Artikel lesen/downloaden

Transcrição

Artikel lesen/downloaden
Sonntag | Nr. 22 | 6. Juni 2010
Seite 13
MENSCHEN
& MEINUNGEN
Sabina Schneebeli,
Schauspielerin
und Fussballfan
«Es ist
traurig,
wenn
nur die
Quote
zählt»
Rekha Datta:
Heisses Date
.
Angelt sich die
Vize-Miss den
Schauspieler Gerard Butler? > 19
Strittmatters
Kino-Bluff
«Grosse» Filmrolle entpuppt sich
als kleiner Statistenjob. > 18
Sabina Schneebeli jongliert
bravourös mit Rollen, kennt
sich aber auch im Fussball aus:
Die Schauspielerin über den
WM-Countdown, den neuen
Schweizer «Tatort» und ihren
Kampf gegen die eigene
Schüchternheit.
VON SANDRO BROTZ (TEXT)
UND CHRISTOPH STULZ (FOTOS)
Sabina Schneebeli, die Schweizer
Fussball-Nati war im Vorbereitungsspiel gegen Costa Rica noch nicht in
WM-Form. Hat Sie das erschreckt?
Sabina Schneebeli: Es war ernüchternd.
Ich habe mich sehr auf das Spiel gefreut.
Jetzt hacken alle auf der Mannschaft
rum. Aber man muss ihr jetzt erst recht
den Rücken stärken, damit sie dann
auch mit einem guten Gefühl an die
WM reisen kann. Ich glaube weiterhin
daran, dass die Schweiz die Achtelfinals
erreicht.
Ich halte dagegen und behaupte: Wir
waren alle geblendet vom Nimbus des
Heilsbringers Ottmar Hitzfeld und sind
auf dem Boden der Tatsachen gelandet.
Ui, ich merke: Das wird ein Fachinterview. . . (lacht). Hitzfeld ist ein sehr
erfolgreicher Trainer. Da geht man automatisch davon aus, dass es einfach klappen muss.
.
Haben Sie schon eine Ersatz-Mannschaft im Auge, der Sie die Daumen
drücken können?
Meine Favoriten für den WM-Titel sind
Argentinien und England.
Mistertreffen
bei Marquard
Traurig darüber, dass David Beckham
nicht dabei ist?
Die schönsten
Schweizer trafen
sich beim Erfolgsverleger.
> 19
Das ist mir egal.
Ronaldinho oder Ballack fehlen ebenfalls. Sind Ihnen die Stars in einem
Team wichtig oder steht bei Ihnen die
Mannschaft im Vordergrund?
Mich interessiert das Team als Ganzes.
Diese einzelnen Rädchen, die in ein ganzes Gefüge hineinpassen müssen. Bei
Italien habe ich zum Beispiel eher das
Gefühl, dass. . . (hält inne). Jetzt muss
ich aufpassen, dass ich mich nicht verzettle. Ich finde es toll, wenn ich bei einem Team den Kampfgeist spüre.
Wie war das noch mit Italien?
Ihre Art zu spielen finde ich nicht so
spannend. Die stehen hinten rein und
vorne haben sie einen, der die Goals
schiesst.
So muss es doch sein.
Es ist zwar eine effiziente Spielweise,
aber zum Zuschauen nicht prickelnd.
Was für eine Art Fussballfan sind Sie
eigentlich? Schönwetter, Fanatiker
oder Normalo?
Was ist ein Schönwetter-Fan?
Ja, so einer bin ich. Ich mag Länderspiele. Mein Mann und meine beiden Söhne
gucken zwar auch Bundesliga – das ist
dann ein richtiges Geschrei – aber mich
interessiert es nur bedingt.
Selbstbewusst, aber doch schüchtern: Schauspielerin Sabina Schneebeli.
.
BILDER: TILLATE.COM
Ein Fan, der sich nur bei grossen Ereignissen auf der Tribüne zeigt oder vor
den Bildschirm sitzt.
FORTSETZUNG AUF SEITE 14
MENSCHEN
Sonntag | Nr. 22 |6. Juni 2010
Seite 14
In Ihrem Geschäft ist alles eine Quoten-Frage.
Das stimmt. Trotzdem ist es für Schauspieler traurig, wenn allein eben diese
Quote zählt. Wir haben bei «Tag und
Nacht» trotz grossem Zeit- und Spardruck eine unglaublich hohe Qualität
hingebracht.
.
Was ist Ihr Antrieb beim Drehen, wenn
nicht die Quote?
Sabina Schneebeli im Gespräch mit
«Sonntag»-Redaktor Sandro Brotz.
Mich interessieren die Geschichte, das
Drehbuch und die Leute, mit denen ich
arbeite. Ich bin immer nur so gut wie
mein Gegenüber. Geschichten zu erzählen und Menschen damit berühren ist
der Grund, warum ich diesen Beruf gewählt habe.
FORTSETZUNG VON SEITE 13
Bei Länderspielen werden Sie dann zur
Patriotin?
Das muss aber nicht nur bei der Schweiz
sein. Je nachdem, welche Mannschaft
mir gerade sympathisch ist.
Hollywood hat Sie nie interessiert?
Nein. Die Filmindustrie im deutschen
und europäischen Sprachraum ist mindestens so interessant wie in Amerika.
Hollywood war für mich nie ein Thema.
Heute Abend sind Sie zu Gast bei Nik
Hartmann in der SF-Sendung «Unsere
Helden», bei der es einen Rückblick auf
30 Schweizer Fussballstars gibt. Wer
ist ihr persönlicher Held?
Im August sind Sie im Casino-Theater
Winterthur in «Ein Teil der Gans» zu
sehen. Dabei soll die Bühne doch Ihr
Trauma sein.
Köbi Kuhn! Er ist einfach eine tolle Persönlichkeit. Das ist ein Mensch, der
nicht mit grossen Worten viel Aufsehen
erregen muss. Er hat die Aufmerksamkeit sowieso, alleine durch seine Ausstrahlung. Er ist sehr sympathisch.
Das war so. Ich hatte lange ein Trauma,
was die Bühne betrifft. Ich fühlte mich
nicht wohl vor einem grossen Publikum. Unterdessen habe ich eine Entwicklung durchgemacht und viele Erfahrungen gesammelt. Ich bin gelassener geworden. Diesen Weg zurück auf
die Bühne werde ich auch weiter einschlagen. Es ist eine neue Herausforderung und eine persönliche Bereicherung.
Alle mögen Köbi Kuhn – weil er so bescheiden ist?
Das ist möglich, ja. Wobei ich nicht finde, dass man sich immer zurücknehmen sollte. Ich mag Leute, die laut und
deutlich ihre Meinung bekunden und
sich einen Dreck drum scheren, was andere darüber denken.
Sie sagen, dass Sie nicht gerne im Mittelpunkt stehen, aber genau das ist
doch Ihr Job. Kokettieren Sie damit?
Überhaupt nicht! Viele Menschen haben
das Gefühl, alle Schauspieler seien Narzissten. Dabei stimmt das gar nicht.
Nein, ich kokettiere nicht. Ich stehe oft
im Kampf gegen meine eigene Schüchternheit. Schauspielerei ist für mich eine Entdeckungsreise nach innen. Das
ganze Drumherum ist für mich eine
Überwindung.
Dann erklären Sie mir laut und deutlich, warum die meisten Spielerfrauen
blond, dünn und süchtig nach Shopping sind.
Was löst Viktoria Beckham bei Ihnen
aus?
Nicht viel. Schade, dass sie nie lacht! Sie
wirkt nicht besonders natürlich.
Das Gegenbeispiel ist Chantal Magnin,
die im «Sonntag» gesagt hat: «Ich habe eine Handtasche und kaufe erst eine neue, wenn diese kaputt ist. Ich bin
ein Vollblut-Mami.» Sind Sie auch ein
Vollblut-Mami?
Wenn es bedeutet, dass ich keine Interessen habe, ausser Mami zu sein, bin ich
das nicht. Aber natürlich sind mir meine Kinder extrem wichtig. Ich wünsche
mir, dass sie auf mich als Mutter stolz
sind — und nicht auf meine Schauspielerei. Die Kinder hatten bei mir immer
oberste Priorität. Aber deswegen habe
ich meine Interessen und meinen Beruf
nicht aus den Augen verloren. Unterdessen sind Tim und Luca auch grösser und
Der Publikumsliebling
.
Ist das so? Ich kenne leider keine einzige
Spielerfrau. Und auch keinen Fussballer.
Sport und Kultur durchmischen sich
nicht wirklich. Das ist schade, es gibt Parallelen. Sowohl Sportler als auch Schauspieler sind zum Teil öffentliche Personen. Wir bewegen uns im selben Schussfeld. Man wird schnell in den Himmel
gelobt, aber bei einem Fehler auch genau so schnell wieder fallen gelassen.
Mit der Hauptrolle in «Die Direktorin» in
den 1990er-Jahren rückte Sabina
Schneebeli erstmals ins Rampenlicht.
Seither ist sie regelmässig im Kino und
Fernsehen zu sehen: «Mein Name ist Eugen» (Schweizer Filmpreis 2006), «Das
Geheimnis von Murk» (Publikumspreis
Solothurner Filmtage 2008), «Ernstfall
in Havanna», «Tag und Nacht». «Lüthi
und Blanc», «Spital in Angst», «Baba’s
Song», «Tatort». Die 1963 geborene Zürcherin ist mit dem deutschen Schauspieler Bernhard Bettermann verheiratet. Sie haben zwei Söhne.
selbstständiger geworden. Dadurch habe ich wieder mehr Freiraum.
Mussten Sie erst lernen, auf sich selber zu schauen?
Ja, das ist so. Diesen Schritt habe ich
jetzt aber getan. Ich wollte miterleben,
wie meine Kinder aufwachsen. Ein Aupair, das alles macht, kam für mich
nicht infrage. Ich habe auf Jobs und Engagements verzichtet, aber ich habe es
AUS DEM PRIVATALBUM
Der Preis der Popularität?
nie bereut. Es gibt zwar Lücken in meiner Biografie – Jahre, in denen ich beruflich wenig gemacht habe – aber es ist
für mich trotzdem aufgegangen.
Der «Tatort» ist seit 1970 die
älteste und beliebteste Krimireihe im
deutschen Sprachraum. Warum
funktioniert dieses Genre immer
noch?
Das tönt so, als hätten Sie alles immer
im Griff. Aber jede Mutter kommt doch
an ihre Grenzen.
Ich muss gestehen, dass ich den «Tatort»
bisher nie regelmässig gesehen habe.
Entweder hat mir die Zeit dazu gefehlt
oder ich war gerade an einem guten
Buch. Aber mit meiner Rolle habe ich
auch wieder angefangen, den «Tatort»
zu schauen. Ich höre von sehr vielen
Leuten, dass sie spannende Krimis lieben. Und genau das bietet der «Tatort».
Und Axel Milberg als Kommissar oder
Jan Josef Liefers als Professor sind schon
klasse.
Solche Momente hat es sicher gegeben.
Wenn mich zum Beispiel der Job extrem
in Anspruch genommen hat. Dann bin
ich nach Hause gekommen und die Kinder mussten versorgt werden, aber
gleichzeitig war mir klar: Oh Gott, ich
muss noch so viel Text lernen!
Andere Mütter laufen in ein Burnout.
Was haben Sie gemacht, damit Ihnen
das nicht passiert?
Ich habe – so nenne ich es – mein Werkzeug gefunden, um Ruhe zu bewahren.
Mindestens eine halbe Stunde am Tag
gehört mir. Da bin ich einfach für mich.
Seither bin ich nicht mehr so hektisch
und so nervös wie früher.
Meditieren Sie?
Ja, sicher einmal täglich. Das kann auch
während eines Drehs in einer Pause
sein. Meditieren kann man überall.
Erreichen Sie beim Meditieren den
Punkt, wo Sie sich effektiv keine Gedanken mehr machen?
Ich erreiche diesen Punkt nicht immer,
aber ich komme immer näher dran. Es
ist eine Sache der Übung.
.
Letzte Woche sind in Luzern die
letzten Szenen für den ersten Schweizer «Tatort» nach 9 Jahren abgedreht
worden. Sie spielen die Kriminaltechnikerin Yvonne Veitli. Kann die Produktion mit den deutschen Folgen mithalten?
Sabina Schneebeli im ostafrikanischen Malawi, wo «Baba’s Song»
gedreht wurde: «Ich habe wunderbare Menschen getroffen.»
Regisseur Markus Imboden und Kameramann Rainer Klausmann sind ein
Dream-Team. Es war schön, wieder mit
ihnen zusammenarbeiten zu dürfen. Es
wurde sehr effizient, aber auch mit
grossem Spass gedreht. Während eines
Drehs denke ich nicht daran, wie erfolgreich der fertige Film wohl werden wird.
Da konzentriere ich mich auf meine Figur und die jeweiligen Szenen.
Wäre die «Die Direktorin» heute auch
noch ein Strassenfeger?
Im letzten Sommer wurde die Serie
nochmals ausgestrahlt. Ich habe
eine Folge davon
gesehen: Alles ist
so
gemächlich,
ellenlange
Einstellungen, wenig
Schnitt.
Man
merkt einfach die
18 Jahre, die dazwischen liegen. Oder
nur schon die Mode – schrecklich! Nein,
das würde heute nicht mehr funktionieren.
Das ist überhaupt kein Problem. In der
Schweiz sind die Menschen sehr diskret.
Es sind die öffentlichen Auftritte, die
mir nicht besonders liegen.
Was möchten Sie in Ihrer Karriere noch
ausprobieren?
Ich habe schon so viel ausprobiert: Tanz,
Tanztheater, Musicals, Film, Fernsehen.
Aber es würde mich reizen, wieder einmal mit Michael Steiner zu arbeiten. Michi ist fast zu gut für die Schweizer Filmlandschaft. Er hat so etwas Mitreissendes, Inspirierendes und Verspieltes. Er
versteht sein Handwerk.
Michael Steiner wurde von der «Weltwoche» massiv attackiert. Hat er Ihre
Solidarität zu spüren bekommen?
Er hat meine Solidarität, immer, ganz
klar.
Sie wissen auch, wie es ist, wenn man
medial unter Druck kommt – mit Storys über Ihre Familie.
«Schauspielerei ist für
mich eine Entdeckungsreise nach innen.»
Dafür ist «Sex and the City 2» ein
Renner.
Das interessiert mich überhaupt nicht,
null und nicht. Das ist mir zu amerikanisch. Ich habe auch die Serie nie gesehen. Was ich kenne, ist «Desperate Housewifes». Diese Figuren sind zum Teil
echt lustig.
«Tag und Nacht» mit Ihnen als Chefärztin Meret Frei wurde schon nach der
ersten Staffel abgesetzt. Hat das wehgetan?
Ich habe es nie persönlich genommen.
Aber es war natürlich schon eine Enttäuschung. Denn die Arbeit dahinter
war enorm. Zuerst wurde die Serie gelobt. Kaum stimmten die Zuschauerzahlen nicht, wurde sie kritisiert. Ich behaupte nach wie vor, dass es am Sendeplatz lag.
Das ist mühsam.
Ich habe immer
viel Wert darauf
gelegt,
Privates
und Berufliches
zu trennen. Es ist nicht lustig, wenn
man mit privaten Dingen in der Zeitung
steht.
Beschäftigt Sie die Öl-Katastrophe im
Golf von Mexiko?
Das ist ein absolutes Drama. Einfach unglaublich, dass noch jeden Tag Tonnen
von Öl ins Meer gepumpt werden.
Spüren Sie eine Wut auf BP?
Der Skandal ist, dass an den Sicherheitsmassnahmen gespart wurde. Selbst die
Regierung hat sich zu wenig darum gekümmert. Diesen Firmen muss besser
auf die Finger geschaut werden. Es geht
doch hier nur um Profit.
Ihre glühendsten Verehrer sind zweifellos Victor Giaccobo und Mike Müller,
die das in ihrer Sendung auch gerne öffentlich machen. Wann kommt der
nächste Auftritt zu dritt?
Ich war schon zwei Mal dort. Das reicht.
Es bräuchte grosse Überredungskünste,
dass ich wieder hingehen würde (lacht).