Impressionismus in der Malerei und Literatur

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Impressionismus in der Malerei und Literatur
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as 1874 wurde im Atelier des Fotografen Nadar in Paris eine Ausstellung von 30 jungen
Malern eröffnet, die keine Lust mehr hatten abzuwarten, ob sie zu dem jährlichen Salon
zugelassen würden um ihre Bilder einer breiten Öffentlichkeit zu zeigen. Im konservativen Salon de Paris wurden in der Regel 2/3 der eingereichten Werke abgelehnt. Zur
Gruppe der
zählten u.a.
. Die jungen Maler
trafen sich regelmässig im Café und diskutierten über neue Formen und Möglichkeiten
in der Malerei, aber auch über Fotografie und die visuelle Wahrnehmung.
Sie begegneten ihren Lehrern mit Kritik und lehnten es ab, Skizzen anzufertigen und
diese später im Atelier auf die Leinwand zu übertragen und nach idealtypischen
Vorstellungen einzupassen. Die jungen Maler wollten genau das malen, was das Auge
sieht und dort arbeiten wo sich ihre Bildthemen präsentieren: In der Landschaft, auf der
Pferderennbahn, in der Stadt, auf dem Wasser, im Schnee…
Sie wussten, dass der Schnee nicht weiss, der Himmel nicht blau, der Schatten nicht
dunkel ist, sondern dass sich alles aus vielen
zusammensetzt. Sie wussten,
dass die Farben des Regenbogens durch die Brechung des Lichts entstehen, dass unsere
Augen nur Lichtpunkte sehen und diese erst dank unserer
zu Farbflächen
werden. Sie wussten auch, dass Menschen unklare Umrisse oder fehlende Linien zu
einem
. Selbst aus vereinfachten Darstellungen
identifizieren Menschen schnell und zuverlässig vertraute und komplexe Dinge. Wer
erkennt nicht dieses Zeichen
als lachendes oder
unzufriedenes Gesicht?
Den jungen Malern war auch bekannt, dass sich durch die gekonnte Aneinanderreihung von Farben
lassen.
Dazu braucht es eine kurze Erklärung: Die Farben
, blau und rot sind reine Farben
oder Grundfarben. Daraus lassen sich alle andern Farben mischen. Grün entsteht aus
und Blau, Orange aus
und Rot, Violett aus Blau und Rot. Als Kreis gemalt,
stehen sich immer eine Grundfarbe und eine Mischfarbe gegenüber, also
und Violett,
Rot und Grün, Blau und Orange. Die gegenüberliegende Mischfarbe heisst auch
Die Komplementärfarbe von
folgenden Farbkreis ist das deutlich erkennbar.
ist also Violett, u.s.w. Im
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Mischt man die Komplementärfarbe mit der Grundfarbe, z.B. Violett mit
entsteht
ein langweiliger Grauton. Unter Ergänzungen Intermezzo Herbst 2011 „Unser Auge“ auf
den Seiten 1-3 kannst du mehr darüber nachlesen.
Obwohl in der Farbe Rot kein Grün enthalten ist, schimmert im Rot unter bestimmten
Lichtverhältnissen Grün mit. Die sogenannte
ist in erster Linie nicht durch die Farben bedingt, sondern liegt in der Natur unserer visuellen Wahrnehmung. Hierzu ein kleines
Wenn du den aktivierten Link
öffnest und nach dem Lesen der Anweisung „rotes Fenster öffnen“ anklickst, siehst du
Erstaunliches.
Auch die
hatte grossen Einfluss auf die jungen Maler.
1840 wurde in Amerika das erste Foto-Atelier eröffnet. Dort konnte man sich ablichten
lassen. Auch wenn das Verfahren noch kompliziert war und man lange stillsitzen musste
damit das Bild nicht verwackelte, war es doch viel billiger, als bei einem Maler ein
Portrait zu bestellen. Die Erfindung der Fotografie löste bei den Malern anfänglich grosse
Proteste aus. Doch schon bald führte die Fotografie zu neuen Erkenntnissen. Schnelle
Bewegungen, die mit dem Auge nicht eindeutig erkennbar sind, konnten anhand einer
Serie von Fotografien welche
1872 anfertigte, besser erfasst werden.
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Bis jetzt wurden zum Beispiel die Beine galoppierender Pferde so gemalt, als ob sie in der
Luft schwebten, nämlich mit ausgestreckten Vorder- und Hinterbeinen. Dass diese
Haltung nicht stimmt, wurde erst durch die Fotografie offenkundig. Diese Erkenntnisse
änderten nicht nur die Sehgewohnheiten, ab jetzt wurden auch
in der
Malerei anders dargestellt.
Um die exakte Beinstellung eines trabenden Pferdes zu fotografieren, baute Muybridge
bis zu 36 Fotoapparate in bestimmten Abständen auf. Für die Aufnahmen spannte er
quer zur Rennbahn Drähte, die durch die Berührung der Pferdebeine die elektrisch betriebenen Blenden kurzzeitig öffneten. Nach dem gleichen Prinzip fotografierte
Muybridge verschiedene Gangarten und Bewegungsabläufe. Damit legte er den Grundstein zu „bewegten Bildern“ oder des Films.
Der Komponist Philip Glass liess sich durch die Aufnahmen von Muybridge inspirieren,
daraus entstand 1982 The Photographer.
Im Vergleich zur Malerei bildet die Fotografie eine Gegebenheit schnell und effizient ab.
Die jungen Maler wandten sich deshalb bewusst von der
ab. Für die
Malerei öffneten sich jetzt neue Wege und Ausdrucksmöglichkeiten. Die jungen Maler
wollten diese in Verbindung mit den neuen Erkenntnissen in ihren Bildern entwickeln
und ausschöpfen. Die etablierte Kulturpolitik lehnte jedoch alle Neuerungen vehement
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ab.
Jeanne d’Arc bei der Krönung Karl VII. in der Kathedrale von Reims, 1854
Gemalt von Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780-1867), dem
bedeutendsten französischen Vertreter der offiziellen Kunst des 19. Jahrhunderts.
Eine Jury, bestehend aus einflussreichen Grössen der staatlichen Kulturpolitik und aus
Mitgliedern der Académie des Beaux-Arts, legte die Zulassungskriterien zur Teilnahme
an Ausstellungen fest. Nur wer Mitglieder der Jury kannte und im bevorzugten Stil des
malte, erhielt die Chance seine Bilder im begehrten Salon auszustellen. Dabei war der Stil des Malers
massgebend.
Es galten die folgenden Regeln:

Der Bildaufbau muss überschaubar, klar und ruhig wirken. Dies wird durch eine
linienorientierte, geschlossene Form erreicht.
Durch die klare Linienführung wirken Bilder statisch, auch dargestellte Menschen erscheinen wie
Statuen.

Auf einen überladenen Hintergrund soll verzichtet werden.
Oft sind im Hintergrund Vorhänge oder Säulen zu sehen. Dadurch wird der Leitsatz „edle Kraft
und stille Grösse“ bildnerisch umgesetzt.

Wichtig ist die Zeichnung, Farbe spielt eine untergeordnete Rolle.
Bilder werden koloriert, d.h. eine vorgezeichnete Fläche wird mit Farbe gefüllt. Grelle Farben sind
tabu.

Ein Kunstwerk soll schön und edel wirken und im idealen Licht präsentiert werden.
Das Sujet oder die Hauptfigur wird wie durch einen Scheinwerfer beleuchtet.

Mustergültige Kunstwerke eignen sich als Vorgabe. Gestaltungsregeln und vorgegebene Masse stehen über den natürlichen Gegebenheiten. Das Bild hat Vorbildfunktion.
Als mustergültig gelten religiöse Geschichten, antike Ereignisse, aber auch politische Anführer und
Helden. Diese werden in Szene gesetzt. Landschaften werden aufgrund einer Idee der Vollkommenheit zusammengestellt. Der Künstler ist verpflichtet, Zufälligkeiten und unvollkommene
Wirklichkeiten zu korrigieren. Mit der Vorbildfunktion erreicht das Bild erzieherischen Charakter.
Als
wandte sich
von der vorherrschenden Praxis der akademischen Lehrmeinung ab. Seine Bilder wurden wegen der
Lebhaftigkeit und seines grosszügigen Umgangs mit Farben von den Befürwortern des
Klassizismus nicht geschätzt. Delacroix war der Meinung, dass sich die Malerei mit dem
Verzicht von Farben um ihr eigenes Mittel betrüge. Mit Farbe wollte er die Wirkung des
Bildes steigern. Dem Thema entsprechend stellte er die Farben auf der Palette zusammen
um von vornherein den Charakter des Werkes zu beeinflussen. Auf diese Weise erreichte
Delacroix eine grössere
. Im Gegensatz zur gängigen Lehrmeinung malte
er gefühlvoll und betonte den individuellen Ausdruck.
Ein Skandal, die strenge Jury lehnte seine Anträge zur Ausstellung im Salon sogar sieben
Mal ab!
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Frauen von Algier von Eugène Delacroix (1834
Durch die Darstellung
wurde Delacroix zum
der jungen Maler. Die unterschiedlichen Auffassungen, besonders die Gegenposition von Ingres
und Delacroix, wurden in den Cafés unter den Studenten heftig diskutiert.
Unbekannter Karikaturist
Delacroix (links) und Ingres (rechts) fechten vor dem Institut de France einen symbolischen Kampf. Delacroix: Linie ist Farbe!“ Ingres: Farbe ist Utopie. Lang lebe die Linie!“
Parallel dazu entstand eine neue Strömung, der sogenannten
Ihre Vertreter
widmeten sich dem Alltag, gesellschaftlichen Problemen und den damit verbundenen
Widersprüchen und Konflikten. Viele Bilder sind deshalb politisch motiviert. Die Devise
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dieser Strömung lautete gemäss
(1813-1877): „Seien wir echt, auch wenn wir
hässlich sind".
Die Steinklopfer von Gustave Courbet (1849)
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Das Bild
von Claude Monet wurde
1874 erstmals an der Ausstellung der Refusés im Atelier des Fotografen Nadar gezeigt.
„Soleil levant“ wurde am Hafen von Monets Heimatstadt Le Havre gemalt. Über das
Wasser hinweg sieht man
durch den Morgendunst, Schiffe und Kräne im
Hafen liegen. Sie sind grau, die Sonne scheint noch nicht kräftig genug um ihre Farben
leuchten zu lassen. Die Sonne ist gerade aufgegangen und steht als roter Ball im grauen
Dunst. Sie taucht den ganzen Himmel in zartes Rot. Im Wasser spiegelt sich ein Schein
dieses Rots und auch die Sonne selbst mit tanzenden Lichtpunkten. Mit der Komposition
von Rot-Grün, Blau-Orange und
-Violett steigert sich die gegenseitige Wirkung
der Farben. Auf Zeichnung und Plastizität wird verzichtet. Dem Verlust an Deutlichkeit
steht der Gewinn an Dynamik und Sinnesreiz gegenüber. Die recht breiten Pinselstriche
werden vor deinen Augen nur dann als leicht bewegtes Wasser wahrgenommen, wenn
du das Bild aus
betrachtest. Monet wollte mit diesem Bild einen
festhalten. In wenigen Minuten wird der Hafen ganz anders aussehen.
Doch worin bestehen eigentlich die Unterschiede zwischen einem Bild im Stil des
Klassizismus und einem Bild im Stil des Impressionismus?
Die beiden folgenden Bilder zeigen je eine Naturlandschaft. Wenn du die beiden Bilder
vergleichst, erkennst du deutliche Unterschiede.
Im Stil des Klassizismus
Der Mittag von Caspar David Friedrich (1774-1840)
Realistische Darstellung, in Szene gesetzt (d.h. diese Landschaft existiert nicht wirklich)
Details sind fein ausgearbeitet
Klare, ausgewogene Linienführung
Arbeit im Atelier mit konstruiertem Bildaufbau
Landschaft mit Perspektive
Dunkle, kühle Farben
Im Stil des Impressionismus
Impression – Soleil levant von Claude Monet (1840-1926)
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Momentaufnahme
Aus Distanz zu betrachten
Spiel mit Licht- und Farbreflexen
Eindruck eines Schleiers über dem Bild
Flüchtige Pinselstriche
Durch den hohen Blickpunkt ist der Vordergrund ausgeschaltet
Zarte und helle Farben, Leinwand schimmert zum Teil durch
En-plein-air-Malerei (draussen gemalt)
Einbezug der Komplementärfarben (orange/blau)
Das Wort „Impression“ griff einer der Journalisten auf, der sich über die Ausstellung
lustig machte. Er nannte die ganze Künstlergruppe Impressionisten. Ihre Bilder wurden
als unfertige Skizzen oder Klecksereien abgetan und bestenfalls belächelt. Doch was als
gedacht war, verlor bald an Bedeutung. Die Impressionisten wollten
tatsächlich den subjektiven Eindruck von Erlebnissen, Gegenständen oder Personen auf
die Leinwand bringen. Dabei war ihnen nicht wichtig ob sie eine Landschaft, einen
Heuhaufen, eine Kirche, einen Bahnhof oder Menschen in Gesellschaft darstellten. Sie
wollten den Moment, die Atmosphäre,
einfangen, z.B. das Glitzern auf der
Wasseroberfläche oder das
. Das bedeutete, dass für sie der
Inhalt der Bilder zweitrangig war. Sie stellten eine
dar. Die Stimmung, die sie beim
Sie malten das Bild meist
, ist von zentraler Bedeutung.
(unter freiem Himmel) und
(vor dem
Motiv). Claude Monet kaufte sich sogar ein Hausboot um Tag und Nacht auf der Seine
zu malen. Im Sommer 1874 besuchten ihn Auguste Renoir und Edouard Manet für ein
paar Wochen. Zu dieser Zeit entstand eines der wichtigsten impressionistischen Bilder.
Manet malte den malenden Monet auf seinem Boot vor der Staffelei.
Die Barke von Edouard Monet (1874)
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In der Kajütentür erscheint seine Frau. Das Boot liegt ruhig auf dem Wasser. Das Wasser
ist mit breiten, verschieden farbigen Pinselstrichen gemalt. Aus einiger Entfernung
betrachtet, bilden diese die Spiegelungen der Uferböschung und des Bootes ab. Im
Hintergrund sieht man die Zeichen des Fortschritts, die rauchenden Fabrikschlote.
Die Impressionisten wandten sich aber eindeutig vom Naturalismus ab, der eine
realistische Kunst forderte, auch sozialkritisch Arme und Kranke zeigte.
Die Anfänge des Impressionismus fallen in eine Zeit der aggressiven Kapitalexpansion.
Diese wird in Paris in einer kaum je dagewesenen Bautätigkeit und einer extremen
Modernisierung der Stadt sichtbar. Gebaut werden neue Gebäude, Strassen mit ihren
Beleuchtungen, Fabriken, der Eiffelturm, die Métro…
Impressionisten sind begeistert von der Aufbruchsstimmung. Sie lösen sich von
biblischen und historischen Themen und der Konstruktion einer idealisierten Welt. Die
Schönheit liegt nicht in der Vergangenheit, sondern in der Gegenwart, direkt vor ihren
Augen. Ihre Malerei wird dadurch zur kleinen Revolution.
Bildkompositionen werden vorwiegend anhand von Farben aufgebaut, auf klare
Umrisslinien wird grösstenteils verzichtet. Mittel zur Wiedergabe des momentanen
Eindrucks ist die
, das Spiel mit
und der Veränderung
von Farben, das Festhalten von Luft und Atmosphäre, vor allem aber die
La Grenouillère von Claude Monet (1869)
Die Betonung des Momentanen, die Dynamik der Ereignisse und der Sinnesreize, aber
auch die
der dargestellten Figuren, entspricht der Situation
in den Städten. Der französische Lyriker Charles Baudelaire (1821-67) äusserte:
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„Modernität ist das Vorübergehende, das Fliessende, das
Impressionismus ist in diesem Sinne moderne, städtische Kunst.
Zufällige.“
Der
Radierung von Max Liebermann
Auf den Bildern werden neue Promenaden, Boulevards oder Parks dargestellt; Orte, die
von der modisch gekleideten städtischen Bevölkerung aufgesucht werden.
Die Leistung von Edison bei der Elektrifizierung und die Einführung von Elektrolicht
markieren den Beginn einer umfassenden kulturellen Entwicklung. Strassenlaternen,
aber auch die Métro mit ihren zahlreichen Eingängen in den Untergrund, welche zur Eröffnung der Weltausstellung 1889 in Paris gebaut wurde, werden immer wieder auf Bildern festgehalten.
Childe Hassam, amerikanischer Impressionist (1859-1935)
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Die ländlichen Kulissen die zu Sujets werden, sind Ausflugsziele und werden mit den
Augen erholungssuchender Städter betrachtet.
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Allee in Giverny (C. Monet)
Die Impressionisten behandeln ein Sujet aufgrund der unterschiedlichen Farbtöne und
nicht wegen seinem Inhalt. Kunst wird zum Selbstzweck,
, Konflikte
werden systematisch ausgeblendet. Den Impressionisten wurde später vorgeworfen, sie
seien weltfremd.
Die Malerin
(1841-1895) gehörte von Anfang an zu den Impressionisten.
Auch sie wandte sich von biblischen und historischen Themen ab. Ihr Bild, ebenfalls
erstmals 1874 gezeigt, löste einen Skandal aus. Sie malte ihre Schwester, welche ihr
schlafendes Kind bewacht. Durch die dünnen Vorhänge am Fenster scheint bläulich rotes
Licht. Der Schleier über der Wiege ist in zartes Rot getaucht. Maria und das Jesuskind
hatte es als Mutter-Kind-Darstellung seit dem frühen Mittelalter gegeben. Doch Berthe
Morisot malte keine Maria, sondern eine Frau aus ihrer Umgebung. Sie malte eine
, nach gängiger Lehrmeinung nicht darstellungswürdig!
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Die Wiege von Berthe Morisot
Die
unterscheiden sich deutlich vom handwerklichen
Vorgehen der klassischen Ölmalerei. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts standen erstmals industriell gefertigte Farben zur Verfügung. Erst
ermöglichen die Malerei
„en-plein-air“. Die Impressionisten bevorzugen helle, reine Farben und setzen komplementäre Farben fleckig und in relativ groben, kurzen Pinselstrichen komma-artig nebeneinander. Mit der Gegenüberstellung der Farben Rot-Grün, Blau-Orange oder
Violett erreichen sie eine intensivere,
. Die getrennten Farbflecke
verschwimmen erst zu Farbflächen, wenn sich der Betrachter einige Meter vom Bild entfernt. Gleichzeitig wird durch Andeutungen die Fantasie des Betrachters aktiviert. Undeutliche Umrisse und Verschwommenes werden mit plausiblen Ergänzungen vervollständigt. Der Betrachter erzielt durch seine aktive Hirnleistung individuelle Eindrücke
und kreiert seine eigene Wirklichkeit. Mit dem Einbezug der Fantasie ist der Betrachter
aktiv an der Wirkung eines Bildes mitbeteiligt. Bildkonstruktion, Perspektive, räumliche
Wirkung und klare Linienführung werden von den Impressionisten deshalb bewusst
vermieden. Das
gilt als zentrales Anliegen.
Die Farben wurden zum Teil nicht auf der Palette, sondern
ge-
mischt. Es wurde weder vorgezeichnet noch skizziert, sondern möglichst ohne Korrektur
direkt auf der grundierten Leinwand gearbeitet. Die Bilder wurden in einer skizzenhaften Art gemalt, die es ermöglichte, die Reflexe des Lichts rasch einzufangen und als ein-
malige stimmungsvolle, flüchtige Augenblicke darzustellen. Einige Maler malten deshalb
zum Teil gleichzeitig auf verschiedenen Leinwänden um die wechselnden Lichtverhältnisse festzuhalten. Typisch sind Sujets, auf denen sich der Himmel im Wasser spiegelt
oder Blumenteppiche in Licht und Schatten.
Um verschiedene Stimmungen festzuhalten, hat Monet die Kathedrale von Rouen in
Nordfrankreich dreissig Mal zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten gemalt. Damit
entwickelte er das
; ein Motiv wird in unterschiedlichen Lichtverhältnis-
sen und Stimmungen gemalt. Das Konzept der Serie wurde später von andern Malern,
von Bildhauern und Fotografen übernommen.
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Kathedrale von Rouen (C. Monet)
Claude Monet wurde zum konsequentesten Maler des Impressionismus. Licht, Farbe
und Schattierungen spiegeln sich bis zur Perfektion immer wieder auf neue Art in seinen
Bildern. Als Monet sich 1890 in Giverny nördlich von Paris niederliess, legte er einen
grossen Garten mit dem berühmten Seerosenteich an, der von Trauerweiden und Bambus umgeben ist und noch heute als Park besichtigt werden kann. Über den Teich führt
eine japanische Brücke. Bis zu seinem Tod zählte diese Gartenlandschaft zu seinen bevorzugten Motiven.
Auch seine berühmten Seerosenbilder stammen aus dieser Zeit.
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Le bassin aux nimphéas
Dieses Bild wurde 2008 für 51.7 Mio. Euro versteigert
Das Umschlagsbild des Intermezzo-Heftes zeigt einen ähnlichen Ausschnitt des Parks.
Aus den Spiegelungen im Teich gestaltete Monet Bilder, in welchen das Oben und Unten
nicht mehr eindeutig zu bestimmen sind. Welche Pflanzen, Blumen und Blüten befinden
sich tatsächlich in dem Teich, welche spiegeln sich nur darin? Dimensionen und Perspektive geraten aus dem Gleichgewicht. Monet hat damit alle Regeln der Malerei gesprengt.
Es ist ihm gelungen, die Malerei aus der Gegenständlichkeit des 19. Jahrhunderts zu befreien und die Möglichkeiten einer völlig neuen Kunst, der Abstraktion, zu öffnen. Darin
liegt Monets bedeutendste künstlerische Leistung.
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Der Impressionismus breitete sich von Frankreich in ganz Europa aus und beeinflusste
die Moderne Malerei, aber auch andere Kunstgattungen wie Musik, Fotografie und Literatur.
Hier findest du noch weitere Bilder von Claude Monet:

Zu „La cathédrale engloutie“ von Claude Debussy.

Winterlandschaften zu „The Snow is Dancing“ von Claude Debussy.

Giverny: „Les Nymphéas“

Giverny: Teil 1 (Teil 1 und Wasserlandschaften sind sehr empfehlenswert)

Giverny Teil 2: Maltechnik gezeigt an Beispielen von Wasserlandschaften
Zum Surfen:

Über den Maler Paul Cézanne

Bilder von Camille Pissarro
Einige Videos (Niveau Oberstufe):

Arte Doku über Impressionismus Teil 1 / Teil 2 / Teil 3 / Teil 4

Frauen des Impressionismus: Teil 1 / Teil 2 / Teil 3
Für
(1859-1891) war die
das zentrale Anliegen seiner
Malerei. Er setzte zahlreiche winzige Punkte reiner Farben nebeneinander, die erst das
Auge zu Farbflächen zusammenfügt. Die Künstler des
(point=Punkte) ma-
chen sich das Prinzip der optischen Täuschung zunutze. Tritt man ein paar Schritte vom
Bild zurück, vermischen sich die einzelnen Farbtupfer zu unterschiedlichen Farbtönen.
Seurat überlegte sich genau, welche Farben andere dunkler oder heller erscheinen lassen.
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Es kam ihm nicht darauf an ob diese Farben in der Natur so aussehen, sondern auf die
Wirkung die sie im Bild erzielen und deren Farbmischung
Diesen Effekt kannst du selber testen, indem du das unten stehende Bild von ganz nah
betrachtest und dann nochmals von weitem. Sieh dir einen Farbtupfer ganz genau an,
schliesse dann die Augen und betrachte das Bild aus grösserer Entfernung. Jetzt wirst du
ganz andere Farben sehen als die tatsächlich gemalten.
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Sonntagnachmittag auf der Insel Grande Jatte von Claude Seurat (1859-1891)
Denselben Effekt siehst du auch auf dem Bild mit dem Eiffelturm.
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Der Eiffelturm (1889) von Claude Seurat
Das Spiel mit den Farben zeigt sich in allen Sparten des Impressionismus: In der Malerei,
in der Musik und auch in der Literatur. Genau wie ihre Vorläufer in der Malerei, waren
Literaten darauf bedacht, ihre Umwelt in ihrer Stimmung und in den verschiedenen Abstufungen so darzustellen, wie sie diese im
erlebten. Gegenüber der Beschrei-
bung flüchtiger Momente die durch Licht, Farben, Bewegungen, Geräusche oder Gerüche eine besondere Stimmung entfalten, tritt die Handlung fast völlig in den Hintergrund. Diese sehr kurzen Eindrücke lassen sich am besten in
oder
(Skizze, Novelle) umsetzen. Die Sprache der Impressionisten ist reich an
, sprachlichen Bildern, Symbolen und Metaphern. Adjektive werden verschwenderisch eingesetzt und die unterschiedlichen Stimmungen sind durch einen ständig ändernden
von
angedeutet. Beliebte Mittel dazu sind das Setzen oder Auslassen
und
oder unvollständige Sätze. Weil das Symbol von zentra-
ler Bedeutung ist, wird der Impressionismus in der Literatur
genannt.
Für die Symbolisten sind neben Naturbildern auch neue, moderne Motive aus der Grossstadt, Alltagsszenen oder die Beschreibung von Verkehrsmitteln interessant. Denn die
Geräusche, Gerüche und optischen Eindrücke der Stadt sind genau so eindrucksvoll und
variantenreich wie die der Natur, nur stellen sie sich ganz anders dar. Wegen ihrer persönlichen, augenblicks- und eindruckshaften Darstellungsweise mussten sich die Symbolisten allerdings Kritik gefallen lassen. Wie in der Malerei wurde auch ihnen vorgeworfen, ihre Kunst sei wirklichkeitsfern, stelle eine Flucht in subjektive fantastische Traumwelten dar und die inhaltliche Aussage sei nicht übertragbar.
Durch Klangmalerei und einer Aneinanderreihung von Bildern, Symbolen und Assoziationen und der fein nuancierten Gestaltung von Empfindungen und Momenten, erhalten
Gedichte einen musikalischen Akzent. In der französischen Sprache kommt das Spiel der
Klangfarben besonders gut zur Geltung.
Die wichtigsten Vertreter des Symbolismus waren
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wollten sie in ihren Gedichten eine autonome Welt der Kunst schaffen, die sich in Symbolen
zu erkennen gibt. Diese absolute Dichtung, „poésie pure“, genügt sich selbst. Wie in der
Malerei, „l’art pour l’art“ verfolgt weder politische noch soziale Interessen.
La musique
Musik
La musique souvent me prend comme une mer!
Vers ma pâle étoile,
Sous un plafond de brume ou dans un vaste éther,
Je mets à la voile;
Oft trägt mich die Musik, dem Meere gleich.
Zu meinem bleichen Stern,
Durch Nebelrauch, durch Lüfte klar und weich
Ich segle fern.
La poitrine en avant et les poumons gonflés
Das Antlitz aufwärts und die Brust voran,
Comme de la toile,
Die Lunge kraftgefüllt,
J'escalade le dos des flots amoncelés
Que la nuit me voile;
So stürm' ich kühn den Wogenberg hinan,
Den mir die Nacht verhüllt.
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Je sens vibrer en moi toutes les passions
D'un vaisseau qui souffre;
Le bon vent, la tempête et ses convulsions
Und fühle alle Leiden mich erbittern,
Die je ein Schiff erlitt,
Den leisen Wind, den Sturm, sein krampfhaft Zittern.
Sur l'immense gouffre
Me bercent. – D'autres fois, calme plat, grand mimoir
De mon désespoir!
Den Abgrund fühl' ich mit.
Doch manchmal ist der Spiegel flach und weit,
Der Spiegel meiner Hoffnungslosigkeit.
Charles Baudelaire (1821-1867)
Übersetzung: Teres Robinson
Der Symbolismus möchte weder die gesellschaftliche Wirklichkeit (wie z.B. der Realismus) noch persönliche Empfindungen oder subjektive Reaktionen auf äussere Ereignisse,
(wie z.B. in der Romantik) darstellen. Ein Gedicht im Stil des Symbolismus beschreibt die
Sache nicht direkt, sondern umschreibt es immer wieder von allen Seiten. Die Suche nach
der Ästhetik und eine Vereinigung der inneren und äusseren Welt werden angestrebt.
Einige Jahre später schrieben im deutschsprachigen Raum zum Teil Arthur Schnitzler,
Stefan George, Hugo von Hofmannsthal und Rainer Maria Rilke im Stil des Symbolismus. Über Rilke kannst du hier mehr erfahren.
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