unterrichtsmaterialien

Transcrição

unterrichtsmaterialien
UNTERRICHTSMATERIALIEN
UNTERRICHTSMATERIALIEN
INHALT
DER FILM
3
Synopsis
Umsetzung
Die Buchvorlage
Der Regisseur
2
Angaben zum Film, Cast, Crew
4
DIE WICHTIGSTEN FIGUREN
5
THEMEN UND MOTIVE
6
Schritte aus der Isolation
Queen of the ABCs
Identität und Solidarität
Politik in PRECIOUS
ZUSATZINFORMATIONEN
PRECIOUS, Push und Die Farbe Lila
Die Rezeption von PRECIOUS in den USA
7
8
9
10
11
12
FILMSPRACHE
14
Traumsequenzen und Voice-over
Einsatz von Filmmusik
Genre und Bildsprache
15
17
SEQUENZPROTOKOLL
19
LINKS UND LITERATUR
22
ARBEITSBLÄTTER
ANHANG
Traumatisierung durch sexualisierte Gewalt
Kognitiver Spracherwerb mit Hilfe von
„Dialogue-Journals“
Harlem, 1987
Repräsentationen von Afroamerikanern
in der Populärkulur
Personen und Begriffe, die in PRECIOUS
erwähnt werden
Filmglossar
Impressum / Kontakt
DER FILM
SYNOPSIS
Als herauskommt, dass Precious schwanger ist, fliegt sie von der
Schule. Die Direktorin meldet sie an der alternativen Schule „Each
One Teach One“ an, wo Precious in die Anfängerklasse zu Ms. Rain
geschickt wird. Hier, unter Frauen, die aus ähnlichen Verhältnissen
kommen und ähnliche Geschichten zu erzählen haben, erlebt sie
zum ersten Mal eine angstfreie Atmosphäre. Sie erfährt Solidarität
und Freundschaft und lernt mit wachsender Begeisterung lesen und
schreiben. Täglich schreiben die Mädchen in ihr „Journal“ und Ms.
Rain schreibt zurück. Zunächst stellt jeder Buchstabe eine Herausforderung für Precious dar, doch dann entdeckt sie das Schreiben
als Weg, ihre Stimme zu finden, gesehen und gehört zu werden. Sie
schöpft Hoffnung.
Die Geburt von Precious‘ zweitem Kind schildert der Film als glückliche Zeit. Precious ist in einem hellen, freundlichen Krankenhauszimmer untergebracht. Sie wird liebevoll umsorgt, bekommt Post
und Besuch und findet einen weiteren Freund in Pfleger John. Aber
ihre Probleme sind bei weitem nicht vorbei. Als sie sich gegen eine
Adoption entscheidet und mit ihrem Sohn zur Mutter zurückkehrt,
wird Mary handgreiflich. Precious flieht, findet zunächst einen Unterschlupf bei Ms. Rain und deren Partnerin und schließlich einen Platz
in einem „Halfway House“ (siehe Seite 16). Wenig später erfährt sie,
dass ihr Vater an AIDS gestorben ist und sie selbst HIV-positiv ist, ihre
Kinder jedoch nicht. Trotz der Rückschläge kämpft Precious weiter.
Sie geht zur Schule, kümmert sich um ihre Kinder und besucht eine
Gesprächsgruppe für Inzest-Überlebende.
Die letzte Szene des Films stellt ein erschütterndes Gespräch auf
dem Sozialamt dar. Precious‘ Sozialhelferin Ms. Weiss konfrontiert
die Mutter mit den Missbrauchsvorwürfen. Diese bestreitet nichts
sondern bricht zusammen und erzählt schließlich, dass der Missbrauch begann, als Precious drei Jahre alt war. Sie hat nichts dagegen unternommen und sie macht Precious im Grunde immer noch
verantwortlich dafür, ihr den Mann abspenstig gemacht zu haben.
Precious nimmt ihre Kinder und geht. Das letzte Bild zeigt, wie sie
zielstrebig und aufrecht mit ihren beiden Kindern durch die Straßen New Yorks geht.
3
Copyright Prokino 2010
PRECIOUS ist die Geschichte einer Befreiung. Der Film spielt in Harlem, New York im Jahr
1987. Hauptperson ist die 16jährige übergewichtige Afroamerikanerin Claireece Precious
Jones, genannt Precious. Precious kommt aus extrem unterprivilegierten Verhältnissen.
Die Familie lebt von Sozialhilfe, die Mutter Mary ist gewalttätig, beide Eltern missbrauchen die Tochter. Precious bekommt bereits zum zweiten Mal ein
Kind vom eigenen Vater. Sie muss sich daheim um den gesamten
Haushalt kümmern und hat nie richtig lesen und schreiben gelernt.
Das erste Kind, das Precious „Little Mongo“ nennt, ist mit DownSyndrom zur Welt gekommen und lebt bei der Großmutter. Precious schweigt viel, denkt sich ihren Teil und wehrt sich wenn nötig
mit Gewalt gegen die Bullies in der Schule. Sie fantasiert sich in
eine Glamourwelt, in der sie attraktiv, erfolgreich und vor allem
sichtbar ist.
PRECIOUS – DAS LEBEN
IST KOSTBAR (USA 2009)
ORIGINALTITEL: PRECIOUS: BASED ON
THE NOVEL Push BY SAPPHIRE
LÄNGE: 109 Minuten
FASSUNG: deutsche Fassung und OmU
KINOSTART: 25.3.2010
VERLEIH: polyfilm
REGIE: Lee Daniels
BUCH: Geoffrey Fletcher nach dem Roman
Push von Sapphire
PRODUKTION: Lee Daniels, Sarah SiegelMagness, Gary Magness
Ausführende Produktion: Oprah Winfrey,
Tyler Perry, Lisa Cortés, Tom Heller
KAMERA: Andrew Dunn
SCHNITT: Joe Klotz
KOMPOSITION: Mario Grigorov
MUSIK: Lynn Fainchtein
DARSTELLER: Gabourey Sidibe
(Precious), Mo’Nique (Mary), Aunt Dot
(Precious’ Großmutter Tootsie), Paula
Patton (Ms. Rain), Mariah Carey (Ms.
Weiss),
UMSETZUNG
Weiss), Lenny Kravitz (Krankenpfleger
John), Sherri Shepherd (Cornrows),
Stephanie Andujar (Rita), Xosha
Roquemore (Jo Ann) u.a.
Die Gewalt zu Hause ist nicht das einzige Handicap, mit dem Precious
zu kämpfen hat. Als schwarze Frau aus der Unterschicht, noch dazu
übergewichtig und mit einem behinderten Kind, befindet sich Precious in der sozialen Rangordnung ganz unten, mit wenig Hoffnung
auf ein besseres Leben. Dennoch liefert der Film weder sie noch die
Zuschauer der Hoffnungslosigkeit aus. Das Mädchen Precious und ihr
Überlebenswille bleiben stets der Mittelpunkt des Films. Immer wieder
übernimmt die Kamera ihre Perspektive. Traumsequenzen und innere
Monologe erzählen von Precious‘ Weigerung, vor den Verhältnissen zu
kapitulieren. Zudem ist eine positive Entwicklung spürbar: trotz herber
Rückschläge erobert sich Precious mit zunehmender Bildung langsam
immer mehr Handlungsspielräume.
Die Inszenierung verbindet ‚realistische‘ Momente wie den Schlußmonolog der Mutter mit einer expressiven Bildsprache, die die Höhen
und Tiefen von Precious‘ Odyssee intensiviert und zuspitzt. So wird
die Wohnung der Mutter zur dunklen, lichtlosen Höhle und das Klassenzimmer zum lichtdurchfluteten ‚Himmel‘. Ironische Brechungen,
komisch-melodramatische Übertreibungen der Inszenierung und
Precious‘ trockener Galgenhumor ermöglichen immer wieder auch
leichtere Momente.
FSK: 12
ALTERSEMPFEHLUNG: empfohlen ab
15 Jahren
KLASSENSTUFEN: ab 10. Klasse
UNTERRICHTSFÄCHER:
Deutsch, Englisch, Religion/Ethik,
Geschichte und Sozialkunde,
Geographie und Wirtschaftskunde, Philosophie, Psychologie
THEMEN: Familie und Individuum, Erwachsenwerden, Identität und Vorbilder,
Bildung, sexualisierte Gewalt,
Klassengesellschaft, Rassismus, Sexismus,
Schwangerschaft von Minderjährigen,
Analphabetismus, HIV/AIDS, Behinderung/Anderssein, Down-Syndrom,
Feminismus, Homosexualität, Ernährung,
Stadt, Sozial- und Bildungssystem,
Harlem, Black Cinema/Literature
DIE BUCHVORLAGE
DER REGISSEUR
Copyright Prokino 2010
PRECIOUS – DAS LEBEN IST KOSTBAR basiert auf dem Roman Push der
Dichterin Sapphire (Ramona Lofton, *1950). Das Buch, das im Jahr 1996
erschien und mit einer Reihe von Preisen ( u.a. Mind Book of the Year
Award, New York Library Books for the Teen Age Award) ausgezeichnet
wurde, basiert auf Sapphires Erfahrungen als Alphabetisierungslehrerin
in Harlem und der Bronx.
In einem einzigen langen „stream of consciousness“ erzählt die Protagonistin des Buches von ihrem Alltag und ihren Erinnerungen. Eine
Besonderheit von Push ist die Sprache: Precious spricht afroamerikanischen Slang und schreibt in der phonetischen Rechtschreibung einer
Analphabetin: „I’m walking down the hall from homeroom to first
period maff. Why they put some shit like maff first period I don‘t know.
Maybe to gone ’n git it over with.“1 Im Laufe des Buches wird ihre
Schreib- und Ausdrucksweise zunehmend souveräner und korrekter.
Der Roman endet mit einer fiktiven Zusammenstellung von Gedichten
und Erzählungen, die Precious und ihre Klassenkameradinnen in ihren
„Journals“ geschrieben haben.
PRECIOUS ist die zweite Regiearbeit von Lee Louis Daniels (*1959),
der zunächst in Hollywood als Besetzungsagent arbeitete und später
eine eigene Produktionsfirma gründete. Seine erste eigene Produktion MONSTER‘S BALL (Regie: Marc Forster, 2001) wurde mit zwei Oscars ® ausgezeichnet
und machte Daniels zum ersten afroamerikanischen Produzenten eines Oscar ® -Preisträgers. Weitere Produktionen waren THE WOODSMAN (Regie: Nicole Kassel, 2004) und
TENNESSEE (Regie: Aaron Woodley, 2008). Im Jahr 2005 führte Daniels zum ersten Mal
selbst Regie in SHADOWBOXER, einem eigenwilligen Auftragskiller-Familien-Drama, das
bereits viele ästhetische Elemente von PRECIOUS vorweg nimmt.
1
4
Sapphire, Push, New York, 1997, S. 4
DIE WICHTIGSTEN FIGUREN
CLAIREECE PRECIOUS JONES (Gabourey Sidibe), genannt Precious, ist die
Protagonistin und Erzählerin des Films. Precious ist 16 Jahre alt und bereits das zweite Mal
schwanger von ihrem Vater. Ihr erstes Kind, Mongo, wurde mit Down-Syndrom geboren und
lebt bei der Großmutter Tootsie. Nach außen wirkt Precious verschlossen und aggressiv, in
Wirklichkeit ist sie ein lernbegieriger Teenager, der auf seine Chance wartet.
MARY JONES
(Mo’Nique) Precious’ Mutter Mary ist eine aggressive, verbitterte,
psychisch kranke Frau. Sie lässt Precious den gesamten Haushalt erledigen, beschimpft und
missbraucht sie. Anstatt Precious vor dem übergriffigen Vater zu beschützen, wirft sie ihrer
Tochter vor, ihr den Mann weggenommen zu haben. Sie verlässt das Haus kaum und lebt von
Sozialhilfe, die sie für sich, Precious und deren Tochter bezieht.
TOOTSIE JONES
(Aunt Dot) Precious’ Großmutter Tootsie kümmert sich um
Precious’ Tochter little Mongo. Immer wenn die Sozialarbeiterin zu Besuch kommt, bringt sie
das Kind vorbei. Tootsie ist Precious wohlgesonnen und besucht sie auch im Krankenhaus,
aber eine wirkliche Hilfe ist sie nicht, da sie Angst vor ihrer Tochter Mary hat.
BLU RAIN (Paula Patton) Ms. Rain ist die lesbische Alphabetisierungslehrerin, die
Precious in der alternativen Schule „Each One Teach One“ Lesen und Schreiben beibringt. Sie
ist die erste Frau, die an Precious glaubt und ihr hilft. Sie wird für Precious zum Vorbild und
zur Inspiration. Als Precious bei Blu und ihrer Freundin Catherine übernachtet, ist sie gerührt,
dass zwei Fremde soviel netter zu ihr sind als die eigene Familie.
MS. WEISS
(Mariah Carey) Ms. Weiss ist Precious’ Sachbearbeiterin auf dem Sozialamt.
Sie ist eine ambivalente Figur. Einerseits ist sie Precious wohlgesonnen, andererseits
schlägt sie vor, Precious aus der Schule zu nehmen und in einem „workfare“-Programm
unterzubringen.
JOHN McFADDEN (Lenny Kravitz) Im Krankenhaus freundet sich Precious mit dem
netten Pfleger John an, einem der wenigen Männer in Precious’ Welt, die nicht über sie
hinwegsehen oder gewalttätig sind.
DIE ALPHABETISIERUNGSKLASSE
Die Mädchen in Precious‘ Alphabetisierungsklasse werden schnell zu Freundinnen und Verbündeten. Die ex-drogensüchtige
Lateinamerikanerin Rita (Stephanie Andujar), Rhonda (Chyna Layne), eine Einwanderin aus
Jamaika, Jermaine (Amina Robinson) aus der Bronx, die alberne Jo Ann (Xosha Roquemore) und
die zickige und immer flirtende Consuelo (Angelic Zambrana) haben alle ähnliche Schicksale
hinter sich und teilen einen ruppigen Sinn für Humor.
LIGHT SKINNED BOYFRIEND
Precious’ hellhäutiger Fantasiefreund taucht
DAS NACHBARMÄDCHEN (RUBY)
Die 8-jährige Tochter von Precious’
Nachbarn wird von ihren Eltern ähnlich vernachlässigt wie Precious. Zunächst ignoriert
Precious die Versuche des Kindes, Kontakt aufzunehmen, doch zum Schluss erkennt sie in
dem Mädchen ihre Leidensgenossin.
5
Alle Fotos: Copyright Prokino 2010
immer wieder in ihren Träumen auf.
THEMEN UND MOTIVE
Copyright Prokino 2010
SCHRITTE AUS DER ISOLATION
Seit ihrem 3. Lebensjahr ist Precious ein Opfer sexueller und physischer Gewalt. Der Vater
vergewaltigt das Mädchen regelmäßig über mehrere Jahre, die Mutter schlägt sie und missbraucht sie ebenfalls. Zum Zeitpunkt des Films liegt die sexualisierte Gewalt überwiegend in
der Vergangenheit, die Folgen für Precious sind jedoch immer noch schwerwiegend. Immer
wieder wird das Mädchen von Erinnerungen an die Vergewaltigung
heimgesucht, sogenannten „Flashbacks“, die durch bestimmte „Trigger“ ausgelöst werden. Das können bestimmte Situationen, Geräusche
TRAUMATISIERUNG
DURCH SEXUALISIERTE
und Gerüche sein, wie zum Beispiel die Kombination aus brutzelndem
GEWALT
Abendessen und Aggression der Mutter, die Precious‘ ersten Flashback
im Film auslöst. Plötzlich überfällt sie die Erinnerung an ein anderes
Der Begriff Trauma stammt aus der PsychoAbendessen an einem anderen Tag, an den schwitzenden Vater und an
logie (griech. „Wunde“) und bezeichnet ein
den Riss in der Decke über dem Bett.
gewaltvolles oder überwältigendes Ereignis,
das die Bewältigungsstrategien eines MenAus den unerträglichen Erinnerungen flüchtet sich Precious in intensive
schen überfordert, so dass dieser Mensch
Tagträume, die die Umwelt für einen Moment vollkommen ausblenauf besondere Notfall- oder Überlebensden. Der Riss in der Decke weitet sich zu einer Öffnung auf eine ganz
strategien zurückgreifen muss. Häufig geht
andere Szene, in der Precious als erfolgreicher, begehrter Star hofiert
dieses Ereignis mit einer lebensgefährlichen
wird. Ebenso reagiert sie, als die Mutter ihr eröffnet, dass ihr Vater HIVBedrohung einher. Kennzeichnend ist ein
positiv war. Grelle Tagträume brechen in ihr Bewusstsein ein. Precious’
ausgeprägtes Erleben von Ohnmacht, HilfVerschlossenheit, Aggressivität, ihr unterentwickeltes Selbstbewusstlosigkeit und Auslieferung. Eine Traumatisein, ihre Schulschwierigkeiten und Essstörungen sind weitere typische
sierung ist die Reaktion eines Menschen auf
Reaktionen auf Missbrauchserfahrungen.
dieses Ereignis, die individuell sehr unterschiedlich sein kann.
Mit ihren Erlebnissen und Problemen ist Precious vollkommen allein.
Ausser ihrer Mutter und der verängstigten Großmutter hat sie keinerlei
Neben Traumata, die durch „höhere
soziale Kontakte. In der Schule sitzt sie nur schweigsam da. Aus Scham
Gewalt“ wie Naturkatastrophen oder
und Angst wagt sie es nicht, sich jemandem anzuvertrauen. Weder
schwere Erkrankungen verursacht werden
und kollektiven Formen der Traumatisierung
wie Krieg oder Verfolgung, gibt es Traumata
durch Angriffe, Überfälle, sexualisierte und
häusliche Gewalt. Besonders gravierend
sind dabei traumatische Verletzungen, die
in der Kindheit und über längere Zeit durch
Bezugspersonen zugefügt werden, da das
Kind abhängig vom Erwachsenen ist und
sich daher nicht in Sicherheit bringen oder
wirkungsvoll zur Wehr setzen kann. Bei
sexualisierter Gewalt kommt hinzu, dass
Scham- und Körpergrenzen massiv überschritten werden, meist besteht zusätzlich
ein Redeverbot, das verhindert, sich in dieser Situation Hilfe zu holen.
die Rektorin, noch das Sozialamt noch die Familienbetreuerin wissen,
dass ihr eigener Vater sie geschwängert hat. Erst in der alternativen
Schule „Each One Teach One“ findet Precious ein soziales Umfeld, in
dem sie respektiert wird. Der erste Schritt aus der Isolation ist Precious’
Entschluss, sich in der angstfreien Atmosphäre von „Each One Teach
One“ zu Wort zu melden und vorzustellen. Auf dem Sozialamt spricht
Precious schließlich auch über den Missbrauch zu Hause, obwohl sie
glaubt, damit ihre Mutter zu verraten. Im Verlaufe des Films lernt sie,
6
Ein Trauma ist dadurch gekennzeichnet,
dass es überwältigend ist, d.h. nicht mit
den üblichen Strategien handhabbar
gemacht werden kann. Seele und Körper
können der Situation nicht entgehen,
weder Flucht noch Kampf (flight or fight)
sind möglich. Die Seele greift dann zu einer
Notfall-Reaktion, indem sie „dissoziiert“
(Dissoziation=Abspaltung).
Das Erleben wird ausgeblendet, um sich
vor Schmerz und Ohnmacht zu schützen,
ähnlich dem Totstell-Reflex im Tierreich.
Im Gehirn werden die traumatischen Erfahrungen in einem eigens hierfür vorgesehenen Gedächtnisspeicher aufbewahrt, der
sich vom Alltagsgedächtnis unterscheidet.
Durch Auslösereize, sogenannte TRIGGER
(z.B. ein Geräusch, ein Geruch, ein Bild
o.ä.) kann das Trauma-Gedächtnis aktiviert
werden, so dass plötzlich Erinnerungsblitze in das Alltags-Erleben „einschießen“.
Diese werden auch als FLASHBACKS
bezeichnet und führen dazu, sich von
Trauma-Erinnerungen überflutet zu fühlen. Oft ist eine Unterscheidung zwischen
Trauma-Erinnerung und realer Situation
kaum noch möglich, es kommt zu einem
Hier-und-Jetzt-Erleben.
immer offener mit ihren Erfahrungen umzugehen und das Geschehen
dabei neu zu bewerten. Zuerst sagt sie noch, dass ihr Vater ihr „ein
Kind gemacht hat“, später nennt sie die Vergewaltigung beim Namen
und besucht eine Gesprächsgruppe für Inzest-Überlebende. In der letzten Szene des Films arrangiert die Sozialarbeiterin ein Treffen mit der
Mutter, bei dem Precious endgültig klar wird, dass sie von ihrer Mutter
schwer misshandelt wurde und sie ihr das auch mitteilt: „I never knew
what you were until this day (…) You ain‘t gonna see me no more“.
FRAGEN UND ARBEITSAUFGABEN
# Warum wirkt Precious am Anfang des Films verschlossen und
warum reagiert sie oft aggressiv?
# In welchen Situationen überfallen Precious Erinnerungen an
den sexuellen Missbrauch?
# Wie geht Precious mit diesen Erinnerungen um? Ändert sich
ihre Strategie im Laufe des Films?
Weitere Symptome von Traumatisierungen
sind: Schlafstörungen, deutlich erhöhte
Wachsamkeit und Schreckhaftigkeit,
Übererregbarkeit, Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, verminderte Belastbarkeit
und Erschöpfung, Depressionen, sozialer
Rückzug, Suchterkrankungen, Ess-Störungen, Lebensüberdruss und Suizidalität,
Selbstverletzendes Verhalten
# Wie ändert sich Precious’ Verhältnis zu ihrer Mutter im Lauf
des Films?
# Warum beginnt Precious über den Missbrauch zu sprechen?
Warum vertraut sie sich nicht früher jemandem an? Wer
wären geeignete Ansprechpartner?
QUEEN OF THE ABCs
Bildung, bzw. das Erlernen von Lese- und Schreibfähigkeit, wird zum
Wendepunkt in Precious‘ Leben. Der Film schildert die Entwicklung
vom passiv gedachten Satz „I just sit there“ des Anfangs zum selbstbewussten ausgesprochenen Entschluss „... after that, college“ der letzten Szene. Die Überwindung von Diskriminierung und von Isolation ist
für Precious vor allem ein Prozess der Sprachfindung.
Copyright Prokino 2010
„Es gibt nur eines, was nachweislich und nachhaltig den ökonomischen
Status von Frauen verändert, und das ist Bildung. Nicht die Ehe, nicht Mindestlohn-Jobs, nicht Jehova, nicht Jesus, nicht Islam, sondern Bildung. Ich
war auf der richtigen Seite, und tat das Richtige für die richtigen Menschen.
Darüber wollte ich schreiben.“ (Sapphire)
Am Anfang erfahren die Zuschauer nur über ihre Gedanken, wie sie sich
fühlt. Nach einem Lob durch den Mathematiklehrer Mr. Wicher kommentiert sie aus dem Off: „My heart is all warm inside“. Als Precious sich
bei „Each One Teach One“ meldet, ist es das erste Mal, dass sie in der Schule etwas sagt. Ms. Rain
fragt sie, wie sich das anfühlt. Sie antwortet: „It make me feel here – ich fühle mich anwesend“.
In der neuen Schule lernt sie nicht nur Lesen und Schreiben, sondern auch, ihre Gefühle und
Gedanken wahrzunehmen und zu äußern, zunächst schriftlich, dann auch unmittelbar. Schließlich erzählt sie den Freundinnen ohne Umschweife, was sie bedrückt: „I got the AIDS Virus“, und
erlebt deren Mitgefühl und Anteilnahme. Es ist das erste Mal, dass wir sie weinen sehen.
Lesen und Schreiben wird zu einem neuen Identitätskern, an dem sie sich in Krisensituationen
festhält. Wenn Precious nach einer körperlichen Auseinandersetzung mit ihrer Mutter nachts
7
Copyright Prokino 2010
durch New Yorker U-Bahnhöfe läuft, sagt
sie bei jedem Schritt einen Buchstaben des
Alphabets auf.
Im schriftlichen Dialog übt Precious auch,
eine Position zu formulieren und zu verteidigen. Vom Krankenzimmer aus führt sie eine
Diskussion mit Ms. Rain darüber, ob sie die
Kinder behalten oder – wie Ms. Rain es ihr
nahelegt – zur Adoption freigeben soll. Precious behauptet ihren Standpunkt und setzt ihn anschließend auch in der Realität um. Im Verlauf des
Filmes wird sie zunehmend souveräner. Am Ende der Geschichte trifft sie
KOGNITIVER
SPRACHERWERB MIT
die Entscheidungen ihres Lebens selbst und setzt sich gegen das SozialHILFE VON „DIALOGUEamt, gegen die Mutter und auch gegen Ms. Rain durch. Sie beschließt
JOURNALS“
ihre Kinder alleine groß zu ziehen und auf’s College zu gehen.
Ms. Rain unterrichtet ihre Alphabetisierungs-Klasse unter anderem mit „Dialog-Tagebüchern“, einer Methode des
FRAGEN UND ARBEITSAUFGABEN:
Spracherwerbs, die in den späten 80er
Jahren entwickelt wurde und in den USA
# Wie kommt es, dass Precious im Alter von 16 Jahren noch
inzwischen auch in der Erwachsenenbilnicht lesen und schreiben kann?
dung und im Fremdsprachenunterricht
eingesetzt wird. Im Gegensatz zu anderen
# Was bedeutet es für Precious, lesen und schreiben zu
Methoden legen die Dialog-Tagebücher
können?
den Schwerpunkt auf individuellen Ausdruck und den Austausch von Ideen.
# Warum sagt Precious auf ihrer Flucht vor der Mutter das
Alphabet vor sich hin? Nennen Sie weitere entscheidende
Die Methode entspricht einem schriftlichen
Stationen von Precious‘ Lernprozess?
Gespräch zwischen Lehrer und Schüler: Die
Schülerinnen und Schüler schreiben regel# Übung: Führen Sie jeweils zu zweit eine handschriftliche
mäßig in ihr Tagebuch. Dies kann zu Hause
Diskussion zu einem Thema Ihrer Wahl. Gibt es Unterschiede
oder in einem vorgegebenen Zeitfenster
zu einer mündlichen Auseinandersetzung?
von 10 – 15 Minuten im Klassenraum
geschehen. Es gibt keine vorgegebenen
# Projekt für Fremdsprachen-Klassen: Führen Sie ein
Formen oder Inhalte. Berichte aus dem
„Dialogue-Journal“.
Leben, Fragen, Essays sind ebenso möglich
wie Gedichte oder Geschichten. Ebenso
ist die Länge variabel. Meistens gibt die
Lehrerin ein Minimum von beispielsweise 3
IDENTITÄT UND SOLIDARITÄT
Sätzen vor.
Die Lehrerin oder Mentorin liest jeden
In der ersten Szene von PRECIOUS sehen wir einen roten Schal inmitEintrag und schreibt zurück. Dabei kann
ten der grauen Szenerie einer Hochbahn hängen. Es folgt eine Traumsie auf Fragen eingehen, oder selbst Frasequenz: eine rot gekleidete Frau überreicht Precious den Schal wie
gen stellen und neue Themen einbringen.
eine Auszeichnung. Die gute Fee ist Susan Taylor, Chefredakteurin des
Wichtig ist, dass die Lehrerin in der Übung
Essence-Magazins, Autorin und Initiatorin eines Mentorenprogrammes
als Gesprächspartnerin der Schüler agiert
für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Dann greift ein knallrotes
und die Texte weder bewertet noch kor„Exit“-Zeichen die Farbe wieder auf. Der Schal begleitet Precious wie
rigiert. Rechtschreibung und Grammatik
ein Talisman durch den gesamten Film, bis sie ihn nicht mehr benötigt
spielen in dieser Übung keine Rolle.
und im Wartezimmer des Sozialamtes an das kleine Nachbarmädchen
weitergibt. Der Schal erinnert an die rote AIDS-Awareness-Schleife, er
ist ein Zeichen der Hoffnung und er bindet Precious und das kleine
Mädchen in die Gemeinschaft afroamerikanischer Frauen ein.
Es ist eine Gemeinschaft, die Regisseur Lee Daniels in Details wie dem
berühmten Hotel Theresa oder dem traditionsreichen Namen „Each
One Teach One“ beschwört. Precious selbst entdeckt erst im Laufe des
Films und mit zunehmender Bildung ihre Community. Zweimal weist
8
sie das kleine Mädchen ab, als es mit ihr spielen will. In ihren Träumen
wünscht sie sich einen hellhäutigen Freund und als sie am Anfang des
Films in den Spiegel sieht, fantasiert sie von sich als weißer, blonder
Frau. Erst in Ms. Rain von „Each One Teach One“ findet sie ein positives
Rollenbild: eine schwarze Frau, die klug, schön und selbstbewusst ist.
Precious beginnt, sich als Teil schwarzer Kultur und Geschichte wahrzunehmen. Nach dem Museumsbesuch sieht sie sich im Klassenzimmer
umgeben von ikonischen Bildern der (nicht nur schwarzen) Bürgerrechtsbewegung: Martin Luther King, Malcolm X, der Tianamen Platz.
Als sie gegen Ende des Films noch einmal in den Spiegel sieht, erblickt
sie sich selbst und ist einverstanden mit dem, was sie sieht.
Die Dialog-Tagebücher sind eine verhältnismäßig zeitaufwendige aber äußerst effektive Arbeitsmethode. Vorteile sind u.a.:
# Verlängerung der Lehrer-Schüler Kontaktzeit: Über die Dialog-Tagebücher lernen
Lehrer ihre Schüler und deren Lebensumstände optimal kennen und können
unmittelbar auf sie eingehen.
# Management von Klassen mit unterschiedlichen Lernniveaus: alle Schüler
können gleichermaßen an der Übung
teilnehmen. In ihren Antworten gehen
die Lehrenden automatisch auf das
Sprachniveau der Schülerinnen ein.
# Sehr guter Spracherwerb: Dialog-Tagebücher stellen Inhalt über Form und
beschäftigen sich mit den Themen und
Anliegen, die die Schüler direkt betreffen.
Indem Lehrer auf einem etwas höheren
Sprachniveau zurückschreiben, bieten sie
ein Vorbild korrekten Sprachgebrauchs
und einen Anreiz zum Spracherwerb.
Das Vertrauen der Schüler in die eigene
Schreibfähigkeit wird gestärkt.
Mit der Entwicklung des eigenen Selbstwertgefühls bildet sich auch ihre
Fähigkeit, andere Menschen anzunehmen und sich eine neue ‚Familie‘
aufzubauen. In den schwarzen und hispanischen Mädchen in ihrer Klasse
findet sie zum ersten Mal Freundinnen. Als sie entdeckt, das Ms. Rain
lesbisch ist, ist sie für einen Moment schockiert und reflektiert dann:
„Homos not ones who rape me and what do that make you? Homos not
ones who let me sit in class all them years and never learn nothin‘. And
homos not ones who sell crack to peoples in Harlem.“ Es ist ein weiterer
Bruch mit ihrer Mutter, für die Homosexuelle ‚bad people‘ sind.
FRAGEN UND ARBEITSAUFGABEN
# Wie würden Sie Precious´ Selbstbild am Anfang des Films
beschreiben? Wie verändert es sich im Lauf des Films?
Nach: Joy Kreeft Peyton Dialogue Journals:
Interactive Writing to Develop Language and
Literacy auf www.cal.org
# Welche Menschen unterstützen Precious in diesem Prozess
und auf welche Weise?
# Wofür steht der rote Schal, der am Anfang des Film zu sehen
ist? An welchen Stellen taucht er erneut auf? Warum?
# Welche historischen Szenen sieht Precious vor sich, als sie
nach dem Museumsbesuch im Klassenzimmer sitzt? Was
bedeuten die Szenen für sie?
POLITIK IN PRECIOUS
Copyright Prokino 2010
PRECIOUS erzählt kein Einzelschicksal: in der letzten Volkszählung
(2000) des U.S. Census Bureaus lag das Durchschnittseinkommen einer
afroamerikanischen Familie bei 14.437 Dollar und damit 1/3 unter dem
Durchschnittseinkommen aller amerikanischen Familien. Während
Afroamerikaner im Jahr 2000 12% der Gesamtbevölkerung stellten, lag
der Anteil von schwarzen Familien an Familien unterhalb der Armutsgrenze bei 27%. In den Bereichen Gesundheit und Bildung sieht es ähnlich katastrophal aus.
Jüngste Zahlen des Centers for Disease Control aus dem Jahr 2007 belegen, dass der Anteil
von Afroamerikanern an den HIV Infizierten bei 51% liegt. Im Jahr 1990 lag der Anteil schwarzer und hispanischer Frauen (19% der Bevölkerung) an den HIV-Infizierten sogar bei 72%,
was auch auf die große Anzahl Drogenabhängiger unter der afroamerikanischen Bevölkerung
zurückzuführen ist.
Auch wenn sich seit dem Ende der Rassentrennung in den 1970er Jahren die Ausbildungserfolge der Angehörigen von ethnischen Minderheiten in den USA denen der weißen Mehrheit
9
deutlich angenähert haben, bestehen immer noch gravierende Unterschiede. Aus der Studie
„Educational Attainment in the United States: 2003“ des U.S. Census Bureaus geht hervor,
dass fast 90% aller weißen Amerikaner die High School abschließen. Bei schwarzen Schülern
sind es nur 80% und bei lateinamerikanischen sogar nur 57%. Einen College Abschluss erwerben 34% aller weißen Amerikaner, aber nur 17% der Afroamerikaner. Aus der gleichen Studie
geht hervor, dass weiße Amerikaner bei gleicher Qualifikation über ein Viertel mehr verdienen
als Afroamerikaner.
Copyright Prokino 2010
Eine Untersuchung des Brookings Institute aus dem Jahr 1998 (www.brookings.edu/articles/1998/spring_education_darling-hammond.aspx) führt die Unterschiede in der Ausbildung vor allem auf die Tatsache zurück, dass Schulen kommunal finanziert werden und entsprechend unterschiedlich
HARLEM, 1987
ausgestattet sind. Die reichsten 10% der Schulbezirke der USA geben
Der New Yorker Stadtteil Harlem nimmt in
zehnmal soviel wie die ärmsten 10% der Schulbezirke aus. Haben Schüder afroamerikanischen Geschichte einen
ler aus den ärmeren Bezirken Zugang zu einer optimalen Ausbildung
bedeutenden Stellenwert ein. Von einem
(das heißt: kleine Klassen, einen anspruchsvollen Lehrplan und hochunbedeutenden Vorort wird Harlem durch
qualifizierte Lehrer), gleichen sich die Leistungen an.
den Bau der Hochbahn im Jahr 1880 zum
attraktiven Innenstadtviertel und löst einen
Als schwarze Frau aus der Unterschicht, noch dazu übergewichtig und
rasanten Bauboom aus. Nach dem Zusammit einem behinderten Kind, ist Precious auf mehreren Ebenen Diskrimenbruch des Wohnungsmarktes 1904 öffminierungen ausgesetzt. Entscheidende gesellschaftliche Institutionen
net sich der Markt erstmals für Schwarze.
des Films sind die Schule und das Sozialamt. In beiden werden Weichen
Die ‚Afro-American Realty Company‘ von
gestellt, die darüber entscheiden, ob Precious es schaffen kann, ihre
Philip Payton mietet in großem Stil HäuVerhältnisse zu überwinden und sich einen besseren gesellschaftlichen
ser an und vermietet die Wohnungen an
Status zu erarbeiten.
afroamerikanische Mieter weiter, die die
Gelegenheit begeistert wahrnehmen und
vor der Enge und den Rassenunruhen aus
Tenderloin und San Juan Hill nach Harlem
fliehen. Von 1920 bis 1930 steigt der Anteil
der schwarzen Bevölkerung Harlems von
32% auf 70%.1
Das normale Schulsystem wird als defizitär dargestellt. Eine kurze Szene
im Mathematikunterricht hinterlässt den Eindruck, dass Mr. Wicher es
kaum schafft, seine Schüler zur Ruhe zu bringen, geschweige denn zu
unterrichten. Und tatsächlich hat Precious ihre guten Noten, wie sie
später erzählt, ja auch vor allem für ihr Schweigen erhalten. Trotz guter
Noten wird sie dann von der Schule geworfen – weil sie ungewollt
schwanger geworden ist.
Ähnlich ambivalent ist das Sozialamt porträtiert. Während die Sozialarbeiterin sich bei einem Hausbesuch kaum mit der ihr zugeteilten
Familie beschäftigt, scheint Ms. Weiss ehrlichen Anteil an Precious’
Schicksal zu nehmen. Sie hilft ihr, sich von ihrer Mutter zu lösen. Andererseits schlägt sie vor, die junge Frau zu „workfare“ zu verpflichten –
10
In den 20er Jahren wird Harlem zur kulturellen Hauptstadt des schwarzen Amerika.
Die Protagonisten der „Harlem Renaissance“ sind Schriftsteller und Dichter,
Intellektuelle, Maler und Musiker. Zu den
Bekanntesten gehören die Dichter Langston Hughes, James W. Johnson und Countee Cullen, der Theoretiker W.E.B. Du Bois
und die Jazzgrößen Duke Ellington, Count
Basie, Bessie Smith und Josephine Baker.
Zahlreiche berühmte Clubs und Bühnen
entstehen wie der Cotton Club (der nur
für weiße Gäste zugänglich war) und das
Apollo Theatre.
Ebenso wird Harlem zum Hauptquartier
für politische und soziale Organisationen
wie die NAACP (National Association for
the Advancement of Coloured People),
die National Urban League und Marcus
Garveys Universal Negro Improvement
Association. Von 1952-63 leitet Malcolm X
in Harlem den Temple No. 7 für die Nation
of Islam. Mehrfach kommt es zu Unruhen,
so unter anderem nach der Ermordung von
Martin Luther King im Jahr 1968.
eine Arbeitsmaßnahme, die Precious Ausbildung unterbrechen und sie
auf ein Leben als ungelernte Arbeiterin festlegen würde.
Letztlich ist Precious für das Schul- und Sozialsystem nur eine Akte, die
mit Tests einsortiert und in Maßnahmen platziert wird.
FRAGEN UND ARBEITSAUFGABEN
# Wie unterscheiden sich die Unterrichtsmethoden von
Precious erster Schule und „Each One Teach One“? Warum
hat Precious in ihrer ersten Schule nichts gelernt?
# Welche Funktion hat die Sozialarbeiterin Ms. Weiss in
Precious Leben? Übt sie einen positiven oder einen negativen
Einfluß auf Precious aus?
# Precious schreibt an Ms. Rain: „the welfare help mama“
worauf Ms. Rain antwortet: “You look and see how much
welfare has helped your mother”. Was meint sie damit? Wie
müsste ein Sozialsystem aussehen, das den Betroffenen hilft?
# In Precious‘ Akte empfiehlt Ms. Weiss, sie zu einer Arbeitsmaßnahme zu verpflichten, wahrscheinlich als Dienstmädchen. Können Sie die Sichtweise der Sozialarbeiterin verstehen? Warum protestieren Precious und ihre Freundinnen?
PRECIOUS, PUSH UND DIE FARBE LILA
Sapphires Roman Push wurde 1996 veröffentlicht. Der Roman nimmt
explizit Bezug auf Alice Walkers Roman Die Farbe Lila. Der Ausgangspunkt der Protagonistinnen von Push und Die Farbe Lila ist ähnlich: Wie
Precious hat Celie zwei Kinder von ihrem Vater, und erfährt schlimme
Misshandlungen und Vergewaltigungen, auch ihr Weg zur Selbstfindung beginnt darüber, dass sie lesen lernt. Celies Lernprozess findet
nach dem Prinzip „Each one teach one“ statt: Weil sie selbst nicht zur
Schule gehen darf, bringt ihre Schwester Nettie ihr das Buchstabieren
bei.
Eine weitere Stufe auf Celies Weg zur Selbstfindung ist ihre Einführung
in weibliches Selbstbewusstsein und lesbische Sexualität durch die
Geliebte ihres Mannes, die Bluessängerin Shug Avery.
Bereits in den 20er Jahren beginnt auch der
Verfall des Stadtviertels. Um die überhöhten Mieten zahlen zu können, nehmen viele
Familien Untermieter auf und leben auf
engstem Raum zusammen. Die Vermieter
teilen die geräumigen Wohnungen auf, um
ihre Einkommen zu maximieren und vernachlässigen zugleich deren Erhalt. Weiße
Stadtreformer ignorieren den überwiegend
schwarzen Stadtteil fast vollständig. Mit
der Großen Depression in den 30er Jahren
beginnt sich die Lage zu verschlimmern,
eine Entwicklung, die sich auch durch die
sozialen Wohnungsbauprojekte in den
60er Jahren nicht aufhalten lässt. In den
80er Jahren, in denen PRECIOUS spielt, hat
die Entwicklung ihren Tiefpunkt erreicht.
Mittelschichtfamilien haben den Stadtteil
verlassen, zurückgeblieben sind die Allerärmsten und schlecht Ausgebildeten. AIDS,
Drogen, Gewaltverbrechen und Armut
führen dazu, dass die Lebenserwartung
der Bewohner im Jahr 1990 derjenigen
in Indien (Frauen) und Angola (Männer)
entspricht.2
Seit Mitte der 90er Jahre erlebt Harlem
eine rasante Gentrifizierung. Mit der „Zero
Tolerance“-Politik von Ralph Giuliano geht
die Verbrechensrate um 2/3 zurück. Seit
Anfang des 21. Jahrhunderts entdecken
gut verdienende Schwarze und Weiße die
attraktive Lage und die bezahlbaren Altbauten in Harlem. 2001 mietet Bill Clinton
Büroräume im Herzen von Harlem an,
erstmals gibt es wieder ein Kino, einen
Supermarkt, Coffeeshops und Restaurants.
Während der Anteil der Weißen an der
Bevölkerung in Central Harlem 1980 bei
gerade mal 0.6% lag, ist er inzwischen auf
6,5% gestiegen.3
1Ö„Harlem‘s
Als Celie nach langen Jahren der Unterdrückung ihren Mann Albert
endlich verlässt, wird sie von Albert mit Worten beschimpft, die auch
Precious’ Mutter sagen könnte: „You’re black, you’re poor, you’re ugly,
you’re a woman – You’re nothing at all!“ Celie antwortet: „I’m poor,
black, I may even be ugly, but dear God: I’m here! I’m here!“ Die Worte
„It makes me feel here!“, die Precious spricht, als Ms. Rain sie fragt, wie
es sich anfühlt, zum ersten Mal im Klassenzimmer zu sprechen, erscheinen wie ein Echo von Celies Selbstidentifikation.
Shifting Population“ by Andrew Beveridge August 27, 2008 in www.gothamgazette.
com/article//20080827/255/2635
2ÖMcCord C and HP Freeman. „Excess Mortality
in Harlem.“ New England Journal of Medicine
322(1990):173-177
3Ö„Harlem‘s Shifting Population“ by Andrew Beveridge August 27, 2008 in www.gothamgazette.
com/article//20080827/255/2635
Roman und Verfilmung von Die Farbe Lila enden versöhnlich. Celie findet ihre Schwester und
ihre Kinder wieder, Shug Avery versöhnt sich mit ihrem Vater, einem bigotten Prediger, selbst
Celies gewalttätiger Ehemann findet über eine Art Buße zum Frieden. Diese Erlösung gibt es
in PRECIOUS und Push nicht. Wenngleich Precious am Ende des Film zu Selbstsicherheit und
einem höheren Grad an Selbstbestimmung gefunden hat, sind nicht alle Probleme dadurch
11
verschwunden. Sapphires Roman und Lee Daniels’ Verfilmung beinhalten eine tiefergehende
Kritik gesellschaftlicher Zusammenhänge. PRECIOUS sagt nicht, dass Bildung und Selbstbewusstsein alle Proleme löst. Aber Film wie Roman zeigen, dass Bildung und Selbstbewusstsein
eine Voraussetzung sind, um den Kampf gegen die Hindernisse gesellschaftlicher Diskriminierung überhaupt aufzunehmen.
In Push wird auch auf Kontroversen angespielt, die die Verfilmung von Die Farbe Lila durch
Steven Spielberg im Jahr 1985 betreffen, und die sich aktuell wieder an PRECIOUS entzünden: „I love The Color Purple, that book give me so much strength. Ms. Rain say a group of black
men wanted to stop movie from the book. Say unfair picture of nigger
men. She ax me what do I think. Unfair picture? Unfortunately it a picture
I know (...)“ 1
REPRÄSENTATIONEN
FRAGEN UND ARBEITSAUFGABEN
# Arbeitsaufgabe: Sehen Sie sich Stephen Spielbergs Film
DIE FARBE LILA an. Wo sehen Sie Paralellen? Inwiefern
unterscheiden sich die beiden Filme?
REZEPTION VON PRECIOUS IN DEN USA
PRECIOUS hat in den USA eine hitzige Debatte um die Repräsentation
von Afroamerikanern im Kino ausgelöst: „Seit THE BIRTH OF A NATION
hat kein Mainstream-Film die Idee vom Leben schwarzer Amerikaner so sehr
herabgesetzt wie Precious. Voller offen schamloser rassistischer Klischees
(Precious stiehlt und isst einen ganzen Eimer mit gebratenen Hähnchen), ist
er eine soziologische Horrorshow“, schrieb der Filmkritiker der New York
Press, Armond White.
Der Filmkritiker Ed Gonzalez schrieb im „Slant“-Magazin, Daniels
betone in PRECIOUS „nur das Schlechteste der menschlichen Natur, und
zwar auf eine Weise, in der die Vorurteile (und Fetische) des liberalen weißen Publikums eher hofiert als konfrontiert werden.“
In Blogs, auf Social-Media-Plattformen und auf Kommentarseiten von
Internet-Filmmagazinen stehen zwei Kritikpunkte im Vordergrund:
Dem Film wird einerseits vorgeworfen, gängige Klischees über Afroamerikaner zu bedienen, zum anderen seien die positiven Figuren in
PRECIOUS (Ms. Rain, Ms. Weiss) besonders hellhäutig. Damit wiederhole der Film eine rassistische Logik, in der eine dunkle Hautfarbe mit
einem niedrigen sozialen Status verknüpft wird.
Armond White bezieht sich auf den rassistischen Filmklassiker THE
BIRTH OF A NATION (R.: D.W. Griffith, 1915), weil dort zum ersten
Mal das Klischee des schwarzen Vergewaltigers als Rechtfertigung für
weiße Gewalt – und die Gründung des Ku Klux Klan – gezeigt wurde.
Auch die Figur von Precious‘ Mutter Mary wurde als stereotype Darstellung einer faulen Schwarzen, die das Sozialsystem betrügt, kritisiert.
Alleinerziehende schwarze Mütter sind in der US-amerikanischen Öffentlichkeit Hauptziel von Kampagnen gegen sog. „Sozialmissbrauch“.
Zahlreiche Kritiker haben den Film gegen den Vorwurf, stereotype
Darstellungen von Afroamerikanern zu zeigen, verteidigt. Nicholas
1ÖSapphire,
12
Push, New York, 1997, S. 82 f.
VON
AFROAMERIKANERN IN
DER POPULÄRKULUR
Klischeehafte Darstellungen von Afroamerikanern sind seit den Minstrel Shows des 19.
Jahrhunderts Teil der amerikanischen Populärkultur. In Minstrel Shows schminkten
weiße Schauspieler sich die Gesichter
schwarz („Blackface“), und parodierten
zum Amüsement des weißen Publikums die
schwarze Kultur. Dabei bedienten sie sich
fester Charaktere, die weit in die moderne
Unterhaltungskultur hineinwirken, so etwa
der Figur des „Jim Crow“, eines sorglosen,
dummen Sklaven oder des „Zip Coon“
eines freien Schwarzen, der versucht, sich
Stil und Kultur anzueignen und daran
scheitert. Im frühen Hollywood-Kino, etwa
in D. W. Griffiths rassistischem THE BIRTH
OF A NATION tauchen diese Stereotypen
wieder auf. An Minstrel-Shows angelehnte
TV-Shows wie AMOS AND ANDY waren in
den USA bis in die 50er Jahre hinein populär. Dem „Blaxploitation“-Kino der siebziger Jahre wurde häufig vorgeworfen, mit
seinen stereotypen Figuren der schwarzen
Zuhälter und Drogendealer auf die gleichen
Rollenbilder zurückzugreifen.
Aktuell stehen zahlreiche schwarze RapKünstler in der Kritik, ähnliche Stereotypen
wieder zu beleben und damit den Vorurteilen des weißen Publikums zu schmeicheln.
So wird dem Mitbegründer der politischen
Hip-Hop-Gruppe „Public Enemy“ Flavor Flav
mit seinen MTV-Shows „THE FLAVOR OF
LOVE“ vorgeworfen, eine lächerliche Version
des „Zip Coon Niggers“ darzustellen.
Den bedeutendsten Beitrag des Kinos zu
dieser Diskussion lieferte der afroamerikanische Regisseur Spike Lee mit seinem Film
BAMBOOZLED (2000). Der Film handelt
von einem schwarzen Drehbuchautor, der
eine „Blackface“-Minstrel-Show im TV initiiert, in der rassistische Klischees mit den
Powers schrieb im Magazin „The Indypendent“: „Wenn Kritiker sie
(Sapphire) beschuldigen, Bilder von beschädigten Schwarzen zu zeigen,
die Weißen das Vergnügen des Voyeurismus geben und verdrängte Ängste
schüren, sollten wir die dialektische Schraube enger ziehen. Sollen Opfer
systematischer Unterdrückung keine Symptome zeigen? Sind schwarze
Verbrechen nicht eines dieser Symptome? Stimmt es nicht, dass die
Machtlosen oft jene angreifen, die schwächer sind als sie selbst? Warum
können wir nicht sagen, dass das mit uns passiert? Männer greifen Frauen
an. Mütter greifen Kinder an. Erinnerungen greifen die Gegenwart an. Wie
sollen wir heilen, wenn wir nicht sehen können, wie wir uns gegenseitig
weh tun?“
Wie Powers argumentierte auch Matt Mazur im „PopMatters“-Magazin, dass die Geschichte von Precious‘ Leiden rassistische Klischees
überwindet und transzendiert. „Mary und Precious sind nicht deswegen
bemerkenswert, weil sie als Funktionen weißer Vorstellungen oder als stereotype Archetypen existieren, sondern weil sie gerade einen neuen Umfang
afroamerikanischer Erfahrungen zeigen, die selten von Filmzuschauern oder
Kritikern gefeiert werden, und weil sie in paradoxer Weise durch eine Erzählung, die Rassenbeziehungen transzendiert, einen öffentlichen Dialog über
Rassenbeziehungen erzwingen.“
Der zweite Vorwurf, der gegen PRECIOUS erhoben wird, ist, dass die
positiven Figuren im Film alle hellhäutig sind. In Sapphires Romanvorlage ist Ms. Rain eine dunkelhäutige Frau mit Dreadlocks, im Film spielt
die hellhäutige Paula Patton die Rolle und sie trägt ihre Haare glatt, was
Precious als „nice Hair“ bezeichnen würde.
Daniels reflektiert diese Entscheidungen im Film im Rahmen eines
Dialogs zwischen Precious und der von Mariah Carey gespielten Ms.
Weiss. „What color are you anyway?“ fragt Precious. „What color do
you think I am?“ fragt Ms. Weiss zurück. Mariah Carey ist als Popsängerin eine Ikone. Als sie zu Beginn ihrer Karriere im einflussreichen
„Rolling Stone“-Magazin als „noch ein weißes Mädchen, dass schwarz
klingen will“ beschrieben wurde, beharrte sie emphatisch darauf, dass
ihr Vater ein schwarzer Venezulaner ist. Ihre Mutter ist eine irische
Opernsängerin. Carey ist eine der Figuren des öffentlichen Lebens,
an der sich die Frage des „Colorism“ besonders deutlich entzündet
hat, und die zu Diskussionen geführt hat, was Schwarz-Sein eigentlich ausmache. Die Inszenierung artikuliert und reflektiert die Frage,
wie hellhäutig jemand sein muss, um erfolgreich zu sein oder um
als schwarz oder weiß zu gelten und stellt diese rassistischen Zuordnungen in Frage.
FRAGEN UND ARBEITSAUFGABEN:
# In den USA ist PRECIOUS kontrovers diskutiert worden.
Können Sie sich mögliche Gründe vorstellen?
# PRECIOUS ist vorgeworfen worden, mit stereotypen Darstellungen von afroamerikanischen Männern und „welfare mothers“
Vorurteile zu bestätigen. Wie beurteilen Sie diese Vorwürfe?
# Nennen Sie Beispiele für stereotype Darstellungen in Film und
Fernsehen. Wie sehen sie die Figuren in PRECIOUS im Vergleich?
13
Mitteln der Minstrel Show zugleich übertrieben dargestellt und entlarvt werden.
Lee zeigte in seinem Film, dass es möglich
ist, mit Mitteln der Übertreibung rassistischer Klischees diese zu entlarven und
stellte sich auf die Seite von Rap-Künstlern,
die solche Mittel anwenden.
Auch Sapphire, die Autorin der Romanvorlage von PRECIOUS spielt mit den
Rollenklischees der Minstrel-Tradition. Sie
entnahm ihr Pseudonym von einer Figur
aus den rassistischen AMOS AND ANDYShows. „Sapphire“ hieß dort die maskuline,
dominante, herrschsüchtige Ehefrau einer
der Hauptfiguren.
Die verbreitetste schwarze Stereotype in
der Populärkultur ist die Figur der schwarzen „Mammy“, die immer tapfer bleibt,
ihren weißen Herren aufopfernd dient und
jederzeit bereit ist, den Boden aufzuwischen und ein ordentliches Abendessen
zu kochen. Exemplarisch wurde die Figur
von Hattie McDaniel in VOM WINDE VERWEHT (1939) dargestellt. Mit der Figur
des „magical negro“ benannte Spike Lee
2001 in einem Vortrag an der Yale University ein weiteres aktuelles rassistisches
Rollenklischee. Die Rolle kann sowohl von
männlichen als auch von weiblichen Schauspielern ausgefüllt werden. Ein schwarzer
Nebendarsteller erscheint in diesem Stereotyp, um dem weißen Helden auf eine
geheimnisvolle Art und Weise zu helfen,
mit tiefer Weisheit oder sogar wirklicher
Zauberkraft. Als typische „magical negro“Figuren sind etwa Morgan Freemans Rollen in DIE VERURTEILTEN (SHAWSHANK
REDEMPTION), BRUCE ALLMÄCHTIG und
MILLION DOLLAR BABY, Samuel L. Jackson
in BLACK SNAKE MOAN oder Jennifer Hudson als Carrie Bradshaws weise Assistentin
in SEX AND THE CITY beschrieben worden.
Die Klischees des „magical negro“ und
der „Mammy“ erscheinen in diesen Filmen einerseits als Beleg des Antirassismus,
andererseits haben die idealisierten Figuren
lediglich mythische Qualität und funktionieren innerhalb der Geschichten nur durch
ihren Bezug auf die Probleme der weißen
Protagonisten.
FILMSPRACHE
TRAUMSEQUENZEN UND VOICE-OVER
Im Zentrum von PRECIOUS steht das Mädchen Precious und ihr Blick auf die Welt. Es gibt
keine einzige Szene, in der Gabourey Sidibe, die Precious spielt, nicht anwesend ist. Mit ganz
wenigen Ausnahmen, wie zum Beispiel in der letzten Szene, in der noch eine Interaktion
zwischen Mary und Ms. Weiss zu sehen ist, nachdem Precious den Raum schon verlassen hat,
ist Precious immer präsent. Die Kamera wechselt dabei zwischen beobachtenden Einstellungen und solchen, die Precious‘ Blick übernehmen
PERSONEN
oder ihre Gefühle akzentuieren.
Zusätzlich arbeitet PRECIOUS mit wiederkehrenden Traum- und Erinnerungssequenzen und inneren Monologen, die einen Einblick in die
Gedankenwelt der Heldin geben. Zum ersten Mal treten die Träume
auf, als eine Begebenheit in der Küche Precious plötzlich an die Vergewaltigung durch ihren Vater erinnert. Als die schmerzliche Erinnerung unerträglich wird, verwandelt sie sich in einen grellbunten Traum.
Auch im Folgenden sind die Traumsequenzen mit Stresssituationen
verbunden, etwa wenn Precious Ms. Rain aus dem Bilderbuch vorlesen
soll oder als Precious erfährt, dass sie HIV-positiv ist. Im Laufe des Films
nehmen sie ab.
Auch die Voice-over-Kommentare geben Einblick in die subjektive Perspektive der Heldin. Zunächst sind sie der einzige Anhaltspunkt dafür,
was hinter Precious’ abweisender Miene vorgeht. Während Precious
UND BEGRIFFE, DIE IN PRECIOUS
ERWÄHNT WERDEN
SUSAN L. TAYLOR Ikone der afroamerikanischen Community. Bis 2007 Chefredakteurin des populären „Essence“-Magazins
und einer gleichnamigen TV-InterviewShow. Autorin des Buches „The Inspirational Writings of Susan L. Taylor“. Gründerin
des „National Cares Mentoring Movement“, eines Mentorenprogramms innerhalb der afroamerikanischen Community
in den USA, in dessen Rahmen Erwachsene
unterstützende Beziehungen zu benachteiligten Kindern und Jugendlichen und
zu Insassen von Jugendhaftanstalten
aufbauen.
BET-VIDEO Precious träumt davon in
einem BET-Video zu tanzen. Black Entertainment Television ist ein TV-Sender, der
sich vor allem mit Musikvideos an schwarze
Jugendliche richtet.
Copyright Prokino 2010
WESTCHESTER Vorort von New York,
vor allem von der oberen Mittelschicht
bewohnt.
beispielsweise in der zweiten Szene äußerlich apathisch und stumm im
Matheunterricht sitzt, erzählt sie im Voice-over etwas ganz Anderes:
„I like math. I don‘t say nothin‘. I don‘t open my book even. I just sit
there. Everyday I tell myself something‘s gonna happen. Like, I‘mma
breakthrough. Or somebody gonna break through to me. I‘m gonna be
normal and pay attention. And sit in the front of the class. Someday.“
Ihre innere Anteilnahme am Geschehen, ihre Sehnsucht nach Bildung,
ihre Fähigkeit zur Selbstreflektion und ihr trockener Humor macht die
Zuschauer zu Komplizen. Ihre Kommentare konfrontieren die Zuschauer
mit den eigenen Vorurteilen: Im Wechsel zwischen der Außensicht
auf ein übergewichtiges, renitent und langsam wirkendes Mädchen
14
NUMBERS GAME Precious’ Mutter
verlässt das Haus nur, um die „Numbers“
zu spielen. Das „Numbers Game“ ist eine
illegale Lotterie, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA gespielt wurde. In
Harlem war das „Numbers Game“, auch
als „policy racket“ bekannt. Seit den 20er
Jahren des 20. Jahrhunderts in den Händen
schwarzer Gangster, wurden „policy banks“
zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor
in der schwarzen Community und gewannen über Immobiliengeschäfte großen
Einfluß auf den legalen Wirtschaftssektor.
Mit der Einführung staatlicher Lotterien
in den 80er Jahren verloren die „policy
banks“ an Bedeutung. In Teilen der armen
Bevölkerung wird das „Numbers Game“
trotzdem weiter gespielt, unter anderem,
weil es möglich ist, kleine Summen zu wetten und zur Not auch auf Kredit wetten zu
können.
Copyright Prokino 2010
EACH ONE TEACH ONE Redewendung,
die ihre Wurzeln in der Zeit der Sklaverei
hat, als schwarze Sklaven systematisch von
Bildung abgeschnitten waren. Es war verboten, Sklaven das Lesen und Schreiben
beizubringen. Also gab jeder (each one),
der Lesen und Schreiben beherrschte,
dieses Wissen an eine andere Person weiter
(teach one).
und der Innensicht einer Frau, die mit Verstand und Energie gegen
die Hindernisse ihrer Herkunft ankämpft, muss der Betrachter den
ersten Eindruck immer wieder korrigieren und genauer hinschauen.
Manchmal sorgt das Zusammenspiel von Filmrealität und Voice-over
auch für humorvolle Momente, etwa wenn Precious im Voice-over
sagt: „I don‘t understand a word they are saying“ und gleich darauf
Ms. Rain Precious in der Filmrealität fragt: „Do you understand?“.
FRAGEN UND ARBEITSAUFGABEN
# Wann treten Traumsequenzen auf und wovon träumt
Precious? Woran erkennt man, dass es sich um eine
Erinnerung, einen Traum oder die Realität handelt?
HOTEL THERESA Das Hotel Theresa
war bis 1973 das höchste Gebäude in
Harlem und ein Zentrum der schwarzen
Kultur von den 40er bis 60er Jahren des
20. Jahrhunderts. Louis Armstrong, Duke
Ellington, Billie Holiday, Josephine Baker,
Ray Charles, Muhammad Ali und andere
schwarze Prominente übernachteten im
Hotel Theresa. Malcolm X führte seine
„Organization of Afro-American Unity“
von hier aus, nachdem er die „Nation of
Islam“ verlassen hatte. John F. Kennedy und
Eleanor Roosevelt warben im Hotel Theresa
um Wählerstimmen. 1967 wurde das Hotel
geschlossen und nach längerem Leerstand im Jahr 1971 zu einem Bürogebäude
umfunktioniert.
EINSATZ VON FILMMUSIK
VITTORIO DE SICA UND LA CIOCARA
(UND DENNOCH LEBEN SIE) 1960
Nach einem Roman von Alberto Moravia
erzählt De Sica die Geschichte einer Mutter
(Sophia Loren), die ihre Tochter gegen Ende
des zweiten Weltkriegs vor dem sie umgebenden Chaos und der allgegenwärtigen
Gewalt zu beschützen versucht. Gegen
Ende des Films werden beide Frauen in
einer Kirche vergewaltigt. Eines der letzten
großen neorealistischen Meisterwerke De
Sicas, in denen er die psychischen Schäden
von Krieg und Gewalt demonstriert.
Lee Daniels setzt in diesem Film sowohl einen klassischen Filmscore als
als auch Soul, Gospel, Funk und Hip Hop ein. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Filmen wird die Musik nicht lediglich als atmosphärischer Hintergrund benutzt. Songs und Songetxte erscheinen vielmehr als Kommentar zur Filmhandlung.
Wenn Precious das erste Mal zum Hotel Theresa geht, ist im Hintergrund Sunny Gales Version des Musicalsongs „Did You Ever See A
Dream Walking“ zu hören. Die Swing-Nummer wirkt zunächst wie ein
ironischer Kommentar zu Precious’ zögerlichem Gang.
Der Text des Songs in der Szene lautet:
BILDER UND PERSONEN, VON
DENEN PRECIOUS IM MUSEUM
UMGEBEN IST: Malcolm X, Martin
Luther King, Shirley Chisholm (die erste
schwarze Abgeordnete im Repräsentantenhaus und Präsidentschaftskandidatin), Ballets Russes, Oliver North, Mahalia Jackson,
Tianamen Platz, eine sich öffnende Blüte,
ein Ziffernblatt mit sich rasend schnell drehenden Zeigern
# Worüber redet Precious in ihren inneren Monologen? Wie
würde sich der Film ändern, wenn Precious‘ Kommentare
fehlen würden?
# Arbeitsaufgabe: Schreiben Sie eine Filmszene, in der eine Traumsequenz oder eine Erinnerung eine Rolle spielt. Wer ist die
Hauptperson? Was ist der Anlaß für den Traum/die Erinnerung?
Wovon träumt er/sie? Woran erkennt man in Ihrem Film, dass
es sich um einen Traum oder eine Erinnerung handelt?
15
GED Der General Educational Development
Test (GED) schließt einen postschulischen
Kurs zum Erlangen der US-Hochschulreife
ab. Er wird bei über 95 % der US-Hochschulen als gleichwertig zum High School
Diploma anerkannt und entspricht dem
deutschen zweiten Bildungsweg.
„Did you ever hear a dream talking? Well I did.
Did you ever have a dream thrill you with will you be mine?
Oh, it’s so grand and it’s too, too divine.
Did you ever see a dream dancing? Well I did.
Did you ever find heaven right in your arms,
Saying I love you I do?
Well the dream that was talking
And the dream that was walking
And the heaven in the arms was you.“
AFDC Aid to Families with Dependent
Children. Staatliche Finanzhilfen für Familien mit geringem Einkommen. Zuerst im
Rahmen von F.D. Roosevelts „New Deal“
beschlossen. Unter Bill Clintons Administration wurde die AFDC mit dem Argument, dass die staatliche Unterstützung die
Arbeitsbereitschaft senke, auf insgesamt fünf
Jahre im Leben des Empfängers insgesamt
begrenzt und in „Temporary Assistance to
Needy Families“ (TANF) umbenannt.
Was zunächst als Ironie erscheint, wird im Nachhinein zu einer Bekräftigung von Precious innerem Erleben. Tatsächlich findet sie ihren Traum,
jemand möge zu ihr durchdringen und jemand möge sie lieben, in
ihrer Klasse bei „Each One Teach One“ erfüllt. Der Traum wird in dem
Maße wirklich, in dem sie sich selbst findet.
Gleichzeitig reflektiert der Song eine schwarze Kulturgeschichte. Sunny
Gale ist eine weiße Jazz-Sängerin und der Song aus dem Jahr 1933 entstammt einem Ginger Rogers-Musical. Das ist der Kontext, in dem der
Jazz beim weißen Publikum populär wurde. Zu dieser Zeit war das Hotel
Theresa noch ausschließlich weißen Gästen vorbehalten und der Swing
wurde im Cotton Club von schwarzen Musikern für ein ausschließlich
weißes Publikum gespielt.
Copyright Prokino 2010
WORKFARE Zwischen 1981 und 1987
experimentierten 28 amerikanische
Bundesstaaten mit workfare - eine Wortschöpfung aus work (Arbeit) und welfare
(Wohlfahrt) – Programmen. In dem sie
von Sozialhilfeempfängern verpflichtende
gemeinnützige Arbeit verlangten, wollten die Kommunen einerseits die Anzahl
von Sozialhilfeempfängern reduzieren,
andererseits die gemeinnützige Arbeit ausbauen. 1988 beschloss der Kongress den
„Family Support Act“ und implementierte
workfare-Programme bundesweit. Die Programme, die auch Vorbild für den Umbau
der Sozialsysteme in vielen europäischen
Staaten waren, sind umstritten.
HALFWAY HOUSE Bezeichnung für
betreute Wohngruppen in den USA. In
PRECIOUS spielt der Begriff außerdem auf
die Zeit der Sklaverei an. „Halfway Houses“
wurden Schutzhäuser für entflohene Sklaven im Rahmen des Fluchthilfe-Netzwerks
„Underground Railroad“ genannt.
„It took a long time to get to this place
And now that I‘m here no one can ever erase
The joy that I feel way down deep inside.
The love that I have for me will never, never die.
I can see in color the first sign of spring.
The rose buds are blooming:
I got a new song, new song to sing.“
16
Copyright Prokino 2010
Wenn Precious zum ersten Mal ihr Kind Abdul sieht, erklingt Mary J.
Bliges Song „I Can See In Color“. Hier gibt es nicht einen Hauch von
Ironie, aber ebenfalls ein starkes Bewusstsein schwarzer Geschichte.
Blige, eine der bedeutendsten aktuellen Soul- und R’n’B-Musikerinnen,
hat den Song für diese Szene geschrieben. „I Can See In Color“ ist ein
klassischer Deep-Soul-Song, der auf Traditionen von Soul, Blues und
Gospel zurückgreift und auf jede Raffinesse in der Produktion verzichtet. Statt dessen erklingt eine Gospel-Orgel, wenn Blige singt:
Copyright Prokino 2010
Die Songs, die Lee Daniels in PRECIOUS
einsetzt, haben wenig mit dem Sound
zu tun, den schwarze Jugendliche 1987
hörten. Sie kommentieren, akzentuieren
und reflektieren verschiedene emotionale, historische und politische Elemente
der Handlung. „I’m gonna teach my Baby
all of this!“ sagt Precious, während sie im
Klassenzimmer Mahalia Jacksons Auftritt als erste Gospel-Sängerin in
der Carnegie Hall sieht. „System, don’t bother me“, singt Patti Labelle,
FILMGLOSSAR
wenn für Precious vor ihrem HIV-Test ihr weiteres Leben auf dem
Spiel steht. Daniels erzählt auch auf der Ebene des Soundtracks eine
VOICE-OVER Der Begriff Voice-over
Geschichte der Emanzipation der schwarzen weiblichen Stimme.
stammt ursprünglich aus dem Hörfunk und
bezeichnet eine Tonspur, die eine andere
Tonspur überlagert. In Filmen bezeichnet
FRAGEN UND ARBEITSAUFGABEN:
Voice-over eine Stimme, die der Zuschauer
nicht direkt einer im Bildausschnitt sicht# Die Szene, in der Precious zum ersten Mal zu „Each One
baren Person physikalisch zuschreiben
Teach One“ geht, wird vom Swing-Stück „Did You Ever See
kann. Beispiele für Voice-over sind etwa die
A Dream Walking“ begleitet. In welchem Verhältnis steht die
eingesprochenen Kommentare im DokuMusik zur Handlung?
mentarfilm, Erzähler oder Ich-Erzähler,
innere Monologe oder die Stimme eines
# Fallen Ihnen weitere Beispiele ein, in denen die Musik als
Darstellers, die ein anderer Darsteller in
Kommentar, Untermalung oder Kontrast wirkt?
Gedanken hört, z.B. in der Erinnerung oder
beim Lesen eines Briefes. Oft wird Voice# Nennen Sie Filme, in denen Musik eine wichtige Rolle spielt.
over wie in PRECIOUS dazu verwendet, um
Wie wird die Musik eingesetzt?
die Gedanken oder Gefühle einer Person zu
erläutern, oder Hintergrundinformationen
zu geben.
GENRE UND BILDSPRACHE
Filme, in denen es um Lehrer und ihre Schüler geht, gehören zu den
beliebtesten und erfolgreichsten internationalen Produktionen. Die
Motive und Szenen sind so standardisiert, dass man von einem SubGenre des melodramatischen Kinos bzw. des Problemfilms sprechen
kann. Die ersten erfolgreichen Produktionen aus den 30er Jahren BOYS
TOWN von 1938 und GOODBYE MR. CHIPS von 1939 liefern die Blaupausen für zahlreiche Produktionen der folgenden Jahrzehnte.
BLACKBOARD JUNGLE (Die Saat der Gewalt) von 1955 machte den
jungen Sidney Poitier zum Star und etablierte das Genre als eines, in
dessen Rahmen Fragen des Rassismus verhandelt werden konnten. Seit
den 80er Jahren entstanden zahlreiche Filme wie DANGEROUS MINDS
(1995) und FREEDOM WRITERS (2007) , in denen die Krise der amerikanischen Innenstädte und Defizite des Schulsystems im Rahmen des
Genres verhandelt werden.
Typisch für das Genre ist die Berufung auf eine wahre Geschichte. Vorlagen sind Autobiographien von Lehrern in sozialen Brennpunkten (BLACKBOARD JUNGLE, DANGEROUS MINDS, PRECIOUS), Selbstzeugnisse von
Schülern (THE MIRACLE WORKER, FREEDOM WRITERS) sowie Medienberichte und Biografien erfolgreicher Lehrer. Die Erzählungen folgen fast
immer einem ähnlichen Schema: ein Lehrer (oder eine Lehrerin) kommt
neu an eine Schule und muss sich zunächst gegen Widerstände seiner
Schüler und oft auch seiner Umwelt behaupten. Schließlich findet er
dennoch einen meist unorthodoxen Zugang zu seinen Schülern, der ihn
17
OFFSCREEN / ONSCREEN Die Begriffe
Off- oder Onscreen beschreiben, ob
Geräusche oder Ereignisse eines Filmes eine
Entsprechung auf der Leinwand haben.
Wenn beispielsweise ein Autounfall nicht
zu sehen, sondern nur zu hören ist, werden
die Unfallgeräusche als „offscreen“ und das
Ereignis als „off-camera“ bezeichnet. Offscreen-Geräusche werden als Bestandteil
des gefilmten Universums wahrgenommen,
auch wenn ihre Ursache nicht im Bild zu
sehen ist. Häufig ist dies zum Beispiel in
Dialogen der Fall, wenn der Gesprächspartner gerade nicht zu sehen, aber noch zu
hören ist. Geräusche, die von außerhalb der
filmischen Realiät stammen, wie z.B. eine
romantische musikalische Untermalung,
bezeichnet man als ‚extradiegetisch‘.
DIEGETISCHER/EXTRADIEGETISCHER TON Geräusche, Stimmen oder
Musik, die ihren Ursprung in der gefilmten
Realität haben, d.h. von den Figuren einer
Szene gehört werden könnten, bezeichnet
man als ‚diegetischen‘ Ton. Die Dialoge
Copyright Prokino 2010
und Hintergrundgeräusche einer Szene
sind meistens diegetisch, im Gegensatz zur
Filmmusik, die in der Regel extradiegetisch
eingesetzt wird, um eine Szene zu untermalen oder zu kommentieren. Ein Beispiel
für diegetische Filmmusik wäre z.B. wenn
die Protagonisten des Films eine Party
besuchen oder Musik machen: die Musik,
die Zuschauer und Akteure des Films hören,
ist dann identisch.
SCORE Als Score bezeichnet man die
Hintergrundmusik eines Films. Meist wird
der Score von einem einzigen Komponisten speziell für den Film komponiert. Oft
gibt es ein musikalisches Leitmotiv, das
sich durch den gesamten Film zieht. Das
vielleicht berühmteste Beispiel für einen
Filmscore ist Enrico Morricones Score für
Sergio Leones Western SPIEL MIR DAS LIED
VOM TOD.
nicht selten in Konflikt mit der Schulverwaltung bringt. Schlüssel zum
Erfolg ist oft das Vertrauen einzelner, besonders unzugänglicher Schüler.
Privat hat der Lehrer oft mit zerbrechenden Beziehungen zu kämpfen, da
ihn seine Arbeit vollständig in Anspruch nimmt.
PRECIOUS steht einerseits in der Tradition des Hollywood-Kinos, andererseits variiert und kommentiert der Film die Regeln des Genres und weicht
in entscheidenden Punkten ab. PRECIOUS erzählt seine Geschichte nicht
wie üblich aus der Perspektive der Lehrerin, sondern aus der Perspektive
der Schülerin, die dadurch zum Subjekt der Handlung und zur Identifikationsfigur für den Zuschauer wird. Die persönliche Geschichte der
Lehrerin, die in anderen Filmen des Genres einen großen Teil des Plots
einnimmt, ist hier nur insofern relevant, als sie Precious zum Nachdenken
über ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Vorurteile anregt.
SOUNDTRACK Ursprünglich beschreibt
der Begriff „sound track“ die gesamte
Tonspur eines Films, die sich aus Dialog,
Geräuschen und Musik zusammensetzt.
Mit dem Beginn der Vermarktung der Filmmusik in den 50er Jahren setzte sich der
Begriff Soundtrack für die Veröffentlichung
der Filmmusik durch. Im Gegensatz zum
Score besteht der Soundtrack zumeist aus
einzelnen Songs verschiedener Interpreten.
Auch für Precious wird Ms. Rain zur charismatischen Erlöserin. Lee Daniels
übersteigert ihre Funktion sogar bewusst in der Szene, in der Precious das
Klassenzimmer zum ersten Mal betritt. Sprunghafte Schnitte, sogenannte
Jump-cuts, unterstreichen Precious‘ Nervosität und Unsicherheit als sie
sich der Klasse nähert. Als sie die Tür dann öffnet, wird sie von strahlend weißem Licht geblendet, aus dem nach und nach wie eine Erscheinung Ms. Rain zum Vorschein kommt. Ähnlich expressiv ist am anderen
Ende des Spektrums Marys Wohnung gestaltet: eine düstere verwinkelte
Höhle, in der die Kamera oft aus schrägen Perspektiven filmt.
FRAGEN UND ARBEITSAUFGABEN:
# Filme, in denen eine charismatische Lehrerin ihre Schüler
inspiriert, sind in Hollywood ein beliebtes Sub-Genre.
Nennen Sie weitere Beispiele.
# Inwiefern unterscheidet sich PRECIOUS von den genannten
Filmen?
# Was verbinden Sie mit dem Begriff Realismus im Kino?
Halten Sie Precious für einen realistischen Film? Begründen
Sie Ihre Meinung.
18
Copyright Prokino 2010
Daniels‘ „expressiver Realismus“ stellt PRECIOUS damit auch in die Bildtradition des engagierten amerikanischen und europäischen Realismus, wie
sie sich in den nervösen Jazzfilmen von John Cassavetes und den überhöhten politischen Melodramen von Rainer Werner Fassbinder findet.
SEQUENZPROTOKOLL
Titel. Traumsequenz.
S 1 0.00 – 0.01
In der Schule. Precious träumt im Matheunterricht. Im Büro der Direktorin Mrs. Lichenstein erfahren wir, das Precious zum zweiten Mal
schwanger ist und von der Schule verwiesen wird.
S 2 0.01 – 0.06
In der Wohnung der Jones. Mary wirft einen Aschenbecher nach Precious, als diese das Geschirr abwäscht. Precious hat einen Flashback
einer Vergewaltigung durch ihren Vater. Die Szene wandelt sich in
einen Traum, in dem Precious ein beliebter Filmstar ist.
S 3 0.06 – 0.07
Mrs. Lichenstein teilt Precious über die Fernsprechanlage mit, dass sie
sich bei „Each One Teach One“ melden soll. Mary bekommt einen
Wutanfall. Sie beschimpft Precious und stürzt sich auf sie, um sie zu
verprügeln.
S 4 0.07 – 0.13
Mary tanzt im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Precious träumt in
ihrem Zimmer davon, dass ihre Mutter und der Mathelehrer Mr. Wicher
sie lieben.
S 5 0.13 – 0.15
Precious geht morgens zum Hotel Theresa. Auf dem Weg weist sie ein
kleines Mädchen zurück, das mit ihr spielen will. Musik: Sunny Gale –
„Did You Ever See A Dream Walking“. In der Schule sind Aufnahmeformalitäten zu erledigen. Precious kann die Fragen im Einstufungstest
nicht beantworten. Auf dem Weg zur Schule wird sie von drei Jungen
belästigt und zu Boden gestoßen. Sie träumt sich in eine Glamourwelt.
Musik: Queen Latifah: „Come Into My House“.
S 6 0.15 – 0.21
Morgens sieht sich Precious im Spiegel als weißes Mädchen. Ihre Mutter masturbiert im Schlafzimmer und ruft sie zu sich.
S 7 0.21 – 0.23
Precious stiehlt eine große Portion Hähnchenschenkel in einem Diner
und isst sie auf dem Weg zur Schule. Dort übergibt sie sich in einen
Papierkorb. Sie begegnet Ms. Rain und betritt zum ersten Mal das Klassenzimmer von „Each One Teach One“.
S 8 0.23 – 0.27
In der Klasse bittet Ms. Rain die Schülerinnen sich vorzustellen. Rita,
Rhonda, Jermaine, und Jo Ann stellen sich vor. Consuelo weigert sich.
Precious schweigt zunächst ebenfalls, spricht dann aber doch das erste
Mal in der Klasse. Auf dem Weg nach Hause denkt sie über die neue
Schule und die neue Art des Unterrichts nach.
Am nächsten Tag beleidigt Consuelo Precious im Unterricht. Precious
schlägt auf sie ein. Ms. Rain trennt beide.
S 9 0.27 – 0.35
In Ms. Rains Büro soll Precious etwas vorlesen. Sie hat einen Flashback
zu den Beschimpfungen durch ihre Mutter und einer Vergewaltigung
durch ihren Vater. Sie gibt schließlich zu, dass die Seiten für sie alle
gleich aussehen. Ms. Rain bringt sie dazu, den ersten Satz zu lesen.
S 10 0.35 – 0 38
Weil Mary das Essen, das Precious gekocht hat, nicht gefällt, zwingt sie
Precious dazu, die ganze Portion aufzuessen. Im Fernsehen läuft Vittorio de Sicas Film LA CIOCARA (UND DENNOCH LEBEN SIE – 1960).
Precious sieht sich und ihre Mutter als Figuren des Films.
S 11 0.38 – 0.44
19
Auf dem Sozialamt. Precious soll der Kinderpsychologin und Sozialarbeiterin Ms. Weiss von ihrer Familie erzählen. Sie berichtet von ihrer
Tochter Mongo, die Down-Syndrom hat. Dann spricht sie von ihrer
Mutter, und einem Besuch der Sozialarbeiterin in der Familie, bei dem
Mary ein heiles Familienleben vorspielt und vorgibt, Mongo lebe bei
ihr. Schließlich entgleitet ihr die Bemerkung, dass ihr Vater ihr zwei
Kinder gemacht habe.
Im Bus sagt sie, sie könne nicht mehr lügen, hätte aber nichts von all
dem sagen dürfen.
S 12 0.44 – 0.51
Im Museum. Rita nimmt Precious’ Hand. Zurück in der Klasse sieht Precious Projektionen von historischen Dokumenten aus der Bürgerrechtsbewegung. Sie sagt, sie wolle das alles ihrem Baby beibringen.
Die Schülerinnen lesen Texte vor. Precious spricht davon, dass sie gerne
lernt. Als sie einen Text vorlesen will, setzen die Wehen ein.
S 13 0.51 – 0.55
Im Krankenhaus bekommt Precious ihr Baby. Musik: Mary J. Blige: „I
Can See In Color“. Bei einem Besuch der Mädchen aus der Schule sprechen sie mit Pfleger John über Ernährung.
Precious schreibt im Dialog mit Ms. Rain in ihr Journal. Sie diskutiert mit
Ms. Rain, die ihr vorschlägt, das Baby zur Adoption frei zu geben.
Die Freundschaft zwischen Precious und den Mädchen in der Klasse
vertieft sich bei deren Besuchen. John schenkt Precious eine Weihnachstkarte und 20 Dollar.
S 14 0.55 – 1.02
Precious kehrt mit dem Baby nach Hause zurück. Auf der Treppe weist
Precious noch einmal das kleine Mädchen zurück. In der Wohnung
bekommt Precious’ Mutter einen Wutanfall und schlägt auf sie ein.
Gospelmusik. Zerknitterte Fotos zeigen Precious, Mary und Abdul als
glückliche Familie. Precious stürzt mit Abdul die Treppe hinunter, während Mary hinter ihr tobt. Auf dem Weg aus dem Haus stößt sie das
kleine Mädchen zur Seite.
Mary verwüstet die Wohnung. Precious läuft durch den Schnee und
kommt an einer Kirche vorbei, in der eine Gospelgruppe probt. Sie
träumt sich in einen festlichen Auftritt der Gospelgruppe hinein. Ihr
hellhäutiger Phantasiefreund lächelt sie an.
Precious fährt durch die Stadt. Auf dem Weg durch einen U-Bahnhof
sagt sie bei jedem Schritt das Alphabet auf.
S 15 1.02 – 1.09
Am Morgen entdecken Ms. Rain und die Schulsekretärin, dass Precious
die Nacht in der Schule verbacht hat. Ms. Rain kümmert sich um eine
Unterkunft für Precious, während Rhonda versucht, den Unterricht in
der Klasse zu übernehmen.
S 16 1.09 – 1.13
Precious verbingt die Nacht bei Ms. Rain und deren Lebensgefährtin
Catherine. Precious setzt sich mit ihren Vorurteilen gegenüber homosexuellen Frauen auseinander.
S 17 1.13 – 1.16
Precious erhält einen Preis für ihre Bildungs-Fortschritte. In der Schule
wird ein Fest gefeiert. John fragt Precious nach Ms. Rain. Sie stellt ihn
der Rezeptionistin vor.
Nach dem Fest sprechen Ms. Rain und Precious allein miteinander. Precious schildert aus dem Off, welche Vorbildfunktion Ms. Rain für sie
einnimmt.
Sie erzählt von einem Buch in dem sie die Erklärung des Begriffs „Halfway House“ gelesen hat, beschreibt ihr Leben dort und ihre Liebe zu
Abdul.
S 18 1.16 – 1.19
20
Mary berichtet Precious, dass ihr Vater an AIDS gestorben ist. Precious
sieht sich in einer grellen Traumsequenz als Star von Fotografen umlagert. Sie rät ihrer Mutter, zu einem Arzt zu gehen. Aus dem Fenster
blickend, sieht sie ihre Mutter die Straße herunter gehen, während der
Liebhaber ihrer Träume ihr zuerst zuwinkt und dann resigniert.
S 19 1.19 – 1.21
In der Schulklasse. Rhonda erkärt den Begriff „unerbittlich“.
S 20 1.21 – 1.22
Musik: Labelle – „System“. Precious erfährt, dass sie selbst HIV-positiv ist. Sie erzählt davon in ihrer Schulklasse. Sie weint, spricht über
ihren Schmerz und darüber von niemandem geliebt zu werden. Ms.
Rain sagt ihr, dass sie sie liebt und fordert sie auf, ihre Geschichte
aufzuschreiben.
S 21 1.22 – 1.26
In Ms. Weiss’ Büro. Precious fragt sie, welche Hautfarbe sie eigentlich
hätte. Sie lässt sich von Ms. Weiss etwas zu trinken besorgen und stiehlt
ihre Akte. Ms. Weiss kündigt ein Zusammentreffen von Precious und
ihrer Mutter in ihrem Büro an.
S 22 1.26 – 1.28
Precious thematisiert den Inhalt ihrer Akte in der Schulkasse. Sie hat
darin gelesen, dass Ms. Weiss sie im Rahmen des workfare-Programms
arbeiten lassen will. Sie will sich weigern und weiter zur Schule gehen.
Die Mädchen diskutieren über workfare. Precious rechnet den Stundenlohn eines Hausmädchens im Bereitschaftsdienst aus.
S 23 1.28 – 1.31
Precious geht zur Gruppe für Inzest-Überlebende. Im Wartebereich des
Sozialamts reflektiert sie über ihren Wunsch, hellhäutig und dünn zu
sein. Ms. Rain hat gesagt, sie sei schön, wie sie ist, und sie beginnt, ihr
zu glauben. Währenddessen beobachtet sie, wie die Mutter des kleinen
Mädchens aus S 6 und S 15 das Kind beschimpft. Sie steht auf und gibt
dem Mädchen ihr rotes Tuch. Sie blickt in den Spiegel und sieht sich
selbst an.
S 24 1.31 – 1.32
Konfrontation von Precious und ihrer Mutter im Büro von Ms. Weiss.
Ms. Weiss fragt Mary nach dem Missbrauch. Mary spricht über den
Beginn des Missbrauchs und ihre Eifersucht. Sie gibt ihrer Tochter die
Schuld an den Vergewaltigungen. Schließlich bringt sie Mongo ins
Büro.
Precious sagt Ms. Weiss, dass sie weiter zur Schule und danach auf das
College gehen wolle. Ihrer Mutter sagt sie, dass sie sie niemals wiedersehen wird. Sie nimmt ihre Kinder und geht.
S 25 1.32 – 1.42
Musik: Labelle: „It Took A Long Time“. Precious geht mit ihren Kindern
die Straße hinunter. Abspann mit Widmung: FOR PRECIOUS GIRLS
EVERYWHERE.
S 26 1.42 – 1.49
21
HILFREICHE LINKS UND
LITERATURHINWEISE
OFFIZIELLE WEBSEITE
www.das-leben-ist-kostbar.de
MATERIALIEN
www.cineclass.at
ROMANVORLAGE
Original: Sapphire, Push: A Novel. Vintage Contemporaries, New York 1997
Deutsche Fassung: Sapphire, Push. Rowohlt tb, Hamburg 2000
INFORMATION ZUR REZEPTION VON PRECIOUS IN DEN USA
Armond White, New York Press, 4. 11. 2009: www.nypress.com/article-20554-pride-precious.html
Ishmael Reed, Counterpunch, 4-6. 12. 2009: www.counterpunch.org/reed12042009.html
Nicholas Powers, The Indypendent, 9. 12. 2009: www.indypendent.org/2009/12/08/precious-or-howi-learned-to-stop-worrying-and-love-the-movie Matt Mazur, PopMatters, 11. 12. 2009:
www.popmatters.com/pm/feature/116194-state-of-the-race/P0
INFORMATIONEN ZUM THEMA SEXUELLER MISSBRAUCH
arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PSYCHOLOGIEENTWICKLUNG/SexuellerMissbrauch.shtml
www.missbrauchopfer.info
www.praevention.org
www.sexualaufklaerung.de/cgi-sub/fetch.php?id=171
Ursula Enders, Zart war ich, bitter war‘s: Handbuch gegen sexuellen Mißbrauch. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2009
INFORMATIONEN ZUR GESCHICHTE UND KULTUR HARLEMS
www.columbia.edu/cu/iraas/harlem www.mywire.com/a/Enc-African-American-History-from-1896/Harlem/
9451879/?&pbl=295&pos=2&relId=9444820 www.fr-online.de/in_und_ausland/panorama/2191484_Umwaelzungin-New-York-Harlem-wird-weiss.html
ZAHLEN UND FAKTEN ZUM AMERIKANISCHEN BILDUNGSSYSTEM
www.census.gov/prod/2004pubs/p20-550.pdf www.brookings.edu/articles/
1998/spring_education_darling-hammond.aspx
INFORMATION ZU HIV/AIDS IN DER
AFROAMERIKANISCHEN COMMUNITY
www.cdc.gov/hiv
INFORMATIONEN ZU „DIALOGUE-JOURNALS“
www.cal.org/resources/Digest/peyton01.html
INFORMATIONEN ZUR FILMSPRACHE
Bender, Lexikon der Filmbegriffe, www.bender-verlag.de/lexikon
James Monaco, Film verstehen: Kunst, Technik, Sprache, Geschichte
und Theorie des Films und der Medien. Mit einer Einführung in
Multimedia, Rowohlt Tb., Hamburg 2000,
Werner Faulstich, Grundkurs Filmanalyse. Stuttgart 2008
Helmut Korte; Einführung in die Systematische Filmanalyse:
Ein Arbeitsbuch. Schmidt (Erich), Berlin 2004
22
IMPRESSUM
Erstellt im Auftrag von Prokino, Berlin,
2010. VERANTWORTLICH:
f i l m a g g r e g a t e texte/ konzepte/
veranstaltungen Hendrike Bake,
www.filmaggregate.de. TEXT /
REDAKTION: Hendrike Bake, Thomas
Dorow. GESTALTUNG: zett media,
Leipzig
KONTAKT FÜR SCHULVOR STELLUNGEN IN ÖSTERREICH:
polyfilm Verleih
Margaretenstr. 78, 1050 Wien
www.cineclass.at
T: 01/581 39 00 - 26
M: [email protected]
ARBEITSBLATT
PRECIOUS – DAS LEBEN IST KOSTBAR
FRAGEN UND ARBEITSAUFGABEN ZUM INHALT
1. Der Film PRECIOUS - DAS LEBEN IST KOSTBAR basiert auf dem Roman Push von Sapphire. Was
verbinden Sie mit den beiden Titeln? An welcher Stelle taucht der Titel des Romans im Film auf?
2. Precious lebt bei ihrer Mutter. Wie ist ihr Verhältnis zu Beginn des Films? Wie ändert es sich
im Verlauf des Films? Nennen Sie Schlüsselmomente.
3. Nach dem Sprachtest bei „Each One Teach One“ sagt Precious: “These tesses paint a picture of me with no brain”. Später stiehlt sie ihre Akte, um Genaueres über Ms. Weiss‘ Beurteilung zu erfahren. Welche Rolle spielen Tests und Akten in Precious‘ Leben?
4. Im Laufe des Films gewinnt Precious immer mehr an Selbstbewusstsein. Nennen Sie Stationen
dieses Prozesses. Wie beeinflussen die verschiedenen Menschen in ihrem Leben diesen Prozess?
5. In PRECIOUS tauchen zwei wichtige Figuren ohne Namen auf: das kleine Nachbarmädchen
und der imaginäre ‚hellhäutige Freund‘. Welche Bedeutung haben die Beiden und in welchen
Szenen tauchen sie auf?
6. Welche Rolle spielt es für Precious, dass ihre Lehrerin Ms. Rain homosexuell ist? Wie verändert dieser Umstand ihre Weltsicht?
7. In Szene 13 ist Precious umgeben von Bildern, die sie an Menschen und Ereignisse erinnern,
die sie ihrem Kind beibringen möchte. Fertigen Sie eine Liste mit politischen Ereignissen, Vorbildern und Gedanken an, die Sie geprägt haben.
8. PRECIOUS ist die Geschichte einer persönlichen Befreiung. Ist jeder für sein Leben selbst
verantwortlich oder gibt es gesellschaftliche Faktoren, die den Verlauf determinieren? Begründen Sie Ihre Meinung.
9. Warum glauben Sie, dass die Geschichte so endet? Hat der Film ein tragisches oder ein
hoffnungsvolles Ende? Welche Zukunft können Sie sich für Precious vorstellen?
10. PRECIOUS spielt 1987. Glauben Sie, der Film könnte auch heute spielen? Was wäre anders?
FRAGEN UND ARBEITSAUFGABEN ZUR FILMSPRACHE
1. Precious wird von Erinnerungen heimgesucht und flüchtet sich häufig in Tagträume. Nennen Sie Beispiele. Wann treten die Träume/Erinnerungen auf und wie sind sie als Träume
erkennbar? Welche Rolle spielen sie für Precious?
1
ARBEITSBLATT
PRECIOUS – DAS LEBEN IST KOSTBAR
Copyright Prokino 2010
Copyright Prokino 2010
Copyright Prokino 2010
2. Betrachten Sie die drei Filmstills aus dem Klassenzimmer, Marys Wohnung und dem Sozialamt in Hinblick auf Kamera, Lichtsetzung, Farbgebung und Raumkonstruktion. Was erzählen
sie über die Rolle, die diese Orte in Precious‘ Leben spielen. Wie sind Precious und ihre Mutter,
Ms. Rain und Ms. Weiss zueinander in Beziehung gesetzt?
3. Im Voice-over erzählt Precious von ihren Gedanken und Gefühlen. Kennen Sie andere Beispiele für Filme, in denen mit Erzählern gearbeitet wird. Nennen Sie Gemeinsamkeiten und
Unterschiede. Welche Funktion erfüllt die Erzählerstimme in PRECIOUS?
4. Precious läuft in zahlreichen Szenen des Films zu Fuß durch Harlem. Oft werden ihre Gänge
von Musik oder ihren Erzählungen begleitet. Was erfahren wir in diesen Szenen über Precious,
den Ort, an dem sie lebt, und ihre Sicht auf die Welt? Unterscheiden sich die Szenen? In welcher Beziehung stehen sie zum Ende des Films?
5. Empfanden Sie den Film als traurig? Haben Sie komische Elemente entdeckt?
Welche Szenen haben Sie besonders berührt oder amüsiert? Warum?
2

Documentos relacionados