Barrierefreie Erlebnis- und Spiellandschaft - Fritz-Felsenstein-Haus

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Barrierefreie Erlebnis- und Spiellandschaft - Fritz-Felsenstein-Haus
FRITZ-FELSENSTEIN-HAUS
FÜR KÖ RPERBEHINDERTE
Barrier
Barrierefreie
Erlebnisund
Spiellandschaft
FRITZ-FELSEN STEIN -HAUS
FÜR KÖ RPERBEHIN DERTE
Spiel ohne Grenzen
Im Spiel erobern Kinder sich die Welt. Das gilt für
behinderte wie nichtbehinderte Kinder gleichermaßen.
Doch gerade körperbehinderten Kindern stellen sich
hier viele Barrieren entgegen
– man denke nur an die
herkömmlichen Spielplätze,
die insbesondere für
Rollstuhlfahrer nicht nutzbar sind.
Dies war auch die Ausgangslage beim Fritz-Felsenstein-Haus, einer privaten,
gemeinnützigen Einrichtung
zur ganzheitlichen Förderung von körperbehinderten
Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen. Unser Haus
wurde in den 70er Jahren
gebaut. Damals wurde auch
auf dem Außenbereich ein Spielplatz angelegt – allerdings mit Spielgeräten wie Klettergerüst, Hängebrücke
oder auch ein Schaukelgestell, die von den von uns
geförderten Kindern und Jugendlichen kaum genutzt
werden konnten.
Schon durch die stetige Zunahme von Kindern und
Jugendlichen mit schweren Körperbehinderungen, die
mit starken Mobilitätseinschränkungen einhergehen,
wurde deutlich, dass hier eine Veränderung
notwendig war.
Das Spielen, das Sammeln von Erlebnissen,
das Erfahren von Abenteuern auf diesem
Platz - das alles sollte für möglichst viele
unserer Kinder und Jugendlichen erfahrbar
werden. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
aus den verschiedenen Fachabteilungen bildeten daher 1996 eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe, die das Projekt konzipierte und
auch in der Umsetzung begleitete.
Nach langwieriger Planungsphase, der Suche
nach Sponsoren und rund siebenmonatiger
Bauzeit konnte unter großem öffentlichen
Interesse im Oktober 1998 die „Barrierefreie
Erlebnis- und Spiellandschaft“ am Fritz-FelsensteinHaus eröffnet werden. Unsere Kinder und Jugendlichen haben sich diesen Spielplatz - im Gegensatz zu
seinem „Vorgängermodell“ - schnell erobert: Spielen
macht hier offensichtlich Spaß!
Bild oben:
Wasserrad am
Wassserbereich
Bild unten:
Feder-Wipptier
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FÜR KÖ RPERBEHIN DERTE
Das
Konzept
Die Gestaltung von Spielräumen und Spielgeräten für
körperbehinderte Kinder und Jugendliche ist wegen
deren eingeschränkter Sinnes- wie Körperwahrnehmung und Mobilität eine komplexe Angelegenheit: Zu verschieden sind die einzelnen
Behinderungsformen und die Möglichkeiten sowie
Bedürfnisse des Einzelnen.
Erstes Planungsziel war daher: Nicht nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu fragen, sondern eine
spannende und vielseitige Spielsituation zu schaffen,
bei der alle auf ihre Kosten kommen. Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichsten Behinderungs-
graden sollten für sie passende Möglichkeiten vorfinden, um selbständig oder mit möglichst wenig Hilfestellung aktiv werden zu können.
Körperbehinderte Kinder sind häufig auf die ständige
Betreuung und Hilfe von Erwachsenen angewiesen.
Ein gemeinsames Spiel ist daher oft nur in einer Umgebung realisierbar, die spezielle Bedingungen erfüllt.
Wir wollten – als weiteres Planungsziel –
behindertengerechte Spielmöglichkeiten schaffen, die
neue Erlebnis- und Spielerfahrungen ohne die ständige Präsenz von Erwachsenen ermöglichen sollten.
Natürlich stoßen die Kinder beim Gebrauch der verschiedenen Geräte auch an ihre persönlichen Grenzen. Die Spiellandschaft soll aber auch den Mut der
jungen Benutzer herausfordern – nur im Umgang mit
dem Risiko wird eine realistische Selbsteinschätzung gelernt.
Bilder:
Tastwand und Zerrspiegel
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Erlebnisse
auf allen
Ebenen
Entstanden ist am Fritz-Felsenstein-Haus eine vielfältige, barrierefreie Spiel- und Erlebniswelt, die Kindern
zahlreiche Entfaltungsmöglichkeiten bietet: Ein
abwechslungsreiches Gelände mit individuell abgestimmten Geräten. Diese ermöglichen Erfahrungen,
die sich im sozialen, kommunikativen, kreativen, als
auch im motorisch und gefühlsstimulierenden
Bereich befinden.
Kurzum: Hier können sich körperbehinderte bis hin zu
schwerstmehrfachbehinderten Kindern in ihrer
Ganzheit entfalten.
Was unterscheidet dieses Projekt nun konkret von
einem herkömmlichen Spielplatz?
• Die Wege und Spielflächen sind so gestaltet, dass
alle Geräte für einen Rollstuhlfahrer zugänglich sind.
Die Steigungen der Rampen sind nicht höher als
sechs Prozent.
Bilder (von oben):
Röhrenxylophon
Rollstuhlkarussell
„Aufstieg“ zu den Rutschen
• Die Benutzung der Geräte erfordert sowenig
Hilfestellung durch BetreuerInnen wie möglich,
beispielsweise durch einen Rutscheinstieg oder die
Unterfahrbarkeit des Sand- und Wasserbereiches.
• Von ganz einfachen Anforderungen wie bei den
Sand- und Wasserspielen bis hin zu höheren Anforderungen, beispielsweise am Trampolin, können die
Kinder und Jugendlichen zwischen unterschiedlichsten Schweregraden wählen.
• Wahrnehmungserlebnisse für alle Sinne sind durch
Elemente wie Tastwände, Klangspiele, Riech- und
Tastkästen oder den Zerrspiegel auch für
schwerstmehrfachbehinderte Kinder möglich.
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Mobil
und
sicher
Auch die landschaftliche Gestaltung unserer barrierefreien Spielewelt soll bestimmten Anforderungen gerecht werden. Durch Bodenmodellierungen und
Rahmenpflanzungen wurden die einzelnen Spielbereiche – der Sinnesparcours, die Geräte für
Bewegungsspiele, die Kommunikationsecke und die
Tastwand – gegliedert und harmonisch in die Umgebung eingebunden.
Geschaffen wurden verschieden gestaltete Erlebnisbereiche, in denen sowohl Freiflächen für Bewegungsspiele, aber auch Räume zum Verstecken und zum
Rückzug vorhanden sind. Ein zentraler, überdachter
Treffpunkt mit Sitzgelegenheiten und Grillmöglichkeit
dient der Kommunikation.
Durch die Spiellandschaft führt ein Rollstuhlparcours,
dessen Modellierung mehrmals auf die Bedürfnisse
seiner jungen Nutzer angepasst wurde, um das
Risiko- und Geschicklichkeitsniveau zu senken. Die
barrierefreien Wege sind auch mit Elektrorollstühlen
befahrbar. Die Pflasterung hat den Effekt, dass sie die
Kinder sozusagen „aufrüttelt“ und ihren Sinn für ihre
Umgebung, aber auch mögliche Gefahren weckt.
Zur weiteren Sicherheit wurde der Parcours
zudem optisch herausgehoben und mit
Handläufen versehen. Durch die Wegeführung
und Umrundungsmöglichkeit wird die Mobilität aller Kinder, auch die der Rollstuhlfahrer,
angeregt. Die Steigungen von vier bis sechs
Prozent sind gut zu bewältigen – allerdings
erreichen Rollstuhlfahrer hier auch ihre
körperliche Belastungsgrenze.
Auch bei der Bepflanzung musste verschiedenes beachtet werden: Selbstverständlich
wurde auf giftige Pflanzen verzichtet.
Darüber hinaus wurden verschiedene
Blühzeiten und die unterschiedlichen Gerüche
der Pflanzen beachtet.
Bilder:
Plantschen am Wasserbereich, Schaukel, Tastwand
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Hier geht`s rund
Kinder lieben es, wenn sich etwas bewegt – und wenn
sie sich bewegen können. Mittlerweile gibt es nun
auch eine Auswahl von behindertengerechten Geräten für das Bewegungsspiel. So sind zum Beispiel zur
Entwicklungsförderung der Motorik und des Gleichgewichtssinnes Spielgeräte zum Rutschen, Balancieren, Fahren, Wippen und Schaukeln geeignet, die auch
von körperbehinderten Kindern genutzt werden
können.
In seine barrierefreie Spiellandschaft hat das FritzFelsenstein-Haus folgende Elemente integriert:
Bewegungsspiele
• ein überdachtes Rollstuhlkarussell
• eine Dreifachschaukel mit unterschiedlichen Sitzen
(Schalensitz, Schaukelbrett, Schaukelreifen und
Vogelnest zum Liegen)
• zwei Rutschen mit unterschiedlichem Schweregrad
• Feder-Wipptiere
• ein ebenerdiges Trampolin mit fallgeschütztem
Sicherheitsbereich (auch für Rollstuhlfahrer in Begleitung von Erwachsenen geeignet)
• eine Kletterwand
Landschaftsspiele
• ein Geschicklichkeitsparcours für Rollstuhlfahrer mit
befahrbarer Hängebrücke
• ein Kriechtunnel
• eine kreative Bewegungsbaustelle mit Materialangebot zum Selberbauen wie Lkw-Schläuche, Holzbretter und Balken
Bilder (von oben):
Trampolin
Rollstuhlkarussell
Vogelnestschaukel
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Mit allen Sinnen
Auf einem Sinnespfad werden durch eine Vielzahl von
Elementen, die unsere MitarbeiterInnen zu einem großen Teil in kreativer Eigenleistung erstellt haben,
buchstäblich alle Sinne angesprochen.
Hier finden sich unter anderem ein Barfußparcours,
ein lustiger Zerrspiegel, Tastkästen, in denen „blind“
die unterschiedlichsten Gegenstände erfühlt werden
können, und ein Klangbaum.
Hinter dem überdachten Kommunikationsbereich
wurde mit zahlreichen Materialien – Bürsten, Stoffen
und vielem mehr eine Tastwand gestaltet, die auch
schwerstmehrfachbehinderten Kindern viele Anregungen gibt. Auch in diesem Bereich finden sich weitere
Klanginstrumente, beispielsweise ein Röhrenxylophon.
Eines der beliebtesten Spielgeräte der Erlebnislandschaft ist übrigens das oft benutzte Trichtertelefon, das immer wieder einen „Aha“-Effekt hervorrufen kann.
Bilder:
Tannenzapfen auf dem Barfußparcours
Klangbaum
Tastkasten
Klangröhre
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Wasser
marsch!
Bewährt hat sich auf der barrierefreien Spiel- und
Erlebnislandschaft die Trennung von Wasser- und
Sandbereich. Beide Elemente wurden speziell für
Rollstuhlfahrer auch unterfahrbar gestaltet.
Der ausgiebige Wasserbereich fasziniert meist nicht
nur Kinder, sondern auch Erwachsene: Er lädt gerade
zu zum Experimentieren mit dem nassen Element ein,
zum Plantschen und Matschen. Mit einer Pumpe kann
das Wasser geholt werden und fließt dann in einer
verwinkelten Holzkonstruktion, wo der Wasserlauf mit
kleinen Schwellen gesteuert werden kann, ab.
Der Sandspielbereich besteht sowohl aus einem ebenerdigen Bereich und hochgestellten Tischen. Auch
dieser Bereich kann – zum Schutz gegen Sonne und
Regen – beschattet werden.
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Integration
Wichtig war uns schon bei der Planung der barrierefreien Erlebnis- und Spiellandschaft der integrative
Gedanke: Der gesamte Spielraum wurde nicht nur für
behinderte, sondern auch für nichtbehinderte Kinder
konzipiert.
Im wahrsten Sinne des Wortes „spielerisch“ können
sie sich hier kennenlernen, im Spiel den Umgang mit
anderen und dabei Werte
wie Toleranz und Wertschätzung erfahren und
dabei auch ganz unverkrampft eventuell
vorhandene Berührungsängste abbauen.
Die barrierefreie Landschaft wird seit ihrem
Bestehen immer wieder
gerne von Besuchergruppen genützt: So
treffen sich hier Kinder des
Fritz-Felsenstein-Hauses
mit Kindern aus anderen
Schulen oder Vereinen.
Eine feste Institution ist
bereits der integrative
Die Hängebrücke
am Rollstuhlparcours
Familiennachmittag der Offenen Behindertenarbeit,
der immer wieder gerne auch von Familien mit
nichtbehinderten Kindern besucht wird.
Da dies die erste behindertengerechte Spiellandschaft
in Bayerisch-Schwaben war, nutzen zudem auch viele
Fachleute die Gelegenheit, sich hier vor Ort über die
barriefreie Konzeption informieren zu können.
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Partner
Das Projekt „Barrierefreie Erlebnis- und Spiellandschaft“ wäre ohne unsere Partner und Förderer
nicht möglich gewesen. Insgesamt kosteten
Landschafts- und Wegebau sowie die Spielgeräte
rund 350.000 Mark – ohne die überwältigende
Unterstützung von Stiftungen und zahlreichen
SpenderInnen wäre dieses Projekt nicht zu
realisieren gewesen.
Zu den Förderern zählten die Stiftung Sternstunden,
die Bayerische Landesstiftung, die Stiftung „Antenne
Bayern hilft“, die Firma Bauwaren Mahler, die Marianne-Strauß-Stiftung, die Stadtsparkasse Augsburg, die
Kartei der Not, das Leserhilfswerk der Augsburger
Allgemeinen Zeitung, sowie zahlreiche weitere Firmen,
Privatpersonen, Vereine und Schulen. Ihnen
allen sei nochmals herzlich an dieser Stelle gedankt.
Die Projektleitung hatte die Firma infau GmbH
Augsburg, Gesellschaft für Entwicklung und
Realisierung innovativer sozialer Projekte im Bereich
Arbeit und Umweltschutz, inne.
Bei der Auswahl und Anpassung der Spielgeräte
wurden wir von der Firma Kinderland, Geeste, und
dem Verkaufsbüro Roth, München, unterstützt.
Entsorgungs- und Abbrucharbeiten sowie die Beschaffung der Pflanzen erfolgten durch die Firma
Gartenbau Glöttner, Merching.
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Impressum
Fritz-Felsenstein-Haus e.V.
Karwendelstraße 6-8
86343 Königsbrunn
Telefon 08231/6004-0
Telefax: 08231/6004-25
Texte: Arbeitsgruppe Spiellandschaft,
Birgit Böllinger
Fotos: Birgit Böllinger/Brice Le Frère (1, Seite 9 oben)
Gestaltung: Birgit Böllinger
Ansprechpartner für die barrierefreie Erlebnis- und
Spiellandschaft:
Werner Baur, Telefon 08231/6004-23
Besuchsmöglichkeiten nur nach vorheriger
telefonischer Vereinbarung
Spendenkonto:
816 124 bei der Stadtsparkasse Augsburg
(BLZ 720 500 00)
Trichtertelefon