Zum Liefern bereit in kurzer Zeit

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Zum Liefern bereit in kurzer Zeit
BLECHPRAXIS
INTRALOGISTIK
Zum Liefern bereit in kurzer Zeit
Das Verbinden von Bestandsminimierung,
exakter Zulieferung von Material zu den Arbeitsplätzen und kurzer Durchlaufzeit ist bei Blechbearbeitern ein Riesenthema. Doch das Optimieren von Materialfluss und Informationstechnik
hat in Familienbetrieben seine Grenzen.
Kompromisse sind gefragt. Erfahrene Anbieter
von Intralogistik-Technologie helfen, diese zu
finden. Dabei geht es nicht nur um die Wahl des
richtigen Gabelstaplers oder fahrerlosen
Transportsystems, sondern auch um deren
softwaretechnische Verknüpfung mit Lagerverwaltungssystemen.
NATÜRLICH WEISS Uwe Wonsack,
Leiter Fertigung, wie der Materialfluss
in der Blechwarenfabrik Limburg
(www.blechwaren-limburg.de) optimal
auf Linie zu bringen wäre: Vorn kommen die Feinbleche als Rohmaterial
rein. Nach kurzem Aufenthalt im La-
Hersteller
Still GmbH
22113 Hamburg
Tel. 0 18 04/7 84 55 33
Fax 01 80/2 00 62 00
www.still.de
ger wandern die Tafeln über Förderbänder erst zur automatischen Lackiermaschine und danach zur 6-FarbenDruckmaschine, um zugeschnitten und
zu Dosen, Kanistern oder Kronkorken
geformt zu werden, bevor sie auf dem
kürzesten Weg ins Fertigwarenlager gelangen – zur Kommissionierung. Das
Ganze ebenerdig und in einer Linie,
praktisch wie ein Fließband.
Schön wär’s; leider sind die Verhältnisse in Limburg nicht so. Die Blechwarenfabrik produziert in ihrem
BLECH InForm 4/2007
Stammhaus, das seine 130-jährige Geschichte nicht verleugnen kann: mehrere An- und Umbauten, Produktion
auf zwei Stockwerken, Wareneingang
im Erdgeschoss, wo pro Jahr etwa
25 000 t Weiß- oder Feinbleche angeliefert werden. Das setzt der Automatisierung Grenzen.
Software wirkt als ›Superhirn‹
im Materialfluss-Management
In puncto Materialfluss wäre Uwe
Wonsack bei Matthias Klünder gut beraten. Klünder ist bei der Still GmbH
in Hamburg (www.still.de) der Nachfolger des Intralogistikexperten Jörg
Brüning, der vor
Kurzem in den Ruhestand gegangen ist.
Der Hanseat weiß,
dass »im Mittelstand
die Verbindung von
Bestandsminimie-
rung, exakter Zulieferung der Materialien zu den Arbeitsplätzen und kürzeren Durchlaufzeiten ein Riesenthema
ist«. Was die Optimierung von Materialfluss und IT zum Informationsfluss
angeht, sei der Mittelstand quer durch
alle Branchen richtig wach geworden.
»Unsere Zuwachsraten bei intelligenten Steuerungssystemen in der Intralogistik sind enorm«, sagt Klünder. Denn
längst ist Still nicht nur Anbieter von
Stapler-Hardware, sondern auch von
Software. Das Materialflussmanagement-System ›MMS.i‹ der Hamburger
ist das Superhirn im Lager und im automatisierten Materialfluss.
Fördern mit Gefühl:
Der Transport lackierter
Blechtafeln zur 6-FarbenDruckmaschine gehört
zum Alltag in der Blechwarenfabrik Limburg
Bild: Felix Holland
© 2007 Carl Hanser Verlag, München
www.blechinform.com
Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern.
Materialfluss
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© 2007 Carl Hanser Verlag, München
Materialfluss
Bild: Felix Holland
Uwe Wonsack,
Produktionsleiter in
Limburg, prüft die
Unversehrtheit beschichteter Kronkorkenbleche nach dem
Transport
Was die Hardware betrifft, sind bei
Still fahrerlose Lösungen gefragt, vor
allem im Mehrschichtbetrieb, um in
den Spätschichten Personalkosten zu
sparen: Gabelstapler – ohne Fahrer
und wie von Geisterhand mit 3D-Lasern gesteuert – versorgen automatisch die Maschinen mit Nachschub.
Die jeweiligen Aufträge schickt die
Produktionsplanung drahtlos an die
Stapler. Ein solches System installieren
die Hamburger Intralogistikexperten
derzeit bei einem Kunststoffhersteller.
In der Endstufe sollen zehn ferngesteuerte Stapler die Maschinen laufend mit Rohmaterialien beliefern.
In drei Schichten an sechs Tagen wird
auch in Limburg gearbeitet; die Anschaffung automatischer Still-Stapler
würde sich so gesehen rentieren. Doch
der Weg vom Wareneingang im Erdgeschoss zu den weitläufigen Produktionshallen auch in den höheren
Stockwerken ist für die Automatisierung mit der allerneuesten Technik
aus Hamburg ein unüberwindbares
Hindernis. Folglich ist in Limburg eine Flotte von insgesamt 60 Gabelstaplern unterschiedlicher Größe in den
fünf Fertigungssegmenten Lack,
Druck, Beschichtung, Eimer, Vierkant
(viereckige Dosen), Dosen (runde)
und Kronkorken im Einsatz. Sie holen
die Feinblechtafeln in den Stärken
0,12 bis 0,35 mm aus dem Wareneingangslager, bringen sie in den zweiten
Stock zur riesigen, 30 m langen BlechLackiermaschine, die sie praktisch am
laufenden Band mit Lack beschichtet:
20 000 Stück pro Schicht oder rund
60 000 pro Tag. Das entspricht etwa
60 Paletten oder 60 t. Anschließend
lagern die Staplerfahrer die Bleche
hinter der Lackiermaschine kurz zwi-
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schen oder fahren sie auf direktem
Wege zur Druckmaschine in der Halle
nebenan, um dann die bedruckten Tafeln zur Zuschneiderei oder ins Halbfertiglager zu bringen.
Zwei Milliarden Kronkorken
werden jährlich ausgeliefert
Das Halbfertiglager ist eine wichtige
Station und von beachtlicher Größe.
Warum, erklärt Uwe Wonsack so:
»Wir müssen in eine extreme Bevorratung gehen, weil wir einen Gesamtauftrag über beispielsweise
100 000 Dosen durchdrucken und
dann auf Abruf jeweils 1000 bis
10 000 Dosen fertigen.« Das sei günstiger, als die Druckmaschine für jeden
Abrufauftrag ein- und umzurüsten.
Gleichwohl hat die Blechwarenfabrik
in den letzten Jahren ihre Bestände um
immerhin 1,5 Millionen Euro vermindert. Außerdem löste die Blechwarenfabrik vor drei Jahren ihre fünf Läger
auf und fasste sie im Zentrallager in
Limburg-Diez zusammen. Ein Shuttle
bringt die fertigen Dosen und Kronkorken ins fünf Kilometer entfernte
Zentrallager, wo die Fertigware kommissioniert und auf den Weg zu den
Kunden gebracht wird. Reichlich
150000 Paletten mit Dosen und 2 Milliarden Kronkorken liefert das Zentrallager alljährlich an die Kunden aus.
Szenenwechsel. Die Engelbrecht Lasertechnik in Preußisch Oldendorf
(www.engelbrecht-lasertechnik.de)
drückt gewaltig auf die Tube. Zeit ha-
linkes Bild: Felix Holland, rechtes Bild: Mevaco
www.blechinform.com
Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern.
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Ab ins Zentrallager: Transport
fertiger Dosen zum Shuttle,
das die Produkte ins gut 5 km
entfernte Limburg-Diez bringt
Am Haken: Ein Kran lagert beim
Lochblechspezialisten Mevaco in Schlierbach Coils ein und hebt sie zur
Weiterverarbeitung auf Transportrollen
Ihre Lagerbestände können die Limburger noch aus anderen Gründen
nicht so weit senken, wie es die Controller vermutlich am liebsten hätten.
»Wir sind ein Lieferant von Verpackungen«, sagt Uwe Wonsack,
»entsprechend flexibel müssen wir
sein.« Denn jeder Kunde wünsche für
seine Produkte Verpackungen, die sich
vom Wettbewerb abheben. Das steigert in Limburg die Dosenvielfalt und
die Anforderungen an die Flexibilität
beim Beliefern der Abrufe, der die
Limburger, so Wonsack, nicht zuletzt
ihre starke Marktstellung verdanken.
ben die 80 Beschäftigten nicht zu verlieren. »Der Kunde wünscht immer
kürzere Lieferzeiten«, betont Geschäftsführer Ralf Ossenschmidt-Engelbrecht. Entsprechend hektisch geht
es auf der rund 10 000 m2 großen
Produktionsfläche und an den acht
2D-Only-Lasermaschinen und LaserStanz-Anlagen zu. Bei dem ›Spezialisten für Abkant-, Schweiß- und Laserteile‹ versorgen sechs Elektro-Gabelstapler von Still die Maschinen mit
4 m x 2 m großen und bis zu 25 mm
dicken Blechtafeln. Damit die Bleche
sicher auf den 6-t-Staplern ruhen, ha-
© Carl Hanser Verlag, München
BLECH InForm 4/2007
© 2007 Carl Hanser Verlag, München
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ben diese gegenüber der üblichen Ausführung längere Gabeln von 1,60 m
Breite. Die Fahrer müssen umsichtig
durch die Halle navigieren, denn die
Gänge zwischen den Maschinen sind
nur 5 m breit – da kann es schon mal
eng werden, erst recht, wenn sie 6 m x
2 m breite Bleche an die Maschinen
bringen. Doch diese Größe ist bei Engelbrecht eher die Ausnahme. Wo die
Zeit drängt und wirtschaftlich gearbeitet wird, ist es verständlich, »dass
die Staplerfahrer nicht unnötig hin
und her fahren«, wie Geschäftsführer
Ossenschmidt-Engelbrecht betont.
Folglich ist die Produktion buchstäblich auf Linie gebracht worden: Anlieferung, Lager, Produktion, Warenausgangslager sind kreisförmig hintereinander angeordnet. »Wir wollen
aber noch effektiver werden«, so der
Chef. Zum Beispiel mit einem Lagerverwaltungssystem (LVS), das die
Kommunikation zwischen Lager und
Produktion optimiert sowie die Bestand-Transparenz erhöht. Der Vorteil: »Wir können noch schneller auf
Kundenanfragen reagieren.«
Ohne Gabelstapler läuft auch bei Mevaco in Schlierbach nichts (www.mevaco.de). Der Mittelständler und seine
europaweit rund 250 Mitarbeiter sind
auf die Herstellung und den Vertrieb
perforierter Bauteile und Lochplatten
spezialisiert. Anders als in Limburg
und Oldendorf kommen die Still-Stapler bei Mevaco fast nur in der Kommissionierung und der Lkw-Verladung
Anwender
Blechwarenfabrik Limburg GmbH
65549 Limburg
Tel. 0 64 31/2 99-0
Fax 0 64 31/2 99-2 99
www.blechwaren-limburg.de
Engelbrecht Lasertechnik GmbH
32361 Preußisch Oldendorf-Getmold
Tel. 0 57 42/93 01-0
Fax 0 57 42/93 01-40
www.engelbrecht-lasertechnik.de
Mevaco GmbH
73278 Schlierbach
Tel. 0 70 21/7 23-0
Fax 0 70 21/72 34 61
www.mevaco.de
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Extrabreit: Damit die fertigen Bleche
nicht überhängen, wurden
die Still-Stapler bei Mevaco mit
Sondergabeln ausgestattet
zum Einsatz, weil Mevaco nur
Coils oder Tafeln in den klassischen Formaten klein, Mittel und
groß verarbeitet. Je nach Format
wiegen die Coils zwischen 5 und
12 t. Täglich liefern acht bis zwölf
Lkws Blechcoils nach Schlierbach.
Doch nicht Stapler, sondern ein
Ladekran befördert sie von den Lkws
und bringt sie umgehend ins Wareneingangslager. Dort bleiben sie laut Joachim Stroh, Bereichsleiter Beschaffung
und Logistik, im Durchschnitt zwei bis
vier Tage, bevor sie in die Produktion
an die Breitpressen gehen. Krane heben
die schweren Rollen an die Haspel der
Maschinen, die die Coils in einem
Stück buchstäblich durchlöchern. Was
der Laie als Löcher bezeichnet, sind für
Logistikchef Stroh »je nach Kundenwunsch unterschiedliche Lochungsarten«. Das heißt: Die Werkzeuge in der
Stanzmaschine werden laufend gewechselt, damit quadratische, runde
oder ovale Löcher unterschiedlicher
Größe ins Blech kommen. Dann werden die fertig zugeschnittenen Platten
plan gerichtet, auf Paletten gestapelt,
mit Stahlbändern gesichert und nach
Wendlingen gefahren.
Bild: Mevaco
Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern.
Materialfluss
Stapler haben Sondergabeln
für das Handhaben von Blech
In der Kleinstadt unweit von Stuttgart
und 12 Kilometer von der Produktion
in Schlierbach entfernt, hat Mevaco
sein Zentrallager etabliert. Dafür wurden die Läger in Frankreich, Polen,
Ungarn und Tschechien aufgelöst. Der
Grund: »Unser wichtigster Absatzmarkt ist Europa«, sagt Joachim Stroh.
Und von Wendlingen aus könne Mevaco binnen kürzester Zeit seine 18000
Kunden beliefern. Wie schnell und effektiv im Zentrallager gearbeitet wird,
verdeutlicht Logistikleiter Stroh an
der Umschlaghäufigkeit des Lagers,
die bei 26 liegt. Das heißt, dass sich
der Lagerbestand von rund 700 Lochblech- und 300 Handelswarenpositionen wie Profilen, Wellen- und Punktschweißgittern, Streckmetall und Eckverbindern alle 14 Tage erneuert.
Erstaunlich ist das auch deshalb, weil
Mevaco vorrangig kleine Schlosserund Handwerksbetriebe beliefert.
Folglich sind die Kommissionieraufträge recht klein. »Im Durchschnitt
liegt unsere Auftragsgröße unterhalb
von 30 Blechen«, sagt Logistikleiter
Stroh. Aber auch Handelsunternehmen und die Industrie werden beliefert. Bei Mevaco gibt es insgesamt 15
Still-Gabelstapler mit einer Hubkraft
zwischen 2 und 5 t und extrabreiten
Gabeln (damit die Bleche nicht durchbiegen). Für das Kommissionieren
nutzt man Stapler mit Messergabeln,
die leicht zwischen die Bleche greifen
können: Ein Mitarbeiter zählt die Bleche für einen Auftrag ab und schiebt
einen Keil zwischen sie, der andere
hebt sie mit dem Stapler aus dem Regal und legt sie auf Einwegpaletten im
Sonderformat ab. Weil keine Europaletten verwendbar sind, kommen für
den Transport nur Planen-Lkws infrage, die seitlich beladen werden.
Vor sieben Jahren hat sich der Mittelständler ausschließlich für Fahrzeuge
von Still entschieden. Joachim Stroh
schwört auf sie: »Schließlich zahlen
sich die funktionale und ergonomische Gestaltung für die Fahrer, die
Wirtschaftlichkeit sowie die feinfühlige Reaktion der Lenkung, das freie
Sichtfeld, die Bedienung mit Joystick
und die hervorragende Manövrierfähigkeit schnell wieder aus.« Außerdem würden sie dazu beitragen, Schäden an den empfindlichen Blechen zu
vermeiden. »Denn nichts ist so teuer«,
sagt Joachim Stroh, »wie Reklamationen der Kunden.« ■ BF100480
DIRK DIETZ
Journalist, Frankfurt/Main
www.successstories.de
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