aufgrund der europaweiten Verteilung der Teammitglieder sind face-to-face Meetings unersetzlich. Projekte starten generell mit einem Kick-off Meeting mit allen Projektbeteiligten zur Festlegung der gemeinsamen Vorgangsweise und zur Teambildung. Weitere geplante wie auch spontan vereinbarte Treffen während des Projektes sind wesentlich für den Verlauf und Erfolg des Projektes. Diversity Management und Interkulturalität In internationalen Projekten ist es notwendig, die interkulturellen Aspekte zu beachten. Die Führung interkultureller Teams stellt für ProjektkoordinatorInnen eine Herausforderung dar, da sich nicht nur Arbeitsweise, Arbeitsauffassung oder Zeitverständnis unterscheiden können, sondern vor allem interkulturelle Herausforderungen in den Bereichen Kommunikation, Teamwork und Leadership auftreten. 112 Vgl. Babic 2009: 10 75 Verbreitung der Projektergebnisse Eine wesentliche Schwierigkeit, die mir in meiner Arbeit in EU-Projekten seit Jahren begegnet, stellt die nachhaltige Verbreitung und Vermarktung der Projektergebnisse unter den Stakeholdern dar. Hervorragende Projektergebnisse und wertvolle Mehrwerte werden oft nicht genutzt und verlaufen mit dem Ende des Projektes im Sand. Es könnte aus EU-Projekten eine wesentlich höhere Wertschöpfung und bessere Nachhaltigkeit erzielt werden, würden diese nur besser verbreitet und vermarktet. Das erfolgreiche Management von internationalen Projekten hängt also von vielen Faktoren ab. Aufgrund meiner mittlerweile mehr als 10-jährigen Erfahrung mit EU-Projekten, sei es als Projektpartnerin, als Koordinatorin oder als Projektleiterin, kann ich folgende Punkte für das Management von EU-Projekten empfehlen: Einsatz von taffen und erfahrenen ProjektmanagerInnen ausreichend Sprachkenntnisse in der jeweiligen Arbeitssprache gute Kommunikation innerhalb der Partnerschaft Beachtung der Diversität und Interkulturalität der Projektpartnerschaft permanenter Kontakt zu allen Projektbeteiligten Einsatz einer geeigneten Projektmanagementsoftware zur Planung, Verwaltung und Steuerung des Projektes laufende Überwachung der einzelnen Arbeitspakete, des Zeitplans, der Meilensteine, des Fortschritts und des Projektbudgets rechtzeitiges Entgegensteuern, wenn etwas konträr läuft Schaffung eines klaren, einheitlichen Verständnisses über Projektziele, -inhalte und Projektergebnisse innerhalb der Partnerschaft klare Kommunikation des Nutzens des Projektes Vorgabe klarer Zeitstrukturen und Deadlines und Achtung auf die Einhaltung dieser Einsatz moderner Kommunikationstools wie Kollaborationsplattformen, Audio- und Videokonferenzen, Facebook, Skype, Twitter, etc. bei Problemen nicht den Kopf in den Sand, vielmehr geht es um ein rasches und adäquates Reagieren auf die Herausforderungen im Projektalltag 76 7.2 Q-PLM: Ausgangsbasis, Projektziele und Outputs Q-PLM - Quality Assurance for VET Providers Using Product Lifecycle Management - ist ein zweijähriges Leonardo da Vinci Projekt, bei dem das bfi Steiermark die Projektleitung inne hat. Projektstart war der 01.10.2013, Projektende ist der 30.09.2015. Abbildung 17: Projektlogo Q-PLM und Gruppenfoto Projektpartnerschaft Q-PLM setzt sich zum Ziel, den Ansatz von PLM, der in der Industrie und IT mittlerweile weit verbreitet ist, für die Erwachsenenbildung zu adaptieren und ein IT-basiertes Instrument für die Planung, Steuerung und Überwachung der Produktportfolios von europäischen Weiterbildungseinrichtungen zu entwickeln. Diese PLM-Software soll die relevanten Einflussgrößen, die auf den Lebenszyklus von Bildungsprodukten wirken, abbilden und eine Prognose bezüglich der Lebenszyklen von Weiterbildungsmaßnahmen ermöglichen. So sollen die Produktlebenszyklen einzelner Seminare und Trainingsangebote aber auch ganzer Trainingsportfolios einfach gelenkt und gesteuert werden, Änderungen rasch herbeigeführt, Angebote schneller erstellt werden und die Produktleben der einzelnen Bildungsprodukte permanent überwacht werden können. Ein gezieltes Produktlebenszyklusmanagement soll EBEinrichtung ferner auch als Instrument zur Qualitätssicherung dienen. Folgende Outputs sollen während in der 2-jährigen Projektdauer entstehen: Analyse der existierenden PLM-Software auf europäischem Niveau Analyse über den Produktlebenszyklus von Bildungsprodukten Definition der Indikatoren für den Produktlebenszyklus von Bildungsprodukten Definition der technischen Anforderungen an die PLM-Software 77 Software für aktives Product-Lifecycle-Management in der Weiterbildung Handbuch für aktives Product-Lifecycle-Management für Erwachsenenbildungseinrichtungen Testung der Software und Evaluierung dieser Q-PLM Homepage, Facebook-Seite Projektfolder und Poster auf Englisch und in allen Sprachen der Partnerschaft 4 Projektmeetings, Schlusskonferenz im Juni 2015 in Österreich Verbreitungsstrategie Nachhaltigkeitsstrategie Q-PLM PLM Software for VET Providers Handbook for Active Product Lifecycle Management for VET Providers Testing Pilot Evaluation Research and Analysis Software analysis Field analysis in PLM Variables and indicators for product lifecycles in VET Technical and functional specifications document Dissemination Exploitation Sustainability Dissemination Strategy Project website Facebook page Leaflets, posters Newsletters Sustainability strategy Exploitation strategy Abbildung 18: Übersicht Projektoutputs Q-PLM, eigene Darstellung Um einen nachhaltigen Projekterfolg sicherzustellen und um die Projektergebnisse in der Praxis anzuwenden, setzt sich das Projekt folgende langfristige Projektziele: mindestens 70 europäische Bildungseinrichtungen sollen die entwickelte PLM-Software für die Steuerung der Produktportfolios nutzen mindestens 30 Bildungseinrichtungen außerhalb der EU sollen die entwickelte PLMSoftware für die Steuerung der Produktportfolios nutzen 78 7.3 Partner und Stakeholder Die Q-PLM Partnerschaft besteht aus acht Partnerorganisationen aus Österreich, Deutschland, Belgien, Spanien, Finnland, Irland, Slowenien und Rumänien und unterteilt sich folgende in Bildungseinrichtungen, Colleges, Universitäten und Sozialpartner: ÖSTERREICH Berufsförderungsinstitut Steiermark, www.bfi-stmk.at DEUTSCHLAND Init Developments, Ltd, www.init-developments.eu BELGIEN Syntra West vzw, www.syntrawest.be SPANIEN Fondo Formación Euskadi, www.ffeuskadi.net FINNLAND WinNova, www.winnova.fi IRLAND City of Cork Vocational Education Committee, www.corkvec.ie SLOWENIEN Gospodarska zbornica Slovenije, www.gzs.si RUMÄNIEN Uni ersitatea Ştefan cel Mare din Sucea a, .us .ro Abbildung 19: Projektpartnerschaft Q-PLM Als Stakeholder gelten europäische BildungsanbieterInnen, EB-Einrichtungen, Arbeitsmarktorganisationen, SozialpartnerInnen und europäische Netzwerke für die Qualitätssicherung und Verbreitung der Ergebnisse von EU-Projekten. Im Juni 2015 ist eine Schlusskonferenz in Österreich geplant, in dem die Projektergebnisse, die PLM-Software und das PLM-Handbuch einem breiten Publikum sowie relevanten Stakeholdern präsentiert werden. 7.4 Workshop about indicators for PLM in VET Das Kick-off Meeting zum Q-PLM Projekt fand im November 2013 in Schwerin/Deutschland statt. Ziel dieses Meetings war es, u.a. einen Einblick über das Produktverständnis von europäischen Bildungsanbietern zu erhalten und die Einsatzmöglichkeiten und Perspektiven von PLM in der Weiterbildung abzufragen. Im Rahmen dieses Meetings veranstaltete ich einen Workshop zur Diskussion der Indikatoren von PLM in europäischen EB-Einrichtungen. Die 11 TeilnehmerInnen wurden dazu in 3 Gruppen à 3-4 Personen geteilt und hatten 90 Minuten Zeit zur Diskussion. Die Flipchartprotokolle befinden sich im Anhang unter Punkt 10.4 und beinhalten folgende Indikatoren für PLM in der Weiterbildung: 79 Rating: Indicator description 1 (lowest) - Feedback comments 10 (highest) Appropriate duration 8 Appropriate learning content 8 Attractiveness and relevance of teaching technique 8 According to new participants and VET programmes needs Certifications with graduation 7 become more and more relevant Cost analysis 8 To be assessed at beginning as well as during course Destination of trainees six months after completing their training 10 Note: can be better job profile, new job, further steps in education Enrollment rate 8 of existing and new students Feedback on organization of training by trainers, by employer, by staff, by participants 8 Importance of a course 7 Infrastructure 8 Learning effort 8 Legal obligations 7 Motivation of participants 7 Important for the success and new enrollments 10 Depends on promoter 1 National relevance but not a priority for VET providers Quality of assessment of trainees 9 To indicate the participant’s progresses Social partner needs 7 Participation rates in initial VET and lifelong learning Prevalence of vulnerable groups in the VET system Sometimes courses are in the portfolio only for prestige Without the appropriate infrastructure no possibility to offer VET Success rate of the course 9 Progression to higher levels of study, increased levels within the profession, employment in vocationally related area, selfemployment Successful completion of training 10 Note: completion does not equal graduation The existence of mechanisms to relate developments in labour market to VET systems 10 Education is an answer to labour market needs The existence of schemes to promote better access to VET 5 Marketing is required to promote general VET offer, not course in particular The level of investment in the competences of staff The level of investment in the training of trainers The levels of unemployment according to different groups in society 8 2 1 All staff including trainers need to be competent Better to invest in competences of all staff members VET should be adapted to labour market needs The share of VET providers applying a quality assurance system that reflects the CQAF 5 Quality assurance is very necessary vs. the QPLM system is the quality assurance The use of the acquired skills in the workplace 10 Can be difficult to measure - not to be restricted to work place only Abbildung 20: Indicators for PLM in VET 80 7.5 Status quo und Ausblick Im Jänner 2014, zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Master Thesis, lief das Projekt seit vier Monaten, Startzeitpunkt war der 01.10.2013. Im November 2013 fand das Kick-off Meeting in Schwerin/Deutschland, statt. Meine Ziele für das Kick-off waren, die Projektpartnerschaft zu festigen, die gemeinsame Vorgehensweise festzulegen, Ziele, Inhalte und Outputs vorzustellen und das gemeinsame und einheitliche Verständnis zu PLM innerhalb der Partnerschaft zu sichern. In diesem Meeting wurden die einzelnen Arbeitsschritte für die ersten beiden wesentlichen Arbeitspakte, die Recherche- und Analysephase und die Entwicklung der PLMSoftware und des PLM-Handbuchs festgelegt und mögliche Indikatoren für PLM für europäische EB-Organisationen diskutiert. Die nächsten Meilensteine in diesem Projekt werden bis Februar 2014 die Erhebung des Status quo von PLM in Europa, die Recherche über die Einsatzmöglichkeit von PLM in der Erwachsenenbildung, die Analyse von existierender PLM-Software in der europäischen Industrie, der Entwurf des PLM-Handbuchs sowie die Fixierung der Parameter für die PLMSoftware sein. Für Februar 2014 ist ein Arbeitstreffen mit den Workpackage-Leadern aus Spanien und Irland im bfi Steiermark geplant um die Indikatoren für die PLM-Software festzulegen und gemeinsam die Inhalte des PLM-Handbuchs zu besprechen. Das nächste transnationale Partnerschaftsmeeting findet im Mai2014 in Brügge/Belgien statt. Als Ziel dieses Meetings gilt es, die Details zur PLM-Software und zum PLM-Handbuch mit der Projektpartnerschaft zu erarbeiten und die Software mit den Programmierenden zu diskutieren. Was das Projektmarketing betrifft, so stehen in den nächsten Wochen die Fertigstellung der Projekthomepage (www.q-plm.eu) und der Facebook-Seite an, weiters die Aussendung des ersten Projektnewsletters sowie die ersten nationalen Meetings mit den Stakeholdern. Der erste finanzielle Zwischenbericht und der erste Bericht über die Verbreitungsaktivitäten der einzelnen ProjektpartnerInnen werden bis Ende März 2014 erwartet. 81 8 Chancen und Grenzen von Product-Lifecycle-Management in der Erwachsenenbildung Ziel dieser Master Thesis ist es, Product-Lifecycle-Management, das vornehmlich in der Industrie und IT Verwendung findet, in adaptierter Form auf den Erwachsenenbildungsmarkt zu übertragen und Empfehlungen zum Einsatz von aktivem PLM und zur markt- und lebenszyklusorientierten Betrachtungsweise der Portfolios in der Erwachsenenbildung zu geben. Diese Master Thesis diskutiert dazu folgende 7 Thesen und kommt zu folgenden Erkenntnissen, die die Chancen und Grenzen von PLM in der Erwachsenenbildung verdeutlichen: 1. Bildung und Management sind kein Paradoxon, wenngleich Bildung nicht ausschließlich als Ware betrachtet werden kann. Die Erwachsenenbildung steht im Spannungsfeld zwischen pädagogischen, volkswirtschaftlichen und betriebs- wirtschaftlichen Ansprüchen, wobei Bildung und Management kein Paradoxon sind. Erwachsenenbildungsinstitutionen und Bildungsprozesse bedürfen sehr wohl Managementkompetenzen für ein wirtschaftlich verantwortungsvolles und erfolgreiches Handeln im Bildungsbereich - allerdings sollten die besonderen organisationalen und pädagogischen Anforderungen der Erwachsenenbildung nicht völlig außer Acht gelassen werden. 2. Es gibt Produkte. Es gibt alle Arten von Produkten und für jedes Produkt gibt es ein Produktleben - so auch für die Produkte der Erwachsenbildung. Ja, auch Bildungsmaßnahmen haben einen Lebenszyklus und dieser spielt für die professionelle Steuerung des Produktportfolios eine entscheidende Rolle. Durch die Beachtung des Lebenszyklusses können Bildungsmaßnahmen optimal eingeführt, kontinuierlich adaptiert und verbessert und ihr Marktanteil ausgebaut werden und sie können ggf. rasch vom Markt genommen werden. 3. Jedes Unternehmen, das Produkte herstellt, muss auch die Lebenszyklen von Produkten managen - so auch die Erwachsenenbildung. PLM existiert bis dato in der Erwachsenenbildung in Österreich nicht und auch die befragten europäischen Bildungseinrichtungen nutzen PLM nicht. Bildungsprodukte werden ohne standardisierte Tools zur Einschätzung ihres Verbleibens auf dem Bildungsmarkt entwickelt. 82 4. Es können spezifischen Indikatoren zur Steuerung von Produktlebenszyklen für Bildungsprodukte definiert werden. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der Definition von spezifischen Indikatoren für die verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus von Bildungsprodukten. Für deren Lancierung, Ausbau, Verbleib am Bildungsmarkt und für deren Eliminierung vom Bildungsmarkt können verschiedene qualitative und quantitative Indikatoren definiert werden. Außerdem konnten Indikatoren zu PLM in EB-Einrichtungen mit 8 europäischen Bildungseinrichtungen erfasst werden. 5. Der Produktlebenszyklus ist für das Bildungsmarketing ein wichtiges Konzept, er beeinflusst die Marketingstrategien eines Unternehmens und bringt Erkenntnisse über die Wettbewerbsdynamik eines Produktes mit sich. Das Modell des Lebenszyklus hat Auswirkungen auf alle 7 P im Marketingmix einer Weiterbildungsorganisation und für jede Phase des PLZ können unterschiedliche Aufgabenstellungen, Chancen und Herausforderungen hinsichtlich der Marketingstrategie und der Realisierung dieser definiert werden. 6. Bildungscontrolling und ermöglichen marktorientierte eine bestimmte Kennzahlen Steuerung im der Bildungsmanagement Produktportfolios der Erwachsenenbildung. In der Unterstützung des Produktlebenszyklusmanagements nimmt das produktlebenszyklusorientierte Controlling eine Koordinationsaufgabe und Reflexionsfunktion ein, wobei die Darstellung der Profitabilität eines Produktes über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg die Herausforderung ist. Das herkömmliche Controlling von Weiterbildungsorganisationen orientiert sich normalerweise an Geschäftsjahren und nicht am PLZ der Bildungsprodukte. Ein auf den PLZ bezogenes Controlling ermöglicht jedoch eine genauere Steuerung der Bildungsprodukte über deren Produktleben hindurch. Ein strukturiertes Bildungscontrolling ist zwar kosten- und ressourcenintensiv, dennoch ist es gerade für größere Bildungseinrichtungen zur einfacheren Steuerung der Produktportfolios, zur Überwachung der Budgets und besseren Qualitätskontrolle empfehlenswert. 7. Produktlebenszyklusmanagement, das vornehmlich in der Industrie und IT Verwendung findet, kann in der Erwachsenenbildung eingesetzt werden, allerdings in adaptierter Form. Aktives PLM erleichtert die Produktsteuerung, Produktplanung, Produktadaptierung und Produktinnovation der Portfolios der Bildungsanbieter. 83 Das Produktlebenszyklusmodell kann in der Erwachsenenbildung für die Prognose des Entwicklungspotenzials eines Bildungsprodukts eingesetzt werden. Es erleichtert die Produktinnovation, die Programmplanung, die damit einhergehende Budgetierung und gibt einen Überblick über den Einsatz eines auf den PLZ bezogenen Marketing-Mix. Der Aufbau und Einsatz eines PLM-Systems ist für größere EB-Einrichtungen sinnvoll, vornehmlich dann, wenn es mehrere ProduktentwicklerInnen gibt und mehrere MitarbeiterInnen Zugriff auf Produktdaten benötigen, insbesondere auf Entwicklungsdaten und Kennzahlen. Für EinzeltrainerInnen und kleine Bildungseinrichtungen ist das System zu komplex. Für kleinere Organisationen empfiehlt es sich aber sehr wohl, das Produktportfolio lebenszyklusorientiert zu steuern, zu überwachen und zu controllen. Es macht auch wenig Sinn, jedes einzelne Seminar anhand seines Lebenszyklus controllen zu wollen. Es empfiehlt sich aber durchaus einzelne strategische Geschäftsfelder sowie die Stars und Cash Cows im Produktportfolio lebenszyklusorientiert zu betrachten um Schlüsse über das Potenzial dieser Produkte ziehen zu können und deren Position im Portfolio und Verbleib am Bildungsmarkt genauer steuern zu können. Für die Umsetzung von PLM in der Erwachsenenbildung wäre ist eine übersichtliche, einfach anwendbare und leicht an die bestehenden EDV-Systeme anzupassende PLM-Software empfehlenswert, die Bildungsorganisationen eine übersichtliche Steuerung ihrer Produktportfolios ermöglicht und den Verbleib der Bildungsmaßnahmen am Bildungsmarkt darstellt. Das 2-jährige EU-Projekt Q-PLM soll eine PLM-Software für den europäischen Bildungsmarkt entwickeln - die Projektergebnisse werden mit Spannung erwartet. Zum Schluss sei noch einmal auf das Spannungsfeld zwischen Ökonomisierung der Bildung und pädagogisch sinnvollem Unterricht hingewiesen: Trotz aller Empfehlungen zum Einsatz von PLM in der Erwachsenenbildung können Bildung, Erziehung und Erwachsenenbildung nicht rein ökonomisiert betrachtet und ausschließlich unter den Maßstab von Effizienz und Profitabilität gestellt werden, sie bedürfen vor allem einer pädagogisch sinnvollen und sozial verantwortbaren Umsetzung. . 84 Literaturverzeichnis Selbständige Werke (Bücher und Herausgeberwerke) Beneke, E. (2010): Für Bildung begeistern. Handbuch Regionales Bildungsmarketing. Wien: Lebensministerium Bernecker, M. (2007): Bildungsmarketing. 3. Auflage. Köln: Johanna Verlag Eder, K. (2005): Trainingsentwicklung, Trainerqualität, Trainerauswahl. In: Markowitsch, J.; Strobl, P. (Hg.), Betriebliche Weiterbildung in Österreich. Konzepte, Anbieter, Trends. Wien: 3s. 107-114. Ehlers, U.-D.; Schenkel, P. (2005): Bildungscontolling im E-Learning. Berlin: Springer Heller, H. (2005): Zukunftsthema Lebenslanges Lernen (LLL). In: Markowitsch, J.; Strobl, P. (Hg.), Betriebliche Weiterbildung in Österreich. Konzepte, Anbieter, Trends. Wien: 3s. 71-73. Jochum, S. (2006): Bildungsmarketing. Marktforschung, strategisches Marketing, MarketingMix. Norderstedt: Grin Kotler, Ph.; Armstrong, G.; et al. (2007a): Grundlagen des Marketing. 4. Auflage. München: Person Kotler, Ph.; Keller, K. L.; Bliemel, F. (2007b): Marketing-Management. Strategien für wertschaffendes Handeln. 12. Auflage. München: Person Krautz, J. (2011): Ware Bildung: Schule und Universität unter dem Diktat der Ökonomie. 3. Auflage. Kreuzlingen/München: Hugendubel Liessmann, K. P. (2006): Theorie der Unbildung, Die Irrtümer der Wissensgesellschaft. Wien: Zsolnay Malik, F. (2005): Weiterbildung in Management – Schlüssel zum Erfolg. In: Markowitsch, J.; Strobl, P. (Hg.), Betriebliche Weiterbildung in Österreich. Konzepte, Anbieter, Trends. Wien 3s. 37-41. 85 Markowitsch, J.; Strobl, P. (2005): Betriebliche Weiterbildung in Österreich. Konzepte, Anbieter, Trends. Wien: 3s Merk, R. (1998): Weiterbildungsmanagement. Bildung erfolgreich und innovativ managen. 2. Auflage. Neuwied/Kriftel/Berlin: Luchterhand Möller, S. (2011): Marketing in der Erwachsenenbildung. Bielefeld: Bertelsmann Scheer, A.-W.; Boczanski, M.; et al. (2006): Prozessorientiertes Produkt-Lifecycle-Management. Berlin / Heidelberg: Springer Sendler, U. (2009): Das PLM-Kompendium: Referenzbuch des Produkt-LebenszyklusManagements. Berlin/Heidelberg: Springer Statistik Austria (2012a): Erwachsenenbildung 2011. Wien: Statistik Austria Statistik Austria (2012b): Weiterbildung in Unternehmen. Wien: Statistik Austria Statistik Austria (2013): Bildung in Zahlen 2011/12. Wien: Statistik Austria E-Books Babic, S. M.; et al. (2009): Internationales Projektmanagement. Salzburg: Cockpit-Consulting. <http://www.adameurope.eu/prj/3883/prj/Studienergebnisse_zu_internationalem_Projektmanagement.pdf> 09.08.2013 Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften Druckzeitschriften Birgmayer, R. (2011): Eine praxisnahe Einführung in Bildungscontrolling. Das Modell von Kirkpatrick und seine Erweiterungen durch Phillips und Kellner, in: Magazin 86 Erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs, Ausgabe 12/2011, Seiten 06-1 bis 06-8. Ostermann, G. (2013): Lernen was gefällt, in: Karrieren-Standards, Ausgabe Oktober 2013, Seiten 114-115. Sonstige Quellen Amtsblatt der Europäischen Union (2006): Beschluss Nr. 1720/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.11.2006 über ein Aktionsprogramm im Bereich des lebenslangen Lernens. Online im Internet: <http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2006:327:0045:0068:de:PDF> 18.08.2013 Application Form Quality Assurance for VET Providers Using Product Lifecycle Management / Q-PLM (2012) Business Report des bfi Steiermark (2012) Mitteilung der Kommission (2006): Erwachsenenbildung: Man lernt nie aus. Brüssel, den 23.10.2006. KOM (2006) 614 endgültig. Online im Internet: <http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2006/com2006_0614de01.pdf> 07.08.2013 87 Anhang 88 Prozess Produktentwicklung öffentliches Seminarangebot am bfi Steiermark 1 Projektplan Q-PLM 2 Questionnaire about PLM for VET Providers Q-PLM - Quality Assurance for VET Providers Using Product Lifecycle Management Questionnaire about product lifecycle management for VET providers We have all kinds of products. Services are also products. Vocational education and training are services. Each product has a lifecycle. VET products also have a lifecycle. Each lifecycle must be managed. There are variables and indicators for each stage of the product lifecycle. Name: Job Title: Organization: Address: Place and date: Please complete and return this form to: Karin Wiedner, European Project Manager, bfi Steiermark [email protected] THANK YOU! 3 Please complete and discuss the following questions: Who are the VET providers in your region/country? What quality system do the VET providers apply? Do VET providers apply PLM methods? PLM software? What is their experience? Why do people consider an indicator as valuable? What are the variables and indicators for product lifecycles in VET? (Try to identify at least 10) 4 Workshop about indicators for PLM in VET: Flipcharts 5 6 7 8