Quo vadis, Vernagtferner? Perspektiven für die zukünftige Forschung
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Quo vadis, Vernagtferner? Perspektiven für die zukünftige Forschung
Band 45/46 (2011/12), S. 351–358 Z eits c h r ift fü r Gletscherkunde und G lazialgeologie © 2013 by Universitätsverlag Wagner, Innsbruck Quo vadis, Vernagtferner? Perspektiven für die zukünftige Forschung Christoph Mayer und Reinhard Rummel, München Mit 1 Abbildung Zusammenfassung Der Vernagtferner wird seit mehr als 124 Jahren wissenschaftlich beobachtet und vermessen. In diesem Zeitraum hat sich nicht nur das Wissen über die Grundlagen der klimagesteuerten Gletscherentwicklung, sondern auch die Beobachtungstechnik wesentlich weiterentwickelt. Heute wird eine Vielzahl von geophysikalischen und atmosphärischen Parametern aufgezeichnet, die einen detaillierten Einblick in die Zusammenhänge zwischen Gletschern, Massenbilanz und Wasserhaushalt liefert. Die Studien am Vernagtferner bilden dabei eine wesentliche Basis für das Verständnis der zugrunde liegenden Prozesse. Inzwischen erreicht die Gletscherschmelze am Vernagtferner eine Intensität, die bisher so noch nicht beobachtet worden ist. Gleich zeitig erlauben neue Messtechniken und Sensoren die Analyse von Gletscherentwicklungen auf einer neuen räumlichen Skala, bei gleichzeitiger hoher Genauigkeit. Die Kombination der Fortführung der lokalen Beobachtungen und der Anwendung neuer Methoden auf größere Regionen bildet eine hervorragende Ausgangsbasis für einen entscheidenden Kenntniszuwachs in Bezug auf die weltweit beobachteten Massenverluste von Gletschern. Quo vadis, Vernagtferner? Abstract Vernagtferner has been observed and surveyed on a scientific basis since more than 124 years. During this time period, both, the knowledge of the basic principles of the climatically controlled glacier evolution and the observation techniques have seen a considerable development. Today, a large number of geophysical and atmospheric parameters are monitored and collected. These data allow a detailed insight into the 352 Christoph Mayer und Reinhard Rummel relationship between glaciers, mass balance and water balance. The ongoing studies at the Vernagtferner form a fundamental basis for the understanding of the essential processes. During the recent years the ice melt at Vernagtferner has reached a magnitude which has not been observed before, while new measurement techniques and new sensors enable the analysis of the glacier evolution on a new spatial scale and with high accuracy at the same time. The combination of continuing the local observations with the application of new observation methods for extended regions is an ideal prerequisite for a major step in the improvement of our knowledge in relation to the observed glacier mass loss on a global scale. 1. Die lokale Perspektive: Langzeitbeobachtung des Vernagtferners Seit 124 Jahren wird der Vernagtferner nun im Detail beobachtet. Anfänglich wurde im Wesentlichen die Oberflächengeometrie bestimmt, aber im Laufe der Zeit kamen immer mehr Parameter dazu. Eisgeschwindigkeiten wurden untersucht und die Eisdicke im Zungenbereich erfasst. Seit fünfzig Jahren werden die saisonalen und jährlichen Massenbilanzen bestimmt und seit 1974 wird der Abfluss vom Gletscher aufgezeichnet. Seit dieser Zeit nimmt auch die Beobachtung der meteorologischen Parameter zu, heute werden mit mehreren automatischen Wetterstationen die Daten zeitlich hochaufgelöst aufgezeichnet. Der Vernagtferner hat sich im Laufe der Zeit zu einem sehr gut ausgestatteten Hochgebirgs-Umweltlabor entwickelt, welches immer wieder den neuen Anforderungen und neuen Erkenntnissen angepasst wird. Diese geschichtliche Entwicklung und das damit verbundene Datenarchiv stellt eine ausgezeichnete Grundlage für die zukünftigen Arbeiten in dieser Region dar, sind sie doch unverzichtbar für die korrekte Einordnung der heutigen Beobachtungen in den Kontext der längerfristigen Umweltveränderungen. Die frühen Kartierungen des Vernagtferners spielen dabei eine besondere Rolle. Die älteste genaue Karte des Gletschers von 1889 (Blümcke und Heß, 1897) stellt vermutlich nicht das Maximum des Eisvolumens zum Ende der „kleinen Eiszeit“ dar. Durch die hohe zeitliche Variabilität der Gletschergeometrie, bedingt durch die schnellen Vorstöße, ist es allerdings schwierig, für den Vernagtferner ein maximales Volumen für die Zeitspanne zwischen 1800 und 1850 zu berechnen. Vermutlich wird aber das Eisvolumen auch während des letzten Maximalstandes um 1848 (Schlagintweit und Schlagintweit, 1850) deutlich unter einem Kubikkilometer gelegen haben. In der üblicherweise verwendeten Potenzrelation zwischen Fläche A und Volumen V eines Gletschers (Bahr et al., 1997), V = s Aγ nimmt der Proportionalitätsfaktor s seit Beginn der Beobachtungen 1889 kontinuierlich ab, mit Ausnahme der Periode positiver Massenbilanzen (1969–1979). Der Quo vadis, Vernagtferner? 353 Exponent V, der je nach Gletschertypus unterschiedlich sein kann, wurde konstant mit 1,375 angenommen, was einem für Talgletscher bestimmten Wert entspricht (Bahr et al., 1997). Die Abnahme von s deutet daraufhin, dass der Gletscher seine Fläche nicht dem Volumenverlust anpassen kann und immer weiter aus dem Gleichgewicht kommt. Die Flächenausdehnung von 13,7 km2 im Jahr 1848 (ohne den damals mit dem Gletscher verbundenen Guslarferner) war einem schnellen Vorstoß geschuldet, und die Gletscherfläche damit eigentlich zu groß für das vorhandene Eisvolumen unter ausgeglichenen Bedingungen. Die oben beschriebene Beziehung kann daher nicht auf die Gletscherfläche von 1848 angewendet werden. Aufgrund der Überlegungen zum Flächen-Volumenverhältnis und den beobachteten Gletscherveränderungen nach 1889 lag das historische maximale Volumen des Vemagtfemers (ohne Guslarferner) etwas unter 0,8 km3 (Abb. 1). Die erste verlässliche Volumenbestimmung mit 612 Mil. m3 1889 vor, basierend auf der damaligen Kartierung und den Untersuchungen des Gletscheruntergrundes seit 1967. liegt für 14 1000 .. .... 12 ... E 6 Q) .<: () ·cu 10 .... ....... Fläche .... .... .... .... .... .... ...... Volumen .... .... 800 .... .... < 0 E 3 .... 600 co :::J � � Li: � 400 8 6 -1--'--'--'-'--'-'-�--+- 200 1840 1880 1920 Jahr 1960 2000 Abb. 1: Flächen- und Volumenentwicklung des Vernagtferners seit 1889. Das Volumen und die Fläche für das Jahr 1848 wurden unter der Annahme hochgerechnet, dass ähnliche eisdynamische Bedingungen herrschten wie in der Zeit 1889-1932. Die tatsächliche Fläche von 13,7 km2 im Jahr 1848 ist dagegen dem schnellen Gletschervorstoß geschuldet. - Fig. 1: Development of area and volume ofVernagtferner since 1889.Volume and area for the year 1848 were calculated under the assumption that the ice dynamics were similar to the period 1889-1932. The actual area of 13.7 km2 in 1848 however is the result of the fast glacier advance. 354 Christoph Mayer und Reinhard Rummel Die mittlere Eisdicke betrug 1889 etwa 53 m, 41 Jahre vorher etwa 61 m (unter Annahme eines maximalen Volumens von 0,8 km³). Seit dieser Zeit hat sie sich auf 28 m reduziert, was einer Abnahme von 54 % entspricht. Im selben Zeitraum hat sich das Volumen um 73 % verringert. Der Volumenverlust scheint sich in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich zu beschleunigen. Von 1889 bis 1954 betrug der Verlust im Mittel 3.6 Mil. m³ pro Jahr, nach 1982 bis 2009 sind es im Mittel 6.4 Mil. m³ pro Jahr, wobei dieser jährliche Volumenverlust auf einer deutlich kleineren Fläche stattfindet. Die Massenbilanz in der Zeit zwischen 1954 und 1982 dagegen ist weitgehend ausgeglichen. Betrachtet man das Verhältnis Fläche/Volumen dann ist ersichtlich, dass die Flächenänderung mit dem zeitweiligen Volumenzuwachs in diesem Zeitraum nicht Schritt halten konnte. Die annähernd lineare Abnahme des Proportionalitätsfaktors s in den Perioden mit Massenverlust gilt hier nicht mehr. Aus diesen Beobachtungen ergeben sich zwei Schlussfolgerungen: 1. Die kurze Episode der positiven Massenbilanzen in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts reichte nicht aus, um einen entsprechenden Gletschervorstoß zu initiieren. Es kam zu einer kurzen Vorstoßphase, die aber durch die einsetzenden negativen Massenbilanzen relativ schnell beendet wurde. 2. Das Rückschmelzen des Gletschers nach dieser Vorstoßphase hat eine neue Intensität, verglichen mit dem Gletscherrückgang in der ersten Hälfte der 20. Jahrhunderts. Der Eisverlust ist deutlich höher und scheint weiter zuzunehmen. In den letzten 25 Jahren hat sich die Akkumulationsfläche von typischerweise 50 % der Gletscherfläche auf unter 20 % reduziert, bei gleichzeitigem Rückgang der Gesamtfläche. Dies deutet darauf hin, dass sich die Gletschergeometrie noch weiter an die bestehenden klimatischen Verhältnisse anpassen muss. Die zunehmende Fragmentierung des Gletschers in den letzten Jahren, die mit dem Auftauchen von immer mehr Felsinseln einhergeht, verstärkt dabei die Gletscherschmelze zusätzlich durch die langwellige Ausstrahlung der neuen eisfreien Flächen. Selbst bei einem von jetzt an konstanten Klima müsste die Fläche des Gletschers deutlich kleiner werden um ausgeglichene Massenbilanzverhältnisse (Akkumulationsflächenanteil von etwa 60 %) zu ermöglichen. Die lange Beobachtungsreihe der Gletschergeometrie und die gleichzeitige Aufzeichnung der meteorologischen Parameter seit beinahe einem halben Jahrhundert bildet eine ausgezeichnete Grundlage für die Erforschung der zugrundeliegenden Prozesse des Gletscherrückgangs. Welcher Anteil der Gletscherschmelze beruht auf den regionalen klimatischen Verhältnissen und welchen Einfluss hat die Veränderung der Gletschergeometrie und damit der lokalen Verhältnisse auf den Eisverlust? Wie ist die Veränderung der Eisdynamik mit der Massenbilanz gekoppelt? Es deutet viel darauf hin, dass die Rückkopplungsprozesse zwischen Gletschergeometrie, regionalem und lokalem Klima und Eisdynamik zu einer deutlich schnelleren Gletscherschmelze beitragen. Unklar hingegen ist, ob auch stabilisierende Prozesse zukünftig eine Rolle Quo vadis, Vernagtferner? 355 spielen und welche Gletschergeometrie letztendlich für gegebene klimatische Bedingungen in der Zukunft eine ausgeglichene Massenbilanz gewährleistet. Die während Jahrzehnten mühevoll gesammelten Daten sowie die Optimierung bestehender und der Einsatz neuer Beobachtungsmethoden sind essentiell für die Beantwortung dieser Fragen. Die Entwicklung neuer Modelle und die Kopplung von Massenbilanz, Energiebilanz und Eisdynamik sind die andere Voraussetzung. 2. Die übergeordnete Perspektive mit Hilfe von Satellitenmessverfahren Die überwiegende Anzahl der Alpengletscher weist in den letzten zwei Dekaden negative Massenbilanzen auf. Viele dieser alpinen Gletscher werden in den kommenden Jahren eine ähnliche Entwicklung durchlaufen wie der Vernagtferner. Die weiterführenden Forschungen auf der lokalen Skala können damit eine Vorreiterrolle für das Verständnis der zu erwartenden Entwicklung vieler Gebirgsgletscher spielen. Satellitenverfahren könnten sich zum Bindeglied entwickeln zwischen der lokalen Erfassung von Einzelgletschern mit terrestrischen Messverfahren und der regionalen oder gar globalen Bilanzierung der Eismassen der Antarktis, Grönlands und der großen Inlandgletscher. Der geodätischen oder geometrischen Methode zur lokalen Bestimmung des Massenhaushalts von Gletschern entsprechen dabei die Satellitenverfahren Laser- und Radaraltimetrie bzw. Radarinterferometrie. Seit den neunziger Jahren werden diese Verfahren bereits erfolgreich eingesetzt. Vollkommen neu ist der gravimetrische Ansatz. Die Veränderung der Schwere kontinentaler Eisschilde wird schon heute mit dem Verfahren der Satellitengravimetrie erfolgreich nachgewiesen. Schwierigkeiten bereitet die Realisierung einer höheren räumlichen und zeitlichen Auflösung. Der Durchbruch des Verfahrens der Satellitengravimetrie gelang mit der 2002 gestarteten amerikanisch-deutschen Mission GRACE. Während der geometrische Ansatz reine Volumenveränderungen liefert, ergibt die gravimetrische Methode echte Massenvariationen. Die beiden Verfahren sind daher komplementär und theoretisch müsste deren Kombination zum Beispiel Aussagen über den Beitrag der Firnverdichtung und von postglazialen Landhebungen zulassen (Wahr et al., 2000). Sowohl für Grönland wie auch für die Antarktis wurden bereits hervorragende Ergebnisse über die Entwicklung des Massenhaushalts der letzten zehn Jahre erreicht (z. B. Shepherd et al., 2012). Einschränkend ist jedoch festzustellen: Die Gravimetrie misst immer nur den Gesamtbeitrag aller Massenveränderungen, allerdings gewichtet mit dem Quadrat des Abstands, entsprechend dem Newtonschen Gravitationsgesetz. Das heißt, es gilt die Eismassenveränderungen von Massenvariationen in der Atmosphäre, den Ozeanen und der festen Erde zu trennen (King et al., 2012). Mit ergänzenden Modellen oder Messungen, zum Beispiel GPS-Zeitreihen zur Quantifizierung postglazialer Land- 356 Christoph Mayer und Reinhard Rummel hebungen, versucht man eine Trennung der Signalanteile zu erreichen. Eine weitere grundsätzliche Beschränkung ist die limitierte räumliche und zeitliche Auflösung der Satellitengravimetrie. Eine räumliche Auflösung auf Ausdehnungen von etwa 400 bis 500 km macht eine Anwendung dieses Ansatzes auf kleinere vergletscherte Gebiete unmöglich. Zukünftige Missionen werden die räumliche und zeitliche Auflösung nicht wesentlich verbessern, vgl. zum Beispiel Panet et al. (2012). Es gibt allerdings Versuche, über Filterverfahren die bestehenden Methoden auch auf die Veränderung größerer vergletscherter Gebiete wie zum Beispiel Alaska oder die Himalayaregion anzuwenden (Bamber, 2012). Seit dem Zusammenschluss der Kommission für Glaziologie und der Erdmessungskommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zur Kommission für Erdmessung und Glaziologie (KEG) im Jahre 2010 wird an einer Erweiterung und Verfeinerung der geodätischen Messverfahren gearbeitet. Speziell wird versucht, mit Hilfe der terrestrischen Gravimetrie ein der Satellitengravimetrie entsprechendes, aber lokal einsetzbares Verfahren zu entwickeln, siehe zum Beispiel Breili u. Rolstad (2009) oder Arneitz et al. (2013). Auch hier muss das Massensignal des Gletschers mit Hilfe von GPS von tektonischen Einflüssen getrennt werden. Die Beobachtungen und Kenntnisse aus dem Vernagtgebiet können dabei einen wichtigen Beitrag liefern. Die genaue Kenntnis der Massenveränderungen auf lokaler Basis über einen Zeitraum von mehr als 120 Jahren ermöglicht eine Beurteilung des Massensignals für alpine Gletscher für die bekannten Klimavariationen. Die auf dieser Datenbasis entstandenen Modelle der Gletscherveränderungen können damit wichtige Eingangsdaten und Referenzreihen für Schwerestudien von vergletscherten Gebieten liefern. Zudem stellen sie eine Basis für die Entwicklung neuer, gezielter Methoden der Analyse von Schwereveränderungen in vergletscherten Gebirgen dar. Darüber hinaus wird 2013 in der KEG damit begonnen, die Satelliteninterferometrie als zusätzliches Verfahren zu etablieren. Damit ließe sich die Brücke schlagen von den sehr dichten und genauen Messzeitreihen des Vernagtferners auf größere, weniger erforschte Gletscherregionen. 3. Die Zukunft der Vernagtforschung Die Perfektionierung der geodätischen Methode zur Bestimmung des Gletschermassenhaushaltes wird Richard Finsterwalder (1953), dem Initiator und ersten Ständigen Sekretär der Kommission für Glaziologie zugeschrieben. Die Grundlagen wurden bereits von seinem Vater, dem Mathematiker und Geodäten Sebastian Finsterwalder (1897) gelegt (Escher-Vetter, 2002). Auch die nun 124 Jahre währende detaillierte und regelmäßige Vermessung des Vernagtferners geht auf Sebastian und Richard Finsterwalder zurück. Seit dieser Zeit wurden die Mess- und Analyseverfahren kontinuierlich verfeinert und erweitert. Die terrestrische Gravimetrie für Massenänderungen, der Einsatz von GPS zur kontinuierlichen Erfassung der Gletscherbewegung und InSAR Quo vadis, Vernagtferner? 357 für flächenhafte Veränderungen werden nun für den Einsatz auf dem Vernagtferner erprobt. Der Datensatz zur Geometrie des Vernagtferners ist wegen der Länge der Messreihe, der Güte der Messungen und der Vollständigkeit der eingesetzten Verfahren von grundlegender Bedeutung. In Verbindung mit der langen Massenbilanzreihe und den kontinuierlichen Beobachtungen der meteorologischen Parameter existiert eine einmalige Datensammlung für die Untersuchung der Klima-Gletscher-Wechselwirkungen. Es ist der Weitsicht dieser Pioniere zu danken, dass sich die Erforschung unseres Erdsystems heute auf solch wertvolle Datensätze stützen kann. Die kommenden Dekaden werden detaillierte Einsichten darüber ergeben, ob und wie sich alpine Gletscher aus den hochalpinen Tälern verabschieden und Analogien erlauben zur postglazialen Rückzugsphase. Die Studien am Vernagtferner werden zu dieser Thematik einen fundamentalen Beitrag liefern. Gerade die Adaptierung neuer Beobachtungsmethoden und die Verknüpfung mit den bestehenden Daten und Erkenntnissen ist die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Weiterführung der bisherigen Forschung. Das sich beschleunigende Rückschmelzen des Gletschers unter den gegenwärtigen klimatischen Bedingungen erfordert neue Ansätze zur Erklärung der wirkenden Prozesse. Die Beobachtung der Variabilität der Eisdynamik während dieser tiefgreifenden Veränderungen erlaubt eine neue Beurteilung der Flexibilität und Bedeutung des Massentransports im Zuge der Aufspaltung von Gletschern wie am Vernagtferner. Eine langfristige Beobachtung des Massensignals während des weitgehenden Verschwindens der Eismassen ergibt Hinweise auf die Veränderungen des hydrologischen Regimes im Einzugsgebiet. All diese Erkenntnisse können durch die Entwicklung neuer Beobachtungsverfahren auf der Basis der derzeitigen Aktivitäten und durch die Entwicklung erweiterter Modelle und die Kopplung von Massenbilanz, Energiebilanz und Eisdynamik weit über den Vernagtferner hinaus auch auf regionaler Ebene in die Bewertung der entscheidenden Prozesse im Gletscher-Klimasystem Eingang finden. 4. Literatur Arneitz P., B. Meurers, D. Ruess, C. Ullrich, J. Abermann and M. Kuhn, 2013: Gravity effect of glacial ablation in the Eastern Alps – observation and modeling. The Cryosphere 7: 491–498. DOI: 10.5194/tc-7-491-2013. Bahr, D. B., M. F. Meier and S. D. Peckham, 1997: The physical basis of glacier volume–area scal ing, J. Geophys. Res. 102 (B9): 20,355–20,362. Bamber, J., 2012: Shrinking glacier under scrutiny, Nature 482: 482–483, doi:10.1038/nature10948. Blümcke, A. und H. Heß, 1897: Nachmessungen am Vernagt- und Guslarferner. Der Vernagtferner, Wissenschaftliche Ergänzungshefte zur Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins 1 (1): 99–112. Breili, K. and C. Rolstad, 2009: Ground-based gravimetry for measuring small spatial-scale mass changes on glaciers, Annals of Glaciology 50: 141–147. 358 Christoph Mayer und Reinhard Rummel Escher-Vetter, H., 2002: Zum Gletscherverhalten in den Alpen im zwanzigsten Jahrhundert, Klimastatusbericht 2001. Deutscher Wetterdienst: 51–57. Finsterwalder, R., 1953: Die zahlenmäßige Erfassung des Gletscherrückgangs an Ostalpengletschern, Zeitschrift für Gletscherkunde und Glazialgeologie 2/2: 189–239. Finsterwalder, S., 1897: Der Vernagtferner, Wissenschaftliche Ergänzungshefte zur Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, 1 (1): 5–96. King, M. A., R. Bingham, P. Moore, P. L. Whitehouse, M. J. Bentley and G. A. Milne, 2012: Lower satellite-gravimetry estimates of Antarctic sea-level contribution, Nature 491: 586–589, doi:10.1038/nature11621. Panet, I., J. Flury, R. Biancale, T. Gruber, J. Johannessen, M. R. van den Broeke, T. van Dam, P. Gegout, C. Hughes, G. Ramillien, I. Sasgen, L. Seoane and M. Thomas, 2012: A Concept for Future Earth Gravity Field Measurements from Space, Surveys in Geophysics 2012, doi: 10.1007/s10712-012-9209-8. Schlagintweit, H., und A. Schlagintweit, 1850: Untersuchungen über die Physikalische Geographie der Alpen. Barth, Leipzig, 600 S. Shepherd, A., E. R. Ivins and A. 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