Padre Pedro Guatemala
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Padre Pedro Guatemala
Padre Pedro Guatemala-Hilfe e.V. Projektbesuche 21.10. – 02.11.2015 Spendenkonten: Empfänger: Padre pedro Guatemala-Hilfe e.V. VR-Bank Ellwangen eG, IBA N: DE59 6149 1010 0060 4070 18 oder KSK Esslingen, IBAN: DE18 6115 0020 0000 2777 16 Verwendungszweck: „Straße/Wohnort“ Stiftungskonto: Empfänger: Liga Bank-Stiftung IBAN: DE79 7509 0300 0001 3600 00 Verwendungszweck: „Zustiftung SF Padre Pedro plus Straße/Wohnort“ Weitere Informationen auch im Int ernet unter www.padrepedro.de Text und Fotos: Johannes Schockenhoff Kennzahlen zu Guatemala (Quelle: Stiftung Weltbevölkerung, Datenreport 2014) Geburtenrate pro 1000 Einwohner Säuglingssterblichkeit pro 1000 Geburten Lebenserwartung in Jahren Männer/Frauen Bevölkerungsanteil <15 Jahre / >64 Jahre Bruttonationaleinkommen pro Kopf Städtischer Bevölkerungsanteil CO2-Emissionen in Mio. Tonnen p.a. (2012) Studierende pro 100.000 Einwohner Mobilfunkverträge pro 100 Einwohner Guatemala 31 23 68 / 76 40% / 5% 7.130 USD 50% 3,1 1899 106 Deutschland 8 3,3 78 / 83 13% / 21% 44.540 73% 199,7 3550 112 Mittwoch 21.10.2015 Heute ist ein besonderer Tag. Nicht nur weil ich wieder nach Guatemala fliegen kann, sondern heute auch mein Geburtstag ist. Die Geburtstagsfeier zuhause und die traditionelle Weinprobe mit meinen Freunden aus der Kirchengemeinde musste daher ausfallen, und auch das gemeinsame Frühstück mit Regina war eher frugal, musste ich doch um 7 Uhr bereits die S-Bahn zum Flughafen Stuttgart erreichen. Immerhin war der Flug mit KLM via Amsterdam und Panama nach Guatemala dann eine angenehme Überraschung. So viel Platz hatte ich in einem Economy-Flug selten, und alle Teilstrecken verliefen planmäßig. Bei den Zwischenstopps konnte ich direkt meine zahlreichen Geburtstags-Emails (und nebenbei auch noch ein paar geschäftliche) beantworten und während des Fluges den auch ganz passablen Service von KLM genießen. So verging die Zeit dann sprichwörtlich wie im Flug - na ja: die 19 Stunden vom Abflug in Stuttgart bis zur Ankunft in Guatemala abends um 20:30 Uhr Ortszeit (mit 8 Stunden Zeitverschiebung) habe ich dann doch gespürt – ich wurde ja keine 18! Am Flughafen holten mich Werner Römich und Maria-Elena, mein Patenkind aus der Casa Hogar, ab. Die Casa Hogar war dieses Mal auch der eigentliche Anlass meiner Reise, denn die letzte Reise lag ja erst ein halbes Jahr zurück. Am kommenden Samstag feiert jedoch die Casa Hogar ihr 25-jähriges Jubiläum, und da hatte mich Werner schon im Frühjahr dazu eingeladen. Mehr dazu dann am Samstag, wenn das große Fest stattfindet. Abends kam noch Claus Schieber zu Besuch, ein deutsch-stämmiger Ingenieur, der uns seit Pedros Tod vor allem in der Finca Amapa-Neu Candelaria unterstützt und dort in den letzten Monaten eine umfangreiche topographische Erfassung der Finca erstellt hat, die die Arbeitsgrundlage für ein größeres Wasser-Projekt von uns dort sein wird. Morgen früh wird es gleich nach Amapa gehen, daher wollen wir uns noch heute Abend mit Claus abstimmen. So ging dieser lange Tag – mein Geburtstag dauerte heuer ja 32 Stunden, wer hat schon so einen langen Geburtstag ! – dann erst um Claus Schieber (Mi tte) und Werner Römich (rechts) auf dessen Terrasse 23 Uhr (7 Uhr MESZ !) zu Ende, allerdings mit einem feinen Gläschen 23 Jahre altem Zacapa-Rum, meinem Mitbringsel für Werner aus dem Duty Free Shop in Panama. Jeder, der bislang Rum nur im Tee oder Cola trank, darf sich gerne bei seinem nächsten Besuch in Bietigheim davon überzeugen, dass sich Rum nicht hinter den besten Cognacs verstecken muss. Donnerstag 22.10.2015 Die erste Nacht mit 8 Stunden Zeitverschiebung ist naturgemäß immer etwas unruhig, schließlich lebe ich zuhause üblicherweise „traditionell“, d.h. arbeite tagsüber und schlafe nachts. Speziell bei unserem Sohn Julian ist das ja (noch?) nicht so ausgeprägt – sowohl bzgl. Arbeiten als auch bzgl. Schlafen - weshalb ihm eine solche Zeitumstellung immer viel einfacher fällt. Aber mit nunmehr 56 Jahren merke ich schon, dass man das nicht mehr so locker wegsteckt. Doch ich konnte einigermaßen gut schlafen, zumal die üblichen guatemaltekischen „Nebengeräusche“ wie Hundegebell oder Hahnenschreie heute Nacht weitgehend ausblieben. Auf Werners Terrasse genossen wir das Frühstück, umgeben von einem kleinen grünen Urwald, der einen vergessen lässt, dass man mitten in einer Millionenstadt lebt. Dieses Jahr haben wir uns nicht den Luxus eines Mietwagens gegönnt, denn Werner als „HalbGuatemalteke“ ist passionierter Busfahrer. So werde ich dieses Mal also noch so manche Fahrt in einem Indigena-Bus erleben dürfen, heute allerdings ging es komfortabler zu. Carlos Galvez, ein Guatemalteke mit kleiner Firma und Mitglied im hiesigen Rotary-Club, wird uns abholen. Wir haben ihn über Erich Richter, einen guten Freund Pedros und ebenfalls Rotarier, kennengelernt, als wir nach einem Partner gesucht haben, der mit uns auf der Finca Amapa-Nueva Candelaria für die 160 Familien Steinöfen, sogenannte „estufas“, baut. Die Familien auf der Finca kochen bislang alle in ihren Hütten über dem offenen Feuer, Rauch und Qualm führen aber zu vielfältigen gesundheitlichen Problemen. So leidet fast jeder hier an Atemwegerkrankungen. Die estufas sind einfache Öfen aus Ziegelsteinen mit einer Eisenkochplatte und einem Rauchabzug. So ein Ofen kostet umgerechnet 50 Dollar, und die ersten 10 hat uns Erich Richter spendiert. Nun haben wir vom Rotary-Club in Ludwigsburg eine weitere Spende erhalten und können für alle 160 Familien estufas bauen. Die Familien müssen 20% Eigenanteil bezahlen, denn auch hier gilt: was nichts kostet, ist nichts wert. Das bisherige Modell erscheint für die Familien hier jedoch zu klein, und so haben wir mit Carlos Galvez vereinbart, eine größere Kochplatte einzubauen. Zum Glück war Carlos Galvez sehr aufgeschlossen für die Verbesserungsvorschläge und hat zugesagt, daheim gleich einen neuen Prototypen zu bauen. Von links : Da rwin, Eva , Ca rlos Gal vez, Soledad vor einem neuen Ofen Am Nachmittag sind wir gemeinsam mit Darwin, unserem Agrar-Ingenieur und der Directiva (die alle 2 Jahre gewählte Führung der Finca) zusammengesessen und haben die sonstigen Projekte und die Finanzen besprochen. Unser Problem mit den Directivas ist deren kurze Amtszeit. Sie können zwar wiedergewählt werden, wechseln aber häufig nach 2 Jahren. Dies erschwert uns die Kontinuität bei den Ansprechpersonen. Die aktuelle Directiva in Amapa genießt aber unser volles Vertrauen, was vor allem an den beiden beteiligten Frauen, Soledad als Protokollführerin und Eva als Kassenwart, liegt. Wir kennen beide schon lange und sie engagieren sich - typisch für Frauen nicht nur in Guatemala - völlig uneitel und ohne eigenes Profilierungsgehabe für die Gemeinschaft. Zwischenzeitlich wickeln wir auch über Eva die Geldüberweisungen für die Projekte in Amapa ab, und ihre Abrechnungen sind ebenso transparent und korrekt wie die von Darwin. Ein wichtiges Thema war der Abschluss der Kaufpreiszahlungen durch die Familien. Die 160 Familien hatten 2002 die Finca über die staatliche Organisation „Fondo di Tierra“ erworben und mussten seitdem in mehreren Jahresraten den Kaufpreis abstottern. Einige Familien waren damit in Verzug, und solange nicht alle Familien bezahlt haben, wird das Eigentum nicht auf die Gemeinschaft umgeschrieben. Im März hatte uns die Directiva daher noch um Unterstützung gebeten, um die letzten ausstehenden Raten mit einem Darlehen abzugelten. Mittlerweile blieb nur noch eine Familie übrig, die aufgrund der Krankheit eines Kindes hohe Ausgabe für dessen medizinische Versorgung hatte und daher von uns noch ein kleines Darlehen benötigte. Für mich ist es ein besondere Freude, dass damit ein langer Prozess zu einem guten Ende kommt und die Familien hier, nun auch rechtlich abgesichert, auf ihrem eigenen Stück Land leben und arbeiten können. Wenn man die Lebensverhältnisse vieler noch ärmerer Menschen hier sieht, die weiterhin als Tagelöhner auf den Kaffeefincas der großen Finqueros arbeiten müssen, dann ist dieses Projekt – wie auch unsere zweite Finca Neu-Cabricán – ein wirkliches Musterbeispiel für nachhaltige Entwicklungshilfe. Leider ist auch bei einer solchen vordergründig ganz sozialen Aktion oft Korruption mit im Spiel, und das funktioniert so: der Finquero, ein meist reicher Mensch mit guten Verbindungen in die Politik, verkauft seine Finca zum „Marktpreis“ an Fondo di Tierra, einer staatlichen Stiftung für die Förderung des Landerwerbs durch indigene Familien. Diese leiht sich das Geld bei einer staatlichen Bank und zahlt den nun noch etwas reicheren Ex-Finquero bar aus. Die Familien erhalten ihrerseits einen Ratenkredit von derselben Bank und stottern den vermeintlichen Marktpreis Jahr für Jahr ab. Da sich aber schnell zeigt, dass der vermeintliche „Marktpreis“ weit über dem reellen Wert der Finca liegt und für die Familien kaum zu stemmen ist, erbitten diese von Fondo di Tierra einen Preisnachlass, der wie im Fall von Amapa schon mal bis zu 90% des ursprünglichen „Marktpreises“ betragen kann. Der Dumme ist in diesem Fall der Staat, der auf 90% des ausgelegten „Marktpreises“ sitzen bleibt (bei Amapa waren dies immerhin 9 Millionen Quetzales – über 1 Mio. Euro). Immerhin haben bei dem ganzen Spiel dieses Mal auch die Indigenas gewonnen. Amapa Neu-Candelaria war ursprünglich eine reine Kaffee-Finca. Die großen Finqueros hatten auf ihren Fincas Anlagen für die Weiterverarbeitung des Kaffees gebaut, sogenannte „beneficios“. Darin wird die gepflückte Kaffeebohne (in diesem Zustand „cafe maduro“ genannt) aus der Kirsche geschält, gewässert und anschließend getrocknet. Dieser sogenannnte „cafe pergamino“ erzielt einen höheren Preis und kann direkt an die Exporteure verkauft we rden. Der „cafe maduro“ hingegen kann nur an die lokalen Zwischenhändler, die coyotes (nomen est omen) zu einem entsprechend niedrigeren Preis verkauft werden. Pedro hatte daher in den Jahren 2012-2013 das beneficio unserer Finca instand gesetzt und mit den Familien zusammen den Kaffee zum „cafe pergamino“ weiterverarbeitet. Das hat in diesen beiden Jahren auch gut funktioniert, auch wenn Pedro teilweise jede Woche von Cabricán nach Amapa fahren musste, immerhin gut 6 Stunden Fahrtzeit (und das mit damals schon 84 Jahren!). Dem kleinen Erfolg machte dann der Kaffeerost, ein Pilz, der in ganz Mittel- und Südamerika große Schäden an den Kaffeepflanzen verursacht hat, ein Ende. Die Erntemenge auf der Finca ging um ca. 50% zurück, weswegen sich die Nutzung des beneficios mit seinen Fixkosten nicht mehr rentierte. Notgedrungen müssen die Kleinbauern nun ihren Kaffee wieder an die coyotes verkaufen. Damit sie mittelfristig ihre Erträge wieder steigern können - und vielleicht dann wieder das beneficio nutzen können - haben wir mit finanzieller Unterstützung durch die Stadt Bietigheim-Bissingen ein Aufpflanzungsprojekt gestartet. Die beiden letzten Jahre konnten so jeweils ca. 8000 junge Kaffeestauden auf der Finca gepflanzt werden. Dieses Jahr hätte das Programm fortgesetzt werden sollen, aber aufgrund der Trockenheit konnten die jungen Pflanzen nicht gesetzt werden. So haben wir kurzfristig beschlossen, das Geld besser in Spritzaktionen zu investieren, um die noch vorhandenen Stauden besser gegen den Rostpilz zu schützen. Jetzt muss ich nur noch meinem Oberbürgermeister zuhause und seinem Gemeinderat erklären, dass wir das Geld zweckentfremdet verwendet haben, aber ich hoffe dort auf Einsicht und Vertrauen in unsere Einschätzung vor Ort. Den Abend ließen wir bei einem Gallo (gesprochen gayo - ein gutes guatemaltekisches Bier) auf der Terrasse des Finquero-Hauses ausklingen. Momentan macht ein Agrarökonomie-Student ein einjähriges Praktikum auf der Finca, vermittelt von Fondo di Tierra. Daniel, so heißt der junge Mann, hat seinen Bachelor an der staatlichen Universität San Carlos gemacht und möchte anschließend den Master in Mexiko oder Südamerika machen. Er soll eine Bestandsaufnahme für weitere Entwicklungspotentiale der Finca erstellen, was für uns eine ideale Grundlage für mögliche zukünftige Projektentscheidungen wäre. Wir hoffen natürlich auf einen praktischen Nutzen für uns. Freitag 23.10.2015 Wir schlafen in Amapa zwar im ehemals noblen Finquero-Haus, aber es ist so in etwa wie im Film „The Best Exotic Marigold Hotel“. Der Charme vergangener Jahre ist nur noch mit viel Fantasie zu erkennen, und man teilt ihn mit Skorpionen, Moskitos und sonstigem Ungeziefer. Das Haus hat zwar einen Wassertank und ehemals schöne Bäder, aber ohne Wasser im Tank sind diese auch nur ein Schatten ihrer selbst (was auch für die Klospülung gilt). Die morgendliche Wäsche erfolgt an einer Wassertonne, die in der Dusche steht, und fällt entsprechend knapp aus. Für eine Nacht ist das für uns Männer auch kein Problem, für Regina, die dieses Mal zuhause geblieben ist, sind die Übernachtungen auf den Fincas aber immer grenzwertig. Nichts von ihrer Schönheit eingebüßt hat die Morgenstimmung auf der Terrasse, wenn die Temperaturen angenehm lauwarm sind und die Sonne sich langsam aus dem dichten Kaffee-Wald erhebt. Auch Julian, der 2012/2013 hier ein halbes Jahr gelebt hatte, genoss diesen Blick, was so manche Fotos mit Zigarre und Gallo belegen . Heute geht es um das momentan wichtigste Projekt in Amapa, die Wasserversorgung. Nicht ohne Grund ist der Tank des Finquero-Hauses momentan leer, denn Wasser ist auf der Finca ein knappes Gut. Der Rio Ixapa, der durch die Finca fließt und bislang als Trinkwasserreservoir genutzt wurde, ist durch die Abwässer einer Nachbarfinca kontaminiert. Die Familien müssen daher das Trinkwasser in großen Fässern von einer Nachbarfinca kaufen und transportieren. Bereits bei unserem Besuch im März hatten wir drei kleinere Quellen inspiziert, deren Wasser bislang noch ungenutzt in den Fluss fließt. Zwischenzeitlich wurden die Quellen gefasst und mit einer provisorischen Leitung zu einer zentralen Wassersammelstelle geleitet. Nachdem zwischendurch die Behelfsrohre vom Hochwasser wieder weggeschwemmt wurden, fließt jetzt frisches Quellwasser in die „pila“, von der die Kinder das Wasser dann in großen Krügen auf dem Kopf zu den Hütten tragen. Das ist schon ein erster großer Fortschritt, das Trinkwasser muss nicht mehr mit Hilfe von Pick-Ups herbeigeschafft werden. Wir wollen nun das vorhandene Quellwasser in einem stabilen Leitungssystem, das nicht beim nächsten Regenguss weggeschwemmt wird, zu einem neuen Tank und von dort zur bestehenden pila und zu einer zweiten Entnahme-Stelle im anderen Teil der Finca leiten. Claus Schieber hat dazu eine topographische Skizze erstellt, um mit minimalem Gefälle die mehrere Kilometer lange Distanz zur zweiten Entnahme-Stelle überbrücken zu können. Des weiteren möchte er Wasch- und Duschkabinen bauen und das Abwasser für die Bewässerung der Felder nutzen. Auch für dieses Projekt hat uns der Rotary-Club Ludwigsburg bereits Unterstützung zugesagt, und ich hoffe, dass wir den hierfür notwendigen Projektantrag noch im November fertigstellen können. Am Nachmittag schauten wir noch die Baustelle der Kirche an. Die Familien haben auf Eigeninitiative begonnen, eine kleine Kirche zu bauen. Es ist für mich immer wieder bewundernswert, mit welchen Mitteln, auch finanzieller Art, sich die Menschen hier engagieren. Welche Gemeinde bei uns zuhause würde schon einen Kirchenneubau komplett mit eigenen Mitteln beginnen? Natürlich haben die Familien uns um Mithilfe gebeten, und ich werde das Projekt auf jeden Fall bei Adveniat vorstellen (Guatemala ist 2015 Partnerland von Adveniat, daher stehen die Chancen gut, ein Projekt genehmigt zu bekommen). Guatemala wird auch das Land der Gegensätze genannt – gesellschaftlich, kulturell, landschaftlich. Und auch kirchlich! Den Kontrast zu dem kleinen Kirchenbau auf unserer Finca konnten wir heute Nachmittag dann auf der Rückfahrt in die Hauptstadt erleben. Dort hat ein reicher Sekten-Chef die „Casa de Dios“ gebaut, eine Kombination aus Fernsehstudio und Konzertsaal, in dem Sonntag für Sonntag jeweils 12.000 „Gläubige“ zu 2 Gottesdiensten zusammenkommen. Diese gleichen großen, voll durchorganisierten Shows, und am Ende wird natürlich nicht versäumt, den Klingelbeutel rumgehen zu lassen. Vermutlich kann man die Kollekte hier auch gleich per Kreditkarte begleichen. Bislang ist diese „Kirche“ noch die einzige dieser Organisation in Guatemala, aber weitere sind geplant. Allein an der Casa del Dios hier arbeiten permanent 200 Mitarbeiter, die meisten davon als Handwerker, Gärtner, Ordner, Platzanweiser usw. Die Dimension des Parkplatzes lässt auf die Zielgruppe schließen, sicher nicht einfache Familien, die mit dem Indi gena-Bus anreisen. Eine Mitarbeiterin hat uns immerhin sehr nett und ausführlich das „Gotteshaus“ und den sonntäglichen Ablauf erklärt. Pedro wird sich im Himmel sicher entsetzt abgewendet haben, dass wir in einem solchen „Tempel“ gelandet sind – aber es war ja nur zum Anschauen! Links die Baumeister der Ki rche in Amapa – rechts die bombas tische Casa de Dios Den Spätnachmittag nutzte ich in der Casa Hogar zum Lesen meiner Mails. Die Flüchtlingskrise in Europa lässt mich auch in Guatemala nicht los. Seit in Bietigheim-Bissingen vor einer Woche 150 Asylbewerber in einer Turnhalle einquartiert wurden, musste die Arbeit mit den Flüchtlingen auf Krisenmodus umgestellt werden. Planbar ist da nichts mehr, es gilt nur das Chaos jeden Tag so gut wie möglich zu beherrschen. Der AK Asyl hat in den letzten Wochen enormen Zulauf bekommen und so wird die Hilfe für die Flüchtlinge mittlerweile größtenteils per Mail organisiert– planmäßige Besprechungen und Arbeitskreissitzungen können mit den Ereignissen nicht mehr Schritt halten. Immerhin kann ich auch von hier einige Mails an die Engagierten in unserer Kirchengemeinde weiterleiten. Und so finden sich spontan Helfer, die die neuangekommenen Flüchtlinge am Samstag zum Handball und am Sonntag zum Eishockey begleiten werden – unsere Bietigheim-Bissinger Bundesligavereine hatten dazu eingeladen! Armut und Flucht sind auch (wieder) bei uns in Deutschland präsent, und eine wirkliche Lösung wird es nur geben, wenn man die Fluchtursachen eliminiert. Damit bin ich also nach ca. 50 Mails (davon auch noch ein paar geschäftliche) wieder mit dem Kopf in Guatemala und überzeugt, dass unsere Arbeit hier absolut wichtig und notwendig ist. Samstag 24.10.2015 Heute feiert die Casa Hogar ihr 25-jähriges Jubiläum. 1990 haben Werner Römich und ein guatemaltekischer Lehrerkollege – Don Maco - dieses Kinderheim gegründet. Heute wohnen hier 30 Kinder, die - liebevoll betreut und begleitet - fast alle bis zum Abitur gelangen. In der Casa Hogar arbeiten auch regelmäßig österreichische Zivildienstleistende (Zivildiener, wie man dort sagt) mit, die die Kinder bei den Hausaufgaben betreuen und Freizeitangebote organisieren. Die Casa Hogar finanziert sich über Patenschaften, und auch ich habe eine solche Patenschaft vor vielen Jahren übernommen. Mein Patenkind, Maria Elena hat gerade ihr Abitur gemacht und wird im Januar mit dem Studium (Stadt- und Bauplanung) an der staatlichen Universität San Carlos beginnen. Die Casa ist wie eine große Familie, die Älteren sind für die Jüngeren wie große Geschwister. Hier spürt man wirklich einen guten Geist, von dem die Kinder hoffentlich etwas mit in ihr späteres Leben mitnehmen werden. Der Jubiläumstag begann mit der Erstkommunion von 12 Casa-Kindern. Die Kapelle der Casa hat Pedro vor vielen Jahren auf Wunsch von Werner Römich gebaut, und so erinnern mich die Gottesdienste hier auch immer wieder an Pedro. Die Kinder waren wie bei uns festlich weiß gekleidet, auch hier ein Land der Gegensätze, wenn man sieht, wie sich die Menschen für die kirchlichen Feste herausputzen und anschließend wieder in ihre einfachen, auf dem Land oft ärmlichen Alltagsklamotten schlüpfen. Am Nachmittag stand dann ein großes Sportturnier auf dem Programm. Ephraim, der Leiter der Casa, legt großen Wert auf sportliche Aktivitäten, und im Volleyball gehören die Mädchen- und JungenMannschaft zu den besten Schulteams Guatemalas. Ich musste natürlich auch mitspielen, und auch dabei erlebte ich wieder ein Land der Gegensätze: 1. Spiel 15:0 für uns, 2. Spiel 0:15 gegen uns! Aber Spaß gemacht hat es trotzdem. Am Abend – hier wird es um 18 Uhr dunkel – wurde dann noch die neue Flutlichtanlage eingeweiht, die das österreichische Sportministerium finanziert hat. Abends gab es dann viele Reden, große Geburtstagstorten (die Guatemalteken sind unheimlich süße Nascher) und eine Theatervorführung der Kinder über den Popol Vuh, die historische Überlieferung, wie der MayaMensch aus Erde und Mais entstanden sein soll. Pedro hat diese Maya-Vorstellung in einer sehr schönen geschnitzten Marienstatue aufgegriffen: Maria hält das Jesuskind im Arm, das aus einer Maispflanze herauswächst. Ich konnte an diesem Abend auch Lehrer der österreichischen Schule kennenlernen, von denen sich einige ehrenamtlich in der Casa Hogar engagieren. Mit einem eigenen Verein unterhalten sie zudem bilinguale Schulen im Hochland, in denen sowohl in Spanisch als auch in den Maya-Dialekten unterrichtet wird. Ich konnte viele Parallelen zu unseren beiden Schulen in Cabricán und Huitan erkennen und wurde bestätigt in der Einschätzung, dass die staatlichen Schulen zwar ein fast doppelt so hohes Lehrergehalt bezahlen, aber die Qualität sich eher umgekehrt proportional verhält. Eine gute Bildung für die indigene Bevölkerung sicherzustellen ist nach wie vor die zentrale Herausforderung, um in der guatemaltekischen Gesellschaft mehr Gerechtigkeit zu erzielen. Für mich sind solche Austausche immer wieder wichtig, da wir nicht so unmittelbar und permanent mit den Verhältnissen hier vertraut sind. Wir müssen uns immer wieder hinterfragen lassen, ob wir die richtige Ausrichtung und Gewichtung unserer Proje kte haben. Heute Abend konnte ich mich einmal mehr bestätigt fühlen, dass wir mit unseren Projekten hier die richtige Kombination aus langfristigen Veränderungen (durch Bildung) und kurzfristigen Verbesserungen (durch unsere landwirtschaftlichen und ökonomischen Projekte) haben. Sonntag 25.10.2015 Vor 7 Wochen fanden die Präsidentenwahlen in Guatemala statt, und diese waren geprägt durch einen großen Korruptionsskandal, in den der bisherige Präsident Otto Perez verwickelt war. Korruption und Drogenhandel sind die beiden Hauptübel der guatemaltekischen Politik, und es gibt keinen Politiker, egal welcher Partei, der nicht in einen dieser Sümpfe verstrickt ist. Bislang hatten die Politiker es aber verstanden, auch die staatlichen und gesellschaftlichen Aufsichtsbehörden so zu korrumpieren, dass von dieser Seite keine (Aufklärungs-) Gefahr drohte. Doch dieses Mal zeigte die Justiz erstmals Zähne und am Ende landeten zuerst die Vizepräsidentin Roxana Baldetti und anschließend auch noch der Präsident Otto Perez hinter Gitter. Den Guatemalteken war es nun endgültig klar geworden, dass alle Politiker korrupt und nicht wählbar waren. Doch leider lässt sich binnen weniger Wochen kein weißer Ritter aus dem Hut zaubern, und so konnte ein sogenannter Spaßkandidat, Jimmy Morales, der „Beppo Grillo Guatemalas“ (er moderiert im Fernsehen u.a. eine große Comedy-Show) im ersten Durchgang die meisten Stimmen erzielen. Vielleicht ist ja sein Name Programm und er kann in die Fußstapfen seines bolivianischen Namensvetters Evo Morales treten. Heute fand nun die Stichwahl zwischen ihm und Sandra Torres statt. Auch sie hat eine bewegte Vergangenheit, gehört der sozialdemokratischen Partei an und war in der Vorvorgängerregierung unter ihrem Ehemann Alvaro Colom Sozialministerin. Sie schüttete ein dickes Füllhorn von Sozialleistungen über das Volk aus, weswegen sie damals von Pedro durchaus positiv bewertet wurde. Von etwas kritischerer Seite wird sie allerdings als sehr populistisch und nicht weniger korrupt als die meisten anderen der etablierten Politiker bezeichnet, landete doch wohl ein Großteil des Sozialetats in privaten Taschen (sie muss sich wohl deswegen auch noch vor Gericht verantworten) . Nach guatemaltekischer Verfassung darf ein Präsident nicht unmittelbar wieder kandidieren, und ebenso seine Verwandten nicht. Damit will man an sich eine Vetterleswirtschaft vermeiden. Gut gemeint, doch Sandra Colom, wie sie damals noch hieß, dachte schlauer zu sein. Sie ließ sich von ihrem Ehemann und damals noch amtierenden Präsidenten scheiden und wollte so das Verwandtschaftsverbot umgehen. Dem schob die Wahlkommission vor 4 Jahren aber einen Riegel vor, so dass sie seitdem viel Zeit hatte, sich mit ihrem Ex-Ehemann zu vergnügen, denn Haus und Bett wollte sie nie ernsthaft trennen. Nach 4 Jahren der Politikabstinenz konnte sie im ersten Durchgang immerhin das zweitbeste Resultat erzielen, aber doch deutlich hinter dem politisch unbelasteten, aber eben auch nicht einschätzbaren Jimmy Morales. Jedenfalls sind heute alle sehr gespannt auf den Wahlausgang. Der Tag verlief überraschend ruhig, selbst in San Jose del Idolo, der Stadt, zu der unsere Finca Neu-Cabricán gehört, herrschte eine fast schon entspannte und fröhliche Atmosphäre. Das war keineswegs selbstverständlich, denn am 6. September, dem ersten Wahldurchgang, wurden hier noch Wahlzettel verbrannt. Lassen wir uns überraschen, heute Abend wissen wir mehr. In der Casa war es heute morgen noch recht ruhig, die Kinder und Jugendlichen hatten gestern Abend noch bis 2 Uhr eine Disco veranstaltet und krochen erst allmählich aus den Federn. Wir hingegen machten uns um 10 Uhr mit dem Bus auf in Richtung Neu-Cabricán. Dank Werners Begleitung und dem ruhigen Sonntagsverkehr gestaltete sich das auch unerwartet reibungslos. Da die Busse das einzige Überlandverkehrsmittel sind – die letzte Eisenbahnlinie zum Atlantik wurde noch vor dem 2. Weltkrieg eingestellt -, gibt es ein engmaschiges Busnetz mit permanenten Abfahrten. Man kann wählen zwischen Pullmann-Bussen (meistens in den USA ausgemusterte Greyhounds) und dem „Indigena-Bus“. Für kürzere Strecken gibt es dann noch allerhand Minibusse. Beifahrer und Kassierer schreien lauthals ihre Reiseziele, so dass man nur den Ansagen folgen muss. Die Strecke von der Hauptstadt bis nach San Jose del Idolo, für die wir mit dem Auto ca. 3 Stunden gebraucht hätten, schafften wir mit zweimal Umsteigen in 4 Stunden – da kann man nicht meckern. Zudem braucht man sich nicht mit geplatztem Kühlwasserschlauch, Reifenpanne, leerem Benzintank oder heißem Motor (alles hier schon erlebt!) beschäftigen – jetzt weiß ich, warum Werner hier so gerne Bus fährt. In San Jose del Idolo hatten wir uns mit Darwin am Parque Central verabredet - aber erst um 4 Uhr, wir waren bereits um 2 Uhr dort! Doch kaum saßen wir mit einer Portion gefüllter Paprika in der Hand im Park, kamen schon Männer von unserer Finca auf mich zu und begrüßten mich mit „Ola Juan, buen viaje?“. Sie waren zum Wählen in San Jose del Idolo und wollten uns so oder so später dann in Empfang nehmen. So ging es dann nach kurzer Essenspause die letzten 10km Schotterstraße auf der Pick-Up-Pritsche zur Finca. Die Finca Neu-Cabricán wurde bereits 2001 von ursprünglich 80 Familien aus Cabricán übernommen, ebenfalls vermittelt über die Stiftung Fondo di Tierra. In Cabricán hatten die Familien mit ihren zahlreichen Kindern kein Auskommen mehr, und während der Ernte sind die Männer auch früher schon öfters als Tagelöhner an die Küste auf die großen Fincas gezogen. Daher packten sie die Gelegenheit, über Fondo di Tierra selbst dort Land zu erwerben, beim Schopfe. In Neu-Cabricán leben aktuell ca. 90 Familien, viele haben 5 und mehr Kinder. Die Finca war ursprünglich eine reine Viehfinca, doch die Familien aus dem Hochland von Cabricán sind keine Viehzüchter, sondern Bauern und haben daher nach und nach die Finca stärker landwirtschaftlich genutzt: Mais, Bohnen, Gemüse, Obst – der Boden hier ist sehr fruchtbar und dank ausreichendem Wasser können sie 2 bis 3 Mal im Jahr ernten. Die reine Landwirtschaft hat aber den Nachteil, dass sie fast nur subsidiar ausgerichtet ist, d.h. die Familien erwirtschaften damit kaum Erlöse, zumal ihre Produkte auch nur geringe Preise auf dem Markt erzielen. Wir sind daher immer wieder mit Darwin und den Familien bzw. den vielfältigen Komites, die hier immer sofort gegründet werden, wenn es neue Aufgaben gibt, im Gespräch, wie sie man nachhaltigere Erlöse erzielen kann. Mit viel Enthusiasmus hatten sich immer sofort eine Handvoll Familien gefunden, die Hühner, Fische oder Rinder großziehen wollten – doch bei Rückschlägen fühlte sich niemand mehr so richtig verantwortlich. Seid wir (schweren Herzens) Abschied von Gemeinschaftsprojekten genommen haben und die Familien dabei unterstützen, für sich selbst im kleineren Umfang ein paar Schweine, Hühner oder Fische zu halten, klappt es plötzlich. So konnte dieses Jahr jede Familie 2-3 Schweine erhalten, 20% der Kosten müssen sie dabei selbst tragen, denn was nichts kostet, wird nicht wertgeschätzt. Im Sommer hatte ich für die Fortsetzung dieses Projektes einen Projektantrag bei der SEZStiftung für Entwicklungszusammenarbeit Baden-Württemberg eingereicht und kurz vor meiner Abreise nach Guatemala kam der freudige Bescheid, dass wir hierfür 20.000 Euro genehmigt bekommen. So können nochmal 5 Schweine pro Familie gekauft und kleine Ställe an den Hütten gebaut werden. Bei unserem Rundgang über die Finca habe ich deshalb dieses Mal ganz neuartige Foto-Motive gehabt: Schweine, Schweine und nochmals Schweine. Die Familien sind von dieser „Sauerei“ aber sehr angetan und freuen sich schon auf die noch größere im nächsten Jahr. Bis Darwin kam absolvierten Werner und ich einen ersten Rundgang und inspizierten die Estufas und Latrinen, die wir dort seit letztem Jahr bauen ließen. Die Estufas (Öfen) und Latrinen waren ein Projektvorschlag unseres Arztes Dr. Munoz, der zweimal im Monat auf die Finca kommt. Bislang hatten die Familien alle – wie in Amapa – noch über dem offenen Feuer gekocht, und die Toiletten bestanden aus einem Loch, nicht weit von den Hütten entfernt. Atemswegserkrankungen und Durchfall waren die häufigsten Krankheiten auf der Finca. Mit den gemauerten Öfen sind die Hütten nun rauchfrei und die Latrinen haben eine Entlüftung. Für uns in Europa sind das selbstverständliche Minimalstandards, für die Menschen hier aber eine erhebliche Verbesserung ihrer Lebensqualität. Entsprechend dankbar und glücklich sind sie. Am Abend saßen wir dann noch mit Darwin über seinen Projektabrechnungen zusammen. Neben den genannten großen Projekten haben wir auf der Finca noch diverse kleinere Projekte, z.B. die Produktion von biologischem Dünger, die Anlage eines Musterobstgartens mit diversen Obstsorten, die hier gut wachsen, oder der Kauf von kleinen Pumpen für die Feld-Bewässerung. Daneben bezahlen wir noch ca. 50 Schulkindern und Jugendlichen sogenannte becas (Stipendien), mit denen vor allem arme Familien unterstützt und animiert werden sollen, ihre begabten Kinder zur Schule zu schicken. Auf der Finca sind eine Primaria (Grundschule) und ein Basico (Mittelschule), für weiterführende Schulen müssen die Jugendlichen nach San Jose del Idolo oder Mazatenango gehen - und dort dann auch ein eigenes Zimmer suchen. Da die Beurteilung der Bedürftigkeit für diese becas für uns sehr schwierig ist, haben wir beschlossen, diese auslaufen zu lassen. In Amapa handhaben wir das genauso, auf den beiden Fincas werden wir uns daher auf die Projekte konzentrieren, die allen Familien zugute kommen. Kurz vor dem Schlafengehen konnte Darwin dann schon das Ergebnis der Präsidentschaft bekanntgeben: fast 70% für Jimmy, 30% für Sandra – hier werben alle Politiker mit ihrem Vornamen – eine klare Entscheidung! Hoffen wir, dass es auch gute Entscheidung für Guatemala sein wird, das allerdings wissen wir dann voraussichtlich erst in 4 Jahren. Montag 26.10.2015 Noch vor dem Frühstück starteten wir um 7 Uhr mit einem weiteren Rundgang über die Finca. Darwin zeigte uns nochmal mehrere Familien, die in Eigeninitiative unterschiedliche Schweineställe gebaut hatten – mal mit gemauerten Böden, mal mit großen Flusssteinen, zwischen denen der Dreck praktisch abfließen kann. Er wird sich mit den Familien einen „Standardstall“ ausdenken, der mit möglichst einfachen Mitteln von den Familien selbst gebaut werden kann. Auch die ersten Ferkel konnten wir schon begutachten, die Schweine tun also ihre Pflicht! Bei zwei Familien konnten wir auch kleine Fischbassins begutachten. Die Fischzucht war ein jahrelanges Steckenpferd-Projekt von Padre Pedro, und er hat schon vor vielen Jahren den ersten Teich anlegen lassen. Doch gerade hier zeigte sich, dass die Familien lieber jeder für sich wirtschaftet. Im Zweifel fühlt sich niemand für die Gemeinschaftsprojekte verantwortlich, die Fische hatten nicht genug Sauerstoff, der Teich war nicht abgedeckt und die Vögel fraßen die kleinen Fische oder es wurden Fische aus dem Teich gestohlen. Bei den beiden Familien, die direkt an ihrer Hütte kleinere Bassins angelegt haben, gibt s diese Probleme nicht mehr. Daher haben wir auch bei dem Schweinezucht-Projekt beschlossen, dass jede Familie ihre eigenen Tiere bekommt und die Ställe zum Schutz vor Diebstahl direkt an den Hütten gebaut werden - Platz genug haben sie. Nicht immer ist das, was wir uns aus europäischer Sicht vorstellen, das Richtige, und nur weil wir gerne Gemeinschaftsprojekte hätten, denken die Menschen hier noch lange nicht so! Also haben auch wir dazugelernt, achten aber darauf, dass möglichst alle Familien sich an den Projekten beteiligen können – eben jede für sich. Bei der abschließenden Versammlung mit den Familien habe ich unsere Überlegungen vorgetragen. Ich hatte das auf der Hinfahrt schon ausführlich mit Werner besprochen, da ich hierzu auch seine Meinung hören wollte, schließlich lebt er seit über 40 Jahren hier und hat als ehemaliger Entwicklungshelfer einen ganz anderen Erfahrungshintergrund als wir. Er hat mich auch weitgehend in unserer Einschätzung bestärkt, so dass ich mit unserer Vorgehensweise hier nun ein sehr gutes Gefühl habe. Vielleicht können wir ja als nächstes für jede Familie auch noch eine Kuh anschaffen, denn die Finca war früher, als sie noch vom Finquero betrieben wurde, eine reine Viehfinca. Daher hat auch jede Familie noch ein kleines Stück Weideland. Eine Kuh ist allerdings auch hier sehr teuer, ein Jungvieh kostet ca. 500 Euro und erbringt ausgewachsen (1 Jahr später) dann gut 1000 Euro. Vielleicht können wir für dieses Projekt von der Deutsche Botschaft Unterstützung bekommen – sie hat schon einmal ein paar Rinder gestiftet. Nach der üblichen „reunion“ mit den Familien verabschiedeten wir uns gegen Mittag von NeuCabricán und fuhren weiter Richtung Zunil ins Hochland von Quetzaltenango. Werner war hier in den 70er Jahren als junger Entwicklungshelfer tätig und lernte damals u.a. den Pfarrer von Zunil, Siegfried Fleiner aus Rottenburg kennen (und wenige Jahre später natürlich auch Peter Mettenleiter, der ca. 2 Autostunden entfernt in Cabricán Pfarrer wurde). Von Siegfried Fleiner, der heute am Waginger See im Chiemgau lebt, hat Werner vor vielen Jahren in dem kleinen Ort Chuimucuabal oberhalb von Zunil dessen „Ferienhäuschen“ übernommen. Weiter das Tal aufwärts kommt man zu den Fuentes Georgina, heißen Quellen, die in zwei schönen Steinbecken gefasst sind. Hier konnten wir mit40 Grad warmem Wasser den Staub der Finca abwaschen. Bli ck von Werners Häus chen auf den Vulka n Santa Ma ria (dahinter liegt Quetzal tenango) – rechts die Fuentes Georgina Zunil hatte ursprünglich 12.000 Einwohner, von denen allerdings heute 2.000 als illegale Einwanderer in den USA leben und arbeiten. Sie arbeiten dort in 2 oder 3 Berufen, meist 16 Stunden pro Tag und häufig 7 Tage pro Woche. Werner hatte einige von ihnen 2002 mit Pedro in Houston und Oklahoma City besucht und einen einfühlsamen Reisebericht geschrieben. Trotz ihrer großen Sehnsucht nach familiärer Geborgenheit und Heimat bleiben die Gastarbeiter meistens mindestens 5 Jahre (wenn sie nicht vorher aufgegriffen und zurückgeschickt werden), denn erst nach dieser Zeit haben sie ein soviel angespart, dass sie zuhause damit eine bessere Existenz aufbauen können. Werner, der viele von den jungen Zunileros davon abhalten wollte, den gefährlichen Weg in die USA anzutreten, sagt aber auch, dass er jeden einzelnen sehr gut verstehen kann – zu groß ist die Perspektivlosigkeit im eigenen Land und gleichzeitig der Traum, es mit dem in den USA verdienten Geld zu einem besseren Leben zu bringen. Wenn Horst Seehofer Werners Reisebericht von 2002 l esen würde, würde er sicherlich auch anders über sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge denken. Am Abend kamen noch 7 junge Männer vorbei, die sich als das Kirchenbau-Komitee von Chuimucuabal entpuppten. Dort gibt es eine sehr nette kleine Kirche, die noch aus Adobe-Ziegeln gebaut ist. Offensichtlich hat die Kirche Risse und ist auch zu klein für die Gemeinde –schön, wenn es so etwas noch gibt! – daher haben sie Pläne für eine neue Kirche machen lassen. Wie immer wird dabei nicht gekleckert und die Gesamtkosten betragen laut Kalkulation 2,5 Mio. Qtzs. Den Großteil davon werden die Familien selbst aufbringen, wie in Cabricán und Neu-Cabricán. Trotzdem haben sie natürlich auch hier um Hilfe gebeten, und da ich gerade da war, habe ich ihnen zumindest versprechen können, das Anliegen beim Bischof in Xela und bei Adveniat vorzubringen. Zudem weiß ich jetzt, wieso Pedro nie Probleme hatte, die teilweise doch erheblichen Spendengelder, die er zu seinen Lebzeiten zur Verfügung hatte, auszugeben. Er hat ja alleine ca. 30 Kirchen gebaut, wobei sie immer vom „Architekten“ Padre Pedro geplant und daher deutlich billiger waren. Aber auch er hat erhebliche Summen von Adveniat bekommen, sein Name ist dort immer noch gut bekannt und öffnet auch uns noch manche Tür. Dienstag 27.10.2015 Heute nehme ich nicht den direkten Weg nach Xela, sondern fahre mit dem Bus nach Almolonga , das in einem schönen Hochtal zwischen Zunil und Xela liegt. Dort war unser früherer Ludwigsburger Gemeindepfarrer Wilfried Metzler Ende der 70er Jahre Pfarrer und lernte in dieser Zeit natürlich auch Padre Pedro kennen. Heute war dort Markttag, hier im Hochland mit den vielen Indigenas, die noch Tracht tragen, ein farbenfrohes Bild. In Xela hatte ich mich mit Schwester Lilia vor der Kathedrale verabredet, und während des Wartens fuhr ein mir wohlbekannter beiger Mercedes-Benz ML320 vor - Pedros altes Auto, das nun der Bischof fährt. So konnte ich mit dem Bischof – den wir kurz vor Pedros Tod kennengelernt hatten und seitdem regelmäßig besuchen – direkt die beiden Kirchbau-Anliegen besprechen. Am Samstag wird er in Cabrican 426 (!) junge Menschen firmen. Er klang schon ganz erschöpft von der Nennung der bloßen Zahl – unser Bischof würde wohl einen Freudentanz vollführen! Am Nachmittag hatten wir uns mit Senor Loarca verabredet (im rechten Foto rechts mit Schwester Lilia)), dem früheren Rechtsbeistand des Bischofs, der schon seit Jahren die Abrechnung für die Schulen in Cabricán und Huitan für uns erstellt. Zwischenzeitlich ist er schon über 70, und die Rechenfehler in seiner Abrechnung häufen sich – trotz Excel! Dennoch ist Schwester Lilia froh, sich nicht selbst mit dieser Abrechnung beschäftigen zu müssen. Die Regenzeit hat die Straße von Xela nach Cabricán schwer mitgenommen, wir wären dieses Mal mit einem Kleinwagen wie im März diesen Jahres kaum hochgekommen, so tief sind teilweise die Schlaglöcher. Zudem wurde es langsam dunkel, aber Schwester Lilia ließ sich davon in ihrer ruhigen Fahrweise nicht beeindrucken – das krasse Gegenteil zu Padre Pedro seinerzeit. In den Ortschaften gibt es alle paar hundert Meter sogenannte Túmulos (Straßenschwellen), über die Schwester Lilia üblicherweise im 3. Gang mit ca. 10 Stundenkilometer drüber fährt. Pedro schaltete seinerzeit in den ersten Gang zurück und beschleunigte bis zum nächsten Túmulos kräftig, denn üblicherweise nutzte er diese Abschnitte zu Überholmanövern. Die Schlaglöcher überfuhr Lilia mit derselben Ruhe, unglaublich, was Geländewagen-Reifen so alles aushalten. Kurz vor Cabricán fing es dann an zu regnen, vielmehr zu schütten. Das wird noch den gesamten Oktober über weitergehen: Morgens bis nachmittags Sonne, abends dann Platzregen. Für die Natur ist der Regen ganz wichtig, denn der Sommer war viel zu trocken und die Menschen sind dankbar über jeden Regenschauer, sei er auch noch so heftig. Die beiden Schwestern in Cabrican – Lilia und Lucia - sind brasilianische Franziskanerinnen, deren Kongregation aber ein deutsches Mutterhaus hat. Im Orden in Brasilien wird daher Deutsch gesprochen, und auch Lilia und Lucia unterhalten sich in Cabricán auf Deutsch. Für uns ist das natürlich prima, so haben wir immer unsere Dolmetscher vor Ort. Schwester Lucia betreut hier die Krankenstation, während Schwester Lilia unsere beiden Schulen leitet und daneben noch vielfältige Pastoralaufgaben übernimmt. Sie ist eine patente und tüchtige Frau, die sich in der männerdominierten Indigena-Gesellschaft hier viel Respekt erworben hat. Die Schule ist unter ihrer Leitung richtiggehend aufgeblüht, der Schlendrian, der hier früher oder später überall einkehrt, ist in unseren Schulen nicht zu finden. Auch Padre Hugo Perez, der Pfarrer von Cabricán und Huitan, bekommt dies manchmal zu spüren, wenn Sr. Lilia bei ihm Engagement und Nachdruck vermisst. Trotzdem kommen die beiden gut miteinander aus, Padre Hugo weiß was er an Lilia hat. Da Sr. Lucia momentan auf Heimaturlaub in Brasilien ist, sind Sr. Lilia und ich abends ganz alleine – ganz ungewohnt, aber langweilig bleibt unsere Unterhaltung deshalb nicht, denn Lilia ist nicht nur eine schaffige, sondern auch eine fröhliche Frau. Mittwoch 28.10.2015 Die Tage in Cabricán werden ruhiger werden als die erste Woche. 4 Tage bleibe ich in Cabricán, denn hier ist nach wie vor der Mittelpunkt unseres Engagements in Guatemala. Für Pedro war es die erste, längste (1974-1988) und auch seine letzte Station in Guatemala. Hier fühlte er sich am wohlsten und den Cabricánecos am tiefsten verbunden, hier wollte er daher auch begraben werden. Seine Beerdigung am 1. April 2014, bei der Gerd Groß und ich anwesend sein durften, war ein unvergleichliches und eindruckvolles Erlebnis. Unsere Verbundenheit mit den Menschen in Guatemala spüre ich in Cabricán immer am deutlichsten, auch wenn die Projekte auf den beiden Fincas viel mehr Aufmerksamkeit und Zeit in Anspruch nehmen. Pedros Grab in Cabricán Und natürlich ist Padre Pedro hier noch an vielen Orten gegenwärtig, sei es bei den Schwestern, in der Kirche oder natürlich beim Besuch seines schönen Grabes. Den Neubau der Kirche konnte er nicht mehr erleben, obgleich der Umbau bereits 2008 begonnen wurde. Damals zeigte uns noch Padre Angel, der heute in Zunil ist, die Pläne. Die schöne Kolonialkirche war viel zu klein für die vielen Gottesdienstbesucher, und so beschloss das Kirchenbaukomitee kurzerhand einen Teilabriss des Chores mit Erweiterung eines Querschiffes. Die Rechnung hatten sie jedoch ohne die Denkmalschutzbehörde gemacht (hier Antropologia genannt – ja, so etwas gibt es hier!), die den Umbau kurzerhand stoppte und den Presidente des Komitees in den Knast beförderte. Eine saftige Strafe inkl. Auslösung für den Presidente war überdies fällig, und erst nach 2 Jahren gab es grünes Licht für den - allerdings reduzierten - Weiterbau. Die monumentale Kuppel, die sie geplant hatten (die Guatemalteken neigen manchmal zu etwas großspurigen Lösungen), musste aus Kostengründen gestrichen werden, aus meiner Sicht kein Nachteil! Jetzt scheint sich diese Geschichte tatsächlich dem Ende zuzuneigen. Außen und innen ist die Kirche fast fertig – und sie ist wirklich sehr schön geworden. Allerdings sind auch bislang über 2 Mio. Quetzales – umgerechnet immerhin 250.000 Euro – verbaut! Adveniat hat auch hier geholfen, und vor kurzem hat Padre Hugo auch nochmal in Rottenburg um Unterstützung nachgefragt. Aber den allergrößten Teil der Kosten haben die Gemeindemitglieder selbst getragen – jede Familie hat 1000 Quetzales einbezahlt. Ein großer Beitrag, der zeigt, wie wichtig den Menschen hier ihre Kirche ist. Ein profaneres, aber für das tägliche Leben wichtiges Projekt haben wir in Huitan. Dort hat eine Gruppe von Familien, die bisher Wasser von einer zentralen Wasserstelle holen mussten, mit unserer Hilfe eine Quelle gekauft. Der Bürgermeister hatte ihnen versprochen, die Leitungen bis zu ihren Häusern zu legen. Leider ist der Bürgermeister bei den Wahlen am letzten Sonntag mit der lächerlichen Differenz von 80 Stimmen abgewählt worden. Heute haben wir ihn aufgesucht (er ist noch bis Januar im Amt), um herauszufinden, ob er das Projekt in seiner Amtszeit noch durchführen kann. Er hat uns aber versichert, dass das Projekt unabhängig von der Person des Bürgermeisters bereits in der Budgetplanung 2016 fixiert sei, und daran sei auch der neue Bürgermeister gebunden. Wir hoffen, dass es tatsächlich so kommt! Jedenfalls zeigte der alte Bürgermeister gar kein so großes Bedauern ob seiner Abwahl - er würde sich jetzt auf Goldhandel mit Panama konzentrieren, ein Geschäft, das seine Frau schon länger führt. Dabei zeigte er uns einige Exponate, die er bei sich trug: eine dicke Kette, Armreif und zwei fette Ringe. Mir ist dieser Klunker gleich aufgefallen, so ganz ohne Korruption – wie hier leider allgemein üblich - wird auch dieser Bürgermeister nicht aus seinem Amt scheiden. Am Nachmittag – ich machte gerade einen kleinen Spaziergang zum Friedhof – vernahm ich Böllerschüsse, was hier häufig vorkommt, wenn es irgendetwas zu feiern oder zu eröffnen gibt. Den Herkunftsort hatte ich schnell als das städtische Fußballstadion identifiziert, und so nahm ich die Gelegenheit wahr und schaute mir das Spiel FC Cabricán versus FC Quiché an. Das Stadion war für hiesige Verhältnisse richtig imposant, die „Cannstatter Kurve“ mit ca. 10 Sitzreihen war vollbesetzt. Das Spielfeld entspricht allerdings nicht ganz den FIFA-Normen, von der Strafraumgrenze bis zur Seitenlinie sind es max. 5 Meter. Auch in der Länge fehlen sicher 30 Meter, so dass die Abstöße bis in gegnerischen Strafraum reichten. Das Spiel war durchaus kurzweilig und am Ende gewann Cabricán 3:1. Von Sr. Lilia, der ich dieses Fachwissen gar nicht zugetraut hätte, erfuhr ich dann, dass der FC Cabricán in der 2. Liga spielt und einen brasilianischen Trainer habe – kein Wunder, dass sie gewonnen hätten! Links die Vertreter des Wasserprojektes von Huitan bei m Ex-Al calde (Bürgermeister) – rechts die „Cannsta tter Kurve“ von Cabri cán Abends kam dann noch Padre Hugo zum Abendessen vorbei. Wir sprachen u.a. nochmal über den Kirchenumbau, über eine eventuelle Trennung der beiden Pfarreien Cabricán und Huitan sowie die Verwendung von Padre Pedros Wohnhaus, das heute dem Bischof gehört, aber seit Pedros Tod noch leer steht. Der Bischof hat noch keine klaren Pläne dafür. Und dann zeigte mir Padre Hugo noch seinen Gottesdienstplan: Morgen zum Beispiel hat er 4 Messen (zur ersten um 7 Uhr werden wir mitgehen), an Heilig Abend sogar 6 Messen. So kann er fast jede Woche in allen seinen 25 (!) Pfarreien Gottesdienst halten. Donnerstag 29.10.2015 Werktagsgottesdienst, 7 Uhr: in Deutschland verlieren sich da vielleicht 20 Gottesdienstbesucher in viel zu großen Kirchen, hier kommen 500 bis 1000 Menschen zusammen und füllen die Kirche in dem Aldea Cienga Grande, die Pedro schon zweimal erweitern musste. Cabricán ist nach wie vor – trotz der Pfingstkirchen – zu 95% katholisch – und der Gottesdienstbesuch liegt etwa auch bei 95%! Padre Hugo zog mit 6 Ministranten und 4 Kommunionhelfern feierlich ein, musste aber während des Einzugs noch seine Mails auf dem Smartphone checken. Auf den Altarstufen steckte er es dann weg – kein Wunder spielen auch die Indigenas während des Gottesdienstes laufend mit dem Handy pder laden es an der Kirchensteckdose auf. Die Handys sind vielleicht auch die größte Veränderung der letzten Jahre. Zwischenzeitlich hat jeder Guatemalteke über 16 Jahren ein Handy, und wie bei uns wird es eifrig benutzt. In dieser Hinsicht haben die Guatemaltecos also ganz schnell zu den Industrieländern aufgeschlossen! Fa hrt na ch Cienga Grande – die Nebenstrecken sind na ch wie vor ein Abenteuer Nach dem Frühstück fuhren wir nach Cayola, wieder die halbe Strecke zurück nach Xela. Dort engagiert sich SOL in einem Projekt mit beruflicher Weiterbildung und ich trage mich mit dem Gedanken, ob dies auch ein gutes Projekt für Cabricán wäre. Träger des Projektes ist Intecap, eine staatliche Organisation zur Ausbildung in technischen Berufen. Rudi Pineta, der Leiter des dortigen Projektes , erläuterte uns die Voraussetzungen, die für solche Ausbildungsprojekte gegeben sein müssen. Schwester Lilia wäre sehr an einem Schreinerkurs interessiert, vielleicht ist das eine sinnvolle Ergänzung zu unseren Schulen, denn bislang gehen doch noch viele Schüler und Schülerinnen nach der Primaria ab und versuchen, eine Arbeit zu finden. Werner übernachtete mit einem Freund, einem ehemaligen Lehrer der österreichischen Schule, ebenfalls bei Schwester Lilia uns so hatten wir abends ausreichend Gelegenheit, Anekdoten über Pedro auszutauschen. Dabei war er uns dann wieder ganz nahe, als wenn er mit am Tisch säße. Es ist ein Geschenk, solch einen Menschen kennengelernt haben zu dürfen. Freitag 30.10.2015 Heute fand die „Clausura“ für die Schulabsolventen in unserer Schule in Cabricán statt. Die Pfarreischule „La Asunción“ in Cabricán/Huitán wurde 1962 von dem Maryknoll-Padre Tomas Melvin auf Bitten einiger Familien von Cabricán gegründet. Padre Tomas war der erste Pfarrer der neuen Pfarrei Cabricán, und die von ihm gegründete Schule die erste Schule am Ort und damit lange auch weit und breit die einzige! Für die Leitung der Schule gewann Padre Tomas die Schwestern des Ordens „La Asunción“, die der Schule auch ihren Namen gaben. Die erste Direktorin war eine Kubanerin, die mit der Pfarrei nicht viel am Hut hatte. So nahm Pedro die Schule auch gar nicht groß als Pfarrschule wahr, als er 1975 nach Cabricán kam. Erst 1980 kamen wieder einige Eltern zu ihm und baten ihn, sich der Schule anzunehmen, denn die Schwestern nähmen schon seit 3 Jahren keine neuen Schüler mehr auf und wollten, wie Pedro allmählich in Erfahrung brachte, die Schule aufgeben. 2 Jahre später zogen sie tatsächlich von dannen und Pedro war urplötzlich zum Schuldirektor aufgestiegen. Aber er war damit zugleich auch der Finanzier, was bei 20 Lehrerinnen und Lehrern kein Pappenstiel war und ist. Dank seines Freundeskreises in Deutschland und der „Aktion Arme Welt“, die die Schulen seit 1982 mitfinanziert sowie seinem unerschöpflichen Optimismus haben sich die Schulen aber seitdem stetig weiterentwickelt. Zwar gibt es zwischenzeitlich in den größeren Aldeas staatliche Schulen, aber wie in ganz Guatemala ist auch hier die Korruption in Form gekaufter guter Noten das größte Problem. Das hilft den Schulabgängern dann nicht wirklich weiter, da sich ihr Diplom schnell als inhalts- und damit wertlos entpuppt Unsere Primaria-Absolventen der Pfarrschule sind dagegen sehr gut qualifiziert und haben in der Regel keine Probleme mit dem weiterführenden Basico oder anderen Berufsausbildungen. Eine Zahl will ich zum Vergleich anführen: an den staatlichen Schulen wird im Schnitt an 140 Tagen im Jahr unterrichtet, an unseren an 200 Tagen. Zudem vermitteln unsere beiden Pfarrschulen christliche Werte – und dafür steht in erster Linie Schwester Lilia. Die Solidarität ist hier in Guatemala leider sehr viel weniger ausgeprägt als bei uns, und auch manch aufgestiegener Indigena will davon später nichts mehr wissen. Aber auch hier gilt: Steter Tropfen höhlt den Stein, und nur wenn es die guatemaltekische Gesellschaft selbst schafft, zu einer solidarischen Gesellschaft zu werden, kann unsere Hilfe nachhaltig wirken! Die Clausura begann mit einem Gottesdienst (8:30 Uhr). Die anschließenden Reden zogen sich bis 14 Uhr (!) hin – meine Reise ist dieses Mal ein echtes Arbeitsprogramm! Dieses setze sich nach einem Mittagessen mit den Lehrerinnen und Lehrern fort. Ich wurde zu einer Besprechung mit dem Kirchenbau-Komitee gebeten. Der Kirchenumbau – siehe oben – ist zu einer never-ending-story geworden, Eröffnungsdatum ungewiss. Der Architekt verdient sich dabei eine goldene Nase, wurde er doch 2011, nachdem die Anthropologia den Weiterbau genehmigt hatte, mit einem 2-Jahres-Vertrag und fixem Monatssalär ausgestattet. Da es außer dem Innenausbau nichts mehr zu tun gibt, jedenfalls nichts, wozu man hier einen Architekten bräuchte , empfahl ich dem Komitee seine Entlassung. Sie nutzten meine Anwesenheit, um ihm dies mitzuteilen, und als er nach 2 Stunden Rechtfertigungspalaver merkte, dass das Komitee es dieses Mal ernst meinte mit der Trennung, verließ er verärgert den Raum – das war’s dann, und die Kirchengemeinde spart ab jetzt 4000 Quetzales pro Monat. Schneller wird es dadurch nicht vorangehen, aber mit einem Schlitzohr (wie ihn Pedro genannt hätte) weniger! Mi ttagessen mi t den Lehrerinnen und Lehrern Besprechung mit dem Ki rche nbau-Komi tee – ma n beachte die Agenda links hinten Zwischenzeitlich war Valerie Braig, 2012/2013 als Freiwillige in Cabricán, mit ihrem Freund Joachim für ein paar Tage eingetroffen. So wie sie kommen viele der Freiwilligen, die seit 1975 bei Pedro oder nun bei den Schwestern gelebt und gearbeitet haben, immer wieder zu Besuch. Am 2. Adventswochenende haben wir alle ehemaligen Freiwilligen zu einem Treffen auf die Burg Niederalfingen (bei Aalen) eingeladen, Pedro hatte dieses Treffen ursprünglich für Juni 2013 geplant, konnte aber damals wegen seines Gesundheitszustandes schon nicht mehr nach Deutschland kommen. Ca. 20 der insgesamt 30 Freiwilligen werden kommen, wir freuen uns schon sehr auf dieses Treffen und den Austausch dort. Samstag 31.10.10.2015 Heute beginnt für mich die lange Heimreise. Von Cabricán nach Xela fährt mich Lilia, und trotz eines ziemlich platten Reifens erreichen wir noch rechtzeitig die Busstation, wo es mit einem Pullmann-Bus von Alamo nach Guate (wie hier die Hauptstadt genannt wird) geht. Fa hrt von Ca bri can na ch Xela – Bli ck auf den Taja mul co, den höchs ten Berg Gua temalas (4200m) Bli ck auf den Santa Ma ria , den Hausberg Quetzal tenangos In der Hauptstadt kam ich daher noch fast planmäßig an, ich hatte mich mit Familie Richter dort zum späten Mittagessen verabredet. Herr Richter ist ein feiner Mensch, Unternehmer, Katholik, Rotarier, 3 Jahre lang auch guatemaltekischer Botschafter in Deutschland – und er war ein ganz besonderer Freund von Pedro. Er lädt uns bei jeder Reise zu sich ein, damit wir ihn über Pedros Projekte auf dem Laufenden halten. Über ihn kam auch der Kontakt zu Carlos Galvez zustande, unserem OfenKonstrukteur in Amapa Neu-Candelaria, und die ersten 10 Öfen hat er auch gesponsert. Das Mittagessen fand im vornehmen Crown Plaza Hotel statt, wieder einer dieser Gegensätze, die ich eingangs schon erwähnt hatte. Aber das war auch die große Kunst von Pedro, sich zwischen den Gegensätzen dieses Landes bewegen zu können, sei es bei den Indigenas in Cabricán oder den Reichen der Hauptstadt. Er hatte überall seine Freunde und Förderer, und ohne He rrn Richter hätte er zur Zeit des Bürgerkrieges in den 70er und 80er Jahren so manche Nacht hinter Schloss und Riegel eines Militärgefängnissen verbringen müssen. Diese Zeit liegt heute zum Glück weit hinter uns, und bei aller Armut und Ungerechtigkeit, die insbesondere die Indigenas noch zu spüren bekommen, geht es heute jedem Guatemalteken viel besser als vor 20 Jahren. Ein wegen Korruption eingekerkerter Ex-Präsident, eine plötzlich unabhängige staatliche Justiz und der neugewählte, unbescholtene Präsident lassen hoffen, dass sich die positive politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung des Landes fortsetzen wird. Samstag 31.10.10.2015 Der Rückflug führte mich mal wieder über Atlanta und von dort mit Delta direkt nach Stuttgart. Diese Strecke bin ich 2001 – 2007 häufig geflogen, und zweimal habe ich meine beruflichen Reisen dorthin auch mit Abstechern nach Guatemala verbunden. Dieses Mal ging‘s dann (leider) Economy zurück, aber alles andere wäre – bei allen Gegensätzen Guatemalas – nun wirklich nicht angemessen gewesen.