LOTTE – Land of the temporary eternity

Transcrição

LOTTE – Land of the temporary eternity
Liebe Leserinnen und Leser,
der ARTikel geht in die zweite Runde! Wir
freuen uns, Ihnen spannende Themen
und Personen aus der Kulturbranche vorstellen zu können. Es wurden Interviews
geführt und vielfältige Beiträge verfasst.
Studierende, Professoren, Kulturschaffende und Kunstinteressierte haben dazu
beigetragen, dass die zweite Ausgabe
des ARTikels zu einem lesenswerten
Mix aus Buch- und Filmbesprechungen,
Erfahrungsberichten, Ausstellungsempfehlungen und Expertenmeinungen wurde. Tauchen Sie ab in die Welt der Kunst
und Kultur! Viel Spaß beim Lesen!
Ihr
Eindrücke des von Studierenden gegründeten „Kulturraum LOTTE“ in Stuttgart.
-Team
LOTTE – Land of the temporary eternity
4 Wer ist...
... Amelie Deuflhard?
... Rainer Wekwerth?
8 Wussten Sie eigentlich (etwas über)...
... Kulturmanagement in Buenos Aires
... die Kulturhauptstädte 2013
... Stipendien für Kulturmanager
13 Was macht eigentlich...
... ein Freilichtspielintendant (und sein
Team) im Winter so?
... eine Theaterpädagogin?
... u.v.m
21 Worum geht es eigentlich...
... in „Mainstream – Wie funktioniert, was
allen gefällt“ von Frédéric Martel?
... in „Sommer der Gaukler“ – vom Aufstieg des self-made Theatergenies, der
für Mozart die Zauberflöte schrieb ?
... u.v.m.
25 Was ist eigentlich sehenswert...
... zwei (Geheim-) Tipps für Berlin
... die „mediARThek“
... die Kunst im ZKM ist bombensicher!
29 Welche Publikationen erschienen
neu im Fachbereich...
... Kultur und Management
... Controlling im Kulturmanagement
30 Was ist eigentlich...
... Public-Private-Partnership (PPP) –
Modelle im Kulturbereich?
Ausgabe Nr. 2 · 31. Januar 2013
Ein Beitrag von Paula Kohlmann und Erik Sturm
Renommierte Hochschulen gibt es einige in Baden-Württemberg, jedoch
bekommen die Studenten voneinander selten etwas mit.
Der Weg von der Uni Stuttgart nach Ludwigsburg an die Filmakademie wirkt
weit und auch an der Akademie der Bildenden Künste am Weissenhof schaut
man nicht eben mal schnell zu einer Veranstaltung vorbei.
Dabei ist doch gerade der Austausch mit anderen Disziplinen befruchtend und
anregend.
Aus diesem – unserer Auffassung nach – Defizit entstand unsere Idee, einen
zentralen Ort in der Stuttgarter Innenstadt zu schaffen. Einen Ort, der Raum
bietet für interdisziplinäre Projekte verschiedener Hochschulen und eine quasi
neutrale Erweiterung der Campi darstellt.
Nach einem London-Aufenthalt von Paula wurde die Idee im Sommer 2011
zusammen mit Maria Zamel und Erik Sturm geboren.
Herbst 2011:
Einen passenden Ort hatten wir schon entdeckt, einen ehemaligen An- und
Verkauf von Elektroartikeln, direkt bei der Haltestelle Staatsgalerie:
Ein kleiner Raum mit großen Glasfenstern hin zur Hauptstrasse, der Blick führt
direkt auf das Stuttgarter Planetarium, die Staatsgalerie und die Großbaustelle
S21.
Ein urbaner und spannender Ort, der sich in den nächsten Jahren aufgrund des neuen Bahnhofviertels stark verändern wird – Europas zukünftig größte Baustelle – eine
prima Metapher für unser Projekt! Wir konnten ausfindig machen, dass der Raum
dem Land gehört und es verschiedene – im Gegensatz zu uns kommerzielle – Interessenten gab. Nach der ersten Besichtigung schien unser Vorhaben hoffnungslos.
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Das Land wollte die Entscheidung nach dem höchsten finanziellen Angebot
fällen. Wir hatten alles andere – Idee, Visionen – aber kein Geld.
Uns war klar, um überhaupt ein Chance zu bekommen, benötigen wir eine
Rechtsform, einen Verein.
Wir fragten Freunde und Bekannte, ob sie nicht Lust hätten, zusammen einen
Raum zu gründen.
Zusammen mit Julia Colazzo, Franziska Höhnesch, Florian Clewe, Leon Filter
und Pedram Noutash gründeten wir Schnittpunkt Kunst e.V., formulierten ein
Konzept mit Finanzierungsplan und wendeten uns an unsere Hochschulen und
das Kulturamt.
Überraschenderweise hatten alle großes Interesse an unserer Idee. Im Dezember bewarben wir uns beim Land Baden-Württemberg um den Raum.
Mittlerweile konnten wir als offizielle Partner und autorisierte Unterstützer unsere Hochschulen Universität Stuttgart, die Merzakademie, die Filmakademie
Ludwigsburg und die Akademie der Bildenden Künste Stuttgart nennen. Das
Kulturamt hatte uns Gelder zugesagt und Petra von Olschowski, Rektorin an der
Akademie der Bildenden Künste, ein Empfehlungsschreiben zugesandt.
Und dann bekamen wir schließlich die Zusage vom Land, ein fünf Jahres Mietvertrag – für uns Studenten eine Ewigkeit. Wer von uns wusste schon, wie es
nach dem Studium weitergeht?
Abwanderung von Studenten nach dem Studium ist ein großes Thema in Stuttgart. Wir beschlossen es zu wagen, gerade weil es so wenig andere Projekte
in diese Richtung in Stuttgart gibt. Ab Dezember trafen wir uns wöchentlich
im Team und feilten an Konzept, Veranstaltungen, Eröffnung, Renovierung, Finanzen und dem Namen. Zu siebt wurde es unmöglich, sich auf einen Namen
zu einigen, aber unsere zwei Grafiker brauchten Input, um endlich loslegen
zu können. Dann kam die Idee auf, den – uns damals noch unbekannten –
Vornamen der wunderbaren alten Frau zu nehmen, die im Haus nebenan wohnte und den Schlüssel für den Raum besaß. Sie heißt LOTTE und der Raum von
da an nun auch. Die Ergänzung Land Of The Temporary Eternity kam dazu. Uns
gefiel das paradoxe Wortspiel und der Verweis auf die ursprüngliche Idee, nur
einen temporären Offspace zu eröffnen. Auch das Konzept wurde konkreter.
Uns war wichtig, sich nicht nur auf Studenten zu beschränken, sondern offen
zu sein für jegliches Veranstaltungsformat, aber immer auch mit dem Anspruch,
dass die Veranstaltung uns überrascht und im besten Fall ein Forschungsvorhaben formuliert und Menschen aus anderen Disziplinen anregt.
LOTTE IST DER VERSUCH, VERSCHIEDENE DISZIPLINEN, POSITIONEN UND IDEEN
AN EINEM ORT ZUSAMMENZUBRINGEN.
LOTTE WILL ÜBERRASCHEN UND ÜBERRASCHT WERDEN, WILL UNBEKANNTE
PHÄNOMENE ERKUNDEN UND BEKANNTES ANDERS DENKEN, WILL PROZESSE
STATT ERGEBNISSE, AUCH IN FORMATEN, DIE ES NOCH NICHT GIBT, WEIL SIE
HIER ERST ENTSTEHEN SOLLEN.
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LOTTE RICHTET SICH AN ALLE, DIE SICH VERWANDELN UND EMPÖREN, FLIRREN UND STAUNEN WOLLEN, DIE KÜNSTLERISCHE, WISSENSCHAFTLICHE UND
SONSTIGE FORSCHUNG NICHT ALS VONEINANDER GETRENNTE DISZIPLINEN,
SONDERN ALS BASIS FÜR EINEN ÜBERGREIFENDEN DIALOG VERSTEHEN MÖCHTEN.
LOTTE IST EIN UNABHÄNGIGER PROJEKTRAUM, INITIIERT VOM SCHNITTPUNKT
KUNST E.V., DER 2012 VON STUDENTEN VERSCHIEDENER STUTTGARTER HOCHSCHULEN GEGRÜNDET WURDE.
Frühjahr 2012:
Der Mietvertrag wurde unterzeichnet, die Fördergelder trudelten langsam ein
und die Renovierung war in vollem Gange. Am 1. Juni 2012 wurde legendär eröffnet. Der Ansturm hat uns gezeigt, dass Stuttgart genau der richtige Ort für
unsere Idee ist: Seitdem haben wir zwei bis drei Veranstaltungen pro Monat,
von Ausstellung über Filmscreening, von Lecture-Performance, Workshop,
Diplom-Präsentation über Präsentation von Forschungsergebnissen, Besuch
vom mittlerweile grünen OB Fritz Kuhn, aber auch mal ein nettes Essen oder
einen Flohmarkt.
Inzwischen organisieren vier Leute des Gründungsteams von Hamburg, Berlin,
Budapest und Paris aus, wo das Studium weitergeht.
Der andere Teil des Teams hält in Stuttgart die Stellung und wurde um neue
Leute und sogar eine weitere Hochschule – die Akademie für Darstellende Kunst
Baden-Württemberg – erweitert. Das Schöne ist, dass wir trotz der Unterstützung von Land und Stadt unabhängig in unseren Projekten und Ideen sind,
kritisch sein dürfen, mutig sein, keine Schranken haben. Wir wollen uns nicht
festlegen, uns immer wieder neu erfinden. Das Geld ist knapp, aber wir arbeiten
alle unentgeltlich und improvisieren so gut es geht – und das tut es dann doch
immer irgendwie. Vor allem wenn wir sehen, wie viel Interesse für den Raum da
ist: Bis März haben wir schon wieder volles Programm.
Du hast eine Idee? Du willst dich mitteilen, darstellen, oder für etwas einsetzen?
LOTTE gibt dir die Möglichkeit, dein Projekt endlich öffentlich zu zeigen.
Ob unbekannte Phänomene, persönlicher Ausdruck, wissenschaftliche
Analyse, Diskussionsrunden oder Experimente – jegliche Ideen und Formate sind
willkommen.
Mit 100 Worten kannst du dich bei uns bewerben:
[email protected]
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Wer ist...
Wer ist Amelie Deuflhard?
ARTikel im Interview mit der Intendantin Amelie Deuflhard
Amelie Deuflhard ist seit 2007 Intendantin
der Internationalen Kulturfabrik Kampnagel in Hamburg.
Amelie Deuflhard, geboren 1959 in Stuttgart, verheiratet, vier Kinder, studierte Romanistik, Geschichte und Kulturwissenschaften. Nach ihrem Studium arbeitete sie
als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Tübingen und im Museum für
Technik und Arbeit in Mannheim. Seit 1996 arbeitete sie als Produzentin für Theater/
Tanz- und Musikprojekte in Berlin. 2000-2007 leitete sie die Sophiensäle in Berlin
und baute diese zu einem der wichtigsten Produktionsorte für die Freie Szene im
deutschsprachigen Raum aus. 2003 wurde sie Vorsitzende des Vereins „Zwischen Palast Nutzung“, der eine künstlerische Bespielung des Palastes der Republik zum Ziel
hatte. 2004/2005 war sie eine der künstlerischen Leiterinnen von „Volkspalast“, einer
festivalartigen Bespielung des dekonstruierten Palastes der Republik. Dieses Projekt
produzierte eine internationale Debatte über die Nutzung des Schloßplatzes, die
noch heute nachklingt. Seit August 2007 ist sie Intendantin von Kampnagel Hamburg, Deutschlands größter freien Spiel- und Produktionsstätte für die Darstellenden
Künste.
Amelie Deuflhard ist (Mit-) Herausgeberin verschiedener Publikationen, u.a. „VOLKSPALAST – Zwischen Aktivismus und Kunst“ (2005), „Spielräume produzieren – Sophiensäle“ (2006) und „Parcitypate: Art und Urban Space“ (2009).
Im März 2012 erhielt Amelie Deuflhard als „eine Theatergründerin im besten Wortsinn“ den Caroline-Neuber-Preis der Stadt Leipzig.
Würden Sie für sich die Bezeichnung Kulturmanagerin wählen?
Natürlich bin ich auch Kulturmanagerin, aber ich bin ebenso auch Kuratorin und
Programm-Macherin. Die Bezeichnung Kulturmanagerin würde ich normalerweise nicht wählen. Sie ist nicht so beliebt in unserem Business.
Warum nicht?
Weil der Fokus bei uns auf der Kunst liegt und bei Kulturmanager klingt der
Fokus eher nach Management.
Um in Ihrem Beruf erfolgreich zu sein, was muss man(n) bzw. frau mitbringen?
Ich würde sagen, dass man in sehr viele, sehr unterschiedliche Teile unserer Gesellschaft kommunizieren können muss. Man muss sich mit Kunst auskennen
und in der Lage sein, ein stringentes Programm für das Haus zu machen, das
man leitet. Das Programm muss sowohl für eine Fachcommunity als auch für die
Zuschauer lesbar sein.
Ihnen gelingt es immer wieder, aktuelle politische Themen im Programm
zu haben. Sie hatten Femen da, Sie haben derzeit das Stück „Assassinate Assange“ im Programm. Wie kommen Sie darauf? Ist Ihr Gespür dafür
gottgegeben oder wie finden Sie immer wieder spannende Themen?
Ich finde, dass Kultur sich nicht nur mit Kunst, sondern auch mit der Welt
beschäftigen sollte. Das bedeutet für das Programm sowohl Themen aufzunehmen, die in der Stadt aufbrechen, in der ich arbeite, als auch globale Themen.
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Die Themen findet man dadurch, dass man sich für das, was in der Welt passiert,
interessiert – zum Beispiel zur Verwerfung der Globalisierung, da gibt es viele
Migrationsströme, es gibt Armut, es gibt viele Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen, zwischen Migranten und Einheimischen und so weiter, man
wird quasi ununterbrochen auf die Themen gestoßen. Gleichzeitig ist es aber
natürlich auch so, dass die Künstlerinnen und Künstler, mit denen man arbeitet, bestimmte Themen aufnehmen. Die Kunst besteht dann darin, dass man
unterschiedliche künstlerische Positionen und auch Diskurspositionen zu einem
bestimmten Thema so zusammenstellt, dass es eine Vergrößerung erreicht und
sichtbar wird.
Jetzt haben Sie gerade die Stadt, in der Sie leben, angesprochen. Sie sind
von Berlin nach Hamburg gegangen. Bei vielen Kulturschaffenden ist das
genau andersrum, ärgert Sie das?
Überhaupt nicht. Es gibt im Gegenteil viele Kulturschaffende, die aus Berlin
weggehen, weil sie bessere Jobs in anderen Städten bekommen. Das gilt vor
allem für viele der Gründer in Berlin. Beispielsweise Klaus Biesenbach, der jetzt
im MoMA in New York Chefkurator ist oder Jörn Weisbrodt, der früher Produktionsleiter an der Staatsoper war und jetzt ein großes Festival in Toronto leitet.
Für Menschen in unserem Business, die wir eh alle mobil sind, ist es ganz selbstverständlich, dass man für einen interessanteren Job auch in eine andere Stadt
geht.
Nach Berlin geht man, wenn man anfängt, weil man da billig leben kann – oder
wenn man gerade keinen Job hat, weil die Stadt der größte Umschlagsplatz ist.
Ansonsten arbeiten Menschen wie ich da, wo es interessante Jobs gibt. Sagen
wir mal so: wenn man ein Haus wie die Sophiensäle sieht, das in dem größten Saal 200 oder 220 Plätze hat, dann noch die Studiobühne und eine kleine
Galerie – ein perfekter Ort für die Avantgarde – und dann aber ein Haus mit sechs
Hallen sieht, wo die größte 850 Plätze hat und die kleinste 150 und dann noch
x Proberäume und so weiter, wenn man so ein großes Zentrum angeboten bekommt, dann wäre man schön blöd, wenn man es nicht annimmt.
Sich Herausforderungen stellen, bedeutet in meinem Job auch immer wieder
in eine neue Stadt zu gehen. Programme verändern sich, wenn man in einer
anderen Stadt arbeitet, weil man natürlich auch mit der Stadtgesellschaft dealen und sich mit ihr verknüpfen muss. Es besteht sicher immer auch der Bezug
zu den Künstlerinnen und Künstlern sowie den künstlerischen Positionen, aber
natürlich sind auch die Bedürfnisse in der Stadt bedeutsam. Das ist ein wichtiger
Teil unserer Arbeit. Eine andere Stadtgesellschaft dann wieder mal von Grund
auf kennen zu lernen, ist wieder ein großer Reiz von einer gewissen Mobilität.
Ich würde sagen, wer immer in Berlin bleibt, ist auch ganz schön immobil.
In Kulturpolitik und Kulturmanagement, was sind für Sie aktuell die
wichtigsten Themen?
Das, was sich in der freien Szene in den letzten zehn Jahren entwickelt hat, muss
dringend besser an die institutionelle Förderung angepasst werden. Das ist
natürlich ein großes Problem. Wir alle wissen ja, dass die Budgets im Moment
nicht steigen, sondern sinken. Aber der Einfluss der freien Szene, die quasi als
Labor, als Inkubator und als Weiterentwickler der Kunst auch in Bezug auf die
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Institutionalisierung der ganzen Kunstszene fungiert, spiegelt sich in keinster
Weise in der Förderung wider und da muss man dringend ansetzen.
In Berlin zum Beispiel gibt es gerade eine große Bewegung, die befürwortet,
dass die sog. „City Tax“ der Freien Szene zukommt. Es gibt viele Studien, die
belegen, dass die Touristen gerade wegen der Freien Szene in die Stadt kommen
und nicht wegen den etablierten Institutionen, die sich in den Städten immer
mehr ähneln. Das ist eine große kulturpolitische Aufgabe.
In Sachen Kulturmanagement ist die größte Aufgabe – das hat aber nicht nur
was mit Management, sondern auch mit den Programmen zu tun, die man
macht – dass wir es schaffen, unser Theaterpublikum, aber auch unsere Institutionen von innen stärker zu durchmischen auch mit Menschen migrantischer
Herkunft. Da sind die Theater nicht besonders gut aufgestellt. Das bezieht sich
also sowohl auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch auf das Publikum.
Hier brauchen wir große Anstrengung. Wir können nicht die Hälfte unserer
Stadtgesellschaft aus unseren Kunstinstitutionen ausschließen.
Woher soll das Geld für die Kultur kommen?
Das Geld für die Kultur muss erst mal vom Steuerzahler kommen. Dann ist es
aber so, dass es auch jede Menge andere Fördermöglichkeiten gibt. Natürlich
sollte man als Kulturinstitution auch daran arbeiten, private Gelder, etwa Gelder
von Stiftungen, zu bekommen. Im Grunde sollte man eine Mischfinanzierung
machen, so wie es sonst auch überall üblich ist.
Was sagen Sie den über 80 % der Steuerzahler, die sagen „ich geh aber nie
in die Oper oder ins Theater – warum soll ich dafür zahlen“?
Das ist eine ziemlich absurde Aussage. Es haben auch nicht alle Leute Kinder
und trotzdem bezahlen wir mit den Steuern Kindergärten und Schulen. Es
haben auch nicht alle Leute Autos und trotzdem bezahlen wir Autobahnen
und Straßen – es fahren auch nicht alle Leute Zug und trotzdem müssen die
öffentlichen Verkehrsmittel gestellt werden. Kultur ist Grundversorgung,
sage ich dazu. Genauso wichtig wie Straßenbau – für mich vielleicht noch ein
bisschen wichtiger. Das ist ganz selbstverständlich eine öffentliche Aufgabe,
genauso wie man auch Schulen braucht, an der Bildung arbeiten muss und so
weiter.
Liebe Frau Deuflhard, vielen Dank für das Gespräch.
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Wer ist Rainer Wekwerth?
ARTikel im Interview mit dem Autor Rainer Wekwerth
Rainer Wekwerth arbeitet seit 1996 als Autor und hat auch unter den Pseudonymen
David Kenlock und Jonathan Abendrot bereits mehrere Bücher veröffentlicht. Begonnen hatte er mit Kinder- und Jugendliteratur und wurde dafür mit dem Landespreis
für Kinder- und Jugendbuch Baden-Württemberg ausgezeichnet. Sein neuer Roman
„Das Labyrinth erwacht“ erscheint Anfang dieses Jahres als Spitzentitel beim Arena
Verlag. Neben seiner Arbeit als Autor gibt Rainer Wekwerth auch Schreibkurse für
Anfänger und Nachwuchsautoren.
Sie selbst lesen sehr viel: Normales Buch oder Ebook?
Ich lese hauptsächlich normale Bücher, benutze den Ebook-Reader jedoch
zum Beispiel im Urlaub oder auch, um Leseproben herunterzuladen. Damit ich
auch weiß, ob es sich lohnt, ein Buch zu kaufen. Heutzutage bekommt man ja
meistens eine Leseprobe der Bücher umsonst.
Der Autor Rainer Wekwerth sprach mit
dem ARTikel-Team unter anderem über
die Themen Ebook und Urheberrecht.
Foto: Christian Witt
Bald veröffentlichen Sie Ihren neuen Roman, der auch als Ebook erscheint.
Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewegt?
Mein neuer Roman wird auch als Ebook veröffentlicht. Allerdings lag diese Entscheidung nicht bei mir, sondern bei meinem Verlag. Ich selbst hätte mich aber
auch dazu entschlossen, da man mittlerweile durch den Verkauf von Ebooks
deutlich mehr verdienen kann und man diesen immer weiter wachsenden
Markt nicht ignorieren darf.
Gewinnt man durch Ebooks Leser, die sonst keine wären?
Ja, ganz eindeutig. Die ganzen technikaffinen Leute und vor allem männliche
Leser, die das Buch normalerweise eher nicht kaufen würden, kann man mit
einem Ebook oft besser erreichen.
Wie wird sich der deutsche Buchmarkt in den nächsten 10 Jahren weiterentwickeln?
Meiner Meinung nach wird sich der Buchmarkt radikal verändern. Es wird zu
einer Aufteilung kommen, in der nur noch 50 % der Bücher gedruckt und
50 % als Ebook erscheinen werden. Darüber hinaus werden die Verlage dazu
übergehen, Nachwuchstalente und neue Autoren über den Ebook-Markt zu
suchen. Diese haben dort die Möglichkeit, ihre Werke zu veröffentlichen und die
Verlage haben die Chance, erst einmal schauen zu können, ob und wie gut das
Buch beim Leser ankommt. Natürlich bringt dies dann auch die Gefahr mit sich,
dass die Qualität der Bücher in den nächsten Jahren deutlich sinken wird, da es
eben keine Kontrollen und Hürden durch Verlage, Lektoren etc. mehr gibt. Jeder
hat durch die Entwicklung des Ebooks heutzutage die Möglichkeit, sein Buch
zu veröffentlichen und muss sich nicht mehr an Verlage wenden, um ein Buch
herauszugeben.
Ein weiteres Problem sehe ich auch in der Entwicklung der Preispolitik auf dem
Buchmarkt, da gerade durch die Ebooks und die selbst bestimmten Preise
normale Bücher an Käufern verlieren werden.
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Fürchten Sie als Autor um Ihr geistiges Eigentum? Wie beurteilen Sie die
aktuelle Diskussion um das Urheberrecht?
Ja, ich fürchte sogar ganz stark um mein geistiges Eigentum. Es ist nun mal so,
dass alles, was elektronisch vorliegt, eben auch kopierbar ist. Das heißt, genauso
wie in der Musik- und in der Filmbranche ist es viel leichter, auch Bücher und
Texte zu vervielfachen und zu verteilen. Wenn es keinen Urheberrechtsschutz
mehr gibt, wird es auch auf Dauer keine Autoren mehr geben, die Bücher schreiben. Auch die Zahl der Autoren, die nicht vom Schreiben allein leben können,
wird noch weiter steigen. Ich sehe das auch so, wenn jemand eine Erfindung
macht, wie zum Beispiel eine Glühbirne, dann wird diese doch auch geschützt.
Warum sollte man also das geistige Eigentum eines Autors nicht mehr schützen?
Wenn das Urheberrecht aufgehoben oder aufgeweicht wird, wird es bald nichts
mehr geben, was noch geschützt werden muss.
Braucht man heute noch Verleger und Verlage?
Grundsätzlich würde ich sagen braucht man als Autor eigentlich keine Verleger und Verlage mehr. Als Leser würde ich diese Frage jedoch bejahen, da es
wünschenswert ist in Hinsicht auf die Qualität der Bücher. Ein Nachwuchsautor
verdient heute jedoch besser, wenn er seine Bücher selber herausbringt und
vorerst nicht mit einem Verlag zusammen arbeitet.
Lieber Herr Wekwerth, vielen Dank für das Gespräch.
Wussten Sie eigentlich (etwas über)...
Wussten Sie eigentlich etwas über Kulturmanagement in
Buenos Aires?
Ein Erfahrungsbericht von Tamay Zieske
Wie sieht Kulturmanagement in der subkulturellen Szene von Buenos Aires
aus? Erste Lektion: Lerne, ohne Budget zu wirtschaften. Zweite Lektion: Auch
wenn es chaotisch aussieht – es hat alles seinen Sinn! Dritte Lektion: Nie in Panik
geraten, es bleibt immer Zeit für einen Mate!
Tamay Zieske über seine Erfahrungen in
der subkulturellen Szene in Buenos Aires.
Ok, nun einmal Spaß beiseite. Es gibt sicherlich viele Klischees, denen man nach
einem sechsmonatigen Aufenthalt in Argentiniens Hauptstadt in einem Bericht
wie diesem bedienen könnte. Ich will mich aber lieber auf die Dinge konzentrieren, aus denen ich viel lernen konnte und welche mich immer wieder überrascht
haben.
Im Vorfeld hatte ich das Glück, für ein Stipendium der GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) ausgewählt worden zu sein. Dies erst
ermöglichte mir meinen Traum, ein Praktikum in Buenos Aires zu absolvieren
(das nur als Tipp, für all diejenigen, die Ähnliches vorhaben).
Bei meiner Praktikumssuche hatte ich genauso viel Glück und so wollte es der
Zufall, dass ich – nach mehreren Absagen und einigen unbeantworteten Bewerbungen – in Berlin ganz zufällig auf Isa traf, die nicht nur gerade mit dem Fahrrad durch Europa tourte, sondern zufälligerweise auch Grafikdesignerin im Club
Cultural Matienzo war. Anstatt durch förmliche Mails an Unbekannte im WWW
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bekam ich meine Traumstelle also bei rauen Mengen von Kaffee, vielen Gesprächen und einigen Touren durch Berlin ... ganz informell, wie üblich in Buenos Aires!
Der Club Cultural Matienzo (CCM) ist ein kleines, unabhängiges Kulturzentrum,
das 2008 eröffnet wurde und seitdem sein Angebot ständig weiterentwickelt.
Heute ist es täglich von 18 bis 2 Uhr geöffnet und produziert dabei zahlreiche
Veranstaltungen in den (nicht abschließenden) Sparten Theater, Musik, Literatur
und Bildende Kunst. Darüber hinaus beherbergt es einen Internetradio-Sender
und bietet verschiedene Workshops im Bereich Kunst und Kultur-Produktion
an. Ein weiteres Arbeitsfeld stellt die Netzwerkarbeit mit den Akteuren der
Kulturszene Buenos Aires´ dar. Hierzu wurde zum Beispiel die Austauschplattform M.E.C.A. (Bewegung der künstlerischen und kulturellen Orte) gegründet. In
diesem Netzwerk vereinen sich die unabhängigen Kulturzentren der Stadt, um
sich auszutauschen und gemeinsam an besseren Rahmenbedingungen für die
freie Szene zu arbeiten.
Der CCM hat circa 60 Mitarbeiter, die sich in unterschiedlicher Intensität an der
Organisation beteiligen. Das heißt, es gibt nur eine Handvoll fester Mitarbeiter und dafür umso mehr „freie“, die regelmäßig Projekte organisieren. Dazu
kommen etliche Freiwillige, die hin und wieder auf Projektbasis aushelfen.
Projekte und Events werden in immer wieder neu zusammengestellten Arbeitsgruppen organisiert, welche relativ autark handeln. Wichtigstes Werkzeug ist
dabei die komplette Google-Angebotspalette sowie weitere Onlinedienste, die
es erlauben, über räumliche Distanzen und in großen Gruppen zu arbeiten. Ich
war erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit dort mit diesen Programmen
gearbeitet wurde und wie gut eine solch lose Struktur funktionieren kann.
Diese Organisationsform führt aber auch dazu, dass es, abgesehen von einigen
Terminabsprachen, nur wenig Kommunikation zwischen den einzelnen
Abteilungen / Projektgruppen gibt, was für mich stellenweise sehr gewöhnungsbedürftig war.
Meine Aufgaben reichten von der technischen Produktion von Theateraufführungen, Radiosendungen und Ausstellungen über die Konzeption und Organisation von Veranstaltungen. Auch wenn ich zu Beginn nur mit einem Grundwortschatz Spanisch 1 im Gepäck in Buenos Aires ankam, wurde ich unglaublich
schnell integriert und in alle möglichen Aufgaben des CCM miteinbezogen.
Einige Monate und viel Mate später war mein Spanisch so weit gereift, dass ich
selbst Projekte initiieren und durchführen konnte. Dabei habe ich im Laufe der
Zeit gelernt, einige deutsche Tugenden gegen die südamerikanischen Pendants
auszutauschen, beziehungsweise ein gutes Mittelmaß zu finden – und ich hoffe,
ich werde auch in Zukunft eine gesunde Mischung aus deutscher Genauigkeit
und südamerikanischer Gelassenheit in meine Arbeit mit einfließen lassen
können. Denn die Fähigkeit, das organisierte Chaos auch mit kleinem Budget
gelassen zum Erfolg steuern zu können, ist gerade in Zeiten knapper (Kultur-)
Kassen unbezahlbar.
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Wussten Sie eigentlich etwas über die Kulturhauptstädte 2013 – Marseille und Košice?
Ein Beitrag von Kathrin König
© Europäische Union, 1995–2012
Erfahren Sie mehr darüber, was die
diesjährigen Kulturhauptstädte zu bieten
haben.
Seit 1985 erhält jährlich mindestens eine europäische Stadt den Titel der
Kulturhauptstadt Europas. Zurückzuführen ist dies auf eine Initiative der
Europäischen Union mit dem Ziel, den Reichtum, die Vielfalt und die
Gemeinsamkeiten des kulturellen Erbes in Europa herauszustellen und bei
der Bevölkerung Europas präsent zu machen. Melina Mercouri, damalige
griechische Kulturministerin, setzte sich für den kulturellen Austausch innerhalb der
Europäischen Union ein, wie aus einem Interview mit der Deutschen Welle
Anfang 1985 hervorging: „[…] ich glaube, dass es nicht nur eine Gemeinschaft
der Kartoffeln und Tomaten geben darf, sondern es muss auch den Austausch
für die Arbeiter der Kunst geben.“ Kurzum wurde Athen zur ersten Kulturhauptstadt Europas.
Was mit kleinen Konzerten und Kunstausstellungen begann, wuchs im Laufe
der Zeit rasant und nahm ganz andere Ausmaße an. Heute präsentiert sich eine
Kulturhauptstadt mit hunderten von Veranstaltungen in fast allen Kultursparten. Die Städte für das Jahr 2013 sind Marseille in Frankreich und Košice in der
Slowakei.
Durch das Projekt „Interface 2013“ erhielt Košice den Titel der Europäischen
Kulturhauptstadt. Idee dieses Projektes ist es, das kulturelle und soziale Leben
der Stadt und ihrer Umgebung zu stärken. Es soll eine zeitgemäße Infrastruktur
für Kultur, Kunst und Kulturwirtschaft geschaffen werden. Die im Osten der Slowakei gelegene Stadt ist mit 260.000 Einwohnern nach der Hauptstadt Bratislava
die zweitgrößte des Landes und sieht das Kulturhauptstadtjahr auch als Chance,
außerhalb der Landesgrenzen auf sich aufmerksam zu machen. Potenzial gibt
es: vier Nationalparks und sechs Unesco Welterbestätten liegen im Umkreis von
150 Kilometern der Stadt, traditionelle Veranstaltungen wie der Internationale
Friedensmarathon, den es seit 1924 gibt und der damit zum ältesten Marathon
der Welt gehört, zeichnen die Stadt aus. Košice möchte ein Zentrum der Kreativwirtschaft werden, neue Perspektiven für junge und kreative Menschen der
Stadt schaffen. Das Festival „Use the City“, bei dem Straßenkünstler die ganze
Stadt bevölkern und beleben, ist nur eine Maßnahme von vielen, die dieses
Vorhaben umsetzt.
Die Hafenstadt Marseille gilt als Zentrum des Mittelmeerraums. Hier kommen
verschiedene Kulturen zusammen und das soll auch in dem Kulturhauptstadtjahr zu spüren sein. Geplant sind über 400 Veranstaltungen, darunter 60 Ausstellungen. Die 860.360 Einwohner zählende Stadt erhält neuen Glanz – antike
Gebäude, Wahrzeichen der Stadt, vernachlässigte Museen werden renoviert
und umgebaut. Ergänzt wird das Stadtbild durch zahlreiche Neubauten. So auch
durch das Museum für die Zivilisation des Mittelmeers, kurz „MUCEM“, welches
2013 eröffnet wird. Als erstes nationales Museum Frankreichs außerhalb von
Paris wird es nicht nur durch seine Architektur auf sich aufmerksam machen. Ein
weiteres besonderes Projekt ist die „Grand Route 2013“. Dabei handelt es sich
um einen 200 kilometerlangen Kunstwanderweg, konzipiert von dem Marseiller
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Autoren Baptiste Lanaspeze. Er führt durch das Hafengelände, die Natur in und
um Marseille, Industriebrachen bis zum Rathaus und wird von Wanderkünstlern
animiert. „Wir verstehen unser Projekt als Museum unter freiem Himmel. Der
Weg ist das Werk.“, so Lanaspeze. Ulrich Fuchs, Vize-Intendant des Vereins
Marseille-Provence 2013 sieht die Maßnahmen und das Engagement nicht auf
das Kulturhauptstadtjahr begrenzt, sondern als langfristige Veränderungen:
„Marseille ist von der internationalen Jury 2008 deswegen zur Kulturhauptstadt
ernannt worden, weil die Jury zu Recht gesagt hat: „Marseille hat’s am
nötigsten“.
Weitere Informationen zu den Kulturhauptstädten 2013 sind zu finden unter:
http://www.kosice2013.sk/en/
http://www.mp2013.fr/
Wussten Sie eigentlich etwas über Stipendienmöglichkeiten für Kulturmanager?
Ein Beitrag von Desirée Schweizer
Verschiedene Stipendien bieten Kulturmanagern die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten im Ausland anzuwenden und die internationale Vernetzung der Kultur zu
fördern. Im Folgenden möchten wir Ihnen einige davon vorstellen.
Diese Einrichtungen bieten spannende
Stipendien für Kulturmanager.
Die Robert Bosch Stiftung vergibt bereits seit 2002 Stipendien in Mittel-, Ostund Südosteuropa. Die Kulturmanager sind Ansprechpartner für die Kunst- und
Kulturszene im jeweiligen Gastland und werden vielseitig gefördert. Pressearbeit, Fundraising, die internationale Vernetzung der Kulturszene und die allgemeine Konzeption und Umsetzung von Kultur- und Bildungsprojekten gehören
zu den Aufgaben der Stipendiaten. Während des einjährigen Stipendiums werden sie durch Fortbildungsseminare begleitet, in denen sie nicht nur im Bereich
der Kulturkompetenz und der Managementfähigkeiten weitergebildet, sondern
auch auf den Berufseinstieg in Deutschland vorbereitet werden. Nach Ihrem Stipendium bilden die Stipendiaten ein europaweites Expertennetzwerk für den
internationalen Kulturaustausch und bleiben somit mit der Stiftung verbunden.
Auch das „ifa“, das „Institut für Auslandsbeziehungen“, vergibt als Partner
des Auswärtigen Amts Praktika im Ausland. Im Rahmen eines der vielen Programme des „ifa“ wird mit „CrossCulture Praktika“ jungen Berufstätigen die
Möglichkeit geboten, die kulturellen Netzwerke zwischen Deutschland und
islamisch geprägten Ländern zu stärken, zu vertiefen und den interkulturellen
Dialog zu fördern. Die Regionalmodule, in denen Praktika angeboten werden,
beinhalten die Länder Afghanistan/Pakistan, Zentralasien und beispielsweise
Länder in Nordafrika oder im Mittleren Osten, die ebenfalls islamisch geprägt
sind. Den Praktikanten wird durch ihren Auslandsaufenthalt und durch ihre
Arbeit die Chance gegeben, ihre politische Kompetenz zu erweitern und wichtige Kontakte für ihr weiteres Berufsleben zu knüpfen sowie persönliche Erfahrungen in einem anderen Kulturkreis zu sammeln. Die Dauer des Praktikums
ist abhängig von der jeweiligen Einrichtung, dem Bedarf und dem Profil der
Stipendiaten und liegt zwischen sechs Wochen und höchstens drei Monaten.
Voraussetzungen für die Teilnahme deutscher Stipendiaten an dem
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„CrossCulture Praktikum“ sind lediglich die Einbindung in eine Organisation
in Deutschland, gute Sprachkenntnisse in Englisch oder in der Sprache des
Ziellandes sowie ein Alter zwischen 20 und 45 Jahren. Die Praktika werden
an die Interessen und Wünsche der Stipendiaten angepasst und bieten damit
die optimale Voraussetzung für den Erwerb an fachlichen und interkulturellen Kompetenzen. Auch in diesem Programm werden die Stipendiaten durch
Begleitveranstaltungen und Besuchstermine unterstützt. Deutsche Stipendiaten wählen dabei ihre Praktikumsplätze selbst aus, wobei das CrossCulture
Team bei der Suche gerne hilft.1
Eine weitere Einrichtung, die Studenten, Absolventen und Berufstätigen vielfältige Angebote bietet, ihre Fähigkeiten im Ausland unter Beweis zu stellen,
ist die „giz“, die „Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit
(giz) GmbH“. Egal ob in Afrika, Asien, Europa oder Nord- und Mittelamerika,
die „giz“ bietet verschiedene Praktika im Ausland mit dem Hintergrund an, die
Bundesregierung bei der internationalen Zusammenarbeit zu unterstützen.2
Die Angebote sind praxisorientiert und Netzwerke bieten die Möglichkeit für
den überregionalen Austausch der Praktikanten in Bezug auf Erfahrungen in
den jeweiligen Ländern der Welt.
Wenn es nun auch Sie reizt, den Sprung über die Landesgrenze zu wagen und
einen Blick über den Tellerrand der deutschen Kulturlandschaft zu werfen,
können Sie sich anhand der folgenden Links über die vielfältigen Stipendienmöglichkeiten informieren:
http://kulturmanager.bosch-stiftung.de/content/language1/html/index.asp
http://www.ifa.de/foerderprogramme/crossculture/
http://www.giz.de/de/html/weltweit.html
1 Vgl. Institut für Auslandsbeziehungen e.V. (Hrsg.): http://www.ifa.de/foerderprogramme/crossculture/
2 Vgl. Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (giz) GmbH (Hrsg.): http://www3.giz.de/portal/ins_ausland/fuer_wen/index.php.de
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Was macht eigentlich...
Was macht eigentlich ein Freilichtspielintendant (und sein
Team) im Winter so?
Bereits seit 1925 gibt es in Schwäbisch Hall die bekannten Freilichtspiele, die jedes Jahr zahlreiche Besucher anziehen. Auf der Großen Treppe vor der Stadtkirche St. Michael und im Haller Globe Theater – einem einzigartigen Rundbau aus Holz – werden auch in diesem Jahr wieder anspruchsvolle Stücke wie
Faust I oder auch Summer of Love und weitere gezeigt. Seit der Spielzeit 2004 ist
Christoph Biermeier der Intendant der Freilichtspiele.
Ein Beitrag von Christoph Biermeier
Christoph Biermeier ist Intendant der
Freilichtspiele Schwäbisch Hall.
„Und was machen Sie im Winter so?“ Das ist die Frage, die einem Freilichtspielintendanten am zweithäufigsten gestellt wird (die am meisten gestellte lautet: „Wie wird’s Wetter heute / morgen / in zwei Wochen?“). Und das ist ja auch
kein Wunder, denn das Publikum sieht ja nur das, was auf den Brettern, die
die Welt bedeuten, die in Schwäbisch Hall hauptsächlich steinerne Treppen
sind, zur Aufführung kommt – und das findet nun mal in den Monaten Juni bis
August statt. Einen Betrieb zu organisieren und zu steuern, der im Sommer rund
200 Menschen beschäftigt und etwa 150 Veranstaltungen auf bis zu acht
Bühnen zustande bringt, braucht aber einen enormen Vorlauf und so gliedert sich das
Jahr in zwei Hälften. Der Sommer ist überwiegend der Kunst vorbehalten, die übrige
Zeit der Organisation.
Als Intendant ist man verantwortlich sowohl für den künstlerischen als auch für
den kaufmännischen Bereich. Darüber hinaus sollte der Intendant auch erster
Repräsentant „seines“ Theaters in der Öffentlichkeit sein. Eine Fülle von Aufgaben also, die zu bewältigen sind, aber auch eine Fülle von Freiheiten und
Verantwortlichkeiten.
Dem Theater ein eigenständiges künstlerisches Profil zu verleihen, es unverwechselbar zu machen, das gehört sicherlich zu den reizvollsten Aufgaben eines Intendanten. Das erfolgt in der Regel durch den Spielplan, durch die Regieteams,
die die Stücke interpretieren, aber auch durch die jeweiligen KünstlerInnen, die
jedes Jahr aufs Neue engagiert werden. In diesem Sinne ist die Intendantentätigkeit auch ein Reiseberuf. Es gilt den Markt zu sondieren, SchauspielerInnen, RegisseurInnen, etc. ausfindig zu machen – aber auch Stücke auf ihre Tauglichkeit für
unsere speziellen Spielorte zu prüfen.
Neben dem künstlerischen Personal müssen aber auch die technischen
Gewerke verpflichtet werden. Von SchneiderInnen über Requisiteure, bühnentechnisches Personal, Beleuchtung, TonmeisterInnen, MaskenbildnerInnen bis hin zu AnkleiderInnen und Ordnungspersonal. Festspiele haben einen großen Personalbedarf und
da bei uns die Qualität im Vordergrund steht, ist es oft ein langwieriger Prozess, bis die
geeigneten Menschen gefunden sind. Ist das technische und künstlerische Personal
gefunden, müssen Gagen ausgehandelt und die Verträge gestaltet werden.
Als inszenierender Intendant gilt es, die eigenen Regiearbeiten vorzubereiten,
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gemeinsam mit Dramaturgie, Ausstattung oder Komponist wird die eigene
Lesart des jeweiligen Stückes erarbeitet. In der Regel inszeniere ich darüber
hinaus einmal pro Jahr an einem anderen Theater, meist mit dem Ziel, diese Aufführung im Sommer an unser Theater zu holen. Das spart Kosten und erleichtert die technischen Abläufe.
Neben der künstlerischen Tätigkeit ist das zweite große Feld die wirtschaftliche
Steuerung des Unternehmens. Haushaltspläne müssen aufgestellt, Etats kalkuliert werden. Investitionen werden geplant, Aufträge vergeben. In den letzten Jahren haben die Freilichtspiele ihre ganzjährigen Aktivitäten ausgeweitet.
Theaterpädagogische Projekte, ein Winterprogramm, ein Jugendtheaterfestival, Kooperationen mit verschiedensten Institutionen müssen finanziert werden.
Dazu gilt es, Projektanträge zu stellen und Sponsoren zu suchen. So werden
neben der institutionellen Förderung – durch das Land Baden-Württemberg und der
Stadt Schwäbisch Hall – private Unterstützer immer wichtiger.
Anders als ein normales Stadttheater, das eine Eigeneinnahmeverpflichtung von 15
bis 20 % hat, müssen die Freilichtspiele ihren Etat zu fast 70 % selbst erwirtschaften.
Die Haupteinnahmequelle sind die Erlöse aus den Kartenverkäufen. Als Intendant ist
man daher in der Pflicht, einen Spielplan zu kreieren, der neben den künstlerischen
Ansprüchen auch die Einnahmen im Auge behält. Rund 65.000 BesucherInnen bedarf es jede Saison, um das Einnahmesoll zu erreichen. Eine stolze Zahl, wenn man
bedenkt, dass die Freilichtspiele open-air spielen und bei wetterbedingten Ausfällen
die Eintrittskarten zurückerstatten.
Ein dritter Themenkomplex ist die Vertretung der Freilichtspiele nach außen. Ein Theater, auch wenn es „nur“ im Sommer spielt, muss ganzjährig im Gespräch sein. Ob es
nun Vorträge bei den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppierungen sind oder
Tagungen, Pressetermine, Veranstaltungen des Fördervereins, Präsentation des Spielplans oder der Spielzeitergebnisse, Ankündigung von neuen Projekten, stets gilt es,
Öffentlichkeit herzustellen. Denn nach wie vor werden Freilichtspiele im Allgemeinen
für einen Sommerevent gehalten. Dass die Freilichtspiele Schwäbisch Hall längst zu einem ganzjährigen kulturellen Leuchtturm mit überregionaler Bedeutung geworden
sind, ist im Bewusstsein vieler Menschen noch nicht so verankert, wie wir das gerne
hätten. Hier gilt es, permanent Werbung fürs Theater zu machen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt in mittelfristigen Zukunftsplanungen. So werden die
Freilichtspiele im Herbst 2013 ein neues, größeres Bürogebäude beziehen, das neben
großzügigeren Büros auch Proben-, Vorstellungsräume, sowie Werkstätten besitzen
wird. Auch dies ist ein weiterer Schritt zu einer ganzjährigen Ausdehnung des Programms.
Und das wohl schwierigste, aber auch ambitionierteste Zukunftsprojekt wird wohl
die Frage nach dem Nachfolgebau für das Haller Globe Theater sein. Die Betriebsgenehmigung des im Jahre 2000 zum 75-jährigen Jubiläum der Freilichtspiele erbaute
Shakespeare-Theater läuft 2016 aus. Und schon jetzt laufen die Gespräche und Planungen für einen neuen Theaterbau. Hierfür die gesellschaftliche Akzeptanz und die
politische Unterstützung zu erlangen sowie die Finanzierung sicherzustellen, dies
wird den Intendanten der Freilichtspiele und sein Team noch einige Sommer und
Winter beschäftigen.
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Was macht eigentlich eine Theaterpädagogin?
Theater vermitteln mit den Mitteln des Theaters – oder:
Die Förderung der Zuschaukunst
Mitten in Berlin, „Unter den Linden“ befindet sich eine der ersten Bühnen Deutschlands: das traditionsreiche „Maxim Gorki Theater“. Es ist das älteste Theater Berlins
und wird noch bis zum Spielzeitende von Armin Petras (auch bekannt als Autor Fritz
Kater), der nach Stuttgart wechseln wird, geleitet. Im Sommer übernimmt Shermin
Langhoff, die bis dato Intendantin am Ballhaus Naunynstraße war, die Geschicke des
Traditionshauses.
Janka Panskus ist leitende Theaterpädagogin und berichtet über ihre Arbeit und wie
das Theater versucht, Jugendliche zu erreichen, die sonst eher wenig Berührungspunkte mit den schönen Künsten haben.
Janka Panskus über ihre Aufgaben und
Ziele als Theaterpädagogin.
Ein Beitrag von Janka Panskus
Ohne Zuschauer gibt es kein Theater. Und das ist hier nicht ökonomisch
gemeint: Theater ist Kommunikation zwischen den Darstellern / dem Dargestellten auf der Bühne und dem Publikum. Es braucht den Zuschauer, der das
Gesehene auf der Bühne, die Zeichen und Symbole dechiffriert und in seinem
Kopf zusammensetzt. Brecht spricht nicht umsonst von der „Zuschaukunst“.
Doch heutzutage haben viele – vor allem Jüngere – mit der „Sprache“ des Theaters Probleme, denn ihre Sehgewohnheiten sind durch Film, Fernsehen und
Computer geprägt. Will das Theater als Kunstform überleben, muss es sich also
ganz besonders um die „Nachwuchszuschauer“ kümmern. Aber wie erschließt
man sich als Theater kompetente Zuschauer?
Im Berufsfeld Theaterpädagogik am Theater gab es in den letzten zehn, zwölf
Jahren eine rasante Entwicklung. So hat auch das Maxim Gorki Theater Berlin seit
elf Jahren eine Theaterpädagogik. Da es sich hier um ein „Erwachsenentheater“
handelt, viele ältere Dramen mit ungewohnter Sprache auf die Bühne gebracht
werden – und das mit den Mitteln des sogenannten modernen „Regietheaters“ –
werden vor allem spielplangebundene Workshops angeboten, die in der Regel
vier Stunden dauern, von LehrerInnen im Rahmen des Unterrichts mit ihrer
Klasse besucht werden und als Vorbereitung kostenlos sind. So kommen auch
Schüler ins Theater, die vom Elternhaus aus sonst nie Kontakt mit dieser Form
der „Hochkultur“ erhalten hätten. Natürlich wäre es zu idealistisch, zu glauben,
dass bei allen Schülern sofort der Funke überspringt. Aber ein Schüler, der ein
positives Erlebnis mit einem Theaterbesuch verbindet, wird vielleicht später aufgeschlossener reagieren. Ein erstes Samenkorn ist gesät.
In den Workshops vermitteln wir mit den Mitteln des Theaters, durchlaufen einen Teil des Prozesses der Schauspieler und Regisseure selbst. So bekommen
die Schüler Einblick ins Handwerk und die Arbeit am Theater. Anders ausgedrückt bieten wir einen handlungs- und prozessorientierten Umgang mit dem
Stückinhalt und der ästhetischen Umsetzung im Maxim Gorki Theater an. Die
SchülerInnen haben hierbei gestalterische Freiheit. So wird ein persönlicher
und ganzheitlicher Zugang geschaffen, durch den die Schüler eine Verbindung
zum eigenen Leben herstellen. Wertungen wie in der Schule werden vermie-
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den: Im Theater gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, sondern nur verschiedene
Interpretationen. Das schlechteste Feedback, das wir zu hören bekommen, ist:
„War besser als Schule“. Die meisten Schüler sind neugierig geworden auf den
Vorstellungsbesuch und reagieren laut Aussage der Schauspieler auch tatsächlich schneller und „angewärmter“ auf den Theaterdialog.
Mit dem Jugendklub „Die Aktionisten“ und den „GOLDEN GORKIS“, unser
Ensemble 55+, bauen wir eine langfristigere Bindung auf. Um im Jargon des
Marketing zu bleiben, spielen hierbei natürlich der Multiplikatorenwert und
auch der Imagewert (das Theater gibt Raum für Laien und deren Sichtweisen)
eine gewisse Rolle. Hier hat man es mit Spielwütigen zu tun, die man über die
kontinuierliche Arbeit miteinander zu Kennern, Insidern und Freunden macht.
Die Menschen, die zu unseren sogenannten „Zuschauerakademien“ kommen,
sind dagegen meistens sowieso schon „Kunden“, aber auch diese muss man
pflegen. Generell wird im Maxim Gorki Theater der direkte Austausch mit den
Zuschauern großgeschrieben, nicht nur in der Theaterpädagogik; auch die Dramaturgen geben viele Einführungen und moderieren Nachgespräche. Alles in
allem ist es ein sehr sinnerfüllender Bereich: Wir verhandeln im besten Sinne im
Theater uns selbst, unsere Gesellschaft und wie wir leben wollen.
Was macht eigentlich die Kulturpolitische Gesellschaft?
Ein Beitrag von Ulrike Blumenreich
Die Kulturpolitische Gesellschaft ist ein bundesweiter Zusammenschluss kulturpolitisch engagierte Menschen und Einrichtungen. Ihre circa 1500 Mitglieder
kommen aus allen Bereichen des Kulturlebens: aus Kulturarbeit, Kunst, Politik,
Wissenschaft, Publizistik und Kulturverwaltung. Dabei sind alle Generationen
vertreten: knapp ein Viertel unserer Mitglieder ist zwischen 20 und 40 Jahren
alt (unter ihnen ca. 100 Mitglieder unter 30 Jahren), knapp die Hälfte zwischen
40 und 60 Jahren und etwa ein Drittel über 60 Jahre alt.
Ulrike Blumenreich erklärt die Aufgaben
der Kulturpolitischen Gesellschaft.
Die Kulturpolitische Gesellschaft, die 1976 in Hamburg gegründet wurde, ist
keine Lobbyorganisation und kein Interessenverband, denn ihre Mitglieder
können in einzelnen thematischen Feldern durchaus divergierende Interessen
verfolgen. Ziel der Kulturpolitischen Gesellschaft ist es vielmehr, neue Leitbilder
für die Kulturpolitik zu entwickeln und Themen auf die kulturpolitische Agenda
zu setzen und zu diskutieren. Unsere Aktivitäten sind daher vor allem auf Informationsvermittlung und Meinungsbildung angelegt.
Die Kulturpolitische Gesellschaft informiert, sie mischt sich ein in kulturpolitische Debatten und Zukunftsdiskurse. Wie macht sie das?
- Die Kulturpolitische Gesellschaft veranstaltet Tagungen. Darunter sind sowohl
Fachtagungen mit bundesweiter (bzw. internationaler) Ausstrahlung . So beispielsweise die alle zwei Jahre stattfindenden kulturpolitischen Bundeskongresse: auf
dem siebten Kongress am 13./14. Juni in Berlin werden sich circ 400 TeilnehmerInnen mit dem Thema » Kultur nach Plan. Strategien konzeptgestützter Kulturpolitik « auseinandersetzen. Aber auch ganz konkrete Themen mit regionalem Bezug
sind Gegenstand von Veranstaltungen, wie beispielsweise im Dezember 2012 die
neuen Theater- und Orchesterkonzeptionen in Mecklenburg-Vorpommern.
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- Die Kulturpolitische Gesellschaft gibt Publikationen heraus. Dazu zählen die
» Kulturpolitischen Mitteilungen «, eine Fachzeitschrift, die vier Mal jährlich
über aktuelle kulturpolitische Themen informiert – mit einem jeweiligen
thematischen Schwerpunkt (im letzten Heft » Kulturpolitik & Kreativwirtschaft «), Berichten über Projekte und Initiativen, Vorstellungen von Studienangeboten, Rezensionen, kulturpolitischen Dokumenten, Chroniken
und Bibliographien – darunter viele Beiträge von unseren Mitgliedern. Im
Publikationsbereich verfügen wir darüber hinaus über mehrere Buchreihen,
unter anderem das » Jahrbuch für Kulturpolitik «, das nun zum zwölften Mal
erscheint und das sich zu einem wichtigen Nachschlagewerk entwickelt hat.
- Auch wenn der Sitz unserer Geschäftsstelle in Bonn ist, engagieren sich
unsere Mitglieder vor Ort in den Regionalgruppen. Diese leben von den
Erfahrungen, den Diskussionen, den persönlichen Treffen und dem Engagement unserer Mitglieder. Ihre Themen und Arbeitsweisen sind jeweils den
Bedürfnissen vor Ort angepasst. Die Regionalgruppe Baden-Württemberg
beispielsweise hat im Frühjahr 2011 einen Fragen- und Forderungskatalog an
die neue Landesregierung entwickelt.
- Die Kulturpolitische Gesellschaft unterhält ein Institut für Kulturpolitik. Es
betreibt anwendungsbezogene Kulturpolitikforschung und ergänzt als
Forschungs-, Dokumentations- und Informationseinrichtung die Arbeit des
Verbandes. So betreibt es ein kulturpolitisches Informationssystem, das unter
anderem eine online und kostenlos verfügbare Bibliographie mit Nachweisen
über kulturpolitisch relevante selbstständige Werke, Buch- und Zeitschriftenbeiträge von mehr als 100 Fachzeitschriften bereithält. Das Institut führt außerdem
Forschungsprojekte durch, darunter beispielsweise » Studium – Arbeitsmarkt –
Kultur «, in dem eine Bestandsaufnahme von kulturvermittelnden Studienangeboten vorgenommen, die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes recherchiert
und der Dialog zwischen Hochschulen und Arbeitsmarkt intensiviert wurden.
- Die Kulturpolitische Gesellschaft unterhält zwei Kontaktstellen für
Programme der Europäischen Union: Der Cultural Contact Point informiert
und berät zum Kulturförderprogramm der EU, die Kontaktstelle Deutschland
» Europa für Bürgerinnen und Bürger « zum gleichnamigen Programm.
Über die zahlreichen weiteren Aktivitäten der Kulturpolitischen Gesellschaft
informiert unsere Internetseite:
http://www.kupoge.de
Wir freuen uns, wenn Sie vorbeischauen.
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Was macht eigentlich eine Studentin am Nationaltheater
Mannheim?
Johanna Pschorr im Interview mit ARTikel
Unsere Interviewpartnerin Johanna Pschorr studiert Posaune an der Musikhochschule in Stuttgart. Momentan nimmt sie sich eine Auszeit vom Studium, um in der
Spielzeit 2012/2013 ein Praktikum am Nationaltheater Mannheim zu absolvieren.
Während dieses Praktikums ist sie Mitglied des dortigen Opernorchesters und beteiligt sich an Aufführungen wie beispielsweise „Siegfried“ oder auch „Die Zauberflöte“.
Neben ihrem Studium unterrichtet Johanna Pschorr Posaune, Tenorhorn und Bariton an einer Musikschule.
Ist Musik noch Leidenschaft oder mittlerweile eher Arbeit und Broterwerb?
Die Leidenschaft für die Musik war von Anfang an da und ist auch immer noch
da, ansonsten wäre mein Weg ein anderer gewesen. Im Laufe der Zeit wird
einem allerdings klar, dass man mit der Musik auch irgendwann Geld verdienen
muss. Der Idealfall ist natürlich, wenn man von dem Geld, das man als Musiker
verdient, leben kann und die Leidenschaft für das, was man tut, trotzdem erhalten bleibt.
Spielt in der Spielzeit 2012/2013
Posaune am Nationaltheater Mannheim:
Johanna Pschorr.
Welche Eigenschaften muss man Ihrer Auffassung nach mitbringen, um
als Musiker Erfolg zu haben?
Die Leidenschaft zur Musik ist der Grundbaustein für den Erfolg von Musikern.
Ansonsten ist es sehr schwer, Hörer zu erreichen und zu berühren. Musiker
müssen außerdem sehr diszipliniert sein, da die Konkurrenz stark und groß ist.
Man muss viel Zeit investieren, um Erfolg zu haben und um gut, beziehungsweise besser als die anderen zu werden. Aber das Wichtigste ist, dass man die
Fähigkeit besitzt, ein Gleichgewicht zwischen Spaß und Disziplin zu behalten.
Wie groß ist die Konkurrenz – insbesondere auch durch ausländische
Musiker?
Sehr, sehr groß. Das sehe ich vor allem an den Hochschulen, an denen viele ausländische Kommilitonen studieren. Das liegt vor allem daran, dass Deutschland
das Mutterland der klassischen Musik ist und es somit ein besonderer Anreiz für
ausländische Musiker ist, hier zu studieren. Meistens absolvieren die Studierenden aus dem Ausland, z.B. aus Asien, schon in ihrem Heimatland ein Studium,
um danach nach Deutschland zu kommen, um hier weiter zu studieren. Diese
Musiker sind in ihrem Können weiter als deutsche Studierende, die gerade erst
mit dem Studium beginnen. Außerdem werden die ausländischen Studierenden immer jünger. Oft können sie bereits in einem Alter ein abgeschlossenes
Studium vorweisen, in dem ein Deutscher gerade erst das Abitur absolviert hat.
Welche Kontakte haben Sie zum Kulturmanagement und zu Kulturmanagern? Sind Kulturmanager für Musiker wichtig?
Durch Kulturmanager werden wir Musiker kontaktiert und engagiert. Wir werden angefragt, ob wir Zeit haben zu spielen oder Projekte mitzugestalten. Dies
ist ein sehr bedeutender Berührungspunkt, da sich viele Musiker selbst nicht
gut organisieren können. Vor allem bei großen Projekten ist es wichtig, mit
Menschen zusammenzuarbeiten, die ihr Handwerk verstehen und die wissen,
wie man mit Künstlern umgehen muss.
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Für Musiker stehen das Instrument und die Musik im Mittelpunkt. Dass man
dann allerdings auftreten kann und Angebote bekommt, haben wir Musiker
dann den Kulturmanagern zu verdanken. Wobei es natürlich nie schadet, wenn
man sich selber einbringt. Denn das muss man natürlich auch, um Erfolg zu
haben.
Wie und wo sehen Sie Ihre eigene musikalische Zukunft?
Ich kann und möchte mich in diesem Punkt momentan nicht festlegen, da
meine Interessen in verschiedene Richtungen gehen. Mir gefällt sowohl das
Spielen an der Oper, aber auch der Beruf des Instrumentallehrers. Zur Zeit habe
ich die Möglichkeit, im Nationaltheater Mannheim zu spielen und finde es toll,
die Arbeit in einem Orchester kennenzulernen. Mir macht aber auch das Unterrichten viel Spaß und ich sehe es auch als meine Aufgabe, eine gute Lehrerin zu
werden. Es gibt viele Musiker, die den Traum vom Orchestermusiker verfolgten,
dies allerdings nicht erreichten und dann Lehrer geworden sind. Diese Lehrer
sind aber nicht immer die Besten. Ich finde es sehr wichtig, dass man den Unterricht richtig macht und auf die Kinder eingeht.
Glauben Sie, dass Kinder und Jugendliche durch Projekte wie die „Junge
Oper“ am Nationaltheater in Mannheim an die klassische Musik herangeführt und dadurch auch langfristig an diese gebunden werden?
Zunächst sehe ich diese Projekte als sehr wichtig an. Wenn dadurch auch nur
ein paar Kinder begeistert werden können, ist das Ziel schon erreicht. Und das
Wichtigste ist, dass man den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gibt, die
klassische Musik kennenzulernen. Denn erst dann können Kinder oder Jugendliche sagen, ob es ihnen gefällt oder eben nicht. Das Ziel ist dann erreicht, wenn
man es schafft, möglichst viele Kinder anzusprechen – und nur dann ist eine
langfristige Bindung an die klassische Musik möglich.
Wie, glauben Sie, sehen Konzerte in 20 Jahren aus? Wer wird das Publikum
sein?
Das ist eine schwierige Frage. Das Interessante daran ist tatsächlich die Frage,
wie das Publikum aussehen wird. Ob nur noch ältere Menschen in Konzerte
und in die Oper gehen oder ob es gelingt, auch jüngere Menschen zu motivieren, sich diese Musik anzuhören und sich davon begeistern zu lassen. Ich
denke, dass es möglich ist, wenn die Förderung von jung auf verbessert wird.
Es kann auch sein, dass sich ein ganz neuer Stil entwickelt und dass sich die
Zeitgenössische Musik mehr und mehr durchsetzt. Es gibt viele Menschen, die
für neue Musik offen sind und die Meinung vertreten, dass in den nächsten
200 Jahren nicht die gleiche Musik komponiert und gespielt werden kann wie
in den letzten 200 Jahren. Allerdings gibt es auch viele Liebhaber der klassischen Musik, die sich durch diesen neuen Stil vor den Kopf gestoßen fühlen.
Mittlerweile gibt es aber auch noch einen anderen erfolgreichen Ansatz: Dabei
wird die klassische Musik mit Popmusik gemeinsam auf eine Bühne gebracht.
Es handelt sich dabei jedoch nicht um klassische Musik im eigentlichen Sinne.
Dies ist „leichtere Musik“, mit der man sich nicht auseinandersetzen muss wie
beispielsweise mit einer Brahms-Symphonie.
Liebe Frau Pschorr, vielen Dank für das Gespräch.
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Was macht eigentlich eine Studentin während ihres
Auslandsemesters?
Ein Beitrag von Iris Pöschl
Als Michael Obrock als einer der ersten deutschen Studenten 1987 für ein Auslandsstudienjahr mit Erasmus nach England aufbrach, war das einzigartig! Auslandsaufenthalte von Studierenden gab es bis dahin nur selten, der Name „Erasmus“ war
noch ein unbeschriebenes Blatt.
Iris Pöschl über ihre Erfahrungen mit dem
Erasmus-Programm.
Heute können wir über diese Unwissenheit von damals nur schmunzeln. Ein
Auslandsaufenthalt während des Studiums ist nichts Außergewöhnliches mehr –
80 % der Studierenden entscheiden sich laut einer aktuellen Erhebung des
Deutschen Studentenwerks für das europäische Ausland. Kein Wunder, denn
für längere Zeit in Europa zu studieren, ist so einfach geworden, wie nie! Das haben wir vor allem dem Erasmus-Programm zu verdanken, welches 2012 seinen
25. Geburtstag feierte. Benannt nach einem der bedeutendsten Repräsentanten
des europäischen Humanismus, Erasmus von Rotterdam (1465-1536), wurde es im
Juni 1987 mit dem Ziel gegründet, Studierenden und Akademikern das europaweite Studieren, Forschen und Arbeiten zu ermöglichen. Erasmus soll seither ein
Austausch sein, der das (Selbst-) Bewusstsein für ein Leben in Europa stärken und
die Berufschancen der jungen EU-Bürger durch die persönliche und fachliche Bereicherung im Ausland erhöhen soll.
Androulla Vassilou, EU-Kommissarin für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und
Jugend, setzt sich in der Europäischen Kommission in Brüssel dafür ein, dass
die Erasmus-Idee gelebt werden kann. Mit Erasmus hatten bisher rund zwei
Millionen Studierende die freie Wahl, in welchem der 33 Teilnehmerländer
(27 EU-Mitgliedsstaaten sowie die Türkei, Island, Liechtenstein, Norwegen,
Schweiz und Kroatien) sie ihren Auslandsaufenthalt verbringen möchten.
Außerdem hält die EU Gelder für dieses Vorhaben bereit: Derzeit stehen jedem der
rund 30.000 deutschen Erasmusstudierenden durchschnittlich 110 Euro pro Monat
als sogenanntes „Erasmusstipendium“ für die Dauer des Praktikums oder Auslandssemesters zu. Die Studiengebühren an der Erasmus-Partnerhochschule oder Universität werden erstattet.
Was in der Theorie gut klingt, führt in der Praxis zu immer lauter werdenden Negativstimmen. „Erasmus, Orgasmus!“ lautet der Titel eines Artikels der
Wochenzeitung „DIE ZEIT“ in einer Ausgabe im März 2012. Das weltweit größte studentische Austauschprogramm – „der größte Sauf- und Sex-Exzess Europas“!?
Ich selbst habe gemeinsam mit einer Kommilitonin ein Erasmus-Semester an einer
irischen Hochschule verbracht und kann und will meinen Auslandsaufenthalt nicht
durch so eine Mutmaßung der führenden meinungsbildenden, deutschen Wochenzeitung entwerten lassen. Wir sind eine Generation, die ihr weltoffenes Lebensgefühl vielfältig und einfach ausleben kann und die sogar gefördert wird, dies zu tun.
Wir haben die Möglichkeit, ein Land zu bereisen, fremde Menschen, ihre Kultur und
ihre Lebensart kennenzulernen, um anschließend mit einem Kopf voller Bilder und
beflügelt von vielen internationalen Eindrücken zurückzukehren. Wertschätzen wir
diese Möglichkeiten so wenig? Entwerten wir selbst die ursprüngliche Erasmus-Idee
durch unser Verhalten? Meine Antwort lautet: NEIN! Es geht im Ausland weniger da-
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rum, wie sehr wir fachlich wachsen, ob wir von einem anderen Hochschulsystem lernen können oder wie viele Bücher wir an unserem Schreibtisch im acht qm Studentenwohnheimzimmer ach so fleißig wälzen. Wir erlernen vielmehr die Fähigkeit, uns
fernab aller heimeligen Gewohnheiten zu arrangieren, uns in eine fremde
Gemeinschaft zu intergieren und schließlich Freunde auf dem ganzen Globus zu
finden.
ZEITgemäß ähnelt Erasmus einem exzessiven Partymarathon. Auch ich muss
zugeben: Die Partys, die wir auf der „Grünen Insel“ gefeiert haben, waren
legendär ... – und lehrreich, wenn man bedenkt, dass man sich an einem Abend
gut und gerne in drei unterschiedlichen Sprachen verständigen musste, um
den verschiedenen Nationalitäten im Wohnheim gerecht zu werden. Ich betrachte Erasmus daher eher als eine große Chance, die jeder auf seine Weise
nutzen und gestalten darf. Ich sehe es auch als Abenteuer, aus dem weltoffene,
tolerante und inspirierte junge Menschen hervorgehen, die Lust haben, Europa näher zusammen- und voranzubringen, weil sie alle ein gemeinsames Fazit
ziehen können: „Mein Auslandssemester war die beste Zeit meines Lebens!“
Könnte es ein positiveres Feedback für Erasmus geben?
Worum geht es eigentlich...
Worum geht es eigentlich in „Mainstream – Wie funktioniert, was allen gefällt“, von Frédéric Martel?
Ein Beitrag von Prof. Dr. Raphaela Henze
Der französische Soziologe Frédéric Martel gibt in seinem Buch einen Einblick in
die globale Unterhaltungsindustrie.
Möglicherweise haben viele ähnliche Erfahrungen gemacht: man trifft im Ausland auf Menschen anderer Nationalität oder – wie es so schön heißt – eines
anderen Kulturkreises und im Laufe des Gesprächs stellt man erstaunt fest, dass
man doch gar nicht so unterschiedlich ist, wie die Umstände hätten vermuten
lassen. Viele Menschen meiner Generation beispielsweise verbindet eine –
mittlerweile latent peinliche – Jugendleidenschaft für die Fernsehserie
Beverly Hills 90210. Dieser amerikanischen Soap war es in den 90er Jahren
gelungen, Jugendliche – vor allem wohl weiblichen Geschlechts – überall auf
der Welt in den Bann zu ziehen. Das Wissen, dass Menschen unabhängig von
geografischen Gegebenheiten oder von Religionen ähnliche Leidenschaften
haben oder – um das Ganze auf eine etwas anspruchsvollere Ebene zu heben
– ebensolche Ideen, Wünsche und Ideale, empfinde ich nicht nur als etwas
zutiefst Beruhigendes, sondern sogar als etwas für das friedliche Zusammenleben Existentielles. Aber nun zurück zur amerikanischen Soap und dem Buch
„Mainstream“ des französischen Soziologen Frédéric Martel. Wieso sind es nun
amerikanische Fernsehserien, Filme, Bücher und Melodien, die es erfolgreich
um die Welt schaffen? Warum spielen europäische Inhalte eine immer weniger
ins Gewicht fallende Rolle? Muss uns das im Land der Dichter und Denker (fast
alle, die wir darunter fallen lassen, sind längst tot) nicht beunruhigen?
Frédéric Martel hat fünf Jahre lang dreißig Länder bereist, um dem Erfolgsrezept
des amerikanischen Kulturexports auf die Spur zu kommen. Auf dieser Reise erfährt der Leser sehr viel darüber, wie Medienkonzerne funktionieren, wie und
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von wem Inhalte bestimmt und verbreitet werden und welche Konzessionen
dabei etwa an kulturelle Besonderheiten gemacht werden. Spätestens seit dem
11. September 2001 wissen wir allerdings auch, dass die Omnipräsenz amerikanischer Marken und Inhalte alles andere als ausschließlich positive Reaktionen
hervorruft.
Andere Länder – insbesondere auch die sogenannten Schwellenländer – holen
auf. Sie wollen die Deutungshoheit zurückgewinnen – manchmal allerdings
auch mit für Menschen in westlichen Ländern kaum akzeptablen Zielen. In
Städten wie Mumbai, Shanghai und Dubai etablieren sich neue, gigantische
Medienkonzerne, die es sich vorgenommen haben, die USA inhaltlich aber
auch ökonomisch in die Schranken zu weißen, was ihnen – so Martels These –
zunehmend gelingen wird.
Martels Buch ist akribisch recherchiert, verständlich und bisweilen sogar
spannend geschrieben. Es sollte von jedem gelesen werden, der sich darüber
Gedanken macht, welche Rolle etwa europäisches kulturelles Erbe in der Welt
noch spielen kann, der erfahren möchte, wie große Medienkonzerne agieren
und den interessiert, welche Macht Medien in einer Vielzahl von Ländern haben
und wie sich die Welt verändern wird, wenn Inhalte von diesen zu sehr dominiert werden. Darüber hinaus erfährt der geneigte Leser viel über Werte und
andere Kulturen.
Unbedingt lesen!
Worum geht es eigentlich in „Sommer der Gaukler“? Vom
Aufstieg des self-made Theatergenies, der für Mozart die
Zauberflöte schrieb
Ein Beitrag von Ralf G. Bäuchl
Im 17. Jahrhundert lagen Macht und Möglichkeiten der Unterhaltungsmedien
alleine bei den Eliten – „live“, „klerikal“, „exklusiv“, „elitär“. Sie dienten vor allem
der Beeinflußung, Zerstreuung sowie im Wechsel zum stark rollengeprägten
Spiel in der Gesellschaft einer Art archaisch ausgelassenen, exzessiven Lebensbelustigung in verschlossenen Kammern, Palais und höfischen Theatern. Vordergründig geht es in dem in vielerlei Hinsicht gelungenen Werk des talentierten
Nachwuchsregisseurs Marcus H. Rosenmüller um die im Jahr 1780 in Salzburg
heiß ersehnte Begegnung des bis dahin ewig bankrotten Privattheaterveranstalters, Schauspielers, Regisseurs und Stückeschreibers Emanuel Schikaneder
mit dem damaligen Superstar der Unterhaltung – W. A. Mozart. Aber neben
dem Blickwinkel auf die Risiken der abhängig finanzierten Kultur geht es vor
allem auch um deren mögliche Wirkung auf das einfache Volk.
Ein Film über den Aufstieg des self-made
Theatergenies, der für Mozart die Zauberflöte schrieb.
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Denn Mozart hatte eine verrückte Idee und Schikaneder setzte diese mit all seinem Geschick und dem einer Revolte geliehenen Ideenreichtum in einem selbst
geschriebenen Stück auf dem Platz eines einfachen Gebirgsdorfs in der Salzburger Region um: In der ersten Reihe nehmen privilegiert an einem reich gedeckten Tisch der örtliche Erzgrubenbesitzer, seine Tochter und der schwer verliebte
Richter zur Feier seiner Verlobung Platz. Das Stück „Welttheater“ beginnt vor den
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gebannt versammelten Dorfbewohnern. Superstar und Vater des Experiments
W.A. Mozart trifft mit seinen Gespielinnen tatsächlich ein – und plötzlich wird es
turbulent, denn das Theater entfaltet eine „Sofortwirkung“ auf seine dörflichen
Zuschauer. Das spannende Experiment Mozarts, die „kulturlosen“ Bauern und
Arbeiter zum ersten Mal mit dem noch nie erlebten Unterhaltungsmedium Theater zu konfrontieren, lässt Grenzen verschwinden und Emotionen überhand
nehmen. In der dörflichen Freilufttheaterkulisse kommt es zum Äußersten, einer
Revolte gegen den Grubenbesitzer Paccoli. Doch sehen Sie selbst in allen bezaubernden Details die Mischung aus Kostümfilm, Slapstick, Melodram, Musical
und mitreißender Liebesgeschichte des Theaterregisseur Schikaneder, für den
1780 die Begegnung mit Mozart sein Leben mit einem Mal radikal veränderte.
Marcus C. Rosenmüller serviert eine reizende Pralinenschachtel voller variantenreicher szenischer Köstlichkeiten. Wie immer wirbelt er mit einer sehr gut
abgestimmten Mischung aus großartigen Schauspielerinnen und Schauspielern
der ersten Garde und dem begnadeten Nachwuchs vieles mit viel Humor und
Ironie durcheinander, ohne dabei plump und oberflächlich abzugleiten.
Worum geht es eigentlich beim KulturInvest-Kongress 2012?
Eine Plattform weit über Kulturthemen hinaus
Ein Beitrag von Sandra Kugler
Berlin, 25. und 26. Oktober 2012, Branchentreff für Kulturanbieter und Kulturinvestoren des deutschsprachigen Raumes.
Sandra Kugler gibt einen Einblick in die
Inhalte des KulturInvest-Kongress 2012.
In Parallelforen wurden verschiedene Themen der Branche in den Fokus
gestellt: die Herausforderungen der globalen ökonomischen und sozialen Entwicklung für die Kulturpolitik, Kulturanbieter und deren Kooperationspartner,
die Etablierung betriebswirtschaftlicher Management- und Marketingprozesse
bei öffentlichen und privatwirtschaftlichen Kultureinrichtungen, die Übernahme kultureller Verantwortung durch Wirtschaftsunternehmen und kulturpolitisches Umdenken sowie die Eröffnung neuer Entwicklungsperspektiven für das
Zusammenwirken von Kultur, Wirtschaft, Öffentlicher Hand und Medien.
Das Programm des zweitägigen Kongresses lockte Experten aus Wirtschaftsunternehmen, Stadtverwaltungen, Ämtern, Agenturen, Direktoren und Geschäftsführer aus Kulturinstitutionen und Stadtmarketinggesellschaften, namenhafte
Professoren aus Kultur, Marketing und BWL, Leiter und Vorstände von Stiftungen, Vereinen und Verbänden sowie Meinungsbildner und Medienvertreter in
die Räume des Tagesspiegels nach Berlin.
Durch 60 Redner in 19 Foren wurden Einblicke in die aktuellen Entwicklungen der Branche geboten. Die Kultur, die immer noch das Image eines trägen
und verstaubten Systems hat, das zudem eine durch den Staat finanzierte
Unabhängigkeit genießt, wird hier in einem anderen Licht präsentiert. Längst
gibt es Experten, die Strategien, Marketingkonzepte und Finanzierungskonzepte entwickelt und etabliert haben. Als Beispiel ist hier das Internationale
Beethovenfest in Bonn zu nennen. Hier wurde längst verstanden, wie Markenbildung funktioniert und wie über Generationen hinweg eine ganze Stadt für ein
Projekt begeistert werden kann. Auch der Begriff „Marktforschung“ ist längst
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kein Fremdwort, sondern integrierter Baustein ausgefeilter Konzepte.
Ebenso interessant, wenn auch nicht neu, sind die Kulturengagements von
Unternehmen. Hier ließ sich bei Interesse über eine Gesprächsrunde im Nachgang eines Vortrags oder auch über eine Visitenkarte im Kontaktboard ein überraschend leichter Kontakt zu Firmen herstellen, die Kultursponsoring in ihrer
Konzernkommunikation verankert haben. Das Gleiche gilt für Agenturen aus
dem Bereich Eventmanagement, Marketing, Kommunikation und Sponsoring.
Eine Begegnung auf Augenhöhe und ein hohes Interesse am „studentischen
Nachwuchs“ führten schnell zum Austausch, auch über Praktika und mögliche
Jobeinstiege.
Darüber hinaus bot der Kongress auch viel Stoff für Diskussionen. Nicht jedes
Wirtschaftsunternehmen berücksichtigt beim Kultursponsoring Controlling,
Marktforschung oder das Kundeninteresse. Dieser andere Blickwinkel führte
zu anregenden Gesprächsrunden, die dem Austausch nochmals einen deutlichen Schwung verliehen. Besonders spannend waren auch die vorgestellten
Innovationen und Trends. Insbesondere die neue, kostengünstige Entwicklung
von Webseiten für Mobiltelefone, Tablets und PCs wird es auch für die Kultur
nutzbar zu machen gelten.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Kultur sich bereits stärker in der
Wirtschaft und den Medien verankert hat, als es von außen hin häufig ersichtlich ist. Die Kultur erlebt eine Professionalisierung, die in den kommerziellen
Entwicklungen dem Sport nacheifert. Gleichzeitig hat der Kongress aber auch
die Unterschiede verdeutlicht. Insbesondere eine Diskussionsrunde mit dem
Manager von „The Voice of Germany“ und der Unternehmensgruppe, die den
Sponsoringvertrag zwischen DFB und Sony in Millionenhöhe abschloss, zeigte
auf, welche Schwierigkeiten ein „organes Management“ mit Künstlern mit sich
bringt. Eine weitere Erkenntnis ist ein unterschiedliches Verständnis der Begriffe
„Strategie“ und „Sponsoring“, was eine rege Diskussion entfachte.
Alles in allem war der vierte KulturInvest Kongress eine enorme Bereicherung –
insbesondere auch wegen der interessanten Gespräche über Praktika,
Masterthesen und Jobeinstiege.
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Was ist eigentlich sehenswert...
... zwei (Geheim-) Tipps für Berlin
Ein Beitrag von Prof. Dr. Raphaela Henze
Da Berlin – insbesondere für Menschen mit Kunst- und Kulturaffinität – immer
eine Reise wert ist, manche dort ja sogar einen Koffer haben sollen, sei auf zwei
Kleinode aufmerksam gemacht. Es handelt sich um die Privatsammlungen von
Christian Boros und von Erika und Rolf Hoffmann.
Prof. Dr. Raphaela Henze empfiehlt Kunstsammlungen in Berlin.
Sammlung Boros:
Christian Boros hat sein Geld im Medienbereich gemacht (ja, damit konnte man
tatsächlich mal reich werden) und bereits in jungen Jahren begonnen, zeitgenössische Kunst zu sammeln. Um seine auf stattlichen Umfang angewachsene
Sammlung entsprechend unterzubringen und dann auch noch zentral in Berlin
zu wohnen, kaufte er den 1942 unter Generalbauinspektor Albert Speer entstandenen Luftschutzbunker in der Reinhardtstraße in Berlin Mitte. Ein Bunker
und dann auch einer mit einer derart wechselvollen Geschichte – nach dem
Krieg diente er zeitweilig als Kriegsgefängnis und zu DDR-Zeiten als Textillager
und Lager für Südfrüchte (an die das gemeine Volk selbstverständlich nicht
dran kam, obwohl es vom Inhalt des Bunkers, der fortan im Volksmund „Bananenbunker“ hieß, wusste) und schließlich beherbergte der Bunker nach der
Wende den wohl härtesten Techno-Klub der Welt – als Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst und als Wohnung? Auch seine Banker sollen versucht haben,
Christian Boros von dieser Idee abzubringen. Doch nach fast fünfjähriger Restaurationszeit wurde die Sammlung 2008 für den Publikumsverkehr geöffnet und
Christian Boros wohnt samt Familie in einem glasumrandeten und mit viel Waschbeton versehenen Penthouse auf dem Dach des denkmalgeschützten Bunkers.
Sein ungewöhnliches Domizil findet sich in regelmäßigen Abständen und in
höchsten Tönen gelobt in diversen Architekturzeitschriften wieder. Also auch
für Architekturliebhaber ist der Boros-Bunker ein Muss. Der einzige Wermutstropfen ist jedoch, dass die privaten Räumlichkeiten der Familie Boros, sprich das
Penthouse, nicht zugänglich sind. Hier findet der Voyeurismus dann sein Ende.
Aber nun zur Sammlung, die man nach Anmeldung über das Internet in Gruppen von maximal zwölf Personen nur im Rahmen von Führungen, die pro Person
10 Euro kosten und nur von Donnerstag bis Sonntag stattfinden, besichtigen
kann. Geführt wird übrigens nicht vom Hausherrn, sondern von Berliner Kunststudierenden. Und so kann man innerhalb von 1 ½ Stunden eine geniale Symbiose von Architektur (manche Räumlichkeiten wurden extra für die Kunstwerke
oder um die Kunstwerke herum konzipiert) und dem Besten, was die zeitgenössische Kunst so zu bieten hat, erleben (Werke etwa von Olafur Elliasson,
Ai Weiwei oder Alicja Kwade (übrigens Robert-Jacobsen-Preisträgerin der
Stiftung Würth)).
Unbedingt sehenswert und unbedingt rechtzeitig Tickets reservieren:
http://www.sammlung-boros.de
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Sammlung Hoffmann:
Erika und Rolf Hoffmann haben ihr Geld mit etwas Anständigem verdient. Ihnen
gehörte bis in die 80er Jahre die Hemdenfirma „Van Laak“. Auch sie haben –
inspiriert durch die frühen documentas – bereits vor mehreren Jahrzehnten
begonnen, zeitgenössische Kunst zu sammeln. Und anders als Christian Boros
wohnen sie wirklich in ihrer Sammlung – bzw. es wohnt nur noch Erika Hoffmann
in der riesigen, zweigeschossigen Wohnung in einem ehemaligen Fabrikgebäude in der Sophienstraße in Berlin Mitte, da ihr Mann bereits vor über zehn Jahren
verstorben ist. Erika Hoffmann öffnet ihre privaten Räumlichkeiten jeweils am
Samstag zwischen 11 und 16 Uhr für angemeldete Besucher. Auch hier gibt es
für 10 € pro Person wieder 1 ½-stündige Führungen durch fachkundiges Personal. Wer die ganz großen Namen sucht, die nicht unbedingt bei Christian Boros
zu finden sind (etwa Andy Warhol, Felix Gonzales-Torres, Frank Stella, Bruce
Naumann und natürlich der unvermeidliche Gerhard Richter), wird hier fündig.
Neben der atemberaubenden Kunst ist es auch der Umstand, dass es sich um
eine „bewohnte Sammlung“ handelt, der den Besuch so spannend macht. So
lassen sich also neben den Kunstwerken auch diverse Designklassiker sichten,
mit denen Frau Hoffmann ihre Wohnung geschmackvoll und nicht überladen
eingerichtet hat.
Ganz dringend anschauen:
http://www.sammlung-hoffmann.de
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... die „mediARThek“
Ein Beitrag von Desirée Schweizer
Die „mediARThek“ ist ein Ausstellungsprojekt von 19 Studierenden des sechsten Semesters des Studiengangs „Betriebswirtschaft und Kultur-, Freizeit-,
Sportmanagement“ an der Hochschule Heilbronn am Campus Künzelsau
Reinhold-Würth-Hochschule.
Die mediARThek ist eine von Studierenden organisierte Medienkunst-Ausstellung. Ein Besuch lohnt sich!
Wie der Titel vielleicht erahnen lässt, handelt es sich um eine Ausstellung zur
Medienkunst. Doch was ist Medienkunst eigentlich? Von Medienkunst wird
gesprochen, wenn Medien wie Film, Computer oder Bildschirme in das künstlerische Arbeiten eingebunden werden. Es kann zwischen traditionellen und
neuen Medien oder zwischen den Medien Bild und Musik, Akustik unterschieden werden. Für Kunstinteressierte wird diese Form der Kunst vor allem dann
spannend, wenn sie selbst aktiv an der Kunst teilnehmen, sie verändern und
damit spielen können. So ist in der Medienkunst-Ausstellung „mediARThek“
beispielsweise ein Werk von dem griechischen Medienkünstler Petros Vrellis zu
bestaunen und zu erleben. Er verwandelt das Meisterwerk „Starry Night“ von
Van Gogh in ein interaktives Kunstwerk, bei dem der Betrachter die Strömungen
des Sternenhimmels mit Handbewegungen verändern kann. Unterstützt werden diese Bewegungen durch dazu passende Musik. Auch Philipp Contag-Lada,
Projektionist und Videokünstler aus Stuttgart, der die künstlerische Leitung des
Ausstellungsprojekts inne hat, steuert ein Werk bei. Sein Werk „Cinema En Grume“ löst die chronologische Abfolge von Bildern und Szenen eines Films auf. Dabei werden Szenen auf Flächen, die im Raum angeordnet werden, gleichzeitig
projiziert. Somit wird die Fertigstellung des Films durch die Zusammensetzung
der einzelnen Szenen dem Betrachter selbst überlassen.
Weitere Kunstwerke wie „Time and State“ der Künstlerin Elena Peytchinska aus
Wien, das eine Kinosaal-Situation darstellt und die räumliche und zeitliche Begrenztheit des Films auszudrücken und zu befreien versucht sowie ein Werk
der Münchner Künstlerin Katrin Petroschkat, die mit ihrem Kunstwerk auf das
Medium „Klang“ setzt, werden in der Ausstellung vertreten sein.
Die Studierenden haben sich nicht nur die inhaltliche und organisatorische Konzeption der Ausstellung zur Aufgabe gemacht, sondern sie ließen es sich auch
nicht nehmen, ein eigenes Medienkunstwerk zu gestalten. Begleitend zur Ausstellung wurde darüber hinaus eine App entwickelt, die jedem – egal ob Kunstliebhaber oder Kunsteinsteiger – die Ausstellung und das Thema Medienkunst
näher bringt. Auf spielerische Art und Weise unterstützt sie den interaktiven
und kommunikativen Charakter der Ausstellung und zeigt exemplarisch den
Innovationssprung von der analogen zur digitalen Welt. Sind Sie neugierig geworden? Ein Besuch der „mediARThek“ lohnt sich – noch bis zum 30. Juni 2013!
Weitere Informationen zu dieser Ausstellung erhalten Sie unter:
http://www.hs-heilbronn.de/ausstellung-mediarthek
Ausgabe Nr. 2 · 31. Januar 2013
Seite 27
... im ZKM ist die Kunst bombensicher!
Ein Beitrag von Kristin Thoma
Das ZKM verbindet Ausstellungen und
Veranstaltungen, Sammlung und Archiv
mit Forschung und Produktion – ein
Medienmuseum für Jedermann
© ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe
Foto: Uli Deck
Nein das liegt nicht daran, dass sich hier Massen von Securities tummeln, sondern
daran, dass das Gebäude, in dem das Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe seinen Sitz hat, bereits 1918 gebaut wurde und die darin ansässige
Industrie vor Beschuss geschützt werden sollte. So ruht die Last des Bauwerkes nur auf den Säulen des Gebäudes und es gibt kaum tragende Wände –
eigentlich unpraktisch für ein Museum! Trotzdem beherbergt das ZKM gleich
zwei davon: zum einen das Museum für Neue Kunst und zum anderen das
Medienmuseum. Obendrauf werden den Besuchern noch drei Institute, ein
Labor, eine Mediathek sowie ein Museumsshop geboten.
„Das Medienmuseum muss man einmal gesehen haben!“ – stimmt nicht ganz,
denn durch seine ständig wechselnden Ausstellungen ist es mehr als nur einmal
sehenswert. Bis zum 06. Januar 2013 beherbergte es beispielsweise die Ausstellung „Sound Art. Klang als Medium der Kunst“, die man nicht nur im Museum
erleben konnte. Denn bereits auf dem Museumsvorplatz waren drei Exponate
zu finden und in Karlsruhe verteilt gab es fünf weitere Werke zu belauschen.
Die Ausstellungen und das gesamte Medienmuseum beeindrucken durch ihre
Werke, die zum Teil nicht nur betrachtet werden können, sondern auf Besucher
reagieren oder ihnen die Möglichkeit zur Interaktion bieten. Den Zuse 22 (einen
der ältesten Computer) bestaunen, Pflanzen streicheln, um ein Bild zu erzeugen
oder eine Stadt auf dem Fahrrad erkunden, wobei man nur durch Texte etwas
über den Ort erfährt, an dem man sich gerade befindet – im ZKM ist all dies
möglich. Besuchern fällt es nicht zuletzt durch diese Kunstwerke leicht, sich mit
dem Thema Medienkunst auseinanderzusetzen. Oder sollte man besser sagen,
sie müssen sich damit auseinandersetzen?
Ja, denn viele Werke werden erst durch die Besucher zum Leben erweckt und
brauchen Anwender, die dann selbst Teil der Kunst werden.
2012 waren rund 200.000 Medien- und Kunstinteressierte im ZKM zu Gast und
auch der Anteil der jungen Besucher ist relativ hoch. Eine Umfrage des ZKM im
Oktober 2012 hat weiterhin ergeben, dass es den größten Bekanntheitsgrad
unter den Karlsruher Kulturinstitutionen hat und ihm auch die höchste Bedeutung zugemessen wird. Kein Wunder, denn das ZKM präsentiert sich modern.
Man findet in Karlsruhe ein gelungenes Beispiel für eine ganzheitliche „Erlebniswelt Museum“ – und das ist es, worauf es dem Besucher ankommt.
Vielfältige Ausstellungen für Groß und Klein, Führungen, Workshops, Konzerte,
Vorträge – auch 2013 gibt es wieder viel zu sehen.
Genauere Informationen finden Sie hier:
http://www.zkm.de
Ausgabe Nr. 2 · 31. Januar 2013
Seite 28
Welche Publikationen erschienen neu im Fachbereich...
... Kultur und Management
R. Henze, Hochschule Heilbronn, Heilbronn, Deutschland (Ed.)
Ein Buch zur Zusammenarbeit von Künstlern und Managern.
Eine Annäherung
Kunst und Management stehen traditionell in einem Spannungsverhältnis und
die Interessen der jeweiligen Gruppe nicht selten im Widerspruch zueinander.
Für Künstler, wie auch für Kulturmanager, stellt sich die Frage, mit welchen
Besonderheiten die Akteure rechnen müssen und wie die Zusammenarbeit
gestaltet sein sollte, um optimale Ergebnisse für beide Seiten zu erzielen. Ausgehend von den Erkenntnissen der ersten Konferenz „Kunst und Management“
an der Reinhold-Würth-Hochschule der Hochschule Heilbronn im Frühjahr 2012
wird dieser Band sowohl Künstler als auch Kulturmanager aus den Sparten
bildende Kunst, Film, Literatur, Musik, Tanz und Theater sowie Wissenschaftler zu Wort kommen lassen. Sie werden einen Überblick über aktuelle Trends
in der Zusammenarbeit geben sowie Best Practice Beispiele aufzeigen. Das
Buch richtet sich gleichermaßen an Studierende und Praktiker, die sich für
die Zusammenarbeit von Künstlern und Kulturmanagern interessieren. Auch
soll es der Wissenschaft einen Ansatz bieten, sich weiter mit diesem wichtigen Themenfeld auseinanderzusetzen. Prof. Dr. Raphaela Henze (MBA) lehrt
Kulturmanagement an der Hochschule Heilbronn mit Forschungsschwerpunkten Personalmanagement und Organisationsentwicklung in Kulturbetrieben,
Kulturmarketing und -finanzierung.
... Controlling im Kulturmanagement
Dr. Petra Schneidewind
Eine Einführung
Im September 2012 erschien in der von Prof. Dr. Andrea Hausmann konzipierten Schriftenreihe zum Kulturmanagement (VS-Verlag) die Publikation
„Controlling im Kulturmanagement: Eine Einführung“ von Dr. Petra Schneidewind.
Die Zukunft der Kulturbetriebe wird durch viele Veränderungsprozesse geprägt
sein. Relevante Rahmenbedingungen verändern sich und die Kulturbetriebe
müssen sich anpassen. Im Zuge dieser Entwicklungen verändern sich auch die
betrieblichen Informationssysteme. Wie Kulturbetriebe sich ein funktionsfähiges, wirkungsvolles Informationssystem aufbauen können, soll Gegenstand dieses Bandes sein. Die betriebswirtschaftliche Servicefunktion Controlling kann
sich in diesem Kontext in den Kulturbetrieben fest etablieren.
Ein Buch über den Aufbau von funktionsfähigen, wirkungsvollen Informationssystemen für Kulturbetriebe.
Ausgabe Nr. 2 · 31. Januar 2013
Seite 29
Was ist eigentlich...
Was ist eigentlich Public-Private-Partnership (PPP) –
Modelle im Kulturbereich?
Ein Beitrag von Prof. Dr. Hermann-Josef Kiel
Bei dem Terminus PPP handelt es sich um einen Sammelbegriff für verschiedene
Formen der Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen mit privaten Wirtschaftseinheiten. Unter PPP können nur solche Kooperationsformen verstanden
werden, bei denen die Leistungen und Gegenleistungen der öffentlichen und
privaten Partner klar definiert und festgelegt sind. Klassische Verträge zwischen
öffentlichen und privaten Vertragspartnern (z.B. Beratungs- und Planungsverträge, Bau- und Pachtverträge) stellen keine PPP dar. Sponsoring, Mäzenatentum oder Spendenwesen sind ebenfalls kein PPP; PPP können aber derartige
Maßnahmen umfassen, lassen sich jedoch nicht darauf reduzieren.1
Wesentliche Merkmale, also PPP im engen Sinne:2
Prof. Dr. Hermann-Josef Kiel ist
Studiendekan des Studiengangs
Betriebswirtschaftslehre und Kultur-,
Freizeit-, Sportmanagement an der
Hochschule Heilbronn am Campus
Künzelsau / Reinhold-Würth-Hochschule.
- Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand mit Akteuren aus dem privaten
Sektor
- Fokussierung auf die Verfolgung komplementärer Ziele
- Synergiepotentiale bei der Zusammenarbeit
- Prozessorientierung (Planung, Finanzierung, Errichtung, Betreiben)
- hohe Identität und gemeinsame Verantwortung der Partner für das jeweilige
Projekt
- die Zusammenarbeit ist (gesellschafts-)vertraglich formalisiert
PPPs an der Schnittstelle der staatlichen Aufgabenerfüllung (Kultur als
Daseinsvorsorge) und der vollständigen Privatisierung.
Mit PPP kann ein nicht zu unterschätzendes Innovations- und Managementpotential in die öffentlichen Kultureinrichtungen transferiert werden. Für einen
optimalen Transfer muss allerdings ein umfangreiches Vertragswerk erstellt
werden, für das leider keine Vertragsmusterlösungen existieren. Es erfordert
immer wieder eine Lösung im Fallbeispiel und vor Ort.
Ein gravierendes Problem für erfolgreiche PPPs besteht darin, dass die öffentliche Seite ihre Aufmerksamkeit auf die rechtliche Absicherung von PPP konzentrieren muss (zum Beispiel Gemeinde- und Haushaltsordnung, Vergabe- und
Beihilfeverordnung) und weniger die Festlegung und die Kontrolle qualitativer
und quantifizierbarer Ziele verfolgen kann. Tauchen diese Mängel bei der Projektierung von PPPs auf, können die in der Frage formulierten Tatbestände zu
tatsächlichen Problemen führen (also geringe parlamentarische Kontrolle; das
wirtschaftliche Risiko trägt allein die öffentliche Hand; es findet keine Qualitätsdefinition und -sicherung statt).
1 Vgl. Heinze 1999, S. 182 f.
2 Vgl. Budäus, D.; Eichhorn, P. 1997, 34
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Im Kulturbereich kommen bislang einige exemplarische PPP-Modelle zur
Anwendung, so dass den anderen Kooperationsformen – wirtschaftlich betrachtet – gegenwärtig eine höhere Bedeutung zukommt. Betrachtet man hingegen
den gesamten öffentlichen Sektor (Infrastruktur, Hochbau, Wirtschaftsförderung) ist zu erwarten, dass die Bedeutung in naher Zukunft zunehmen wird. Insbesondere in den Anwendungsbereichen Planen, Errichten und Finanzieren
von öffentlichen Gebäuden (also auch Museen, Theater, Kulturzentren etc.) ist
noch ein enormes Potential für die Anwendung von PPP-Modellen vorhanden.
Im Bereich des gemischtwirtschaftlichen Betreibens von Kultureinrichtungen
befinden wir uns erst am Anfang.
Optimiertes PPP-Modell für Kultureinrichtungen
Quelle: Kiel 2004, S. 7
Chancen bei Anwendung des oben abgebildeten PPP-Modells: Im Bereich der
Finanzierung für Kultureinrichtungen können nunmehr alle Finanzierungsinstrumente genutzt werden:3
- Erzielung eigener Umsatzerlöse durch Ticketing, Gastro, Merchandising und
Lizensierung (M & L); dabei spielt immer wieder die Überlegung „make or buy“
eine große Rolle bzw. die Leitung der Kultureinrichtung hat einen eigenen
Entscheidungsspielraum bei der Gestaltung der Wertschöpfungskette
- Akquise von Stifter, Zustiftungen (Schenkungen, Erbschaften)
- Akquise von Sponsoren durch attraktive Projekte, Unternehmen favorisieren
die Projektförderung vs. institutionelle Förderung
- Aufbau eines Fördervereins (Mitgliedsbeiträge, Spenden, Umwandlung der
Abo-Systeme in moderne Clubsysteme)
- Anschub- bzw. Grundfinanzierung durch öffentliche Mittel
3 Vgl. Budäus, D.; Eichhorn, P. 1997, 34
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Weitere Vorteile aus den PPP-Modellen ergeben sich für die öffentlichen Träger
in vielen Bereichen:
- die Akquisition zusätzlicher finanzieller Ressourcen (siehe vorherige Seite)
- eine Entlastung von Aufgaben, die Private kostengünstiger und besser erledigen
- die Erschließung eines Wissens- und Erfahrungsschatzes aus der privaten
Wirtschaft für die Planung, Finanzierung und Errichtung von Kultureinrichtungen sowie die Entwicklung und Anwendung moderner Betriebsführungsmethoden
- die Nutzung des Engagements vieler Bürger (Ehrenamt, Bürgerstiftungen)
Risiken bzw. Probleme von PPP können sein:4
-
Unsicherheiten über Qualifikation und Potential des Partners
Unsicherheit über Fairness und tatsächliche Absichten
Bedenken, dass die vertraglichen Vereinbarungen nicht eingehalten werden
Furcht vor Vernachlässigung sozialer und gemeinwesensorientierter Aspekte
Bedenken, dass Ziele verfolgt werden, die gegen das öffentliche Interesse gerichtet sind und von der Kommune finanziert werden müssen
Um diese Probleme so gering wie möglich zu halten, bedarf es:
-
an Vertrauen zwischen den Kooperationspartnern
eines genauen Anforderungsprofils der Kooperationspartner
der Benennung von gemeinsamen Leitbildern und Zielen der Partnerschaft
einer optimalen Vorbereitung der Planungs- und Gründungsphase
einer optimalen Vertragsgestaltung
Wirtschaftlichkeitsanalysen
einem professionellen Management bzw. einem geschulten Personal
Beispielhafte PPP-Modelle im Kulturbereich
Globe Theater in Schwäbisch Hall:
Originalgetreuer Nachbau eines Shakespeare Globetheatre aus dem Werkstoff
Holz, PPP-Modell bzgl. der Planung, Errichtung sowie Finanzierung, Volumen
rund 1 Mio. Euro, Planung durch ehrenamtliches Engagement einer AG Haller
Architekten, Bauausführung ebenfalls durch ehrenamtliches Engagement
ortsansässiger Handwerksunternehmen, Finanzierung durch öffentliche
Mittel von Stadt und Land sowie Sponsoring und Mäzenatentum von einigen
Unternehmen (Glenk, Bausparkasse und Würth), Aufteilung der Kosten 40 %
öffentliche Mittel, 60 % private Mittel.
4 Vgl. Budäus, D.; Eichhorn, P. 1997, 38 ff
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Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall:
Gemeinsames Bauvorhaben zwischen Stadt (= Errichtung einer vier-geschossigen Tiefgarage) und Unternehmen A. Würth GmbH &. Co. KG (= Überbauung
mit dem Neubau einer Kunsthalle und Restaurierung der Alten Brauerei
„Sudhaus“), Grundlage: Vertrag über Grundstücksverkauf zum symbolischen
Preis, Grundstücksteilung und der zugelassenen Nutzung inklusive einer
festgelegten Betriebsregelung.
Science Center Universum Bremen:
Stiftungsmodell gekoppelt mit Betriebsaufspaltung, d.h. Trennung von Trägerschaft und laufender Betriebsführung.
Museum Kunstpalast Düsseldorf:
Stiftungsmodell zwischen der Stadt Düsseldorf und EON.
Festspielhaus Baden Baden:
Stiftungsmodell, Grundlage: Zweckbindungsvereinbarung.
Muffathalle München:
GmbH-Modell, Grundlage: Trägerschaftsvertrag.
Tuchfabrik Trier:
Vereinsmodell, Grundlage: Nutzungsvertrag.
Stiftung Pinakothek der Moderne:
Stiftungsmodell gekoppelt mit einer professionellen Fundraisingstrategie.
Arnold-Galerie Schorndorf:
Handels-, Dienstleistungs- und Kulturzentrum (Musikschule, VHS, zwei städtische Galerien); Grundlage: kooperative Planung, Nutzungsfestlegung und
Erschließung zwischen Stadt und Investor, Vertrag zu einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan.
Fazit
Bei dem derzeitigen in Deutschland praktizierten Förder- und Unterstützungssystem für die öffentlichen Kultureinrichtungen liegt das größte Problem darin,
dass es die Produzenten von Kulturprodukten von der Verpflichtung befreit, mit
ihren potentiellen Besuchern und möglichen Projektpartnern zu kommunizieren. Es ist wichtiger eine gute Beziehung zum öffentlichen Träger als Hauptfinanzierungsquelle zu unterhalten. Die Leitungsgremien von Kultureinrichtungen verstehen sich auch nicht als „Geldeintreiber“.
Literaturhinweise
Budäus, D. Eichhorn, P (1997): PPP Neue Formen öffentlicher Aufgabenerfüllung, Baden-Baden
Ellenrieder, K., Kiel, H.-J. (2006): PPP im Kulturbereich, Heft 02, 2006, in Schriftenreihe für angewandte BWL der Reinhold-Würth-Hochschule, Künzelsau
Hahn, D. und L. Kaufmann (1994): Strategic Alliances, in: International Handbook of Cooperative Organizations, Hrsg. von Dülfer; E. und Laurinkari, Göttingen, S. 833-841
Heinze, Thomas (1999): Kulturfinanzierung, Münster
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