Newsletter Nr. 9/2015 - Verband Mittelständischer Bauunternehmen
Transcrição
Newsletter Nr. 9/2015 - Verband Mittelständischer Bauunternehmen
Newsletter Nr. 9/2015 _______________________________________________________ Aus aktuellem Anlass: 1. Aus dem Steuerrecht Vertrauensschutz für Bauleistende bei Umsatzsteuerschuld Erbringt ein Unternehmer Bauleistungen gegenüber einem Bauträger, so setzt das Finanzamt nach dem zwischenzeitlich ergangenen BFH-Urteil vom 22.8.2013 die Umsatzsteuer nunmehr gegenüber diesem fest. (wir berichteten hierzu in Newsletter 10/2014). Der BFH kippte damals die alte Rechtslage, wonach zuvor die Umsatzsteuer stets der Bauträger als Empfänger der Bauleistung schuldete. In einem aktuellen Fall hat die Finanzbehörde deshalb einen Umsatzsteuerbescheid an das Unternehmen abgeändert und diesem nachträglich die Umsatzsteuerschuldnerschaft auferlegt. Das bauleistende Unternehmen beruft sich auf Vertrauensschutz. Mit Recht. Wie nun das FG Münster (Beschluss vom 12.08.2015, AZ 15 V 2153/15 U) entschieden hat, darf ein Steuerbescheid nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen abgeändert werden, mit der Begründung, die damalige Rechtslage stehe nicht mit geltendem Recht (hier also die geänderte BFH-Rechtsprechung zur Umsatzsteuer-Schuldnerschaft bei Bauleistenden) in Einklang. Das Unternehmen konnte sich gegen die Abänderung zu Recht auf Vertrauensschutz berufen. 2. In eigener Sache Während des letzten Ausfluges unseres Verbandes Mittelständischer Bauunternehmen kam immer wieder die Frage auf, welche Rechtsgebiete die Anwaltskanzlei Dohrmann eigentlich bearbeitet. Wir würden an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und einen Überblick, über die von uns betreuten Rechtsgebiete geben. Aus der Historie der Kanzlei heraus, liegt der Schwerpunkt unserer Arbeit in der Komplettbetreuung eines Bauunternehmens und daher im Bau- und Architektenrecht, in welchem alle unsere Rechtsanwälte große Erfahrung haben, sowie im Gesellschafts-, Vergabe- und Arbeitsrecht. Im Bau- und Architektenrecht hat Frau Rechtsanwältin Denise Töpfer seit längerer Zeit den Titel als Fachanwältin erlangt und Frau Rechtsanwältin Jennifer Nöbel die erforderliche theoretische Fortbildung für den Fachanwaltstitel bereits erfolgreich absolviert. 1 Newsletter Nr. 9/2015 _______________________________________________________ Ebenfalls spezialisiert ist unsere Kanzlei - und hier insbesondere Herr Rechtsanwalt Hendrik Dohrmann und Frau Rechtsanwältin Denise Töpfer - im Arbeitsrecht. Das Vergaberecht wird von Frau Rechtsanwältin Friederike Kaltefleiter und Herrn Rechtsanwalt Hendrik Dohrmann betreut, die auf diesem Gebiet auf eine mehrjährige Erfahrung zurückblicken können. Frau Kaltefleiter ist es daher möglich, bereits in einem der ersten Lehrgänge den neu vergebenen Fachanwaltstitel für Vergaberecht zu erwerben. Wenn es um Immobilien, egal ob es um Kauf oder Verkauf, Vermietung und Verpachtung, Beitreibung von Zahlungsrückständen oder Fragen im Wohnungseigentumsrecht geht, ist unsere Spezialistin Frau Rechtsanwältin Nikola Pietzsch Ihre Ansprechpartnerin. Frau Rechtsanwältin Pietzsch hat sich nicht nur aufgrund ihrer eigenen sportlichen Vergangenheit zwischenzeitlich einen Namen im Sportrecht und allem, was damit zusammenhängt gemacht. Verkehrsrechtsdelikte, auch wenn sie unangenehm sind, werden von Frau Rechtsanwältin Töpfer betreut, die auf einen großen Erfahrungsschatz von 50-60 Fällen pro Jahr zurückblicken kann. Ab 1. Oktober 2015 werden nunmehr 6 Berufsträger in unserer Kanzlei tätig sein, da wir unser Betätigungsfeld um die Vertretung in familien- und erbrechtlichen Angelegenheiten erweitern werden. Hierfür wird Frau Rechtsanwältin Anja Pauli bei Scheidung, Unterhalt oder Testament mit kompetentem Wissen für Sie zur Verfügung stehen. Haben Sie also rechtliche Fragen oder Probleme, scheuen Sie sich nicht, uns anzusprechen! 2 Newsletter Nr. 9/2015 _______________________________________________________ Rechtsprechung Arbeitsrecht Mindestlohn 1 statt Mindestlohn 2 gezahlt: Geschäftsführer Strafbarkeit wurde bejaht! Die Nichteinhaltung des Mindestlohns 2 kann als Vorenthalt und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB strafbar sein, sollte der Nachweis eines vorsätzlichen Verhaltens gelingen. OLG Dresden, Beschluss vom 12.08.2014- 1 OLG 13 Ss 191/ 14, Volltext: IBRRS 2015, 2246 StGB §266a Das Problem / Der Sachverhalt: Die Entscheidung: Der Strafvorwurf gegen den Geschäftsführer eines Baubetriebs in den neuen Bundesländern lautet: Arbeitslohn veruntreut indem er den Mitarbeitern, denen angeblich Mindestlohn 2 zugestanden haben soll, lediglich den vertraglichen Mindestlohn 1 ausgezahlt hat. Strafvorwurf war zweierlei: Zum einem die – bewusst – falsche Eingruppierung von Mitarbeitern in die falsche Gruppe MiLo 1, zum anderen Mindestlohnunterschreitungen im Hinblick darauf, dass Mitarbeitern, die in Mindestlohn 2 (Ost) eingeordnet waren, zwar ein zusätzlicher „Differenzlohn“ gezahlt wurde, dieser aber unter dem Mindestlohn 2 (West) verblieb. Die Lohnbuchhalterin sagte außerdem aus, dass alles im Betrieb auf Anweisungen des Geschäftsführers erfolgt und dass sie den Geschäftsführer „verdeckt“ auf dieses Problem hat aufmerksam gemacht. Das Amtsgericht hatte deshalb einen Vorsatz bzgl. der Straftat des § 266a StGB bejaht. Der Geschäftsführer legte hiergegen Berufung ein. Mit Erfolg? Nein. Das LG Chemnitz und auch das OLG Dresden bestätigten die grundsätzliche Strafbarkeit des Geschäftsführers. Die Berufung des Geschäftsführers war somit ohne Erfolg. Der Vorsatzvorwurf für die generelle falsche Eingruppierung einzelner Mitarbeiter wurde wegen erkennbarer Beweisschwierigkeiten fallen gelassen. Bezüglich der Mindestlohnunterschreitung des Mindestlohns 2 (West) wurde unter Hinweis auf die Aussage der Lohnbuchhalterin ein vorsätzliches Verhalten bejaht. 3 Newsletter Nr. 9/2015 _______________________________________________________ Der Praxishinweis: Die Problematik der Differenz zwischen MiLo West und MiLo Ost besteht in der Regel nur bei Tätigkeiten in den Altbundesländern und Berlin. Generell interessant ist jedoch die Problematik der fehlerhaften Eingruppierung in MiLo 1 oder 2. Aufgrund der Allgemeinverbindlichkeitserklärung beider Mindestlöhne besteht allein in der fehlerhaften Eingruppierung die Gefahr einer strafrechtlichen Haftung des Geschäftsführers für eine vorsätzliche unerlaubte Handlung. Die Konsequenz ist eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für diese Lohndifferenzen und Sozialbeiträge. Eine Absicherung durch eine Geschäftsführerhaftpflichtversicherung ist nicht möglich, da vorsätzliches Verhalten grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen ist. Die Konsequenz kann demnach allenfalls sein, dass im Zweifel den Mitarbeitern MiLo 2 gezahlt wird. 4 Newsletter Nr. 9/2015 _______________________________________________________ Rechtsprechung Baurecht Gewährleistungssicherheiten nach VOB/ B – Wie lange darf der Auftraggeber eine Sicherheit zurückhalten? Sind die Mängelansprüche des Auftraggebers verjährt und der Auftragnehmer erhebt die Einrede der Verjährung, so ist die Vorschrift des §17 Abs.8 Nr.2 VOB/ B dahingehend auszulegen, dass der Auftraggeber eine als Sicherheit für Mängelansprüche erhaltene Bürgschaft nach Ablauf der zweijährigen Sicherungszeit nicht (mehr) zurückhalten darf. BGH - Az.: VII ZR 5/15, Urteil vom 09.07.2015 Das Problem / Der Sachverhalt: Die Entscheidung In einem VOB- Vertrag ist geregelt, dass eine vom Auftraggeber einzubehaltende Gewährleistungssicherheit in Höhe von 5% der Abrechnungssumme gegen Vorlage einer unbefristeten Bürgschaft auszubezahlen ist. Der Auftragnehmer übergibt nach der Abnahme die entsprechende Bürgschaftsurkunde. Ja! Innerhalb der 2-Jahres Frist rügt der Auftraggeber mehrere Mängel. Der Auftragnehmer reagierte nicht darauf, so dass der Gewährleistungsanspruch verjährt. Der Auftragnehmer erhebt nun die Einrede der Verjährung und verlangt im gleichen Augenblick die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde. Leistete der Auftragnehmer die Sicherheit durch die Übergabe einer Bürgschaft und hat der Auftraggeber berechtigterweise innerhalb der 2- Jahres- Frist Mängelansprüche geltend gemacht, ist der Auftraggeber grundsätzlich berechtigt, die Sicherheit selbst nach Ablauf der zweijährigen Sicherheitszeit (§17 Abs.8 Nr.2 Satz 2 VOB/B) zurückzuhalten. Sind die Gewährleistungsansprüche aber verjährt und der Auftragnehmer beruft sich auf die Verjährung, so ist der Auftraggeber verpflichtet, die Bürgschaftsurkunde herauszugeben. Zu Recht? 5 Newsletter Nr. 9/2015 _______________________________________________________ Der Praxishinweis: Die kurze 2 - Jahres - Frist des §17 Abs.8 Nr.2 Satz 1 VOB/B zur Rückgabe der Sicherheitsleistung besteht unabhängig davon, dass die Gewährleistungsfrist nach VOB/B in der Regel 4 Jahre (§ 13 Abs. 4 VOB/B) beträgt. Es besteht aber die Möglichkeit, diese 2Jahres–Frist für die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde entsprechend zu verlängern. Empfehlenswert für die Auftraggeber ist es, in ihren AGB oder auch im Einzelfall die Rückgabe der Gewährleistungsbürgschaft an die Dauer der Gewährleistungsfrist zu koppeln. Zulässig ist dies sowohl durch individuelle Vereinbarungen als auch Aufnahme in Allgemeine Geschäftsbedingungen. 6 Newsletter Nr. 9/2015 _______________________________________________________ Rechtsprechung Vergaberecht Müssen fehlende Fabrikats- und Typenangaben nachgefordert werden? Eine Nachforderung fehlender Typ- und Fabrikatsangaben ist zumindest dann nicht ausgeschlossen, wenn der Preis einziges Zuschlagskriterium ist. VK Südbayern, Beschluss vom 15.05.2015 – Az.:Z3-3-3194-05-01/15 Das Problem / Der Sachverhalt Die Entscheidung: Gemäß §16 EG Abs.1 Nr.3 VOB/A sind fehlende Erklärungen oder Nachweise vom Auftraggeber nachzufordern. Zählen darunter auch Fabrikats- oder Typenangaben als solche Erklärung? Gilt diese Vorschrift nur für Nachweise, die mit Angebotsabgaben vorzulegen sind? Die Auftraggeberin (AG) schreibt Bauleistungen europaweit aus. Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis. Im Leistungsverzeichnis ist bei einigen Positionen das „angebotene Fabrikat“ einzutragen. Bei Angebotsabgabe waren jedoch nur Angaben zum Hersteller verlangt. Bei dem Bieter B fehlten die Angaben zum Hersteller in zwei Positionen. Die AG forderte daraufhin unter Fristsetzung nach Angebotsabgabe den „Hersteller und die konkrete Produktbezeichnung/ Fabrikat“ für eine Vielzahl von Leistungspositionen nach. abzugeben. B lieferte innerhalb der Frist die fehlenden Angaben zum Hersteller nach. Konkrete Produktbezeichnungen nannte B nicht. Daraufhin setzte die AG eine weitere Frist, diese verstrich ohne Erfolg. Ist das Angebot von B nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A auszuschließen? Nein! Ist der Preis einziges Zuschlagskriterium, ist die Nachforderung fehlender Angaben zu Fabrikats und Typ möglich. So zumindest die herrschende Auffassung in der Rechtsprechung, der sich die hiesige Entscheidung anschließt. Abweichend davon aber die Vergaberechtsprechung in Thüringen und Sachsen-Anhalt (siehe Praxishinweis). Die mit der Angebotsabgabe geforderten Herstellerangaben mussten daher nachgefordert werden. Mit deren Nachreichung fehlten diese dann nicht mehr. Was ist aber mit den nach wie vor fehlenden Angaben zum Fabrikat? Begründen diese nicht einen Ausschluss? Nein. 7 Newsletter Nr. 9/2015 _______________________________________________________ Der Praxishinweis: Erklärungen und Nachweise, die der Bieter nicht bereits mit Angebotsabgaben vorlegen soll, sondern erst mit Aufforderung durch die AG nach Angebotsabgabe, unterfallen nicht den Bedingungen des §16 EG Abs.1 Nr.3 VOB/A. Hier gilt dann § 15 EG Abs. 2 VOB/A. Dadurch, dass der Bieter die Frist zur Angabe des Fabrikats verstreichen ließ, hat er sich grundsätzlich durchaus geweigert, die von § 15 VOB/A geforderte Aufklärung zu leisten. Das Verstreichenlassen einer angemessen Frist kann grundsätzlich als Weigerung einer Aufklärung angesehen werden. Allerdings konnte hier ein Ausschluss gemäß § 15 Abs. 2 VOB/A deswegen nicht erfolgen, da die AG davon ausging gemäß § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A zu verfahren und damit die hierfür nötige Ermessensausübung nicht dokumentierte. Der Ausschluss wegen nicht eingereichter Nachweise kommt in der Praxis relativ häufig vor. Hier ist zu unterscheiden: 1. § 15 oder § 16 EG VOB/A ? - Unterlagen wurden bereits mit Angebotsabgabe gefordert: Bedingungen des § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/B einhalten - Unterlagen werden erst nach Angebotsabgabe irgendwann nachgefordert: Bedingungen des § 15 EG Abs. 2 VOB/B einhalten 2. Nachforderung fehlender Produkt- und Herstellerangaben überhaupt? Die Frage, ob fehlende Produkt- und Herstellerangabe nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A (wenn er denn einschlägig ist, da bereits mit Angebotsabgabe gefordert s.o.) generell nachzufordern sind, ist streitig: - Die Vergabekammern Thüringen und Sachsen-Anhalt lassen eine Nachforderung dieser Angaben generell nicht zu. Sie argumentieren damit, dass es sich dabei um integrale Angebotsbestandteile handelt, die von vorneherein im Angebot enthalten sein müssen. 8 Newsletter Nr. 9/2015 _______________________________________________________ Deren fehlende Angabe im Angebot führt zum zwingenden Ausschluss. - Die herrschende Rechtsprechung, so auch hier die VK Südbayern, lässt eine Nachforderung dieser fehlenden Erklärungen zu. 9