Handout Habermas
Transcrição
Handout Habermas
Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn Jürgen Habermas: Kommunikatives Handeln und Ich-Identität 1 Gesellschaftstheorie....................................................................2 1.1 Einleitung.....................................................................................2 1.1.1 Zentrale Unterscheidung in Habermas Gesellschaftstheorie......................3 1.1.2 Vergesellschaftung nach Habermas............................................................4 2 Sozialisationstheorie ...................................................................4 2.1 Entwicklung der „Ich-Identität“ ...................................................4 2.2 Adoleszenz................................................................................10 2.3 Rollentheoretische Einflüsse.....................................................13 3. Moralische Entwicklung und demokratische Erziehung in der Schule ...................................................................................15 4. Literatur......................................................................................19 Vorgelegt von: Larissa Braun Anna Kapelke Niels Niemeyer Hannah Uhle Silja Wichmann Timm Wohler Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn 1 Gesellschaftstheorie 1.1 Einleitung • Neubestimmung der normativen Grundlagen einer kritischen Theorie der Gesellschaft als Potentiale und Hindernisse individueller und gesellschaftlicher Emanzipation mit den Mitteln moderner Philosophie und Wissenschaften • Annahme der Allgemeingültigkeit der Idee der Freiheit und des daraus abgeleiteten Interesses an Mündigkeit als Maßstab einer kritischen Gesellschaftstheorie • Die „Idee der Mündigkeit“ hat ihr Fundament im Faktum der Sprache, wobei Sprache eine besondere gattungsspezifische Ausstattung des Menschen sei. • Sprechhandlungen beinhalten bestimmte „Geltungsansprüche“: Ein Sprecher unterstellt, dass: - Seine Aussage verständlich ist. - Die Aussage als „wahrhafter“ Ausdruck seiner Intention anerkannt wird. - Der Zuhörer der Aussage zustimmt (nach allen Argumenten), sofern es sich um die objektive Welt handelt. - Der Zuhörer von der Richtigkeit von normativen Aussagen überzeugt werden kann, wenn sich die Aussagen auf die soziale Welt beziehen. - Auch dort wo Sprache manipulativ eingesetzt wird, werden die oben genannten Unterstellungen gewahrt. Konstitutive Merkmale des Sprechens: - Verneinung möglich - Idee von Mündigkeit und Verständigung zwischen gleichberechtigten Beteiligungen möglich - „Telos der Verständigung“: normatives Fundament von Habermas Sozialphilosophie. Es ist die Rechtfertigung für die Forderung nach individueller und gesellschaftlicher Freiheit. • Sprache hat Rationalitätspotential (kommt allerdings nicht zwangsläufig zur Entfaltung) 2 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn 1.1.1 Zentrale Unterscheidung in Habermas Gesellschaftstheorie „instrumentelle Rationalität“ Die Menschen haben durch wissenschaftlichen Fortschritt die Natur unterworfen. Die moderne Wissenschaft und Technik in Form der instrumentellen Vernunft, wurde dabei allerdings zu einem destruktiven Instrument der Herrschaft. Der „instrumentellen Rationalität“ liegt die Form einer erfolgsorientierten, instrumentellen oder strategischen Handlungskoordination zugrunde. (Handeln primär durch Macht und Geld koordiniert) „kommunikative Rationalität“ Die Möglichkeit zu zwangloser und argumentativer Verständigung ist in der „kommunikativen Rationalität“ der Sprache angelegt. Sie beinhaltet das Potential der Freiheit und Mündigkeit. Der „kommunikativen Rationalität“ liegt die Form einer, durch Normen und Werten gesteuerten, auf Verständigung gerichtete, kommunikative Handlungskoordination zugrunde. • Nach Habermas droht die Gefahr, dass instrumentelle Rationalität (Macht und Geld) immer größere Bereiche sozialen Handelns einnehmen könnte und zur dominierenden Form der Handlungskoordination werde. Es ist für ihn aber auch denkbar, dass sich die Mitglieder der Gesellschaft dieser Entwicklung widersetzen und soziale Ordnungen entwickeln, die ihrer kommunikativen Rationalität entsprechen. 3 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn 1.1.2 Vergesellschaftung nach Habermas Systemintegration Hierbei findet die Integration durch Zwänge bzw. Sanktionen des Systems statt. Sozialintegration Sie ist gekennzeichnet durch gemeinsame Wertüberzeugungen und das Ergebnis von Sozialisationsprozessen, Interaktion und Kommunikation. Dabei ist sie auf Sprache, Rede und Widerrede, d.h. Begründungen angewiesen. Formen der Sozialintegration und Sozialisation lassen sich nach ihren unterschiedlichen Freiheitsgraden qualifizieren. 2 Sozialisationstheorie 2.1 Entwicklung der „Ich-Identität“ • Die Ausbildung einer starken Ich-Identität ist eine besondere Form der IchOrganisation. Eine „starke Ich-Identität“ ist gekennzeichnet durch die Vergesellschaftung einerseits und Individuierung andererseits, d.h. es soll den gesellschaftlichen Normen nicht blind vertraut werden, sondern eine diskursive Auseinandersetzung erfolgen. Dabei soll die Fähigkeit vermittelt werden nicht nur den Anforderungen der Gesellschaft zu genügen, sondern die Individuen sollen in die Lage versetzt werden eine kritische Distanz zu den ihnen abverlangten Rollen zu entwickeln. Eine „starke Ich-Identität“ wird somit als Fähigkeit zur prinzipiengeleiteten Balance zwischen unterschiedlichen Erwartungen im Rollenhandeln beschrieben. • Merkmale der „starken Ich-Identität“ lassen sich zusammenfassend als „kommunikative Kompetenz“ beschreiben. Dabei bezeichnen die Begriffe 4 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn kommunikative Kompetenz und Ich-Identität den gleichen soziopsychischen Sachverhalt. Sie bieten die idealen Voraussetzungen für „kommunikatives Handeln“. Sozialisation ist daran zu messen, ob sie Heranwachsende mit kommunikativen Kompetenzen ausstattet. • Um nachzuweisen, dass es sich hierbei nicht um ein idealisiertes Konstrukt handelt, weist Habermas unter Rückgriff auf Meads symbolischen Interaktionismus nach, dass kommunikatives Handeln in alltäglichen Interaktionen immer schon wirksam ist. • Um die Möglichkeit einer „starken Ich-Identität“ als Sozialisationsergebnis zu belegen, greift Habermas auf Ergebnisse der Entwicklungspsychologie zurück. Dabei ist für ihn von großer Bedeutung, dass die folgenden Autoren die Endpunkte der Ontogenese hin zur Individuierung beschreiben, ein Subjekt, das zu kommunikativem Handeln fähig ist: Freud und Erikson beschreiben einen stufenförmigen und krisenhaften Prozess der Entwicklung, in der das „Ich“ am Ende der Pubertät eine relative Balance zwischen Triebansprüchen und gesellschaftlichen Zwang erreicht. Auch wenn dieses noch fragil und temporär ist. Piagets Untersuchungen zur Intelligenzentwicklung führen zu drei Entwicklungsstufen (prä-operational, konkret Operieren, formale Operation). Dabei wird die letzte Stufe nicht von allen in vollem Umfang erreicht Kohlberg unterscheidet Stufen präkonventionelles des Niveau moralischen Bewusstseins: (Orientierung an den Handlungskonsequenzen), konventionelles Niveau (Normsystem der sozialen Bezugsgruppe), postkonventionelles Niveau (abstrakte Gesichtspunkte der Gerechtigkeit). Die letzte Stufe wird allerdings nur von einer gesellschaftlichen Minderheit erreicht. 5 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn Habermas nimmt an, dass die ontogenetische Entwicklung hin zu einer „starken Ich-Identität“ idealerweise in drei Stufen verläuft. Für jede Stufe sind typische kognitive Entwicklungsstände, bestimmte Formen der Interaktion, spezifische Handlungsmotivationen, charakteristische Wahrnehmungen von und mit Normkonflikten kennzeichnend. Dieser Bildungsprozess wird durch zunehmende Selbständigkeit (Autonomie) gekennzeichnet. Habermas verfolgt das Ziel eine erklärungskräftige Entwicklungstheorie in Rahmen der Ich–Identität zu erstellen, dazu verknüpft er das moralische Bewusstsein mit allgemeinen Qualifikationen des Rollenhandelns. Drei Abschnitte dienen ihm als Ablauf: - Strukturen kommunikativen Handels setzt er für die Wahrnehmung moralischer Konflikte voraus, diese ordnet er den kognitiven Fähigkeiten zu. - Diese Folgen allgemeiner Qualifikation des Rollenhandelns ordnet er den entwicklungslogischen Gesichtspunkten zu. - Aus den Stufen der interaktiven Kompetenz wird die Stufe des moralischen Bewusstseins abgeleitet. Habermas definiert die Grundbegriffe des kommunikativen Handelns wie folgt: als Wahrnehmung dementsprechend von konkreten intentionale Verhaltenserwartungen Handlungen; und generalisierte Verhaltenserwartungen, die wechselseitig miteinander verknüpft sind, also soziale Rollen und Normen, die Handlungen regeln; und Prinzipien, die der Rechfertigung bzw. Erzeugung von Normen dienen können; oder mit Normen verknüpft sind. Akteure, die miteinander kommunizieren. Orientierungen, soweit sie als Handlungsmotive wirksam sind. • Habermas orientiert sich an den drei kognitiven Stufen nach Piaget (I. Präoperationales Denken, II. Konkret-operationales Denken, III. Formal6 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn operationales Denken), diesen ordnet er bestimmte Merkmale (Verhaltensweisen) aus den folgenden Bereichen zu: Interaktion (unvollständige, vollständige Interaktion, kommunikatives Handeln und Denken) Handlungsebenen (konkrete Handlungen, Normsysteme, Prinzipien) Handlungsmotivationen (generalisierende Lust/Unlust, kulturell interpretierte Bedürfnisse, konkurrierende Bedürfnisinterpretation) Akteure (natürliche Identität, Rollenidentität, Ich-Identität) Die Ich-Identität entwickelt sich aus der natürlichen Identität, in der das Kind aus der Perspektive von Strafe und Gehorsam handelt und gelernt hat, sich von der Umgebung zu unterscheiden. Der natürlichen Identität folgt die Rollenidentität. Die Identität wird von der körperlichen Erscheinung der Akteure abgelöst, Akteure werden als rollenabhängige Bezugspersonen und als anonyme Rollenträger aufgefasst. Das Kind eignet sich symbolische Allgemeinheiten seiner Familienumgebung und die Handlungsnormen von Gruppen an. Die Rollenidentität wird durch die Ich-Identität abgelöst, in dieser Stufe können Personen ihre Identität unabhängig von Rollen und Normsystemen behaupten. Die Akteure begegnen sich als Individuen. Der Reifungs- und Lernprozess bewirkt die Sprach- und Handlungsfähigkeit eines erwachsenen Subjekts. 7 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn Allgemeine Strukturen des kommunikativen Handelns Qualifikationen des Rollenhandelns Kognitive Vorraussetzungen Niveau der Interaktion Handlungs-ebenen Handlungsmotivationen Akteure Normen Wahrnehmung von Motiven Akteuren I Präoperationales Denken Unvollständige Interaktion Konkrete Handlungen und Handlungsfolgen Generalisierte Lust / Unlust Natürliche Identität Verhaltenserwartungen verstehen und befolgen Handlungsintentionen (Wünsche) äußern und erfüllen Konkrete Handlungen und Akteure wahrnehmen II Konkretoperationales Denken Vollständige Interaktion Rollen, Normensysteme Kulturell interpretierte Bedürfnisse RollenIdentität Reflexive Verhaltenserwartungen (Normen) verstehen und befolgen Zwischen Sollen und Wollen (Pflicht / Neigung) unterscheiden Zwischen Handlungen / Norm und individuellen Subjekten / Rollenträgern unterscheiden III Formaloperationales Denken Kommunikatives Handeln und Diskurs Prinzipien Konkurrierende Bedürfnisinterpretationen IchIdentität Reflexive Normen (Prinzipien) verstehen und anwenden Zwischen Heteronomie und Autonomie unterscheiden Zwischen partikularen / allgemeinen Normen und Individualität / Ich überhaupt unterscheiden Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn 9 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn 2.2 Adoleszenz • „Kommunikative Kompetenz“ bezieht sich allerdings nicht nur auf Rollenkommunikation, sondern schließt die Fähigkeit ein, an „Diskursen“ teilnehmen zu können. „Diskurse“ bedeutet eine metakommunikative Form der Verständigung. „Diskurse“ zeichnen sich dadurch aus, dass alltäglich-normale Kommunikation in Frage gestellt wird. Dabei gehören zu einem „Diskurs“ die Komponenten Gleichberechtigung und Herrschaftsfreiheit. Ein „Diskurs“ stellt die höchsten Anforderungen an den Sprecher. „Kommunikative Kompetenz“ ist dann die Fähigkeit zum flexiblen und prinzipiengeleiteten Rollenhandeln und die Fähigkeit in Diskursen in kompetenter Weise über Geltungsansprüche zu verhandeln. • Für einen „herrschaftsfreien Diskurs“ ist eine ideale Sprechsituation notwendig, d.h. der einzige bestehende Zwang darf der „zwanglose Zwang des besseren Argumentes“ sein. Von einem „herrschaftsfreien Diskurs“ her, lassen sich Normen wie Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit begründen. Weil Verständigung in jeder Gesellschaft erforderlich ist, können diese Normen dann universelle Gültigkeit beanspruchen. • Unter gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen ist das Sozialisationsergebnis der „kommunikativen Kompetenz“ jedoch nicht der Regelfall. • Habermas sah jugendliche Protestformen nicht als Problem, sondern als emanzipatives Potential. - Annahme: Zwischen typischen Verläufen der Adoleszenz und den Formen der Identität besteht ein Zusammenhang, aus dem weiterhin die Entstehung einer politischen Orientierung entstehen kann. Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn Systematische Analyse der Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus werden mit den ontogenetischen Stufen zur Entwicklung der kommunikativen Kompetenz in Beziehung gesetzt. - Legitimationsprobleme führen zu heftigeren Verläufen der Adoleszenzkrise - Überwindung einer konventionellen Rollenidentität - neue Identitätsform : systemkritisches Potential • Adoleszenzkrise Heraustritt aus dem Familienverband, Vorbereitung auf Rollen im gesellschaftlichen Gesamtsystem - Egozentrische Selbstreflexion: „Wer bin ich? Wer werde ich sein?“ - Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Deutungsmustern, kulturellen Überlieferungen, sozialen Standards - Bemühung um eigenständige Position in Bezug auf Religion, Fragen bezüglich des Gesellschaftssystems, - Hinterfragen politischer Ordnung, wie z.B. Leistungsprinzip, Konkurrenz, und Wachstum - „Führen sie wirklich zu sozialen, humanen Fortschritt?“ Adoleszenzkrise ist nach Habermas eine identitätsbedeutsame Reifungskrise. - Aneignung der eigenen Identität durch Auseinandersetzung mit den überlieferten Traditionen • Verlauf und Ergebnis der Adoleszenzkrise - Unauffälliger oder dramatischer Verlauf ( individuell) - Unterscheidung zwischen Lösungskrise - Auseinandersetzung mit erwachsenen Autoritäten in der Frühadoleszenz und der anschließenden Identitätskrise - Fragen nach Selbstkonzept und Lebenssinn • Heftige Adoleszenzkrise: 11 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn Stark konflikthafte Ablösung von Eltern, kritische Überprüfung der Werte, Fragen nach dem Sinn des Lebens und des eigenen Tuns, phasenweise radikale Positionierungen. • Schwache Adoleszenzkrise: Fehlen der o. a. Anzeichen Der Verlauf der Adoleszenzkrise ist ausschlaggebend für die Entwicklung der jeweiligen Persönlichkeitsstruktur. Ausgangspunkt ist der Eintritt in die Jugendphase, die Rollenidentität zerbricht. • Drei idealtypische Identitätsformationen: 1. Retreatistisch orientiertes Subjekt Misslingen der Identitätsbildung – keine zwanglose Integration in die Gesellschaft, – keine Balancierung der verschiedenen Lebensbereiche – keine einheitsstiftende Lebensgeschichte Folge: Diffuse, gespaltene labile Identitäten 2. Bürgerliche Modalpersönlichkeit Berufsbezogene Rollenidentität - Moralische Urteile werden weiterhin auf konventionellem Niveau gefällt - Stabilisierung und Rekonstruktion der zerbrochenen Identität auf gleichem strukturellen Niveau durch berufsbezogene Rollenidentität 3. Gesellschaftskritisches Subjekt Flexible und prinzipiengeleitete Ich-Identität - Moralische Urteile werden auf postkonventionellem Niveau gefällt - Überwinden des strukturellen Niveaus • These nach Habermas: Je heftiger die Adoleszenzkrise durchlebt wird, desto wahrscheinlicher ist die Entwicklung einer reflexiven Ich-Identität 12 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn • Begründung: Durch Hinterfragen der vorhandenen Werte und Normen, Infragestellen der Autoritäten, Auseinandersetzung mit o. a. Thematiken Erfolgt eine eigene Erkenntnis über Relevanz und Konsensfähigkeit dieser. • Zentrale Theorieaussage: In der Adoleszenzkrise entscheidet sich, ob eine bedeutsame Umstrukturierung des Persönlichkeitssystems erfolgt. - Rollenidentität / Konventionelle Moralstufe oder - Ich-Identität / Postkonventionelle Moralstufe 2.3 Rollentheoretische Einflüsse Um eine starke Ich-Identität zu erreichen, muss das konventionelle Rollenverhalten überwunden werden. • Die grundsätzliche Kritik an Parsons Rollentheorie richtet sich auf die Ausblendung der Freiheitsgrade und den partiell repressiven Charakter in seinem Rollenbild. • Die Formulierung des üblichen Rollenkonzeptes lässt nach Habermas drei Dimensionen unberücksichtigt: 1. Das Integrationstheorem besagt, das eine Kongruenz zwischen Wertorientierungen und Bedürfnisdispositionen besteht. Dies würde bedeuten, dass das eingespielte Rollenhandeln zwischen zwei Personen für beide gleich befriedigend sei. Die „Reziprozität der Befriedigung“ wird von Habermas deutlich, Ausnahme dass ist. angezweifelt. die Alltägliche gegenseitige Rollensysteme Beobachtungen Bedürfnisbefriedigung sind eher durch machen eher die Herrschaft und Abhängigkeit gekennzeichnet. Jedoch besteht auf der Ebene des intentionalen Handelns ein gesicherter Gegensatz der Erwartungen und 13 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn des zu erwartenden Verhaltens. Aus diesem Grund stellt Habermas dem Integrationstheorem das Repressionstheorem gegenüber. Demnach ist vollständige Komplementarität der Erwartungen nur unter Zwang auf Basis einer fehlenden Reziprozität (wie im Integrationstheorem beschrieben) möglich. Das Integrationstheorem schließt aus, dass wir eine stabil eingespielte Interaktion nach Graden der Repressivität bewerten. 2. Nach dem Identitätstheorem besteht in stabil eingespielten Interaktionen eine Übereinstimmung zwischen der Rollendefinition und der Rolleninterpretation auf beiden Seiten. Habermas zeigt auf, dass Rollenhandeln immer wieder vom Handelnden interpretiert werden muss. Dabei hängt die Ausgestaltungsmöglichkeit von der Enge des Interpretationsspielraums ab. Aus diesem Grunde stellt Habermas den Identitätstheorem das Diskrepanztheorem gegenüber, nach welchem eine vollständige Definition der Rolle, die eine deckungsgleiche Interpretation aller Beteiligten initiiert nur in verdinglichten, Selbstpräsentation ausschließenden Beziehungen zu realisieren ist. Das Identitätstheorem schließt eine Differenzierung nach Graden der Rigidität der Rollendefinition und des entsprechenden Interpretationsspielraums aus. 3. Nach dem Konformitätstheorem beruht eine stabil eingespielte Interaktion auf der Kongruenz zwischen geltenden Normen und wirksamen Verhaltenskontrollen. Die institutionalisierte Wertorientierung (Rolle) und der internalisierte Wert (Motiv) entsprechen sich hierbei in der Weise, dass geltende Normen auch faktisch erfüllt werden. Dies würde bedeuten, dass Man aus beobachtbaren rollenkonformen Verhalten unmittelbar auf Verinnerlichung entsprechender Rollenerwartungen als Motiv des Handelns schließen dürfe. Nach Habermas Ursachen, z.B. hat Furcht rollenkonformes vor Verhalten Sanktionen, unterschiedliche Einsicht, unreflektierte Verinnerlichung, usw., weshalb er dem Konformitätstheorem den Begriff der Rollendistanz gegenüber stellt. Dieser beinhaltet, dass es vom Grad 14 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn und von der Art der Internalisierung abhängt, wie sich das handelnde Subjekt selbst zu seinen Rollen verhält. Autonomes Rollenspiel setzt demnach die internalisierte Rolle, sowie eine nachträgliche Distanzierung (im reflexiven Sinne) voraus. Das Konformitätstheorem schließt eine Unterscheidung nach Graden der Autonomie des Handelns aus. • Habermas sieht in den Theoremen von Parson eher den Ausnahmefall des Rollenhandelns, nicht aber die Regel. 3. Moralische Entwicklung und demokratische Erziehung in der Schule • Habermas hat sich nicht systematisch zum Erziehungsauftrag der Schule geäußert. Baumgart (2004, S.165) meint jedoch aus Habermas Theorienentwurf einige Schlüsse für die Funktionen, Probleme und Aufgaben in der Schule ziehen zu können: Schule ist auf der Folie habermascher Überlegungen einerseits durch Zweckrationalität (z.B. Selektion) gekennzeichnet. Gleichzeitig ist Schule nach Habermas aber ein Ort kommunikativen Handelns, in der die Ausbildung von „Ich-Identität“ gefördert oder blockiert werden kann. Demnach wäre eine Schule zu bevorzugen, die prinzipiengeleitetes Denken fördert und verständigungsorientiertes Handeln möglich macht. • Da Habermas sich mit der schulpraktischen Umsetzung seiner Intentionen nicht beschäftigt hat, greift Baumgart auf Überlegungen Kohlberges zur „Just Community-School“ zurück, die eine Moralerziehung nicht nur in der Bearbeitung moralischer Dilemmata vollzieht, sondern durch echte Partizipation zur Übungsstätte für kommunikatives Handeln wird. 15 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn Die Stufen der Moralentwicklung Prä-Konventionelle Ebene Stufe 1Orientierung an Bestrafung und Gehorsam -Vermeidung von Strafe (Schülersicht) - Bestrafung der Bösen (Lehrersicht)Stufe 2Instrumentellrelativistische Orientierung - eigene Bedürfnisse (z.T. auch die der anderen) werden befriedigt - Austausch von Gefälligkeiten und Vorteilen Konventionelle Ebene Stufe 3Orientierung an Personengebundener Zustimmung - hohes Maß an Konformität gegenüber stereotypen Vorstel lungen mehrheitlich für richtig befundenen Verhaltens - alle Menschen werden (orientiert an konventionellen Regeln) so behandelt, wie sie es wünschenStufe 4Orientierung an Recht und Ordnung - Autorität, festgelegte Regeln und Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung bilden Orientierungsrahmen - alle Menschen werden (orientiert an konventionellen Regeln) so behandelt, wie sie es wünschen Post-Konventionelle, autonome oder Prinzipiengeleitete Ebene Stufe 5Legalistische- oder Sozialvertrags-Orientierung - Richtigkeit einer Handlung bemisst sich nach individuellen Rechten und Standards die (nach kritischer Prüfung) gesamtgesellschaftlich getragen werden - Es wird erkannt, dass Regeln und Gesetze sich aus der Gerechtigkeit ergeben Stufe 6Orientierung an allgemeingültigen ethischen Prinzipien - Universelle Prinzipien der Gerechtigkeit, Gegenseitigkeit, Gleichheit der Menschenrechte und des Respekts vor der Würde des Menschen als individuelle Person Prinzipien, die jedes Mitglied in der Gesellschaft wählen würde, (…) Erziehung durch Demokratie 16 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn • Entwicklung Ziel der Erziehung - Demokratie das Mittel • Kritik; Jungen Menschen werden kaum/ keine Möglichkeiten zu aktiver Demokratie gegeben, weder in der Familie, noch in Kirchen, oder in den Medien • Einziger Ort: Schule Beispiel: Demokratische Schulen, in denen Kohlberg gearbeitet hat. Ansatz: „Ansatz der gerechten Gemeinschaft“ Beispiel für Demokratischen Umgang in „Kohlbergs Schule: Chance für Schülerin, die aus Schulgemeinschaft ausgeschlossen werden soll, aufgrund demokratischer Prozesse bleiben darf und sich dadurch in die nächste Stufe der Moralentwicklung begibt. 17 Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn Sozialisationstheorie „starke IchIdentität“ Sprache = Kohlbergs Moralstufen A d o l e s z e n s k r i s e + Kritische Rollentheorie instrumentelle Rationalität kommunikative Rationalität Rollendistanz Sozialintegration Systemintegration Piagets Entwicklungsstufen Repressionstheorem Diskrepanztheorem herrschaftsfreier Diskurs kommunikatives Handeln © Larissa Braun, Anna Kapelke, Niels Niemeyer, Hannah Uhle, Silja W Seminar: Sozialisation durch Bildung und Beruf WS 07/08 Dozentin: Gabriela Hahn 4. Literatur Baumgart, F. (Hrsg.): Tillmann, K.-J.: Theorien der Sozialisation. Erläuterungen, Texte, Arbeitsaufgaben. 3. Auflage. Bad Heilbrunn/Obb. 2004. S.151-196. Sozialisationstheorien. 14. Auflage. Reinbek bei Hamburg. 2006. S. 222-257.