TAT VOR ORT - Diakonisches Werk Kassel

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TAT VOR ORT - Diakonisches Werk Kassel
TAT VOR ORT
Nr.1/2011
Wegweiser durch TATVORORT Nr.1 / 2011
TAT VOR ORT
Nr.1/2011
Vorwort Entwicklungen, die Spuren hinterlassen
Offen für Vielfalt
Seite 3
Seite 4
Seite 5
Projekt „Kulturelle Werkstatt Wesertor“
Seite 6
„Vom passiven Zuhören ins aktive Rollenspiel“
Seite 8
Arbeitsprojekt Sprungbrett-Stadtteilwerkstatt Wesertor
Seite 9
„Rad’geber“ im Wesertor
Seite 11
Zwischenruf
Seite 12
Projekt „Aufsuchende Suchtberatung“ Seite 14
Allgemeine Sozialberatung
DiakonieTicket
Seite 16
Seite 17
Gemeindehaus auf dem Weg zum Stadtteilzentrum
Seite 18
Statement von Frau Knüppel
Seite 19
Als Gemeinde aktiv im Brennpunkt
Seite 20
Vom Gemeindehaus zum Stadtteilzentrum
Seite 21
Meldungen aus dem Diakonischen Werk Kassel
Seite 22
Personalia
Seite 23
Impressum
TATVORORT 1 / 2011
Mitteilungsbrief des Diakonischen Werkes Kassel
Redaktion: Geschäftsführer Gerd Bechtel (V. i. S. d. P.)
Fotos: Diakonisches Werk Kassel, :grede.de Archiv
Zeichnung/Skizzen Architekturbüro Sprenger Kassel
Layout: www.grede.de, Niedenstein
Druck: Nordlicht digital, Kassel
Anschrift: Diakonisches Werk Kassel
Hermannstraße 6, 34117 Kassel
Tel.: (0561) 71 28 80 • Fax: (0561) 712 88 88
www.dw-kassel.de • [email protected]
Zusammen weiterkommen am Wesertor
Liebe Leserinnen und Leser,
Diese Ausgabe des TATVORORT
widmet sich vorrangig dem Engagement des Diakonischen Werkes
Kassel im Stadtteil Wesertor. Schon
lange lebt und wächst dort eine
vorbildliche gemeindediakonische
Arbeit, die auf die besonderen Herausforderungen des Stadtteils und
die vielfältigen Problemlagen seiner Bewohnerinnen und Bewohner
reagiert. Bausteine des diakonischen Engagements der evangelischen Kirchengemeinde für die
Menschen im Stadtteil waren und
sind die Gesegnete Mahlzeit, die
Hausaufgabenhilfe, zuletzt der
Bewerbertreff für Arbeitslose und
vieles mehr. Auch das Kasseler
DiakonieTicket wurde hier erfunden und noch heute werden hier
Berechtigungsscheine ausgegeben.
Das Diakonische Werk Kassel ergänzt diese gemeindediakonische
Arbeit durch organisatorische Hilfestellungen und Angebote wie die
Sozialberatung vor Ort.
Die Aufnahme des Stadtteils in
das Bund-Länder-Programm ermöglichte weiteres soziales Engagement. In Kooperation mit der
Planungsgruppe Stadtbüro aus
Dortmund übernahm das Diakonische Werk Kassel das Stadtteilmanagement. Seit dem letzten
Jahr sind dort weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in mehreren
konkreten sozialen Projekten aktiv.
Und es entwickeln sich viele Formen der verstärkten Kooperation
mit anderen Partnern im Stadtteil.
Von alldem berichtet dieser TATVORORT. Er beinhaltet daneben einen
Zwischenruf von Reinhard Thies,
dem
bundesweit
anerkannten
diakonischen Fachmann für alle
Fragen der „Sozialen Stadt“, der
nachdrücklich für ein gemeinsames
Engagement von Kirche und Diakonie in Stadtteilen wie dem Wesertor
plädiert. Von ihm stammt auch der
Hinweis auf den dringlichen Appell
der
Bundesarbeitsgemeinschaft
Soziale Stadtentwicklung anlässlich der drastischen Kürzungen der
Bundesmittel für das Förderprogramm, die faktisch dessen Ende in
der bisherigen Form bedeuten wird.
Auch ich appelliere an die politisch
Verantwortlichen, den im Stadtteil Wesertor bereits erkennbaren
positiven Entwicklungen nicht die
materielle Basis zu entziehen.
Unser Engagement für den Stadtteil
geht weiter. Die Kirchengemeinde
wird künftig ihr Gemeindehaus ganz
dem Stadtteil zur Verfügung stellen
und das Diakonische Werk Kassel
nach dem Umbau gemeinsam mit
dem Kulturzentrum Schlachthof die
Verantwortung für das neue Stadtteilzentrum übernehmen. Wir werden damit im Interesse der Menschen im Stadtteil und der ganzen
Stadtgesellschaft dem Aufruf Jeremias folgen, der geschrieben hat:
„Suchet der Stadt Bestes ... und
betet für sie zum Herrn“ (Jeremia
29,7) In diesem Sinne soll das
Gebet unser Handeln tragen und
ergänzen. Denn in allem engagierten Tun, im Planen, Kooperieren,
Streiten und Handeln für das Beste
der Stadt bleiben wir Christen uns
unseren begrenzten Möglichkeiten
bewusst. Deshalb legen wir alles
letztlich in Gottes Hände und bitten
um seinen Segen für das Suchen
und Finden des Besten für das Gemeinwesen auch am Wesertor.
Ihr
Diakoniepfarrer Gerd Bechtel
Geschäftsführer des
Diakonischen Werkes Kassel
Seite TAT VOR ORT
Nr.1/2011
Entwicklungen, die Spuren hinterlassen
Soziale Stadt Wesertor – eine Chance für den Stadtteil
punkt der Arbeit des Stadtteilmanagements ist die Anpassung
der vorliegenden Rahmenplanung
Wesertor an die Anforderungen
des Programms Soziale Stadt in
einem integrierten Handlungskonzept. Das Stadtteilbüro ist Anlauf-/
Beratungs- und Kontaktstelle vor
Ort. Es koordiniert die Projektentwicklung, Bürgerbeteiligung und
Öffentlichkeitsarbeit und versteht
sich als Mittler zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern, der Akteure im Stadtteil und der Verwaltungsebene der Stadt Kassel.
Der Stadtteil Wesertor hat seit seiner Gründung verschiedene Entwicklungsphasen erlebt: von der
durch Gartenbau geprägten Vorstadt im 19. Jahrhundert bis zum
Arbeiterstadtteil in die 1970er Jahren. In den letzten fünfundzwanzig
Jahren hat sich das Wesertor zu
einem innenstadtnahen, strukturschwachen Viertel gewandelt. Die
messbaren Auswirkungen auf den
Stadtteil sind Defizite im städtebaulichen und Freiraumbereich,
hohe Umweltbelastungen, hohe
Arbeitslosigkeit und/oder gerin­ges
Einkommensniveau vieler Bewohner, wenig soziale und kulturelle
Angebote, ein hoher Anteil von Bewohnern mit Migrationshintergrund
und ein unzureichendes Angebot
an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Im Rahmen des europäischen Förderprogramms URBAN II 20002006 wurde im Jahr 2003 bereits
eine Rahmenplanung Wesertor
mit einem Entwicklungshorizont
von 10-15 Jahren erarbeitet und
erste Projekte daraus umgesetzt.
Im Modellprojekt des Sozialamtes
Seite der Stadt Kassel für ein „Stadtteilmanagement ÄLTER WERDEN im
Wesertor“ wurde von 2003-2007
parallel dazu begonnen, neben
speziellen Projekten für ältere Menschen auch allgemein erste soziale
Netze und Strukturen im Stadtteil
aufzubauen (Stadtteilarbeitskreis,
jährliches Stadtteilfest, ehrenamtlich erstelltes Stadtteilmagazin),
und die Aufnahme in das Programm
Soziale Stadt vorbereitet.
Der Stadtteil Wesertor wurde Ende
2007 in das Bund-Länder-Programm „Stadtteile mit besonderem
Entwicklungsbedarf – Die soziale
Stadt“ aufgenommen. Seither werden ergänzend und unterstützend
zu den sozialen, kulturellen, ökonomischen und arbeitsmarktpolitischen Projekten auch städtebauliche Maßnahmen umgesetzt.
Das Stadtteilmanagement ist mit
einem Büro seit Juli 2008 im Stadtteil präsent. Die PLANUNGSGRUPPE
STADTBÜRO Dortmund und der
Kooperationspartner Diakonisches
Werk Kassel sind Träger des Stadtteilmanagements. Ein Schwer-
Neben
verschiedenen
niedrigschwelligen Hilfeangeboten ist das
Diakonische Werk Kassel seit 2009
auch mit vier Modellprojekten im
Programm Sozialen Stadt Wesertor
vor Ort tätig. Als langjährige Mitarbeiterin des Diakonischen Werkes
Kassel, Projektleiterin des damaligen Stadtteilmanagement ÄLTER
WERDEN und heute Stadtteilmanagerin, ist Sandra Lüning Ausdruck
der kontinuierlichen Arbeit. Es ist
schon eine Menge geschehen und
der Blick in die Zukunft weist darauf hin, dass auch noch eine Menge
bewegt werden muss – gemeinsam
für das Wesertor.
Offen für Vielfalt
Das Besondere am Programm Soziale Stadt
„Ohne Moos nix los.“ Die Bedeutung des Programms Soziale Stadt
auf dieses Sprichwort zu beschränken, wäre sicher etwas kurz gegriffen. Aber dass dies eine wichtige
Komponente ist, lässt sich nicht
verleugnen. Ohne die finanzielle
Förderung aus dem Bund-LänderProgramm – in Höhe von 80 bis 85
Prozent – wäre ein starkes Engagement der Stadt Kassel in den so
genannten benachteiligten Stadtteilen, zu denen auch das Wesertor
gehört, kaum möglich. Die defizitäre Haushaltslage erlaubt Investitionen in dieser Höhe aus eigener
Kraft nicht. Was ist nun aber das
Besondere an diesem Programm?
Das Wesertor wirbt mit dem Slogan „Offen für Vielfalt.“ Das lässt
sich gut auf das Programm Soziale
Stadt übertragen. Denn die Vielfalt der grundsätzlich förderfähigen
Themenfelder ist groß. Und das ist
bei den vielschichtigen Problemlagen in einem so genannten „benachteiligten“ Stadtteil wie dem
Wesertor auch erforderlich, um
eine spürbare Wirkung zu erzielen.
Der Name „Soziale Stadt“ klingt
zwar so, als sei es ein Programm
des Sozialministeriums. Es ist in
Wirklichkeit aber ein Baustein der
Städtebauförderung. Im Gegensatz
zur „klassischen“ Städtebauförde-
rung, die allein bauliche Investitionen fördert, geht der Ansatz von
Soziale Stadt darüber hinaus. Er
folgt der Erkenntnis, dass eine alleinige bauliche Verbesserung nicht
ausreicht, um die Abwärtsentwicklung der betroffenen Stadtteile
aufzuhalten. Neben der Verbesserung der baulichen Wohn- und
Lebensbedingungen ist es ebenso
erforderlich, die örtliche Wirtschaft
zu stabilisieren, die Lebenschancen
der Bewohner durch Vermittlung
von Fertigkeiten und Wissen zu erhöhen, das soziale Miteinander zu
fördern sowie durch eine gute Öffentlichkeitsarbeit das Image und
durch eine intensive Beteiligung
die Identifikation der Menschen mit
ihrem Stadtteil zu verbessern.
rig und verlangt eine enorme Flexibilität aller Handelnden. So ist zum
Beispiel die bauliche Umsetzung
des Projektes Stadtteiltreff längst
gesichert. Für die Umsetzung der
Gastronomie über ein Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekt
muss aber an anderer Stelle auf
eine Bewilligung von Fördergeldern
gehofft werden.
Das Städtebaureferat im zuständigen hessischen Ministerium vergleicht das Programm immer mit
einer Torte, die aus vielen Tortenstücken besteht. Über das Städtebauministerium wird das „bauliche“
Tortenstück finanziert und die Kerze obendrauf, also Stadtteilmanagement und Öffentlichkeitsarbeit. Mehr aber leider nicht. Um an
die anderen Tortenstücke heranzukommen, muss man (d.h. die Stadt
oder auch lokale Träger selbst)
dann auf Fördermitteljagd bei den
unterschiedlichsten Förderstellen
gehen. Der Vorteil ist: Die Aufnahme in das Programm Soziale Stadt
ist ein Türöffner und oft Bedingung
für die Bewilligung in diversen anderen Förderprogrammen.
Insofern ist das Programm in seiner Grundform zwar nicht wirklich
vielfältig einsetzbar, jedoch grundsätzlich „offen für Vielfalt.“ Als Motor und Anstoß für eine Entwicklung
im Wesertor ist es jedenfalls unverzichtbar und hat bereits jetzt schon
viele sichtbare Erfolge erzielt.
Nachteil ist: Die Umsetzung echter
integrierter Projekte bleibt schwie-
Hier gibt es also deutlichen Verbesserungsbedarf: Ein wirklich integrierter Fördertopf, aus dem alle
Projekte finanziert werden können
und wie er z. B. von dem europäischen Förderprogramm URBAN
beispielhaft und erfolgreich umgesetzt wurde, wäre die richtige
Lösung.
Eva-Maria Rupp
(Stadt Kassel, Stadtplanung,
Bauaufsicht und Denkmalschutz,
Koordination des Programms
Soziale Stadt Wesertor)
Kontakt
Sandra Lüning
Weserstraße 38-40
34125 Kassel
Stadtteilmanagement Wesertor
Stadtteilmanagement Wesertor
Feste Sprechzeiten:
Dienstag 10-12 Uhr
Donnerstag 10-12 Uhr
und nach telefonischer
Vereinbarung
Telefon: 0561-8 07 53 37
[email protected]
www.kassel-wesertor.de
Seite TAT VOR ORT
Nr.1/2011
Interkulturelle Werkstatt Wesertor
Thema „Ein Leben für Henschel“
durchgeführt. Ein für das Wesertor wichtiges Thema, da hier einst
die Arbeiter des Henschelwerkes
am Möncheberg lebten. In der
Schreibwerkstatt dagegen entstanden mehrere Veranstaltungsplakate, eine Präsentation und eine
Plakatausstellung zum Thema „100
Jahre Ysenburgstraße.“ Schüler
erkundeten den Stadtteil, recherchierten historische Hintergründe
und dokumentierten ihre Arbeit
für die Öffentlichkeit. Am 01.03.
wurde diese Ausstellung im Laden³
an der Weserspitze eröffnet.
Ein Stück Kassel: Ausflug ins Henschel-Museum
Die Interkulturelle Werkstatt Wesertor ist eine Lern- und Erfahrungswerkstatt, die es sich zur
Aufgabe gemacht hat, Menschen
Integrationschancen zu eröffnen,
eine interkulturelle Kommunikations- und Dialogfähigkeit zu fördern, junge Menschen auf die Anforderungen der Erwachsenenwelt
vorzubereiten, eine Verständigung
über und ein Verständnis für gesellschaftliche Regeln zu befördern.
Mit der Stadtteilkulturwerkstatt
geht es auf die Suche nach Antworten. Ein Austausch über Kultur
und Religion findet im Dialog der
Generationen statt. Damit wurde
ein Ort geschaffen, der Kommunikation und Vernetzung fördert, der
Stadtteilbewohner/innen die Möglichkeit eröffnet, sich Themenfelder
anzueignen und dabei eigene Fähigkeiten und Kompetenzen im Bereich Sprache, Textarbeit, Organisation und Kreativität zu erweitern.
Seite Ziele, die hierbei verfolgt werden,
sind die Bildung eines Verständnisses für Kultur und kulturelle Unterschiede, Integration der Menschen
im Stadtteil, Interaktion und soziales Lernen. Junge Menschen erkennen, wie Kultur entsteht und
funktioniert. Sozialgeschichte wird
für sie sichtbar. In der Umsetzung
arbeiten die „theaterpädagogische
Lernwerkstatt“, die „Kultur- und
Schreibwerkstatt“, der „Stadtteil
im Unterricht“ vielfältig in Form
von Projektwochen, Aktionstagen,
Workshops. Kulturelle und religiöse Einrichtungen werden besucht,
Traditionen kennen gelernt und
Hintergründe erforscht.
Mit dem „Stadtteil im Unterricht“
erleben Schüler/innen das Wesertor als Raum des historischen
Lernens. Themen aus und um den
Stadtteil Wesertor werden in die
Schule getragen und dort bearbeitet. So wurden Einheiten zum
In der theaterpädagogischen
Lernwerkstatt werden den jungen Menschen mit Hilfe verschiedener Erzähltechniken und Methoden geeignete Werke inhaltlich
nahe gebracht. Verwendet werden
literarische Texte, Gedichte, Balladen, aber auch Sagen, Legenden
und Märchen, aus Deutschland wie
aus anderen Ländern oder aus der
Antike, die auch heute noch eine
ununterbrochene Anziehungskraft
ausüben. Die jungen Menschen
werden angehalten, sich emotional
mit den Themen und Wertvorstellungen des Werkes auseinanderzusetzen. Nach einer Aneignungsphase wird das Stück in ihrer eigenen
Sprache, die sie dafür entwickeln
und verfeinern werden, improvisatorisch nachgespielt und der Originaltext, oder Auszüge davon, mit
verschiedenen schauspielerischen
Techniken einbezogen. Durch das
praktische Erlernen und Ausprobieren von verschiedenen Theateransätzen, werden sie befähigt,
tiefgehende Themen und Gefühle
in der Rollenspielsituation mit der
notwendigen Distanz zu erleben,
diese sprachlich zu formulieren und
zu inszenieren.
Die erste thematische Einheit, die
die theaterpädagogische Lernwerkstatt in der Carl-Schomburg-Schule ab April 2010 durchführte, hatte die „Personenbeschreibung“ als
Thema. Durchgeführt wurde dies
mit SchülerInnen einer 6. Klasse:
Daniela Ammassari berichtet:
„Als ich mit den ersten Stunden im
Projekt anfing, stellte ich fest, dass
die SchülerInnen in Vergleich zu
Gleichaltrigen sehr frühreif waren.
Am Anfang waren sie auch ziemlich
unruhig und unkonzentriert. Viele
haben ein provozierendes und störendes Verhalten gezeigt, besonders die Jungen. Die Mehrheit der
SchülerInnen hatte einen Migrationshintergrund und bei manchen
war dies an ihrer Sprache zu merken. Dass ich auch Deutsch mit
einem stark südländischen Akzent
spreche, fanden die SchülerInnen
gar nicht problematisch, eher vertraut. Es wurde auch sehr schnell
klar, dass sie viel fern gesehen haben, da ihre Äußerungen, besonders bei einigen Übungseinheiten,
von der z. T. vulgären Sprache von
Fernsehsendungen geprägt war.
Durch die theaterpädagogischen
Übungen, die der Mehrheit der
SchülerInnen offensichtlich sehr
schnell Spaß machten, entwickelte sich jedoch ein gruppendynamischer Prozess, der mit dem
Fortschreiten des Projektes immer
mehr von sozialer Kompetenz geprägt wurde. Die SchülerInnen, die
am meisten gestört hatten, fanden
einen Rahmen und eine Bühne um
ihre Lebhaftigkeit auszuagieren,
die Ruhigen dagegen gingen aus
sich heraus und beteiligten sich an
dem Geschehen, weil „alle mitgemacht haben“ (Zitat einer Schülerin). Einige Übungen machten den
SchülerInnen sichtlich Freude, die
Ergebnisse waren auch sehr schön
zu sehen. Zum Schluss haben sich
Gemeinsam weiterkommen am Wesertor
alle SchülerInnen um eine gute
Durchführung der gestellten Aufgaben bemüht und großen Spaß
daran gehabt. Für den Lehrer war
diese Entwicklung sehr interessant zu beobachten, zumal einige
SchülerInnen sich in einer aktiven
Art einbrachten, die sie im kognitiv geprägten Unterricht nicht oft
gezeigt hatten. Das Projekt wurde
von mir und dem Lehrer nach jeder
Doppelstunde ausgewertet und die
gesamten Ergebnisse wurden von
uns und von den SchülerInnenn als
sehr gelungen bewertet.“
Die Interkulturelle Werkstatt
ist ein Kooperationsprojekt des Diakonischen Werkes Kassel
und dem Institut für angewandte Biografie- und Familien- forschung Kassel
Kontakt
Kontakt
Christian Bruno von Klobuczynski
Daniela Ammassari
Institut für angewandte
Biografie- und Familienforschung
Kassel (IBF-Kassel)
Diakonisches Werk Kassel
Interkultureller Dialog
Wesestraße 26
34125 Kassel
Tel.: 0561 - 9 7 00 544
Fax: 0561 - 97 00 5 45
mobil 0162 - 9 87 28 13
Wildemannsgasse 14
34117 Kassel
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Nr.1/2011
„Vom passiven Zuhören ins aktive Rollenspiel“
Die theaterpädagogische Lernwerkstatt als Teil der „Interkulturellen Werkstatt Wesertor“ will die
Aktivierung, Mitwirkung und Beteiligung junger Menschen durch
Rollenspiel, theaterpädagogische
Übungen, Stimmbildung, Atemübungen, Erzähltheater fördern.
Literarische Texte werden den jungen Menschen mit Hilfe verschiedener Erzähltechniken und Methoden inhaltlich nahe gebracht.
Gedichte, Balladen, Sagen, Legenden und Märchen eignen sich in
besonderer Weise, universelle und
brisante Themen wie Liebe, Freundschaft, kulturelle Unterschiede,
Konflikte und Gewaltbereitschaft
aus einer zeitlosen Perspektive zu
behandeln. Junge Menschen werden angehalten, sich emotional mit
Kontakt
Daniela Ammassari
Diakonisches Werk Kassel
Interkultureller Dialog
Wildemannsgasse 14
34117 Kassel
Tel.: 0561 - 70 97 42 14
Fax: 0561 - 70 97 42 88
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Seite den Themen und Wertvorstellungen
des Werkes auseinanderzusetzen.
Die Zusammenarbeit mit Schulen
und auch Kindertagesstätten hat
hier seinen besonderen Stellenwert.
Als Beispiel ein Bericht aus der
Carl-Schomburg-Schule:
„Der gute Mensch von Sezuan“ von Bertolt Brecht als Literatur und Theaterprojekt der
Klasse R10D der Carl-Schomburg-Schule mit Frau Daniela Ammassari
„Gibt es noch einen guten Menschen auf dieser Welt?“, fragten
sich drei Götter, die auf die Erde
kamen und einen Platz zum Übernachten in der chinesischen Stadt
Sezuan suchten….
Das fragten sich die Schülerinnen
und Schüler der 10D ebenfalls,
nachdem ihnen der Titel des
Stücks von Brecht zunächst nicht
viel sagte.
Doch die spannende und emotionale, sehr besondere Methode der Einführung in das Projekt
durch Frau Ammassari löste eine
begeisterte Mitarbeit und großes
Engagement bei den Schülerinnen
und Schülern aus. Bewegungsübungen, Zungenbrecher und Aufwärmtraining im Theaterraum der
CSS statt Deutschunterricht in der
Klasse brachten viel Abwechslung
und konnten auch den Letzten
motivieren. Obwohl das Ganze
ungewohnt und ziemlich anstrengend war: Für alle Schülerinnen
und Schüler war es eine neue und
starke Erfahrung. Natürlich mussten die Schülerinnen und Schüler
auch Szenen lesen und verstehen,
aber das Spielen und Nachahmen
bereitete allen den meisten Spaß.
Es wurde viel gelacht, letztendlich
aber ernsthaft gearbeitet. Die Geschichte von ShenTe und ShuiTa
wird jedenfalls keiner aus der Klasse je vergessen.
Mit so viel Spaß am Lesen, Sprechen, Spielen und Improvisieren
entstand am Ende des vierwöchigen Projektes ein Film mit den
ausgewählten Szenen sowie eine
Aufführung vor der eigenen Klasse,
die zeigte, wie stark und selbstbewusst die einzelnen Akteure diese
gestalteten.
Um nur einige Kompetenzen der
Schüler am Ende dieses Projektes
aufzuzählen: Mut zum freien Sprechen vor der Gruppe, Entdeckung
von unglaublichen Talenten, Improvisationskunst, Meistern von
schwierigen Aufgaben, Verständnis
für den anderen aufbringen, lernen
mit Kopf, Herz und Hand- eben
„spielerisch lernen“ im wahrsten
Sinne des Wortes. Wir danken Frau
Ammassari für die wunderbare Ergänzung unseres Deutschunterrichtes!
Kerstin Ihde
(Deutschlehrerin der R10D
Carl-Schomburg-Schule)
der
Arbeitsprojekt Sprungbrett-Stadtteilwerkstatt
Wesertor
In der Sprungbrett-Stadtteilwerkstatt können langzeitarbeitslose
Menschen aus dem Stadtteil Wesertor mitarbeiten und Tätigkeiten
für den Stadtteil leisten. Voraussetzung zur Teilnahme an den
beiden Projekten ist der Bezug von
Arbeitslosengeld II und der Wohnsitz im Stadtteil Wesertor, innerhalb
des Programmgebietes der „Sozialen Stadt“. Die Teilnehmer/innen
werden darin unterstützt, ihren Tagesablauf zu organisieren und ihre
Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu
verbessern.
Projekt Quartiersservice
Das Projekt besteht seit Juni
2010 mit 8 Teilnehmern, die zu
Projektbeginn die eigenen Werkstatträume im Gemeindehaus der
Neuen Brüderkirche hergerichtet
haben. Des weiteren werden gemeinnützige Umbau- und Renovierungsarbeiten durchgeführt, so
wurde beispielsweise der Speiseraum der Gesegneten Mahlzeit neu
gestaltet. Grünpflege- und Gestaltungsarbeiten wie Baumscheibenpflege des Wesertorplatzes, sowie
die Reparatur und Herstellung von
Kinderspielzeug werden angeboten. Eine wiederbelebte Fahrradwerkstatt, in der Bewohner/innen
des Stadtteils sich Räder ausleihen
können und eigene gegen eine
Spende zur Reparatur bringen können, erfreut sich inzwischen eines
großen Zulaufs auch die Unterstützung bei Festen im Stadtteil ist Bestandteil des Arbeitsprojekts.
„Anderen Leute eine Freude machen und selbst helfen“
Frank L. wohnt ebenfalls im Stadtteil Wesertor und arbeitet im Rahmen des Arbeitsprojekts in der
Fahrradwerkstatt. Da er „in den
ständigen Lehrgängen vom Arbeitsamt“ keinen Sinn sah, hat er
sich nach einer für ihn sinnvollen
Beschäftigung umgesehen und ist
bei uns gelandet. „Die Möglichkeit, durch Aufarbeiten von gespendeten Fahrrädern finanziell
schwachen Bewohnern mehr Mobilität zu ermöglichen“ ist dem kompetenten und hilfsbereiten Mann
zu einer Herzensangelegenheit geworden. Sein Kollege und Mitstreiter in der Fahrradwerkstatt, Michael B. „war anfangs skeptisch“, und
„hatte nie vor, einen 1-Euro-Job zu
machen, da er dies meist als Beschäftigungstherapie“ ansah. „Die
Arbeit in der Fahrradwerkstatt hat
sich als sinnvoll erwiesen, macht
inzwischen sehr viel Spaß und ich
kann ziemlich selbständig arbeiten“ berichtet er im Gespräch mit
uns. Der gewissenhaft und verlässlich arbeitende Herr B. schätzt
sowohl die Wohnortnähe als auch
den Kundenverkehr. Bei beiden
Teilnehmern, deren Zusammenarbeit hervorragend funktioniert,
steht die Etablierung, der Ausbau
und die Bekanntmachung des Projekts weiter im Vordergrund, und
vielleicht entwickelt sich in diesem
Bereich dann auch eine dauerhafte
berufliche Perspektive für beide?!
Kontakt
Tanja Fey, Michael Schapitz
und Simone Ziegenbein
Arbeitsprojekt SprungbrettStadtteilwerkstatt Wesertor
Weserstraße 26
34125 Kassel
Tel.: 0561 - 92 09 78 -11
Fax: 0561 - 92 09 78 -13
[email protected],
[email protected]
[email protected]
Seite TAT VOR ORT
Nr.1/2011
Projekt Textilwerkstatt
Das Projekt besteht seit November 2010 mit 7 Teilnehmer/innen. Hierfür wurde ein Teil des Gemeindesaals im Gemeindehaus der
Neuen Brüderkirche zu einer Werkstatt umfunktioniert. Für größere
Veranstaltungen kann der Saal nach
wie vor genutzt werden. Sowohl
neuwertige Produkte, als auch umgeänderte Kleidungsstücke werden
von den Teilnehmern/innen gefertigt. Es soll ein Second-Hand-Laden aufgebaut werden, der von
den Teilnehmern/innen ausgestat-
tet und betrieben wird. Hier werden dann die gefertigten Produkte
und die aufgearbeiteten Kleidungsstücke aus der Textilwerkstatt sowie aufgearbeitete Kleinmöbel aus
dem Quartiersservice veräußert.
Die Planung und Durchführung von
Veranstaltungen, wie z.B. Modenschauen und Basaren, werden außerdem angeboten.
Das Ziel ist es, auch Menschen ohne
Vorkenntnisse mit entsprechenden
Grundlagen der Textilverarbeitung
vertraut zu machen.
Seite 10
„Das Arbeitsprojekt als
Sprungbrett für weitere
Arbeit nutzen“
Frau A. arbeitet im Rahmen des
Arbeitsprojektes in der Textilwerkstatt und ist dort mit 20 Wochenstunden tätig. Die gelernte Bäckereifachverkäuferin, die aufgrund
einer Firmenpleite arbeitslos wurde, und durch Schwangerschaften
und die folgenden Erziehungszeiten
in die Abhängigkeit von Sozialleistungen rutschte, sagt, „dass sie
froh ist, durch die Tätigkeit in der
Textilwerkstatt aus der häuslichen
Isolation herauszukommen.“ Die
dreifache Mutter wohnt seit 7 Jahren im Wesertor, ihre Freunde und
Familie leben ebenfalls hier und sie
fühlt sich im Stadtteil sehr wohl.
Hauptsächlich gefällt ihr „das Erlernen von verschieden Techniken
in der Textilverarbeitung, und diese auch praktisch im privaten
Bereich nutzen zu können.“ Frau
A. hofft auf eine Verlängerung
der Arbeitsgelegenheit und strebt
perspektivisch den Verkauf im Bekleidungsbereich an. Was ja für
den angedachten Aufbau eines second-hand-Ladens eine durchaus
gute Voraussetzung ist!
Sozialberatung und
Nachbarschaftshilfe
Einmal wöchentlich mittwochs zwischen 11.00 und 13.00 Uhr findet eine Sozialberatung mit dem
Schwerpunkt Integration in den
Arbeitsmarkt mit offener Sprechzeit statt, so dass Jede/Jeder mit
ihrem/seinem Anliegen einfach
vorbei kommt. Noch in Planung
ist der Aufbau einer Vermittlung
und Organisation von Nachbarschaftshilfen und haushaltsnahen
Dienstleistungen für Ältere, Hilfe-
bedürftige, belastete Familien und
Alleinerziehende.
Alle Projekte kooperieren mit Bewohnern/innen, Trägern, Vereinen,
Einrichtungen und Institutionen
im Stadtteil, insbesondere mit der
Streetworkerin der Suchtberatung
des Diakonischen Werkes Kassel und mit den Angeboten und
Teilnehmer/innen des Gemeindehauses der Neuen Brüderkirche.
Dort finden sowohl die Gesegnete
Mahlzeit statt, in der Bedürftige für
ein geringes Entgelt ein warmes
Mittagessen bekommen können,
als auch der Bewerbertreff, der
Arbeitssuchende unterstützt.
Die finanziellen Projektmittel werden aus dem Städtebauförderprogramm „Neue Partnerschaften - Modellvorhaben für die Soziale Stadt
(HEGISS-Innovationen 2009)“ zur
Verfügung gestellt. Diese werden
außerdem aus Mitteln der Arbeitsförderung und Mitteln des Landes
ergänzt. Durch die Kombination
der Mittel wird insbesondere der
Stadtteil- bzw. Quartiersbezug des
Projektes gewährleistet. Das Gesamtprojekt beläuft sich auf den
Zeitraum vom 15.04.2010 bis zum
14.04.2013.
„Rad’geber“ im Wesertor
Frank L., Fahrradschrauber in der
Fahrradwerkstatt, war mal wieder noch länger nach offiziellem
Dienstschluss in der Werkstatt, um
etwas fertig zu machen, dann kam
Dennis, ein zwölfjähriger Junge
aus dem Stadtteil vorbei und sah
diesen dort arbeiten:
Dennis:
Ich bin zufällig an der Fahrradwerkstatt vorbei gekommen und
habe gefragt, was der Frank L. dort
macht.
Schon 1997 gab es im Wesertor die
Idee für eine Fahrradwerkstatt.
Die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit von Eltern auf ihre Kinder
und Jugendliche waren der Auslöser. Umgesetzt werden konnte die
Idee aber erst 1999, als Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme, und auch
nur für eine kurze Zeit von einem
Jahr.
Außer dass Kindern, die
bisher kein Fahrrad hatten, günstig oder leihweise ein Fahrrad zur
Verfügung gestellt wurde, gab es
durch die Kooperation mit benachbarten Kirchengemeinden auch
gemeinsame Fahrradtouren und
–freizeiten.
Aufgrund der guten Erfahrungen
und der anhaltenden Bedarfslage
im Stadtteil, haben wir im Rahmen
des Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekts Sprungbrett -Stadtteilwerkstatt Wesertor die bis dahin nur noch sporadisch betriebene
Fahrradwerkstatt in der Sakristei
der Neuen Brüderkirche wieder
neu eingerichtet.
Hier finden zwei qualifizierte, langzeitarbeitslose Menschen durch
eine
tagesstrukturierende
und
sinnvolle Beschäftigung wieder zurück ins Arbeitsleben. Sie leisten
so einen Beitrag zur Fortbewegung
von Bewohnern/innen aus dem
Stadtteil in den Stadtteil hinein und
darüber hinaus!
Frank L.:
Ich repariere hier Fahrräder.
Dennis:
Wir haben dann geschaut, was an
meinem Fahrrad kaputt war. Der
Frank hat mir dann erklärt, warum die Kette immer so knackt und
quietscht. Während ich meine Kette geschmiert habe, hat der Frank
nach meinen Bremsen geschaut.
Auf die Frage, warum Frank L. jetzt
noch hier sei, erklärte er mir, „ich
kann doch den Jungen nicht ohne
funktionierende Bremsen ins Wochenende ziehen lassen.“ Für ihn
bedeutet die Arbeit in der Fahrradwerkstatt, seine bisher erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse
Die Teilnehmer nehmen gespendete Fahrräder an, reparieren diese
und stellen sie Bedürftigen zur Verfügung – zum Kauf gegen Spende
oder kostenlos zum Verleih. Des
weiteren können auch Fahrräder
günstig zum Reparieren vorbeigebracht werden, da lediglich die Ersatzteile bezahlt werden müssen.
So können sich finanziell schwächer gestellte Menschen diesegemeinnützigen Dienstleistungen
leisten. Es ergeben sich daraus
auch Kontakte von Stadtteilbewohnern/innen untereinander, wie z. B.
das obige Kurzinterview aufzeigt.
auszubauen und anderen dadurch
weiterzuhelfen.
Frank L.:
Wir haben das Fahrrad erst mal so
weit fertig gemacht, dass er das
Wochenende über fahren konnte.
Die Woche danach haben wir dann
das Fahrrad komplett repariert.
Dennis:
Der Frank hat dann beim nächsten
Mal meine Hinterradbremse gemacht. Das war gar nicht so einfach, weil das Fahrrad ein BMX ist.
Ich bin schon öfter hier vorbei gekommen, weil es spannend ist und
Spaß macht.
Für Dennis ist es prima, hier selbst
etwas Handwerkliches zu lernen um
sein Fahrrad selbst instand zu halten und sich dadurch seine Mobilität
zu erhalten.
Frank L.
(lacht): Und fragen tut er viel, aber
ich freue mich immer, wenn Dennis
wieder vorbei kommt.
…und so findet in der Fahrradwerkstatt nicht nur eine berufliche Weiterqualifizierung statt, sondern auch
die Schaffung sozialer Kontakte!
Kontakt
Tanja Fey, Michael Schapitz
Arbeitsprojekt SprungbrettStadtteilwerkstatt Wesertor
Weserstraße 26
34125 Kassel
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TAT VOR ORT
Nr.1/2011
Ein Zwischenruf von Reinhard Thies
Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland, Berlin
Gemeinwesendiakonie: Kiez, Viertel, Quartier – Kirche mittendrin
„Eine Kirche, die auf das Einfordern
von Gerechtigkeit verzichtet, deren
Mitglieder keine Barmherzigkeit
üben und die sich nicht mehr den
Armen öffnet oder ihnen gar Teilhabemöglichkeiten verwehrt, ist –
bei allem möglichen äußeren Erfolg
und der Anerkennung in der Gesellschaft — nicht die Kirche Jesu
Christi.“ Zu diesem Schluss kommt
die EKD-Denkschrift „Gerechte
Teilhabe“ aus dem Jahr 2006.
Sozialräumliche
Polarisierung ist Thema für Kirche und ihre Diakonie Häufig konzentriert sich Armut in
sozialen Brennpunkten, deren Bewohnerschaft insgesamt als „Armutsbevölkerung“ stigmatisiert ist.
Selbst in ländlichen Regionen gibt
es den „Hartz-IV-Block“ oder ähnliche Adressen, wo die Lebensverhältnisse eher für Ausgrenzung
statt Teilhabe sorgen. Hier verfestigt sich Armut und Mangel an Teilhabechancen von Individuen und
Gruppen sozialräumlich. Es entstehen Abwärtsspiralen an Orten, wo
Einzelpersonen und Familien mit
Kindern unter sich bleiben und unter prekären Bedingungen zusammenleben müssen. Betroffen sind
oft auch kirchenferne Milieus.
Ohne Zweifel: Hier stehen Politik,
Verwaltung und auch Wirtschaft
in der Pflicht, solchen Abwärtsentwicklungen gegenzusteuern und zu
stoppen. Hier ist aber auch das Engagement der Kirchen zusammen
mit ihrer Diakonie gefordert. Eine
diakonische Kirche darf sich dabei
nicht auf eine Mahner- und Notversorgerrolle reduzieren. Sie muss in
diesen Kiezen, Vierteln und Quartieren mittendrin sein, sich den
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Problemen und Talenten von Menschen mit oder ohne Kirchenbindung öffnen, ihre personellen und
räumlichen Ressourcen einbringen,
in trägerübergreifenden Netzwerken arbeiten, Motor und Plattform
für Entwicklungen und Projekte
sein. „Sie muss Flagge zeigen“,
wenn es um das Wohl des Gemeinwesens und die Rechte von Ausgegrenzten geht.
Handlungsoption
Gemeinwesendiakonie: Kirche und
Diakonie mit Anderen
Verfasste Kirche entwickelt dazu
zusammen mit diakonischen Trägern und Einrichtungen eine gemeinsame Handlungsoption Gemeinwesendiakonie, die sich als
Anwalt für die „Soziale Stadt“ profiliert und die strategische und ope-
Öffnung zum Gemeinwesen:
Vom Gemeindehaus zum
Nachbarschaftszentrum
Wichtig ist, dass sich Kirchengemeinden nicht aus diesen „Soziale-Stadt“-Standorten zurückziehen. Gerade hier gilt es, Wege zu
suchen, sich in Bürgergemeinde
und lokale Nachbarschaftsstrukturen aktiv einzubringen und eine
diakonische Gemeindearbeit zu
entwickeln. Gerade hier gilt es,
dass Kirche vor Ort Plattformen
zu Ermöglichung von Begegnung
und Selbsthilfe bietet. Sie kümmert sich nicht mehr nur um den
tradierten „Verein der Christen“,
sondern öffnet sich zusammen mit
ihrer Diakonie den Menschen im
Gemeinwesen und bringt sich mit
ihren Ressourcen ein. Sie öffnet ihr
Gemeindehaus zu einem Nachbarschaftszentrum für alle - für zugewanderte Christen und Angehörige
anderer Glaubensgemeinschaften
sowie auch für kirchenferne Gruppen. Die diakonischen Dienste
verlagern sich niederschwellig ins
Gemeinwesen und beziehen die
Kompetenzen und Angebote anderer Träger ein. Konkurrenz tritt in
den Hintergrund, Win-Win-Partnerschaften sollen sich entwickeln, die
die Menschen in den Quartieren mit
deren Fähigkeiten aktiv einbindet.
Zur Person:
Dipl.Päd. Reinhard Thies ist in der
Netzwerkstelle Gemeinwesendiakonie, Servicestelle Soziale Stadt
im Diakonischen Werk der EKD
in Berlin für Fragen der „Sozialen
rative Partnerschaften mit anderen
zu deren Realisierung sucht (siehe:
www.gemeinwesen-diakonie.de).
Zur Armutsbekämpfung vor Ort
sind alle Kirchengemeinden gefordert. Zu fragen ist: Welche Kirche
wollen wir sein? Sind wir Kirche für
und unter uns? Wollen wir als Kirche für andere sein und zu einer
Kirche mit anderen werden? Eine
solche Kirche wird möglicherweise
eine andere sein, als sie heute ist.
Vielleicht entspricht sie damit aber
eher dem Leitbild der Kirche Jesu
Christi, von der die Armutsdenkschrift der EKD spricht.
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17. Dezember 2010
,
Hannover/ Berlin
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TAT VOR ORT
Nr.1/2011
Aufsuchende Suchthilfe
Begegnung möglich machen
Alkoholkonsum zu strukturieren.
Durch das vertrauensvolle Unterstützungsangebot konnten erfolgreiche Einzelfallhilfen — zum Teil
mit Begleitung und Vermittlung in
weiterführende Hilfen — geleistet
werden. Es wurden zwei Patenschaften durch geschulte ehrenamtliche und selbst betroffene,
abstinente Helfer initiiert. Die Zielgruppe nimmt das stadtteilorientierte Angebot dankbar an.
Eine Befragung der Klienten zeigt
ein aktuelles Stimmungsbild des
niedrigschwelligen Angebotes im
Stadtteil:
Klientenbefragung
Dipl.-Sozialpädagogin Petra Diederich im Gespräch
Geschlecht: weiblich — Alter:
46 Jahre — Bewohnerin des
Stadtteils Wesertor
Haben Sie ein Suchtproblem?
Am 01. April 2010 hat Petra Diederich als Diplom Sozialarbeiterin/pädagogin der Suchtberatung des
Diakonischen Werkes Kassel als
Streetworkerin im Stadtteil Wesertor begonnen. Ziel ist es, mit aufsuchender Straßensozialarbeit in
Kontakt mit Alkoholkonsumenten
im öffentlichen Raum zu kommen
und als Ansprechpartnerin für
deren Belange da zu sein und Einzelfallhilfen zu koordinieren. Je
nach Bedarf finden Gesprächs- und
Beratungsangebote sowie Hausbesuche und Vermittlungen in weiterführende Hilfen statt. Zudem werden wechselnde Freizeitangebote
als Alternativen zum trinkenden
Alltag angeboten.
Die Zielgruppe des Projektes besteht aus chronisch mehrfach geschädigten Menschen, die aufgrund
ihres Verhaltens im öffentlichen
Raum Anstoß und Ablehnung erregen, bei der Bevölkerung Ängste
Seite 14
hervorrufen und für die ordnungspolitische Maßnahmen nicht ausreichend sind. Frau Diederich ist
auch Ansprechpartnerin für Polizei,
Ordnungsbehörden und Gesundheitsamt bei Problemsituationen
mit Alkoholkonsumenten im öffentlichen Raum.
Eine erfolgreiche Kontaktaufnahme zu den betroffenen Personen
im Stadtteil hat stattgefunden.
Zurzeit besteht regelmäßiger Kontakt mit 38 Personen, im Alter von
24 bis 61 Jahre, davon 9 Frauen.
Erfolgsindikatoren für die Kontaktaufnahme sind vorurteils- und
wertfreie Beziehungsangebote. Als
vertrauensbildende
Maßnahmen
bewährten sich freizeitpädagogische Angebote (z.B. Kaffeeeinladung, Kino- und Ausstellungsbesuche, Kanufahrt, 2 Freizeitfahrten
mit Übernachtung, Spielenachmittage). Die Angebote helfen den
Teilnehmenden, den Alltag ohne
Ja, Alkohol und Nikotin.
Wie finden Sie die Anlaufstelle
der Aufsuchenden Suchthilfe
im Wesertor?
Gut.
Was gefällt Ihnen besonders
gut?
Normal unterhalten können. Hier
wird sich um Probleme gekümmert.
Wie oft nutzen
Angebot?
Sie
dieses In letzter Zeit öfter, weil ich es
in Ordnung finde und konkrete
Anliegen habe.
Gibt es etwas, was angebotsmäßig verändert werden sollte? Nichts.
Regelmäßige niedrigschwellige Angebote:
Offene Sprechstunde:
Donnerstag, 10 bis 16 Uhr
Spielenachmittag: Freitag, 14 bis 17 Uhr.
Wechselnde Freizeitaktivitäten (Fahrten mit
Übernachtung, Ausstellungsbesuche, Kino)
Das Projekt freut sich über
Spenden z.B. für Freizeitangebote:
Geschlecht: männlich —
Alter: 42 Jahre — Bewohner
des Stadtteils Wesertor
Verwendungszweck: Spende
Aufsuchende Suchthilfe
Haben Sie ein Suchtproblem?
Spendenkonto:
Ja, Alkohol und Nikotin
Ev. Kreditgenossenschaft e.G.
BLZ 52060410
Wie finden Sie die Anlaufstelle der Aufsuchenden Suchthilfe
im Wesertor?
Konto 1554
Beratung, guter Umgang mit den
Personen. Sehr gute Hilfestellung
bei Problemen.
Was gefällt Ihnen besonders
gut?
Projekthalbzeit
und Zukunft
Beratung, Suchthilfe und unterstützende Hilfe bei Problemen.
Für den Stadtteil Wesertor, ein
sinnvolles Angebot, um sich zu
informieren, wenn jemand ein
Problem hat.
Um eine langfristige Verankerung
dieses Angebotes im Stadtteil zu
erreichen, wird momentan an
einem Konzept für weiterführende
Teilprojekte gearbeitet. Es geht
primär darum, im Stadtteil eine
zielgruppenorientierte
Anlaufstelle zu behalten, um niedrigschwellig Einzelfallhilfe und Gesundheitssorge anzubieten und
um Eskalationen zu vermeiden.
Die Zielgruppe ist aufgrund der
Mehrfachschädigungen nicht für
eine Komm-Struktur ausgerichtet, viele lebenswichtige Belange
werden vernachlässigt. Hier setzt
die aufsuchende Suchthilfe an.
Wie oft nutzen Sie dieses Angebot?
Im Moment öfter, da es immer
sehr vertraulich und sachlich ist.
Gibt es etwas, was angebotsmäßig verändert werden
sollte? Nein.
Kontakt
Petra Diederich
Aufsuchende Suchthilfe
der Suchtberatung des
Diakonischen Werkes Kassel
im Wesertor
Weserstraße 26
34125 Kassel
Tel.: 0561 - 92 09 78 -12
Mobil: 01578 - 83 67 405
[email protected]
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TAT VOR ORT
Nr.1/2011
Allgemeine Sozialberatung am Wesertor
Das Angebot der Allgemeinen Sozialberatung gibt es schon lange in der
Neuen Brüderkirche im Wesertor.
Anfangs fand die Beratung gleich
neben dem Essensraum der Gesegneten Mahlzeit im großen
Sitzungsraum statt. Wer zum Essen
kam, hatte somit jeden Mittwoch
die Gelegenheit, die eine oder andere Frage zu Behördenschreiben,
zu Bewilligungsbescheiden oder zur
Rente zu stellen, sich ein Formular
ausfüllen zu lassen oder nach Hilfe
wegen familiärer Probleme zu fragen. Das Angebot sprach sich herum und Stammbesucherinnen und
-besucher verwiesen auf die Sozialarbeiterin.
Seit einigen Jahren verändert sich
das Angebot in der Neuen Brüderkirche, viele neue Angebote sind
hinzugekommen.
Für die Allgemeine Sozialberatung
bedeutete der Start des Bewerbertreffs den Umzug ins Beratungsbüro der Jugendarbeiterin und
mit Beginn der Projekte „Sprungbrett Wesertor“ und „aufsuchende
Suchtberatung“ wurden alle Beratungsangebote in einer Etage im
Nebengebäude zusammengefasst.
Verändert hat sich der Ort – geblieben sind die vielfältigen Fragen und
Kontakt
Allgemeine Sozialberatung
Hermannstraße 6
34117 Kassel
Tel.: 0561 - 712 88 42
Fax: 0561 - 712 88 88
[email protected]
www.dw-kassel.de
Seite 16
Probleme der Ratsuchenden. Deren
Zugang zur Sozialberatung hat sich
erweitert und wird
jetzt durch die Vermittlung aller Kolleginnen und Kollegen
unterstützt. Ob DiakonieTicket, Bewerbertreff, Gesegnete Mahlzeit,
Café Miteinander, Sprungbrett oder
Suchtberatung – bei Fragen zu Arbeitslosengeld 2, zur Grundsicherungsrente, zur Miete, zu Schulden
oder bei anderen Fragen – in der
Allgemeinen Sozialberatung wird
man angehört und kann sich Rat
und Hilfe holen.
Was der eine Teil der Bevölkerung
unserer Stadt lediglich als sozialpolitische Meldung in der Tageszeitung wahrnimmt, bekommt hier
in den Beratungsstellen und Hilfeangeboten ein Gesicht und einen
Namen durch die betroffenen Menschen. Das erleben alle Akteure am
Wesertor tagtäglich.
Wenn beispielsweise die Kostenübernahme für Wohnungen verändert
wird, dann heißt es für Ratsuchende der allgemeinen Sozialberatung,
dass sie zum Umzug aufgefordert
werden, da die Miete nun über dem
neuen Grenzwert liegt. Innerhalb
eines festgelegten Zeitraums müssen sie eine neue, preiswertere
Wohnung, Umzugshelfer finden,
Anträge auf Unterstützung zur Renovierung stellen, keine Fehler bei
der Beantragung machen, damit
sie am Ende nicht mit Schulden
für Renovierung oder Kaution dastehen. Und für andere, die nach
einer langen Zeit nicht aus ihrem
Stadtteil oder ihrer Straße wegziehen wollen, bedeutet es, dass aus
dem knappen Regelsatz von Arbeitslosengeld 2 oder Grundsicherung nun zusätzliche Kosten für die
Wohnung
übernommen
werden müssen.
Oder wenn durch die Veränderungen in der Gesundheitsversorgung mehr Zuzahlungen von den
Versicherten selbst übernommen
werden müssen. Dann heißt es
für manche Menschen, es bleibt
weniger fürs Sparbuch, für andere bedeutet es den Verzicht auf
Besonderheiten, aber für manche auch den Verzicht auf eine
gute gesundheitliche Versorgung
oder sogar eine Verschuldung. Ob
Praxisgebühr, Zuzahlungen zu Medikamenten, Zahnersatz oder Brille
– bei geringem Einkommen oder
kleiner Rente sind die Probleme
schnell groß.
Welche Rechte und welche Möglichkeiten Menschen mit geringem
Einkommen haben, ob es mögliche
Zuschüsse gibt, wenn ein Antrag
geschrieben oder ein Widerspruch
formuliert werden muss, dann werden zu diesen Fragen Hilfen durch
die allgemeine Sozialberatung angeboten.
Allgemeine Sozialberatung
im Gemeindehaus Neue
Brüderkirche, Weserstraße 26
Sprechzeiten:
Mittwoch von 12-14 Uhr
Das DiakonieTicket – ein Angebot seit 5 Jahren
Im Jahr 2006 vereinbarte die Kirchengemeinde der Neuen Brüderkirche mit den Kasseler Verkehrsbetrieben den Verkauf von
vergünstigten Monatskarten für
Menschen mit geringem Einkommen. Der Verkauf fand an 6 Tagen
im Monat statt und wurde federführend von einem ehrenamtlichen
Mitarbeiter durchgeführt. Nach einiger Zeit wurde deutlich, dass die
Nachfrage von anfangs 300 Karten
sich schnell verdoppelte und der
Verkauf, mit den damit verbundenen Belastungen und Risiken, unter
diesen Rahmenbedingungen nicht
weitergeführt werden konnte.
Das DiakonieTicket im
Diakonischen Werk Kassel
Zu Beginn 2007 übernahm das
Diakonische Werk Kassel den Verkauf der vergünstigten Monatskarten. An monatlich 4 Tagen wurde
in vier unterschiedlichen Ausgabestellen in der Stadt Kassel das DiakonieTicket verkauft. Dies war eine
Entlastung im Vergleich zu einer
einzigen Ausgabestelle zuvor, aber
die Anzahl der Nutzer nahm weiter zu, die Warteschlangen vor allen Ausgabestellen wurden immer
länger und Kunden wie Verkäufer standen mehr und mehr unter
Stress.
Seit Anfang 2009 gilt die heutige
Regelung: um den auf 4 Tage im
Monat begrenzten Verkauf zu entzerren und eine fließende Gültigkeit
der Fahrkarten zu ermöglichen,
wurden
Berechtigungsnachweise
für den Erwerb eines Diakonie
Tickets eingeführt. Nach Vorlage
der entsprechenden Nachweise von
Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung erhalten die Interessenten
seither diese Berechtigung in den
vier früheren Verkaufsstellen. Die
Berechtigungsnachweise sind bis
zu einem halben Jahr gültig und
damit kann man sich dann eine
verbilligte Monatskarte im Kundenzentrum der KVG kaufen.
Noch immer ermöglicht die Mitarbeit ehrenamtlicher Helferinnen
und Helfern dieses Angebot unter
anderem im Gemeindehaus der
Neuen Brüderkirche. Und neben
dem Ausstellen dieser Berechtigungen entwickeln sich in allen
Ausgabestellen
Gespräche
mit
den Besucherinnen und Besuchern
über deren Sorgen und Nöte. Das
Gefühl, damit nicht alleine zu sein,
angehört zu werden, von den Erfahrungen anderer zu hören oder
auch eine Weitervermittlung in die
Allgemeine Sozialberatung helfen
dann nebenbei noch weiter.
Seit dem Spätsommer 2010 gibt
es für Nutzer des DiakonieTickets
auch die Stadt-Kassel-Karte. Dass
diese notwendig und gerne genutzt
ist, machen die seitdem wieder
steigenden Zahlen der Berechtigungsausweise deutlich. Die ausgestellten Berechtigungsnachweise
lagen im Vergleich zum 2. Halbjahr des vorangegangen Jahres
um 18% höher. Im gesamten Jahr
2010 nutzten ca. 2400 Menschen
mit geringem Einkommen ein
DiakonieTicket.
Das DiakonieTicket ist kein
Sozialticket
Bei aller Freude über den Erfolg des
DiakonieTickets bleibt aber doch
der sorgenvolle Blick auf die Kosten, die für Menschen mit geringem
Einkommen entstehen. Bei einem
tatsächlichen Anteil von 21,54 €,
der für die Mobilität im Regelsatz
für ALG II Empfänger eingerechnet ist, sind 50 € für die verbillig-
te Kassel-plus-Karte oder 40 € für
die Stadt-Kassel-Karte noch immer
viel zu teuer. Ein Sozialticket, das
man sich vom Regelsatz Hartz 4
auch leisten kann, Kostübernahme für Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen,
günstigere Fahrkarten für Familien
und Rentnerinnen und Rentner mit
Wohngeld müssen deshalb die Forderung an die politisch Verantwortlichen bleiben.
Wer darf das DiakonieTicket
nutzen?
Alle Empfänger von:
Arbeitslosengeld II (SGB II)
Sozialgeld (SGB II)
Leistungen zur Grundsicherung oder Leistungen aus dem
Asylbewerber-Leistungsgesetz
(AsylbLG)
Wo gibt es den Berechtigungsnachweis?
In der Bahnhofsmission am
Bahnhof Wilhelmshöhe
Öffnungszeiten:
Montag 9- 11 Uhr
Im Haus des Diakonischen
Werkes Kassel
Allgemeine Sozialberatung im
Diakonischen Werk Kassel,
Hermannstraße 6, 34117 Kassel
Öffnungszeiten:
Dienstag 14-16 Uhr
Im Gemeindehaus der Neuen
Brüderkirche
Neue Brüderkirche,
Weserstraße 26, 34125 Kassel
Öffnungszeiten:
Mittwoch 14:00 bis 16:00 Uhr
Im Bürgerbüro am Mattenberg
Kurze Erlen 2, 34132 Kassel
Öffnungszeiten:
Donnnerstag 9-11 Uhr
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TAT VOR ORT
Nr.1/2011
Neue Wege - vom Gemeindehaus
zum Stadtteilzentrum
In vielen Gemeinden werden aufgrund der zurückgehenden Steuereinnahmen kirchliche Gebäude
geschlossen und die damit verbundenen sozialen und familienbezogenen Angebote eingestellt.
Auch in Kassel nimmt die Zahl der
Gemeindemitglieder stetig ab und
wie überall in der Bundesrepublik
werden auch in Kassel die vorhandenen kirchlichen Gebäude nicht
mehr wie früher benötigt.
Mit dem neuen Stadtteilzentrum
am Wesertor wird ein anderer Weg
gegangen. Statt Angebote zu kürzen oder ganz zu streichen, sollen
die Angebote im Stadtteil nicht
nur erhalten, sondern durch eine
breitere Nutzung des Gemeindehauses der Neuen Brüderkirche/
Hoffnungskirchengemeinde sogar
ausgebaut werden.
Ein Gremium unter Beteiligung
von ehrenamtlichen Mitarbeitern,
Vertretern der städtischen Fachämter und anderen am künftigen
Stadtteilzentrum beteiligten Einrichtungen sammelt bereits seit
längerem Vorschläge für künftige
Angebote und erarbeitet Konzepte,
wie diese in einem neuen Stadtteilzentrum umgesetzt werden
können. Selbstverständlich sind
auch Vorschläge der Bewohner
und Bewohnerinnen des Stadtteils
Kontakt
darunter und auch weiterhin willkommen. Die Wünsche reichen von
der Möglichkeit, private Feiern im
Stadtteilzentrum auszurichten bis
zur Durchführung von kulturellen
Veranstaltungen. Die Einnahme
gemeinsamer Mahlzeiten, ein Bewerbertreff für Langzeitarbeitslose, ein offener Mütter-Baby-Treff,
ein interkultureller Erzählkreis und
eine Fahrradwerkstatt sind bisher
geäußerte Anregungen für Angebote im neuen Zentrum. Manches
Bewährte soll bleiben, manches
Neue soll dazu kommen.
Wie Sie in diesem TatvorOrt lesen
können, ist in den letzten Jahren
ein umfangreiches Angebot von sozialen und diakonischen Angeboten
im Gemeindehaus der Hoffnungskirchengemeinde am Wesertor
entstanden, dazu gehören der Mittagstisch der Gesegneten Mahlzeit,
die Hausaufgabenhilfen, die Allgemeine Sozialberatung, der Quartiersservice und vieles mehr. Derzeit nehmen bis zu 400 Menschen
wöchentlich die unterschiedlichen
Angebote wahr.
Diese Angebote sollen nicht eingeschränkt oder eingestellt, sondern
in das neue Stadtteilzentrum integriert und erweitert werden. Darüber hinaus wird sich das neue Zentrum verstärkt auch für Menschen
mit unterschiedlichen religiösen
Hintergründen und Ethnien öffnen.
Tel.: 0561 - 712 88 - 44
Fax: 0561 - 712 88 - 88
Ein breiteres Angebot erfordert
auch mehr Räume. Durch den Umund Ausbau wird es im Stadtteil
endlich lang ersehnte Räume für
öffentliche und private Veranstaltungen und Feiern und darüber
hinaus weitere zusätzliche Räume
für soziale und kulturelle Angebote
geben.
[email protected]
www.dw-kassel.de
Mit
Barbara Koblitz
Abteilung Allgemeine Soziale
Arbeit
Hermannstraße 6
34117 Kassel
Seite 18
dem
Umbau
des
Gemein-
dehauses vom Gemeinde- zum
Stadtteilzentrum geht auch eine
Veränderung in der Leitung des
Hauses einher. Das Stadtteilzentrums wird künftig gemeinsam vom
Diakonischen Werk Kassel und dem
Verein Kulturzentrum Schlachthof e.V. getragen. Zwei Partner,
die sich mit ihren Angeboten und
Erfahrungen ideal ergänzen: Das
Diakonische Werk Kassel mit seinen langjährigen Erfahrung in den
kirchlichen, sozialen und institutionellen Dienstleistungen und das
Kulturzentrum Schlachthof mit
großer Erfahrung in der Ausrichtung großer und in ganz Kassel geschätzten Kulturveranstaltungen
und langjähriger Erfahrung in der
interkulturellen Sozial- und Stadtteilarbeit.
Das Diakonische Werk Kassel und
der Verein Schlachthof bilden mit
ihren unterschiedlichen Erfahrungen und Ansätzen ein vielversprechendes Team für die Schaffung eines interessanten und
angemessenen Angebotes eines
neuen Stadtteilzentrums. Ein Angebot, das auch zu eigenen Ideen
und Projekten anregen soll und
ausreichend Spielraum für deren
praktische Umsetzung lässt. Nur
so wird aus dem geplanten Stadtteilzentrum ein lebendiger, sozialer,
kultureller und nachbarschaftlicher
Mittelpunkt der Gemeinde.
In einer Machbarkeitsstudie kamen
die Experten im Frühjahr 2009 zu
dem Ergebnis, dass das Gemeindehaus der Hoffnungskirchengemeinde ein geeigneter Standort
für ein modernes Stadtteilzentrum
wäre und der Um- und Ausbau zu
einer Öffnung für mehr Stadtteilbewohner und -bewohnerinnen
und zu einer Verbesserung des Angebotes führen werde. Dies werde eine positive Ausstrahlung auf
den gesamten Stadtteil haben und
weitere Impulse für die gesamte
Stadtteilentwicklung geben. Das
Stadtteilzentrum Wesertor hätte
also das Zeug, ein Vorzeigeprojekt für die sinnvolle Umnutzung
von Kirchengebäuden zu werden
und mit neuen Angeboten und der
Öffnung für breite Bevölkerungsschichten die soziale Integration
und die Bildungschancen der Bewohner und Bewohnerinnen des
Stadtteils gezielt zu verbessern.
aus verschiedenen Vertretern und
engagierten Bürgern und Anwohnern mit über das Konzept und die
künftigen Angebote des Stadtteilzentrums beraten und entscheiden.
Nur mit der Beteiligung möglichst
vieler gesellschaftlicher Gruppen
aus dem Stadtteil wird aus einem
wohlgeplanten
Stadtteilzentrum
am Ende tatsächlich auch ein lebendiger Treffpunkt mit möglichst
vielen selbst organisierten Veranstaltungen, Kursen und Projekten.
Gelingen kann dies aber nur mit
der massiven Unterstützung der
ansässigen Vereine und Initiativen.
Um diese möglichst frühzeitig und
aktiv einzubinden soll ein Beirat
Ein Kernstück des Konzeptes
– nicht nur im architektonischen
Sinne – wird das gastronomische
Angebot darstellen. Baulich und inhaltlich soll es als offener Bereich
möglichst viele Bewohnerinnen
und Bewohner einladen und den
Weg zu den Angeboten öffnen. Es
wäre schön, wenn – neben den
institutionellen
Dienstleistungen
und professionellen Angeboten
– Kultur und Kreativität, Toleranz
und Integration, Selbsthilfe und
bürgerliches Engagement zu den
Markenzeichen des neuen Stadtteilzentrums am Wesertor werden.
Geht alles nach Plan, kann im
Herbst mit dem Bau begonnen
werden. Finanziert wird der Umbau zum großen Teil über das Programm „Energetische Modernisierung sozialer Infrastruktur“.
Das sagt die Geschäftsführerin
des Kulturzentrums Schlachthof
e.V. zur gemeinsamen Trägerschaft des Stadtteilzentrums am Wesertor:
Der Umbau und die Entwicklung
der Neuen Brüderkirche vom kirchlichen Gemeindehaus zu einem
Stadtteilzentrum bedeutet eine
große institutionelle Veränderung
des Bisherigen – nicht nur baulich.
Mit dem Kulturzentrum Schlachthof
steigt eine Kultur- und Bildungseinrichtung in die gemeinsame Trägerschaft mit dem Diakonischen Werk
Kassel für das neue Stadtteilzentrums ein, die aus der Tradition der
sozio-kulturellen Bewegung kommend, andere Haltungen, Perspektiven und Arbeitsweisen einbringt
und andere gesellschaftliche und
lokale Prozesse sieht. Die gleichberechtigte Teilhabe und Mitgestaltung gesellschaftlichen und lokalen
Lebens durch Zugewanderte steht
dabei im Mittelpunkt dieser Arbeit.
Diesen Beitrag als notwendige
und grundlegende Voraussetzung
für eine interkulturelle Öffnung
und damit für eine Zusammenarbeit aller Bevölkerungsgruppen im
Stadtteil bringt das Kulturzentrum
Schlachthof ein.
Wir freuen uns darauf, gemeinsam
mit dem Diakonischen Werk Kassel, langjährige Erfahrungen und
Kompetenzen zu bündeln und gemeinsam mit allen Akteuren neue
Wege im Wesertor zu gehen.
Bild: wikipedia.de, M. Weitzel
Kontakt
Christine Knüppel, Ayse Gülec
Kulturzentrum Schlachthof
Mombachstraße 12
34127 Kassel
Tel.: 0561 - 9 83 50
Fax: 0561 - 4 83 50
[email protected]
Christine Knüppel
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TAT VOR ORT
Nr.1/2011
Als Gemeinde aktiv im Brennpunkt
Vor 15 Jahren hat unsere Geschichte mit der Diakonie hier am Wesertor begonnen: Da haben wir in der
Neuen Brüderkirche zeitgleich mit
der Hermannstraße die „Gesegnete
Mahlzeit“ begründet. Unter improvisierten Verhältnissen ist das Projekt gestartet und erst allmählich
zu dem geworden, was es heute ist:
das Herzstück einer ganzen Palette
diakonischer Angebote in unserem
Gemeindezentrum. Mit täglich 40
und mehr Gästen platzt der kleine Raum im Gemeindehaus längst
schon aus allen Nähten. Nicht nur
den beiden MitarbeiterInnen – beschäftigt im Rahmen sog. „1-EuroJobs“ – sondern auch den Gästen
selbst macht die drangvolle Enge,
der Lärmpegel und die Ballung so
vieler mit vielen Problemen beladener Menschen oft arg zu schaf-
Kontakt
Pfarrer Markus Himmelmann
Evangelische Hoffnungskirchengemeinde
Magazinstr. 26
34125 Kassel
Tel.: 0561 / 87 45 52
[email protected]
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fen. Und dennoch ist dies ein wichtiger Treffpunkt im Stadtteil, ein
Ort für den informellen Austausch
und den Aufbau sozialer Kontakte.
Und beiläufig ist daraus die Keimzelle vieler weiterer Angebote geworden, die heute bei uns vorgehalten werden. Sie reichen von der
Sozialberatung über die Kleiderecke, das „Frühstück Miteinander“,
das „Café Miteinander“, die Reihe
„Kultur vor Ort“, das Arbeitsprojekt
„Sprungbrett Wesertor“ und die
Suchthilfe bis hin zum DiakonieTicket, der Hausaufgabenhilfe und
dem Bewerbertreff.
Auch im Bewerbertreff sind seit
seinem Start im Dezember 2009 (in
Kooperation mit der AfK, dem heutigen Jobcenter) zwei Arbeitsplätze
für Langzeitarbeitslose geschaffen
worden, die an zwei PC-Arbeitsplätzen täglich von 10 bis 15 Uhr
bis zu 12 Klienten bei der Arbeitsplatzsuche und beim Schreiben
von Bewerbungen behilflich sind.
Fünf Ehrenamtliche sind es, die in
der seit 2007 bestehenden Hausaufgabenhilfe Schüler der Unterneustädter
Schule/Ysenburgstraße beim Lernen unterstützen.
Dieses Angebot ist so beliebt,
dass es bereits an drei Nachmittagen stattfindet! Nach dem Lernen
ist immer noch Zeit zum Spielen.
Auch Ausflüge und Kinderfreizeiten
gehören zum Angebot. Am liebsten
kämen die Kinder jeden Nachmittag zu uns. Doch leider reicht dafür
die Zeit der MitarbeiterInnen nicht
aus.
Bewerbertreff und Hausaufgabenhilfe sind ebenso wie Sozialberatung, DiakonieTicket und die Kleiderecke Meilensteine auf dem Weg
zu einem offenen Haus für den
ganzen Stadtteil, wie es auch das
neu entstehende Stadtteilzentrum
einmal werden soll. Sie stellen unter Beweis, dass natürlich auch
Menschen anderer Herkunft und
Religion ein evangelisches Gemeindehaus aufsuchen, wenn dort nur
entsprechende Angebote vorzufinden sind.
Pfarrer Markus Himmelmann
Vom Gemeindehaus zum Stadtteilzentrum
Aus Sicht der Kirchengemeinde
Gute 40 Jahre steht das Gemeindehaus der Neuen Brüderkirche am
Wesertor und wird jetzt nach dem
Willen des Kirchenvorstandes zu
einem Stadtteilzentrum umgewandelt werden. Natürlich gibt es dazu
verschiedene Ansichten:
Das Stadtkirchenamt freut sich,
ja hält das für logisch, weil es
dann, wenn zwei Gemeinden
wie die Neue Brüderkirche und
die
Erlöserkirche /Fasanenhof
fusionieren, nur noch ein Ge meindehaus geben soll.
Der Stadtteil Wesertor freut sich,
weil eines der Hauptziele im
Rahmen des Förderprogramms
„Soziale Stadt“ eben ein solches
Stadtteilzentrum ist, das damit
realisiert werden kann.
Auch der Kirchenvorstand freut
sich, weil er seit über 15 Jahren
mit
einer
konsequenten
Schwerpunktsetzung auf sozialdiakonischen Angeboten längst
begonnen hat, sein Haus zum
Stadtteil zu öffnen. Mutig geht
er nun den nächsten Schritt und
übergibt dieses Haus für 25
Jahre an alle BewohnerInnen
des Stadtteils.
Aber nicht nur Freude herrscht, das
ist klar! Auch Abschiedsschmerz
und Zweifel, ob das tatsächlich der
richtige Schritt ist. Zwar wird auf
diese Weise aus dem recht abgewirtschafteten Gemeindehaus ein
modernisiertes, energetisch saniertes Gebäude werden. Aber wird
sich der Traumzustand, den wir seit
etwa einem Jahr erreicht haben,
aufrechterhalten lassen: die perfekt abgestimmte Palette von diakonischen Angeboten unter einem
Dach, passgenau zugeschnitten auf
die großen Probleme im Stadtteil
wie Armut, Arbeitslosigkeit, Sucht,
Bildungsdefizite, soziale Vereinsamung? Werden sich die Menschen
in einem für eine Million Euro
toprenovierten Stadtteilzentrum zu
Hause fühlen? Werden sie es als ihr
Haus annehmen?
Außer Frage steht, dass dann auch
neue Angebote hinzukommen werden und einiges von dem, was heute hier geschieht, dort keinen Platz
haben wird. Klar ist allerdings auch,
dass wir als Kirchengemeinde dann
nicht mehr darüber verfügen werden. Umso deutlicher erkennen wir
daher jetzt, was es heißen könnte,
in direkter Nachbarschaft zu einem
Stadtteilzentrum über eine Kirche
zu verfügen!
Die Neue Brüderkirche rückt damit auf einmal ins Zentrum unserer Überlegungen. Unser Plan
ist es, sie zu einer Diakonie- und
Vesperkirche umzugestalten. Vorübergehend soll schon während der
Bauarbeiten am Gemeindehaus die
„Gesegnete Mahlzeit“ in der Kirche ausgegeben werden. Die so
beliebte Kleiderecke soll dauerhaft
ihren Platz in der Kirche erhalten.
Für dies und manches andere mehr
müssen jetzt allerdings erst die
Voraussetzungen geschaffen werden. Dafür sind wir auf Unterstützung angewiesen und bitten auch
um Spenden; denn sträflich erschiene es uns, würden wir unsere
Kirche als unmittelbare Nachbarin
eines modernen Stadtteilzentrums
jetzt nicht mit aller Energie zu
einem offenen, attraktiven und belebten Ort entwickeln, an dem unser christlicher Glaube anschaulich
und verständlich wird!
Pfarrer Markus Himmelmann
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TAT VOR ORT
Nr.1/2011
Meldungen aus dem Diakonischen Werk Kassel
Neuer Flyer für Real Life
Kassel, 19.1.11. Der neu erstellte
Informationsflyer für das Projekt
„Real Life“ wurde von der BrunsStiftung-Jugend finanziert. Der
Flyer richtet sich insbesondere an
Angehörige und Bezugspersonen.
Im Rahmen eines Pressegesprächs
gab Philipp Theis einen Überblick
über die Arbeit des Projekts mit
exzessiven Computernutzern und
deren Angehörigen.
Musik als Anker für das Leben
Kassel, 2.11.10. Durch eine Spende in Höhe von 2000,- € von
Sigrid und Dr. Walter Giesler konnten
für das Projekt „Hafen 17“
Gitarren angeschafft und ein qualifizierter Unterricht finanziert werden. „Ein Kind, das ein Instrument
spielen gelernt hat, hat immer im
Leben einen Anker“, ist sich Dr.
Walter Giesler sicher. Derzeit nehmen regelmäßig acht Mädchen an
dem Gitarrenunterricht teil.
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Neues Kooperationsprojekt in
Kassel-Waldau
Großzügige Spende
Stadtteilwerkstatt
Hofgeismar, 23.11.10. Anlässlich
der Herbsttagung 2010 der Landessynode wurden fünf weitere
Projekte der Aktion „Diakonische
Gemeinde – Armut bekämpfen und
gesellschaftliche Teilhabe fördern“
gestartet. Mit dabei war auch der
Familiengarten – ein Kooperationsprojekt der Ev. Kirchengemeinde Kassel-Waldau und des Diakonischen Werks Kassel. In Waldau
entsteht ein Gemeinschaftsgarten
für Familien mit Möglichkeiten der
Eigenversorgung durch den eigenen Anbau von Nahrungsmitteln,
der Vermittlung von hauswirtschaftlichen und handwerklichen
Fertigkeiten. Insbesondere auch
der Aufbau von sozialen Beziehungen soll gefördert werden.
Kassel, 10.2.11. Die Stadtteilwerkstatt Wesertor des Diakonischen Werkes Kassel bedankt
sich herzlich bei der Sparkassenstiftung-Soziales und Sport
für eine großzügige Spende über
5000,00 Euro! Für notwendige
Anschaffungen im Projekt- und
Werkzeugbereich ist die Stadtteilwerkstatt auf Spenden angewiesen und freut sich über die Unterstützung der Sparkassenstiftung.
Ein ungewöhnlicher Gottesdienstort mit Tradition
Kassel, 7.12.10. „Ein ungewöhnlicher Gottesdienstort, der aber
schon Tradition hat!“ Mit diesen
Worten begrüßte Pfarrer Peter
Bulowski die Besucher des Gottesdienstes auf dem ICE-Bahnhof
Kassel Bad Wilhelmshöhe. Reisende auf dem Weg zu ihren Zügen hielten immer wieder inne und
lauschten der Predigt von Pfarrer
Bulowski und Prädikantin Ingeborg Bechstädt, die gemeinsam
den ökumenischen Gottesdienst
gestalteten. Musikalisch wurde der
Gottesdienst vom Posaunenchor
der Gemeinde Fasanenhof begleitet. „Das ist ja eine tolle Begrüßung!“ freut sich einer der Besucher. „Schon von weitem hört man
die Posaunen, die uns zu diesem
Gottesdienst einladen!“
für
die
„Hafen 17“: „Es geht
weiter…!“
Kassel, 14. 2. 2011. Ein „Dankeschönfest“ feierten die Kinder, die
Mitarbeitenden
und
zahlreiche
Freunde des „Hafen 17 – Treff für
Kinder“ im Senioren- und Nachbarschaftszentrum in der Kasseler
Unterneustadt. Im Februar 2011
endete die dreijährige Förderung durch die Aktion Mensch. Im
„Hafen 17“ bekommen Kinder
täglich ein warmes Mittagessen.
Musik-, Sport- und Werkgruppen
u.a. runden das Angebot ab. Etwa
30 Kinder kommen regelmäßig in
den „Hafen 17“.
„Hier verdichtet sich das Leben.“
Mit diesem Satz beschrieb Pfarrerin Anja Baum ihren Eindruck. Alle
Redner an diesem Abend, darunter
Anne Janz, Dezernentin der Stadt
Kassel, waren sich über die hohe
Bedeutung und den großen Erfolg
des „Hafen 17“ einig. Ziel ist es nun,
das Angebot für die Kinder langfristig zu erhalten. Dies wird aber nur
auf Spendenbasis möglich sein.
Personalveränderungen
A.
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Abteilung I
Rita Walz, arbeitet seit 1.02.2011
als Raumpflegerin bei „Karla 3“
Simone Ziegenbein arbeitet seit
01.09.2010 als Anleiterin im Projekt „Sprungbrett Stadtteilwerkstatt Wesertor“
Abteilung II
Petra Glahn arbeitet seit
01.10.2010 als Dipl.SozArb./-päd
und Maike Kujawski seit dem
01.10.2010 als Erzieherin in der
Sozialen Gruppenarbeit
Sascha Saur, bisher Berufspraktikant, arbeitet nach Abschluss des
Studiums zum Dipl.SozArb./-päd.
in der Sozialen Gruppenarbeit
Katharina Lenz arbeitet seit
01.09.2010 als pädagogische
Mitarbeiterin in den ambulanten
Erziehungshilfen
Abteilung III
Ulrich Druve arbeitet seit
01.09.2010 als Hausmeister
des Bürgertreff im Laden³
Geschäftsführung
Anita Goßmann arbeitet seit
01.03.2011 als Verwaltungsangestellte in der Geschäftsführung 25-jähriges Dienstjubiläum
konnten begehen:
Anne Grebe, Arbeitsprojekt
Sprungbrett, am 01. März 2011
Sabine Soldner, Soziale
Gruppenarbeit, zum 30.09.2010
Claudia Alsenz, SPFH, zum
31.10.2010
Dagmar Böth, hauptamtliche
Mitarbeiterin der Bahnhofsmission,
zum 31.12.2010
Onur Riahsan Can, hauswirtschaftliche Mitarbeiterin im
„Hafen 17“, zum 31.01.2011
Martina Schaumburg,
Psychologin der Abteilung II, zum
31.01.2011. Ulrike Franz, SPFH,
zum 15.02.2011
und Klaus Ilchmann, Arbeitsprojekt Sprungbrett, am 01. April
2011. Wir gratulieren herzlich!
Stephanie Gutwald, Verwaltungsangestellte in der Geschäftsführung, zum 28.02.2011
Ausgeschieden sind:
Andrea Harbusch, Sachgebietsleiterin der Ambulanten Erziehungshilfen, zum 31.03.2011
Hilda Schuster, Betreutes
Wohnen, zum 30.09.2010 in die
Freistellungsphase der Altersteilzeit gegangen
Martina Flaspöhler, SPFH, zum
31.03.2011
Seite 23
Second Hand Moden — Büchercafé
Sprungbrett
Steinweg 5
34117 Kassel
• Wäscheservice
• Renovierungsarbeiten
für soziale Einrichtungen
und bedürftige Menschen
Geöffnet:
Montag bis Freitag
von 10:00 bis 18:00 Uhr
Das Diakonische Werk Kassel unterstützt den Gründungsaufruf der Initiative Bündnis für eine Soziale
Stadt, in dem es unter anderem heißt:
Die für das Jahr 2011 von der Regierungskoalition
beschlossene
radikale Kürzung des Programms
„Soziale Stadt“ beseitigt dessen
bedeutungsvollen
strategischen
Ansatz. Kernanliegen und Erfolgsgarantie des Programms, nämlich
die Verknüpfung baulich-investiver
und sozialer Maßnahmen, werden
im Jahr 2011 nur eingeschränkt
zugelassen. Das bedeutet faktisch
das Aus für das „Soziale“ im Programm „Soziale Stadt“. …
Wir fordern alle, die sich für sozialen Frieden und solidarischen
Zusammenhalt in den Wohn- und
Stadtquartieren Deutschlands engagieren, zur Fortsetzung der erfolgreichen integrierten Stadtentwicklungspolitik auf der Grundlage
der Städtebauförderung auf: Treten Sie unserem Bündnis bei und
unterstützen Sie in den nächsten
Monaten die Forderung, das Programm „Soziale Stadt“ im Jahr
2012 wieder auf dem Niveau des
Jahres 2010 zu fördern. Denn das
Programm leistet einen wichtigen
Beitrag, um die soziale Stabilität in
unseren Städten zu sichern!
weitere Informationen:
www.buendnis-soziale-stadt.de
Ab Herbst 2011 wird das Gemeindehaus der Hoffnungskirchengemeinde am Wesertor zum Stadtteilzentrum umgebaut. Damit Angebote wie die Gesegnete
Mahlzeit oder der Bewerbertreff nicht vorübergehend
eingestellt werden müssen, braucht es Übergangslösungen. Es müssen zum Beispiel andere Räume für
eine Zwischennutzung angemietet werden. Für die-
Gemeindehaus wird
Stadtteilzentrum
se Übergangslösungen sind wir auf Spenden angewiesen. Deshalb bitten wir um Ihre Unterstützung. Spendenkontonummer 1554
BLZ 520 604 10
bei der Ev. Kreditgenossenschaft e.G.

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