kanizsa csillagai

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kanizsa csillagai
Matthias Gerber, Schlosserstrasse 23, 8400 Winterthur, 052 222 79 62 (Tel+ Fax),
[email protected] (Organisation Schweizer Tournée)
KANIZSA CSILLAGAI
Ursprüngliche Musik der ungarischen Beasch- und Lovara-Zigeuner
Kanizsa Csillagai („Sterne von Kanizsa“ *) ist eine traditionelle Zigeunergruppe, die 1993 von
Zigeunern aus Nagykanizsa (drei jungen Beasch-Zigeunern und zwei Lovara aus der Wallachei)
gegründet wurde. Sie hat sich die Pflege der archaischen, traditionellen Volksmusik der Beasch und der
Lovara, welche die Ensemblemitglieder noch von alten Zigeunermusikern gelernt haben, zur Aufgabe
gemacht.
Zoltán Horváth, der Leiter der Gruppe, ist Sänger, Gitarrist und Tänzer. Seine Frau Ibolya, eine
romasprechende Lovara, singt und tanzt. Zoltáns junger Bruder Sándor Horváth singt und spielt Tambura
(eine langhalsige Laute). Ibolyas junger Bruder Attila Havasi spielt die Kanna (eine Milchkanne als
Perkussionsinstrument und Bass), singt Mundbass und tanzt. Vendel Orsós, der andere Schwager des
Gruppenleaders, singt, tanzt und spielt die hölzernen Löffel. Auf der Schweizer Tournée wird die Gruppe
ergänzt mit dem Multiinstrumentalisten László Szatmári (Streichinstrumente). Die Zusammensetzung der
Gruppe widerspiegelt die noch stark verankerte Tradition der Grossfamilien.
Die Gruppe spielt eine melodiöse, eingängige Musik, die das einfache ländliche Leben im Südwesten
Ungarns widerspiegelt: alte Beaschlieder, wallachische und rumänische Volkslieder, sowie traditionell
gehaltene Eigenkompositionen von Zoltán Horváth in Beasch und Ungarisch. Gesang und Tanz stehen im
Vordergrund; in der einfachen Instrumentierung (Gitarre, Tambura-Langhalslaute, Milchkanne, Löffel,
Holzschüssel, ...) spiegelt sich die Geschichte der Armut der meisten Zigeuner, die zu einer grossen
musikalischen Spontaneität und Kreativität mit Singen, Tanzen und dem Einsatz von Alltagsgegenständen
als Musikinstrumenten geführt hat. Der zusätzliche Einbezug des Streichinstrumentalisten Lázló Szatmári
zeigt die Offenheit der Kanizsa Csillagai für andere, neuere Musik. Diese Verbindung von Archaischem
und Neuem macht die Gruppe so faszinierend.
Kanizsa Csillagai hatte ihr öffentliches Debut 1993 in der grössten ungarischen Quizshow „Ki Mit Tud?“
(„Wer weiss etwas?“) in Nagykanizsa. Sie brachten es zum Halbfinale in der Volkstanzkategorie und in
der Volksmusikkategorie bei „Ki Mit Tud“ im Jahre 1996. Für diese Produktion erhielten sie einen Preis
von der Stadt Nagykanizsa. Sie bekamen auch öffentliche Auszeichnungen von der „Vereinigung der
ungarischen Zigeuner“ im Jahr 2001. Kanizsa Csillagai treten seit vielen Jahren mit immer grösserem
Erfolg auch ausserhalb von Ungarn auf. Einen Riesenerfolg ernteten sie bei einem Auftritt bei der
bekannten Zigeuner-Wallfahrt in St. Marie de la Mer in Südfrankreich.
Die Gruppe hat zwei Alben herausgebracht: „Plinzsjé Puju“ (Der junge Kuckuck schreit) wurde 1997
veröffentlicht, und „Foku Drákuluj“ (Das Feuer des Teufels) kam im Jahr 2000 heraus. Eine gut
dokumentierte CD mit Stücken beider Alben ist 2001 beim grossen englischen Label Arc Music unter dem
Titel „The Boyash Gypsies of Hungary“ erschienen. Aktuell arbeitet die Gruppe an ihrer dritten CD.
* Das Ensemble kommt aus der südungarischen Stadt Nagykanizsa, in der Nähe des Balatonsees.
Die Musiker
Zoltán Horváth - Gesang, Gitarre, Tanz
Ibolya Havasi – Horváth - Gesang, Tanz
Sándor Horváth - Gesang, Tambura (langhalsige Laute)
Attila Havasi - Milchkanne, Mundbass, Tanz
Vendel Orsós - Gesang, Tanz, Holzlöffel
Lázló Szatmári - Geige, Bratsche, Cello (Gastmusiker)
Konzerte der Gruppe im Ausland:
Italien: Gorizia (1995), Triest (1996). Deutschland: Chemnitz, Gera, Greifswald, Berlin, Bochum, Görlitz
(alle 1998), Köln (1999). Frankreich: Clermont-Ferrand (1997), St. Jean de Luis (1998), Bordeaux (1998).
Spanien: Bilbao (1998). Oesterreich: Wien (1998). Slowenien: Murska Sobota (1999). Tschechei: Prag
(2001).
Sie gaben auch zahlreiche Konzerte in Ungarn, unter anderem bei der „Diák Sziget“ (Studenteninsel;
1998, 1999, 2000), beim „Internationalen Zigeuner-Karneval“ zusammen mit dem 100-köpfigen
Zigeunerorchester (1998, 1999), beim „Donau-Festival“ (2000) und in verschiedenen Programmen.
Die Kultur der Beasch
In der ungarischen Zigeunerbevölkerung (400.000 bis 600.000 Menschen), die sich überwiegend aus
Ungarisch sprechenden Romungri und aus Romanes sprechenden Oláh-Zigeunern zusammensetzt, bilden
die Beasch-Zigeuner, die sich in ihrer Muttersprache, einem archaischen Rumänisch, selbstbewußt als
„Tigani“ (sprich: Zigan), also „Zigeuner“ bezeichnen, eine kleine Minderheit von ca. 40.000 Seelen. Sie
leben vor allem in vier, im Südwesten von Ungarn gelegenen Komitaten (Bezirken).
Ursprünglich verdienten sich die aus Siebenbürgen eingewanderten Beasch ihren Lebensunterhalt
vorrangig durch die Holzbearbeitung. So stellten sie u.a. Backtröge, die sie aus einem Stück gehauen bzw.
geschnitzt haben, Schüsseln, Holzlöffel, aber auch Körbe her, die sie auf den Märkten verkauften.
Heutzutage kennen nur noch wenige die Fertigkeiten dieses kreativen Handwerks, und die meisten Beasch
arbeiten in der Industrie und in der Landwirtschaft. Sie sind wegen ihres Fleißes allgemein angesehen.
Nicht nur in ihrer Sprache, sondern auch in ihrer musikalischen Tradition unterscheiden sich die Beasch
deutlich von den übrigen in Ungarn lebenden Zigeunervölkern. Die Beasch-Sprache gehört nicht zur
Familie der Romanes-Sprachen, sondern ist ein uralter archaischer Dialekt aus Rumänien, der von der
rumänischen Sprachreform nicht beeinflusst wurde. Wie bei fast allen Zigeunervölkern war auch die
Sprache der Beasch bis in jüngste Zeit schriftlos und haben Musik und Tanz einen besonderen Stellenwert
im alltäglichen Leben. Musikalisch pflegen die Beasch vorwiegend den polyphonen, also mehrstimmigen
Gesang. Auch ihre Melodien scheinen rumänisch beeinflußt zu sein. Dank der bis heute erhaltenen
Grossfamilien konnte auch die archaische Musikkultur lebendig bleiben.
Zigeunergemeinden sind in den letzten Jahren neben den Roma-Stämmen (z.B. Olah) auch in der
Wallachei und bei den Beasch entstanden. Neue Gruppen wurden gegründet, die die Zigeunerfolklore und
–kultur bei verschiedenen Festivals vertraten. Währen dieser Prozess im Leben der Zigeunergemeinden in
der Wallachei jahrelang fortschritt, war in der Zigeunergemeinde Beasch „Kanizsa Csillagai“ eine der
ersten Gruppen, die durch Sammeln und Niederschreiben von Volksliedern berühmt wurde.
Traditionelle, ursprüngliche Zigeunermusik vom Land und die bekannte Zigeuner-KaffeehausMusik aus den Städten
Nachdem vor ca. 23 Jahren eine Gruppe von Oláh-Zigeunern in Budapest das Musikensemble KALYI
JAG (=schwarzes Feuer) gegründet und damit begonnen hatte, auch dem nicht-zigeunerischen Publikum
ihre traditionelle, ursprünglich nur im Kreis des eigenen Volkes gespielte Musik zu präsentieren und damit
unglaublichen Erfolg hatte, sind in der Folge eine ganze Reihe von Ensembles entstanden, die an diese
Erfolge angeknüpft haben. Eines dieser Ensembles ist KANIZSA CSILLAGAI.
Wer schon einmal als Tourist oder als Geschäftsreisender in Ungarn gewesen ist und dort, vielleicht beim
Abendessen, in einem Restaurant Zigeunermusik gehört hat, erwartet möglicherweise diese Art von Musik
(„Kaffeehausmusik“) mit Geige, Zymbal und Klarinette auch von KANIZSA CSILLAGAI. Das Ensemble
kann jedoch mit dieser „Zigeunermusik“, der es, weil eindeutig nichtzigeunerischen Ursprungs, an
Authentizität mangelt, nicht dienen. Sie pflegen vielmehr ihre typische, früher nur im Kreise der eigenen
Volksgruppe, also der Beasch-Zigeuner, gespielte Musik. Hierzu muß man auch wissen, daß die in aller
Regel sehr armen Zigeuner sich gar keine Musikinstrumente leisten konnten, sondern im wesentlichen mit
der eigenen Stimme Musik machten. Allenfalls benutzten sie noch irgend welche Haushaltsgeräte als
Perkussions- oder Baßinstrumente. So können Sie auf der vorliegenden CD von KANIZSA CSILLAGAI
beispielsweise eine Milchkanne (Perkussions- und Baßinstrument) und eine Holzschüssel
(Schlaginstrument) hören. Erst in der Nachkriegszeit sind dann vereinzelt richtige Musikinstrumente wie
die Gitarre und die Tamburizza, gelegentlich auch noch weitere, hinzu gekommen.
Zigeunermusik ist immer Hybridmusik, d.h. es sind immer deutliche Einflüsse anderer Musikstile, meist
der Musik der umgebenden nichtzigeunerischen Bevölkerung, festzustellen, daher ist es auch nicht
verwunderlich, daß die Zigeuner in jedem Land einen anderen Musikstil pflegen. So fällt im vorliegenden
Fall die so genannte „Mundbaß-Technik“ auf, die das Ensemble von den ostungarischen Oláh-Zigeunern
übernommen hat. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, daß die Sängerin (die Ehefrau des Ensembleleiters)
und ihr ebenfalls mitwirkender Bruder keine Beasch-Zigeuner sind. Sie gehören einem anderen
Zigeunervolk, nämlich den Romanes sprechenden Lovara, an.
(Textzusammenstellung von Matthias Gerber, z.T. auf Texten basierend von Fabiano Pasquazzo)