Die schnellste Webmaschine der Welt
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Die schnellste Webmaschine der Welt
Die schnellste Webmaschine der Welt CHRISTIAN SARTORIUS SULZER TEXTIL Mit der Mehrphasenwebmaschine M8300 ist Sulzer Textil ein Quantensprung im Weben gelungen. Die Schußeintragsleistung konnte im Vergleich zu herkömmlichen Luftdüsenwebmaschinen verdreifacht werden. Die Kunden, welche die M8300 bereits einsetzen, sind sehr zufrieden. Die neue Webtechnologie steht nun in der Phase der globalen Markteinführung. ■ Über 60 Mehrphasenwebmaschinen M8300 sind momentan in Europa und den USA in Betrieb, wobei die ersten bereits seit über zwei Jahren laufen. Während der internationalen Textilmaschinenausstellung ITMA 99, die im Juni in Paris stattgefunden hat, ist aus den USA eine weitere Bestellung für insgesamt 17 Maschinen eingegangen. Die M8300 wird in der Produktion von Standardgewebe eingesetzt, welches das mit Abstand größte Marktsegment der Webindustrie ist (Bild 1■). 1■ Mit der Mehrphasenwebmaschine M8300 können Standardgewebe, z. B. für modische Drucke, sehr schnell – dreimal schneller als mit einer herkömmlichen Luftdüsenwebmaschine – und damit kostengünstig produziert werden. 8 SULZER TECHNICAL REVIEW 3/99 Das Prinzip des Webens ist seit seiner Erfindung vor rund 9000 Jahren – erste Hinweise finden sich in China um 7000 v. Chr., als erstmals Wolle verwoben wurde – das gleiche geblieben: Gewebe werden durch die rechtwinklige Verkreuzung von Fäden hergestellt. Die Geschwindigkeit des Webens hat jedoch stark zugenommen. Waren es zu Beginn nur wenige Meter Schußeintrag pro Minute, sind es heute mit einphasigen Hochleistungsmaschinen mehr als 2000. Eine große Beschleunigung hat das Weben im Zuge der indu- striellen Revolution in den letzten 200 Jahren erfahren; ein wichtiger Schritt war die Einführung der Projektilwebmaschine, der ersten schützenlosen Webmaschine, durch Sulzer Mitte der 50er Jahre. Das Weben wurde einfacher und weniger energieaufwendig. Der Schußfaden erreicht beim heutigen einphasigen Weben Geschwindigkeitsspitzen von über 5000 m/min, wobei er während des Eintrags zuerst enorm beschleunigt und dann stark gebremst wird, was ihn fast bis an die Grenze seiner Reißkraft belastet 9095 1069 3885 3■ Die M8300 ist weltweit die einzige Mehrphasenwebmaschine, welche die Serienreife erreicht hat. Sie trägt gleichzeitig vier Schußfäden ein. (Bild 3■). Im Vergleich zum Prototyp – vorgestellt an der ITMA 95 in Mailand – ist die M8300 in der Zwischenzeit – an der ITMA 99 – nochmals um 20% (das sind 1000 m/min) schneller geworden, was immerhin der halben Leistung einer herkömmlichen Luftdüsenwebmaschine entspricht. Das Potential der Maschine ist jedoch noch bei weitem nicht ausgeschöpft. Mit der M8300 ist es Sulzer Textil gelungen, das Prinzip des einphasigen Schußeintrags nach Tausenden von Jahren erstmals erfolgreich zu überwinden und hinter sich zu lassen. Luftdüsenwebmaschine M8300 (einphasig) (mehrphasig) 9099 0317 5000 5000 3750 3750 m/min m/min (Bild 2■). Nicht nur die Garne nähern sich den Grenzen ihrer Belastbarkeit, sondern auch die Mechanik der Maschinen, womit das einphasige Weben kaum mehr schneller werden kann. Das Hauptproblem der hohen Schußfadengeschwindigkeit kann nur in einem mehrphasigen System gelöst werden, d. h., mehrere Schußfäden müssen gleichzeitig eingetragen werden. Der gleichzeitige Eintrag von beispielsweise vier Schußfäden mit einer Geschwindigkeit von 1250 m/min ergibt eine Schußeintragsleistung von 5000 m/min. Pro Schußfaden ist ein Webfach notwendig, und somit muß zur gleichen Zeit die entsprechende Anzahl offener Fächer zur Verfügung stehen. Sulzer Textil ist es nun in jahrelanger und intensiver Arbeit gelungen, die auf dem Reihenfachprinzip beruhende Mehrphasenwebmaschine M8300 bis zur Serienreife zu entwickeln 2500 1250 0 0 0° 180° Eintragszyklus 360° 0° 180° Eintragszyklus Die M8300 trägt gleichzeitig vier Schußfäden ein. Um hierzu in Kettrichtung mehrere Webfächer gleichzeitig zu öffnen, wird die Webkette über eine sich kontinuierlich drehende Trommel – den Webrotor – geführt; die eigentliche Fachbildung erfolgt an seinem Umfang durch die Fachhalteelemente (Bild 4■). Durch die Rotorkrümmung und -bewegung öffnen die Fachhalteelemente die hintereinander angeordneten Webfächer. Minimale Bewegungen der Legeschienen positionieren die 2■ Vergleich der Schußeintragsleistung und der Schußfadengeschwindigkeit zwischen einund mehrphasigen Webmaschinen. Beim mehrphasigen Weben wird der Schußfaden weder stark beschleunigt noch gebremst, was ihn schont. 2500 1250 SCHUSSEINTRAG AUF DREHENDER TROMMEL 360° Schußeintragsleistung der Maschine Geschwindigkeit des einzelnen Schußfadens SULZER TECHNICAL REVIEW 3/99 9 Kettfäden so, daß sie entweder von den Fachhalteelementen erfaßt werden und das Hochfach bilden oder in der Tieffachposition bleiben. Jeder Kettfaden ist einzeln in ein Fadenauge einer Legeschiene eingezogen. Deren Anzahl ist von der benötigten Kettfadendichte abhängig. Durch die extrem geringe bewegte Masse und den sehr kurzen Hub kann die Bewegungsfrequenz sehr hoch sein – eine entscheidende Voraussetzung für das Leistungspotential der M8300. Der Bewegungsablauf der Legeschienen ist steuerbar, wodurch die Herstellung verschiedener Standardgewebe möglich ist. Die zweite Funktion der Fachhalteelemente auf dem Webrotor ist die Bildung eines Schußkanals. In diesen Kanal wird der Schußfaden durch Druckluft über die gesamte Gewebebreite eingetragen; zwischen den Fachhalteelementen gewährleisten zusätzliche Düsen einen sicheren Transport. Der Abzug der vier Schußfäden erfolgt gleichzeitig und mit konstanter Geschwindigkeit, d. h., die erwähnten garnbelastenden Beschleunigungen sind eliminiert. NEUE MASSSTÄBE FÜR DIE PRODUKTION Mit einer Schußeintragsleistung von über 5000 m/min leistet die M8300 für die Produktion von Standardgewebe gegenüber heutigen einphasigen Webmaschinen bis dreimal mehr. Anläßlich der ITMA 99 wurde an einer Leistungsdemonstration eine Weltrekord-Schußeintragsleistung von über 6000 m/min erreicht. Die modular aufgebaute Webmaschine mit neuartiger Steuerungs- und Antriebstechnik bietet der Textilindustrie noch weitere Vorteile. Durch geringeren Energieverbrauch und Platzbedarf – bis zu 50% bzw. 60% gegenüber einphasigen Luftdüsenwebmaschinen bei gleicher Produktionsmenge –, niedrige dynamische Gebäudebelastung dank einer Reduktion der oszillatorischen Bewegungen, reduzierten Klimatisierungsaufwand und erhöhten Gewebeausstoß pro Weber resultiert eine Reduktion der Webkosten je nach Gewebeart von 20–30%. Außerdem arbeitet die M8300 – im Vergleich zu herkömmlichen Webmaschinen – markant leiser, und durch die integrierte Klimatisierung in der Webmaschine (Bild 5■) wird der Staubgehalt der Luft vermindert; beide Faktoren leisten wesentliche Beiträge zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Fachhalteelement Hochfach 4■ Die Schußfäden werden gestaffelt eingetragen und durch die Rotorbewegung zum Warenrand geführt. Tieffach Schußkanal Legeschienen 9098 022 9098 0033 10 SULZER TECHNICAL REVIEW 3/99 1 ATTRAKTIV AUCH FÜR HOCHLOHNLÄNDER Mit einer Reduktion der Webkosten von 20–30%, verbesserten Arbeitsbedingungen und marktkonformer Gewebequalität wird auch in Hochlohnländern die Produktion von Standardgeweben wieder attraktiv. Somit können dort in der Textilindustrie Arbeitsplätze erhalten bzw. neue geschaffen werden. Dies ist mit ein Grund, daß Sulzer Textil mit der Markteinführung der Mehrphasenwebmaschine M8300 in Europa, gefolgt von den USA, begonnen hat. Bei vier verschiedenen Kunden in Europa sind bereits Maschinen in Betrieb, die ersten seit über zwei Jahren. Die von den Kunden gemachten Erfahrungen mit der M8300 sind sehr gut. In den USA stehen bei der Firma Ramtex Inc. in Ramseur, NC, in einer Pilotanlage fünf Mehrphasenwebmaschinen M8300; 17 weitere wurden in der Zwischenzeit bestellt (vgl. Kasten). Diese 22 Mehrphasenwebmaschinen werden gleich viel Gewebe produzieren wie eine bestehende Anlage von etwa 100 Projektil- bzw. 72 Luftdüsenwebmaschinen. Ω 2 3 9099 0315 5■ Die M8300 verfügt über eine integrierte Klimatisierung: Mit Staub verunreinigte, warme Luft wird aus dem Rotorgehäuse abgesaugt (1), filtriert (2) und über die Klimaanlage abgeführt (3). Der Staub wird über ein zentrales Vakuumsystem entsorgt. INFO DIRECT Sulzer Textil AG Christian Sartorius CH-8630 Rüti Schweiz Telefon +41 (0)55-250 27 01 Telefax +41 (0)55-250 21 05 E-Mail [email protected] ERFAHRUNGEN VON RAMTEX MIT DER M8300 Anläßlich einer Video-Konferenz hat sich Jim Patterson, Executive Vice President of Operations bei Ramtex Inc., über die Erfahrungen seiner Firma mit der Mehrphasenwebmaschine M8300 geäußert. Bei Ramtex steht eine Pilotanlage mit fünf Maschinen; an der ITMA 99 hat der Gewebeproduzent aus Ramseur, NC, der zu den führenden in den USA zählt, weitere 17 Maschinen bestellt. «Als die M8300 an der ITMA 95 vorgestellt wurde, begannen wir über die Maschine zu sprechen und darüber, daß wir sie für unsere Weberei haben wollten. Dies, weil wir erkannten, daß – in unseren Augen – die M8300 die Zukunft des Webens repräsentiert. Zum jetzigen Zeitpunkt stehen bei uns fünf Maschinen in einer Pilotanlage. Nach den ersten Monaten kann ich sagen, daß wir zufrieden sind mit der Leistung der M8300. Die Maschine läuft so schnell, wie Sulzer Textil versprochen hat. Sie produziert hervorragende Qualität mit sehr wenigen Webfehlern. Es gibt einige kleinere Probleme, aber wir sind zuversichtlich, daß wir diese zusammen mit Sulzer Textil lösen werden – in einer Pilotanlage gibt es immer Probleme. Ein Punkt, den ich wirklich betonen möchte, ist, daß die M8300 Engagement braucht. Man kann nicht einfach 25 Maschinen kaufen, die alten herausreißen und die neuen dort hinstellen, wo die anderen waren. Die M8300 braucht eine gute Anlagebetreuung. Wir müssen noch viel über die Maschine lernen. Als Kunden von Sulzer Textil sind wir zuversichtlich, daß sich die Maschinen bewähren werden, nicht nur bei uns, sondern in der gesamten US-Industrie.» Jim Patterson, Executive Vice President of Operations bei Ramtex, ist zufrieden mit der Leistung der fünf M8300, die bei Ramtex in einer Pilotanlage stehen. SULZER TECHNICAL REVIEW 3/99 11