Ce document fait partie des collections

Transcrição

Ce document fait partie des collections
CURTIUS, Ludwig
« Poenitentia »
Festschrift für James Loeb, [sans date], p. 53-62.
Ce document fait partie des collections numériques des Archives Paul Perdrizet, le projet
de recherche et de valorisation des archives scientifiques de ce savant conservées
à l’Université de Lorraine. Il est diffusé sous la licence libre « Licence Ouverte / Open Licence ».
http://perdrizet.hiscant.univ-lorraine.fr
, t11
r(M
��ev,
J
;;;.7:-,M)
----.
é
j?Jvtw,
rs� r
Sonderdruck aus der
Festschrift für James Loeb
F. Bruckmann A.- G. München
Printed in Germany
1.
Aus Sandrart
LUDWIG CURTIUS
,PO EN ITENTIA"
So hat Joachim von Sandrart die reizende Statue getauft, die er zum erstenmal verôffentlichte1
(Tafel III und Abb. 1 und
3 a b).
1 und
1
anzudeuten dass man
Figur aber 1 welche ich
,Bey den Oriechen 1 wurde H a r p o c r a t e s für den Oott des Stillschweigens gehalten
ihme deswegen der Finger auf den Lippen ligend
1
angedichtet: damit
der Verschwiegenheit sich ausserst befleissen solle. Von gegenwartiger
hier mit sonderbarem Fleis
stellen wollen
1
1
ist vermutlich
zu bessei:er Erkanntnis 1 in ihrer hinter- und vôrder Gestalt vor­
1 daB es die
Reue oder P o e n i t e n t i a seyn môge: weil gemeinig­
lich die Jugend mit ihrer Zunge etwas ungehalten
1
und zuviel zu schwatzen pfleget 1 woraus
nachmals manchem gros Unglück zu handen stôsset
spat erfolget.
betrübt aus
·
postement
1
1
1
und so dann die Reue
Diese Figur nun 1 ist ais ein Sclave an eisene Bande gefasselt
1
1
aber allzu­
siehet ganz
und bedecket vor Schame das Angesicht 1 ruhet mit dem einen Arm auf einem
worauf oben zwey Ohren 1 unten das Oebeine eines Ochsenkopfes
tem Rachen ohne Zung zu sehen ist: dadurch anzuzeigen
1
1
mit aufgesperr­
daB wir mit zweyen Ohren viel
hôren 1 und mit einem Mund ohne Zunge 1 gleichsam sprachlos 1 gern schweigen sollen.
Diese Statua ist in LebensgrôBe 1 von einer âlten sehr guten Hand 1 aus Marmorstein gebildet."
54
Lu d w i g
C u r t i u s
Weder Sandrartl noch Spon1 nennen den Palast, in dem sie die Figur studiert haben. Spon
- kennt sie aus Rom. Also stand sie wahrscheinlich in der Villa Medici und kam spater mit anderen
mediceischen Antiken nach Florenz.
Hier war sie früher in der Oalleria degli arazzi, wo sie
noch Arndt aufführF. jetzt befindet sie sich im Cortile
della Fama des Palazzo PittP.
Betrachten wir sie naher4 (Taf. IIJ5). Ein Knablein, halb
noch Putto, halb schon jüngelchen steht da, lassig mit
weit ausbauchender Hüfte, stützt den rechten Arm auf
einen Pfeiler und wischt sich mit der Hand eine Trane
aus dem Auge. Die Linke wird das gleiche tun. Zwar ist
sie mit ihrem Mantelzipfel erganzt. Aber das antike Motiv
kann kein anderes gewesen sein.
Das Mantelchen liegt
mit dem einen Ende auf dem Pfeiler auf und gewahrt
dem betrübten Sünder eine weiche Unterlage für seinen
Arm.
Dann geht es im Rücken zum linken Unterarm
der Figur, windet sich um diesen und führt zur linken
Hand.
Indes, die Heulerei ist nicht ganz ernst Wahrend das
rechte Auge verdeckt
die Welt.
ist,
zwinkert das linke
listig in
Und so grol3 auch der Schmerz ist, er er­
laubt doch die sch6ne Pose, in der praxitelische Um­
wandlung polykletischer Motive weiterwirkt So sch6n hin­
stehen, um zu weinen, das ist wenig kindlich. Und so
sind wir, wenn auch h6chstens fünf Jahre ait, doch schon
ein kleiner Mann, kokettieren mit der Welt- und haben
etwas verbrochen. Denn die Oefangenenkette, die in sechs
2.. Rom, Gall. Borghese
Oliedern von dem Oürtel um den Bauch zum Ring um
den linken Knochel führt, bedeutet Strafe.
So klein und
schon so bOse, so zart und von so weich schwellendem Fleisch und in harter Kette, ein Oefangener
und doch ein kleiner Kavalier, in bitterem Leid und doch voll Schalkhaftigkeit, wer mag das sein?
1 Teutsche Academie 1679 Il Taf. X.Text 2. Teil S. 10.
Der gleiche Stich: 1. P. Sandrart delineauit,R.Collin
sculpsit Antverpiae1676 ist wiederholt in sculpturae
unterhalb des Knies.
sieheThieme-Becker,Künstlerlexikon 7, 230. Die aus­
antik. Am Korper ist ein groBer Teil des Bauches,
kleinen ungeschickten Stich in Spons Miscellanea
ergiinzt. Modern das Glied, die Hoden antik. An
veteris admiranda zu S. 47. über den Stecher Collin
gezeichnete ZeichnungSandrarts stehtweit überdem
1684, S. 312,2, der im Text der Einzelaufnahmen zu
Nr. 2733 ais iilteste Ausgabe der figur zitiert ist.
Text
i:u Arndt- Amelung, Einzelaufnahmen
Nr. 2733.
a
4
telchens. Von der figur ist neu der rechte Unter­
schenkel von der Mitte des rechten fuBes ab bis
zu
Knochelgegend
Der linke fuB ist in der
mehrfach gebrochen, aber ganz
vom linken Oberschenkel ab bis zur linken Brust,
der rechten Hand sind nur die zwei iiuBeren finger
modern. Dagegen ist die ganze linke Hand mit dem
von ihr gehaltenen Mantelzipfel neu. Modern ist
auch die halbe Nase und der Hinterkopf mit dem
Die iilteren dort aufgestellten Antiken bei Dütschke,
hintersten Teil der Lederhaube und dem aus ihr
Hohe der ganzen in eine moderne Basis eingelasse­
genau in ihrem heutigen Zustand zeichnet, sind
antike Bildwerke in Oberitalien Il S. 20 tf.
nen figur 0,72 m.
Antik ist der ganze Pfeiler mit
Ausnahme des Kapitells über der fruchtgirlande
und eines kleinen Teiles des auf ihm liegenden Miin-
hervorquellenden Schopf. Da Sandrart die Statue
die Ergiinzungen aus der Zeit vor 1676.
5 Nach einer Aufnahme, die Arndt schon vor Jahren
für die Denkmiiler hat herstellen lassen.
56
Lu d w i g
C u r t i u s
Seit zuerst Hink in einem guten Aufsatz6 unsere Figur und ihre Wiederholungen7 behandelt
hat, scheint der kleine Verbrecher identifiziert. Es ist Eros, der Qualgeist, der Psyche gemartert
hat, der uns alle mit Schmerzen heimsucht, ja der auch seine Mutter Aphrodite selbst nicht
verschonte. Nun hat sich das Blatt gedreht. Nun ist er, der uns in Fesseln schlug, gefesselt, nun
frondet er, an Stelle unserer Fron, nun weint er unsere Tranen.
Kai xÀaîc·xai cfrÉva�E ouocpiyywv XEpoîv
TÉVOVLac;, W 'n{�OUÀE . TOÎa TO� 11pÉ11E�.
OÙX Eo&' o ÀUGCDV . /-!rl 'Àcdv' ÜnopÀE11E.
aÙToc; yàp ctÀÀCDV ÉX IJÈY OIJIJ<lTCDV baxpu
i::&Ànpac;, Év bÈ mxpà xapb{g �ÉÀT)
nr\E;ac;, àcpuxTwv iov E0TaE;ac; n6&wv,
"Epwc;. Tà &vl)TCÔV b' É0TÎ 001 yÉÀwc; ctXT1·
11É1lov&ac; or EpcE;ac;. Éo&Àov ll bÎXT).
Dieses Oedicht des Krinagoras8 kônnte auf unsere Figur gedichtet sein, enthielte es nicht den
Zug, daB Eros an seinen Fesseln zerrt und sie dadurch nur fester schnürt. Dies Motiv kennen
wir von anderen Figuren, durch die W. R. Paton mit Recht verwandte Oedichte der Anthologie
illustriert hat9• Aber die Stimmung von Oedicht und Statue ist gleich.
Und doch haben die gelehrten Herausgeber der Wiederholung unserer Figur in der Villa
Borghese ( Abb.
2)
die Deutung auf Eros für unwahrscheinlich erklart. Weder die Florentiner
figur noch eine der bisher bekannten Wiederholungen hat Flügel. Und weiter bleibt noch ein
anderes einstweilen ungelôstes Ratsel. Was bedeutet der Pfeiler, auf den sich der Liebesgott
stützt? Unten liegt ein Stierschadel mit Tanien, oben unter dem Mantelchen hangt, nur an der
AuBenseite sichtbar, eine flüchtig gearbeitete Fruchtgirlande, von der Apfel und Quitte erkenn­
i.t
bar sind. Das alles stellt gewiB ein Heiligt m vor. Aber was will das Paar Ohren besagen, die
offenbar als Votiv am Pfeiler angebracht
sind, zierliche Ohren, die ihren Sinn haben
müssen? Ist es so, wie Arndt-Lippold an-
nehmen2? ,Der Knabe erhofft Befreiung
durch die Oottheit." Oder weist uns das
das Schicksal des kleinen Oefangenen besser
Ohrenpaar in andere Richtung und hilft
verstehen? Es gibt zwei Wege, um diese
frage zu beantworten. Beide führen zum
Seitdem PerdrizeP0 und Weinreich 11
hôrende Oottheit (Abb.
12)
von den Weih-
Ziel.
4
·
Brit. Museum
Ohren als Votivgaben an die hôrende, ergeschenken
für
erbetene
oder erlangte
Heilung geschieden haben, ist auch unser Ohrenpaar, an das schon Perdrizet erinnert hat, richtig
eingereiht. Aber damit ist die Oottheit, der der Pfeiler geweiht ist, noch nicht gefunden. ,Ist
es ein Altar der Aphrodite, an dem Eros Onade erbittet?" fragen Arndt und Lippold.
Von den zahlreichen Oémmen und Kameen12, auf denen eine rechte Hand ein Ohr am Lappu
1
Ann. d. Inst. 1876, 85.
Arndt-Amelung, Einzelaufnahmen 2733. Zu diesen
Wiederholungen ist jetzt aus den funden im Meer
bei Bajae eine neue hinzugekommen, im Magazin
des Museums von Neapel. Ich verdanke O. E. Rizzo
die Kenntnis dieses Stücks, habe es selber nicht ge­
sehen.
Wichtig aber ist die Tatsache, daB diese
Replik aus Bajae flügel hat.
8 Anthol. Plan 4, 199. Rubensohn�O, Geffcken, Pauly­
Wissowa, Realenc. 11, 2, 1862.
9
Loeb library, W. R. Paton,
logy V, 272 f.
The Greek Antho­
10 Perdrizet, Terres cuites de la collection Fouquet 1,
94; Bronzes fouquet 51.
11 Athen. Mitt. 37 1912, 1 ff., 53. Hiller v. Gaertringen
·und Genossen, Archi v Religionswiss. 22, 1923/4,121.
Der Gedanke ist gewiB zuerst agyptisch. Darüber
zuletzt Brougère, Ann. du service 25, 1925, 82 ff.
12 Furtwangler,Beschreibung der geschnittenen Steine
Nr. 3391-3393, 8087-8089. Zu ihnen Scherling,
Ill
Mannar-Statuette des Eros
'Florenz
57
Po e n i t e n t i a
chen halt oder besser an ihm zupft, tragt eine13 die Inschrift: CONST ANTI A E IN UT R A­
QUE MEJ0.0R. Der Sinn ist klar. ,Denk an mich", lauten die haufigen Inschriften:
1-tY'lflOVEUE oder ).!Y'lflOVEUÉ IJOU TlÎc; cptÀ{ac; OTCOÛTCOTE (d) oder IJY'l!-LOVEUÉ IJOU TJÎÇ XaÀJÎÇ lJ>UXJÎÇ
oder Memento. Man zupft im Bilde den Geliebten am Ohr, so wie beim Eid in Rechtsgebrauchen
jemand am Ohr gezupft wird, um seine Er­
innerung zu schârfen14.
1
Daher ist Perdrizet,
der ausgezeichnete Kenner dieser Vorstellungen,
./
vielleicht cloch nicht im Recht, wenn er15 alle
diese Bilder auf die Gottheit bezieht. Die Gott­
heit zupft man nicht am Ohr. In die Ohren des
ehernen Stierbildes flüstert
der
babylonische
Kalu das OzeanworF6, und Psithyroi sind die
Gëitter, denen man sein Anliegen ins Ohr sagen
kann, Hermes, Eros, Aphrodite und der Heros
in Athen und Lindos17. Nur mit einem Toten
geht man weniger zart um. Um einen Dieb zu
fassen, malt man in Agypten ein Ohr an die
Wand eines
Grabmals und klopft mit dem
Zauberhammer unter Hersagen der Zauber­
formel solange darauf, bis das Auge des Diebes
brennt und er sich selber stellF8. Die Constan­
tia der Inschrift ist also gewiB nicht die Tugend
der Standhaftigkeit, sondern Frauenname eben­
so, wie es sonst KaÀtl lJ>uxt\ heiBt. Der Ring­
trager, der Gatte oder der Liebhaber wird am
Ohr gezupit, ihrer zu gedenken, nicht die Gott­
heit. ,Est in aure ima memoriae locus, quem
tangentes antestamur" Plinius Hist. nat.
Aber
die
Gottheit
steckt
cloch
1 1, 103.
irgendwo.
,Utraque" haben die Herausgeber jener im
Hôtel Drouot versteigerten Kamee durch (for­
tuna) erganzt, und Perdrizet vermutet hinter
dem Trager des Steins einen Kutscher imWagen­
5. Zeichnung von Hier. Bosch
rennen der Zirkusspiele, der im Glück wie im
Unglück, utraque fortuna, kaltes Blut bewahren müsse. Aber wer ist die eigentliche Schutz­
gottheit der Arena in spatantiker Zeit, Fortuna oder eine ihr ahnliche Gottheit? Darauf gibt ein
Hermes 53, 1918, 89.- Antiqu. du bosph. Taf. 15,
13 Colinet und Monceaux, Bull. société Antiqu. de
Cat. Coll. Wyndham Cook Taf. 18, 361; 19,360.­
14
19.- Mélanges d' Archéol. 3, 1883, Taf. 1, 6 f.­
Musée Fol., Taf. 43, 12.
-
S. Reinach, Pierres
gravées Taf. 53, 222 (Gori). - Walters, Catal.
Gems and Cameos in Brit. Mus. Nr. 3693 (Abb. 4)
und 3694. Henkel, Romische fingerringe Nr.10,246,
1974,2124.- Eichler, Wiener Kameen Taf. 17, 99.
Und zahlreiche andere.
Fes tsehri ft Loeb
France 1923, 286.
15
1"
17
18
Otto, Das deutsche Handwerk 126.
Bull. société Antiqu. de france 1924, 245 f.
Frank, Stud. zur baby lon. Rel. :;6.
Weinreich a. a. O. 56.
Papyrus Anastasy des Brit. Mus., Kuhnert, Rhein.
Mus. 49, 1894, 38 f.
8
58
Lu d w i g C u r t i u s
Votivrelief die Antwort, das an der Statte von Teurnia gefunden isfl9: Drei bestiarii sind in An­
griff und Abwehr mit einem Baren beschaftigt. Rechts neben ihnen steht ein Altar mit der Auf­
schrift: ,Nem
1 esi
Aug (ustae)" und neben diesem, wie eine griechische Artemis gebildet, mit
Kocher und Bogen Nemesis selber. Sie ist ja die eigentliche Schirmherrin der Agone20 und er­
scheint ais dea Diana Nemesis Augusta auch in der Inschrift der Nemesiskapelle des Amphi­
theaters von Aquincum21• Zu den zahlreichen bisher bekannten Titeln ihres Ruhmes22 ist kürz­
lich das Heiligtum der
Nun gibt es aber zwei
à.vix1yroc; NÉflECH� im Theater von Philippi hinzugekommen23.
NE)..IÉOEtc;. In Smyrna hatten sie ihr Heiligtum und verbreiteten
sich von
da aus 24• Wenn beide aber, wie Usener25 betont hat, nach wie vor ais eine galten, so kann der
Sinn der Doppelbildung doch nur der gewesen sein, die beiden Seiten der Oottin darzustellen.
Sie teilt Outes und Bases aus, ist Helferin und Racherin. Deshalb steckt hinter dem ,in utraque
(nemesi)" der Oemmeninschrift wahrscheinlich die doppelseitige Nemesis, die Zirkusgottin, die
auch wie Fortuna- Nike gebildet wurde 26• Und damit haben wir sie zum erstenmal in der Ver­
bindung mit einem Ohr, auch wenn dieses nicht das ihre ist.
Aber sie selber ist ja auch l)Ji&upa. Denn schon Weinreich -7 hat Nemesis ,exaudientissima",
,die Alles sieht, Alles bort, Alles bescheert" unter den
3>col Ém)xoot
nachgewiesen28. Ihr Ort
sitzt hinter dem rechten Ohr. , Est post aurem aeque dexteram Nemeseos
(locus), quae dea Latinum nomen ne in Capitolio quidem invenit, quo
referimus tactum ore proximum a minimo digitum veniam sermonis a diis ibi
recondentes." Plinius, Hist. nat. 11, 10329• Ohren und Augen hat der Wald
auf einer Zeichnung des Mystikers Hieronymus Bosch30 ( Abb. 5), und auch
6. Stein
des Aulos
der christliche Olaube kann, um die Allgegenwart Oottes auszudrücken,
7.
Brit.Museum
keine anderen Symbole finden ais die antiken: Augen und Ohren31• Die Ohren an
unserem Pfeiler konnen also gewiB der Nemesis gehüren.
DaB sie ihr wirklich gehoren, erweist der andere Weg.
Auch Arndt-Lippoid2 haben die Florentiner Figur mit dem Eros in Sklavenketten verglichen,
der am schonsten auf dem Stein des Aulos ( Abb.
6)
dargestellt ise2• Das Motiv ,der gefesselte
Eros" ist hâufig. Das alteste Beispiel ist der Sard im British Museum33 (Abb.
19
A. v. Premerstein, Philologus 53, 1894, 400. (Volk­
21
Ebenda 407. Kubitschek-Frankfurter,Führer durch
mann, Arch. Religionswiss. 26, 1928, 296 ff.)
Carnuntum
22
0
1915, 139 f.
127 f. Thiersch, Oott.
Anz. 177,
Rossbach in Roschers Lexikon: Nemesis; Perdrizet
a. a. O.
23 Chaponthier,
Bull. corr. hell. 48, 1924, 287 ff.;
49, 1925, 239 ff.
"' Hatzfeld, Bull. corr. hell. 51, 1927, 85.
25
Usener, Rhein. Mus. N.F. 58, 1905, 190 f.
27
A. a. O. 16.
2u
2s
29
Chaponthier a. a. O.
ein jüngerer
hiilt, so muB der Verleumder sich beniissen." Nach
R. Egger, Teurnia 46, Abb. 20.
20
7),
freundlichem Hinweis von L. Deubner. Siehe auch
Perdrizet, Archiv f. Religionswiss., 14, 1911, 126 f.
30
31
32
Amtliche Berichte, XL, 1918/19, S. 26, Abb. 14.
Perdrizet-Lefebvre, Graffites duMemnonion d' Aby­
dos, 58, 306.
Furtwiingler, Oemmen, Taf. 57, 9.- Die von den
Herausgebern
der Einzelaufnahmen verglichene
Erosterrakotte in Boston (Handbook 1911, 114)
hat nichts mit der Statuette gemein. Sie triigt keine
Fesseln, sondern apotropiiische Bander wie die
Eroten, S. Reinach, Nécropole de Myrina, Taf. 16,
Win ter, Typen, 2, 342, 1; 343, 3; 355, 2, und der
Eros von Mahdia Mon. Mém. Piot 18, 1910, Taf. 1.
Orphischer Hymnus 61,8, Premerstein a.a.0.403.
33 Furtwiingler, Oemmen, Taf. 18, 40. Walters, Cat.
bei Stracherjan, Aberglauben aus Oldenburg, 1,
Taf. 93, 23. In dieser Abbildung ist der Stein umge­
schnell auf denFinger spuckt und ihn hinter das Ohr
aber der Sinn des Motivs zerstort.
Auf diese apotropiiische Sitte geht offenbar der
33, berichtete Volksbrauch zurück:
,Wenn man
engr. gems, Taf.13,766.Walters, Art of the Oreeks,
dreht, so daB Eros auf dem Boden liegt. Damit ist
59
Po e n i t e n t i a
etruskischer Scarabaus: Eros ais Jüngling kauert auf dem linken Knie, schmerzlich in sich
zusammengekrümmt und büBt mit auf dem Rücken gebundenen Handen.
Das groBartige Bild
kann nur von einem griechischen Original aus der ersten Halfte des vierten ] ahrhunderts v. Chr.
abhangig sein. Kaum anzunehmen, daB im Vorbild Eros allein, ohne Baum oder Saule, an die
er gefesselt ist, ohne strafende Oottheit dargestellt war.
Also ist die Figur des Scarabaus ver­
mutlich nur ein Auszug aus einem groBeren Oanzen, .wahrscheinlich einem Oemalde.
In anderen Darstellungen erscheint Eros ais Kind.
Otto ] ahn34 hat sie zuerst gedeutet
und das Richtige gesehen. Seither sind zahlreiche Denkmaler dazu gekommen 35, die einzeln zu
besprechen wir uns ersparen konnen. Immer kehren die gleichen Motive wied er: Eros an eine
Saule gefesselt oder ohne diese auf der Erde kauernd, ein Schmetterling umschwebt seine Fesse!,
Psyche bindet ihn an die Saule usw.
Ein neues Motiv enthalt ein romisches Lampenbild in
Dresden36• Eros hangt gefesselt am Baum, eine unter ihm liegende Fackel rostet seine FuBsohlen.
Aber ist er mm wirklich der Oefangene der Psyche? Diese Frage wird von einigen Denkmalern
klar beantwortet, die schon Stephani gesammelt hat 37• Das Wichtigste von diesen ist der ver­
schollene Carneol, der nur aus der Zeichnung bei Caylus, Recueil
6
Taf. 81,
2
bekannt ist
( Abb. 8). Eros sitzt gefesselt am Boden, vor ihm steht Nemesis und auf dem Pfeiler der Oreif
der Oottin. Das andere ist der Amethyst in Florenz, den
wir nach einem der gütigen Hilfe Mintos verdankten Ab­
guB hier abbilden konnen (Abb. 9): Der gefesselte'.Eros sitz t
auf einem Fels, vor ihm aber auf dem Pfeiler steht das Bild
der Nemesis mit dem Rade. So ist ja auch auf der Lampe38
im British Museum (Abb. 10) Nemesis mit Eros verbunden.
Der Liebesgott hat ein OefaB zerbrochen, offenbar ein Liebes­
geschenk. Nun sieht er leichtsinnig gleichmütig auf das
,Olück in Scherben". Aber Nemesis aufdem Henkel überihm
8. Aus Caylus
wacht. Sie ist es auch, wie Artemis gekleidet, die Eros auf
dem von Pighius gezeichneten Sarkophag39 fesselt, wahrend
9. Florenz
Psyche ihm Fackel, Bogen und Kocher wegnimmt, und so steht sie auch auf dem Krater Chigi40,
jetzt in der Villa Farnesina, neben dem weinenden Eros. Wenn Nemesis fehlt, dann ist in
zahlreichen Fallen41 der Oreif mit dem Rad auf der Saule angegeben, an die Eros gefesselt ist.
Es ist also klar, daB Eros von Nemesis bestraft wird, c:nxaico�, wie die gelegentlich beigeschrie­
bene Inschrift bemerkt, die schon O. ] ahn42 zu dem SchluBworte des Oedichtes des Krinagoras
in Beziehung gesetzt hat. Von Nemesis wird Eros bestraft, und, wenn er Sklave ist, muB er
jemand gehôren. Wem anders als dem Heiligtum, an dessen Saule er gefesselt ist, das einmal
S. 361, Nr. 20. - Coll. de Clercq, VII, Nr. 3167/8,
"' Sachs. Ber. 1851, 162 ff.
as
Bull. corr. hell., 36, 1912, 249, Anm. 3. - Furt­
3110/l.
wangler, Beschr. d. geschnitt. Steine, Nr. 1652 bis
36
wangler, Oemmen, Taf.27, 2-5; 29, 24; 30, 32;
38 Walters, Cat. of Lamps, Nr. 1032.
1662, 3895- 3908,
6773 / 4, 7469- 7473; Furt­
42, 43/4; 43, 40; 49, 27; 61, 62; 64, 60; Walters,
Cat. of gems, Nr. 1019, 1468, 1522 (
=
Taf. 20,1517),
2833/4 (Die Sphinx der Beschreibung gewiB ein
Oreif); Reinach, Pierres gravées, Taf.37, 76 7; 76
9,
"9
Jahn, Sachs. Ber. 1851, Taf. 5; Collignon, Essay
sur les monum. rel. au mythe de Psyché, 120.
40 Zoega, Abhandl.Taf.V. Roschers Lexikon, Nemesis,
38, 794 u. 795; 39, 812ff. (= Oori); Lippold,
41
12; 30, 1. - Loschcke, Lam pen aus Vindonissa,
42
Oemmen u. Kameen, Taf. 27, 12; 28, 10 u. 12; 29,
Archaol. Anz. 1889, 16S.
37 Compte rendu 1864, 114 ff.
155. Matz-Duhn, Antike Bildwerke, Nr. 3687.
Compte rendu 1864, 115; Coll. de Clercq, Nr. 3107,
3110.
A. a.0.,164;Perdrizet, Bull. corr. hell., 36, 1912, 249.
8*
60
L u d w i g
C u r t i u s
durch das Standbild der Nemesis oder durch ihr heiliges Tier, an unserer Statue durch die Ohren
bezeichnet ist. Eros ist Sklave der Gôttin geworden, die besonders Liebeskalte und Untreue ahndet43•
Hinck44 zuerst hat darauf aufmerksam gemacht, daB das Motiv des bestraften Eros in dern
schônen pompejanischen Wandbild dritten Stils der casa dell'amore punito irn Museum von
Neapel45 wiederkehrt.
( Abb.
Schwierigkeiten entgegen.
Il).
Das Bild ist merkwürdig und setzt der
Deutung groBe
GewiB hat Her.rman46 mit Recht den Versuch abgelehnt, es mit
seinem Gegenstück Ares und Aphrodite in inhaltlichen Zusammenhang zu bringen: bestrafter
und siegreicher Eros. jedes der beiden Bilder steht für sich allein. Aber, wie ist die Komposition
des einen zu beurteilen?
Auf die eigentürnliche Zusamrnenhanglosigkeit zwischen Figuren und landschaftlichem Hintergrund hat schon Rodenwaldt47 aufmerksam gemacht. Aber noch mehr.
Wie peinlich klebt die Gôttin links, die Eros heranführt, an der Fels­
wand hinter ihr.
Ihr freies statuarisches Motiv wird dadurch uner­
traglich gebunden.
Aber weiter, wenn die beiden Gôttinnen in Haltung, Gewandmotiven
und Ausdruck unverkennbar auf Vorbilder der Mitte des vierten Jahr­
hunderts v. Chr. zurückgehen, was haben sie mit den kleinen Kinder­
eroten zu tun, die erst der Hellenismus erfunden hat?
SchlieBlich der bestrafte Eros selber.
Mit der rechten Hand wischt
er sich die Tranen aus den Augen, ahnlich wie unsere Figur.
Mit
der linken aber hait er die auf den Boden gestützte Hacke, wird aber
zugleich von der Gôttin herbeigeführt. Wie vertragt sich das? Wie
soli er so marschieren, er, der eben mit der Gôttin herankommt?
SchlieBlich die Gôttin selber. Wer sie ist, verrat ihre linke Hand.
Denn deren scheinbar gezierte Haltung ist nur verstandlich, wenn
wir sie ais die Gebarde der Nemesis erkennen, die eben im Begriff
ist, ihr Gewand zu lüften, um in den Busen zu spucken.
Also
Nemesis bringt Eros zu der Mutter zurück, nachdem er seine Strafe
10. Brit. Museum
abgebüBt hat.
Aber das Bild ist keine Kopie eines griechischen Ori-
ginals, sondern ein Pasticcio voiler Widersprüche wie jedes seiner
Art.
Wahrscheinlich ist es die Illustration eines uns verloren gegangenen Gedichts48.
Damit haben wir unseren Eros, wie ich glaube, gedeutet.
Bleibt nur noch ein Einwand zu
entkraften, das Fehlen der Flügel in der Mehrzahl der erhaltenen Kopien. Aber dieser wiegt
nicht schwer, denn gerade das Weglassen - oder das Hinzufügen von Flügeln gehôrt zu jener
Praxis rômischer Kopisten, die uns so viel Kopfzerbrechen kostet. Um nur ein paar Falle aufzu­
führen: Von den Wiederholungen des Eros von Centocelle tragen drei keine Flügel49. Weil dem
Petersburger Eros die Flügel feblen, die er in der Wiederholung im Museum von Sparta tragt,
hat ibn Schrôder50 neulich ais Palaestriten gedeutet, ais ob Agonothet oder Nike zu dem voraus43
Posnansky, Nemesis u. Adrasteia, 36 ff. Rostovtzeff,
Recht verglichenen Bilde, das nur in einer Zeich­
journ. egypt. arch., 12, 1926, 26 f.
nung des Instituts erhalten ist (a. a. 0., Abb. 1).
44 A. a. O. 82 ff.
45 Helbig, Nr.826;Herrmann,Denkm. d.Malerei,Taf.l.
A. a. 0., Text S. 7.
47 Komposition, 74.
Strenge thronende Aphrodite mit kindlichem, be­
straftem Eros und zweitem, der neben Aphrodite,
•a
man weiB nicht recht wo, steht. Es ist rein romisch.
.
48 Das gleiche gilt auch von dem von Herrmann mit
49 Amelung, Skulpturen d. Vat. Mus., 2, 410.
50
Archaol. Anz. 1925, 218.
Po e n i t e n t i a
61
11. Neapel
zusetzenden Weihegeschenk gehôren kônnten. Und schlieBlich das wichtigste Beispiel: Von der
berühmten Oruppe von Eros und Psyche, die sich küssen, sind die meisten Repliken51 flügellos.
In die Reihe dieser Beispiele gehôrt auch unsere Figur. Aber eben hat sich auch von ihr eine
Wiederholung mit Flügeln gefunden!
Ihren Künstler kennen wir nicht.
Sie steht an der Wende der Zeiten. Ihre klassische aus­
gewogene frontale Komposition und der ungestôrte FluB der UmriBlinie sind Erbteil praxitelischer
Tradition. Indes zur alten Oôtterwelt gehôrt sie nicht mehr, auch nicht zu der des ausgehenden
vierten J ahrhunderts.
Denn, mag sie auch einmal ein Weihgeschenk aus Liebesnot an Nemesis gewesen sein, der
weinende kleine Oott ist nicht mehr der groBe Damon, der Pindar und Sophokles erschüttert,
und dem Plato sein herrlichstes Oedicht gewidmet hat. Aber er ist auch noch nicht das unschul­
dige Erotenkind der hellenistisch-pompejanischen Malerei, das in Nachahmung von Gottem
und Menschen seine eigene spielerische Welt aufbaut.
Er steht zwischen beiden und sein
Element ist die Ironie. Weder ist seine Strafe ganz ernst gemeint, denn sonst hatte man dem
51
Stuart Jones, Cat. Sculpt. Mus. Capitol., 186.
62
Lu d w i g
C u r t i u s
Bürschchen sein Haar geschoren und nicht den Leben bergenden Schopf bis zur nachsten
Haarweihe so sorgsam in seiner Haube beschützt gelassen. Die Kette um den Kinderbauch ist
weich, auf der Borgheseschen Replik gar nur durch einen leicht zu lôsenden Knoten gehalten.
Noch sind's die Tranen. Der kleine Kobold wird sich nicht bessern.
Aber es steht auch eine hôhere Macht über ihm.
seiner Oôttlichkeit schlecht bestellt.
Der Oott selber in Fesseln, da ist's mit
Auch Aphrodite, die Mutter kann ihm nicht helfen. Son­
dern Nemesis regiert, die Schicksalsgôttin der neuen fatalistischen Zeit.
Der Pfeiler mit den Ohren ist ein wesentliches Stück der Komposition, der nicht fehlen dürfte.
Die Figur erzahlt eine Oeschichte. Man muB die Missetat des Kleinen, der Psyche gequalt hat,
kennen, urù seine Lage zu verstehen. Alles ist novellenhaft pointiert wie in einem hellenistischen
Oedicht, und der Künstler, der das Werk um 300 v. Chr. geschaffen, hat weniger auf den Beifall
der Olaubigen gerechnet, ais auf den der Dichter, die er selber fleiBig gelesen.
12. Marmorrelief, ehemals bei Graf Stroganoff in Rom
SOEBEN ERSCHIEN:
FESTSCHRIFT FüR JAMES LOEB
ZUM 60.GEBURTSTAG GEWIDMET VON SEINEN ARCH�OLOG. FREUND EN IN DEUTSCHLAND UND AMERIKA
Mit 16 Tafeln (da von 3 farbig) und 120 Abbildungen auf 150 Seiten Text Quart­
format. ln Leinen M.28.-. Vorzugsausgabe in Leder-Handeinband M. 72.-. Das
schôn ausgestattete Werk enthâlt folgende reich illustrierte Originalbeitrâge:
N
H
A
L T:
Paul A r n d t, Der Kopf des Matteischen Amazo­
nentypus
Gisela M. A. R i c h t e r, Five arretine stamps in the
Metropolitan Museum of Art, New York
Heinrich Bu Ile, Von griechischen Schauspielern
und Vasenmalern
Ashton Rollins S a n b o r n, The Amazon Rhyton
by Sotades in the Museum offineArts,Boston
George H. Ch a s e, Eight terracottas in the Museum
ot Fine Arts, Boston
Ludwig C u r t i u s, ,Poenitentia"
Harold N. Fo w l er, A marble head in Cleveland
Hetty Go 1 dm a n, Some votive offerings from the
Acropolis of Halae
Stephen B. L u c e, A marble head of a goddess in
the Rhode lsl.and School of Design, Provi­
dence
Joh. S i e v e k i n g, Archaische Bronze aus Tarent
Wilhelm S p i e g e 1 b e r g, Die demotischen Papyri
Loeb der Universitât München
Carl We i c k e r t, Maske eines Silens, Sammlung
Loeb, Murnau
Paul W o lt e r s, Die goldenen Âhren, Sammlung
Loeb, Murnau
Robert Zah n, Silber-Emblem der
Loeb, Murnau
Sammlung
l n g l e i c h e r A u s s t a t t u n g i s t f r ü h e r e r s c h i e n e n:
Festschrift Paul Arndt .zu seinem 60. Geburtsfag.
Dargebracht von seinen Münchener Freun.den. 9 Originalbeitrâge. 144 Seiten Text mit 90 Abbildungen.
ln Leinen gebunden M. 20.Zu b e z i e h e n du r c h d i e B u c h h a n dlu n g e n .
VERLAG F. BRUCKMANN AG., MUNCHEN
.·

Documentos relacionados