Nachhaltige Automobilproduktion in Deutschland

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Nachhaltige Automobilproduktion in Deutschland
Unsere Werke
Nachhaltige Automobilproduktion
in Deutschland
UNSERE WERKE
GRUSSWORT
Grußwort
die Automobilindustrie – Fahrzeugher­
steller, Zulieferer und Hersteller von
Aufbauten, Anhängern und Bussen –
hat durch technische Innovationen
die Sicherheit, die Wirtschaftlichkeit,
den Komfort und den Umweltschutz zum
Nutzen der Kunden in ihren Fahrzeugen
optimal austariert. Deutsche Automobile
genießen weltweit einen hervorragenden
Ruf. Sie haben ein sehr gutes Image und
sind begehrt. So wird voraussichtlich
im l­aufenden Jahr der Export auf
4,4 Millionen Fahrzeuge steigen. Die
Inlandsproduktion wird vermutlich
insgesamt 5,65 Millionen Einheiten
betragen. Damit werden nahezu vier
von fünf in Deutschland hergestellten
Fahrzeuge ins Ausland verkauft.
Die Automobilindustrie schafft Wohl­
stand in unserem Land. Mehr als
144 Standorte und acht der zehn größten
Industrie­standorte sind der Automobil­
industrie zuzurechnen. Die Arbeitsplätze
der Stammbelegschaften wurden auf
770 000 Mitarbeiter erhöht. Der Umsatz
im Inland lag 2013 bei knapp 127 Milliar­
den Euro. Der Auslandsumsatz betrug
2013 rund 235 Milliarden Euro. Dabei
ist jedoch nicht zu übersehen, dass die
Pkw-Auslandsfertigung die Inlands­
fertigung schon vor Jahren überholte.
Für 2014 erwarten wir 9,15 Millionen
Fahrzeuge in der deutschen PkwAuslands­fertigung. Die Auslandsferti­
gung hilft, die inländische Produktion zu
stützen.
Damit die deutsche Automobilindustrie
weiterhin vorwegfährt, sind enorme
Investitionen erforderlich. Alleine in
Deutschland wurden im vergangenen
Jahr rund 18,3 Milliarden Euro für interne
Forschung eingesetzt. Zum Vergleich:
Das ist für Deutschland mehr als der
Maschinenbau, die Elektroindustrie
sowie die Chemieindustrie zusammen für
Forschung und Entwicklung aufwende­
ten. Weltweit lagen die FuE-Ausgaben
der deutschen Automobilindustrie 2012
sogar bei 27,5 Milliarden Euro.
Mit diesem hohen finanziellen Einsatz
gelangen enorme Verbesserungen: sei
es bei der Fahrzeugsicherheit – noch nie
kamen trotz steigender Fahrleistungen
so wenige Menschen im Straßenverkehr
in Deutschland ums Leben – oder bei
der Umweltperformance des Straßenver­
kehrs. Trotz steigender Fahrleistungen
emittiert der Straßenverkehr in Deutsch­
land heute weniger CO2 als noch 1990.
Die gesundheitlich relevanten klassi­
schen Schadstoffe konnten bereits stark
reduziert werden, und die Erfolgsge­
schichte geht weiter. Bis zum Jahre 2030
werden in unserem Land gegenüber
1990 mehr als neun Zehntel bei
­flüchtigen Kohlenwasserstoffen, Partikeln
und bei Kohlenmonoxid reduziert worden
sein und knapp neun Zehntel bei Stick­
oxiden – und dies trotz weiter zuneh­
mender Fahrleistungen.
Neben diesen großen Erfolgen im
­Straßenverkehr geraten die gleichfalls
beachtlichen Erfolge bei der Automobil­
produktion in der öffentlichen Diskussion
ins Hintertreffen. Die deutsche Auto­
mobilindustrie ist auch im produktions­
bezogenen Umweltschutz führend. Die
Emissionen aus der Produktion wurden
erheblich gesenkt. Unsere Industrie
investiert in Deutschland jährlich mehr
als 13 Milliarden Euro, um auch hier
vorne zu bleiben. Hierbei hilft uns auch
„Industrie 4.0“ – ein Zukunftsprojekt,
mit dem die klassische Produktions­
technik zur „intelligenten Fabrik“
­weiterentwickelt wird. Gerade die
SEITE 3
Automobil­industrie hat in diesem
zukunftsweisenden Projekt der High­
tech-Strategie der Bundesregierung
bereits viele Verfahren im Einsatz.
Es geht uns darum, Wertschöpfung in
Deutschland zu halten und auszubauen.
Die deutsche Automobilindustrie ist in
guter Verfassung. Im internationalen
Vergleich ist sie Innovationsführer. Es
gibt jedoch kein Abonnement für diesen
Erfolg. Der internationale Wettbewerb
nimmt an Schärfe zu. Nicht nur die EU
sollte bei der Industriepolitik eine deut­
liche Kursänderung vornehmen, auch die
deutsche Regierung ist gefordert. Zum
einen belasten die sehr hohen Energie­
kosten, insbesondere getrieben durch
nationale Abgaben und Umlagen, zum
anderen die geplanten neuen nationalen
Arbeitsschutzvorschriften, die im Ergeb­
nis eine Produktion in Deutschland
erschweren.
Wie wichtig eine umweltfreundliche,
sichere und nachhaltige Produktion in
Deutschland ist, zeigen Ihnen die
­folgenden Seiten. Sie geben einen guten
Einblick in die Automobilproduktion.
Ich wünsche Ihnen eine interessante
Lektüre.
Mit freundlichen Grüßen
Mattias Wissmann
Präsident des Verbandes
der Automobilindustrie
UNSERE WERKE
I N H A LT
Inhalt
Grußwort
3
Willkommen bei Ihren Nachbarn
5
Infrastruktur und Logistik
6
Presswerk
8
Karosseriebau
9
Reinigung und Vorbehandlung
11
Lackiererei
12
Gießerei
18
Aggregatefertigung
18
Fahrwerk
20
Sitzefertigung
20
Kunststofffertigung
21
Montage
22
Schaubild: Gute Nachbarn in ganz Deutschland
Glossar
13 – 16
25
SEITE 4
UNSERE WERKE
WILLKOMMEN BEI IHREN NACHBARN
Willkommen
bei ­Ihren Nachbarn
Unternehmen der Automobilindustrie sind als gute Nachbarn
bekannt. Weil sie überall in unserem Land Wohlstand schaffen,
aber auch soziale und kulturelle Projekte unterstützen. Als gute
Nachbarn ­
unternehmen Hersteller und Zulieferer enorme
Anstrengungen, um die Produktion umweltfreundlicher, sicherer
und nachhaltiger zu gestalten.
Deutsche Automobile gehören zu den besten der Welt. Das gilt
auch für unsere Werke. Die deutsche Automobilindustrie ist
mit ihrem Produktionsstandard weltweit führend. Sei es bei
Ressourcenverbrauch oder beim Umweltengagement. Die
­
Schauen Sie herein. Auf den folgenden Seiten führen wir Sie
durch den Prozess der Produktion eines Autos und leiten Sie
durch das Netzwerk aus Fahrzeugherstellern und Zulieferern.
Wir wünschen einen angenehmen Aufenthalt. Auf weiterhin
gute Nachbarschaft!
Sauberes Wasser
Keine andere Automobil­industrie führt Wasser häufiger
im Kreislauf und setzt so stark auf den Einsatz wasser­
sparender Techniken wie die deutsche. In den vergan­
genen beiden Jahrzehnten konnten die Unternehmen
den Trinkwasserverbrauch je Fahrzeug um mehr als
sechs Zehntel reduzieren. Ein Standort erreicht bereits
das Ideal der abwasserfreien Fabrik.
Reine Luft
Saubere Luft ist ein ganz besonderes Anliegen der
Automobilindustrie. Dafür wendet sie hohe Investitionen
auf. Mit Erfolg: Die deutschen Lackieranlagen stellen
weltweit die Messlatte für die Wettbewerber dar.
­Nirgendwo sonst auf der Welt werden weniger Löse­
mittel je Quadratmeter lackierter Fläche emittiert.
- 60 %
1990 - 65 %
2013
1990 Wenig Abfall
Die Produktion deutscher Autos ist deutlich gestiegen,
doch das Abfallaufkommen ist seit 1990 erheblich
gesunken. Die gesamten zu deponierenden Abfälle je
Fahrzeug passen in einen gewöhnlichen Putzeimer.
Dabei helfen auch die hohen Recyclingquoten: Mehr als
vier Fünftel der Abfälle werden heute in den Rohstoff­
kreislauf zurückgeführt.
2013
Sichere Arbeit
Die Automobilindustrie gehört zu den beliebtesten
Arbeitgebern in Deutschland und weltweit. Ein Grund
hierfür ist die Sicherheit: Hausinterne Management­
systeme und optimierte Abläufe konnten die Unfälle
je Million geleisteter Arbeitsstunden in den vergange­
nen beiden Jahrzehnten um beinahe 90 Prozent
reduzieren.
- 86 %
- 85 %
1990 2013
1990 SEITE 5
2013
I N F R A S T R U K T U R U N D LO G I S T I K
Infrastruktur und Logistik
Logistische Meisterleistung
für das G
­ esamtkunstwerk
Bevor ein Auto überhaupt gebaut werden kann, bedarf es einer logistischen
­Meisterleistung. Denn ein Fahrzeug ist heute ein hochkomplexes Gesamtkunstwerk.
Was 1886 offiziell mit dem ersten Automobil mit Verbrennungsmotor von Carl Benz auf
drei Rädern begann, hat sich zu einer unüberschaubaren Ansammlung von bis zu
10 000 Einzelteilen entwickelt. Ein großer Teil kommt von vielen unterschiedlichen
­Lieferanten in die Fabrik – andere Teile werden dort selbst gefertigt. Aber alle müssen
zur richtigen Zeit und in der richtigen Reihenfolge an den Produktionsbändern vorhan­
den sein, damit sie verbaut werden können. Die deutschen Hersteller haben es
geschafft, diesen immensen Aufwand optimal zu organisieren – ohne die Umwelt aus
dem Blick zu verlieren. Bezeichnenderweise ist die Automobilindustrie einer der größ­
ten Kunden der Deutschen Bahn.
Mehrweg bei den V
­ erpackungen,
weniger Wege in den Fabriken
Vom Auspuff bis zur Zylinderkopfdichtung – jedes der 10 000 Teile ist wesentlich für das
Gesamtkunstwerk des fertigen Autos. Deshalb gehen sie sorgfältig verpackt auf die
Reise in die Fabrik. Von den Verpackungen soll aber möglichst wenig Abfall übrigblei­
ben. Die deutschen Hersteller verwenden deswegen schon seit Jahrzehnten Mehrweg­
verpackungen, die vom VDA normiert sind. Das funktioniert so gut, dass viele andere
Industrien mittlerweile diese Verpackungen auch verwenden. Im ganzen Land sind
­zwischenzeitlich rund 100 Millionen solcher Mehrwegverpackungen im Umlauf.
Die Teile in den Fabriken an den richtigen Ort zu bringen – diese schwierige Aufgabe
läuft automatisiert ab. Dafür müssen meist nur die Striche des Barcodes gescannt wer­
den. Der Computer berechnet dann, wo das Teil hingehen soll. Immer mehr verbreitet
sich aber das RFID-System (englisch: radio-frequency identification, zu Deutsch: „Iden­
tifizierung mit Hilfe elektromagnetischer Wellen“). Mit sehr kleinen und preis­werten
Funk-Mikrochips lassen sich so kabel- und berührungslos Informationen ­übermitteln.
Einer von 100 Millionen Mehrwegkästen der A
­ utomobilindustrie.
Durch moderne Gasthermieanlagen wird Energie selbst
erzeugt.
SEITE 6
I N F R A S T R U K T U R U N D LO G I S T I K
Umwelt- und Naturschutz
werden auf und bei
den Standorten groß
geschrieben – auch
durch den Erhalt alter
Rinderrassen.
Der Mensch bekommt davon nichts mit, weil RFID auf ganz kurzen Distanzen mit
unsichtbaren Radiowellen funktioniert. Doch die Technologie erleichtert das Erfassen
von Teilen und deren Daten enorm. Die kleinen Chips ermöglichen große Schritte auf
dem Weg zur intelligenten Fabrik – zur „Industrie 4.0“. Selbstoptimierung, Selbstkonfi­
guration und Selbstdiagnose – all das wird bald möglich sein. Die Wirtschaftlichkeit des
gesamten Wertschöpfungsprozesses wird sich so weiter verbessern.
Auf gute Nachbarschaft zu Lande,
zu Wasser und mit der Luft
Energieerzeugung erfolgt vielfältig, hier zum Beispiel
­Windräder auf dem Werksgelände.
Was in eine Fabrik hineingeht, muss auch wieder hinausgehen. Das Meiste findet sich
im fertigen Automobil auf der Straße wieder. Natürlich fallen bei der Produktion auch
Rückstände an. Um die Umweltauswirkungen der Produktion so klein wie möglich zu
halten, unternimmt die Automobilindustrie enorme Anstrengungen. G
­ erüche, Abgas­
fahnen und andere Merkmale der frühen industriellen Produktion gehören heute der
­Vergangenheit an. Doch die reine Luft ist nicht umsonst zu haben, die Automobilindu­
strie nimmt dafür erhebliche Kosten auf sich. Umweltschutzeinrichtungen benötigen
manchmal bis zu einem Fünftel des gesamten Stromverbrauchs der Fabriken. Umso
wichtiger ist heute der effiziente Einsatz von Energie. Die größeren der F­ abriken erzeu­
gen Teile des benötigten Stroms und ihrer Wärme selbst mit eigenen Kraftwerken in
modernen Anlagen. Modern sind auch die Systeme in den Fabriken, die helfen, den
Energie­verbrauch zu senken. Mit Hilfe von Sensoren wird die Luftqualität in den
­Werkshallen bestimmt und der Luftaustausch entsprechend reguliert. Diese ­effiziente
Belüftung spart Energie, ebenso wie Lampen, die bedarfsgerecht gesteuert werden.
Aktuell ­stellen fast alle Fabriken auf energiesparende LED-Technik um.
Doch auch außerhalb ihrer Werke kümmert sich die Automobilindustrie um den Schutz
der Umwelt. So engagieren sich Unternehmen der Automobilindustrie zum Beispiel im
Landschaftsschutz. Sie setzen sich ein für die Wiederherstellung ­zerstörter Moore und
dafür, dass diese wieder feucht werden. Denn bleiben sie trocken, treten erhebliche
CO2-Emissionen aus ihnen heraus. Andere Unternehmen helfen mit, Flüsse, die früher
in einem Beton-Korsett flossen, in naturnahe Gewässer zurückzuverwandeln. Einige
Hersteller halten auf ihrem Gelände selbst ursprüngliche Rinderrassen und sogenannte
„Ur-Pferde“, um neben der Pflege der Flächen einen zusätzlichen Beitrag zur biolo­
gischen Vielfalt zu leisten.
SEITE 7
Das Abwasser wird in großen Anlagen gereinigt.
PRESSWERK
Presswerk
In Form g
­ epresst
Wer sich die riesigen Stahlrollen in den
Autofabriken anschaut, kann sich kaum
vorstellen, dass sie kurze Zeit später die
Karosserieteile eines Autos bilden – vom
rund vier Meter langen Seitenteil bis zum
filigransten Anbauteil. „Coils“ heißen
diese Rollen, die bis zu 25 Tonnen wie­
gen. Sie werden abgerollt und von
Schneideanlagen in unterschiedlich
große Teile, sogenannte Platinen, geteilt.
Die Schneidekunst der Anlagen wurde
immer weiter verbessert. Heute erzeugen
sie bereits in diesem ersten Schritt geo­
metrisch komplizierte Formen, sodass
später weniger Verschnitt übrig bleibt.
Danach geht es ressourcenschonend
weiter. Die Reinigung und das Ölen der
Platinen verlaufen vollautomatisch. So
können in kürzerer Zeit mehr Teile verar­
beitet werden. Jetzt sind die Platinen
bereit für das Presswerk.
Zuerst werden auf dem Blech die erfor­
derlichen Löcher ausgestanzt. Dann ist
die Bühne frei für die gewaltigen Groß­
transferpressen. Mit einem Druck von
mehreren Tausend Tonnen pressen diese
Anlagen die gewünschte 3-D-Form aus
dem Blech heraus. Das geschieht in
einem einzigen Vorgang oder in einer
Kette von mehreren Arbeitsschritten hin­
tereinander. So können auch besonders
komplexe Teile wie Seitenrahmen, Front-
Aus diesen Stahlrollen (Coils) werden Autos gebaut.
oder Heckklappe schon hier entstehen
und genügen dabei höchsten Qualitätsund Designanforderungen. Um diese
sicherzustellen, überprüfen 3-D-Mess­
maschinen nach der Produktion jeden
Millimeter der fertigen Teile.
Schon bei diesen ersten Fertigungsschrit­
ten haben die Hersteller im Blick, wie sich
das spätere Fahrzeug sparsamer und
sicherer machen lässt. So hat sich im
Presswerk mittlerweile auch das soge­
nannte Warmumformen etabliert. Hierbei
werden die Platinen auf 930 Grad Celsius
erwärmt, umgeformt und nach kurzer Zeit
wieder abgekühlt. Dieses Verfahren
macht leichtere Bleche genauso hart
wie schwerere, die kalt umgeformt
­wurden. Beim fertigen Auto sorgen die
verbauten leichteren Bleche für weniger
Gewicht, senken also den Kraftstoff­
verbrauch und verbessern zusätzlich die
Crash-Sicherheit.
Leiser als in einem
Klassenzimmer
Die Coils werden abgewickelt und entsprechend zugeschnit­
ten.
Die Platinen werden über das Gestell in die Presse einge­
bracht.
In Presswerken konnte es früher schon
einmal sehr laut zugehen. Doch für die
Automobilindustrie ist es selbstverständ­
lich, dass die Gesundheit ihrer Beschäf­
tigten an keinem Ort beeinträchtigt wird.
Deshalb hat sie sich stets dafür ein­
gesetzt, den Lärm an Arbeitsstätten
so niedrig wie möglich zu halten und
kontinuierlich zu reduzieren. Dafür orien­
tiert sie sich am aktuellen Stand der
Technik und der Erkenntnisse von
Arbeitswissenschaftlern. Auch im Press­
werk wurde es dank vieler neuer Verfah­
ren und verkapselter Maschinen immer
leiser. Inzwischen liegt der Lärmpegel
dort zwischen 55 und 70 Dezibel. Das ist
SEITE 8
Im Presswerk werden Blechteile für verschiedene Automo­
delle gepresst.
Im Grünlichtraum des Presswerks findet die Qualitätskontrolle
der Karosserieteile statt, indem eventuelle Schäden sichtbar
gemacht werden.
leiser als in einem Klassenzimmer, auch
wenn nur der Lehrer spricht. Der hat
normalerweise einen Pegel von 65 bis
­
80 Dezibel.
Kaum noch Abfall
Auch in Sachen Umwelt- und Ressour­
censchutz hat sich in den Presswerken
der Automobilindustrie viel getan. Dank
moderner Verfahren fällt kaum noch
Abfall an, da beim Stanzen der zuge­
schnittenen Platinen nur noch wenige
Überreste bleiben. Die Wärme, die aus
der Warmumformung entsteht, wird
zurückgewonnen – eine Selbstverständ­
lichkeit bei den deutschen Herstellern.
KAROSSERIEBAU
Karosseriebau
Roboter verschweißen alle Teile miteinander. Die Karosse entsteht.
Eingeschweißte ­Qualität
Schweißen, Löten, Pressen, Bördeln, Kleben, Nieten, Schrau­
ben – das alles wartet auf mehrere Hundert Blechteile, wenn
sie aus dem Presswerk kommen. Im Karosseriebau nimmt das
­Fahrzeug seine Gestalt an. Vor allem die Rolle des Schweißers
galt lange als einer der körperlich anstrengendsten Berufe in
der Automobilindustrie. Heute haben Roboter diese im Wort­
sinn schweißtreibende Arbeit weitgehend übernommen, wie
auch in allen anderen Teilbereichen. Der Karosseriebau ist der
am meisten automatisierte Bereich in der gesamten Prozess­
kette der Fahrzeugherstellung. Ganz will man das Feld den
Robotern aber nicht überlassen. Überwachung, Planung,
Qualitäts­
sicherung – das können gut geschulte Menschen
eben besser. Bei komplexen Schweißarbeiten, vor allem in der
Herstellung von Bussen, Lkw und Aufbauten, legen sie auch
selbst noch Hand an.
Ein Transponder als
Geburtsurkunde
Das Wort Karosserie stammt von dem französischen „carrosse“
für Kutsche. Das ist kein Zufall. In der Anfangszeit des Autobaus
wurde die Karosserie auf einem Rahmengestell befestigt, wie bei
der Vorgängerin des Autos. Bei Lkws und einigen Offroadfahr­
zeugen hat sich das bis heute nicht geändert. Bei Pkws hat sich
allerdings die selbsttragende Karosserie durchgesetzt, die
gleichzeitig sowohl Aufbau als auch Grundgerüst des Fahrzeugs
ist. Zuerst ist der Unterboden dran. Er wird aus Bodenblechen,
Radhäusern und Vorderwagen vollautomatisch zusammenge­
setzt. Das Auto ist nun quasi geboren und bekommt seinen
„Namen“. Die Geburtsurkunde ist ein spezieller RFID-Transpon­
der mit einem Identifizierungscode. In diesem sind alle Daten
des künftigen Fahrzeugs definiert.
Die weiteren Bearbeitungsstationen wissen anhand dieses
Codes sofort, wie sie das Auto weiterbauen sollen. An der ersten
Station kommen die Seitenteile aus dem Presswerk hinzu.
Danach richten Roboter in einer speziellen Zusammenstellung
die Karosserie genau aus, sodass andere Roboter alle Teile kom­
plett verschweißen können. Jetzt ist das Fahrzeug bereit für das
noch fehlende Dach. Der dritte und letzte Abschnitt beginnt. An
das Karosseriegerippe werden Türen, Kotflügel – der Name
kommt noch aus der Kutschenzeit – Heckklappe und Motor­
haube angefügt. Die Karosse ist fast komplett, aber noch nicht
fertig, ehe sie von einem geschulten Mitarbeiter abgenommen
wird. Dieser überprüft abschließend die Verbindungen zwischen
den einzelnen Teilen, die Oberflächenqualität und auch die
Spaltmaße sorgfältig. Hat er alles für gut befunden, gibt er das
Fahrzeug frei für die Lackiererei.
SEITE 9
KAROSSERIEBAU
verfahren umgestellt, die bis zu 30 Prozent schneller arbeiten als
herkömmliche und allein dadurch immense Mengen von Energie
einsparen. Wo nicht geschweißt wird, wird vielfach geklebt.
Auch hier steht Effizienz im Mittelpunkt. Durch neue Verfahren
müssen die Spritzköpfe der Klebepistolen nicht mehr gespült
werden. Das spart etwa 10 Prozent Kleber ein.
Auf die Gesundheit der Mitarbeiter wird im Karosseriebau
besonders geachtet. Beim Schweißen entsteht der sogenannte
Schweißrauch, meist ein Gemisch aus Metallpartikeln wie
Nickel-, Eisen- und Zinkoxid. Ein effizientes Absaugungssystem
führt diese ab und reinigt sie. Der Grenzwert in deutschen
­Fabriken liegt weit unter dem international üblichen. Die Mitar­
beiter atmen saubere Luft ein und können so besser arbeiten.
Die Produktion ist sauber und die Arbeitsplätze sind sicher.
Mit der Hand wird an für Roboter schwer zugänglichen Stellen geschweißt.
Mit viel Schweiß und
ohne Tränen
Das Schweißen nimmt eine zentrale Rolle beim Karosseriebau
ein, und dass, wo die Funken sprühen, viel Energie benötigt wird,
ist einleuchtend. Die Schweißzangen erwärmen sich beim
Schweißen derartig, dass sie ständig mit Wasser abgekühlt wer­
den müssen. Hierbei entsteht Abwärme. Ein großer Teil der
Wärme lässt sich aber aus dem Kühlwasser zurückgewinnen.
Der Effekt ist überraschend groß. Ein einziges Werk spart so
­beispielsweise jährlich mehr als 365 000 Kilowattstunden ein –
das entspricht dem Jahresstromverbrauch von mehr als
70 Vier-Personen-Haushalten. Durch neue Techniken wird das
Kühlwasser der Schweißzangen so stark reduziert, dass mehr
als 25 000 Kubikmeter Wasser jährlich eingespart werden.
­Inzwischen haben viele Fabriken auf verbesserte Laserschweiß­
Nachdem die Karosserie zusammengesetzt und verschweißt wurde, wird die Qualität überprüft.
Zuerst wird das Bodenblech zusammengesteckt, dann werden die Seitenteile und das Dach angebracht.
S E ITE 10
R E I N I G U N G U N D V O R ­B E H A N D L U N G
Reinigung
und Vor­
behandlung
Wenn die Karosserie
baden geht
Bevor die Karosse in der Lackiererei
sozusagen ihren Anzug oder ihr Kleid
angezogen bekommt, muss sie erst ein­
mal eine gründliche Reinigung über sich
ergehen lassen. Öle und Fette, die sich im
Presswerk angesammelt haben, sowie
Schweißperlen und Späne aus dem
Karosseriebau – all das muss weg. Denn
sonst kann der Lack nicht haften. Zur
Reinigung und Entfettung wird die Karos­
serie entweder mit einer Flüssigkeit
besprüht oder in riesige Bäder getaucht,
manchmal geschieht auch beides. Dabei
handelt es sich typischerweise um ein
wässriges Gemisch aus Salzen, Netzmit­
teln und Emulgatoren – für eine schwach
alkalische Entfettung. Die Temperatur ist
wie bei einer Waschmaschine bis zu
60 Grad Celsius warm. Die anschließende
mehrstufige Spülung der Karosserie
erfolgt bei Raumtemperatur. Das an jeden
Prozessschritt angeschlossene Spülen mit
Wasser soll von der Prozessflüssigkeit
befreien, die Verschleppung von Badche­
mikalien reduzieren und Antrocknungen
vermeiden.
Der nächste Schritt ist die sogenannte
Phosphatierung. Die ist zusammen mit
der Zinkschicht Voraussetzung für eine
gute Lackhaftung und einen zuverlässi­
gen Schutz vor Rost. Bei der Phospha­
tierung wird eine 1 bis 25 Mikrometer
dicke Schicht auf der Karosserie abge­
schieden. Ein Mikrometer entspricht
einem ­
tausendstel Millimeter. Diese
hauchdünne Schicht besteht überwie­
gend aus Phosphat. Die Phosphatierlö­
sungen enthalten außer Phosphorsäure
oft auch ­Fluoride sowie Metallionen, wie
etwa Zink, Kalzium, Mangan und Nickel.
Als Beschleuniger werden außerdem Oxi­
dationsmittel eingesetzt, wie zum Beispiel
Wasserstoffperoxid – vielen bekannt von
der Haarfärbung beim Friseur.
Die in der Lösung befindliche Phosphor­
säure beizt das Grundmetall der Karosse­
rie, es bildet sich eine feinkörnige, gleich­
mäßige Zinkphosphatschicht heraus.
Darin lagern sich die Metallionen ein, die
sich zuvor in der Lösung befanden. Die
aus dem Grundmetall herausgelösten
Metalle (meist Eisen oder Kryolith) sam­
meln sich als Schlamm am Boden des
Behandlungsbeckens und müssen konti­
nuierlich entfernt und entsorgt werden.
Der sparsame
­Wasserfall
Um bei der Reinigung möglichst wenig
Wasser zu verbrauchen, setzen die Her­
steller auf die sogenannte Kaskadenspü­
lung. Sie ist heute Standard in jeder Auto­
mobilfabrik. Hierbei handelt es sich um
eine Art Wasserfall mit mehreren Stufen.
Der jeweils letzten Spülzone der Entfet­
tung und der Phosphatierung wird
vollentsalztes Wasser oder Frischwasser
zugegeben. Mithilfe einer Überleitung in
Form einer Kaskade wird das Wasser
KASKADENSPÜLUNG SCHEMA
Vorteile: Einsparung vollentsalztes (VE) Spülwasser, R
­ ückgewinnung des Wirk­konzentrates
aus dem Spülwasser, kein Abwasser, VE-Wasser gleicht nur Verdunstungs- und Verschleppungs­
verlust aus / Nachteil: Energieaufwand für die Filtration
Quelle: Volkswagen AG
Fließrichtung Spülwasser
Transportrichtung Karossen
Vollentsalztes
Wasser ( VE)
Wirkbad
1. Spüle
2. Spüle
3. Spüle
Spülkaskade
Rückführung
Konzentrat
Filtrationsanlage
Rückführung
Reinwasser
SEITE 11
Die Karosse wird getaucht und so gegen Rost geschützt und
für das Lackieren vorbereitet.
Die Karosse wird abgewaschen, um Rückstände zu entfernen.
jeweils an die vorangegangene Zone wei­
tergeleitet. Mit zunehmender Anzahl der
Spülschritte erhöht sich die Wasserein­
sparung auf bis zu 90 Prozent.
Aus Schmutzwasser
wird Spülwasser
Eine Reinigung bedeutet nicht, dass der
Schmutz wirklich weg ist – für diese
Erkenntnis muss man nur nach dem
Frühjahrsputz in den Wassereimer
schauen. Bei der Reinigung einer Karos­
serie ist das nicht anders. Hier fallen ver­
schmutzte Spülwässer, ölhaltige Abwäs­
ser und verbrauchte Emulsionen an. Doch
im Unterschied zu Privathaushalten besit­
zen die Fahrzeughersteller eine Vakuum­
destillationsanlage. Sie ermöglicht die
Reinigung dieser Abwässer und die Wei­
terverwendung der Öle. Mit Unterdruck
bringt sie die Flüssigkeiten zum Verdamp­
fen und verdichtet sie auf Atmosphären­
druck. Das ist eine energieeffiziente Tren­
nung. Das übrig bleibende Destillat ist
sehr sauber und eignet sich hervorragend
für die Wiederverwendung als Spülwasser
oder zum Neuansatz von Emulsionen. Der
Energieverbrauch dabei ist verschwin­
dend gering, denn der erzeugte Wasser­
dampf gibt beim Kondensieren seine
Wärmeenergie an das System zurück, und
der Verdichter der Anlage selbst benötigt
sehr wenig Energie. Am erfreulichsten
aber: Auf diese Weise lässt sich je nach
Anlage der Bezug von einigen Tausend
Kubikmetern
Frischwasser
jährlich
vermeiden.
LACKIEREREI
Lackiererei
Das wäre ­
gelackt
Beim Kauf eines neuen Autos gilt es,
einige Dinge abzuwägen, und viele ver­
tiefen sich dabei tagelang in den Ver­
gleich von Leistungsdaten, bevor sie eine
Entscheidung fällen. Eines aber ist sicher:
Wenn die Farbe nicht gefällt, dann ist
nichts zu machen, auch wenn ansonsten
alles perfekt passt. Die Farbe eines Fahr­
zeugs sagt schließlich viel über seinen
Besitzer aus. Ein Familienvater, der mitten
im Leben steht, entscheidet sich vielleicht
eher für ein dezentes Silbergrau, während
die Studentin für ihr erstes eigenes Fahr­
zeug ein knalliges Rot bevorzugen mag.
Die Hersteller wissen das ganz genau
und haben für jeden Typ eine ganze
Palette von Lackoptionen im Angebot.
Doch mit der Entscheidung für eine
Option ist es längst nicht getan. Die
Lackierung der Karosserie ist eine hoch­
komplizierte, mehrstufige Angelegenheit.
Und dabei geht es nicht nur um das Aus­
sehen. Die Karosserie wird wirksam
geschützt, zum Beispiel gegen Stein­
schlag. Und auch hier spielt die Umwelt
eine wichtige Rolle. Lackieranlagen stel­
len bei der Herstellung und Montage der
Fahrzeuge die Fertigungsbereiche mit der
größten Umweltrelevanz dar. Die deut­
schen Hersteller haben das erkannt und
ihre Arbeit zeigt Erfolg: Keine andere
Automobilindustrie weltweit emittiert
weniger Lösemittel je Quadratmeter
lackierter Fläche als die deutsche.
Der Lack wird von Robotern aufgebracht.
Nach dem Lackieren und dem Trocknen wird der Lack
kontrolliert.
Schicht um Schicht
mehr Schutz
In der Anfangszeit des Automobilbaus
war bei der Lackierung viel Geduld
gefragt. Eine langsam trocknende Flüs­
sigkeit wurde in mehreren Schichten auf
das Blech des Autos aufgetragen. Das
konnte sich über mehrere Tage oder
sogar Wochen hinziehen. Heutzutage
geht das alles natürlich viel schneller,
aber das Schichtverfahren haben die Her­
steller beibehalten. In Europa läuft es fast
immer in dieser Reihenfolge ab:
•Phosphatierung
•Elektrotauchlackierung
•Füller
• Decklack (Basislack und Klarlack)
sowie zusätzliche Beschichtungen für:
• Unterboden und Nähte:
­Steinschlagschutz, Abdichtung
• Innenraum: Dämpfungsmaterial
• Hohlräume: Korrosionsschutz
Die Phosphatierung, die dem Korrosions­
schutz dient, wurde bereits beschrieben.
Für die Elektrotauchlackierung wird die
zu beschichtende Karosserie in eine
Lackwanne getaucht. Dabei nutzt man
das physikalische Prinzip, dass sich ent­
gegengesetzte Ladungen anziehen und
gleichartige Ladungen abstoßen. Die
Karosserie wird dabei meist als Kathode
geschaltet und das Lackbad gegensätz­
lich als Anode. Dann wird das Ganze
unter Spannung gesetzt. Die Lackpartikel
werden von der Kathode, also der Karos­
serie, angezogen und auf der Oberfläche
abgeschieden. So bildet sich ein Lackfilm,
der sich über die gesamte Oberfläche
zieht und sich in jeder Ecke und Spalte
der Karosserie gleichmäßig verteilt. Vor
der nächsten Schicht erfolgt erst einmal
das Trocknen beziehungsweise Einbren­
nen des Lacks. Dafür durchläuft die
Karosserie einen Ofen – für 30 Minuten
bei 180 Grad Celsius. In dieser Zeit ver­
netzt sich der Tauchlack und härtet aus.
SEITE 12
LACKIEREREI
Nach dem Ofen geht die Karosserie in die
Spritzkabine. Hier gehen mehrere Robo­
ter daran, sie fein zu machen. Zuerst
kommt aus den Pistolen der sogenannte
Füller geschossen. Das Gemisch aus
Wasser mit Kaolin, Talkum, Kreide und
Farbpigmenten sowie einem niedrigen
Anteil von Lösungsmitteln gleicht die
Unebenheiten des Untergrundes aus,
„füllt“ sie also aus. Das verbessert nicht
nur das Aussehen, sondern bietet auch
Schutz vor Steinschlag und ultraviolettem
Licht (UV-Licht).
Danach erst bekommt die Karosserie ihre
Farbe. Die gelangt mit einem mit den ent­
sprechenden Pigmenten versetzten Basis­
lack sowie einem schützenden Klarlack
auf das Blech. Zusammen bilden sie den
Decklack. Dann wird nochmal getrocknet.
Abgerundet wird alles mit flüssigem
Wachs. Das konserviert die Hohlräume
und verstärkt so noch einmal als zähe
Schicht den Schutz vor Korrosion.
Bester Umweltschutz
dank neuer
­Technologien
Seit den 1990er-Jahren sind die umwelt­
verträglichsten Lacksysteme in der
Automobilindustrie zu finden. Ständig
haben die Hersteller daran gearbeitet,
den Prozess so zu verbessern, dass er
immer weniger Energie benötigt. Das
haben sie erreicht durch den sparsamen
Einsatz von Materialien, vor allem von
Lösungsmitteln, und einen hohen
Wirkungsgrad der Auftragsverfahren.
­
Auch bei der Abluftreinigung aus der
Lackiererei steht der Umweltschutz im
Mittelpunkt.
Den Lackierprozess prägen die Emissio­
nen flüchtiger organischer Verbindungen,
die sich zusammen mit Lackpartikeln
(Overspray) in den Spritzkabinen und in
den Trocknern freisetzen. Um dem entge­
genzuwirken, hat sich die Automobilindu­
strie im Wesentlichen auf zwei Dinge
konzentriert:
1. Prozessintegrierte Maßnahmen
zur Reduzierung dieser Emissionen,
­weswegen zum Beispiel immer
mehr wasserbasierte Lacke oder
solche mit hohem ­Festkörperanteil
verwendet werden.
2. Energie- und ressourceneffiziente
Abluftbehandlung mit
Wärmerückgewinnung
Das ist nicht einfach zu koordinieren, weil
sich beide Schritte wechselseitig beein­
flussen können. Ein Beispiel: Durch den
Einsatz wasserbasierter Lacke lassen sich
zwar die Lösemittelemissionen reduzie­
ren, dafür steigt aber der Energiebedarf
zum Trocknen der Lackschichten, da das
Wasser verdampft werden muss. In den
Entwicklungsabteilungen ist man sich
dieses Problems bewusst, und die Ingeni­
eure tüfteln bereits an Lösungen.
Ein Ansatz ist die Verwendung von
UV-Licht. Während konventionelle Lacke
in einem Ofen bei Temperaturen von 180
Grad Celsius in einer Zeit von 30 Minuten
trocknen, braucht der UV-Lack nur
Sekunden – ausschließlich durch das
Einwirken von ultraviolettem Licht. Dieses
stößt den Prozess nur an, danach läuft
alles von allein. Zudem vereint der
UV-Lack die Eigenschaften von Grundie­
rung und Decklack in nur einer
Lackschicht.
Dadurch lassen sich die Lösemittelemis­
sionen um etwa 70 Prozent reduzieren.
Zusätzlich vermindert sich der Energiebe­
darf um 30 Prozent.
Die lackierte Karosse wird mit Strahlern getrocknet.
Die Trockenabscheidung bietet die
Möglichkeit, die Luft innerhalb der
­
Lackierkabine im Kreislauf zu führen (bis
zu 80 Prozent der zugeführten Luft in der
Lackierkabine). Durch die Trockenab­
scheidung sind erhebliche Wassereinspa­
rungen möglich.
Die Hersteller in Deutschland haben viel
erreicht. In Sachen Umweltschutz sind sie
praktisch Weltmeister bei der Fahrzeugla­
ckierung. Wie die nachfolgende Grafik
zeigt, sind die Lösemittelemissionen seit
Jahren rückläufig.
Ein anderer Weg ist der komplette Ver­
zicht auf den Füller. Stattdessen wird die­
ser in den Decklack integriert, indem man
dessen Schichtdicke leicht erhöht. So
entfällt ein kompletter Prozessschritt
inklusive der Trocknung und der
Abluftreinigung, was den Energiever­
brauch deutlich verringert.
LÖSEMITTELEMISSIONEN DER DEUTSCHEN
AUTOMOBILHERSTELLER (PKW & LKW)
Lösemittel
Produzierte Fahrzeuge
Trend
Tausend t
Millionen Fzg.
25
7
6
20
5
15
4
3
10
2
5
1
0
0
1990
1994
S E I T E 17
1998
2002
2006
2010
2012
2 — Presswerk
UNSERE WERKE
GUTE NACHBARN IN GANZ DEUTSCHLAND
Gute Nachbarn
in ganz
Deutschland
Die Automobilindustrie schafft
Wohlstand in unserem Land.
Mehr als 144 Standorte und acht
der zehn größten Industriestandorte
sind der Automobilindustrie
zuzurechnen. Die Arbeitsplätze
der Stammbelegschaften wurden
auf 770 000 Mitarbeiter erhöht.
Der Umsatz im Inland lag 2013
bei knapp 127 Milliarden Euro.
3 — Karosseriebau
Im Presswerk werden aus bis zu 25 Tonnen
schweren Stahlrollen die Karosserieteile eines
Autos zugeschnitten und dann von Großtransferpressen in Form gebracht. Moderne
Verfahren schützen dabei die Ressourcen und
sorgen dafür, dass kaum noch Abfall entsteht.
4 — Reinigung und
Vorbehandlung
Im Karosseriebau nimmt das Fahrzeug seine
Gestalt an, aus mehreren Hundert verschiedenen Blechteilen entsteht hier der Grundkörper
des Automobils. Da sprühen die Funken der
Schweißzangen. Aus dem Kühlwasser der
Zangen lässt sich Energie zurück gewinnen.
Öle und Fette, die sich im Presswerk
ansammeln, sowie Schweißperlen und Späne
aus dem Karosseriebau – all das muss weg.
Damit später der Lack haften bleibt, wird das
Fahrzeug gründlich gereinigt. Mehrstufige
Systeme machen das Spülwasser wiederverwendbar und verringern das Abwasser um bis
zu 90 Prozent.
Betriebe der
Automobilindustrie
in Deutschland
400
1 — Infrastruktur
und Logistik
5 — Lackierei
In der Lackiererei bekommt das Fahrzeug seine Farbe.
Aber es geht nicht nur ums gute Aussehen, sondern auch
um den Schutz der Karosserie. Das ist eine hochkomplizierte,
mehrstufige Angelegenheit. Ständig haben die Hersteller
daran gearbeitet, den Prozess so zu verbessern, dass er immer
weniger Energie benötigt und dass immer weniger Emissionen
entstehen.
Ein modernes Auto besteht aus etwa
10 000 Teilen. Damit diese alle zur rechten
Zeit am rechten Ort in der Fabrik eintreffen,
ist eine logistische Meisterleistung
erforderlich.
Der Auslandsumsatz betrug 2013
rund 235 Milliarden Euro. Dabei
ist jedoch nicht zu übersehen,
dass die Pkw-Auslandsfertigung
die Inlandsfertigung schon vor
Jahren überholte. Für 2014 erwarten
wir 9,15 Millionen Pkws in der
deutschen Pkw-Auslandsfertigung.
Die Auslandsfertigung hilft, die
inländische Produktion zu stützen.
300
6 — Gießerei
Vom Türöffner bis zu Elementen des
Fahrwerks – kein Auto ist ohne Gussteile
unterwegs. Die stellen oft Zulieferer
her. In maßstabsgetreue, meist aus Sand
gefertigte Modelle lassen sie das flüssige
Metall hineinfließen. Neue Bindemittel
vermeiden unangenehme Gerüche und
machen eine Abluftreinigung überflüssig.
Auch das spart viel Energie.
200
9 — Sitzefertigung
Nirgendwo sonst im Automobilbau ist die Zusammenarbeit mit
den vielen Zulieferunternehmen so ausgeprägt wie in Deutschland. Das veranschaulicht etwa die Produktion der Sitze.
Diese werden bei den Zulieferern von Spezialisten aus Metall-,
Kunststoff- und Textilteilen zusammengesetzt. Ständig tüfteln
sie an neuen Entwicklungen, um den Wünschen der Kunden
noch besser zu entsprechen.
7 — Aggregatefertigung
Ohne die Kombination aus Motor, Getriebe und Abgasanlage
würde sich kein Fahrzeug vom Fleck bewegen. Bei deren
Fertigung arbeiten Roboter mit hoher Geschwindigkeit und
Präzision. Dabei trifft das Metall der Werkzeuge auf das Metall
der Teile, wodurch Reibungswärme entsteht und Schmiermittel
unvermeidbar sind. Die Automobilindustrie hat es mit neuen
Verfahren geschafft, den Verbrauch von Ölemulsionen deutlich
zu verringern, wenn man nicht ganz darauf verzichten kann.
In Kombination mit Anlagen zur Abwärmenutzung und Wärmerückgewinnung werden bei der Motorherstellung enorme
Mengen an Wasser, Abfall und Energie eingespart.
11 — Montage
Der Höhepunkt der Fahrzeugherstellung ist die Montage.
Hier wird die „Hochzeit“ gefeiert, wenn Motor, Fahrwerk und
Karosserie zusammenkommen. Auch in der Montage spielen
Ressourcenschutz und Energieeinsparung eine wichtige Rolle.
So werden energieintensive, druckluftgetriebene Werkzeuge
immer mehr durch elektrische ersetzt. Diese brauchen nur
dann Energie, wenn sie benutzt werden.
100
10
S E ITE 13–16
10 — Kunststofffertigung
8 — Fahrwerk
In der Automobilindustrie spielen Kunststoffe
eine immer wichtigere Rolle. Je mehr Kunststoff statt Metall verarbeitet wird, umso
leichter wird das Auto. Und mit leichteren
Autos lassen sich die ehrgeizigen Ziele
schneller erreichen, die sich die deutsche
Automobilindustrie in Sachen Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen gesetzt hat.
Das Fahrwerk stellt die Verbindung zwischen
Auto und Fahrbahn her. Viele der einzelnen
Metallteile stammen aus dem eigenen Presswerk der Hersteller, manche von Zulieferunternehmen. In der Fabrik werden sie häufig
noch mechanisch bearbeitet, zum Fahrwerk
zusammengesetzt und schließlich mit Motor
und Getriebe verbunden.
Anzahl der Betriebe
Angabe abgerundet
Bundesländergrenze
Regierungsbezirksgrenzen
Quelle: Leibniz-Institut für Länderkunde
GIESSEREI
Gießerei
Aus einem Guss
Deutsche Autos wirken auf der Straße
wie aus einem Guss. Tatsächlich beste­
hen sie jedoch aus zahlreichen einzeln
gegossenen Bauteilen. Motorblock, Kur­
belwelle, Getriebegehäuse, ja selbst Mar­
kenzeichen – alle gehören dazu. Diese
werden häufig nicht vom Hersteller selbst
produziert, sondern von Zulieferunter­
nehmen. Beim Gießen entsteht aus flüssi­
gem Werkstoff nach dem Erstarren ein
fester Körper in einer bestimmten Form.
Um das zu ermöglichen, ist wahre
Filigranarbeit gefragt. Die Mitarbeiter in
der Gießerei bauen maßstabsgetreue
Modelle des zu gießenden Stückes, in
das sie dann das flüssige Metall hinein­
fließen lassen. Auch im 21. Jahrhundert
ist das Modell ganz einfach aus Sand.
Etwa beim Zylinderkopf. Kein anderes
Material eignet sich besser dafür, dessen
hochkomplexe und verwickelte Form wie­
derzugeben. Damit sich der Sand formen
lässt, werden ihm Bindemittel hinzuge­
fügt. Die nennt man Schlichten. Sie isolie­
ren die Gussform, glätten sie und erleich­
tern schließlich die Trennung des
Gussteiles von der Form. Zum Trocknen
kommt das Ganze in den Ofen. Leider
können dabei schon einmal unange­
nehme Gerüche auftreten, weil ein Teil
der organischen Bindemittel verdampft.
Das lässt sich aber vermeiden, wenn die
organischen durch anorganische Binde­
mittel ersetzt werden. Die Kerne des
Modells härten so nicht durch eine che­
mische Reaktion aus, sondern, dank der
neuen Binder, mit Hilfe eines Trocknungs­
vorgangs. Heiße Kernformwerkzeuge und
vorgewärmte Luft entziehen dem Kern­
sand Wasser. So erhält er seine Festigkeit.
Weil die Gerüche ausbleiben, ist eine –
sonst übliche – Abluftreinigung nicht
mehr nötig. Die Anlagen für diesen auf­
wändigen Vorgang können abgeschaltet
werden. Das spart viel Energie.
In großen Öfen wird das Metall verflüssigt und dann vorne
rechts abgegossen.
Moderne Gießverfahren sind sauber und emissionsfrei. Hier
eine übliche Sandform.
Der mit den Bindemitteln angereicherte
Sand wird nicht weggeworfen, sondern
die Unternehmen bereiten ihn für die
Wiederverwendung auf. Dazu nutzen sie
thermische oder mechanische Verfahren,
je nach Bindemittel.
A G G R E G AT E F E R T I G U N G
Aggregatefertigung
Motoren für besseren Umweltschutz
Das Bild, das wir von einem Auto haben, ist logischerweise stark
von seiner Karosserie geprägt. Doch genauso wichtig ist der
nach außen unsichtbare Teil, der Antrieb. Erst er gibt dem
Namen Automobil seine Berechtigung. Ohne die Kombination
aus Motor, Getriebe und Abgasanlage würde sich kein Fahrzeug
vom Fleck bewegen.
Die Königsdisziplin in der Herstellung dieser Aggregate ist der
Bau des Motors. Der Motorblock kommt gegossen aus der Gie­
ßerei. Er muss jedoch mit vielen Kleinteilen verbunden werden.
Diese kommen meist vorgefertigt geliefert in die Fabrik. Dort
werden sie noch be- und verarbeitet – also gefräst, geschliffen
und geschraubt – und schließlich mit dem Motorblock zusam­
mengefügt. Die Teile müssen passgenau sein und in kurzer Zeit
höchste Verarbeitungsqualität erreichen. Es ist klar, dass bei der
Bearbeitung viel Reibung, sprich Wärme, entsteht. Die muss
abgeführt werden. Gleichzeitig kommt man nicht ohne Schmier­
mittel aus, wenn das Metall der Werkzeuge auf das Metall der
Teile trifft. Kühlschmierstoffe übernehmen die Aufgaben von Küh­
lung und Schmierung während der Bearbeitung. Die Automobil­
industrie hat erkannt, dass in diesem Bereich ein hohes Potenzial
zum Energiesparen vorhanden ist, und diese Chance ergriffen.
Mit weniger Öl zu
besserer Luft
Die kühlenden Schmiermittel waren früher ein Gemisch aus ölhal­
tigen Emulsionen und Wasser. Erstere müssen energie- und kos­
tenintensiv wiederaufbereitet werden, und ein hoher Wasserver­
brauch ist ebenfalls nicht gut für die Umwelt. Deswegen haben die
Hersteller fortschrittliche Verfahren entwickelt, die eine „Trocken­
bearbeitung“ mit einer sogenannten Minimalmengenschmierung
ermöglichen. Dabei vermischt man geringste Mengen Schmiermit­
tel mit kalter Luft. Kann bei bestimmten Verfahren nicht auf das
Schmiermittel verzichtet werden, wird es immer wieder im Kreis­
S E ITE 18
A G G R E G AT E F E R T I G U N G
lauf geführt. So gelingt es bereits heute, Wasser mehr als 50 Mal
wiederzuverwenden – eine Größenordnung, die sonst in keiner
Industrie erreicht wird.
Die Ergebnisse sind beachtlich. Der Verbrauch von Ölemulsionen
hat sich dank der neuen Verfahren innerhalb weniger Jahre um
80 Prozent verringert. In Kombination mit Anlagen zur Abwärme­
nutzung und Wärmerückgewinnung sparen die Fabriken bei der
Motorherstellung insgesamt enorme Mengen an Wasser, Abwas­
ser, Abfall und Energie ein.
Heiße Öfen, kalte Tests
Ein Beispiel für die neuen Verfahren sind die sogenannten
Härte­öfen. In diesen Öfen, die besonders heiß sind, erhärten
sich Metallteile stärker als durch andere Verfahren. Neuerdings
haben diese Öfen eine keramische Innenbeschichtung. Dadurch
lässt sich Hitze schneller generieren und besser konservieren –
und Energie sparen.
Auch wenn der Motor fertig ist, bedeutet das für die Hersteller
nicht, dass sie aufhören, an die Umwelt zu denken. Um den
Motor zu testen, hat man ihm früher wie auf der Straße K
­ raftstoff
zugeführt – zum „Heißtest“. Heute ist das dank neuer Testver­
fahren nicht mehr nötig, ein „Kalttest“ tut es auch. Der Effekt ist
enorm: Allein in einer deutschen Fabrik spart der Kalttest rund
eine Million Liter Dieselkraftstoff sowie mehr als 3 000 Tonnen
CO2 pro Jahr ein. Auch die Testläufe finden nicht mehr auf der
Straße statt, sondern am Prüfstand. In diesen hochmodernen
Anlagen kann man sämtliche Verkehrs-, Klima- und Belastungs­
situationen simulieren, mit deutlich geringeren Auswirkungen
auf die Umwelt.
Motoren werden zusammengebaut. Die Ergonomie wird auch hier groß geschrieben.
Die Mitarbeiter haben eine optimale Position.
S E ITE 19
Die Motorenprüfung erfolgt heute ohne Emissionen in beson­
deren Testmaschinen.
In solchen Automaten werden Metallteile umweltfreundlich
bearbeitet.
FA H R W E R K
Fahrwerk
Auf die Straße g
­ ebracht
Ein Auto besteht im Wesentlichen aus Karosserie und Motor – doch erst das Fahrwerk
bringt es auf die Straße. Dazu gehören viele Teile, vor allem Achsen, Antriebsgelenk­
wellen, Stoßdämpfer, Federbeine und Bremsen. All diese sind beim Fahren hohen
Belastungen ausgesetzt und deshalb überwiegend aus Metall gefertigt. Viele der ein­
zelnen Metallteile stammen aus dem eigenen Presswerk der Hersteller, manche von
Zulieferunternehmen. In der Fabrik werden sie häufig noch mechanisch bearbeitet, zum
Fahrwerk zusammengesetzt und schließlich in der Fahrzeugmontage mit Motor und
Getriebe verbunden.
Hier werden die Fahrwerksteile zusammengebaut.
S ITZ E F E RTI G U N G
Sitzefertigung
Das sitzt — Z
­ usammenspiel
von H
­ erstellern und Zulieferern
Nicht nur die hohen Qualitätsstandards der Hersteller machen
den Autostandort Deutschland zum weltweit führenden.
­Nirgendwo sonst ist die Zusammenarbeit mit den vielen Zuliefer­
unternehmen so ausgeprägt. Die räumliche Nähe von Hersteller
und Zulieferer, die enge Kooperation bei Forschung und
­Entwicklung, das perfektionierte Zusammenspiel von Familien­
unternehmen und Großkonzernen – das gibt es nur in Deutsch­
SEITE 20
S ITZ E F E RTI G U N G
land. Bis zu 80 Prozent der Bauteile eines Autos werden von
mittelständischen Betrieben zugeliefert.
Dies erfordert ein komplexes Management der Lieferkette.
Heute werden die für den Bau von Automobilen erforderlichen
Teile nicht nur „just in time“, sondern auch „just in sequence“
geliefert. Das heißt: Die entsprechenden Teile müssen nicht nur
zur rechten Zeit im Hof des Herstellers eintreffen, sondern direkt
am Band – und das auch noch in der richtigen Reihenfolge.
Damit haben die Zulieferunternehmen eine große Aufgabe und
eine entsprechend hohe Verantwortung. Das veranschaulicht
etwa die Produktion der Sitze.
Der Sitz trägt entscheidend zum Fahrerlebnis bei. Sitzt es sich
nicht bequem, fühlt sich ein Insasse unwohl, auch wenn das
Auto ansonsten perfekt funktioniert. Das ist den Herstellern
bewusst. Nicht umsonst entfallen 5 Prozent der Fahrzeugge­
samtkosten und 6 Prozent des Gewichts auf die Sitze. Diese
werden bei den Zulieferern von Spezialisten aus Metall-, Kunst­
stoff-, und Textilteilen zusammengesetzt. Ständig tüfteln sie an
neuen Entwicklungen, um den Wünschen der Kunden noch bes­
ser zu entsprechen. Dafür sorgen intelligente Einstellungen,
maßgeschneiderte Komfortmerkmale und neue Funktionen.
Durch die permanenten Innovationen werden die Sitze immer
leichter – zum Beispiel durch Hybridlösungen aus Metall und
Verbundwerkstoffen für die Sitzstrukturen. Nur bei einem Thema
kennen die Entwickler keinen Kompromiss: Die Sicherheit steht
stets an erster Stelle.
Zulieferer stellen auch Sitze und Sitzteile her, hier Sitzgestelle.
Sitze werden aufwendig gefertigt.
K U N S T S TO F F F E R T I G U N G
Kunststofffertigung
Leichter Stoff
für e­ hrgeizige Ziele
Plastikautos bauen, das war früher ein Hobby für kleine Jungs. Doch auch in der Indus­
trie spielen Kunststoffe eine immer wichtigere Rolle. Die Tanks etwa bestehen mittler­
weile schon meist daraus. Der Grund: Je mehr Kunststoff statt Metall verarbeitet wird,
umso leichter wird das Auto. Und mit leichteren Autos lassen sich die ehrgeizigen Ziele
schneller erreichen, die sich die deutsche Automobilindustrie in Sachen geringerer
Spritverbrauch und damit geringerer CO2-Ausstoß gesetzt hat.
Hersteller und Zulieferer stellen die entsprechenden Teile mit Spritzgussmaschinen aus
Kunststoffgranulaten her. Auch dabei achten sie darauf, möglichst viel Energie zu spa­
ren. So werden die Maschinen isoliert, die Kunststoffteile durch induktive Beheizung,
die unmittelbar im Körper selbst entsteht, erwärmt. Für die Lackierung dieser Teile
­wurden immer effizientere Verfahren entwickelt.
SEITE 21
Hocheffizientes und umweltfreundliches Lackieren durch
Zulieferer.
M O N TA G E
Montage
Ergonomie am Arbeitsplatz – aufrechtes Stehen wechselt mit Sitzen ab.
Nach der Hochzeit
für immer fest vereint
Der Höhepunkt des Herstellungsprozes­
ses ist wie im Leben vieler Menschen die
„Hochzeit“. So nennt sich das Zusam­
menfügen von Motor, Fahrwerk und
Karosserie. Wie im Leben ist der Weg
dahin sehr komplex. Aber dafür sind
„Scheidungen“ ausgeschlossen. Am
Anfang der industriellen Massenproduk­
tion war die Sache noch einfacher: Es
gab ein Modell in einer Farbe mit einer
Ausstattung. Heute versuchen die Her­
steller, möglichst vielen Kunden ein für
sie möglichst genau passendes Angebot
zu machen. Kaum ein Auto, das die
Montage durchläuft, gleicht vollkommen
den anderen vor und nach ihm auf dem
Band.
Ergonomische Arbeitsverfahren helfen.
Auch durch Mitarbeit und Ideen aus der Belegschaft wurden
die Produktionsmethoden im Sinne möglichst ergonomischer
Produktionsabläufe kontinuierlich verbessert. Das Cockpit
wird vormontiert und in einem Stück mit Hebetechnik
eingebaut.
Das Zusammenfügen beginnt mit einer
Entfernung. Denn zuerst werden der aus
der Lackiererei gelieferten Karosserie die
Türen abgenommen und diese in der
sogenannten „Türlinie“ gesondert bearbei­
tet. Dies ist einleuchtend, denn die Türen
würden den weiteren Innenausbau erheb­
lich erschweren. Hinein kommen zuerst
die Kabelstränge, der Kabelbaum und das
Cockpit. Allein letzteres besteht aus eini­
gen Hundert Einzelteilen und wiegt bis zu
100 Kilogramm. Danach sind dran:
Schiebe- und Panoramadach, Dachhim­
mel, Steuergeräte, Haltegriffe und Sonnen­
blende. In einem drehbaren Gestell geht
es für das Fahrzeug dann in die Linie, in
der am Unterboden gearbeitet wird. Oft
steht es dabei ganz auf dem Kopf.
SEITE 22
Im nachfolgenden Schritt werden Frontund Heckscheiben eingesetzt und ver­
klebt. Meist werden in diesem Prozess­
schritt auch die hinteren und vorderen
Sitze, die Seitenairbags, die Hauptschein­
werferbatterie
und
die
Pedalerie
eingebaut.
Die Front- und Heckscheiben werden von Robotern passge­
nau eingesetzt.
Danach werden die angelieferten Moto­
ren mit den Getrieben zusammengeführt
und um weitere wichtige Elemente wie
Generator, Anlasser, Servopumpe und Kli­
makompressor ergänzt.
Das Auto ist nun bereit für seine „Verlo­
bung“. Das heißt: Die komplettierte
Motorgetriebeeinheit wird auf die Achse
des vom Fahrwerksbau kommenden
Fahrwerks gesetzt. Zur „Hochzeit“ verbin­
det sich der so komplettierte Antriebs­
strang mit der Karosserie, indem er unter
diese gefahren und fest verschraubt wird.
Die Schrauben lassen sich nicht mehr
lösen, diese Ehe ist scheidungssicher.
Trotzdem: Fahren kann das Fahrzeug nun
noch nicht, dazu fehlt noch einiges.
M O N TA G E
Schwere Teile werden mit spezieller Hebetechnik eingebaut.
Bei der „Hochzeit“ wird die Karosse mit dem Fahrwerk und
dem Motor verbunden.
Zuerst einmal natürlich die Räder. Ein
Maschinenführer
überwacht
deren
­Montage, die häufig gleichzeitig mit der
des Lenkrads geschieht. Dann kommt
noch die Innenausstattung hinzu, die
elektrischen Geräte werden program­
miert und zuletzt erhält das Fahrzeug alle
benötigten Flüssigkeiten wie Kraftstoff,
Öl und Scheibenwasser. Endlich rollt es
vom Band, allerdings nicht auf die
Straße, sondern in den Prüfbereich. Je
nach Unternehmen werden nun entwe­
der alle Fahrzeuge oder einzelne stich­
probenartig herausgezogene Fahrzeuge
speziell geprüft, oft bei einer Probefahrt
auf der werkseigenen Prüfstrecke. Hat es
alle Prüfungen bestanden, ist der große
Moment da: Das Gesamtkunstwerk ist
fertig und bereit für die Auslieferung.
Und zu guter Letzt erfolgt die Abschlusskontrolle.
Nun geht es in die Welt hinaus, meist mit
der Bahn, aber auch mit Schiffen und
Lkw. Oder der Kunde holt es direkt
vom Werk ab. Was am Anfang nur eine
Ahnung in einer riesigen Stahlrolle
war, ist nun eines der hochwertigen
­deutschen Autos.
Auch Räder müssen nicht mehr manuell gehoben werden.
Arbeit leicht
gemacht
Die Montage eines Autos bedeutete
früher k
­
­örperliche Schwerstarbeit. In
­vielen Bereichen eines Automobilwerks
haben heute Roboter schwere oder
gefährliche Tätigkeiten übernommen,
auch in der Montage. Hier sind die
besonderen Fähigkeiten gut ausgebilde­
ter und motivierter Mitarbeiter gefragt.
Diese müssen die Teile, die innen wie
außen an- oder eingebaut werden, zu
ihren Einbauorten bringen und befesti­
gen. Ein im Wortsinn oft nicht leichtes
Unterfangen. Mitunter sind die Teile
schwer und unhandlich und der Einbau­
ort ist nur umständlich erreichbar. Hier
­helfen spezielle Hebetechniken, um die
Mitarbeiter zu entlasten.
Und auch hier werden die Erwerbstätigen
älter. Im Jahre 2020 werden die älteren
Beschäftigten in der deutschen Automo­
bilindustrie sogar die Mehrheit stellen.
Bis zum Renteneintritt gesund und leis­
tungsfähig zu bleiben, ist für diese Men­
schen ganz besonders wichtig. Auch für
die Hersteller sind Arbeitskraft und Erfah­
rung ihrer Beschäftigten ein wertvolles
Gut. So wird in den Fabriken viel dafür
getan, die Arbeitsplätze gesund und
ergonomisch zu gestalten.
Für gesunde Abwechslung sorgt zudem
die „Job-Rotation“. Die Mitarbeiter arbei­
ten teilweise nur wenige Stunden an
einem Arbeitsplatz und wechseln dann
auf einen anderen. Das ist gut für den
SEITE 23
Der Fahrzeugbau erfolgt oft in hellen Hallen
Zum Schluss werden die Neuwagen auf Herz und Nieren
geprüft, auch auf der Rüttelstrecke.
M O N TA G E
Die Neufahrzeuge werden vor allem mit der Bahn oder mit
dem Schiff transportiert.
Zur leichten Montage wird das gesamte Auto gedreht.
Körper. Denn eine einseitige dauerhafte
Belastung kann zu gesundheitlichen
Beeinträchtigungen führen.
Auf gute
­Nachbarschaft
Dabei spielt auch das geistige Wohlerge­
hen eine wichtige Rolle. Denn wer gerne
zur Arbeit geht und sich wohl dabei fühlt,
dem geht es meist auch körperlich bes­
ser. Helle und luftige Arbeitsplätze sind
eine Möglichkeit. In einigen Automobil­
werken wurden Wände verglast oder
Beleuchtungskörper installiert, die die
Lichtverhältnisse wie draußen am Tag
erscheinen lassen. Für noch mehr Sicher­
heit und gegen Ermüdung wird zudem
fortwährend für frische Luft gesorgt: Bis
zu 1,6 Millionen Kubikmeter Luft werden
hierzu pro Stunde ausgetauscht.
Die Automobilindustrie in Deutschland ist
ein guter und beliebter Nachbar. Sicher
auch, weil sie in Sachen Umweltschutz
eine Vorreiterrolle übernommen hat und
technischer Innovationsführer ist. Die
Unternehmen der Automobilindustrie
sind zudem beliebte Arbeitgeber. Damit
die umweltfreundliche, sichere und nach­
haltige P
­
roduktion in Deutschland
Bestand hat, kommt es auch auf die
­Politik an. Die Rahmenbedingungen müs­
sen wieder ins Lot gebracht werden,
damit unser W
­ irtschaftsstandort wett­
bewerbsfähig ist.
Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
wird viel getan. Nicht zuletzt deshalb sind
Arbeitsplätze in der Automobilindustrie
hoch begehrt. Bei Hochschulabgängern
in Deutschland ist die Automobilindustrie
die attraktivste Branche. Deutsche Auto­
mobilhersteller sind in einschlägigen
Rankings immer auf den vordersten
­Plätzen zu finden. Der gute Ruf reicht bis
weit ins Ausland. So hat eine Umfrage in
China kürzlich ergeben, dass 76 Prozent
der Chinesen im Alter von 18 bis 34 Jah­
ren deutschen Unternehmen ein gutes
bis sehr gutes Image als Arbeitgeber
zubilligen. Damit rangieren deutsche
­Firmen in China deutlich vor Unterneh­
men aus den USA, Großbritannien oder
Frankreich.
SEITE 24
UNSERE WERKE
G LO S S A R
Glossar
Anode
Eine Anode (von Altgriechischem
anodos) ist eine Elektrode an der
Oxidationsreaktionen ablaufen.
Und die Elektronen aufnimmt.
Elektrotauchlackierung
Die Karosserie wird in eine mit Lack
gefüllte Wanne eingetaucht. Lackbad
und Karosserie sind entgegengesetzt
elektrisch aufgeladen. Durch Schließen
eines Stromkreises kommt es zur
Abscheidung von elektrisch geladenen
Lackpartikeln auf der Karosserie.
Emulsion
Emulsionen sind Gemische aus normalerweise nicht miteinander mischbaren
Flüssigkeiten, beispielsweise Wasser
und Öl.
Emulgator
Emulgatoren sind Hilfsstoffe, die
eine Emulsion erst möglich machen.
Sie zeichnen sich durch die wichtige
Eigenschaft aus, sowohl in Wasser
als auch in Fett löslich zu sein.
So stabilisieren sie die eigentliche nicht
miteinander mischbaren Stoffe.
Füller, auch Filler
Filler, oder auch Füller (englisch to fill
– auffüllen) nennt man die dickfl üssige
Farbe, die vor allem die Unebenheiten
des Untergrundes der Karosserie ausgleicht, diese also „auffüllt“.
Getriebe
Getriebe dienen zur Übertragung und
Umformung von Bewegungen, Energie
und Kräften. Im Auto wandeln sie
Drehzahlen und Drehmomente entlang
des Antriebsstrangs um. Ziel ist die
größtmögliche Effizienz des Motors,
also geringer Verbrauch bei größtem
Durchzug.
Hochzeit
Der Begriff bezeichnet das Zusammenfügen von Motor, Fahrwerk und
Karosserie.
Just-in-sequence (JIS) Anlieferung
Ergänzt die Just-in-time Lieferung.
Das Material wird zeitgenau und in der
richtigen Reihenfolge an den Produktionsabschnitt („ans Band“) geliefert, in
dem es benötigt und sofort eingesetzt
wird.
Just-in-time (JIT) Anlieferung
Beschreibt die Organisation eines
Produktionsvorgangs, bei dem Material
genau zu dem Zeitpunkt geliefert wird,
zudem es benötigt wird.
Karosserie
Das Wort Karosserie stammt vom
französischen carrosse für Kutsche.
Sie bezeichnet das äußere „Kleid“ des
Fahrzeugs, Fachleute sprechen vom
„Aufbau“. Die Karosserie ist entweder
selbsttragend (Pkw) oder hat einen
Rahmen mit allen Aufbauten (Lkw und
Geländewagen).
Kathode
Eine Kathode (vom altgriechischen
kathodos, „Weg nach unten“) ist eine
Elektrode, an der Reduktionsreaktionen
ablaufen und die – beispielsweise
in ein Vakuum oder Elektrolyt –
Elektronen abgibt. Die Kathode kann
negative Polarität (−) haben, wie bei
einem elektrischen Verbraucher, oder
positive Polarität (+), wie bei einem
elektrischen Erzeuger.
Kathodische Tauchlackierung
(KTL)
Die KTL-Beschichtung (kathodische
Tauchlackierung) ist ein äußerst
umweltfreundliches Verfahren zur
Beschichtung von Aluminium-, Gusseisen-, Magnesium- und Stahl-Legierungen. Es eignet sich hervorragend
als Grundierung für eine anschließende
Pulverbeschichtung.
Overspray
Bei Spritz- und Sprühapplikationen
gelangt immer ein Anteil des verspritzten Materials (Lack, Dämm- oder
Klebstoffe) nicht auf das Werkstück,
SEITE 25
sondern entweicht in Form von Sprühnebel in die Umgebung. Diesen Anteil
nennt man Overspray (englisch für
„Übersprühen“).
Pedalerie
Gesamtheit der Pedale in einem
Kraftfahrzeug.
pH-Wert
Der pH-Wert gibt an, wie sauer oder
basisch eine Lösung ist.
Phosphatierung
Das Phosphatieren ist eine weit
verbreitete Oberfl ächenbehandlung
für vorzugsweise Stahl- und Eisenteile.
Dabei wird auf elektrochemischem
Weg eine dünne, feinkristalline und
wasserunlösliche Schicht aus Metallphosphaten erzeugt, die fest mit dem
Grundmetall verbunden ist. Phosphatierte Metalle bieten einen guten
Korrosionsschutz und einen sehr guten
Haftgrund für Lacke, Farben und
Wachse.
RFID
Engl. radio-frequency identifi cation –
zu Deutsch: „Identifizierung mit Hilfe
elektromagnetischer Wellen“.
Schlichte
Bindemittel im Gießereisand.
Verlobung
Produktionsschritt, bei dem die
komplettierte Motorgetriebeeinheit
auf die Achse des vom Fahrwerksbau
kommenden Fahrwerks gesetzt wird.
VOC (Volatile Organic Carbon)
Summenparameter für fl üchtige
organische Kohlenwasserstoffe.
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Verband der Automobilindustrie e. V.
Stand
September 2014
Konzeption und Realisierung
Marschall Wernecke & Andere
Accelerate GmbH
www.marschallwernecke.com
Verzeichnis der A
­ bbildungen
Adam Opel GmbH, AUDI AG, Bayerische
Motoren Werke AG, Christian Grund,
Daimler AG, Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG,
Ford-Werke GmbH, Johnson Controls
GmbH, Verband der Automobilindustrie
e. V. (VDA), VOLKSWAGEN AG,
ZF Friedrichshafen AG
Druck
Brandenburgische Universitätsdruckerei
und Verlagsgesellschaft Potsdam mbh
Papier
Maxi Offset
SEITE 26
VDA
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