Sie sich erzählen - Troyes, Ville d`art et d`histoire
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Städte und Länder der Kunst und der Geschichte lassen Sie sich Troyes erzählen Zeichenerklärung : Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul Basilika Saint-Urbain Kirche Saint-Nizier Kirche Sainte-Madeleine im eS ar t A ru Kirche Saint-Pantaléon Museum Vauluisant Rathaus Kirche Saint-Rémy Markthalle rue D E Cité du Vitrail (Glasmalereimuseum) is Apothicairerie de l’Hôtel-Dieu-le-Comte (Pharmaziemuseum) rgeo D e nd bo La Bou Maison de l’Outil et de la Pensée Ouvrière (Handwerks- und Arbeitermuseum) rite C gue ou Musée d'Art moderne (Museum der modernen Kunst) Mar ith B E eP rue Stadtpalais Hôtel du Petit-Louvre Museum Saint-Loup (Museum für Kunst, Archäologie und Naturgeschichte) d ru Stadtpalais Hôtel Juvénal-des-Ursins A B é Cit rue 2 a el Kirche Saint-Jean-au-Marché 1 Kirche Saint-Nicolas C N Kirchen Fremdenverkehrsamt 1 Stadtpalais Hôtel du Lion-Noir 2 Villa Viardot 2 3 Darstellung von Augustobona im 2. und 3. Jahrhundert ©Gestaltung : Ph. Riffaud-Longuespé. Umsetzung : Okénite Animation Armreif aus Molesme ©Ph. Riffaud-Longuespé, Inv. Nr. 882.3.5, Sammlung Kunstmuseum Troyes Schatz von Pouan ©Jean-Marie Protte, Inv. Nr. 860.19.1 bis 14, Sammlung Kunstmuseum Troyes Stadtplan von Troyes am Ende des 10. Jahrhunderts, P. Pietresson aus Saint-Aubin ©Noël Mazières, 12J11, Archive des Departements Aube Die Entwicklung der Stadt im Mittelalter Die Folge des gallo-römischen Stadtgrenzenverlaufs, der sukzessiven Flussbettverlagerungen der Seine und des Stadtmauerbaus zur Zeit der Champagnemessen. Troyes : die Stadt in Form eines Champagnerkorkens Die gallo-römische Stadt Augustobona Die Toponymik (Augustobona) lässt vermuten, dass das antike Troyes unter der julisch-claudischen Dynastie gegründet wurde. Plinius der Ältere ist der erste, der die Stadt im Jahre 63 unserer Zeitrechnung unter dem Namen „Tricassium“ erwähnt, bevor Ptolemäus sie im 2. Jahrhundert mit ihrem offiziellen Namen „Augustobona“ bezeichnet. Durch die anfangs bescheidene Kleinstadt reisen Soldaten und Händler, sie gilt als Treffpunkt des gallischen Adels, der Handwerker, der Kaufleute und der ländlichen Bevölkerung. Die Nähe der Seine und ihres vermutlichen Zusammenflusses mit der Vienne haben zweifellos die Standortwahl der Stadt auf der Via Agrippa von Mailand nach Boulogne-sur-Mer bestimmt. Diese römische Straße, die die Stadt von Osten nach Westen durchquert, 4 verschmilzt mit der heutigen „Rue de la Cité“ und bildet innerhalb der Stadtmauern den decumanus maximus. Die Unruhen des Spätrömischen Reichs verändern das Stadtbild. Aufgrund der wiederholten Invasionen von Barbaren aus dem Osten ab der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts ist die Stadt gezwungen, sich abzuschotten : So entsteht eine Stadtmauer, die eine Fläche von ca. 16 Hektar einschließt. Im 11. Jahrhundert besitzen die Grafen von Champagne eine feudale Burg in Troyes, die sich auf den Fundamenten eines mutmaßlichen gallo-römischen Amphitheaters erhebt. Ab dem 12. Jahrhundert erlebt die Stadt eine Zeit großen Wohlstands, der sich in ihrer topografischen Entwicklung widerspiegelt : Neue Gebäude werden erbaut (Grafenpalast, Hospital Hôtel-Dieu, Bischofssitz…), neue Straßen angelegt, die die antiken Wege ersetzen, eine neue Stadtmauer wird errichtet, und neue Stadtviertel entwickeln sich. Durch den Bau von Kanälen zur Trockenlegung der Feuchtgebiete gewinnt Troyes neue Siedlungsräume und bietet Handwerksbetrieben wie Gerbereien, Fleischereien und Mühlen günstig gelegene Standorte. Hugo von Payns, ein Vertrauter des Grafen von Champagne Hugo I., gründet 1118 den Templerorden, der die Pilger 5 Siegel des Grafen Heinrich I. des Freigiebigen Abtei Notre-Dame-aux-Nonnains und Palast der Grafen von Champagne ©Noël Mazières, 42FI2, Archive des Departements Aube Lithografie von Charles Fichot ©Pascal Jacquinot, Mitantier B.1.11, Band I, 1852, Mediathek für den Großraum Troyes Troyes, der alte Kräutermarkt, Charles Fichot, 2. Viertel des 19. Jahrhunderts Zwischen 1229 und 1231 lässt Theobald IV., Graf von Champagne, neue Stadtmauern im Osten der Stadt errichten. Dazu wird das Flussbett der Seine verlagert, woraus die heutige Champagnerkorkenform der Stadt entsteht. Die neuen Kaufmanns- und Industrieviertel bilden den unteren Korkenteil, während der Korkenkopf die Altstadt und ihre Ausdehnungen umfasst. 6 Graf Heinrich I. beschließt den Bau eines Palastes außerhalb des Castrums und gibt so die feudale Burg der ersten Grafen von Champagne auf. Der Bau beginnt um 1150 und wird ab 1157 mit der Errichtung der Stiftskirche Saint-Etienne fortgesetzt, die an das Hauptgebäude des Palastes angrenzt. Die Kirche beherbergt einen bemerkenswerten Kirchenschatz sowie die Gräber der Grafen Heinrich I. und Theobald III. Der gesamte Palastkomplex, der im Osten von der Kathedrale, im Norden vom Hospital Hôtel-Dieu und im Süden von der Abtei NotreDame-aux-Nonnains und der Basilika Saint-Urbain eingegrenzt wird, bildet ein einzigartiges Stadtdenkmal, ein weltliches und geistliches Machtzentrum in Troyes. Erst die Turbulenzen der Revolution und die Städtebaupro- ©Claude Bérisé, nach einem Stadtplan von P. Pietresson aus Saint-Aubin ©Jean-Marie Protte, Inv. Nr. 37.7.4, Sammlung Kunstmuseum Troyes Ein einzigartiges Stadtdenkmal rund um den gräflichen Palast auf ihrem Weg nach Jerusalem beschützen soll. Die Regel dieser Mönchsritter wird 1128 beim Konzil von Troyes im Beisein des Heiligen Bernhard von Clairvaux erlassen, der kurz zuvor das Zisterzienserkloster in Clairvaux ins Leben gerufen hat. Stadtplan von Troyes am Ende des 12. Jahrhunderts Die Champagnemessen : der internationale Einfluss der Stadt jekte des frühen 19. Jahrhunderts besiegeln seinen Untergang. Der Turm Orfèvre in Troyes, Charles Fichot, 2. Viertel des 19. Jahrhunderts ©Jean-Marie Protte, Inv. 37.7.5, Sammlung Kunstmuseum Troyes Die Champagnemessen finden erstmals ab dem 11. Jahrhundert statt und gewinnen ab dem Ende des 12. Jahrhunderts unter dem Einfluss der Grafen von Champagne und insbesondere des Grafen Theobald II. an Bedeutung, der großes Interesse an den Veranstaltungen hat. Er errichtet Geldwechselstände und führt 1137 den „Passierschein“ ein, der auch die reisenden Kaufleute außerhalb seines Einflussbereichs unter seinen Schutz stellt. Zweimal jährlich finden die Messen an festen Terminen in den vier Städten seines Herrschaftsgebiets statt : Troyes, Bar-sur-Aube, Provins und Lagny. So beginnt die „heiße“ Messe stets am 24. Juni, dem Johannistag, die „kalte“ Messe jeweils am Fest des Heiligen Remigius am 1. Oktober. Zwei Wochen lang wird das Viertel Saint-Jean Schauplatz der berühmten Veranstaltung, und an 7 Stadtpalais Hôtel du Lion-Noir, 16. Jahrhundert Darstellung der Hl. Barbara, 16. Jahrhundert ©Daniel Le Nevé ©Daniel Le Nevé, Kirche Saint-Pantaléon Kirchenfenster mit Darstellung der Schöpfungsgeschichte, 16. Jahrhundert Darstellung der Hl. Martha, Beginn des 16. Jahrhunderts ©Daniel Le Nevé, Kirche Sainte-Madeleine ©Daniel Le Nevé, Kirche Sainte-Madeleine Das schöne 16. Jahrhundert - die Blütezeit Troyes‘ den Mauern seiner Kirche errichten die Kaufleute aus ganz Europa ihre provisorischen Behausungen. Die Messewächter sorgen für die Einhaltung der Verträge, und die „Troy-Unze“ ist die gängige Gewichtseinheit für Edelmetalle. Die 10 000 bis 20 000 Einwohner zählende Stadt lockt im Laufe des 12. und vor allem des 13. Jahrhunderts, der Blütezeit der Champagnemessen, Tausende von ausländischen Kauf- und Handelsleuten an. Nach und nach wird die von den italienischen Bankiers angeführte Geldwirtschaft bedeutender als der Handel selbst. Mit dem Auftreten politischer Krisen verlieren die Messen schließlich mehr und mehr ihren Stellenwert. 8 Die bürgerliche Architektur reflektiert den zum Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts wiedergefundenen Wohlstand der Stadt. Im frühen 16. Jahrhundert erleben die Champagne und insbesondere die Stadt Troyes eine neue Blütezeit. Neben der bereits fest etablierten Textilindustrie und den Gerbereien gewinnen die Papierherstellung und die Druckerei an Bedeutung. Mühlen werden wieder aufgebaut, die Kirchen erweitert oder renoviert. Zudem steigt die Stadt zu einem Zentrum der Kunst auf, sodass man von der Schule von Troyes für Malerei, Bildhauerei und Glasereikunst spricht. Die Epoche wird als „das schöne 16. Jahrhundert“ bezeichnet. Die Werke der Bildhauer von Troyes genießen einen Ruf, der weit über die Landesgrenzen hinausreicht. Als Beispiel seien die Werke des Meisters von Chaource oder des Bildhauers Dominique Florentin genannt, der zur Verbreitung des Stils der italienischen Renaissance in der Stadt beiträgt. Am 24. Mai 1524 zerstört ein schrecklicher Brand ein Drittel der Stadt : 1 500 Häuser sowie zahlreiche Kirchen, unter anderem die Kirchen Saint-Nicolas, Saint-Pantaléon und Saint-Jean-au-Marché, werden ein Raub der Flammen. Das gesamte Stadtbild ändert sich mit diesem tragischen Ereignis. Jedoch ermöglichen die günstige Wirtschaftslage der Zeit und der Wohlstand einiger Einwohner den Wiederaufbau der beschädigten Viertel. So werden die betroffenen Kirchen saniert, neue Straßen angelegt, um den Zugang für Rettungsdienste zu erleichtern, und zahlreiche Fachwerkhäuser und Stadtpalais aus Stein mit dem für die Champagne typischen Schachbrettmuster aus Ziegeln und Kreide errichtet. Die Dynamik des Wiederaufbaus beschränkt sich nicht nur auf die abgebrannten Stadtviertel, sondern weitet sich auf den gesamten Champagnerkorken aus. Die Stadtarchitektur erfährt so eine Homogenisierung. 9 Geschnitztes Balkenendstück ©Daniel Le Nevé Sprossenfenster eines Fachwerkhauses 10 Die Revolution im 18. Jahrhundert, die Modernisierung der Stadt im 19. Jahrhundert, die Dringlichkeit des Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit, die Hygienebewegung… Alle diese Ereignisse haben unweigerliche Folgen für das Stadtbild des Zentrums von Troyes. Vom Mittelalter in die Moderne : die Ausweitung des Stadtkerns ©Daniel Le Nevé Die Neustrukturierung der Stadt im 17. und 18. Jahrhundert Rund um die Stadtgräben werden ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit Bäumen bepflanzte Promenaden angelegt. Zwischen 1610 und 1640 lassen sich zahlreiche Ordensgemeinschaften in Troyes nieder : Kapuziner, Karmeliten, Oratorianer, Visitandinnen, Ursulinen, Kongregation von Unserer Lieben Frau, Missionspriester… In diesem Jahrhundert, zwischen 1624 und 1670, wird auch das Rathaus von Troyes errichtet. Die Festungsanlagen gelten ab dem 18. Jahrhundert als veraltet. 1769 stellt der Ingenieur Bocher de Coluel einen Baulinienplan für die Stadt auf, der jedoch nur teilweise umgesetzt wird. Der vor den revolutionären Ausschreitungen erstellte Plan ist heute ein äußerst wertvolles Stadtplanungsdokument. 11 Fries der Villa Marguerite, 19. Jahrhundert ©Daniel Le Nevé Die Revolution verändert die Topografie der Stadt erheblich : Kirchen werden zerstört, an Privatleute verkauft, als Quartiere oder Lagerstätten zweckentfremdet, Abteien werden zu öffentlichen Gebäuden umfunktioniert (Präfektur, Gefängnis, Hospiz…). Der Ikonoklasmus der Revolution führt insbesondere zum Verschwinden der Abteikirchen Saint-Loup (heute Musée Saint-Loup) und Notre-Dame-auxNonnains (neben der Präfektur) sowie der Stiftskirche Saint-Etienne (Place du Préau) und beschleunigt den Einsturz des Palastes der Grafen von Champagne (Place du Préau). 12 Das 19. Jahrhundert : goldenes Zeitalter der Strick- und Wirkware und Veränderung des Stadtbildes Die Uferstraßen Quai Dampierre und Quai des Comtes-de-Champagne Das 19. Jahrhundert ist eine weitere wichtige Phase in der Geschichte der Stadt, die zum unangefochtenen Technologiezentrum der französischen Strick- und Wirkwarenherstellung aufsteigt. Von 1885 bis 1910 erlebt Troyes mit der Einführung der Kulierwirkmaschine und der damit verbundenen Produktivitätssteigerung ein goldenes Industriezeitalter und genießt internationales Ansehen. Valton, Poron, Mauchauffée und Lebocey sind nur einige der großen Namen, die die Strick- und Wirkwarenherstellung beherrschen. Die Wirkwarenfabriken, die zwischen 1870 und 1910 außerhalb der ehemaligen Stadtgräben angesiedelt sind, entwickeln sich auf dem bisher ungenutzten Land in den Vororten, hauptsächlich im Südwesten der Stadt. So prägen Sheddächer und Schornsteine aus Ziegelsteinen das Stadtbild. Schon bald spezialisiert sich die Stadt auf die Strumpfherstellung, dank des Baus von Flachstrickmaschinen durch einige in Troyes etablierte Hersteller wie Poron Frères, Guivet und Couturat. Ehemalige Textilfabrik Guy de Bérac ©Daniel Le Nevé ©Claude Bérisé, La Mémoire de Troyes II 1998, alte Ansichtskarten Gleichzeitig entstehen rund um Troyes Arbeitervororte mit Wohnhäusern, die Tradition und Neuerung miteinander vereinen : Die Tradition der Stadtpalais besteht fort, jedoch entstehen in den Vororten isolierte Villen, Wohnsiedlungen und Mietshäuser. Die Bourgeoisie von Troyes wird nunmehr von Industriellen und Bankiers bestimmt, die die Architektur beherrschen. Auch die Arbeiten zum Bau des Kanals der Haute-Seine, der Troyes mit No- gent-sur-Seine verbindet, verändern das Stadtbild erheblich. Das von Napoleon I. beschlossene Projekt wird erst 1840 in Angriff genommen : Dazu wird der Champagnerkorken von Nord nach Süd zweigeteilt. Mitten im Stadtkern entsteht ein Hafengebiet : Ein riesiges Hafenbecken wird teilweise auf den Überresten des Palastes der Grafen der Champagne ausgehoben, dessen erhaltene Bausubstanzen zum Bau der Schleusen dienen. 1851 wird der Kanal für die Schifffahrt zwischen Troyes und Marcilly eröffnet. In dieser Zeit werden zahlreiche Ruinen entweder nach und nach abgerissen, wie die feudale Burg der Grafen 1840 und 1862, oder anderweitig genutzt, wie das zum Gefängnis umfunktionierte Franziskanerkloster. Häuserblocks mit Wohnhäusern aus dem 16. Jahrhundert vers13 Wasserspeier der Basilika Saint-Urbain Luftbild des Champagnerkorkens ©Daniel Le Nevé ©Les Quatre Vents Architektonisches Detail der Villa Viardot, Beginn des 20. Jahrhunderts Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul, 13.-17. Jahrhundert ©Daniel Le Nevé ©Daniel Le Nevé chwinden, wie die Häuser in der Rue de la Charbonnerie, die 1875 für den Durchbruch der Straße Rue des Quinze-Vingts weichen müssen. Die Stadtmauern werden abgerissen und die Stadtgräben zugeschüttet, um Platz für breite, teilweise als öffentliche Parks angelegte Promenaden zu schaffen (zum Beispiel das „Vallée Suisse“ entlang des heutigen Boulevards Gambetta). Die Straßenlinienpläne lassen die Fassaden und Auskragungen der Häuser verschwinden. Auch die kleinen, an die Mauern der Kathedrale und der Kirchen angrenzenden Behausungen werden abgerissen. Der Einzug der Stadt in die Moderne Troyes und seine Sehenswürdigkeiten Der Beginn des 20. Jahrhunderts ist für Troyes eine Fortsetzung des vorherigen Jahrhunderts : Nur wenige stilistische Neuerungen fügen sich in das Stadtbild ein, wie die 1908 von einem reichen Kaufmann der Stadt im Art nouveau-Stil erbaute Villa Viardot. Die Straßenbahn erobert die Stadt und profitiert von der geraden Ausrichtung der Straßen und dem Bau von Boulevards. Die Kathedrale Saint-Pierreet-Saint-Paul Zwischen 1930 und 1940 werden Bäche und Kanäle zugeschüttet, insbesondere große Teile des Kanals der Haute-Seine, und es entstehen Boulevards, entlang derer sich Strick- und Wirkwarenhersteller ansiedeln und ihre Industrie entwickeln. Nach und nach vollzieht sich ein tiefgreifender Wandel im Bewusstsein der Einwohner, die sich nunmehr der Bedeutung des alten Troyes und seines Erhalts bewusst werden. Das wahre Wunderwerk der gotischen Architektur verfügt mit seinen Kirchenfenstern im Chor (13. Jh.) und im Schiff (15. und 16. Jh.) über eine der größten Glasmalereiflächen in Frankreich. Seit 1793 bereichert die Orgel der Abtei von Clairvaux die Kathedrale. gen Lupus (Saint-Loup) von Troyes (16. Jh.) und die liturgischen Goldschmiedegegenstände von Édouard Colbert (17. Jh.) sind nur einige der bemerkenswerten Sehenswürdigkeiten. Der Kirchenschatz der Kathedrale umfasst eine bemerkenswerte Sammlung von Reliquienschreinen (darunter der des Heiligen Bernhard von Clairvaux, der nach den Plänen von Viollet-le-Duc restauriert wurde), Reliquien, Emaillen aus Limoges, Insignien und Goldschmiedearbeiten. Ein byzantinischer Schrein aus purpurgefärbtem Elfenbein (11. Jh.), die Almosentaschen der Grafen von Champagne (14. Jh.), die Emaillen des Kopfreliquiars des HeiliKirchenfenster mit Darstellung der Vollendung Mariens 14 ©Daniel Le Nevé, Fenster 40, Kathedrale von Troyes 15 Museum Saint-Loup (Museum für Kunst, Archäologie und Naturgeschichte), 17.-18. Jahrhundert Museum der modernen Kunst, 16.-17. Jahrhundert ©Daniel Le Nevé ©Daniel Le Nevé Museum Saint-Loup (Kunst-, Archäologie- und Naturgeschichtemuseum) In der ehemaligen, im 12. Jahrhundert gegründeten Abtei Saint-Loup ist das Kunst-, Archäologie- und Naturgeschichtemuseum untergebracht. Es präsentiert eine reiche Gemäldesammlung aus dem 14. bis 19. Jahrhundert, unter anderem mit Werken von Mignard, Watteau, Natoire, Boucher, Hubert Robert und Philippe De Champaigne, sowie eine herausragende Skulpturensammlung aus dem 19. Jahrhundert. Weitere Ausstellungsstücke des Museums : mittelalterliche Skulpturen aus Stein, die aus den religiösen Bauwerken der Stadt stammen, zahlreiche Elemente der bürgerlichen Architektur des 16. Jahrhunderts sowie regionale Archäologiesammlungen von der Vorgeschichte bis 16 Apothicairerie de l’Hôtel-Dieu-le-Comte (Pharmaziemuseum), 18. Jahrhundert Museum Vauluisant ©Carole Bell ©Daniel Le Nevé zur Zeit der Karolinger : Steinwerkzeuge, Megalithen, Wagengräber, keltische Toreutik, gallo-römische und merowingische Schätze... Museum der modernen Kunst Der ehemalige Bischofspalast, vom 16. bis 17. Jahrhundert erbaut, wurde 1982 restauriert und beherbergt seither das Museum der modernen Kunst. Über 2 000 Werke (Gemälde, Skulpturen, Glaskunst, afrikanische und ozeanische Kunst) aus der Zeit von 1850 bis 1950 werden hier ausgestellt. Der Großteil der Werke stammt aus der kostbaren Kunstsammlung des Troyenner Textilindustriellen Pierre Lévy und seiner Frau Denise, die sie 1976 in einer Schenkung dem Staat übergaben. Besonders stark in den Sammlungen vertreten sind der Fauvismus (Derain, Braque, Vlaminck, Van Dongen, Chabaud) sowie die Werke von Derain und Marinot (Glaskunst und Malerei). Kreationen renommierter Künstler präsentieren dem Besucher einen umfassenden Einblick in die moderne Malerei in Frankreich : Modigliani, Soutine, Dufy, Gromaire, Masson, Ernst, Delaunay, De Staël, Balthus, Buffet. Apothicairerie de l’Hôtel-Dieu-le-Comte (Pharmaziemuseum) Im ehemaligen Krankenhaus Hôtel-Dieule-Comte, im 12. Jahrhundert von dem Grafen von Champagne Heinrich I. dem Freigiebigen gegründet, ist die zu Beginn des 18. Jahrhunderts eingerichtete Apotheke noch heute erhalten. Eine bemerkenswerte Sammlung von Arzneidosen und Fayencen aus der Zeit vom 16. bis 18. Jahrhundert zeichnet die Geschichte der Pharmakopöe nach. Museum Vauluisant Im Hôtel de Vauluisant (Mitte des 16. Jh.) sind heute das Geschichtsmuseum von Troyes und der Champagne sowie das Strick- und Wirkwarenmuseum untergebracht. Die Skulpturen-, Gemäldeund Glaskunstsammlungen aus dem „schönen 16. Jahrhundert“ treffen hier auf Strickmaschinen, Strümpfe und Mützen aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Maison de l’Outil et de la Pensée Ouvrière (Handwerks- und Arbeitermuseum) Das Museum befindet sich im Stadtpalais Hôtel de Mauroy aus der Zeit um 1550. Das von der Handwerksgesellenvereinigung Compagnons du Devoir restaurierte und verwaltete Gebäude birgt seit 1974 eine Sammlung von 17 Maison de l’Outil et de la Pensée Ouvrière (Handwerks- und Arbeitermuseum), im Hôtel de Mauroy, 16. Jahrhundert Lettner der Kirche Sainte-Madeleine, 16. Jahrhundert Basilika Saint-Urbain, 13. Jahrhundert ©Daniel Le Nevé Kirche Saint-Pantaléon, 16.-17.-18. Jahrhundert ©Daniel Le Nevé ©Daniel le Nevé ©Daniel Le Nevé 10 000 Handwerkzeugen aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die von einer Bibliothek mit 35 000 Werken zum Thema Handwerksberufe ergänzt wird. Die von einem passionierten Jesuiten, Pater Paul Feller, zusammengetragene Kollektion ist weltweit einzigartig. Kirche Sainte-Madeleine Die im 12. Jahrhundert erbaute und im 16. Jahrhundert restaurierte Kirche Sainte-Madeleine ist die älteste Kirche der Stadt. Sie ist insbesondere für ihren aus Stein gehauenen Lettner aus dem frühen 16. Jahrhundert berühmt, deren untere, mit Durchgängen versehene Schranke aus Holz im Museum Vauluisant aufbewahrt wird. Die beeindruckenden Kirchenfenster im Chor aus dem frühen 16. Jahrhundert stellen die Schöpfungsgeschichte dar. Ebenfalls bemerkenswert sind die Skulpturen aus dem 16. Jahrhundert. Basilika Saint-Urbain Die 1964 mit dem Titel „Basilica minor“ (kleinere Basilika) ausgezeichnete Kirche Saint-Urbain ist wahrhaftig ein Juwel der Gotik, das große Ähnlichkeit mit der Sainte-Chapelle in Paris und der Kirche Saint-Ouen in Rouen aufweist. Der Gründer der Basilika, Jacques Pantaléon, 1185 in Troyes geboren und 1261 unter dem Namen Urban IV. zum Papst gewählt, ließ die Kirche - außer die Gewölbe des Schiffs - von 1262 bis 1286 an der Stelle der Schusterbude seines Vaters errichten. Das Giebelfeld des Hauptportals und die Fenster im Chor stammen aus dem 13. Jahrhundert. Kirche Saint-Pantaléon Die nach dem großen Brand von 1524 wiederaufgebaute Kirche schmücken rund 60 Statuen aus dem 16. Jahrhundert, die vor dem Vandalismus der Revolution gerettet werden konnten, darunter La Foi et La Charité (Der Glaube und die Barmherzigkeit) von Dominique Florentin, einem italienischen Künstler, der unter Franz I. in Fontainebleau schuf. Das enge Kirchenschiff mit bemerkenswerten Grisaille-Kirchenfenstern aus dem 16. Jahrhundert wird von einem imposanten Gewölbe aus Kastanienholz aus dem 17. Jahrhundert überragt. Kirche Saint-Jean-auMarché Kirche Saint-Jean-au-Marché, 13.-14.-16. Jahrhundert Die Kirche Saint-Jean-au-Marché, eine der ältesten Kirchen von Troyes, befindet sich in einem der belebtesten Viertel der Stadt, in dem im Mittelalter die Champagnemessen stattfanden. Sie wurde im 9. Jahrhundert von den Normannen verwüstet und im 13. und 14. Jahrhundert wieder aufgebaut. Hier fand 878 die Krönung von Ludwig II. dem Stammler statt, 1420 wurde in der © Daniel Le Nevé 18 19 Rathausfassade, 17.-18. Jahrhundert Stadtpalais Hôtel du Petit-Louvre, 16. Jahrhundert ©Carole Bell Markthalle, 19. Jahrhundert Stadtpalais Hôtel Juvénal-des-Ursins, 16. Jahrhundert ©Daniel Le Nevé ©Daniel Le Nevé Kirche die Hochzeit von Heinrich V. von England mit Katharina von Frankreich gefeiert. Nach dem Stadtbrand von 1524 wurde die beschädigte Kirche nochmals wiederaufgebaut. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts lehnten sich kleine Wohnhäuser an die Mauern der Kirche. Ihr Hauptaltar aus dem 17. Jahrhundert ist mit Gemälden von Pierre Mignard und Bronzen von François Girardon verziert. len aus schwarzem Marmor und eine Nische mit einer Statue der behelmten Minerva. Die Figur ersetzt das in der Revolution zerstörte Standbild von Ludwig XIV. Rathaus Das für seine revolutionäre Devise „Einheit, Unteilbarkeit der Republik, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit oder der Tod“ berühmte Rathaus von Troyes bleibt eines der seltenen bürgerlichen Bauwerke im Louis-treize-Stil. Die Fassade, deren Restaurierung vor kurzem abgeschlossen wurde, schmücken Säu20 ©Daniel Le Nevé Stadtpalais Hôtel du PetitLouvre Das ehemalige Wohnhaus des Bischofs Odard Hennequin im 16. Jahrhundert wurde im 19. Jahrhundert als Station für die Postkutschen genutzt, die Troyes mit Paris verbanden. Dieser Poststrecke verdankt das Haus seinen Namen. In dem 1992 restaurierten Gebäude sind heute die Ämter für Stadtplanung, Stadterneuerung, Grundstücksplanung und Kulturerbe sowie das Centre pour l‘UNESCO Louis François untergebracht. Stadtpalais Hôtel Juvénaldes-Ursins Detailansicht eines Kapitells der Rathausfassade ©Carole Bell Der einstige Besitz der Familie Juvénal des Ursins wurde nach dem Brand von 1524 im Renaissance-Stil wiederaufgebaut. Die bunten, mit kunstvoll eingearbeiteten Sternen verzierten Bleiglasfenster seines bemerkenswerten Erkers stammen aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts. Das Gebäude gilt als architektonisches Prachtstück des „schönen Troyenner 16. Jahrhunderts“. Markthalle Das Ende des 19. Jahrhunderts eingeweihte Gebäude ist ein Werk des Architekten Emile Bailly aus Gusseisen, Eisen und Glas und gehört zu den größten überdachten Märkten Frankreichs im Stil des Architekten Victor Baltard. Ein Besuch in der Markthalle ist ein Muss für Jeden, der die regionalen Spezialitäten des Departements Aube und andere Köstlichkeiten entdecken möchte. Auf dem 1980 nachträglich eingebauten Zwischengeschoss befinden sich verschiedene Geschäfte und städtische Einrichtungen. 21 Otter, Museum Darstellung einer Weintrauben tragenden Person, Kathedrale MA688, Museum Saint-Loup ©Daniel Le Nevé ©Daniel Le Nevé Guli-Maske, Elfenbeinküste, Baule Museum der modernen Kunst, nationale Sammlung Pierre und Denise Lévy, Inv. mnpl 1890 ©Daniel Le Nevé Geschnitztes Balkenendstück, bemaltes Holz, Stadtpalais Hôtel du Petit Louvre, 16. Jahrhundert ©Daniel Le Nevé Deckblatt : Oben : Stadtplan von Troyes am Ende des 13. Jahrhunderts ©Claude Bérisé, nach einem Stadtplan von P. Pietresson aus Saint-Aubin Unten : Fachwerkhäuser in der Rue Émile Zola ©Daniel Le Nevé Troyes - eine Stadt der Kunst und der Geschichte Die Generaldirektion für Denkmäler des Ministeriums für Kultur und Medien zeichnet lokale Gebietskörperschaften, die ihr Kulturerbe beleben und hervorheben, mit dem Prädikat „Stadt und Land der Kunst und der Geschichte“ aus. Dieses nationale Label gewährleistet die Kompetenz von Fremdenführern und Architektur- und Kulturbeauftragten sowie die Qualität der kulturellen Aktionen. Die Städte und Länder setzen ihr Kulturerbe – von archäologischen Funden bis hin zur zeitgenössischen Architektur – in seiner ganzen Vielfalt in Szene. Heute präsentieren Ihnen insgesamt 181 Städte und Länder der Kunst und der Geschichte in ganz Frankreich ihr einzigartiges Know-how. 22 In der Umgebung Châlons-en-Champagne, Reims, Langres, Sedan und Charleville-Mézières tragen ebenfalls das Prädikat „Stadt der Kunst und der Geschichte“. Der Service Animation du patrimoine (städtische Stelle für ein lebendiges Kulturerbe) koordiniert gemeinsam mit der Regionaldirektion für kulturelle Angelegenheiten (DRAC) von Châlons-en-Champagne die kulturellen Initiativen in Troyes, der Stadt der Kunst und der Geschichte. Weitere Informationen : Service Animation du patrimoine Hôtel de Ville, Place Alexandre Israël BP 767 - F-10026 Troyes Cedex +33 (0)3 25 42 33 87 E-mail : [email protected] Fremdenverkehrsamt für Troyes und Umgebung (Maison du Tourisme) +33 (0)8 92 22 46 09 (0,34 €/Min. innerhalb Frankreichs) Literaturnachweis : Allgemeine Werke : Association des Amis des Archives de l’Aube, Troyes, les fortifications, les rues et les maisons anciennes, fonds photographique Lancelot-Brunon, 2 tomes, 1991 et 1992. COLLECTIF, (Françoise BIBOLET, Chantal ROUQUET, André BOISSEAU, Emmanuel SAINT-MARS), Histoire de Troyes des origines à nos jours, Les éditions de La Maison du Boulanger, 1999. COLLECTIF, "Les métamorphoses de Troyes", La Vie en Champagne, n° 39, juillet-septembre 2004. DEGOIS (R), Troyes rue par rue, le Bouchon de Champagne, Les éditions de La Maison du Boulanger, 1998. DUPRÉ (P), Troyes, pas à pas, Troyes, Les éditions de La Maison du Boulanger, 2004. GROLEY (G), L’héritage troyen du XIXe siècle, Troyes, Éditions la Renaissance, 1984. MORIN (A), Topographie historique de la ville de Troyes, Troyes, Société Académique de l’Aube, 1994. 23 Führer, Monografien, thematische Schriften : COLLECTIF, Dossier patrimoine du 19e siècle, La Vie en Champagne, n°6, avril-juin 1996. HUMBERT (J-L), Destins d’usines, Sauvegarde et Avenir de Troyes, Troyes, 2004. HUMBERT (J-L), Bourgeoises et ouvrières, Sauvegarde et Avenir de Troyes, Troyes, 2005. PELTIER (I), Troyes et l’Aube, Les éditions de La Maison du boulanger, 2005. RIFFAUD-LONGUESPÉ (Ph), Troyes gallo-romain, catalogue d’exposition, Musée Saint-Loup, 2004. Texte : Philippe Riffaud-Longuespé Gestaltung : Animation de l’Architecture et du Patrimoine (Stelle für lebendige Architektur und Kulturerbe), Agathe Guyard, Stadt Troyes Umsetzung : DTP, Stadt Troyes Kontakt : [email protected] Gabriel GROLEY, Journalist und Historiker aus Troyes, 1982. Vorwort „A la renommée de la Cité Troyenne“ (An den Ruf der Stadt Troyes), L’Héritage troyen du XIXe siècle, Band I, Verlag La Renaissance, 1984. Wie kokett sie aussehen. Als seien sie weiblich. Letztlich sind sie es, die sich behaupten, wenn die Glocken unserer neun Kirchen verstummen.“ Sehen Sie sich doch einmal ihre alten Häuser aus dem 16. Jahrhundert an. „Ist sie eine gotische Stadt, wie man gern behauptet ? Ist sie nicht auch eine Stadt der Renaissance ?