Biketest - PDF
Transcrição
Biketest - PDF
Merida Reacto Evo Pfeilschnell Während der Kampf ums Gewicht weitergeht, leistet die Waffe der Wahl des Teams Lampre-Merida für 2014, das Reacto Evo, der Aero-Revolution Vorschub. Wird Marcel Wüst sich auf eine Seite schlagen? Text Marcel Wüst Fotografie Kai Dudenhöfer H eutzutage ist der Trend, die Aerodynamik von Rennrädern zu verbessern, stärker als das Bemühen um ein immer geringeres Gewicht. Die Konstrukteure verfolgen das Ziel, Gewicht einzusparen, zwar weiter – dafür sprechen die vielen Rahmen, die unter 700 Gramm wiegen. Aber da die UCI ein Mindestgewicht von 6,8 Kilo vorschreibt, scheint es nicht notwendig, noch leichtere Rahmen zu bauen. Viele Profi-Räder müssen sogar heute schon mit Ballast beschwert werden, was den ursprünglichen Sinn dieser Vorschrift, für stabile Rahmen zu sorgen, ad absurdum führt. Die neuesten Rahmen sind robust genug und die Vorschrift ist veraltet. Mit aerodynamischen Verbesserungen indes kann man noch einiges herausholen, und immer mehr Hersteller und Rennställe erkennen, was das bringt. Schauen Sie sich nur einmal an, welche Veränderungen es in den letzten Jahren im Peloton gegeben hat: Vor nur drei Jahren, bei der Weltmeisterschaft 2011, schüttelte man den 94 Procycling Juni 2014 Das Reacto Evo ist das StandardTeambike von Lampre-Merida für 2014 und punktet mit Aerodynamik und leichtem Gewicht. Kopf, als die Briten als erstes Team mit hautengen Anzügen bei einem Straßenrennen antraten und Mark Cavendish einen aerodynamischen Helm trug. Heute tragen fast alle Profis ein eng anliegendes Trikot und rund die Hälfte fährt mit windschlüpfrigen Helmen. Es ist klar, dass Aero sich durchgesetzt hat. Was die Bauweise der Rahmen angeht, so haben heute fast alle großen Hersteller einen aerodynamischen Straßenrahmen im Programm, bei dem die Rohre so geformt sind, dass sie die Luft besser durchschneiden als solche Rahmen, die auf minimales Gewicht und blitzschnelle Beschleunigung in den Bergen ausgelegt sind. Das Reacto Evo ist ein solches Bike, und es ist gespickt mit windschlüpfrigen Details: Seine abgeflachten Rohrprofile Wie immer, wenn man ein Team-Bike von Merida fährt, ist das erste Problem die Frage, was man nur anziehen soll. ähneln der der Merida-Warp-Zeitfahrmaschine; die Gabelscheiden stehen weit auseinander, damit von den Laufrädern erzeugte Luftverwirbelungen dem Wind keinen Widerstand bieten; die Hinterradbremse sitzt unter dem Tretlager. Nachdem ich das superleichte Merida Scultura – jetzt ihr klassisches oder „Kletter-Rennrad“ – letztes Jahr um diese Zeit gefahren war, war ich begeistert, als sie mir diese neue Version des Reacto so rechtzeitig schickten, dass ich es im Frühjahr mit nach Mallorca nehmen konnte. Das Lampre-Merida-Team setzt das Reacto Evo in dieser Saison als Standard-Rad ein, nicht als eins, das nur für bestimmte Zwecke ausgepackt wird, und so war ich gespannt, mir selbst ein Bild zu machen. Wie immer, wenn man ein Team-Bike von Merida fährt, ist das erste Problem für jemanden, der ein wenig Wert auf Radsport-Couture legt, die Frage, was man nur anziehen soll, das zu dieser „prägnanten“ schwarz-weiß-pink-grünen Farbgebung passt. Meine Garderobe gab nichts Passendes her und mein rot-weiß-schwar- Merida Reacto Evo Die hinter dem Tretlager sitzende Hinterradbremse macht einen am Cockpit angebrachten Schnellspanner nötig. Die Sitzstreben sitzen tiefer am Sitzrohr, um ihre Stirnfläche zu verringern. Das Sitzrohr schmiegt sich an das Hinterrad an und wird am Tretlager dicker, was für eine große Steifigkeit in diesem Bereich sorgt. Die abgeflachten Rohre, die dem Merida Warp TT ähneln, machen das Reacto Evo so aerodynamisch. Technische Daten zes Outfit kam dem Eingeständnis einer Niederlage gleich. Aber egal, ich war schärfer darauf, das Rad zu testen, als es ihm farblich gleichzutun. Bei angenehmen Temperaturen um 18 Grad rollte ich in die Hügel, die den Südosten der Insel prägen, und war von den ersten Pedalumdrehungen wirklich angetan. Ob es spürbar schneller als ein Nicht-Aero-Rad ist, ist schwer zu sagen, aber Merida versichert, dass man mit dem Rad bei 50 km/h gegenüber dem 2013er Scultura 22 Watt spart und dass man, obwohl der Rahmen 200 Gramm schwerer ist, Steigungen von bis zu neun Prozent schneller hochkommt. Wie beim Warp-Zeit fahrrad sitzt die Hinterradbremse beim Reacto Evo unter dem Tretlager. Rahmen Merida Reacto Evo Gabel Merida Vollcarbon Gruppe Shimano Dura-Ace Di2 Kurbelsatz Rotor 3D+ Bremsen Shimano Dura-Ace Direct Mount Laufräder Fulcrum Racing Speed XLR 35 Bereifung Continental Competition 22 Pro Ltd Lenker FSA K–Force carbon Vorbau FSA OS.99 Sattel Prologo Nago Evo CPC Stütze Merida Reacto S-Flex Gewicht ca. 7,4 kg Preis 6.499 € (mit Dura-Ace- Kurbelsatz und Fulcrum Red Wind 50) Kontakt www.merida-bikes.com Procycling Juni 2014 95 insider-wissen Im Gespräch mit Jürgen Falke, Produktmanager Merida Bikes Welche Entwicklungsziele waren für das neue Reacto Evo vorgegeben und welche Räder setzen Ihrer Meinung nach den Maßstab? Den Maßstab in puncto Aerodynamik haben das Cervélo S5 und das Specialized Venge gesetzt, aber beide Bikes haben eine begrenzte Steifigkeit im Bereich des Steuerrohrs und unkomfortable Sattelstützen. Deswegen setzen die entsprechenden Profiteams diese Räder meistens nur für bestimmte Zwecke ein. Unser Ziel beim Reacto Evo war, einen leistungsstarken Allround-Rahmen zu bauen, ohne Kompromisse bei Gewicht, Komfort oder Steifigkeit zu machen. Wenn man liest, was die Konkurrenz in Sachen Aerodynamik zu bieten hat, dann schneidet nur das Giant Propel ähnlich wie unser Reacto Evo ab. Das Reacto Evo hat eine extrem effiziente und direkte Kraftübertragung und ein sehr steifes Sitzrohr. Die Steifigkeit ist oft das erste Opfer, wenn die Konstrukteure den Wind austricksen wollen. Dieses Bike hingegen fühlte sich an wie ein supersteifes Rad mit klassischen runden Rohren, nicht wie die zweitwindschlüpfigste Straßenmaschine der Welt (nach dem Cervélo S5) – das behauptet Merida, nachdem man das Rad in Deutschland im Windkanal getestet hat. Der Fahrkomfort ist ein weiterer Bereich, in dem aerodynamische Räder infolge ihrer speziellen Rohrprofile tendenziell schlechter abschneiden. Merida hat sich des Problems angenommen und einen komfortablen Hinterbau entwickelt, der nicht auf Kosten der Steifigkeit geht. Dazu trägt auch eine flexible Sattelstütze bei, die mit einem Elastomer-Einsatz raue Straßen beläge gut glättet, ohne das Feedback von der Straße ganz zu unterdrücken. Dieses mit teamspezifischen Teilen versehene Reacto Evo wurde mit RotorQ-Rings geliefert. Diese unrunden Kettenblätter vermindern den Effekt des toten Punkts bei der Pedalumdrehung, vor allem größere Gänge treten sich etwas geschmeidiger. Aber ob man sie braucht? Das ist ein Stück weit eine Sache des persönlichen Geschmacks. Im Wettkampf mögen sie etwas bringen, aber für Freizeitsportler – und ich bin ja heute einer – sind sie nicht notwendig. Wer klassische Rahmen liebt, sieht das vielleicht anders, aber die aerodynami- 96 Procycling Juni 2014 schen Details ergeben insgesamt ein Rad mit einer klasse Optik, die speziell geformten Sitzstreben sitzen tief am windschnittigen Sitzrohr mit Auskehlung für das Laufrad, die versteckte Sattelstützen klemme und das flache Oberrohr sorgen neben einem beeindruckenden Look auch für Geschwindigkeit. Tests im Windkanal haben gezeigt, dass die „Direct Mount“-Hinterradbremse dazu beiträgt, das Rad windschnittiger zu machen, aber das spürt man bei der Fahrt natürlich nicht. Was man spürt, ist die Bremskraft, und bei einem so unkonven tionellen Set-up wollte ich natürlich die Bremsleistung in den Abfahrten testen. Das ist vielleicht mein Lieblingsmoment bei jedem Radtest. Ich war nie der talentierteste Kletterer im Peloton und daher habe ich meine ganze Karriere lang eine Technik verfeinert, die mich die Zeit hat auf holen lassen, die ich bergauf verloren hatte. Erworben habe ich diese Fähigkeit auf den vielen Abfahrten der Tour de France, des Giro d’Italia und der Vuelta a España, und ich habe sie nie verlernt. Doch da heute keine Gefahr mehr besteht, die Karenzzeit zu verpassen, muss ich zugeben, Marcel genoss die schnelle Abfahrt mit dem Reacto Evo dank seines Fahrverhaltens und seiner Bremsleistung. Wer klassische Rahmen liebt, sieht das anders, aber die aerodynamischen Details ergeben ein Rad mit einer klasse Optik. Wie haben Sie die Prioritäten beim Verhalten im Wind gesetzt? Wir haben uns an die Windkanal-Testmethoden gehalten, die das Rennradmagazin „Tour“ entwickelt hat, und arbeiteten mit einem definierten Bereich von 0 bis 20 Grad Anströmwinkel – in fünf Schritten. So konnten wir eine große Bandbreite an Aero-Daten der Konkurrenz aus einer neutralen Quelle verwenden und die fortschrittlichsten Standards nutzen (Rotation des Rads zur Antriebs- und Nichtantriebsseite, ein „Dummy“-Fahrer mit beweglichen Beinen, der 90 Umdrehungen pro Minute tritt). Was bringt die unter dem Tretlager sitzende Hinterradbremse? An diesem Ort sorgt sie für weniger Verwirbelungen hinter dem Sitzrohr und für einen geschmeidigeren Luftstrom hinter dem Rahmen. Und wie wirken sich Trinkflaschen auf die Aerodynamik aus? Wir haben die Tests immer mit einer runden Flasche am Unterrohr gemacht. Das war die Konfiguration, mit der wir bei allen Tests im Windkanal gearbeitet haben, weil es die Realität im Profiradsport abbildet. Müssen Sie das Team überreden, mit diesem Bike zu fahren, oder haben die Fahrer die Vorteile erkannt und sich selbst dafür entschieden? Im letzten Jahr konnten die Fahrer zwischen dem Reacto und unserem superleichten Scultura wählen. Nachdem wir beide Rahmen im Windkanal mit identischen Laufrädern getestet und eine enorme Einsparung von 16 Watt bei 45 km/h (21 Watt bei 51 km/h) festgestellt haben, haben wir beschlossen, dass das Reacto das neue Team-Bike für 2014 sein muss. In diesem Jahr können sie nicht wählen, außer bei den Rennen auf Kopfsteinpflaster. Kein Profi kann es sich leisten, 20 Watt zu verschenken, und der Gewichtsunterschied zum Scultura SL ist unter 200 Gramm. Wir haben es ihnen erklärt und die Fahrer sind mit an Bord, weil sie verstanden haben, was es ihnen bringt. Merida Reacto Evo dass ich nicht mehr ganz so viele Risiken eingehe. Die Bremsleistung ist wichtig, wenn man schnell abfahren will, und nach meiner Erfahrung zahlt man beim Bremsen immer einen Preis dafür, wenn die Hinterradbremse unter dem Tretlager sitzt. Beim Reacto Evo ist das jedoch nicht der Fall. Um ehrlich zu sein: Hätte ich Laut Merida ist das Reacto am Berg – bei Steigungen bis zu neun Prozent – besser als das superleichte Scultura. hätte ich nicht gewusst, dass die Hinterradbremse weggewandert ist, hätte ich keinen Unterschied gespürt. nicht gewusst, dass die Hinterradbremse von ihrem üblichen Platz weggewandert ist, hätte ich keinen Unterschied gespürt: Sie lässt sich perfekt dosieren und beißt kräftig zu, alles kein Problem. Die Haltung auf dem Reacto Evo war sehr sportlich, und da unter dem Vorbau keine Distanzstücke waren, konnte ich den Wind wirklich austricksen. Wenn man mit einem solchen technischen Wirbelwind wie diesem Rad konfrontiert ist, kann man leicht vergessen, dass 80 Prozent des gesamten Luftwiderstands vom Fahrer kommen. Ein Aero-Bike ist bei jeder Geschwindigkeit und bei jeder ange- nommenen (gleichen) Sitzhaltung schneller als ein traditionelles Rad, aber wenn man wirklich davon profitieren will, muss man es schnell fahren, weil die AeroVerbesserungen erst dann wirklich zum Tragen kommen und die richtige Position einnehmen. Das Fahrgefühl des Reacto Evo „wie auf Schienen“ ist genau, was ich von einem Rad erwarte, obwohl es in sehr engen Kurven nicht so aggressiv ist wie andere Räder seiner Kategorie, die ich gefahren bin. Ich hatte volles Vertrauen zu dem Rahmen und der Gabel, und die „Continental Competition 22“-Schlauchreifen fand ich immer schon gut. Sie klebten auf „Fulcrum Racing Speed XLR 35“-Laufrädern mit Vollcarbon-Felgen. Obwohl sie nicht so schnell sind wie Laufräder mit tieferen Felgen, sind diese 35er echte Allrounder: Sie sind stabil, wenn man böigem Seitenwind ausgesetzt ist, leicht genug, um gut zu klettern – und sie lassen sich sehr gut verzögern. Meine einzige wirkliche Kletterpartie des Tages war auf einen steilen Hügel begrenzt, doch mit 18 Prozent Steigung war er knackig genug, um die Grenzen des Reacto Evo zu testen. Als an diesem Hang die Kette das 25er-Ritzel erreicht hatte und nicht mehr weiter hoch konnte, hätte ich mir eine Kompaktkurbel mit 34erBlatt gewünscht. Auf dem Gipfel lehnte ich das Merida Reacto Evo gegen ein Mäuerchen mit Blick auf das Mittelmeer, die Sonne schien mir ins Gesicht und es kümmerte mich nicht mehr, dass mein Outfit farblich so schlecht passte. Ich hatte einen tollen Tag auf einem extrem guten Rad in einer fantastischen Gegend. Was kann man sich mehr wünschen? St. Johann in Tirol Oberndorf - Kirchdorf - Erpfendorf St. Johann in Tirol Oberndorf - Kirchdorf - Erpfendorf Radweltpokal & Master Cycling Classic l ie p s n n Gewi ie ein Ghost. nen S n Gewin ennrad vo l auf nspie ues R in e w n e d G d d a r n bran u n nfos s.cc/ren rad-I lp Renn ww.kitza w 23.–30. August 2014, St. Johann i.T. · 3.500 Teilnehmer aus 53 Nationen St. Johann in Tirol – OberndorfKitzbüheler – Kirchdorf – Erpfendorf Bergsommer Alpen Poststraße 2 • A-6380 St. Johann i.T. • Telefon +43 5352 633 35-0 • [email protected]