Der 3-D-Test auf Antisemitismus: Dämonisierung, Doppelstandards

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Der 3-D-Test auf Antisemitismus: Dämonisierung, Doppelstandards
Der 3-D-Test auf Antisemitismus:
Dämonisierung, Doppelstandards, Delegitimierung
Um Antisemitismus – auch oft als “Israelkritik” getarnt – zweifellos zu erkennen,
entwickelte Natan Sharansky im Jahr 2004 den 3-D-Test.
„Als ich Dissident in der ehemaligen Sowjetunion war, war eine meiner regelmäßigen Aktivitäten
die Beobachtung des Antisemitismus und das Hinausschmuggeln von Beweisen und Berichten
über solche Aktivitäten in den Westen. Ich glaubte damals, dass die freie Welt besonders nach
dem Holocaust ein zuverlässiger Verbündeter im Kampf gegen den Antisemitismus sei.
Leider lag ich falsch. Heute, als Minister in der israelischen Regierung verantwortlich für die
Beobachtung des Antisemitismus, befinde ich mich laufend in der Situation, die Botschafter der
westeuropäischen Staaten ein zu bestellen, um gegen antisemitische Angriffe auf Juden in ihren
Ländern und die häufig milden Reaktionen ihrer Regierungen zu protestieren.
Im Verlauf der letzten vier Jahre haben wir das Wiederaufleben antisemitischer Aktivitäten in
der demokratischen Welt erlebt. In Europa wurden Synagogen angezündet, Rabbis auf der
Straße angepöbelt, jüdische Kinder auf dem Schulweg und in der Schule körperlich angegriffen
und jüdische Friedhöfe geschändet.
Den “Neuen Antisemitismus” erkennen
Darüber hinaus stellt der so genannte „neue Antisemitismus“ eine einzigartige Herausforderung
dar. Während sich der klassische Antisemitismus gegen jüdische Menschen oder die jüdische
Religion richtet, richtet sich der „neue Antisemitismus“ gegen den jüdischen Staat. Da sich
dieser Antisemitismus hinter der Fassade der legitimen Kritik an Israel verstecken kann, ist es
wesentlich schwieriger diesen zu entlarven. Erschwerend kommt hinzu, dass dieser Hass im
Namen von Werten vorangetrieben wird, die die meisten von uns als unanfechtbar angesehen
werden, so z.B. die Menschenrechte.
Und doch müssen wir klar und offen diesen neuen Antisemitismus offen legen. Ich glaube, dass
wir einen kleinen Test durchführen können – ich bezeichne ihn als den „3D-Test“ – der uns hilft
legitime Kritik an Israel von Antisemitismus zu unterscheiden.
Das erste „D“ ist der Dämonisierungs-Test. Wenn der jüdische Staat dämonisiert wird,
Israels Handeln ohne jedes Maß dargestellt wird, Vergleiche zwischen Israelis und Nazis und
palästinensischen Flüchtlingslagern und Auschwitz gezogen werden – dann ist das
Antisemitismus, keine legitime Kritik an Israel.
Das zweite “D” ist der Test auf doppelte Standards. Wenn Kritik selektiv auf Israel
angewendet wird; wenn allein Israel von der UNO wegen Menschenrechtsverletzungen
herausgestellt wird, während das Verhalten bekannter und wichtiger Verletzer wie China, Iran,
Kuba und Syrien ignoriert wird; wenn Israels Magen David Adom als einziger der
Ambulanzdienste der Welt die Aufnahme ins Internationale Rote Kreuz verweigert wird – dann
ist das Antisemitismus.
Das dritte „D“ ist der Delegitimierungs-Test: Wenn Israel das fundamentale Recht auf
Existenz in Abrede gestellt wird, als einzigem Volk auf der Welt, dann ist auch das
Antisemitismus.
Die Zunahme des arabischen und islamischen Antisemitismus
Ganz besonders beunruhigt mich der konstante und anwachsende Strom der antisemitischen
Propaganda aus der arabischen und muslimischen Welt – darunter Propaganda, die ihrer Natur
nach sich völkermörderisch gegen Juden wie auch den Staat Israel richtet. Das sollte Grund für
große Sorge sein, nicht nur für Israel und die Juden, sondern für Männer und Frauen guten
Gewissens überall. Solche Gehässigkeit besudelt den Nahen Osten und das internationale
Gesprächsklima und ermöglicht es, dass unverfrorener Judenhass ungestraft geäußert werden
kann.
Anfang des Jahres veröffentlichte mein Büro einen 150 Seiten starken Bericht über
„Antisemitismus im gegenwärtigen Nahen Osten“. Die Studie gibt einen Überblick über
antisemitische Berichterstattungen, Leitartikel oder redaktionelle Karikaturen in der von den
Regierungen kontrollierten Presse von Ägypten, den Iran, Jordanien, dem Libanon, der
palästinensischen Autonomiebehörde, Syrien, Saudi-Arabien und den Golfstaaten. In mehr als
einhundert redaktionellen Karikaturen, die der Bericht beinhaltet, werden Juden und Israelis
ausnahmslos als Giftschlangen, mörderische Nazis oder blutrünstige Kreuzfahrer dargestellt.
Wir stellten fest, dass der bösartige Antisemitismus, der ausdrücklich zum massivem Terror
gegen und Völkermord an Juden, Zionisten und dem Staat Israel aufruft, mehr und mehr einen
Allgemeinplatz im arabischen Nahen Osten einnimmt. Darüber hinaus haben sich die Grenzen
zwischen Antisemitismus, Antiamerikanismus und antiwestlicher Haltung nahezu vollständig
verwischt. Der überwältigend große Anteil dieser Propaganda wird von den von den
Regierungen kontrollierten Medien und angeblich angesehen Verlagen herausgegeben, die mit
den arabischen Regierungen eng verknüpft sind.
Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Laxheit, mit der Länder reagiert haben
oder aber auch nicht reagiert haben und dem anwachsenden arabisch/islamischen
Antisemitismus und der dramatischen Zunahme von körperlichen und verbalen Angriffen auf
Juden und Israelis weltweit.
Ich erkenne an, dass es im vergangenen Jahr positive Entwicklungen im Kampf gegen den
Antisemitismus gegeben hat. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE) hielt mehrere Tagungen zum Kampf gegen den Antisemitismus ab und zum ersten Mal
überhaupt verurteilte die UN-Menschenrechtskommission den Antisemitismus in drei
unabhängigen Resolutionen die einstimmig angenommen wurden.
Diese wichtigen Initiativen reichen aber noch nicht aus, um den staatlich unterstützten
Antisemitismus zu bekämpfen, insbesondere die arabische/islamische Vielfalt, wie sie weiter
oben beschrieben ist. Um wirkliche Fortschritte zu machen, muss die freie Welt bereit sein den
Antisemitismus nicht nur öffentlich und kraftvoll zu verurteilen, sondern auch eine gemeinsame
Politik gegen Staaten verfolgen, die den Antisemitismus unterstützen.
Die Notwendigkeit einer gemeinsamen Politik
Die Wirksamkeit einer Politik, die auf Gemeinsamkeit basiert, wurde auf beeindruckende Weise
gezeigt, als vor etwa einer Generation eine Gruppe von Dissidenten in der Sowyetunion, zu der
auch ich gehörte, sich entschied, die Helsinki-Gruppe im Sog der Schlussakte von Helsinki zu
gründen – dem Papier, das später zur Gründung der OSZE führten.
Mit Hilfe mutiger Führer aus dem Westen, die ihre Beziehungen zu den Sowjets vom Umgang
mit ihrem Volk abhängig machten, half die Helsinki-Gruppe sicherzustellen, dass die Sowjets auf
der internationalen Bühne keine Schritt machen konnten, ohne dass ihre Menschenrechtspolitik
zum Thema wurde. Das Ergebnis: Es wurden echte Fortschritte erzielt.
Ich denke, dass die Bekämpfung des Antisemitismus eine bedeutendere Rolle in den bilateralen
Beziehungen zwischen Amerika und der arabischen und muslimischen Welt spielen sollte als
bisher. Nur eine gemeinsame Politik kann dazu beitragen, die Extremisten unbedeutend zu
machen und jene zu ermutigen und zu unterstützen, die diesen bösartigen Hass ablehnen.
Antisemitismus ist nicht nur eine Bedrohung für die Juden. Die Geschichte hat uns gezeigt, dass
die Kräfte, die hinter dem Antisemitismus stecken, alle Werte der Freiheit und der Zivilisation
gefährden, an welchen wir gerne festhalten, sofern man ihm freien Lauf lässt. Nie mehr wieder
kann sich die freie Welt es leisten zuzusehen, wenn sich der Antisemitismus auf bedrohliche
Weise auftaucht.
Wir dürfen das nicht zulassen. Wir müssen alles Menschen mögliche unternehmen, um den
Antisemitismus zu bekämpfen. Bewaffnet mit moralischer Klarheit, Entschlossenheit und einem
gemeinsamen Ziel ist das ein Kampf, den wir gewinnen können und werden.<<
Originalversion: 3D Test of Anti-Semitism: Demonization, Double Standards, Delegitimization