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Warum Sex so gesund ist Lesen Sie, was die körperliche Liebe so einzigartig macht V O N M A R C I A K AY E as verbrennt Kalorien und fördert die Durchblutung? Was wirkt schmerzlindernd, muskelstraffend, hilft gegen Depressionen und gleicht einer Verjüngungskur – kostenlos und ohne aufwändige Geräte? Die Antwort lautet: Sex. Legitim, frei von Kalorien und an keine Mitgliedsbeiträge geknüpft, ist er oft buchstäblich die beste Medizin. Körperliche Liebe, insbesondere die regelmäßige Intimität mit einem liebevollen Partner, wirkt sich positiv auf unser Gefühls- und Seelenleben aus. Dafür gibt es immer mehr wissenschaftliche Anhaltspunkte. Dr. John Bancroft, Psychiater und Leiter des Instituts für Sexual-, Geschlechts- und Reproduktionsforschung im US-Bundesstaat Indiana, ist überzeugt: „Eine erfüllte und glückliche W 52 FOTO: © JON FEINGERSH/ZEFA/CORBIS 53 RD I MAI 2006 WA R U M S E X S O G E S U N D I S T Beziehung mit sexueller Vertrautheit tut uns gut.“ Kristina Towill, Paar- und Sexualtherapeutin aus der kanadischen Provinz Britisch-Kolumbien, glaubt, dass sich die positiven Effekte der körperlichen Liebe in einer zärtlichen Partnerschaft vervielfachen. „Sex als Teil einer Beziehung verbessert das geistige und seelische Wohlbefinden bei Männern und Frauen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Paare mit einem aktiven Liebesleben glücklicher sind als solche, die nicht oder nicht mehr beziehungsweise selten intim werden“, weiß Towill. die Muskeln, verbessert die Durchblutung, senkt den Cholesterinspiegel und bringt den Herzschlag auf Trab. Der Kanadier Dr. Richard Casey, Urologe und Redakteur einer Zeitschrift über Sexualmedizin, glaubt, dass regelmäßiger Sex sogar vor Herzerkrankungen schützt. Bei einer britischen Studie wurden 900 Männer zwischen 45 und 59 Jahren über einen Zeitraum von zehn Jahren beobachtet – Probanden mit weniger als zwei Orgasmen pro Woche starben doppelt so häufig an Herz-Kreislauf-Schwäche und anderen Erkrankungen als die aktiveren Männer. DAS 20-MINUTENTRAINING SCHATZ, ICH HAB’ MIGRÄNE Körperliche liebe ist anstrengender als lange vermutet. Dr. Jay Lee, Urologe und Sexualmediziner aus Calgary, Kanada, erklärt: „Wir gehen davon aus, dass ein Mann beim Geschlechtsakt etwa so viel Energie verbraucht wie während einer Partie Golf, bei der er seine Schläger selbst trägt.“ Eine Frau mit einem Gewicht von rund 70 Kilogramm verbrennt bei 20 Minuten moderatem Verkehr um die 90 Kilokalorien. Mehr, als sie etwa bei einem Spaziergang oder einer gleich langen entspannten Radtour verbrennt, und genauso viel wie bei einem Tennis-Doppel. Sex lässt wie jede körperliche Aktivität die Atemfrequenz steigen, stärkt Sex kann einen beginnenden Migräneanfall stoppen oder zumindest abschwächen. Von 34 Testpersonen, die an einer Studie im US-amerikanischen Illinois teilnahmen, berichteten elf, ganz oder teilweise schmerzfrei gewesen zu sein, nachdem sie zum Höhepunkt gekommen waren. Andere Tests haben gezeigt, dass Sex Menstruationskrämpfe lösen und Arthritisschmerzen lindern kann. Die im Gehirn ausgeschütteten Endorphine wirken wie ein Schmerzmittel. Im Fall von Migräne hat das beim Höhepunkt freigesetzte Serotonin zur Folge, dass sich die für die Migräne verantwortlichen erweiterten Blutgefäße im Gehirn wieder verengen. Ihnen gefällt unsere Zeitschrift, aber Sie sind noch nicht Abonnent? Oder möchten Sie ein Abonnement verschenken? Auf Seite 10 finden Sie alle Fakten. Übrigens, Abonnenten erhalten das Magazin früher als Kioskkäufer! 54 „Die Endorphinwerte sind für eine bis drei Stunden erhöht“, erklärt Lee. LUST AN DER KÖRPERLICHEN LIEBE Es bedarf keiner wissenschaftlichen Experimente, um nachzuweisen, dass die sexuelle Beziehung zu einem geliebten Menschen das Selbstwertgefühl steigert. „Du denkst: Ich bin vielleicht nicht schön genug für den Playboy, aber es ist mein Körper, und es ist alles in Ordnung damit“, beschreibt es die Sexualerzieherin und -beraterin Sue Johanson, die eine Sendung zum Thema Sex im kanadischen Fernsehen moderiert. Die Sexualtherapeutin und Autorin Sue McGarvie aus Ottawa fügt hinzu: „Sexualität stärkt den Glauben an die eigene Schönheit und schützt vor Komplexen, die mit dem eigenen Aussehen zu tun haben.“ Befriedigender Sex hilft bei Alltagsstress. Eine Frau, deren Ehemann oft geschäftlich unterwegs ist, gesteht: „Ist er länger als eine Woche weg, werde ich zunehmend unzufrieden, ich bin gereizt und unruhig.“ Der Sex bei seiner Rückkehr entspanne sie, und sie fühle sich danach wieder rundum wohl. HORMONE IM GLEICHGEWICHT Unser körper mag vorhersehbare Abläufe wie regelmäßige Essens- und Schlafenszeiten. US-amerikanischen Studien zufolge leiden Frauen, die wenigstens einmal wöchentlich mit dem Partner intim sind, seltener unter Zyklus- und Fruchtbarkeitsstörungen sowie Wechseljahresbeschwerden als Geschlechtsgenossinnen, die unregelmäßig oder keinen Sex haben. Regelmäßiger Verkehr in den Monaten vor einer Schwangerschaft führt möglicherweise zu weniger Komplikationen in dieser Zeit. Reproduktionsbiologen der Universität Adelaide, Australien, führten im Jahr 2002 Studien durch, die gezeigt haben, dass es dann seltener zu Abstoßungsreaktionen kommt, welche die Ursache für Fehl- und Totgeburten sein können. Untersuchungen an mehr als 1000 Frauen in Guadeloupe auf den Kleinen Antillen haben Folgendes ergeben: Frauen, die ihren Partner vier Monate oder kürzer kannten und von ihm schwanger wurden, hatten ein achtmal höheres Spätgestose-Risiko im Vergleich zu Frauen, die mit ihrem Partner schon seit einem Jahr oder länger intim waren. Spätgestose ist ein Bluthochdrucksleiden in der Schwangerschaft, das lebensgefährlich werden kann. UNERSCHÖPFLICHER JUNGBRUNNEN Der spaß im Bett ist wie eine umfassende Verjüngungskur. „Regelmäßige sexuelle Aktivität wirkt altersbedingten Veränderungen im weiblichen Körper entgegen beziehungsweise verlangsamt sie“, weiß Sexualtherapeutin Towill. „Die Durchblutung der Geschlechtsorgane wird verstärkt und hält das Bindegewebe elastisch.“ 55 RD I MAI 2006 Und: Sex macht schöner. Einer schottischen Studie zufolge werden Menschen, die mindestens dreimal pro Woche Sex als Teil einer ausgefüllten Partnerschaft praktizieren, im Allgemeinen bis zu zehn Jahre jünger geschätzt als Altersgefährten, die zweimal die Woche mit ihrer oder ihrem Liebsten Verkehr haben. Eine 55-jährige Frau aus Toronto vergewisserte sich im Spiegel, nachdem ihr Partner ihr mehrfach gesagt hatte, sie sähe nach dem Liebesspiel jünger aus. „Ich konnte es kaum glauben“, sagt sie, „aber ich wirkte tatsächlich um 20 Jahre jünger. Meine Augen glänzten, meine Haut war glatter, ich wirkte insgesamt lebendiger. Es war, als ob ich glühte!“ Eine 2003 an der Universität von Calgary durchgeführte Untersuchung lässt darauf schließen, dass die körperliche Liebe das Wachstum neuer Nervenzellen im Gehirn begünstigt. Obwohl die Versuche an Mäusen durchgeführt wurden, lassen die Ergebnisse durchaus positive Schlussfolgerungen für den Menschen zu. Und zwar im Zusammenhang mit Hirnschäden nach Schlaganfällen, bei Morbus Parkinson und bei der Alzheimer-Krankheit. SEX VERBINDET Sex sorgt für die emotionale Verbundenheit, die für langjährige Partnerschaften charakteristisch ist“, glaubt Towill. Ohne regelmäßigen Sex gehen Paare irgendwann nur noch wie Freunde oder Geschwister miteinander um – mit den dazugehörigen Konflikten und Streitigkeiten. Nach einer britischen Studie traten bei Paaren, die sich bereit erklärt hatten, drei Monate lang auf Sex zu verzichten, ausnahmslos Beziehungsprobleme auf. Guter Sex ist gesund. Die Herausforderung liegt nach Ansicht von Dr. Marjon Blouw, Hausärztin mit Schwerpunkt Sexualmedizin in Winnipeg, Kanada, darin, das sexuelle Vergnügen zu einer Priorität zu erklären. „Vielleicht“, überlegt sie, „sollte ich Sex mal auf Rezept verschreiben.“ MANIEREN Mein Mann hat – vorsichtig ausgedrückt – einen Bazillentick und rührt in Lokalen nie die Schälchen mit Nüssen und Chips an. Eines Abends gingen wir wieder mal in ein Lokal. Überall standen kleine Schüsseln mit Knabberzeug und einem extra Löffel. Daher hatte mein Mann keine hygienischen Bedenken und knabberte den ganzen Abend. Kurz bevor wir gingen, kamen offensichtlich Stammgäste und setzten sich an die Bar. Einer von ihnen, ein fast zahnloser Mann, schob sich einen Löffel voller Nüsse direkt in den Mund. Uns als ob das nicht genügte, leckte er den Löffel auch noch genüsslich ab. JENNIFER SMITH, Großbritannien 56