Infos für die Presse – www.kirchlicher

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Infos für die Presse – www.kirchlicher-suchdienst.de
Geschichte
Bereits längere Zeit vor Kriegsende begannen die Flüchtlinge aus dem Osten in Deutschland
einzuströmen. Millionen Heimatvertriebene waren auf der verzweifelten Suche nach ihren
Angehörigen. Familien wurden auf der Flucht auseinander gerissen, Ehemänner und Söhne waren
vermisst oder in Gefangenschaft.
Es waren vor allem kirchliche Stellen, die sich unmittelbar nach Kriegsende dieser hilflosen Menschen
annahmen. Die Kirche war als einzige noch existierende überregionale Organisation in der Lage, auch
materiell zu helfen.
Bereits im August 1945 wurde die Vermisstennachforschung durch den Deutschen Caritasverband
offiziell aufgenommen.
Es entstanden Meldestellen der Pfarrämter, der Caritas und der Diakonie, die Namen und Anschrift
der Flüchtlinge und der Suchenden und das angestrebte Ziel sowie die Namen der gesuchten
Familienmitglieder registrierten. Dazu kamen die ersten aus der Kriegsgefangenschaft entlassenen
Heimkehrer, die nicht wussten, wo ihre aus der Heimat vertriebenen Familien waren. Die
Informationen wurden gesammelt auf allem, was sich beschreiben ließ (Papier war Mangelware), zu
Listen zusammengefasst und schließlich auf Karteikarten übertragen. Die vielen Helfer arbeiteten in
Schichten, zogen von Lager zu Lager, um Personalien aufzunehmen und beförderten die
handschriftlichen Listen und Karten selbst zu den Meldestellen, da es noch keinen Postbetrieb gab.
Da bei den Suchanfragen immer wieder nach Personen aus bestimmten Orten gefragt wurde, wurde
der Gedanke geboren, die Flüchtlinge und Vertriebenen nach den Herkunftsorten zu registrieren.
1947 wurden die Karteiunterlagen von der alphabetischen Sortierung auf das Ortsprinzip umgestellt.
Ziel dieser neuen Struktur war, die ehemaligen Orte in den Vertreibungsgebieten wieder so entstehen
zu lassen, wie sie ursprünglich bestanden hatten.
Durch dieses Verfahren wurden die größten Erfolge bei der Schicksalsklärung erzielt, zumal sich bei
den Nachforschungen auch ehemalige Nachbarn, Zeugen usw. mit einbeziehen ließen.
Dies war die Geburtsstunde der Heimatortskarteien.
Am 01. Dezember 1947 wurde die Gesamtleitung der Heimatortskarteien der Hauptvertretung
München des Deutschen Caritasverbandes offiziell angegliedert und im Januar 1948 die einzelnen
Ortsbereiche auf insgesamt 15 Diözesan-Caritasverbände verteilt.
Anmerkung: Dies ist nur ein kleiner Überblick. Mehr Informationen über die Entstehung des
Kirchlichen Suchdienstes finden Sie im Anhang – „Rede von Herrn Kösters zum 60-jährigen Bestehen
des Kirchlichen Suchdienstes“.
Organisation und Struktur
Der Kirchliche Suchdienst mit seinen Heimatortskarteien arbeitet unter der Trägerschaft der
Kirchlichen Wohlfahrtsverbände. Caritas und Diakonie bilden das gemeinsame Dach, unter dem die
Suchdienstarbeit geleistet wird.
Die Leitung des Kirchlichen Suchdienstes obliegt der Hauptvertretung München des Deutschen
Caritasverbandes. Die HOK-Zentren in Passau und Stuttgart werden von den jeweiligen Diözesanen
Caritasverbänden getragen.
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Einrichtungen und Standorte
Die ehemals sieben Heimatortskarteien des Kirchlichen Suchdienstes wurden ab 01.01.2001 in zwei
zentrale Standorte zusammengelegt. Alle Auskünfte zu den verschiedenen Gebieten werden nun je
nach Zuständigkeit von den HOK-Zentren Passau und Stuttgart erteilt. Die Geschäftsstelle befindet
sich in München.
Kirchlicher Suchdienst
HOK-Zentrum Passau
Ostuzzistraße 4
94032 Passau
Telefon: 0851 / 951 66 9-0
Fax:
0851 / 951 66 9-33
Email:
[email protected]
Hier befinden sich die
Heimatortskarteien der Gebiete:
Oberschlesien, Niederschlesien,
Sudetenland, Slowakei
Kirchlicher Suchdienst
HOK-Zentrum Stuttgart
Rosenbergstraße 52 B
70176 Stuttgart
Telefon: 0711 - 636 80 04
Fax:
0711 - 636 80 07
Email:
[email protected]
Hier befinden sich die
Heimatortskarteien der Gebiete:
Danzig-Westpreußen, Pommern, Ostpreußen,
Estland, Lettland, Litauen
UdSSR, Bessarabien, Bulgarien, Dobrudscha
Rumänien, Jugoslawien, Ungarn, KarpatenUkraine
Mark Brandenburg
Wartheland-Polen
Aufgaben:
1. Klassischer Suchdienst – Personensuche:
Der Kirchliche Suchdienst ist der Hilfsdienst für Flüchtlinge und Vertriebene.
Er hilft den Menschen bei der Suche nach Angehörigen, deren Schicksal oder Verbleib aufgrund der
Kriegsereignisse und danach ungeklärt bzw. unbekannt ist.
Heute sind beim Kirchlichen Suchdienst mehr als 20 Mill. Personen nach den ehemaligen
Heimatwohnorten, den sog. Heimatortskarteien namentlich erfasst und strukturiert.
Aus den Unterlagen lassen sich neben den Personendaten auch Angaben zum Schicksalsweg, zu
weiteren Familienmitgliedern, zum Wohnsitz vor und nach dem 2. Weltkrieg und sonstige Vermerke,
wie Berufsbezeichnung entnehmen. Diese Daten werden auch regelmäßig fortgeschrieben.
So gibt es z.B. auf den Formularen der Einwohnermeldeämter für Anschriftenänderungen auch heute
noch ein Feld, in dem der Wohnort 1939 angefragt wird. Auch wird der Kirchliche Suchdienst von den
Einwohnermeldeämtern in Deutschland über den Ortswechsel von Personen, die ursprünglich aus den
Vertreibungsgebieten stammen, informiert. So befinden sich die Daten immer auf dem aktuellen
Stand, die Jetztanschriften der Gesuchten können ermittelt und die Kontakte hergestellt werden.
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2. Unterstützung bei behördlichen Angelegenheiten
Der Kirchliche Suchdienst arbeitet als amtlich anerkannte Auskunftsstelle im Amtshilfeverfahren eng
mit den Behörden und Ämtern zusammen.
Nur beim Kirchlichen Suchdienst befinden sich die spezifischen Unterlagen, die über Personen und
Strukturen in den ehemaligen deutschen Reichs- und Siedlungsgebieten fundierte Auskünfte geben
können.
Als „Einwohnermeldeamt“ der ehemaligen deutschen Ost- und Siedlungsgebiete ist der Kirchliche
Suchdienst für Staat und Gesellschaft heute die einzige Auskunftsstelle bei Fragestellungen in
behördlichen Angelegenheiten, wie z.B.
Unterstützung bei der Beschaffung von Urkunden (Geburts-, Heirats-, Sterbeurkunden)
Auch bei der Wiederbeschaffung von Urkunden im Herkunftsland ist der Suchdienst behilflich.
Klärung von Personenstandsdaten (Name, Wohnort, Geburtsdatum, Sterbedaten usw.)
Viele Menschen mussten bei Kriegsende innerhalb kürzester Zeit und nur mit dem Nötigsten ihre
Wohnungen und Häuser verlassen. Es blieb keine Zeit, Dokumente und Unterlagen in Sicherheit zu
bringen und so kamen sie ohne jeden Identitätsnachweis in den Westen.
Besteht keine Möglichkeit mehr, diese Dokumente wieder zu beschaffen, werden die
Personenstandsdaten vom Kirchlichen Suchdienst bestätigt. Diese werden als Ersatzbescheinigungen
für behördliche Zwecke anerkannt.
Unterstützung bei Nachweisen für Staatsangehörigkeit und Volkszugehörigkeit
In diesem Bereich arbeitet der Kirchliche Suchdienst vor allem mit dem Bundesverwaltungsamt
zusammen. Es werden aber auch zahlreiche Anfragen von Privatpersonen bearbeitet, die dringend
nach Unterlagen über ihre Eltern/Großeltern suchen, von denen sie die Staatsangehörigkeit ableiten
können.
Ortsklärungen
Vorwiegend bei einem Todeserklärungsverfahren oder für Anlegung eines Familienbuches legen die
Standesämter die Bescheinigungen des Kirchlichen Suchdienstes zugrunde. Bei Beurkundungen von
Sterbefällen oder Hochzeiten ist die genaue Bezeichnung des Wohnortes zum maßgeblichen
Zeitpunkt erforderlich und der Kirchliche Suchdienst verfügt über die entsprechenden Aufzeichnungen.
uvm.
3. Evidenzhaltung:
Beim Kirchlichen Suchdienst laufen alle Meldungen über Vertriebene, Flüchtlinge und Spätaussiedler
zusammen.
Eine der wichtigsten Aufgaben des Suchdienstes ist die laufende Aktualisierung und Ergänzung der
Suchdienstunterlagen als Melderegister und amtlich anerkannte Auskunftsstelle der ehemaligen
deutschen Orte und Siedlungen in den Vertreibungsgebieten.
Der Kirchliche Suchdienst Einwohnermeldeamt der ehemaligen deutschen Reichs- und
Vertreibungsgebiete sowie der ehemaligen deutschen Siedlungsgebiete in
Nordost-, Südost- und Osteuropa.
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Kriegsgefangenenpost / Feldpostbriefe:
In den Archiven des Kirchlichen Suchdienstes befinden sich noch über 120.000 Original-Poststücke,
die nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr in den ehemaligen deutschen Ost- und
Siedlungsgebieten zugestellt werden konnten.
Briefe der Soldaten an die Eltern, Ehepartner, Kinder und Geschwister - die einzige Verbindung zur
Heimat und nicht selten das letzte Lebenszeichen.
Briefe von Soldaten an der russischen Front bzw. in Kriegsgefangenschaft, die viel von Angst, Hunger
und Verzweiflung, aber auch von Liebe, Hoffnung und Sehnsucht erzählen.
Die Postauffangstelle für Kriegsgefangenenpost befand sich in Berlin. In den ersten Nachkriegsjahren
wurde in allen Zeitungen bekannt gegeben, dass diese Post noch vorliegt und die Briefempfänger
wurden gebeten, sich zu melden. Die Kriegsgefangenenpost wurde von der Nachforschungsstelle
beim Postamt Berlin 1950/1951 in Zusammenarbeit mit der Deutschen Dienststelle in Berlin an die
jeweiligen Heimatortskarteien des Kirchlichen Suchdienstes übergeben, der die Funktion eines
Einwohnermeldeamtes für die ehemaligen Vertreibungsgebiete ausübt.
Durch Meldungen über den Verbleib von Vertriebenen, die beim Kirchlichen Suchdienst zusammen
fließen, konnte in den 50er Jahren eine große Anzahl der Briefe an die Betroffenen zugestellt werden.
Insgesamt waren es bis jetzt 998.500 Briefe und Karten.
Heute werden pro Jahr noch ca. 250 Briefe zugestellt. Meistens geschieht dies im Rahmen der
Sachbearbeitung. Bei der Ermittlung für Anfragen zur Schicksalsklärung von Personen, bei der Suche
nach Erben, zur Ausstellung von Familienbüchern oder bei Fragen zur Staatsangehörigkeitsklärung
wird festgestellt, dass Poststücke vorliegen, da dies auf den Suchdienstunterlagen vermerkt ist. Dann
wird mit der Familie Kontakt aufgenommen und der Brief oder die Karte wird zugestellt.
Die Postauffangstelle für Kriegsgefangenenpost befand sich in Berlin. In den ersten Nachkriegsjahren
wurde in allen Zeitungen bekannt gegeben, dass diese Post noch vorliegt und die Briefempfänger
wurden gebeten, sich zu melden. Die Kriegsgefangenenpost wurde von der Nachforschungsstelle
beim Postamt Berlin 1950/1951 in Zusammenarbeit mit der Deutschen Dienststelle in Berlin an die
jeweiligen Heimatortskarteien des Kirchlichen Suchdienstes übergeben, der die Funktion eines
Einwohnermeldeamtes für die ehemaligen Vertreibungsgebiete ausübt.
Durch Meldungen über den Verbleib von Vertriebenen, die beim Kirchlichen Suchdienst zusammen
fließen, konnte in den 50er Jahren eine große Anzahl der Briefe an die Betroffenen zugestellt werden.
Insgesamt waren es bis jetzt 998.500 Briefe und Karten.
Heute werden pro Jahr noch ca. 250 Briefe zugestellt. Meistens geschieht dies im Rahmen der
Sachbearbeitung. Bei der Ermittlung für Anfragen zur Schicksalsklärung von Personen, bei der Suche
nach Erben, zur Ausstellung von Familienbüchern oder bei Fragen zur Staatsangehörigkeitsklärung
wird festgestellt, dass Poststücke vorliegen, da dies auf den Suchdienstunterlagen vermerkt ist. Dann
wird mit der Familie Kontakt aufgenommen und der Brief oder die Karte wird zugestellt.
Der Kirchliche Suchdienst im Überblick:
Erfasste Personen gesamt:
Bis heute noch ungeklärte Schicksale:
Mitarbeiter gesamt:
Auskunftserteilung pro Jahr:
Feldpostbriefe / Kriegsgefangenpost
vorhandene Poststücke:
seit Kriegsende zugestellt:
heute pro Jahr zugestellt:
20 .000.000
600.000
60
20.000
120.000
998.500
250
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Kontakt:
Geschäftsstelle:
Kirchlicher Suchdienst
Geschäftsstelle
Lessingstraße 3
80336 München
Telefon: (0 89) 544 97 - 201
Telefax: (0 89) 544 97 - 207
E-Mail: [email protected]
Standort Passau:
Kirchlicher Suchdienst
HOK-Zentrum Passau
Ostuzzistraße 4
94032 Passau
Telefon: (0 851) 951 669 - 0
Telefax: (0 851) 951 669 - 33
E-Mail: [email protected]
Standort Stuttgart:
Kirchlicher Suchdienst
HOK-Zentrum Stuttgart
Rosenbergstraße 52 B
70176 Stuttgart
Telefon: (0 711) 636 800 - 4
Telefax: (0 711) 636 800 - 7
E-Mail: [email protected]
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Anhang:
Rede von Herrn Ferdinand Kösters anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Kirchlichen
Suchdienstes
Die Geschichte des Kirchlichen Suchdienstes
Die Geschichte des Suchdienstes ist zugleich ein Teil der deutschen Nachkriegsgeschichte. Wenn
sich auch die jüngeren Menschen unter Suchdienst heute vielleicht nichts mehr vorstellen können,
tauchen bei den Älteren dagegen zum Stichwort Suchdienst dunkle Bilder auf:
Das Deutschland der ersten Nachkriegszeit, zerbombte Städte, zerstörte Verkehrswege,
Flüchtlingstrecks aus dem Osten und heimkehrende Evakuierte mit Pferde- oder Handwagen,
heimkehrende Soldaten in zerrissenen Uniformen, Menschenansammlungen, auch „Schlangen„
genannt, vor Hilfsstellen, vor Bahnhofsmissionen, Rot-Kreuz-Stellen und Pfarrhäusern.
15 Millionen Deutsche, also jeder Vierte, wurde gesucht!
Es waren vor allem die kirchlichen Stellen, die sich neben den örtlichen Rot-Kreuz-Einrichtungen
all dieser hilflosen und bedauernswerten Menschen annahmen, und allein die Kirchen waren noch mit
ihren überregionalen Organisationen vorhanden. Sie übernahmen Aufgaben, für die in normalen
Zeiten staatliche Stellen zuständig gewesen wären.
So wurden entlang der östlichen Grenzen die einströmenden Flüchtlinge zuerst bei den Pfarrämtern
registriert, Karten und Listen angelegt und den Menschen weitergeholfen. Von der Caritasmeldestelle
in Waldsassen liegt ein Bericht des Pfarrers Wiesnet vom 23. Juli 1945 vor, aus dem hervorgeht:
Die offizielle Caritasstelle in Waldsassen wurde errichtet am 9.7.45. Büro ist die Sakristei der
Kirche (eignet sich glänzend, da einmal der kirchliche Raum schon eine gehobene Stimmung schafft
und die Leute die Zeit des Wartens doch auch etwas mit Beten in der Kirche verbringen).
Der kluge Seelsorger verband also das weltlich Notwendige mit dem für das Seelenheil
Tröstlichen. Er notierte übrigens jeden durchreisenden Flüchtling und schrieb Transportlisten, so
lange, bis ihm das Papier ausging.
Vom 21. bis 23. August 1945 trafen sich die deutschen Bischöfe zu ihrer ersten
Nachkriegskonferenz in Fulda. Sie beauftragten den Caritasverband, in Zusammenarbeit mit den
anderen Wohlfahrtsorganisationen eine Suchaktion in die Wege zu leiten und Auskunftsstellen zu
errichten.
Dieser Beschluss ist sozusagen das „Grundgesetz„ für den Kirchlichen Suchdienst. Der Deutsche
Caritasverband wandelte den im Zweiten Weltkrieg eingerichteten Vermisstennachforschungsdienst in
den Caritas-Suchdienst um. In allen vier Zonen wurden Suchstellen eingerichtet. Entlang der östlichen
Grenzen, wo der Flüchtlingszustrom immer stärker zunahm, entstanden zahlreiche so genannte
Meldeköpfe, in denen die Flüchtlinge registriert und Unterlagen gesammelt wurden.
Fast zur gleichen Zeit wie die katholischen Bischöfe tagten vom 27. bis 31. August 1945 in Treysa
die Führer der evangelischen Kirche in Deutschland. Sie gründeten das Hilfswerk der Evangelischen
Kirche, das sich ebenfalls um die Nachforschung nach Vermissten kümmern sollte. Auch die
Evangelische Kirche richtete Meldestellen ein.
In welch bitterer Not damals gearbeitet werden musste, geht aus zahlreichen erhalten gebliebenen
Zeitberichten hervor. Es gab kaum Papier oder Pappe zum Anlegen von Listen oder Karteikarten. In
der kalten Jahreszeit gab es keine Heizung, die zerstörten Fensterscheiben waren durch Pappe
ersetzt worden, so dass kaum Tageslicht in die Büroräume fiel. Die Mitarbeiter, die meist nur
Niedrigstlöhne erhielten, saßen in Hut und Mantel im Büro, dazu mit Handschuhen, von denen einige
die Fingerkuppen abgeschnitten hatten, damit man Papier oder Karteikarten besser greifen konnte.
Aus einer Unterlage vom Suchdienst Bamberg geht hervor, dass die Innere Mission gebeten wurde,
einem Außendienstmitarbeiter einen Anzug und etwas warme Unterwäsche zu besorgen, die es trotz
der damals üblichen Bezugsscheine nicht zu kaufen gab.
Die Arbeit des Suchdienstes wurde behindert durch die alliierten Besatzungsmächte, die bei den
Wehrmachtsvermissten alle Angaben über den Dienstgrad, die letzte militärische Einheit und die
Feldpostnummer verboten, weil sie befürchteten, diese Unterlagen könnten als Grundlage für den
Wiederaufbau der Wehrmacht dienen ebenso wie die Flüchtlingserfassung Grundlage für die
Rückforderung der deutschen Ostgebiete sein könnte. So verboten die Amerikaner im Juli 1945 die
Suchdienstarbeit in München. Doch am darauf folgenden Sonntag verkündeten die Pfarrer von allen
Kanzeln mutig, dass die kirchlichen Wohlfahrtsverbände zusammen mit dem Bayerischen Roten
Kreuz die Suchdienstarbeit fortsetzen würden. Am anderen Tag drängelten sich vor dem
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Suchdienstgebäude in der Wagmüllerstraße so viele Menschen, dass die beeindruckten Amerikaner
die weitere Suchdienstarbeit duldeten.
Bei der ersten Sitzung des Zentralrates des Deutschen Caritasverbandes nach dem Kriege, die
vom 6. bis 8. November 1945 stattfand, also heute fast auf den Tag genau vor 60 Jahren, wurde in
Salmünster eine Vereinbarung zwischen dem Deutschen Caritasverband, dem Hilfswerk der
Evangelischen Kirche und dem Bayerischen Roten Kreuz über eine gemeinsam durchzuführende
Suchdienstarbeit in der amerikanischen Zone unterzeichnet. Die gemeinsame Arbeit sollte auf das
gesamte Reichsgebiet ausgedehnt werden.
Zu diesem Zweck fand am 9. und 10. Januar 1946 in Frankfurt eine Tagung der kirchlichen
Wohlfahrtsverbände und des Roten Kreuzes statt, die den Alliierten, die sich selber mit der Frage
eines gesamtdeutschen Suchdienstes befassten, nicht in den Kram passte. So erschienen zu Beginn
der Tagung alliierte Offiziere und erklärten die anwesenden würdigen Herren Prälaten und
Kirchenführer für verhaftet. Sie sollten sich nicht in die Angelegenheiten der Alliierten einmischen und
sie hätten außerdem gegen das Verbot verstoßen, sich über die Zonengrenzen hinweg zu
versammeln. Auf Intervention des Leiters des Hilfswerks der Evangelischen Kirche, Dr. Eugen
Gerstenmaier, der später Präsident des Deutschen Bundestages wurde, wurde die Verhaftung wieder
aufgehoben. Es wurde eine Suchdienstarbeitsgemeinschaft gegründet mit Zonenzentralen in
Hamburg und München. Die Einrichtung eines gesamtdeutschen Suchdienstes konnte nicht
verwirklicht werden.
Durch die Tätigkeit der Kirchen wurden auch Suchwünsche der Menschen in der sowjetisch
besetzten Zone bearbeitet. Bei dieser Suchdienstarbeit kam es zu einer bis dahin nicht da gewesenen
und nicht für möglich gehaltenen Zusammenarbeit zwischen den beiden großen christlichen
Konfessionen: katholische Stellen nahmen die Anträge der evangelischen Suchenden an und
umgekehrt die evangelischen Stellen die Suchanträge der Katholiken. Was dies für die Entwicklung
der Beziehungen zwischen den beiden Konfessionen bedeutet hat, bedürfte wohl einmal einer
näheren Aufarbeitung.
Die gemeinsame Suchdienstarbeit endete nach der Währungsreform 1948, als die Verbände, die
bis dahin diese Arbeit allein finanziert hatten, nicht mehr über die notwendigen finanziellen Mittel
verfügten. Erst allmählich setzte sich in den neu gegründeten Ländern die Erkenntnis durch, dass der
Suchdienst eine staatliche Aufgabe war, so dass sowohl der Länderrat in der US-Zone als auch der
Zonenbeirat in der britischen Zone staatliche Zuschüsse für notwendig hielten und diese auch
bewilligten. In der französischen Zone war der Suchdienst staatlich organisiert.
In der Zwischenzeit hatten sich aus den Meldeköpfen der kirchlichen Wohlfahrtsverbände
Heimatortskarteien gebildet, in denen die registrierten Flüchtlinge nicht alphabetisch, sondern nach
dem Ortsprinzip erfasst worden waren. Der Begriff Heimatortskartei gehört seitdem zum Sprachschatz
jedes Vertriebenen.
Nach dem Ende der Suchdienstarbeitsgemeinschaft einigten sich die Wohlfahrtsverbände auf die
Aufteilung
der
Suchdienstaufgaben,
wonach
das
Rote
Kreuz
die
Suche
nach
Wehrmachtsangehörigen und Zivilverschleppten übernahm und die kirchlichen Verbände die
Heimatortskarteien führen und die Suche nach Zivilvermissten übernehmen sollten.
Beispielhaft für die Zusammenarbeit der beiden Kirchen war auch die Einigung darüber, dass die
Zentralverwaltung der bis dahin über 30 Heimatortskarteien durch den Deutschen Caritasverband
erfolgen sollte. Da die Franzosen es nicht duldeten, dass dies vom Sitz des Caritasverbandes in
Freiburg in ihrer Zone aus erfolgen sollte, wurde die Hauptvertretung München mit dieser Aufgabe
beauftragt. Die Zahl der Heimatortskarteien wurde durch Zusammenlegungen auf 18, später auf 12
herabgesetzt.
So großartig die Zusammenarbeit der Wohlfahrtsverbände funktionierte, so konträr standen sich
manchmal die Auffassungen einzelner Verantwortlicher gegenüber. Es kam zu einem Konflikt wegen
der Heimatortskarteien, von denen einige entgegen der Absprachen in Hamburg vom Roten Kreuz
weitergeführt wurden. Auch die Landsmannschaften der Vertriebenen streckten ihre Finger nach den
Heimatortskarteien aus. Sie hatten eine starke Lobby im Bundesvertriebenenministerium, in dem
ausschließlich Vertriebene beschäftigt waren. Da jedoch zu dieser Zeit die Zuständigkeit für den
Suchdienst beim Bundesinnenministerium lag, konnten sich die Vertreter der kirchlichen
Wohlfahrtsverbände Dank der Hilfe des damaligen Staatssekretärs und späteren Präsidenten des
Deutschen Roten Kreuzes Ritter von Lex, übrigens ein Bayer, durchsetzen.
Noch vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 fassten die Länder, die eine
Arbeitsgemeinschaft für den Suchdienst gegründet hatten, grundlegende Beschlüsse, die zu einer
Neuordnung im Suchdienst führten und die für die künftige Suchdienstarbeit auch nach Übernahme
der Aufgabe durch den Bund maßgebend wurden. Der Suchdienst wurde danach als staatliche
Aufgabe anerkannt. In dem nach Artikel 120 des Grundgesetzes erlassenen so genannten Ersten
Überleitungsgesetz von 1950 wurde die Finanzierung des Suchdienstes als Kriegsfolgelast als
Aufgabe des Bundes festgeschrieben. Dieses Gesetz gilt noch heute.
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Nach 1950 setzte eine Verstetigung der Arbeit des Suchdienstes ein. Nachdem der größte Teil der
Suchdienst- und Nachforschungstätigkeit erledigt war, zu der auch der Kindersuchdienst, ein
besonders bedrückendes Kapitel, gehörte, begann Mitte der fünfziger Jahre die vom Deutschen
Bundestag 1953 beschlossene Gesamterhebung über das Schicksal der Vertriebenen, die erst Ende
1964 abgeschlossen werden konnte. Diese gewaltige Arbeit ist eine der bewundernswertesten
Leistungen des Kirchlichen Suchdienstes überhaupt, weil hier das Schicksal von 17,6 Millionen
Menschen nachvollzogen wurde und durch dieses Vorhaben gewissermaßen ein ErsatzEinwohnermeldeamt für den deutschen Osten geschaffen wurde. Was hier geleistet wurde, dürfte
einmalig in der ganzen Welt sein.
Durch den Zuzug der Aussiedler und Spätaussiedler, besonders ab Anfang/Mitte der achtziger
Jahre, stieg das Arbeitsvolumen nochmals stark an. Dazu kamen nach der politischen Wende 1989/90
die erstmaligen Suchanfragen der Bürger der ehemaligen DDR, die bis dahin keine Möglichkeit gehabt
hatten, sich an die Heimatortskarteien zu wenden.
Angesichts der hohen Arbeitsbelastung entstand der Gedanke, das vorhandene Material
elektronisch zu erfassen, und so wurde zunächst mit der Anlage von Datenbanken begonnen. Gegen
anfänglichen Widerstand, auch in Reihen der Geldgeber, begann ab Mitte der neunziger Jahre die
Digitalisierung der Karteien, eine Verscannung jeder einzelnen der rund 20 Millionen Karteikarten,
wodurch nicht nur eine Beschleunigung der Arbeit erreicht wurde, sondern auch die Grundlage für
eine umfassende organisatorische Reform geschaffen werden konnte.
Bei dieser angestrebten Reform sollten von den vorhandenen sieben noch zwei Standorte
erhalten bleiben, wobei die Wahl auf Stuttgart und Passau fiel.
Jetzt konnte auch die alte Suchdienstvereinbarung mit dem Bund von 1961 überarbeitet werden.
Bei der Neufassung blieb das 1976 durch den Zusammenschluss von Innerer Mission und Hilfswerk
der Evangelischen Kirche entstandene Diakonische Werk neben dem Deutschen Caritasverband als
Vertragspartner dabei, womit dokumentiert wurde, dass der Kirchliche Suchdienst ein
Gemeinschaftswerk der Wohlfahrtsorganisationen beider Konfessionen war und bleiben sollte. Die
neue Vereinbarung wurde am 8. Juni 2001 von Herrn Prälat Zerrle und Herrn Direktor Steinhilber
sowie
der
damaligen
Staatssekretärin
im
Bundesinnenministerium
und
heutigen
Bundesjustizministerin Brigitte Zypriss in Bonn unterschrieben.
Die Arbeit des Kirchlichen Suchdienstes wurde seit den ersten Anfängen geprägt von den
handelnden Menschen. Unzählige haben sich in diesen wahrhaft caritativen Dienst gestellt, bei
teilweise miserablen Arbeitsbedingungen und zum Teil minimalsten Löhnen. Sie haben das Werk
geschaffen, auf das wir heute stolz zurückblicken können.
In den Anfangsjahren waren die leitenden Mitarbeiter der kirchlichen Verbände noch sehr stark in
die Arbeit eingebunden. Bleibende Verdienste erworben haben sich dabei auf evangelischer Seite
Oberkonsistorialrat Dr. Eugen Gerstenmaier, der Generalsekretär des Hilfswerks, Dr. Harald
Poelchau, und der Vorsitzende des Arbeitsausschusses der Suchdienstarbeitsgemeinschaft, Pastor
Wilhelm Schmidt aus Bielefeld. Beim Caritasverband sind neben Präsident Dr. Benedict Kreutz der
Generalsekretär Dr. Kuno Jörger und die jeweiligen Leiter der Hauptvertretung München zu nennen,
hier insbesondere Bischöfl. Geistl. Rat Georg Rudolf Fritz und Pater Dr. Augustin Rösch, der noch
kurz vor seinem Tode im November 1961 die Suchdienstvereinbarung mit dem Bund unterschrieben
hatte.
Von den unmittelbaren Mitarbeitern des Kirchlichen Suchdienstes war Caritasrektor Franz Sales
Müller der große „Spiritus rector„, der im wahrsten Sinne des Wortes beim Caritasverband und bei der
Bundesregierung in Bonn wie ein Löwe um die Fortführung des Kirchlichen Suchdienstes gekämpft
und diese Einrichtung entscheidend geprägt hat. Nach seinem Ausscheiden folgten als Leiter des
Kirchlichen Suchdienstes die Landes-Caritasdirektoren Dr. Philipp Kröner, Prälat Adolf Mathes, der in
München als „Bunkerpfarrer„ bekannt geworden war, und Prälat Ludwig Penzkofer. Ich selbst hatte
das große Vergnügen und die Ehre, die nun folgenden Leiter des Kirchlichen Suchdienstes persönlich
kennen zu lernen: zunächst Prälat Franz Xaver Ertl, danach Prälat Walter Siegert und schließlich den
heutigen Chef Prälat Karl-Heinz Zerrle, mit dem eine besonders enge und erfolgreiche
Zusammenarbeit zustande kam, für die ich mich hiermit noch einmal ausdrücklich bedanken möchte.
Im Jahre 1960 wurde die Stelle eines Geschäftsführers geschaffen, die von Dr. Josef Kohlenz
übernommen wurde. Nach seinem plötzlichen Tod 1965 übernahm Theodor Kosak den Posten des
Geschäftsführers. Herr Kosak, der heute hier unter uns weilt, war oder ist ein Mann der so genannten
„ersten Stunde„, denn er begann kurz nach dem Kriege als Mitarbeiter beim Suchdienst Bamberg und
kam später nach München. Während seiner langen Zeit als Geschäftsführer wurden viele
entscheidende Weichen für den Fortbestand des Kirchlichen Suchdienstes gestellt. Gewissermaßen
aus seiner Zeit stammen die frühere Stuttgarter Karteileiterin Irma Ehrler, die ebenso hier anwesend
ist wie der frühere Finanzreferent Georg Steinhögl.
Nachfolger von Herrn Kosak wurde 1991 Ferdinand Michael Pronold, mit dem ich persönlich bis
zu seinem Ausscheiden 2001 besonders eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. Bei der
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gewaltigen Aufgabe, den Kirchlichen Suchdienst zu reformieren, haben wir uns gegenseitig Mut
gemacht, denn im Hinblick auf das bis dahin unerprobte Digitalisierungsverfahren wussten wir ja nicht,
ob uns – ich sage dies mal so salopp - „der ganze Laden um die Ohren fliegen würde„. Aber es ging
alles gut – wir hatten ja den kirchlichen Segen. Herr Pronold hat mit großem persönlichen Einsatz an
einem der wichtigsten Kapitel des Kirchlichen Suchdienstes mitgewirkt. Ihm lag das Schicksal jeder
einzelnen Mitarbeiterin und jedes einzelnen Mitarbeiters ganz besonders am Herzen und ich entsinne
mich noch genau der vielen Gespräche, die wir mit allen Betroffenen geführt haben, um den zwingend
notwendig gewordenen Personalabbau so sozialverträglich wie möglich und ohne Gerichtsverfahren
abwickeln zu können. Bei dieser Gelegenheit möchte ich dankend die Vertreter der Rechtsträger
erwähnen, die bei der Reorganisation engagiert geholfen haben: Caritasdirektor Konrad
Unterhitzenberger aus Passau, Pastor Iwer Rinsche aus Lübeck, Caritasdirektor Bernhard Piendl aus
Regensburg und Caritasdirektor Reinhard Heine aus Hildesheim.
Lassen Sie mich zum Schluss aber ganz besonders jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
erwähnen, die das große Werk der Digitalisierung und der Reorganisation mitgestaltet haben. Sie
haben ihre Aufgaben mit vollem Einsatz und großem Pflichtbewusstsein bis zuletzt erfüllt, obwohl sie
genau wussten, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren würden. Auch dies war eine caritative Tat und
verdient höchste Würdigung. Stellvertretend möchte ich nennen: Frau Ernestine Göller, viele, viele
Jahre Leiterin der Kartei in Bamberg, die Leiterin der HOK Regensburg, Frau Gisela Kühn, Frau
Ursula Jaworski von der HOK Hannover und Frau Marianne Müller, viele Jahre Leiterin der Kartei in
Augsburg. Erwähnen möchte ich auch den leider inzwischen verstorbenen Leiter der Kartei in Lübeck,
Uwe Gorke.
Der jetzige Geschäftsführer René Massier und sein Vertreter Erwin Seidl, die an der
Modernisierung und Reorganisation ebenfalls entscheidend beteiligt waren, haben ein großes Erbe
angetreten. Aus eigener Erkenntnis aus vielen Jahren der Zusammenarbeit bin ich sicher, dass sie
sich würdig in diese Ahnengalerie einreihen werden.
Alle, die an dem großartigen Werk des Suchdienstes in nunmehr sechs Jahrzehnten mitgewirkt
haben, haben nicht nur einer großen Sache gedient, sie haben sich um die Menschen in Deutschland
und damit um unser Land verdient gemacht.
Buchtipp: Die Geschichte des Kirchlichen Suchdienstes von Ferdinand Kösters
Ein einzigartiges Zeitdokument über den Hilfsdienst für Vertriebene, Flüchtlinge, Aussiedler und deren
Nachkommen. Ein Nachschlagewerk, das auch eine wertvolle Grundlage für wissenschaftliche
Abhandlungen und Forschungen bietet und dessen Inhalt durch zusätzliche Daten, Fakten und Zahlen
ausführlich erläutert wird.