Sie sich erzählen - Troyes, Ville d`art et d`histoire

Transcrição

Sie sich erzählen - Troyes, Ville d`art et d`histoire
Städte und Länder der Kunst
und der Geschichte
lassen
Sie sich
Troyes
erzählen
Zeichenerklärung :
Kathedrale
Saint-Pierre-et-Saint-Paul
Basilika Saint-Urbain
Kirche
Saint-Nizier
Kirche Sainte-Madeleine
im
eS
ar
t
A
ru
Kirche Saint-Pantaléon
Museum Vauluisant
Rathaus
Kirche
Saint-Rémy
Markthalle
rue
D
E
Cité du Vitrail (Glasmalereimuseum)
is
Apothicairerie de
l’Hôtel-Dieu-le-Comte
(Pharmaziemuseum)
rgeo
D
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La
Bou
Maison de l’Outil et de la Pensée
Ouvrière (Handwerks- und
Arbeitermuseum)
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C
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ou
Musée d'Art moderne (Museum
der modernen Kunst)
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B
E
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rue
Stadtpalais
Hôtel du Petit-Louvre
Museum Saint-Loup (Museum
für Kunst, Archäologie und
Naturgeschichte)
d
ru
Stadtpalais
Hôtel Juvénal-des-Ursins
A
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Cit
rue
2
a
el
Kirche
Saint-Jean-au-Marché
1
Kirche
Saint-Nicolas
C
N
Kirchen
Fremdenverkehrsamt
1
Stadtpalais Hôtel du Lion-Noir
2
Villa Viardot
2
3
Darstellung von Augustobona im 2. und 3. Jahrhundert
©Gestaltung : Ph. Riffaud-Longuespé. Umsetzung : Okénite Animation
Armreif aus Molesme
©Ph. Riffaud-Longuespé, Inv. Nr. 882.3.5,
Sammlung Kunstmuseum Troyes
Schatz von Pouan
©Jean-Marie Protte, Inv. Nr. 860.19.1 bis 14, Sammlung
Kunstmuseum Troyes
Stadtplan von Troyes am Ende des
10. Jahrhunderts, P. Pietresson aus
Saint-Aubin
©Noël Mazières, 12J11, Archive des Departements Aube
Die Entwicklung der
Stadt im Mittelalter
Die Folge des gallo-römischen Stadtgrenzenverlaufs, der
sukzessiven Flussbettverlagerungen der Seine und des
Stadtmauerbaus zur Zeit der Champagnemessen.
Troyes : die Stadt in Form
eines Champagnerkorkens
Die gallo-römische
Stadt Augustobona
Die Toponymik (Augustobona) lässt
vermuten, dass das antike Troyes unter
der julisch-claudischen Dynastie gegründet wurde. Plinius der Ältere ist der
erste, der die Stadt im Jahre 63 unserer
Zeitrechnung unter dem Namen „Tricassium“ erwähnt, bevor Ptolemäus sie
im 2. Jahrhundert mit ihrem offiziellen
Namen „Augustobona“ bezeichnet.
Durch die anfangs bescheidene Kleinstadt reisen Soldaten und Händler, sie
gilt als Treffpunkt des gallischen Adels,
der Handwerker, der Kaufleute und der
ländlichen Bevölkerung. Die Nähe der
Seine und ihres vermutlichen Zusammenflusses mit der Vienne haben zweifellos die Standortwahl der Stadt auf
der Via Agrippa von Mailand nach Boulogne-sur-Mer bestimmt.
Diese römische Straße, die die Stadt
von Osten nach Westen durchquert,
4
verschmilzt mit der heutigen „Rue
de la Cité“ und bildet innerhalb der
Stadtmauern den decumanus maximus.
Die Unruhen des Spätrömischen Reichs
verändern das Stadtbild. Aufgrund
der wiederholten Invasionen von Barbaren aus dem Osten ab der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts ist die
Stadt gezwungen, sich abzuschotten :
So entsteht eine Stadtmauer, die eine
Fläche von ca. 16 Hektar einschließt.
Im 11. Jahrhundert besitzen die Grafen
von Champagne eine feudale Burg in
Troyes, die sich auf den Fundamenten
eines mutmaßlichen gallo-römischen
Amphitheaters erhebt. Ab dem 12.
Jahrhundert erlebt die Stadt eine Zeit
großen Wohlstands, der sich in ihrer
topografischen Entwicklung widerspiegelt : Neue Gebäude werden erbaut
(Grafenpalast, Hospital Hôtel-Dieu,
Bischofssitz…), neue Straßen angelegt,
die die antiken Wege ersetzen, eine neue
Stadtmauer wird errichtet, und neue
Stadtviertel entwickeln sich. Durch den
Bau von Kanälen zur Trockenlegung
der Feuchtgebiete gewinnt Troyes neue
Siedlungsräume und bietet Handwerksbetrieben wie Gerbereien, Fleischereien
und Mühlen günstig gelegene Standorte.
Hugo von Payns, ein Vertrauter des Grafen von Champagne Hugo I., gründet
1118 den Templerorden, der die Pilger
5
Siegel des Grafen Heinrich I. des Freigiebigen
Abtei Notre-Dame-aux-Nonnains und Palast der Grafen von Champagne
©Noël Mazières, 42FI2, Archive des Departements Aube
Lithografie von Charles Fichot
©Pascal Jacquinot, Mitantier B.1.11, Band I, 1852, Mediathek für den Großraum Troyes
Troyes, der alte Kräutermarkt, Charles Fichot,
2. Viertel des 19. Jahrhunderts
Zwischen 1229 und 1231 lässt Theobald IV., Graf von Champagne, neue
Stadtmauern im Osten der Stadt errichten. Dazu wird das Flussbett der Seine
verlagert, woraus die heutige Champagnerkorkenform der Stadt entsteht. Die
neuen Kaufmanns- und Industrieviertel
bilden den unteren Korkenteil, während
der Korkenkopf die Altstadt und ihre
Ausdehnungen umfasst.
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Graf Heinrich I. beschließt den Bau
eines Palastes außerhalb des Castrums
und gibt so die feudale Burg der ersten Grafen von Champagne auf. Der
Bau beginnt um 1150 und wird ab 1157
mit der Errichtung der Stiftskirche
Saint-Etienne fortgesetzt, die an das
Hauptgebäude des Palastes angrenzt.
Die Kirche beherbergt einen bemerkenswerten Kirchenschatz sowie die
Gräber der Grafen Heinrich I. und
Theobald III. Der gesamte Palastkomplex, der im Osten von der Kathedrale,
im Norden vom Hospital Hôtel-Dieu
und im Süden von der Abtei NotreDame-aux-Nonnains und der Basilika
Saint-Urbain eingegrenzt wird, bildet
ein einzigartiges Stadtdenkmal, ein
weltliches und geistliches Machtzentrum in Troyes. Erst die Turbulenzen
der Revolution und die Städtebaupro-
©Claude Bérisé, nach einem Stadtplan von P. Pietresson aus Saint-Aubin
©Jean-Marie Protte, Inv. Nr. 37.7.4, Sammlung Kunstmuseum Troyes
Ein einzigartiges
Stadtdenkmal rund um
den gräflichen Palast
auf ihrem Weg nach Jerusalem beschützen soll. Die Regel dieser Mönchsritter wird 1128 beim Konzil von Troyes
im Beisein des Heiligen Bernhard von
Clairvaux erlassen, der kurz zuvor das
Zisterzienserkloster in Clairvaux ins Leben gerufen hat.
Stadtplan von Troyes am Ende des 12. Jahrhunderts
Die Champagnemessen :
der internationale
Einfluss der Stadt
jekte des frühen 19. Jahrhunderts besiegeln seinen Untergang.
Der Turm Orfèvre in Troyes, Charles Fichot, 2.
Viertel des 19. Jahrhunderts
©Jean-Marie Protte, Inv. 37.7.5, Sammlung Kunstmuseum Troyes
Die Champagnemessen finden erstmals ab dem 11. Jahrhundert statt und
gewinnen ab dem Ende des 12. Jahrhunderts unter dem Einfluss der Grafen
von Champagne und insbesondere des
Grafen Theobald II. an Bedeutung, der
großes Interesse an den Veranstaltungen
hat. Er errichtet Geldwechselstände und
führt 1137 den „Passierschein“ ein, der
auch die reisenden Kaufleute außerhalb
seines Einflussbereichs unter seinen
Schutz stellt. Zweimal jährlich finden die
Messen an festen Terminen in den vier
Städten seines Herrschaftsgebiets statt :
Troyes, Bar-sur-Aube, Provins und Lagny. So beginnt die „heiße“ Messe stets
am 24. Juni, dem Johannistag, die „kalte“
Messe jeweils am Fest des Heiligen Remigius am 1. Oktober. Zwei Wochen lang
wird das Viertel Saint-Jean Schauplatz
der berühmten Veranstaltung, und an
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Stadtpalais Hôtel du Lion-Noir, 16. Jahrhundert
Darstellung der Hl. Barbara, 16. Jahrhundert
©Daniel Le Nevé
©Daniel Le Nevé, Kirche Saint-Pantaléon
Kirchenfenster mit Darstellung der
Schöpfungsgeschichte, 16. Jahrhundert
Darstellung der Hl. Martha, Beginn des 16. Jahrhunderts
©Daniel Le Nevé, Kirche Sainte-Madeleine
©Daniel Le Nevé, Kirche Sainte-Madeleine
Das schöne 16.
Jahrhundert - die
Blütezeit Troyes‘
den Mauern seiner Kirche errichten die
Kaufleute aus ganz Europa ihre provisorischen Behausungen.
Die Messewächter sorgen für die Einhaltung der Verträge, und die „Troy-Unze“
ist die gängige Gewichtseinheit für Edelmetalle.
Die 10 000 bis 20 000 Einwohner
zählende Stadt lockt im Laufe des 12.
und vor allem des 13. Jahrhunderts,
der Blütezeit der Champagnemessen,
Tausende von ausländischen Kauf- und
Handelsleuten an. Nach und nach wird
die von den italienischen Bankiers angeführte Geldwirtschaft bedeutender als
der Handel selbst. Mit dem Auftreten
politischer Krisen verlieren die Messen schließlich mehr und mehr ihren
Stellenwert.
8
Die bürgerliche Architektur reflektiert
den zum Ende des 15. und zu Beginn
des 16. Jahrhunderts wiedergefundenen
Wohlstand der Stadt.
Im frühen 16. Jahrhundert erleben die
Champagne und insbesondere die Stadt
Troyes eine neue Blütezeit. Neben der
bereits fest etablierten Textilindustrie und den Gerbereien gewinnen die
Papierherstellung und die Druckerei
an Bedeutung. Mühlen werden wieder
aufgebaut, die Kirchen erweitert oder
renoviert.
Zudem steigt die Stadt zu einem Zentrum der Kunst auf, sodass man von
der Schule von Troyes für Malerei, Bildhauerei und Glasereikunst spricht. Die
Epoche wird als „das schöne 16. Jahrhundert“ bezeichnet.
Die Werke der Bildhauer von Troyes
genießen einen Ruf, der weit über die
Landesgrenzen hinausreicht. Als Beispiel seien die Werke des Meisters von
Chaource oder des Bildhauers Dominique Florentin genannt, der zur Verbreitung des Stils der italienischen Renaissance in der Stadt beiträgt.
Am 24. Mai 1524 zerstört ein schrecklicher Brand ein Drittel der Stadt : 1 500
Häuser sowie zahlreiche Kirchen, unter
anderem die Kirchen Saint-Nicolas,
Saint-Pantaléon und Saint-Jean-au-Marché, werden ein Raub der Flammen. Das
gesamte Stadtbild ändert sich mit diesem tragischen Ereignis. Jedoch ermöglichen die günstige Wirtschaftslage der
Zeit und der Wohlstand einiger Einwohner den Wiederaufbau der beschädigten
Viertel.
So werden die betroffenen Kirchen
saniert, neue Straßen angelegt, um den
Zugang für Rettungsdienste zu erleichtern, und zahlreiche Fachwerkhäuser
und Stadtpalais aus Stein mit dem für
die Champagne typischen Schachbrettmuster aus Ziegeln und Kreide errichtet.
Die Dynamik des Wiederaufbaus beschränkt sich nicht nur auf die abgebrannten Stadtviertel, sondern weitet
sich auf den gesamten Champagnerkorken aus. Die Stadtarchitektur erfährt so
eine Homogenisierung.
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Geschnitztes Balkenendstück
©Daniel Le Nevé
Sprossenfenster eines Fachwerkhauses
10
Die Revolution im 18. Jahrhundert, die Modernisierung der Stadt
im 19. Jahrhundert, die Dringlichkeit des Wiederaufbaus in der
Nachkriegszeit, die Hygienebewegung… Alle diese Ereignisse
haben unweigerliche Folgen für das Stadtbild des Zentrums von
Troyes.
Vom Mittelalter in die Moderne :
die Ausweitung des Stadtkerns
©Daniel Le Nevé
Die Neustrukturierung
der Stadt im 17. und 18.
Jahrhundert
Rund um die Stadtgräben werden ab der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit
Bäumen bepflanzte Promenaden angelegt. Zwischen 1610 und 1640 lassen
sich zahlreiche Ordensgemeinschaften
in Troyes nieder : Kapuziner, Karmeliten, Oratorianer, Visitandinnen, Ursulinen, Kongregation von Unserer Lieben
Frau, Missionspriester… In diesem Jahrhundert, zwischen 1624 und 1670, wird
auch das Rathaus von Troyes errichtet.
Die Festungsanlagen gelten ab dem 18.
Jahrhundert als veraltet.
1769 stellt der Ingenieur Bocher de Coluel
einen Baulinienplan für die Stadt auf, der
jedoch nur teilweise umgesetzt wird. Der
vor den revolutionären Ausschreitungen
erstellte Plan ist heute ein äußerst wertvolles Stadtplanungsdokument.
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Fries der Villa Marguerite, 19. Jahrhundert
©Daniel Le Nevé
Die Revolution verändert die Topografie der
Stadt erheblich : Kirchen werden zerstört,
an Privatleute verkauft, als Quartiere oder
Lagerstätten zweckentfremdet, Abteien werden zu öffentlichen Gebäuden umfunktioniert (Präfektur, Gefängnis, Hospiz…).
Der Ikonoklasmus der Revolution führt
insbesondere zum Verschwinden der
Abteikirchen Saint-Loup (heute Musée
Saint-Loup) und Notre-Dame-auxNonnains (neben der Präfektur) sowie
der Stiftskirche Saint-Etienne (Place du
Préau) und beschleunigt den Einsturz
des Palastes der Grafen von Champagne
(Place du Préau).
12
Das 19. Jahrhundert :
goldenes Zeitalter der
Strick- und Wirkware
und Veränderung des
Stadtbildes
Die Uferstraßen Quai Dampierre
und Quai des Comtes-de-Champagne
Das 19. Jahrhundert ist eine weitere
wichtige Phase in der Geschichte der
Stadt, die zum unangefochtenen Technologiezentrum der französischen
Strick- und Wirkwarenherstellung aufsteigt. Von 1885 bis 1910 erlebt Troyes
mit der Einführung der Kulierwirkmaschine und der damit verbundenen
Produktivitätssteigerung ein goldenes
Industriezeitalter und genießt internationales Ansehen. Valton, Poron, Mauchauffée und Lebocey sind nur einige
der großen Namen, die die Strick- und
Wirkwarenherstellung beherrschen.
Die Wirkwarenfabriken, die zwischen
1870 und 1910 außerhalb der ehemaligen
Stadtgräben angesiedelt sind, entwickeln
sich auf dem bisher ungenutzten Land
in den Vororten, hauptsächlich im Südwesten der Stadt. So prägen Sheddächer
und Schornsteine aus Ziegelsteinen das
Stadtbild.
Schon bald spezialisiert sich die Stadt
auf die Strumpfherstellung, dank des
Baus von Flachstrickmaschinen durch
einige in Troyes etablierte Hersteller wie
Poron Frères, Guivet und Couturat.
Ehemalige Textilfabrik Guy de Bérac
©Daniel Le Nevé
©Claude Bérisé, La Mémoire de Troyes II 1998, alte Ansichtskarten
Gleichzeitig entstehen rund um Troyes
Arbeitervororte mit Wohnhäusern, die
Tradition und Neuerung miteinander
vereinen : Die Tradition der Stadtpalais
besteht fort, jedoch entstehen in den
Vororten isolierte Villen, Wohnsiedlungen und Mietshäuser. Die Bourgeoisie
von Troyes wird nunmehr von Industriellen und Bankiers bestimmt, die die
Architektur beherrschen.
Auch die Arbeiten zum Bau des Kanals
der Haute-Seine, der Troyes mit No-
gent-sur-Seine verbindet, verändern das
Stadtbild erheblich. Das von Napoleon
I. beschlossene Projekt wird erst 1840
in Angriff genommen : Dazu wird der
Champagnerkorken von Nord nach Süd
zweigeteilt. Mitten im Stadtkern entsteht
ein Hafengebiet : Ein riesiges Hafenbecken wird teilweise auf den Überresten
des Palastes der Grafen der Champagne
ausgehoben, dessen erhaltene Bausubstanzen zum Bau der Schleusen dienen.
1851 wird der Kanal für die Schifffahrt
zwischen Troyes und Marcilly eröffnet.
In dieser Zeit werden zahlreiche Ruinen
entweder nach und nach abgerissen, wie
die feudale Burg der Grafen 1840 und
1862, oder anderweitig genutzt, wie das
zum Gefängnis umfunktionierte Franziskanerkloster. Häuserblocks mit Wohnhäusern aus dem 16. Jahrhundert vers13
Wasserspeier der Basilika Saint-Urbain
Luftbild des Champagnerkorkens
©Daniel Le Nevé
©Les Quatre Vents
Architektonisches Detail der Villa Viardot,
Beginn des 20. Jahrhunderts
Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul, 13.-17. Jahrhundert
©Daniel Le Nevé
©Daniel Le Nevé
chwinden, wie die Häuser in der Rue de
la Charbonnerie, die 1875 für den Durchbruch der Straße Rue des Quinze-Vingts
weichen müssen.
Die Stadtmauern werden abgerissen
und die Stadtgräben zugeschüttet, um
Platz für breite, teilweise als öffentliche
Parks angelegte Promenaden zu schaffen (zum Beispiel das „Vallée Suisse“
entlang des heutigen Boulevards Gambetta). Die Straßenlinienpläne lassen die
Fassaden und Auskragungen der Häuser
verschwinden. Auch die kleinen, an die
Mauern der Kathedrale und der Kirchen
angrenzenden Behausungen werden abgerissen.
Der Einzug der Stadt in
die Moderne
Troyes und seine
Sehenswürdigkeiten
Der Beginn des 20. Jahrhunderts ist für
Troyes eine Fortsetzung des vorherigen
Jahrhunderts : Nur wenige stilistische
Neuerungen fügen sich in das Stadtbild
ein, wie die 1908 von einem reichen
Kaufmann der Stadt im Art nouveau-Stil
erbaute Villa Viardot. Die Straßenbahn
erobert die Stadt und profitiert von der
geraden Ausrichtung der Straßen und
dem Bau von Boulevards.
Die Kathedrale Saint-Pierreet-Saint-Paul
Zwischen 1930 und 1940 werden Bäche
und Kanäle zugeschüttet, insbesondere
große Teile des Kanals der Haute-Seine,
und es entstehen Boulevards, entlang
derer sich Strick- und Wirkwarenhersteller ansiedeln und ihre Industrie entwickeln. Nach und nach vollzieht sich ein
tiefgreifender Wandel im Bewusstsein
der Einwohner, die sich nunmehr der
Bedeutung des alten Troyes und seines
Erhalts bewusst werden.
Das wahre Wunderwerk der gotischen
Architektur verfügt mit seinen Kirchenfenstern im Chor (13. Jh.) und im Schiff
(15. und 16. Jh.) über eine der größten
Glasmalereiflächen in Frankreich. Seit
1793 bereichert die Orgel der Abtei von
Clairvaux die Kathedrale.
gen Lupus (Saint-Loup) von Troyes (16.
Jh.) und die liturgischen Goldschmiedegegenstände von Édouard Colbert (17.
Jh.) sind nur einige der bemerkenswerten Sehenswürdigkeiten.
Der Kirchenschatz der Kathedrale umfasst eine bemerkenswerte Sammlung
von Reliquienschreinen (darunter der
des Heiligen Bernhard von Clairvaux,
der nach den Plänen von Viollet-le-Duc
restauriert wurde), Reliquien, Emaillen
aus Limoges, Insignien und Goldschmiedearbeiten. Ein byzantinischer
Schrein aus purpurgefärbtem Elfenbein (11. Jh.), die Almosentaschen der
Grafen von Champagne (14. Jh.), die
Emaillen des Kopfreliquiars des HeiliKirchenfenster mit Darstellung der Vollendung Mariens
14
©Daniel Le Nevé, Fenster 40, Kathedrale von Troyes
15
Museum Saint-Loup (Museum für Kunst, Archäologie
und Naturgeschichte), 17.-18. Jahrhundert
Museum der modernen Kunst, 16.-17. Jahrhundert
©Daniel Le Nevé
©Daniel Le Nevé
Museum Saint-Loup
(Kunst-, Archäologie- und
Naturgeschichtemuseum)
In der ehemaligen, im 12. Jahrhundert gegründeten Abtei Saint-Loup ist
das Kunst-, Archäologie- und Naturgeschichtemuseum untergebracht. Es
präsentiert eine reiche Gemäldesammlung aus dem 14. bis 19. Jahrhundert,
unter anderem mit Werken von Mignard,
Watteau, Natoire, Boucher, Hubert
Robert und Philippe De Champaigne,
sowie eine herausragende Skulpturensammlung aus dem 19. Jahrhundert.
Weitere Ausstellungsstücke des Museums : mittelalterliche Skulpturen aus
Stein, die aus den religiösen Bauwerken
der Stadt stammen, zahlreiche Elemente
der bürgerlichen Architektur des 16. Jahrhunderts sowie regionale Archäologiesammlungen von der Vorgeschichte bis
16
Apothicairerie de l’Hôtel-Dieu-le-Comte
(Pharmaziemuseum), 18. Jahrhundert
Museum Vauluisant
©Carole Bell
©Daniel Le Nevé
zur Zeit der Karolinger : Steinwerkzeuge,
Megalithen, Wagengräber, keltische
Toreutik, gallo-römische und merowingische Schätze...
Museum der modernen
Kunst
Der ehemalige Bischofspalast, vom 16.
bis 17. Jahrhundert erbaut, wurde 1982
restauriert und beherbergt seither das
Museum der modernen Kunst. Über
2 000 Werke (Gemälde, Skulpturen,
Glaskunst, afrikanische und ozeanische
Kunst) aus der Zeit von 1850 bis 1950
werden hier ausgestellt. Der Großteil
der Werke stammt aus der kostbaren
Kunstsammlung des Troyenner Textilindustriellen Pierre Lévy und seiner Frau
Denise, die sie 1976 in einer Schenkung
dem Staat übergaben. Besonders stark
in den Sammlungen vertreten sind der
Fauvismus (Derain, Braque, Vlaminck,
Van Dongen, Chabaud) sowie die Werke
von Derain und Marinot (Glaskunst
und Malerei). Kreationen renommierter Künstler präsentieren dem Besucher
einen umfassenden Einblick in die moderne Malerei in Frankreich : Modigliani,
Soutine, Dufy, Gromaire, Masson, Ernst,
Delaunay, De Staël, Balthus, Buffet.
Apothicairerie de
l’Hôtel-Dieu-le-Comte
(Pharmaziemuseum)
Im ehemaligen Krankenhaus Hôtel-Dieule-Comte, im 12. Jahrhundert von dem Grafen von Champagne Heinrich I. dem Freigiebigen gegründet, ist die zu Beginn des 18.
Jahrhunderts eingerichtete Apotheke noch
heute erhalten. Eine bemerkenswerte Sammlung von Arzneidosen und Fayencen aus
der Zeit vom 16. bis 18. Jahrhundert zeichnet die Geschichte der Pharmakopöe nach.
Museum Vauluisant
Im Hôtel de Vauluisant (Mitte des 16.
Jh.) sind heute das Geschichtsmuseum
von Troyes und der Champagne sowie
das Strick- und Wirkwarenmuseum untergebracht. Die Skulpturen-, Gemäldeund Glaskunstsammlungen aus dem
„schönen 16. Jahrhundert“ treffen hier
auf Strickmaschinen, Strümpfe und Mützen aus dem 19. und 20. Jahrhundert.
Maison de l’Outil et
de la Pensée Ouvrière
(Handwerks- und
Arbeitermuseum)
Das Museum befindet sich im Stadtpalais Hôtel de Mauroy aus der Zeit um
1550. Das von der Handwerksgesellenvereinigung Compagnons du Devoir
restaurierte und verwaltete Gebäude
birgt seit 1974 eine Sammlung von
17
Maison de l’Outil et de la Pensée Ouvrière
(Handwerks- und Arbeitermuseum), im Hôtel
de Mauroy, 16. Jahrhundert
Lettner der Kirche Sainte-Madeleine,
16. Jahrhundert
Basilika Saint-Urbain, 13. Jahrhundert
©Daniel Le Nevé
Kirche Saint-Pantaléon, 16.-17.-18. Jahrhundert
©Daniel Le Nevé
©Daniel le Nevé
©Daniel Le Nevé
10 000 Handwerkzeugen aus dem 17.
und 18. Jahrhundert, die von einer Bibliothek mit 35 000 Werken zum Thema
Handwerksberufe ergänzt wird. Die von
einem passionierten Jesuiten, Pater Paul
Feller, zusammengetragene Kollektion
ist weltweit einzigartig.
Kirche Sainte-Madeleine
Die im 12. Jahrhundert erbaute und
im 16. Jahrhundert restaurierte Kirche
Sainte-Madeleine ist die älteste Kirche
der Stadt. Sie ist insbesondere für ihren
aus Stein gehauenen Lettner aus dem
frühen 16. Jahrhundert berühmt, deren
untere, mit Durchgängen versehene
Schranke aus Holz im Museum Vauluisant aufbewahrt wird. Die beeindruckenden Kirchenfenster im Chor aus
dem frühen 16. Jahrhundert stellen die
Schöpfungsgeschichte dar.
Ebenfalls bemerkenswert sind die
Skulpturen aus dem 16. Jahrhundert.
Basilika Saint-Urbain
Die 1964 mit dem Titel „Basilica minor“ (kleinere Basilika) ausgezeichnete
Kirche Saint-Urbain ist wahrhaftig ein
Juwel der Gotik, das große Ähnlichkeit mit der Sainte-Chapelle in Paris
und der Kirche Saint-Ouen in Rouen
aufweist. Der Gründer der Basilika,
Jacques Pantaléon, 1185 in Troyes
geboren und 1261 unter dem Namen
Urban IV. zum Papst gewählt, ließ die
Kirche - außer die Gewölbe des Schiffs
- von 1262 bis 1286 an der Stelle der
Schusterbude seines Vaters errichten.
Das Giebelfeld des Hauptportals und
die Fenster im Chor stammen aus dem
13. Jahrhundert.
Kirche Saint-Pantaléon
Die nach dem großen Brand von 1524
wiederaufgebaute Kirche schmücken
rund 60 Statuen aus dem 16. Jahrhundert, die vor dem Vandalismus der Revolution gerettet werden konnten, darunter
La Foi et La Charité (Der Glaube und die
Barmherzigkeit) von Dominique Florentin, einem italienischen Künstler, der
unter Franz I. in Fontainebleau schuf.
Das enge Kirchenschiff mit bemerkenswerten Grisaille-Kirchenfenstern aus
dem 16. Jahrhundert wird von einem
imposanten Gewölbe aus Kastanienholz
aus dem 17. Jahrhundert überragt.
Kirche Saint-Jean-auMarché
Kirche Saint-Jean-au-Marché, 13.-14.-16. Jahrhundert
Die Kirche Saint-Jean-au-Marché, eine
der ältesten Kirchen von Troyes, befindet sich in einem der belebtesten Viertel der Stadt, in dem im Mittelalter die
Champagnemessen stattfanden. Sie
wurde im 9. Jahrhundert von den Normannen verwüstet und im 13. und 14.
Jahrhundert wieder aufgebaut. Hier
fand 878 die Krönung von Ludwig II.
dem Stammler statt, 1420 wurde in der
© Daniel Le Nevé
18
19
Rathausfassade, 17.-18. Jahrhundert
Stadtpalais Hôtel du Petit-Louvre,
16. Jahrhundert
©Carole Bell
Markthalle, 19. Jahrhundert
Stadtpalais Hôtel Juvénal-des-Ursins,
16. Jahrhundert
©Daniel Le Nevé
©Daniel Le Nevé
Kirche die Hochzeit von Heinrich V.
von England mit Katharina von Frankreich gefeiert. Nach dem Stadtbrand
von 1524 wurde die beschädigte Kirche
nochmals wiederaufgebaut. Bis zum
Ende des 19. Jahrhunderts lehnten sich
kleine Wohnhäuser an die Mauern der
Kirche. Ihr Hauptaltar aus dem 17. Jahrhundert ist mit Gemälden von Pierre
Mignard und Bronzen von François
Girardon verziert.
len aus schwarzem Marmor und eine
Nische mit einer Statue der behelmten
Minerva. Die Figur ersetzt das in der Revolution zerstörte Standbild von Ludwig
XIV.
Rathaus
Das für seine revolutionäre Devise
„Einheit, Unteilbarkeit der Republik,
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit oder
der Tod“ berühmte Rathaus von Troyes
bleibt eines der seltenen bürgerlichen
Bauwerke im Louis-treize-Stil. Die Fassade, deren Restaurierung vor kurzem
abgeschlossen wurde, schmücken Säu20
©Daniel Le Nevé
Stadtpalais Hôtel du PetitLouvre
Das ehemalige Wohnhaus des Bischofs
Odard Hennequin im 16. Jahrhundert
wurde im 19. Jahrhundert als Station
für die Postkutschen genutzt, die Troyes
mit Paris verbanden. Dieser Poststrecke
verdankt das Haus seinen Namen. In
dem 1992 restaurierten Gebäude sind
heute die Ämter für Stadtplanung,
Stadterneuerung, Grundstücksplanung
und Kulturerbe sowie das Centre pour
l‘UNESCO Louis François untergebracht.
Stadtpalais Hôtel Juvénaldes-Ursins
Detailansicht eines Kapitells der Rathausfassade
©Carole Bell
Der einstige Besitz der Familie Juvénal des Ursins wurde nach dem Brand
von 1524 im Renaissance-Stil wiederaufgebaut. Die bunten, mit kunstvoll
eingearbeiteten Sternen verzierten Bleiglasfenster seines bemerkenswerten
Erkers stammen aus dem ersten Viertel
des 16. Jahrhunderts. Das Gebäude gilt
als architektonisches Prachtstück des
„schönen Troyenner 16. Jahrhunderts“.
Markthalle
Das Ende des 19. Jahrhunderts eingeweihte Gebäude ist ein Werk des
Architekten Emile Bailly aus Gusseisen,
Eisen und Glas und gehört zu den größten überdachten Märkten Frankreichs
im Stil des Architekten Victor Baltard. Ein Besuch in der Markthalle ist
ein Muss für Jeden, der die regionalen
Spezialitäten des Departements Aube
und andere Köstlichkeiten entdecken
möchte. Auf dem 1980 nachträglich eingebauten Zwischengeschoss befinden
sich verschiedene Geschäfte und städtische Einrichtungen.
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Otter, Museum
Darstellung einer Weintrauben
tragenden Person, Kathedrale
MA688, Museum Saint-Loup
©Daniel Le Nevé
©Daniel Le Nevé
Guli-Maske, Elfenbeinküste, Baule
Museum der modernen Kunst, nationale Sammlung Pierre und
Denise Lévy, Inv. mnpl 1890
©Daniel Le Nevé
Geschnitztes Balkenendstück, bemaltes Holz, Stadtpalais
Hôtel du Petit Louvre, 16. Jahrhundert
©Daniel Le Nevé
Deckblatt :
Oben : Stadtplan von Troyes am Ende des 13. Jahrhunderts
©Claude Bérisé, nach einem Stadtplan von P. Pietresson aus Saint-Aubin
Unten : Fachwerkhäuser in der Rue Émile Zola
©Daniel Le Nevé
Troyes - eine Stadt der Kunst und
der Geschichte
Die Generaldirektion für Denkmäler
des Ministeriums für Kultur und Medien
zeichnet lokale Gebietskörperschaften,
die ihr Kulturerbe beleben und hervorheben, mit dem Prädikat „Stadt und
Land der Kunst und der Geschichte“
aus. Dieses nationale Label gewährleistet die Kompetenz von Fremdenführern
und Architektur- und Kulturbeauftragten sowie die Qualität der kulturellen
Aktionen. Die Städte und Länder setzen
ihr Kulturerbe – von archäologischen
Funden bis hin zur zeitgenössischen Architektur – in seiner ganzen Vielfalt in
Szene. Heute präsentieren Ihnen insgesamt 181 Städte und Länder der Kunst
und der Geschichte in ganz Frankreich
ihr einzigartiges Know-how.
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In der Umgebung
Châlons-en-Champagne,
Reims,
Langres, Sedan und Charleville-Mézières tragen ebenfalls das Prädikat „Stadt der Kunst und der Geschichte“. Der Service Animation du
patrimoine (städtische Stelle für ein
lebendiges Kulturerbe) koordiniert gemeinsam mit der Regionaldirektion für
kulturelle Angelegenheiten (DRAC)
von Châlons-en-Champagne die kulturellen Initiativen in Troyes, der Stadt
der Kunst und der Geschichte.
Weitere Informationen :
Service Animation du patrimoine
Hôtel de Ville, Place Alexandre Israël
BP 767 - F-10026 Troyes Cedex
+33 (0)3 25 42 33 87
E-mail : [email protected]
Fremdenverkehrsamt für Troyes und Umgebung (Maison du Tourisme)
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Frankreichs)
Literaturnachweis :
Allgemeine Werke :
Association des Amis des Archives de l’Aube,
Troyes, les fortifications, les rues et les maisons anciennes,
fonds photographique Lancelot-Brunon, 2
tomes, 1991 et 1992.
COLLECTIF, (Françoise BIBOLET, Chantal
ROUQUET, André BOISSEAU, Emmanuel
SAINT-MARS), Histoire de Troyes des origines à nos
jours, Les éditions de La Maison du Boulanger,
1999.
COLLECTIF, "Les métamorphoses de Troyes",
La Vie en Champagne, n° 39, juillet-septembre
2004.
DEGOIS (R), Troyes rue par rue, le Bouchon de
Champagne, Les éditions de La Maison du Boulanger, 1998.
DUPRÉ (P), Troyes, pas à pas, Troyes, Les éditions
de La Maison du Boulanger, 2004.
GROLEY (G), L’héritage troyen du XIXe siècle,
Troyes, Éditions la Renaissance, 1984.
MORIN (A), Topographie historique de la ville de Troyes,
Troyes, Société Académique de l’Aube, 1994.
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Führer, Monografien, thematische
Schriften :
COLLECTIF, Dossier patrimoine du 19e siècle,
La Vie en Champagne, n°6, avril-juin 1996.
HUMBERT (J-L), Destins d’usines, Sauvegarde et
Avenir de Troyes, Troyes, 2004.
HUMBERT (J-L), Bourgeoises et ouvrières, Sauvegarde et Avenir de Troyes, Troyes, 2005.
PELTIER (I), Troyes et l’Aube, Les éditions de La
Maison du boulanger, 2005.
RIFFAUD-LONGUESPÉ (Ph), Troyes gallo-romain, catalogue d’exposition, Musée Saint-Loup,
2004.
Texte : Philippe Riffaud-Longuespé
Gestaltung : Animation de l’Architecture
et du Patrimoine (Stelle für lebendige
Architektur und Kulturerbe), Agathe
Guyard, Stadt Troyes
Umsetzung : DTP, Stadt Troyes
Kontakt : [email protected]
Gabriel GROLEY, Journalist und Historiker aus Troyes, 1982. Vorwort „A la renommée
de la Cité Troyenne“ (An den Ruf der Stadt Troyes), L’Héritage troyen du XIXe siècle, Band I,
Verlag La Renaissance, 1984.
Wie kokett sie aussehen. Als seien sie weiblich. Letztlich sind
sie es, die sich behaupten, wenn die Glocken unserer neun
Kirchen verstummen.“
Sehen Sie sich doch einmal ihre alten Häuser aus dem
16. Jahrhundert an.
„Ist sie eine gotische Stadt, wie man gern behauptet ?
Ist sie nicht auch eine Stadt der Renaissance ?

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