Giftiges Gas strömte in Germanwings-Cockpit - Rhein

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Giftiges Gas strömte in Germanwings-Cockpit - Rhein
.
Wirtschaft
SEITE 8
NR. 228 . SAMSTAG, 29. SEPTEMBER 2012
Kompakt
Muh und Arla machen
zusammen Milch
M Brüssel. Grünes Licht aus Brüssel
für Molkereifusion: Die deutschskandinavische Arla Foods darf die
Milch-Union Hocheifel (Muh) in
Rheinland-Pfalz übernehmen. Das
entschieden die obersten Wettbewerbshüter Europas in Brüssel.
Nach ihrer Ansicht gibt es auch für
das neue Unternehmen ausreichend Konkurrenten. Damit entsteht die drittgrößte Molkerei
Deutschlands. Die Muh gehört zu
den größten H-Milch-Herstellern
Europas. Die Molkerei kam 2011
auf einen Rekordumsatz von 693
Millionen Euro.
Neue Töne: Universal
schluckt EMI
Fast 150 Passagiere waren an Bord eines Airbus A319 der Billigfluglinie Germanwings, der im Dezember 2011 haarscharf einer Katastrophe entging: Giftiges Gas strömte ins Cockpit, die Piloten
Foto: dpa
wurden beinahe bewusstlos. Die Luft wird an den Triebwerken abgezapft. Die Pilotenvereinigung Cockpit fordert schon seit Jahren, dass das anders werden muss.
Giftiges Gas strömte in Germanwings-Cockpit
Billigfluglinie Piloten kurz vor Landung beinahe bewusstlos – Wollte Lufthansa-Tochter Zwischenfall von 2010 vertuschen?
Von Christoph Driessen
M Köln. Giftige Dämpfe im Cockpit
haben zwei Piloten eines Germanwings-Fluges fast ohnmächtig werden lassen und den Airbus mit 149
Menschen an Bord in große Gefahr
gebracht. Der Vorfall vom Dezember 2010 wurde am Freitag durch
Veröffentlichungen der Zeitung
„Die Welt“ und des Senders NDR
Info bekannt. Die Bundesstelle für
Flugunfalluntersuchung bestätigte
eine „schwere Störung“. Die Billigflug-Tochter der Lufthansa selbst
bezeichnete den Vorfall als gravierend, betonte aber zugleich, dass
„jederzeit alles unter Kontrolle“
geblieben sei. Das Unternehmen
habe nichts vertuscht.
Die Bundesstelle schildert das
Ereignis in ihrem Zwischenbericht
so: 19. Dezember 2010, der Airbus
A319 ist am Abend aus Wien kommend im Anflug auf Köln/Bonn. Das
Wetter ist schlecht, die Maschine
stark verspätet. Plötzlich nehmen
die beiden Piloten einen Geruch
wahr, „eine Mischung aus verbrannt und elektrisch Riechen-
dem“. Dem Kopiloten (26) wird
„kotzübel“, seine Arme und Beine
fühlen sich taub an. Schnell stülpt er
sich die Sauerstoffmaske über.
Auch der 35 Jahre alte Pilot bemerkt nun, wie ihm „im wahrsten
Sinne des Wortes die Sinne“
schwinden. Nachdem er sich eben-
falls die Sauerstoffmaske aufgezogen hat, geht es ihm etwas besser.
Aber auch er ist „am Ende seiner
Leistungsfähigkeit“. Beide Piloten
kommen sich vor „wie in einem
Traum“. Um 21.34 Uhr setzt das
Flugzeug „deutlich spürbar“ auf der
Landebahn auf – die Passagiere ha-
ben von der Notlage nichts bemerkt.
Bei ihnen war die Luft in Ordnung.
Nach Recherchen der „Welt“ und
des NDR Info soll die Fluglinie der
Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen zunächst wichtige Informationen vorenthalten haben.
Germanwings-Sprecher Heinz Jo-
Pilotenvereinigung kritisiert Luftversorgung
Giftige Luft im Cockpit ist in der
Luftfahrt ein bekanntes Problem.
Wie der nun an die Öffentlichkeit
gelangte Fall eines GermanwingsFlugs zeigt, kann sie sehr gefährlich
werden. Jörg Handwerg, Sprecher
der Pilotenvereinigung Cockpit,
fordert in einem Interview eine bessere Luftversorgung.
Kommen solche Störungen wie auf
dem Germanwings-Flug häufig vor?
Nein, das ist Gott sei Dank die absolute Ausnahme. Hier gab es schon
einen Extremvorfall, wie er sehr selten vorkommt. Aber aus unserer
Sicht ist auch das nicht akzeptabel.
Die Vereinigung Cockpit setzt sich
seit Jahren dafür ein, dass die Luftversorgung geändert wird, bei modernen neuen Flugzeugen, die gebaut werden, aber auch für die bestehenden Flotten brauchen wir eine
Lösung, dass so etwas ausgeschlossen ist.
Wie entsteht denn diese giftige Luft?
Wir erklären uns das Ganze so, dass
hier Öl in die Kabinenluftversorgung
gelangt ist. Die Luft wird ja in den
Triebwerken abgezapft, da kann es
passieren, dass eine Dichtung versagt und Öldämpfe mit in die Kabine
gepustet werden, und die Öldämpfe
enthalten Stoffe, die solche Auswirkungen hervorrufen können.
Warum kommt das
Ganze jetzt erst
raus?
Es ist sicherlich
nicht im Interesse
der Industrie und
nicht im Interesse
der deutschen Politik, dass dieser
Jörg
Vorgang überhaupt
Handwerg
an die Öffentlichkeit geraten ist, und da kann sich
dann jeder seine Gedanken machen,
wieso das so lange nicht veröffentlicht wurde.
Die Fragen stellten Thomas Ultsch
und Christoph Driessen
achim Schöttes bestritt dies: „Wir
haben nichts vertuscht, nichts heruntergespielt.“ Der Pilot habe noch
im Cockpit das Meldeformular für
die Bundesstelle ausgefüllt. Schöttes sagte: „Der Pilot, mit dem wir
jetzt noch mal gesprochen haben,
sagt, er habe kurzfristig leichte Beeinträchtigungen gehabt, die sofort
nach dem Aufsetzen der Sauerstoffmaske nachgelassen haben.“
Von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen im niedersächsischen Braunschweig gab es
am Freitag über den Bericht hinaus
keine weiteren Auskünfte. Das
Thema der verunreinigten Kabinenluft stand am Freitag ohnehin
auch im Bundestag in Berlin auf der
Tagesordnung. SPD und Grüne forderten die Bundesregierung auf,
sich für wissenschaftliche Untersuchungen des Problems einzusetzen.
Der Vorfall bei Germanwings zeige
den dringenden Handlungsbedarf.
„Wir müssen langfristig die Luft für
die Kabinen woanders als in den
Triebwerken abzapfen“, forderte
der Bundestagsabgeordnete Markus Tressel (Grüne).
Qualifizierte und engagierte Azubis ausgezeichnet
Bildung Zeitunglesen macht junge Leute nachweislich schlauer – Preisübergaben zum Abschluss des ZeiLe-Projektjahres
Von unserer Redakteurin
Renate Brog
M Koblenz. Qualifizierter und engagierter Nachwuchs gewinnt in
Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Die Schuljahrgänge werden zunehmend kleiner, die Zahl
der
potenziellen
Lehrlinge
schrumpft. Firmen, die eine Topausbildung bieten, können bei jungen Leuten punkten. Da sind Angebote jenseits der Standards gefragt. Zusätzliches Wissen auf ganz
breiter Basis garantiert
das Projekt ZeiLe – Zeitung lesen macht AzuLE
bis fit.
Die Zahl der Betriebe, die ihren Nachwuchs mit dieser besonderen Art der Weiterbildung
fördern,
wächst kontinuierlich.
Waren es im Ausbildungsjahr
2010/2011 noch 40 Firmen mit 162
Azubis, so stiegen die Zahlen für
2011/2012 auf 46 Betriebe und 213
Azubis. Aktuell beteiligen sich bereits 70 Unternehmen mit 284 jungen Leuten am ZeiLe-Projekt.
Während die Neuen gerade einsteigen, wurden die erfolgreichsten
ZeiLe-Teilnehmer des abgelaufenen Projektjahrs jetzt mit Preisen
belohnt, die Chefredakteur Chris-
tian Lindner im neuen Druckzentrum unseres Verlages an die jungen Frauen und Männer überreichte. In der Kategorie „höchster
Wissenszuwachs“ belegte Katharina Feil (Sparkasse Neuwied) den
ersten Platz, Nadine Hallwaß
(Rhein-Mosel-Werkstatt
GmbH)
den zweiten und Sarah Bunge
(Kreissparkasse Rhein-Hunsrück)
den dritten Platz. In der Kategorie
„höchste erreichte Punktzahl“
schaffte es Dennis Böhme (Sparkasse Rhein-Nahe) auf den ersten
Platz, Tim Steinebach
(Fayat Bomag GmbH &
Co. KG) auf den zweiSEN
ten und Sebastian Pütz
(Fayat Bomag GmbH &
Co. KG) auf den dritten
Platz. Sie alle freuten
sich über die Preise –
F I T
iPads mit RZ-App,
Kindles und iPods.
Die insgesamt 213 jungen Leute
lasen ein Jahr lang unsere Tageszeitung und wurden in dem Zeitraum mit 16 Fragebögen von der
Universität Koblenz-Landau getestet. Durch die kontinuierliche
Lektüre der Tageszeitung wurde
nachweislich das Allgemeinwissen
vergrößert, die Lese- und Sprachkompetenzen gefördert, die Leistungen in Ausbildung und Berufsschule wurden verbessert, der Um-
Ein Besuch mit Führung im neuen Druckhaus der Rhein-Zeitung und ihrer Heimatausgaben gehörte zum Programm
der Preisübergabe an die erfolgreichsten ZeiLe-Teilnehmer.
Foto: Annette Hoppen
gang mit Tageszeitungen als Informationsquelle wurde zur Selbstverständlichkeit, und die Akzeptanz für demokratische Entscheidungsprozesse wurde gesteigert.
Das Projekt ZeiLe, an dem im abgelaufenen Jahr landesweit 271
Unternehmen aus allen Branchen
mit insgesamt 1233 Auszubildenden teilnahmen, wird gefördert
vom Verband der Zeitungsverleger
in Rheinland-Pfalz und Saarland
sowie dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und
Kultur Rheinland-Pfalz. Kooperationspartner ist die IHK Koblenz.
Y
Weitere Informationen zum
Projekt Zeitung lesen macht
Azubis fit, kurz ZeiLe: www.rheinzeitung.de/azubiprojekt
M New York. Aus vier großen Plattenfirmen werden drei: Nach monatelanger Hängepartie ist der
Verkauf des Tonträgergeschäfts
der britischen EMI an Universal
Music perfekt. Der bisherige EMIBesitzer, die US-Großbank Citigroup, bekommt 1,2 Milliarden
Pfund (1,5 Milliarden Euro). Erst
vor einer Woche hatten die Wettbewerbshüter den Verkauf zugelassen. EMI war die kleinste der
vier großen Plattenfirmen, zu denen
außer Universal Sony Music und
Warner Music zählen.
Coke, Fanta und Nivea
bald bei Aldi?
M Düsseldorf. Der Billigsupermarkt
Aldi will mit großen Marken seine
Geschäfte in Deutschland ankurbeln: Der Discounter führe von
kommender Woche an Coca-ColaMarken wie Coke, Fanta und Sprite
ein, berichtete die „Lebensmittel
Zeitung“. Auch andere Hersteller
von Markenartikeln verhandelten
mit Aldi, darunter Beiersdorf (Nivea). Weder Aldi noch die Markenhersteller wollten sich jedoch
zunächst zu dem Thema äußern.
Deutsches Vermögen im
Ausland sinkt
M Frankfurt. Die Euro-Schuldenkrise hat im vergangenen Jahr zu
einem Rückgang beim deutschen
Auslandsvermögen geführt. Die
Nettoauslandsposition von Kreditinstituten, Unternehmen, Privatpersonen, Staat und Bundesbank
verringerte sich um 26 Milliarden
auf 845 Milliarden Euro. Das teilte
die Deutsche Bundesbank mit. Ein
Grund war die Flucht ausländischer
Anleger in die als sicher geltenden
Bundesanleihen.
Neckermann
ist Geschichte
Versandhandel Letzter
Arbeitstag für Angestellte
M Frankfurt. Zahlreiche Beschäftigte des insolventen Versandhandels Neckermann haben am Freitag ihren letzten Arbeitstag angetreten. Bis auf eine kleine Rumpfmannschaft zur Abwicklung verlieren die rund 2000 Beschäftigten
zum Monatsende ihre Jobs und
müssen sich am Montag arbeitslos
melden. Das Unternehmen mit seinem Stammsitz in Frankfurt und einer Tochter in Sachsen-Anhalt wird
abgewickelt, nachdem in einem
monatelangen Verfahren kein Investor gefunden worden war. Einzige Ausnahme ist die auf Übergrößen spezialisierte Tochter Happy Size, die mit rund 80 Beschäftigten an den Pforzheimer Versandhändler Klingel zur Weiterführung verkauft wurde.
Die vorläufigen Insolvenzverwalter Michael Frege und Joachim
Kühne von der Kanzlei CMS Hasche Sigle haben für Montag die
Vorlage ihres Insolvenzberichts
angekündigt. Auf dieser Grundlage wird das Amtsgericht Frankfurt
voraussichtlich das ordentliche Insolvenzverfahren eröffnen, in dem
dann die Liquidation sämtlicher
noch vorhandener Vermögenswerte ansteht. Dazu zählen Anlagen, Markenrechte, Internetadressen und die Kundenliste. Die verbliebenen Waren sollen an Großabnehmer gehen.