Laufdiktat

Transcrição

Laufdiktat
Laufdiktat
Beschreibung:
Ein Laufdiktat muss man sich im wahrsten Sinne des Wortes erlaufen. Bei
einer Klassenstärke von 30 Schülern habe ich das Diktat mehrfach auf Zettel
kopiert. Jede Bank erhält einen solchen, wobei er an einer Stelle im
Klassenraum liegt, die möglichst weit von der Bank entfernt ist. Schreiben
tun die Schüler natürlich an ihrem Platz. Sie müssen nun zu ihrem Zettel
gehen, um sich ein Wort, einen Satzteil oder gar einen Satz (je nach
Klassenstufe und Vermögen) zu merken. Daraufhin tragen sie es innerlich an
ihren Platz und schreiben es in ihr Diktatheft. Haben sie etwas vergessen,
müssen sie zurückgehen. So erläuft sich der Schüler das ganze Diktat Schritt
um Schritt.
Reizvolle Variation:
Nicht jeder Tisch bekommt den gleichen Zettel, sondern immer nur einen
Teil einer fortlaufenden Geschichte. Dies ermöglicht es dem Lehrer, die
Länge und den Schwierigkeitsgrad des Textes dem Schüler anzupassen.
(Siehe weiter unten zur Einführung: die Geschichtenfee)
Gefahren:
Man wird gleich bemerken, dass diese Aufgabe dazu neigt, ein riesiges
Durcheinander zu verursachen. Daher müssen zumindest zwei Regeln
eingehalten werden:
• Man darf den Text nicht laut vor sich her sprechen.
• Es darf nicht gelaufen oder gerannt werden. Vorfahrt hat, wer auf dem
Rückweg ist.
• Eine Gruppe die negativ auffällt bekommt 10 Sekunden „Gewinnzeit“
abgezogen.
Beide Regeln können mit Leben erfüllt werden, in dem man sie zum
Beispiel in das Bild der folgenden Geschichte kleidet. Dies macht das
Unterfangen auch gleich viel reizvoller:
Die Geschichtenfee
Vor langer Zeit lebte in einem fernen Land einmal ein König. Er war alt und
weise. Dieser gute Herrscher wurde jedoch schon seit vielen Jahren des
Nachts von schlechten Träumen geplagt und dagegen half nur ein einziges
Mittel: Am Abend, nachdem der König sich schon zur Ruhe begeben hatte,
mussten ihm seine Diener immer eine neue Geschichte vorlesen. Dadurch
wurden die schlimmen Träume verjagt und schöne Bilder durchzogen
stattdessen seine Seele. Vielleicht wird man nun denken, dass es wohl nicht
so schwierig sein wird, dem König jeden Abend eine Geschichte vorzutragen.
Doch da täuscht man sich, denn die Gute-Nacht-Geschichten des Königs
mussten von der Geschichtenfee stammen. Verborgen in einem großen Wald
lebte diese wundersame Frau, die von Jahr zu Jahr nicht älter wurde und
immer jung blieb. Ihre Geschichten verzauberten alle Menschen, die sie zu
Gehör bekamen.
Nun verhielt es sich aber so, dass die Geschichtenfee die Geschichten
niemals selber erzählte, sondern man musste sie einsammeln und gleichsam
zusammenfügen. Sie zauberte ihre Geschichten nämlich immer nur in
schönen Buchstaben an die Hauswände der Stadt. Diese Angewohnheit hatte
sie, seit man sich erinnern konnte. Das Dumme war nun aber, dass die
Menschen in diesem Königreich überhaupt nicht lesen konnten. Auch fand
man niemals an einer einzigen Hauswand die ganze Geschichte, sondern
immer nur den Anfang, das Ende oder ein Stück von der Mitte.
So hatte der König die Begabtesten seines Reiches ausgewählt, um sie in
einem fernen Land das Lesen und Schreiben studieren zu lassen. Für eine
Geschichtenfeegeschichte mussten sich die Diener am Morgen sehr früh in
die Stadt begeben, um das Haus zu suchen, das ihren Teil der Geschichte
enthielt. Aber damit war es immer noch nicht genug. Die Geschichtenfee
verlangt, dass man ihre Geschichten auswendig lerne. Da die Geschichten
aber viel zu lang waren, hatte man sich folgenden Trick angewöhnt. Man las
so viel, wie man fehlerfrei behalten konnte, ging nach Hause und schrieb es
dort heimlich auf. Nun ging man erneut zur Hauswand, um sich den
nächsten Teil zu merken. Manche Diener konnten nur ein Wort behalten. Die
mussten halt ein paar Mal mehr gehen. Mit der Zeit entwickelten sie aber
eine große Kunstfertigkeit darin.
Es kam aber leider auch häufig vor, dass die Fee in der Stadt weilte. Dann
durften sich die Diener natürlich mit dem Gehen nicht hetzen, sondern
mussten sehr gemütlich pfeifend daherspazieren, einander grüßen und so
tun, als würden sie rein zufällig an dieser Hauswand vorbeikommen. Bekam
die Fee heraus, dass man immer nur hin und herlief, um die Geschichte doch
abzuschreiben, wurde sie fuchsteufelswild. Und da dir niemand sagen kann,
wie es ist, wenn eine Geschichtenfee fuchsteufelswild wird, so wirst du
daraus entnehmen können, dass es noch niemand überlebt hat.
Bei den oft weiten Wegen hatten die Diener den ganzen Tag ordentlich zu
tun. Kam dann der Abend, so mussten sie sich in der Vorhalle des
Königspalastes in einen Kreis hocken und die Reihenfolge der Teile
herausfinden. Der Beginn der Geschichte hatte eine Überschrift und war
daher leicht herauszufinden. Dann aber musste jeder überlegen, ob sein Teil
daran anschließt. Manchmal hörte ein Teil mitten im Satz auf oder aber er
fing schon klein an. So ordnete man gemeinsam die Teile, indem man die
Plätze der Reihe nach wechselte. (Da immer zwei Kinder einen Text
abgeschrieben haben, markiert ein fetter Punkt oder ein großer Absatz, wo
das Vorlesen wechselt.)
Nun konnten die Diener vor den König treten und jeder durfte ihm seinen
Teil vorlesen. Wenn sie dann am Ende den König leise schnarchen hörten,
gingen sie froh nach Hause und legten sich zu Bett.
Was wird bei dieser Art des Laufdiktates geübt:
• Konzentration, ansonsten muss man noch mal laufen
• Verbindung von Kopf und Fuß
• im zweiten Teil das Lesen
• im Ordnen der Teile das sinnerfassende Lesen
• soziales Element: eine gemeinsame Aufgabe vollbringen
Im Fremdsprachenunterricht
Für den Fremdsprachenunterricht sollte man eine leichte evtl. schon
behandelte Geschichte oder einen kurzen Sachtext auswählen. Schnelle
Gruppen können eine Übersetzung des Textes an das Ende setzen. Man kann
aber auch verschiedenen Gruppen verschiedene Versionen „vorsetzen“, d.h.
einen Satz mehr oder weniger. Die Sätze sollten je nach Niveau eher kurz
gehalten werden. Der rennende Schüler kann dem schreibenden Schüler bei
der Rechtschreibung helfen. Die Rollen können in einem zweiten Durchlauf
eine Woche später gewechselt werden