Kuchenmeister Broschüre deutsch

Transcrição

Kuchenmeister Broschüre deutsch
Kuchenmeister
Eine Firmenchronik
Kuchenmeister
Eine Firmenchronik
Firmenchronik:
Susanne Lucka, Eschweiler
Konzept und historischer Hintergrund:
Hans Rudolf Hartung, Soest
Fotos:
Mathias Lehmann, Soest
Fotostudio Prion, Geseke (Portraits)
Privatsammlung Trockels, Soest
SLUB Dresden/Deutsche Fotothek, Archiv Stoedtner
Vogelsänger Studios GmbH & Co. KG, Oerlinghausen (Produktbilder)
Verlag Althoff Druck, Soest 2009
ISBN 978-3-00-028502-8
C 2009 Verlag Althoff Druck, Soest
Alle Rechte vorbehalten
Gesamtherstellung Althoff Druck, Soest
Printed in Germany
Kuchenmeister GmbH
Coesterweg 31
D-59494 Soest
Eine Firmenchronik
zum 125-jährigen Jubiläum
im Jahr 2009
Zu Inhalt und Gliederung
Kuchenmeister: Tradition und Innovationskraft
Von Menschen und Automaten, Händen und Robotern
Konstante Qualität gewährleistet durch modernste Technologie
Auf dem Weg zum Croissant
Qualität wie vom Konditor
Symbiose von Handwerk und HighTech
Snacks vor der Verpackung
Bestes Qualitätsniveau durch absolute Keimfreiheit
Bundesehrenpreis für Stollen
Höchstes Gebot: Qualität
Aromaschutz und Verzehrfrische durch einzigartige Verpackungstechnologien
Kompetenz und hoher Anspruch
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Am Anfang eine „Landflucht“
Beginn des Wachstums: Das neue Geschäftshaus
Das Tor in die Osthofe
Der Gründer: Julius Trockels
Wurst im Teig
Eine Gold-Hochzeit anno 1938
Das Geschäftshaus Trockels zwischen 1897 - 1944
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Ein Krieg und seine Folgen
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Erste Schritte in eine bessere Zukunft
Der Enkel entdeckt den Großvater
Es gibt wieder Eiserkuchen
Eiserkuchen auf der Wäscheleine
Nach Großvaters Rezept
Kuchenmeisters Highlights
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Im Familien- und Unternehmensgeist
Der Firmensenior: Günter Trockels
Mit Strategie von Soest in die Welt: Hans-Günter Trockels
Daten, Zahlen und Verträge: Thomas Trockels
Fundiertes Wissen in Berlin eingesetzt: Uwe Trockels
Wendepunkt für die Familien- und Firmengeschichte
Der Stadtpatron Patroklus
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Ziele und Perspektiven
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„Wer glaubt, ganz oben zu sein,
der ist schon auf dem Weg
nach unten.“
Was der Sänger Placido Domingo erkannte,
liest man an der Bürotür von Günter Trockels.
Der erfolgreiche Unternehmer,
den Bodenständigkeit und
Liebe zu Backwaren auszeichnen,
hat eine spannende Zeitreise hinter sich.
Sie ist geprägt von persönlichen
Schicksalsschlägen und den
politischen und wirtschaftlichen Bedingungen
des 20. und 21. Jahrhunderts.
Sie beginnt 1884 mit Großvater Julius Trockels
und wird nach dem Zweiten Weltkrieg
von Günter unter schwierigsten Voraussetzungen fortgesetzt.
125 Jahre nach der Gründung
der kleinen Bäckerei in der Osthofenstraße in Soest
hat Günter die Geschicke des Unternehmens
in die Hände seiner Söhne
Hans-Günter, Thomas und Uwe übergeben.
Der Generationenwechsel wurde vom Senior
mit Weitblick vorbereitet und umgesetzt.
Kuchenmeister:
Tradition und
Innovationskraft
6
Von Menschen
und Automaten,
Händen und Robotern
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8
Konstante Qualität
gewährleistet durch
modernste Technologie
9
Teigzubereitung
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Auf dem
Weg zum
Croissant
Vorbereitung der Croissants
11
Baumkuchenrohlinge
vor dem Schneiden und Schokolieren
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Qualität
wie vom
Konditor
Traditionelle Sachertorten
werden von Hand beschriftet
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Robotereinsatz an der Croissantlinie
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Milchbrötchen im Reinraum vor der Verpackung
15
Symbiose von
Handwerk
und HighTech
Automatische Mohnbefüllung
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Snacks
vor der
Verpackung
Käseriegel in der Produktion
17
Milchbrötchen im Reinraum
18
Bestes Qualitätsniveau
durch absolute
Keimfreiheit
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Stollen-Teigteiler mit automatischer Gewichtskontrolle
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23 Stollen erhalten im Jahr 2009 den Bundesehrenpreis
– höchste deutsche Qualitätsauszeichnung – von der DLG e.V.
(Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft)
21
Rohstoffanalysen in der Qualitätssicherung
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Höchstes Gebot:
Qualität – alle
Rohstoffe werden überprüft
Linke Seite:
Wareneingangsprüfung
mit einem Amylographen
und einer Versuchsmühle
Rechte Seite oben:
Versuchsanlage für
Kuchenmassen in der
Produktentwicklung
Rechte Seite unten:
Rohstoffanalyse mit
einem Farinographen
in der Qualitätssicherung
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Aromaschutz und
Verzehrfrische durch
einzigartige Verpackungstechnologien
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Wiener Tortenböden in
Premium-Qualität
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Kompetenz
und
hoher Anspruch
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Am Anfang
eine
„Landflucht“
Aus dem Dorf Ampen
stammt die Gründerfamilie Trockels
der Osthofenstraße 45 in Soest der Grundstein
für das heutige Unternehmen Kuchenmeister
GmbH gelegt.
„Qualität ist das A und O für uns!“ sagt Günter Trockels, der Senior des Soester Familienunternehmens Kuchenmeister GmbH. 2009
feiert das Unternehmen ein Jubiläum, es blickt
auf eine 125-jährige Familien- und Firmengeschichte zurück, die der heutige Senior, der
1932 geboren wurde, 77 Jahren begleitet und
geprägt hat. Mit Backwaren wuchs er auf, angefangen von der sorgfältigen Auswahl und
sensiblen Verarbeitung der Rohstoffe, bis hin
zur meisterlichen Umsetzung der Familienrezepturen.
„Backen ist unsere Liebe…“ heißt der Slogan, der auch von der vierten Generation der
Trockels mit Überzeugung gelebt wird. Mit
einer kleinen Bäckerei, gegründet von Julius
Trockels (1861 - 1940), wird im Jahr 1884 in
In der Hanse- und
Fachwerkstadt Soest
ein Haus im Stil
der Gründerzeit
Julius, jüngstes von sechs Kindern einer Bauernfamilie in Ampen, fünf Kilometer vom Zentrum Soests entfernt, wird auf einem alten Hof
groß. Sein ältester Bruder übernimmt den elterlichen Bauernhof, wie das damals üblich ist.
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Beginn des Wachstums:
Das neue
Am 17. März 1897 wird dem Bäckermeister
Geschäftshaus
der Bau eines Geschäftshauses genehmigt
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Der Dampfbackofen bringt dem Bäcker eine große Erleichterung.
Julius Trockels kann jetzt mehr produzieren als bisher.
Unter den 25 Soester Bäckereien nimmt er bald eine Spitzenstellung ein.
Das „Anerbenrecht“, die Weitergabe des Hofes an nur einen Erben, wird im 19. Jahrhundert noch überall in Westfalen praktiziert. Diese Erbfolge sichert den Fortbestand des Hofes.
Die jüngeren Geschwister werden allerdings
gezwungen, sich nach etwas anderem umzusehen.
erwirbt er mit der Mitgift seiner Frau Elisabeth
ein Grundstück und bebaut es mit einem ansehnlichen Wohnhaus im Stil der Gründerzeit.
Dahinter setzt er ein Backhaus, dessen Kernstück ein Dampfbackofen ist, den Julius im
Jahr 1886, nach der Genehmigung durch
die Stadt, erbauen lässt. Zur damaligen Zeit
ist der Dampfbackofen eine große Innovation und auch Arbeitserleichterung für die
Bäcker. Heiz- und Backraum sind getrennt.
Der heiße Dampf gelangt über Perkins-Rohre,
die im Heizraum mit Briketts und Holz aufgeheizt werden, in die Backkammer.
Der neue Dampfbackofen ermöglicht es den
Bäckern, größere Mengen an Backwaren zu
produzieren als bisher. Zudem garantiert diese
Neuheit eine bessere und konstantere Qualität
der Backwaren.
Die mutige Investition in den technischen
Fortschritt erweist sich als richtige Entscheidung. Julius kann nach kurzer Zeit zwei Meister, zwei Gesellen und einen Lehrling, die in
In der Soester Osthofenstraße
baut der junge Bäckermeister
ein Geschäftshaus und einen
Dampfbackofen.
Julius entschließt sich, Bäcker zu werden. Er
macht eine Lehre und schließt die Ausbildung
mit der Meisterprüfung ab. Nun kann er eine
Bäckerei nach seinen Vorstellungen gründen.
Mitten in der Kreisstadt Soest, im Stadtteil
Osthofe, der zum inneren Stadtkern gehört,
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Die Bäckerei von Julius Trockels entsteht in der Osthofenstraße.
Im Schatten des alten Stadttors sieht es heute noch so aus wie
auf der kolorierten Postkarte vom Ende des 19. Jahrhunderts.
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Das Tor
in die
Osthofe
Der Gründer:
Julius Trockels
Links:
Julius Trockels (1861-1940)
ist der Gründer der Bäckerei Trockels,
aus der sich die Firma Kuchenmeister
entwickelte. Als junger Mann gehörte er
der kaiserlichen Garde „Garde du Corps“ an.
Rechte Seite oben:
Eiserkuchen werden in Milchkannen
gelagert, die fest verschlossen sind.
So bleiben die Eiserkuchen frisch und
werden nicht feucht.
Unten:
Die Waffeleisen von Julius Trockels
sahen anders aus als die der Hausfrauen.
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voller Verpflegung bei ihm sind, in seinem Betrieb beschäftigen. Von den etwa 25 Bäckereien in Soest zählte die Trockelssche Bäckerei zu
den größten.
Julius Trockels
gelingt ein
außergewöhnliches Meisterstück:
die Milch-Eiserkuchen.
Julius vollbringt eine logistische Leistung, da
er zu Fuß oder mit dem Fahrrad die notwendigen Rohstoffe besorgt, um sich persönlich
von deren Qualität zu überzeugen. Die Tätigkeit in der Backstube liebt Julius besonders.
Es ist eine schwere Arbeit, da der Teig noch
von Hand geknetet wird, bis er die gewünschte Geschmeidigkeit hat. Auch die Umsetzung
der Rohstoffe zu einem Gebäck ist eine große
Herausforderung für den Vollblut-Bäckermeister.
Schließlich gelingt Julius eines Tages ein außergewöhnliches Meisterstück: die Milch-Eiserkuchen, in einem Eisen gebackene Waffeln.
Die gerollte Form die Milch-Eiserkuchen erfordert handwerkliches Geschick und Schnelligkeit. Denn die noch heiße Waffel muss nach
kurzer Backzeit von Hand mit einem gekürzten Besenstiel aufgerollt werden. Dies muss
zügig erfolgen, da die Waffel bereits nach acht
Sekunden hart und knusprig ist. Oft sorgen die
Hitze und das rasche Verarbeiten dafür, dass
die Fingerkuppen des Bäckers darunter leiden
müssen.
Um die Haltbarkeit und Qualität zu gewährleisten, werden die Eiserkuchen in Milchkannen gelagert, die mit einem Deckel fest verschlossen sind. Darin bleiben sie garantiert
frisch. Das vollmundige Aroma und der unwiderstehlich leckere Geschmack machen die
Milch-Eiserkuchen zu einem begehrten Pro33
Wurst
im
Teig
dukt. Schnell wird Julius Trockels deshalb als
„Meisterbäcker“ in der Soester Börde bekannt.
Besucht er mit seinem Fahrrad die umliegenden Bauernhöfe, nimmt er stets eine Milchkanne voller Eiserkuchen mit. Er ahnt nicht, dass
er damit den ersten Vertriebsweg von Backwaren aus dem Hause Trockels beschreitet.
Um der steigenden Nachfrage nach Backwaren auch in den wachsenden Neubaugebieten
vor der Stadt gerecht zu werden, lässt Julius
von seinem Nachbarn August Karrie, der ein
Fuhrwerk besitzt, täglich Brot und Kuchen in
die neuen Siedlungen liefern.
Zu den ersten Soester-Spezialitäten gehört der
Trockelssche „Pfefferkuchen“. Das ist ein Weizenbrot, das mit Rübenkraut und Rosinen verfeinert und mit einer speziellen Gewürzmischung angereichert ist.
Das „Kuchenbrot“ bekommt durch die Zutaten die dunklere Färbung und auch seinen Namen. Mit der Post wird der Pfefferkuchen in
die Restaurants der umliegenden Ortschaften,
sogar bis Dortmund, versendet. Der Soester
Pfefferkuchen wird nachmittags, dick mit Butter bestrichen, zu einer Tasse Kaffee gereicht
und gilt als besondere Spezialität.
Pfefferbrot und „Wurst im Teig“ –
pro Mann ein halber Meter –
der neue Bäcker Julius Trockels
macht von sich reden.
Zu einer weiteren beliebten Back-Kreation
wird das fürs Schützenfest hergestellte „Wurstbrötchen“. Hierzu verarbeitet Julius die Mettwurst des benachbarten Metzgers. Die Mettwurst wird in einem Blätterteigmantel gebakken – als Maßeinheit dient die Formel: „pro
Mann ein halber Meter“.
Julius ist nicht nur als Bäckermeister in der
Soester Börde bekannt. Sein Engagement als
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Gründer Julius Trockels vorne Mitte,
Nachfolger Wilhelm Trockels hinten 2. v. r.,
Enkel Günter Trockels vorne links, dahinter Tante Sophiechen
35
Eine
Gold-Hochzeit
anno 1938
Mit Pflaumenkuchen ging der Gründersohn Wilhelm in die Firmenchronik
ein. Sein Trick: Er legte keine geviertelten Pflaumen auf den Kuchen,
sondern Pflaumenmus. Das stand ihm das ganze Jahr lang zur Verfügung.
Kirchmeister in der Hohne-Kirchengemeinde und seine Hilfsbereitschaft tragen dazu bei,
dass er in der Stadt sehr beliebt ist. Er weiß
auch, dass er seinen Erfolg der Mithilfe seiner
Frau Elisabeth und deren Organisationstalent
zu verdanken hat. Sie kümmert sich um den
großen Haushalt und verkauft im Laden die
Backwaren. Auch die Kinder Sophiechen und
Wilhelm werden schon früh zu Arbeiten im
elterlichen Betrieb und Haushalt eingespannt,
wie das früher allgemein üblich ist. Die Tochter
verlässt nach ihrer Heirat das Elternhaus und
zieht nach Düsseldorf. Mit der Liebe zu feinen
Backwaren aufgewachsen, verwöhnt Sophiechen ihre Gäste am Rhein mit selbst gebackenen Milch-Eiserkuchen nach dem Rezept von
Julius. Unkonventionell beliefert Trockels die
nahe Blinden- und Taubstummenanstalt. Die
frischen Backwaren werden zu Fuß auf dem
warmen Backblech angeliefert. Helmut, Sophiechens Sohn und Julius` erster Enkel, verbringt gerne die Ferien bei den Großeltern. Er
weiß, dass der Laden nicht umgeräumt werden
darf, damit die Blinden, die oft allein zum Einkauf kommen, sich im Laden zurechtfinden.
Pflaumen gedöpt
und das Mus in
Steinkrügen gelagertPflaumenkuchen das ganze Jahr!
Die begehrten Kuchen liegen immer rechts am
Eingang und immer nach dem gleichen Schema in der Hange geordnet. 1929 tritt Wilhelm,
der Sohn von Julius, an die Stelle des Vaters.
Im Backhandwerk groß geworden und in ihm
fest verwurzelt, erweitert Wilhelm die Produktpalette des Vaters um Konditoreiwaren. Seine besondere Spezialität wird der
Pflaumenkuchen. Um ihn ganzjährig anbieten
zu können (und nicht nur in der Pflaumen36
Das
Geschäftshaus Trockels
zwischen 1897 - 1944
Erntezeit), kocht er in großen Kupferkesseln
die Pflaumen zu Mus. In der Pflaumenzeit
kommen die Frauen aus der Nachbarschaft,
um zu helfen.
Die Pflaumen werden „gedöpt“ (entkernt). Das
gekochte Pflaumenmus wird unter der Beigabe
von Salizil (Einmachhilfe) in Steinkrügen, die
mit einem Holzdeckel versehen sind, im Keller gelagert. Die Beliebtheit des Trockelsschen
Pflaumenkuchens führt dazu, dass Wilhelms
Sohn Günter, geboren 1932, als I-Männchen in
der Schule den Spitznamen „Pflaumenkuchen“
erhält. Er trägt ihn mit Würde. Schließlich hat
er schon mit sechs Jahren vor Schulbeginn die
frisch gebackenen Brötchen in der Nachbarschaft ausgetragen – da kann er sich zu einem
solchen Spitznamen bekennen.
Trotz der
Verknappung der
Rohstoffe werden
Drei-Pfund-Brote gebacken.
Mit Kriegsbeginn werden die Rohstoffe in
Deutschland knapper. Konditoreiwaren können nicht mehr so ohne Weiteres gebacken
werden. So konzentriert sich die Bäckerei auf
Drei-Pfund-Brote, die zu einem fest gelegten Preis von 50 Reichspfennig verkauft werden. Günter kann zu diesem Zeitpunkt schon
richtig Brot backen. Es wird zwar „manchmal
krumm und schief“, wie er verrät, aber „die
Leute kaufen es!“
Das Geschäftshaus
des Bäckers Trockels ist 1897 fertig.
Das Backhaus befindet sich hinter
dem Laden- und Wohnhaus.
37
Ein Krieg
und seine
Folgen
Das für die Ewigkeit gebaute Geschäftshaus
Trockels stand von 1897 bis 1944.
Am 5. Dezember wird es zerstört.
38
Acht Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg
startet Günter Trockels, der Enkel des
Gründers Julius, in seine Karriere.
Die Nacht zum Nikolaustag 1944 verändert
mit einem Schlag das Leben der Soester Bürger drastisch. Ein Bombenangriff mit fast 500
Bombern zerstört große Teile von Soest. Auch
das Wohnhaus und Ladenlokal der Familie
Trockels werden bei diesem Bombenangriff
getroffen, sogar besonders schwer. Im Keller
des Gründerzeithauses sterben 34 Menschen,
darunter Günters Mutter sowie die 10-jährige Schwester Maidi und der 5-jährige Bruder
Hartmut. Dass Günter, 12 Jahre, überlebt, verdankt er dem Stadtbrandmeister und Freund
der Familie August Karrie, der ihn mit in den
nahe gelegenen Thomäbunker genommen hat.
Soest verfügt zu dieser Zeit über einen großen
Rangier- und Verschiebebahnhof der Eisenbahn und bildet damit den Knotenpunkt für
den Güterverkehr vom Ruhrgebiet nach Sachsen und Schlesien. Zudem befindet sich in der
Innenstadt eine kriegswichtige Akkumulatoren-Fabrik.
Nach dem Schicksalsschlag vom 5. Dezember
kümmern sich die Großmutter und ihre Tochter Luise, Tante Wisken genannt, die in Uentrop bei Hamm leben, um Günter. Sie leben
auf einem stillgelegten Bauernhof, auf dem es
noch eine Kuh und zwei Schweine gibt. Wichtiger für Günter aber ist ein für diese Zeit typischer Backofen, in dem alle zwei Wochen
für den Eigenbedarf gebacken wird. Zunächst
wird mit Reisig und Holz vorgeheizt. Ist das
Gewölbeinnere erhitzt, wird das verbrannte Reisig und das Holz von den Steinplatten
gefegt. Dann wird in der verbleibenden Hitze
des Backofens das Brot gebacken. Wenn es fertig ist, nutzt man die Restwärme, um „Knabbeln“ herzustellen, eine bekannte westfälische Spezialität: Brot wird in große Stücke gebrochen, und auf Holzhürden aus Latten im
Backofen geröstet. Durch diesen Röstvorgang
wird die Haltbarkeit der Knabbeln, die im Geschmack dem bekannteren Zwieback ähneln,
verlängert. In lauwarme Milch eingetaucht,
werden sie zum ersten Frühstück morgens um
fünf Uhr gegessen. Mit Zucker bestreut sind
sie für Kinder eine besondere „Leckerei“. Im
Herbst werden statt Knabbeln in der Restwärme des Backofens die Pflaumen für den Winter
getrocknet. Günter lernt von der Großmutter
den komplexen Umgang mit Sauerteig. Bei jedem Backvorgang wird ein wenig Restteig in einem Steingefäß kühl aufbewahrt. Dieser „saure“ Ansatz wird unter den nächsten Brotteig
gemengt. Das Backhandwerk ist so sehr fester
Bestandteil seines Lebens, dass Günter mit 14
Jahren in Hamm eine Bäckerlehre anfängt. Danach arbeitet er als Geselle in mehreren Betrieben im Großraum Hamm und im Ruhrgebiet.
Schließlich erhält er 1953 auf der Meisterschule im Olpe seinen Meisterbrief. Günter scheint
nach den Kriegsereignissen und der schweren Nachkriegszeit im Alter von 21 Jahren als
Bäckermeister endlich am Ziel.
39
Erste Schritte
in eine
bessere Zukunft
Mittlerweile ist auch die Großmutter verstorben.
Heimatlos und ohne Familie beschließt er im Januar 1954 mit 20 DM in der Tasche, nach Soest
zurückzukehren. In der Heimatstadt angekommen, erlebt er eine große Enttäuschung: Eine
Festanstellung als Meister in einem fremden Betrieb zu finden, ist schwer, fast unmöglich.
Doch die Bäckerei und Konditorei Gerstemeyer, dessen Sohn mit ihm zur Schule gegangen
ist, nimmt sich des jungen Meisters an. Nach
einigen Wochen fordert Bäckermeister Gerstemeyer von Günter, weil nun mehr Brot gebakken, aber dieses Brot nicht im Laden verkauft
wird, dieses mit dem Fahrrad auszuliefern.
Das klappt besser als erwartet. Mit einem
Brotkorb und zehn Kasseler-Broten, frei geschobenes Weizenmischbrot mit einem Anteil
von 70 Prozent Weizen und 30 Prozent Rog-
gen, strampelt Günter, wie einst der Großvater
zu den Bauern, mit dem Fahrrad in die Eisenbahnsiedlung von Soest. In der familienreichen
Gegend um die Hermannstraße klingelt er an
den Haustüren und verkauft erfolgreich die
überschüssigen Gerstemeyer-Brote.
Vormittags arbeitet er von vier Uhr bis vierzehn
Uhr in der Backstube, dienstags und freitags
verkauft er dann ab fünfzehn Uhr Brote. Bei
jeder Tour verdient Günter 1,50 DM. Da die
Brot-Lieferung ins Haus keinen Aufpreis ausmacht, denn das Brot kostet genau soviel wie
im Laden, hat er schnell einen treuen und zufriedenen Kundenstamm. Nach ein paar Wochen wird die Nachfrage so groß, dass Günter mit einem Bäcker-Fahrrad, das mit einem
Achsanhänger ausgestattet ist, die Tour fährt.
Vorne kann er nun 20 und hinten 40 Brote un-
40
Günter Trockels betreibt seinen Brot-Vertrieb anfangs mit
einem Fahrrad. Als das Geschäft blüht, steigt er auf ein
Motor-Dreirad um. Der Kundenradius vergrößert sich.
terbringen. Darum entschließt sich der junge
Trockels, eine zweite Tour für montags und
donnerstags für ein anderes Soester Viertel
aufzubauen, die Friedrichstraße. Es zeigt sich,
dass dies eine glänzende und gewinnbringende
Idee ist, denn auch die zweite Tour ist schnell
ausverkauft. Bäckermeister Gerstemeyer ist
zufrieden mit dem Brotverkauf, will aber mit
der wachsenden Vertriebsorganisation nicht
behelligt werden, so dass Günter Trockels am
1. April 1954 ein Gewerbe für den Brotverkauf
anmeldet.
Das Brotgeschäft floriert so gut, dass Günter
die Nachfrage kaum bedienen kann. Um noch
mehr Brote bei einer Tour ausliefern zu können, beschließt er, ein altes Motor-Dreirad für
800 DM zu kaufen. Der Trockelssche Brotlieferservice erweist sich als eine attraktive
Der Enkel
entdeckt
den Großvater
Marktlücke. Mit der erhöhten Mobilität durch
das Dreirad vergrößert sich auch der Kundenradius und die Nachfrage. Nun kommt es zu
ersten Lieferengpässen. Bäckermeister Gerstemeyer kann der steigenden Nachfrage nicht
mehr gerecht werden.
Im Jahr 1955 beschließt Bäckermeister Gerstemeyer, dem jungen, fleißigen Trockels zu
helfen. Günter arbeitet bereits nicht mehr bei
ihm. Gemeinsam fahren sie nach Paderborn
zur Brotfabrik Ostermann, um dort größere
Brotlieferungen an Günter zu erbitten. Es hilft,
Meister Gerstemeyer hat für ihn „gut gesagt“.
Zunächst wird das Paderborner Brot täglich
mit der Bahn von Paderborn nach Soest geliefert und in den frühen Morgenstunden von
Günter Trockels entgegen genommen. Nun
kann er neben den Drei- oder Vier-Pfund-
41
Geschäft in der Osthofenstraße 45
nach dem zweiten Bauabschnitt
Broten auch schon Ein-Pfund-Geschnittenes
(acht bis zehn Scheiben) anbieten. Verpackt ist
das Brot in Wachspapier, das anschließend von
den Hausfrauen noch zum Einpacken der geschmierten Butterbrote genutzt werden kann.
Nicht nur die Privathaushalte wissen das gewachsene Brot-Sortiment und den kundenfreundlichen Trockels-Lieferservice zu schätzen, auch die Lebensmittelgeschäfte in Soest
erkennen dessen Vorzüge. Und wieder steigt
bei Günter Trockels die Nachfrage und verlangt erneut eine schnelle Lösung, um den neuen Kundenkreis zufriedenstellen zu können.
Statt mit der Bahn wird das Paderborner Brot
nun zwei Mal in der Woche, dienstags und freitags, mit einem LKW nach Soest geliefert. Im
alten Backhaus von Julius Trockels in der Osthofenstraße, das im Krieg nicht zerstört wurde,
werden die Brote gelagert. In der Glanzzeit beliefert Trockels nun 80 Lebensmittelgeschäfte,
Kioske, Bäckereien und weiterhin die kinderreichen Privathaushalte in Soest. Einige Bäcker
entfernen das Wachspapier, das um die Brote
gewickelt ist, und verkaufen die industriell gefertigte Ware unter eigenem Namen. Schließlich ist jedes zweite Lebensmittelgeschäft in
Soest Kunde von Trockels, darunter Tengelmann, Kaiser´s Kaffee, Hill und auch Holbutko. Der pfiffige Bäckermeister nutzt eine
Marktlücke, die andere Lieferanten nicht sehen.
In seiner Glanzzeit beliefert
Trockels 80 Lebensmittelgeschäfte, Kioske und die
kinderreichen Privathaushalte.
Obwohl Günter Trockels es sich kaum leisten
kann und sehr sparsam leben muss, besucht
er am 1. Mai 1951 das Gewerkschaftsfest in
Hamm. Vor dem Gebäude findet er eine Ein42
Es gibt
wieder
Eiserkuchen
Die Trockels-Söhne 1969:
v. l.: Uwe, Thomas und Hans-Günter
Frühe Auslieferung
bis nach
Norddeutschland im Jahr 1960
trittskarte und auf dem Fest trifft er seine zukünftige Frau. Sie heißt Ursula und ist 17 Jahre
alt. 1955 heiraten die beiden.
Anfangs ist das Geld der Eheleute sehr knapp,
so dass Ursula noch bei ihren Eltern in Hamm
wohnt. Das Haus in der Osthofenstraße ist
noch eine Ruine. Der Krieg und auch Plünderungen haben erhebliche Spuren auf dem
Grundstück hinterlassen.
Günters Einkünfte reichen nicht einmal aus,
um den Schutt abtragen zu lassen, geschweige denn, das Haus wieder aufzubauen. Er ist
verärgert, weil er für das zu diesem Zeitpunkt
völlig wertlose Grundstück eine Grundsteuer
zahlen muss. Daher räumt das junge Ehepaar
selbst mühselig den Schutt mit Schubkarren
und Pferdewagen vom Grundstück.
1957 beziehen die jungen Leute schließlich
einen neu geschaffenen Flachbau auf dem
Grundstück, bestehend aus einem Ladenlokal und zwei dahinter befindlichen Wohnräumen. Ursula kümmert sich von nun an um das
Ladenlokal, den Haushalt und räumt weiterhin den Schutt vom Grundstück, um der nun
wachsenden Familie ein Heim zu schaffen.
1958 wird Sohn Hans-Günter geboren, drei
Jahre später, im Jahr 1961 folgt Thomas, 1963
kommt Uwe zur Welt und 1969 wird schließlich die ersehnte Tochter Karin geboren.
Die vierte Generation tritt an:
Günter Trockels bezieht seine
drei Söhne in das Familienunternehmen ein.
„Und immer, wenn wieder ein Kind unterwegs
war, wurde wieder ein neuer Bauabschnitt umgesetzt, entweder für den gewerblichen oder
aber für den privaten Bereich“ , erinnert Günter sich an die schwere Zeit. Auch die Kinder
von Günter Trockels wachsen eng verknüpft
43
Eiserkuchen sind zerbrechlich,
daher werden sie mit einfachen Mitteln von Hand
in Polybeuteln verpackt.
mit dem Backhandwerk und den wachsenden
Aufgaben und Anforderungen des Familienunternehmens auf. Günter schafft es im Verlauf
der Jahre, alle Söhne in das Familienunternehmen einzubeziehen. Tochter Karin geht einen
eigenen Weg und wird Architektin.
Mit Tante Sophiechens Hilfe
wird das Erfolgsrezept
der Milch-Eiserkuchen
wieder neu entdeckt.
1956 erweitert Trockels auf Wunsch der Paderborner Fabrik Ostermann das bestehende
Brot-Sortiment um Sandkuchen. Nun kann
er neben Brot erstmalig seinen Kunden auch
Kuchen anbieten. Wiederum erweist sich dieser neue Geschäftszweig als eine erfolgreiche
Nische. Mit Backwaren in der Familie groß geworden, eine Ausbildung bis hin zum Bäckermeister absolviert – da lag es auf der Hand, das
Gelernte selbst wieder einzusetzen.
Trockels fällt der fast schon vergessene, aber
beliebte Milch-Eiserkuchen, den Großvater Julius gebacken hat, wieder ein. Er besucht Tante
Sophiechen, die Schwester des Vaters, die noch
das vom Großvater aufgeschriebene Rezept
hat. Unterstützt von seiner Frau Ursula fängt
Trockels mit der Eigenproduktion der Eiserkuchen nach dem Rezept von Großvater Julius
an. Schnell hat er neun Waffeleisen beschafft.
Zum Backen werden Frauen aus der Nachbarschaft angeworben.
Schon bald beschäftigt Trockels 50 Frauen.
Die selbst gebackenen Eiserkuchen werden in
ganz Nordrhein-Westfalen, aber auch bis nach
Nord-Deutschland geliefert. Besonders beliebt
sind sie im Rheinland.
Im Jahr 1957 entscheidet das Vertriebs- und
Organisationstalent Günter Trockels, zu dem
sich der Bäcker inzwischen entwickelt hat, die
44
Eiserkuchen
auf der
Wäscheleine
45
Nach
Großvaters
Rezept
Hausauslieferungen von Brot aus Zeitgründen
einzustellen. Die Nachfrage nach Eiserkuchen
wird immer größer, so dass für ihre Herstellung eine halbautomatische Maschine angeschafft wird. Dies ist der Beginn der industriellen Fertigung.
Schon zwei Jahre später kommen zwei halbautomatische Maschinen hinzu, die die Produktionskapazität deutlich ankurbeln. 1959 kauft
In der industriellen Fertigung
eine ungewöhnliche Marketingidee:
Warenpräsentation
an der Wäscheleine
Trockels dann die erste vollautomatische Maschine, die soviel leistet wie drei halbautomatische Maschinen leistet. Nur ein Jahr später
kauft er dann die zweite vollautomatische Maschine.
Um eine gleichbleibende Qualität der Backwaren zu gewährleisten, muss die Rezeptur des
Großvaters immer wieder an die neuen Backgeräte angepasst werden. Entgegen dem damals einsetzenden Trend bei der Herstellung,
statt teurer Milch Wasser zu verwenden um zu
sparen, bleibt Günter Trockels immer der Familienlinie treu, Qualitätsware liefern zu wollen. Der Erfolg gibt ihm bis heute Recht.
Da die Eiserkuchen sehr zerbrechlich sind,
wird die Warenpräsentation mit einfachen,
aber effektiven Mitteln „gesichert“:
Der beliebte „Uiserkauken“, wie er in Westfalen heißt, wird in Polybeuteln vorsichtig
mit der Hand verpackt. An einer Wäscheleine werden die Tütchen, die ca. 15 Milch-Eiserkuchen enthalten, dies entspricht ca. 180
Gramm, nebeneinander aufgehängt und so angeboten - eine nutzbringende Marketingidee.
Die Tütchen werden zu einem Preis von 1 DM
verkauft. Da die Milch-Eiserkuchen jedoch
Erste Produktionshalle im Coesterweg 31
im Jahr 1970
46
Bürgermeister, Rat und Stadtverwaltung von Soest bestaunen 1972 die erste Produktionshalle der
neuen Kuchenfabrik am Coesterweg, die 1970/71 im Industriegebiet entstand. Der vierzigjährige
Günter Trockels (rechts) erläutert sein Werk.
sehr bruchempfindlich sind, gibt es auch Tütchen mit zerbrochenen Röllchen. Der findige
Trockels bietet sie kurzerhand für die Hälfte
des Preises an. Besonders beliebt sind die völlig zerbrochenen Milch-Eiserkuchen, die für
einen Groschen besonders von den Schulkindern gerne gekauft werden.
Ohne den Einsatz von Werbung oder einem
heute notwendigen Marketingkonzept wird
diese Idee schnell bekannt, und sorgt für eine
große Nachfrage und auch raschen Absatz.
Obwohl Günter mit Fleiß und viel Einsatz die
Bäckerei in den 50er Jahren wieder aufbaut,
verwehrt ihm der Soester Stadtdirektor immer wieder neue Baugenehmigungen. Auf einer Handskizze liest Günter eines Tages den
Grund für die Verweigerung des Stadtdirektors: „Der hat zu große Hosen an!“
Ein großer Irrtum des Stadtdirektors, wie der
Umzug in das Gewerbegebiet in den Coesterweg 1970 beweist. Die Hose war demnach
nicht zu groß, sondern zu klein!
Um dem Geschmackstrend nach einem beliebten und gängigen Kuchen, dem Rodonkuchen,
entsprechen zu können, kauft Günter Trockels
1961 einen Netzbandofen.
Durch den neuen Netzbandofen
und eine spezielle Verpackung
wird Rodonkuchen
bundesweit ein Verkaufsschlager.
Der neue Netzbandofen gewährleistet eine
spürbare Qualitätsverbesserung der Backwaren. Die Backzeitverkürzung ermöglicht,
dass die Backwaren sich sowohl in Bezug auf
Feuchte, Volumen als auch Lockerheit verbessern. Zudem gelingt es Trockels, den Rodonkuchen mit einer speziellen Verpackung für
vier Wochen haltbar zu machen. Das gut aufgebaute und funktionierende Vertriebssystem
47
sorgt schließlich dafür, dass der Rodonkuchen
schnell bundesweit verkauft wird. Zusätzlich
wird das Sortiment um hochwertiges Spritzgebäck erweitert.
Neben der Liebe zu Backwaren hat Günter
Trockels sicherlich die Innovationsfreude, die
Aufgeschlossenheit und Neugierde für Technologien von seinem Großvater geerbt. Bis
heute sind diese Eigenschaften feste Säulen der
Unternehmensphilosophie.
Mit dem Kofferraum voll Kuchen fährt Günter 1969 in seinem VW über Helmstedt nach
Berlin, um auch dort seinen Kuchen anzubieten. Nach kurzen Verhandlungen bestellt die
Berliner Firma Schiesser wöchentlich eine
LKW-Ladung Kuchen. Bedingung ist, dass
die Ware jeden Donnerstag so gegen zwei Uhr
morgens in Berlin sein muss, um für das Wochenende frisch in den Berliner Geschäften zu
sein. Aus Kostengründen entscheidet Günter Trockels, für diese Tour wöchentlich einen
7,5 Tonner LKW zu leihen und das Fahrzeug
nach der Auslieferung der Waren in Berlin bei
der Leihfirma wieder abzugeben. Der Fahrer
nimmt für die Rückreise dann den Zug.
Umzug
auf die grüne Wiese
in den Coesterweg 31
im Industriegebiet Süd-Ost
Durch das hohe Verkehrsaufkommen der
LKWs in dem Wohngebiet rund um die Osthofenstraße, kommt es im Jahr 1970 zu Beschwerden der dortigen Bewohner. Der Zwang,
auf die „grüne Wiese“ umzuziehen, veranlasst
Günter Trockels, nun das Unternehmen neu zu
strukturieren. Er setzt alles auf eine Karte und
baut am Coesterweg im Gewerbegebiet SüdOst in Soest eine moderne, mit neuesten Technologien ausgestattete Gewerbehalle. Nach
48
Kuchenmeisters
Highlights:
Der Stollen
49
Kuchenmeisters
Highlights:
Der Kranzkuchen
Werbeaufnahme
aus den 1980er Jahren
50
der Fertigstellung bezieht das Unternehmen
1971 die neuen Büro- und Produktionsräume
mit einer Fläche von 1200 Quadratmetern.
Trockels kämpft nach wie vor selbst an vorderster Front für den Vertrieb seiner Produkte. Als ein norddeutsches Unternehmen den
Preis der Trockelsschen Backwaren erheblich
zu drücken versucht, bleibt er hartnäckig und
unnachgiebig. Schließlich beendet er die Preisverhandlungen. Ein niedrigerer Preis für die
Backwaren wäre nur möglich gewesen, hätte er Einsparungen bei der Auswahl und auch
der Verwendung der Rohstoffe vorgenommen.
Aber Wasser statt Milch oder weniger Butter
zu verwenden, entspricht nicht seiner Qualitätsphilosophie.
zur Folge, dass Günter Trockels den Export
seiner Produkte in das benachbarte Ausland
vorantreibt, da auf den Exportmärkten höhere
Preise zu erzielen sind. Zu den ersten Ländern,
die von Trockels im Jahr 1975 beliefert werden,
gehört Italien.
Doch der lange Transportweg sowie die Hitze
in Italien stellen das Exportvorhaben vor neue
Herausforderungen, da die Ware schneller verdirbt.
Der neuen Herausforderung den Kuchen haltbarer und dadurch auch exporttauglicher zu
machen, begegnet der findige Trockels 1976
mit einer neuen Technik. Hierzu lässt er unter Mithilfe verschiedener Experten eine spezielle Verpackungsmaschine bauen. Ein maßgeschneidertes Verfahren für den Verpackungsprozess soll die längere Haltbarkeit der Produkte gewährleisten, und dies ohne Qualitätseinbußen. Ermöglicht wird dies durch einen
Atmosphärenaustausch innerhalb der Verpakkung. Dabei wird der Restsauerstoffgehalt innerhalb der Verpackung auf ein Minimum reduziert.
Nein, zu Qualitätsverlust:
Milch statt Wasser –
Ja, zu eigener
Qualitätsphilosophie
Daher bekommt ein anderer Produzent, der
preisgünstiger liefern kann, schließlich den
Auftrag. In Norddeutschland bemerkt man
jedoch kurze Zeit später, dass die günstigere
Ware nicht den gewünschten Qualitätsmaßstäben entspricht. Dies hat rückläufige Zahlen zur
Folge, so dass sich die Trockelsschen Qualitätsprodukte nun doch durchsetzen. Bestätigt
durch diesen Vorfall, bleibt Trockels immer seiner Linie treu und setzt sich weiterhin für eine
„kompromisslose Qualität der Backwaren“ ein.
Kurze Zeit später, im Jahr 1973, erwirtschaftet das Unternehmen am neuen Standort eine
Million Euro.
Allerdings verlangen die veränderten Marktgegebenheiten auch ein Umdenken. Die Kuchenpreise purzeln in Deutschland bis zu 20 Prozent. Hierdurch reduzieren sich zwangsläufig
auch die Gewinnmargen. Dieser Umstand hat
Maßgeschneidertes Verfahren
für Verpackungsprozess
gewährleistet längere Haltbarkeit
und erfolgreichen Export
Garanten für den kompromisslosen Qualitätserhalt sind nach wie vor die sorgfältige Auswahl und Verarbeitung der Rohstoffe. Die
Basis für qualitativ hochwertige und exporttaugliche Kuchenprodukte ist ein sensibles
Herstellungsverfahren, das bis zur Abnahme
und Durchführung unzähligen Tests und Prüfungen unterliegt. Gut ausgebildete Mitarbeiter sowie die Bereitschaft, in neue Technologien zu investieren, sichern dem Unternehmen
deutliche Vorteile im Wettbewerb.
51
Die ersten Exporterfolge hat Trockels mit Rodonkuchen, großvolumiger gebacken und daher leichter und lockerer als die italienischen
Backwaren. Beliefert werden Backwarengroßhändler, die dann den weiteren Vertrieb übernehmen.
Ende der 70er Jahre werden die Backvertriebe immer weiter verdrängt, die Brotfabriken
übernehmen selbst den Vertrieb. Trockels beweist jedoch Lieferantentreue und beliefert
nun selbst die Brotfabriken. Lieferungen direkt an den Lebensmittelhandel sind eher selten. Zu den Exportländern zählen inzwischen
Italien, Frankreich und die Niederlande. Aber
auch kleinere Lieferungen nach Übersee werden erfolgreich durchgeführt.
Chancen in neuen Märkten erkannt:
Mut zum Export
erst in Europa –
dann weltweit
Im Ausland setzen sich die Trockelsschen Backwaren aufgrund ihrer hohen Qualität schnell
durch und führen zu einer enormen Nachfrage. Nachdem auf dem deutschen Markt die
Distributionsstufe durch die Fusionen von
Brotfabriken zerbricht, trifft das Unternehmen nun gezwungenermaßen auf den Einzelhandel. Hier muss das Unternehmen nun um
seine Positionierung kämpfen. Der kompromisslose Glaube an Qualitätsprodukte sowie
dessen Umsetzung erschweren den Einstieg
in den Lebensmittelhandel. Obwohl der Wettbewerbs- und Preisdruck immer größer werden, hält Trockels an der hohen Qualität und
auch den damit verbundenen höheren Preisen
fest. Grundlage für sein Handeln bleibt der feste Glaube, dass Qualitätsbackwaren sich nur
mit besten Rohstoffen herstellen lassen. Nur
so kann sich das Produkt langfristig beim Ver52
Kuchenmeisters
Highlights:
Der Tortenboden
53
braucher durchsetzen. Weiterhin investiert das
Unternehmen in neue Technologien, um den
Qualitätsstandard immer weiter auszubauen.
Nach und nach setzt sich die Trockelssche Unternehmensphilosopie dann gegen die Qualitäts- und Preisdifferenzen der anderen Anbieter durch.
1982: Der Firmenname
“Kuchenmeister“ wird
erfunden und setzt sich
weltweit durch.
Die Anfangsbuchstaben aus Günter Trockels
bilden im Jahr 1979 den Firmennamen GüTro.
Da die Süßwarengroßhändler mit der Abkürzung SüGro operieren, verlangen sie wegen
des Gleichklangs der Namen eine Umbenennung des Unternehmens. Kurzzeitig benennt
er das Unternehmen GuTro. Auf den Messen lässt sich der Unternehmensname jedoch
schlecht in andere Sprachen übersetzen. Daher
fällt 1982 die Wahl auf den Unternehmensnamen „Kuchenmeister“. Übersetzung und Unternehmenszweck sind somit in einem Wort
gegeben.
Im September 1989 präsentiert Kuchenmeister
auf der Leipziger Herbstmesse eine kleine Sortimentsauswahl. Ziel ist es, in den Intershops
der DDR die Kuchenmeister-Produkte anbieten zu dürfen. Das Unternehmen Kuchenmeister hinterlässt bei den anwesenden Vertretern des Backwarenkombinats Berlin, insbesondere bei dem zuständigen Technologen
des DDR-Unternehmens Rüdiger Jank, einen
interessanten Eindruck.
Nach dem Mauerfall im November 1989 wird
schließlich ein Besichtigungstermin in Berlin
vereinbart. Das „Backwarenkombinat Berlin“
wird nach dem Mauerfall umbenannt, und nun
als „Stadtkonditorei Berlin GmbH in Grün-
Erster Messestand der
Kuchenmeister GmbH
zur Internationalen Süßwarenmesse (ISM)
in Köln, 1982
54
Kuchenmeisters
frühe
Messe-Präsentation
dung“ bezeichnet. Diese neue und ungewöhnliche Wirtschaftsform wird zur Veräußerung
von Staatsbetrieben durch die Treuhand angewendet.
Nach dem Mauerfall von 1989:
Intermezzo
im Zentrum
von Ostberlin
Anfang Februar 1990 besuchen Vater Günter, Mutter Ursula und Hans-Günter zuerst
eine Produktionsstätte in Marzahn. Nachdem
sich herausstellt, dass die Produktionsstätte
in Marzahn für eine Übernahme nicht in Frage kommt, besichtigt man in Berlin-Lichtenfeld, nur 300 Meter vom ehemaligen Staatssicherheits-Ministerium entfernt, die dortige
Produktion. Das 1914 erbaute Gebäude in der
Josef-Orlopp-Straße 42 hat eine Produktionsfläche von 5000 Quadratmetern auf mehreren
Etagen. Die dort beschäftigten 400 Mitarbeiter
produzieren Feinbackwaren und Baumkuchen
in einer ersten vorindustriellen Form.
Um das Unternehmen Kuchenmeister und
dessen Arbeitsweise kennenzulernen, besucht
Rüdiger Jank Ende Februar 1990 die Produktionsstätte in Soest. Besonders großes Interesse
und Bewunderung zeigt der ostdeutsche Besucher für die drei hochmodernen Backstraßen,
auf denen Rührkuchen und Rodons produziert werden. Der Bau zweier neuer Backstraßen in Soest ist bereits für Mai 1990 geplant.
Inspiriert und auch fasziniert von dem regen
Gedankenaustausch zwischen den Backspezialisten in Soest und Berlin folgen weitere Besuche. Am 1. April 1990 entscheidet Hans-Günter bei einem Abendessen mit Rüdiger Jank
im Soester Pilgrim-Haus, die Platenkuchenproduktion von Soest nach Berlin zu verlegen.
Hierzu soll die Platenkuchenanlage in Soest ab55
und in Berlin wieder aufgebaut werden. Spontan fertigt Hans-Günter einen ersten Entwurf
des geplanten Vorhabens auf einem Bierdeckel
an. Auf die Frage, wann die Produktion dort
aufgenommen werden sollte, antwortete er mit
Blick auf den Kalender seiner Armbanduhr:
„Am 1. Mai muss das laufen – wir sind nicht
mehr im Sozialismus.“
Zurück in Berlin sorgt Jank mit dieser Nachricht und dem Plan auf dem Bierdeckel bei
dem verantwortlichen Kombinatsdirektor für
Verblüffung. Rasch wird auf Grund der ersten Bierdeckel-Skizze die weitere Feinplanung und -abstimmung vorgenommen. Innerhalb von nur acht Tagen wird schließlich die
Soester Anlage für Platenkuchen ab- und in
Berlin, wieder aufgebaut. Dieses Vorhaben
hätte zu DDR-Zeiten wahrscheinlich zwei
Jahre beansprucht.
Sensation in acht Tagen:
Anlage für Platenkuchen
in Soest ab- und
in Berlin aufgebaut
Am 1. Mai 1990 wird die Produktion von Platenkuchen in Berlin wie vorausgesagt aufgenommen. In den ersten Wochen der Einarbeitungsphase unterstützen Mitarbeiter aus Soest
die Berliner Kollegen. In drei Schichten werden am Tag 30.000 Platenkuchen produziert.
Kuchenmeister ist das erste Unternehmen der
Backbranche, das noch vor der Währungsunion am 1. Juli 1990 in Ostdeutschland die
Produktion aufnimmt. Eine bemerkenswerte und auch mutige Entscheidung, da die politische Zukunft noch ungewiss ist. Noch gelten die wirtschaftlichen Strukturen der DDR,
so dass Hans-Günter die Preisverhandlungen
für den Platenkuchen mit dem Direktor der
Ökonomie aushandeln muss. Ein Kuchen von
56
Kuchenmeisters
Highlights:
Der Platenkuchen
57
Kuchenmeisters
Highlights:
Konditorkuchen aus Soest
58
400 Gramm wird zu einem Preis von 6 DM
verkauft. Auch ohne Marketing- und Verkaufsstrategien überzeugen der akzeptable
Preis, dazu die hohe Qualität der Kuchenmeister-Produkte sowie die ansprechend bunte
Verpackung. Die Möglichkeiten erkennen und
auch nutzen, dies ist Kuchenmeister mit der
unkonventionellen, aber professionellen Vorgehensweise in Berlin gelungen.
Die Nacht zum 1. Juli 1990, die Nacht vor der
Währungsunion, verändert das Warenangebot
in den „Kaufhallen“ und Geschäften der ehemaligen DDR. Die Regale und Kühltruhen
in den Geschäften werden leer gefegt, das ostdeutsche Sortiment ausgemustert. Es erfolgt
die Umstellung auf das westdeutsche Warenangebot.
einer Doppelstockverladung und aufwändiger Kühlung ermöglicht eine Optimierung der
Frachtkosten sowie die Qualitätsgarantie. So
sind verlässliche Lieferungen auch am Wochenende und in der Hauptsaison gewährleistet.
1997: Kinderhörnchen
mit Nuss-Nougat-Füllung
1999: Produktion von
Kuchenriegeln
Mittlerweile verfügt Kuchenmeister über einen hochmodernen, stattlichen Fuhrpark. Das
Unternehmen ist eines der ersten, dessen Fahrzeug-Flotte komplett mit Pflanzenkraftstoff
betrieben wird.
Nur Intuition, nicht Marktanalysen oder Wirtschaftsprognosen, veranlassen Hans-Günter im
Jahr 1997, die Kinderhörnchen mit einer NussNougatfüllung zu verfeinern. Heute ist Kuchenmeister Marktführer in diesem Segment.
Im Jahr 1999 schreibt ein Großkunde den Auftrag zur Produktion von besonderen Kuchenriegeln aus. Es bewerben sich über 30 Firmen.
Kuchenmeister erhält den Zuschlag, die Produktionsanlage wird in der Rekordzeit von
drei Monaten geplant, gebaut und in Betrieb
genommen.
Um die herausragende eigene Position im hart
umkämpften deutschen Markt zu festigen, ist
Kuchenmeister gezwungen, weiter zu expandieren. Da Südzucker den Rückzug aus dem
Kuchengeschäft plant, übernimmt Kuchenmeister im Jahr 2000 die beiden zu diesem
Zeitpunkt defizitären Produktionsstätten der
Lady Cake Feine Kuchen GmbH in Mettingen
(Nordrhein-Westfalen) und Duingen (Niedersachsen). Die Übernahme erfordert eine
nachhaltige Restrukturierung und durchdachte Umorganisation der beiden Lady Cake-Betriebsstätten. Die große räumliche Distanz er-
Rezept für Unternehmenserfolg:
Kompromisslose Qualität,
Flexibilität, Serviceorientierung
und die Liebe zu Backwaren
Andere Anbieter und auch Produzenten wollen nun auch auf dem neu geschaffenen Wirtschaftsmarkt agieren.
Reaktionsschnell und flexibel auf die gegebenen Umstände der Zeit zu reagieren, dies sind
sicherlich die Faktoren für den Unternehmenserfolg der Familie Trockels. Der unbedingte
Glaube an Qualitätsprodukte, aber auch die
Neugierde und Faszination an technischen
Innovationen und Möglichkeiten sind weitere Erfolgsfaktoren. Um schneller, effizienter,
pünktlicher und noch serviceorientierter liefern zu können, baut Kuchenmeister den eigenen LKW-Fuhrpark aus, und erwirbt im Jahr
1996 das direkt angrenzende von dem Spielwarenhersteller Hasbro betriebene Logistikzentrum in Soest. Das Gelände ist 7.000 Quadratmeter groß. Die Anschaffung von LKWs mit
59
Kuchenmeisters
Highlights:
Die Sachertorte
60
schwert die ortsübergreifende Kommunikation sowie die Umsetzung und Verfestigung der
übergeordneten Strategien.
Um das Vorhaben dennoch strukturiert umzusetzen, wird daher der Overhead der neuen Produktionsstätten - angefangen vom Einkauf bis hin zum Vertrieb – nach Soest verlegt.
Die Organisations- und Personalstrukturen in
Duingen und Mettingen werden analysiert und
optimiert, um die Integration in das Mutterunternehmen Kuchenmeister zu ermöglichen.
Hier wird besonderen Wert auf eine sorgfältige Planung im Vorfeld und eine sensible Umsetzung gelegt, um die Mitarbeiter schrittweise
auf die Veränderungen vorzubereiten und diese gemeinsam und unter Wahrung der Interessen aller Beteiligten zu realisieren.
Strategisches Wachstum und
größere Verantwortung
verlangen weitsichtige und
sensible Umsetzung
So verfügt Kuchenmeister nun über sieben zusätzliche Produktionsanlagen, was eine erhebliche Kapazitätsausweitung auf der einen Seite und natürlich erhebliche Investitionen auf
der anderen Seite mit sich bringt. Die zusätzliche Anpassung der Produktionsprozesse an
den Kuchenmeister-Qualitätsstandard erfolgt
durch kontinuierliche Verbesserung der Abläufe und den Einsatz modernster Technologien. Die Verantwortung für diesen anspruchsvollen Veränderungsprozess trägt Hans-Günter, der bis heute am jeweiligen Ort die Mitarbeiter über die Veränderungen informiert, sie
anleitet, und so die technische Verfeinerung
und das Bereitstellen neuer Möglichkeiten
durch individuelle Maschinenbaukonstruktionen, Sonderlösungen und modernsten Robotersystemen selbst initiiert und begleitet.
61
Die Erweiterung der Produktion bedeutet
auch, dass sich die bis dahin verwendeten Rezepturen gemäß dem Qualitätsstandard von
Kuchenmeister verändern. Trotz der hierdurch
unvermeidbaren Preiserhöhungen für den Verbraucher steigen die Absatzzahlen weiter. Dies
zeigt ganz offensichtlich die Wertschätzung
der Verbraucher gegenüber der Qualität der
Kuchenmeister-Produkte.
Auch in Thüle wird die Unternehmensphilosophie von Kuchenmeister sukzessive umgesetzt.
Großen Wert legt man auf die Umstellung der
Rezepturen, um den hohen KuchenmeisterQualitätsanspruch auch hier gewährleisten
zu können. Thomas verantwortet bei Kuchenmeister den Unternehmensbereich Finanzen &
Controlling.
Die komplexe Umstellung der Rezepturen an
allen Standorten sowie der Rohstoffeinkauf
wird von Uwe Trockels verantwortet. Die Verwendung qualitativ hochwertigerer Backzutaten bedeutet, dass zur Optimierung der Rezepturen auch die einzelnen Rohstoffe sowie der
Backprozess neu berechnet werden müssen.
Geringfügige Qualitätsveränderungen der
Rohstoffe haben bereits Auswirkungen auf den
sensiblen Backvorgang. Um Qualitätsverluste
zu vermeiden, werden die einzelnen Rohstoffe
immer wieder strengsten Untersuchungen und
Analysen unterzogen. Mittlerweile arbeiten
unter seiner Leitung zehn Produktentwickler.
Trotz höherer Preise:
Steigerung des Absatzes
und Sicherung der Position
am hart umkämpften Markt
Nach der Konfrontation mit zahlreichen Herausforderungen in zwei aufregenden Jahren ist
Kuchenmeister nun in der Konsolidierungsphase angekommen. Das Wagnis der Expansion bringt schlussendlich die erhoffte Sicherung
der eigenen Marktposition und ermöglicht zusätzlich die aktive Einflussnahme auf die Preisstrukturen des bewegten Marktes.
Im Jahr 2004 ändert sich durch die zum Verkauf
stehenden unwirtschaftlichen Kuchenbetriebe
der Kamps AG die Situation für Kuchenmeister. Barilla, die neue Muttergesellschaft der
Kamps AG, will mehrere Produktionsbetriebe
für Kuchen verkaufen. Um die eigene Marktposition zu halten, ist Kuchenmeister gezwungen, den Expansionskurs weiter voran zu treiben. Zum Verkauf stehen die Produktionsstätten in Give (Dänemark), Chrzanow (Polen) und in Thüle (Nordrhein-Westfalen). Die
Übernahme der Produktionsstätten in Give
und Chrzanow wird durch eine dänische Investorengruppe unter Beteiligung von Kuchenmeister vorgenommen.
Thomas Trockels übernimmt die Produktionsstätte in Thüle und benennt sie nach seiner
Tochter Audrey in „Audrey Cake GmbH“.
Zukunftskonzepte
bedeuten einen Mehrwert
für das Unternehmen
Kuchenmeister
Hans-Günter, der 1995 die operative Geschäftsführung für das Unternehmen Kuchemeister
GmbH übernommen hat, ist der Visionär unter den Brüdern. Er ist fasziniert von neuen
Strategien und Innovationen – Zukunftskonzepten – die langfristig einen Mehrwert für das
Unternehmen bedeuten können. Er betreut
unter anderem die technische Ausstattung in
den Produktionsstätten. Um das Backergebnis
und die Qualität zu optimieren und eine Reduzierung des Energieverbrauchs herbeizuführen, lässt er eigene Konstruktionen bauen,
die auch von anderen Firmen genutzt werden.
62
Kuchenmeisters
Highlights:
Der Baumkuchen
63
Kuchenmeisters
Highlights:
Die Baumkuchen-Spitzen
Im Frühjahr 2009 erwirbt Kuchenmeister von
der ehemaligen Zuckerfabrik Soest ein zehn
Hektar großes Gelände der ehemaligen Zukkerfabrik in Soest. Um zukünftig eine noch
höhere Servicequalität bieten zu können, soll
dort ein hochmodernes Logistikzentrum mit
einem vollautomatischen Hochregallager gebaut werden. Zudem bietet das Gelände genügend Fläche für weitere Expansionen im Produktionsbereich. Seit zehn Jahren setzt sich
Kuchenmeister für den „papierlosen“ Betrieb
ein. So wenig Papier wie möglich in Verwaltung und Betrieb zu nutzen, soll durch individuell entwickelte IT-Lösungen umgesetzt werden.
Kuchenmeister setzt sich
für Nachhaltigkeit ein:
Ökologisch, sozial und
wirtschaftlich
Neue energiesparende Beleuchtungskonzepte
gehören ebenso wie sinnvolle Wärmerückgewinnungsanlagen zu den zukunftsträchtigen
Umsetzungen von Kuchenmeister. Das Unternehmen soll nachhaltig energiebewusst und
ressourcenschonend arbeiten. Nachhaltiges
Wirtschaften, regelmäßige Innovationen und
stetige Weiterbildung sind wesentliche Faktoren für die Zukunft eines Unternehmens. Um
dies umzusetzen, müssen die Entscheidungsträger in einem Unternehmen offen für Veränderungen sein.
Alles in Frage zu stellen – ist eine typisch
Trockelssche Eigenschaft. Auf Unverständnis
stößt der Satz: „Dies machen wir immer schon
so!“
64
Im Familienund
Unternehmensgeist
hat Günter Trockels sukzessive die Geschäftsanteile seiner Firma an seine Söhne Hans-Günter, Thomas und Uwe sowie an seine Tochter
Karin übertragen. Der schrittweise vollzogene
Generationenwechsel war 2008 abgeschlossen.
Allerdings hat der eigentliche Wechsel nicht
erst durch die Übertragung von Geschäftsanteilen stattgefunden. Der Senior hat seine
Söhne, ihren spezifischen Neigungen entsprechend, schon früh mit verantwortungsvollen
Aufgaben betraut. Sie müssen väterliche Herausforderungen meistern. Günter Trockels hat
es verstanden, den kompromisslosen Glauben an Qualität sowie die Liebe zum Backen
an die nächste Generation weiterzugeben. Er
weiß, dass „flache Hierarchien“, schnelle Entscheidungen und oftmals ungewöhnliche Vorgehensweisen zum Familien- und Unternehmensgeist gehören.
Zu den Stützen und Erfolgsträgern des Unternehmens zählt er jedoch auch die Mitarbeiter.
Angefangen von denen in der Produktion bis
hin zum starken Führungsteam, das mit einem
großen Handlungsspielraum und mit Verantwortung die Geschicke des Familienunternehmens maßgeblich mit beeinflusst.
Der Firmensenior
Günter Trockels
Der Firmen-Senior Günter Trockels verkörpert
nach Julius und Wilhelm die dritte Generation
der Trockels-Bäcker. In seiner Heimatstadt und
seiner Branche ist er der „Kuchenmeister“; er
tat den ersten Schritt zur industriellen Herstellung von Kuchen. Es ist ihm gelungen, aus der
ursprünglichen Familien-Bäckerei in der Osthofenstraße das Unternehmen Kuchenmeister
GmbH zu schaffen. Das „Wirtschaftswunder“
ist ihm mit viel Fleiß, Beharrlichkeit und har-
Der Visionär
Hans-Günter Trockels
Hans-Günter, das älteste von vier Kindern,
wird schon als Jugendlicher vom Vater in die
anfallenden Arbeiten des Familienunternehmens miteinbezogen. Am Wochenende und in
den Ferien hilft er bereits in der Produktion.
So lernt er sehr früh alle notwendigen Arbeitsschritte und Vorgänge kennen. Allmählich erweitert der Vater das Aufgabenspektrum des
ältesten Sohnes, um ihn an das Familienun-
ter Arbeit gelungen. Sparsamkeit und persönlicher Verzicht sind für die ersten bescheidenen
Jahre kennzeichnend. Ohne den Rückhalt der
Familie, insbesondere seiner Frau Ursula, wäre
dies nicht machbar gewesen. Das wachsende Unternehmen und die damit verbundenen
Aufgaben, Herausforderungen und auch Enttäuschungen bestimmten und prägten immer
das Familienleben der Trockels. Inzwischen
65
Mit Strategie
von Soest
in die Welt
ternehmen zu binden. Dies gelingt auch, denn
Hans-Günter erlernt bereits mit 13 Jahren freiwillig Buchführung und absolviert mit 16 ein
Praktikum bei einem Insolvenzverwalter. Mit
19 Jahren ist er gelernter Industriekaufmann
und mit 23 Jahren Industriebackmeister.
Zahlreiche weitere Praktika in den unterschiedlichsten Bereichen folgen. Rastlos und immer
auf der Suche nach neuen Herausforderungen
möchte Hans-Günter Anfang der 80er Jahre
neue Absatzmärkte für die Qualitätsprodukte des Unternehmens erschließen und somit
den Export weiter voran treiben, der zu dieser
sprechend das Flugzeug, um den Verkaufsradius der Kuchenmeister-Produkte zu erweitern.
Der junge, weltoffene Trockels sucht auf den
Gemeinschaftsständen der CMA den regen
Austausch mit den Importeuren. Exportleiter
anderer Firmen und auch Dienstleister aus den
unterschiedlichsten Aufgabenbereichen sind
für ihn wichtige Ratgeber und Ansprechpartner für den Aufbau eines weltweiten Absatzmarktes.
Jedes Land hat eigene Importbedingungen –
angefangen bei den Rohstoffen, den Zubereitungsvorschriften, den Versicherungen bis hin
zu den Versandabwicklungen. Nur die Berücksichtigung vieler Faktoren und die Feinabstimmung auf die landesspezifischen Bedingungen ermöglichen schließlich den erfolgreichen Export der Kuchenmeister-Produkte.
Mit unermüdlichem Einsatz und der richtigen
Einschätzung für mögliche Zukunftsmärkte
schafft es Hans-Günter, dass der Exportanteil
im Jahr 1989 einen Wert von 73 Prozent ausmacht.
Ende der 80er Jahre exportiert Kuchenmeister
bereits in 60 Länder weltweit. In Spanien eröffnet sogar ein eigenes Verkaufsbüro für die
beliebten Kuchenmeister-Spezialitäten.
Unablässig setzt er sich des Weiteren für technische Neuerungen und Verbesserungen bei
Kuchenmeister ein. Gerne greift er ungewöhnliche Ideen auf und versucht, auch kühne Visionen zu verwirklichen. Hans-Günter hat
dem traditionellen Familienunternehmen neue
Konturen verliehen.
Die 1991 geborene Karolin und ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Stefan sind der Stolz von
Hans-Günter und seiner Frau Karin. Durch
und durch Unternehmerpersönlichkeit, sucht
Hans-Günter auch privat stets nach neuen
Herausforderungen: Ob auf Skiern oder auf
dem Rad - die einfachen Strecken lässt er links
liegen. Für ihn darf es gerne auch mal bei Gegenwind bergauf gehen. Ein gutes Training,
wie die Unternehmensgeschichte zeigt!
Zeit ca. drei Prozent ausmacht. Auf Gemeinschaftsständen der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH
(CMA) präsentiert Hans-Günter die Kuchenmeister-Produkte in ganz Europa, in Bahrain,
in Washington, China, Rußland und auch in
Singapur. Ur-Großvater Julius und Vater Günter erschließen die ersten Vertriebswege mit
dem Fahrrad. Hans-Günter nutzt der Zeit ent66
Daten,
Zahlen und
Verträge
er den Vater an, einen PC anzuschaffen. Vater
Günter entspricht der Empfehlung des Sohnes.
Er fordert den Sohn aber gleichzeitig auf, die
Programmierung für die Abfertigung der Zollpapiere zu übernehmen. Dies ist nicht nur eine
Herausforderung, sondern drückt auch das
Vertrauen in die Fähigkeiten des erst 22-jährigen Sohnes aus. Viele Aspekte gilt es zu beachten, um ein funktionstüchtiges Programm
zu schreiben. Nach kurzer Zeit präsentiert er
1984 das erste EDV-gestützte Programm der
Kuchenmeister GmbH für die Vorbereitung
und Abfertigung der Zollpapiere. Das Programm vereinfacht den verwaltungstechnischen Aufwand und bringt eine Zeitersparnis
von etwa 80 Prozent.
Nach dem Studium erhält Thomas ein attraktives Stellenangebot von einem namhaften Software-Unternehmen in Süddeutschland. Doch
wieder ist es der Vater, der ihn überredet, sein
Wissen für das Familienunternehmen einzusetzen. Unter Vorbehalt gibt Thomas schließlich nach. Der Arbeitsauftrag des Vaters lautet: „Kümmere Dich ´mal bei uns um die Verwaltung!“ Das Unternehmen hat bis dahin
hauptsächlich in Produktionsverfahren investiert. Der Aufbau und die Strukturierung der
Verwaltungsaufgaben sind eher vernachlässigt
worden.
Der Umgang mit den einzelnen Arbeitsprozessen ermöglicht Thomas eine praxisorientierte und fundierte Analyse. Hierdurch
kann er die einzelnen Arbeitsabläufe durch
gezielte Lösungskonzepte und Umstrukturierungen immer wieder an die neueste Technik angleichen und so optimieren. Die Produktkalkulationen und Rezepturen werden
schrittweise im neuen Kuchenmeister-System
erfasst und vereinfachen in Folge den sensiblen Produktionsprozess. Ein Host Rechner basierend auf einer relationellen Datenbank ermöglicht sukzessive den Aufbau und
die Vernetzung aller Unternehmensbereiche. Heute wird die IT von einem Team, be-
Der analytische Finanzexperte
Thomas Trockels
Trockels zweiter Sohn Thomas studiert Anfang der 80er Jahre in Bamberg Betriebswirtschaft. Mathematik und die Elektronische Datenverarbeitung (EDV) sind bis heute seine
große Leidenschaft. Mit diesen Begabungen
will er unabhängig vom Familienunternehmen
in Soest eine berufliche Laufbahn einschlagen. Geschickt und unmerklich überwindet
Vater Günter jedoch die vom Sohn gewählte
sowohl räumliche als auch gedachte Distanz
zum Familienunternehmen. Thomas arbeitet
in den Semesterferien öfters in der Verwaltung
von Kuchenmeister und stellt dabei fest, dass
die Abfertigung der Zollpapiere ein überaus
langwieriger Prozess ist. Dieser Vorgang beansprucht die Mitarbeiter mitunter den ganzen
Tag. Der junge Trockels ist davon überzeugt,
dass dieser Ablauf zeitlich und verwaltungstechnisch verkürzt werden kann. Daher regt
67
Fundiertes Wissen
in Berlin
eingesetzt
stehend aus sechs Personen, bewältigt. Das
IT-System basiert auf einer virtuellen ServerWelt mit höchstem Sicherheitsniveau.
Das stetige Wachstum des Familienunternehmens bedeutet für Thomas, ein größer werdendes Aufgabenspektrum zu übernehmen.
Neben der verwalterischen Unternehmensplanung überträgt ihm der Vater auch zunehmend
die Verantwortung für alle Finanzierungsfragen. In der ersten Zeit führen Vater und Sohn
noch gemeinsam die Verhandlungen mit den
Banken oder handeln Verträge aus. Kurze Zeit
später erfolgt die Übertragung der Gesamtverantwortung für diesen Bereich an Thomas.
Thomas und seine Ehefrau Christa haben zwei
Kinder Sohn Justin ist 1994 geboren und Tochter Audrey zwei Jahre später.
von der Herstellung feinster Pralinen, ausgefallener Dessert-Spezialitäten bis hin zu ausgefallen Back-Kreationen vertiefen.
In Berlin kann er nun sein fundiertes Wissen
einsetzen. Kuchenmeister ist zu diesem Zeitpunkt ein Joint Venture Unternehmen der
Treuhandanstalt. Die veränderten Marktbedingungen und das größere Warenangebot führen
dazu, dass die typischen Ost-Artikel einen
erheblichen Kaufrückgang verzeichnen. Die
Treuhandanstalt kann diese finanziellen Einbußen nicht auffangen und muss daher nur ein
Jahr später die Produktion einstellen. Die von
Der kreative Backspezialist
Uwe Trockels
Eine Woche vor der Wirtschafts- und Währungsunion, Ende Juni 1990, erhält Uwe,
jüngster Sohn von Günter, der gerade erfolgreich die Ausbildung zum Konditoreimeister
in Wolfenbüttel bestanden hat, den Auftrag
vom Vater, sich um die Produktion in Berlin
zu kümmern. Die Gegebenheiten in Berlin erfordern, dass dort jemand als Berater und Verantwortlicher die Interessen von Kuchenmeister vertritt. Uwe hat wie bereits der Vater
und auch Ur-Großvater das Bäckerhandwerk
erlernt und anschließend eine Konditorlehre
absolviert.
Obwohl es nahe liegt, im Familienunternehmen das Erlernte einzubringen, will er nach
seiner Lehrzeit unabhängig sein. Daher folgen
wichtige Wanderjahre. In namhaften Konditoreien in Wuppertal, Bielefeld, Angers (Frankreich) und auch München kann er sein Wissen
Kuchenmeister produzierten Artikel sind nicht
von dieser Kaufzurückhaltung betroffen, so dass
kein Anlass besteht, sich zurück zu ziehen.
Uwe Trockels und Rüdiger Jank erkennen in
dem Rückzug der Treuhandanstalt eine Chance. Im Februar 1991 gründen sie die Firma „Le
Gourmet Feinbackwaren GmbH Berlin“ und
beschäftigen anfangs ca. 50 Mitarbeiter. Uwe
erhält von seiner Mutter Ursula einen Startzu68
schuss und wird Hauptgesellschafter. Obwohl
weiterhin eng mit Kuchenmeister zusammen
gearbeitet wird, ist Le Gourmet ein eigenständiges Unternehmen. Im Juni 1991 erweitert
das junge Unternehmen die Produktion um
Sandkuchen.
Hans-Günter besucht nach wie vor regelmäßig den Bruder in Berlin, um die Zusammenarbeit und die Möglichkeiten für die Unternehmen Kuchenmeister und Le Gourmet zu
optimieren. Die vorindustrielle BaumkuchenProduktion in Berlin und die damit verbundenen Möglichkeiten faszinieren die Brüder
Hans-Günter und Uwe gleichermaßen. Die
Produktion von Baumkuchen ist bis dahin
nur Konditoren vorbehalten. Das aufwendige Herstellungsverfahren macht Baumkuchen
zu einem hochwertigen Meisterstück. In den
Richtlinien für „Feine Backwaren“ im Lebensmittelgesetz ist das Verhältnis der Zutaten von
Butter, Mehl, Eier und auch Kuvertüre genau
vorgeschrieben. Baumkuchen ist zu dieser Zeit
teurer als Pralinen. Das Herstellungsverfahren
in Berlin erlaubt es, einen günstigeren Preis für
Baumkuchen zu verlangen. Der Baumkuchen
wird anfangs geschnitten in einer Faltschachtel angeboten, erweist sich aber in dieser Darreichungsform als Flop. Überzeugt von dem
Produkt, schlägt Uwe daher vor, den Baumkuchen als ganzen Ring zu verkaufen. Der Baumkuchen wird hierzu in der 250 Gramm Variante zu einem Preis von 4,99 Mark angeboten. Die
Gesamtoptik des Baumkuchens überzeugt den
Lebensmittelhandel. Baumkuchen wird zu einem saisonal begehrten Produkt. Das Produkt
Baumkuchen verlässt nun die elitäre Gourmetecke, da es nun viel günstiger angeboten wird. In
der Konditorei kostet 1 kg Baumkuchen zu dieser Zeit 60 DM, im Lebensmittelhandel 20 DM.
Das revolutionäre Preis- und Leistungsverhältnis führt dazu, dass viele Konditoren statt
selber zu backen, den Baumkuchen nun auch
in den Discountern kaufen, um ihn dann weiter zu verkaufen.
1992 wird der Baumkuchen von Trockels
mit einem Sonderpreis durch den Bundeswirtschaftsminister Jürgen W. Möllemann
(rechts) ausgezeichnet.
Links: Uwe Trockels.
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Wendepunkt für die
Familien- und
Firmengeschichte
Das junge Unternehmen kommt mit der Produktion der Baumkuchen kaum nach.
Um der steigenden Nachfrage und dem Bedarf gerecht zu werden, werden umgehend 20
Baumkuchenmaschinen aus DDR-Beständen
hinzugekauft. Zudem investiert man in eine
innovative Schokoladenüberziehanlage. Mittlerweile beschäftigt Le Gourmet bis zu 100
Mitarbeiter. Um auch ehemalige sowjetische
Zivilangestellte der UdSSR beschäftigen zu
können, werden die Rezepturen sogar in Kyrillisch übersetzt.
duziert. Die Ausweitung des Sortiments führt
jedoch zu erheblichem Platzmangel in den Produktionsräumen. So sucht das Unternehmen
nach einer neuen geeigneten Produktionsstätte
in Berlin. Nach der Wende sind die Immobilienpreise jedoch so exorbitant gestiegen, dass dies
unbezahlbar ist. Da der Quadratmeterpreis in
Soest deutlich niedriger ist als in Berlin, übernimmt im Jahr 1995 Kuchenmeister das Unternehmen Le Gourmet Feinbackwaren GmbH
Berlin. Die gesamte Produktion wird nach
Soest verlagert. Es ist eine Vernunftentscheidung, nach Soest zurück zu kehren.
Das Jahr 1995 ist ein Wendepunkt für die Familie Trockels und das Unternehmen. Der Vater erkrankt sehr schwer. Hans-Günter wird
Geschäftsführer, Thomas wird zum Prokuristen ernannt und Uwe übernimmt die Aufgaben des Vaters. Er ist nun für den Einkauf der
Rohstoffe, die Produktentwicklung bis hin zur
Qualitätssicherung zuständig.
Seit 1984 hat Uwe Trockels an der Entwicklung fast aller Produkte mitgearbeitet. Viele Back-Kreationen wie z.B. der Likör- und
Californiakuchen, die Sachertorte oder die
Osterlämmer sind ihm zu verdanken.
Patent für die erste
vollautomatische
Baumkuchenanlage
der Welt
Im Jahr 1992 erfolgt dann eine Patentanmeldung für die erste vollautomatische Baumkuchenanlage der Welt. Das junge Unternehmen
ist der erste Anbieter von Baumkuchen der
den Lebensmitteleinzelhandel hiermit beliefert.
1992 wird der Baumkuchen mit einem Sonderpreis für den besten Ostartikel durch Jürgen W.
Möllemann, Bundeswirtschaftsminister, ausgezeichnet. 1993 ist die Baumkuchen-Nachfrage
so erheblich, dass die Kapazität in Berlin ausgelastet ist und ein Teil der Produktion nach
Soest ausgelagert werden muss.
Gemäß der Devise von Günter Trockels: „Mache nie etwas, was es bereits im Handel gibt,
sondern mache etwas Neues!“ erweitert Le
Gourmet das Sortiment um BaumkuchenSpitzen sowie Croissants.
Mitte der 90er Jahre ist das Unternehmen der
erste deutsche Hersteller, der Croissants mit
Nougatfüllung herstellt. In der Testphase werden täglich 3.000 gefüllte Croissants produziert.
Schnell muss die Kapazität erhöht werden.
Heute werden bis zu 600.000 Stück amTag pro70
Der
Stadtpatron
Patroklus
Der Mann am Rathaus ist der älteste Trockels
überhaupt. Mit dem Griechen Patroklos, der
in den Trojanischen Krieg zog und dort getötet
wurde, hat er allerdings nichts zu tun.
Unser Patroklus, auf den sich alle deutschen
Trockels und Troklusse berufen, war ein
christlicher Märtyrer, der um 275 n.Chr. seines
Glaubens wegen in Troyes, Frankreich, starb.
Nach Soest geriet er, als der Bischof von
Troyes um 960 die Gebeine des Märtyrers dem
Erzbischof Bruno von Köln schenkte und dieser sie 964 an Soest weitergab. Hier kamen sie
in die Stiftskirche, die Bruno, ein Bruder des
Kaisers Otto I., gestiftet hatte. Der mächtige
Westturm, heute „der Turm Westfalens“ genannt, bildete einen Teil der Stadtbefestigung
und barg die städtische Rüstkammer.
Die Kirche wurde nach Patroklus benannt.
Aber der römische Jüngling blieb nicht nur
Kirchenpatron, er wurde auch Stadtpatron.
Seit 1270 zeigen die städtischen Siegel nicht
mehr den Apostel Petrus, sondern den Märtyrer. Und nach der siegreichen Fehde von 1444
bis 1449 waren alle Soester überzeugt, dass der
Stadtpatron ihnen zum Sieg verholfen hatte.
So kam sein Standbild ans Rathaus. 1716 wurde das steinerne Bildnis für den neuen barokken Flügel in Auftrag gegeben.
Um diese Zeit war sein Name schon längst ein
häufiger Vorname und auch ein Soester Familienname. 1553 erscheint der erste Trockels im
Bürgerbuch.
Dabei ergab es sich, dass die Träger des Namens Trockel (ohne s) meist der katholischen
Konfession angehören, die Trockels (mit dem
s am Ende) meist der evangelischen. Niemand
weiß noch, warum das so ist.
Das letzte Adressbuch von Soest von 1991
weist immerhin noch 13 katholische Trockel
und 26 evangelischen Trockels auf, darunter
die Angehörigen der Bäckerfamilie, die sich
den Firmennamen „Kuchenmeister“ zulegte.
Patroklus
Troklus
Trockels
Die Soester Bäcker-Dynastie Trockels
hat ihren Namen vom
Märtyrer Patroklus († 375).
So steht er am Rathaus zu Soest.
71
Ziele und Perspektiven
Wir wollen eine gesicherte und stabile Zukunft
für unser Unternehmen und unsere Mitarbeiter. Nur durch klare Ziele und langfristige
Strategien können wir dies erreichen.
unser Unternehmen. Mit unserer Innovationskultur sichern wir bestehende Segmente und
entdecken neue Absatzfelder.
Wir sind in der Lage, kurzfristig eigene
Maschinen und Anlagen zu konstruieren, um
reaktionsschnell neuen Anforderungen und
Produktideen zu entsprechen.
Kundenorientierung
Der Kunde steht im Mittelpunkt unseres Handelns. Differenzierung im Wettbewerb ist für
uns wie für unsere Kunden eine essentielle
Notwendigkeit. Im Rahmen einer engen, partnerschaftlichen Kundenbeziehung unterstützen wir unsere Kunden in der Erreichung ihrer
Ziele. Hohe Flexibilität im Denken und in der
Organisation unserer Werke und Produktionslinien ermöglichen uns diese kundenindividuelle Arbeitsweise.
Nachhaltigkeit
Wir übernehmen Verantwortung für kommende Generationen, daher setzen wir uns für eine
soziale, ökologische und ressourcenschonende
Wirtschaftsweise ein. Zudem haben wir den
Anspruch die Ersten zu sein, die neue Technologien nutzen.
Kuchenmeister international
Der Export unserer Produkte zählt zu den
traditionellen Grundpfeilern unseres Unternehmens. Unsere hohe Exportquote belegt,
dass unsere Produktqualität international
anerkannt ist, und wir ein attraktiver und
gefragter Partner sind.
Qualitätsmanagement
Wir wollen auch weiterhin Maßstäbe setzen für qualitativ hochwertige Produkte und abwechslungsreichen Genuss. Wir verstehen
Qualität als Motor für Unternehmens- und
Marktwachstum. Der hohe Qualitätsanspruch
gehört zu unserer Philosophie. Langfristig hat
uns dies erfolgreicher als viele unserer Mitbewerber werden lassen und die Existenz des
Unternehmens gesichert.
Mitarbeiter-/innen
Wir pflegen eine ungewöhnliche und für unsere Mitarbeiter anspruchsvolle Unternehmenskultur. Wir stärken Eigeninitiative und ermutigen zur Ausschöpfung der außergewöhnlichen
Entscheidungsspielräume. Diese Freiheit wird
möglich durch die gemeinsamen Überzeugungen und Ziele, denen wir uns verpflichtet fühlen. Widerspruch und Querdenken sind keine
Lippenbekenntnisse, sondern täglich gelebtes
Ringen um die beste Lösung.
Innovationskraft und Produktentwicklung
Die Wünsche und Bedürfnisse des Verbrauchers wandeln sich auch im traditionellen
Produktfeld des Backens kontinuierlich und
mit wachsender Geschwindigkeit. Innovation
ist daher lebenswichtig und unverzichtbar für
Günter Trockels
H
Hans-Günter
Trockels
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Thomas Trockels
Uwee Trockels
T
Uwe