Die Möllemann

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Die Möllemann
Die MöllemannDebatte
Der europäische Nationalpopulismus
Claus Leggewie
Wer ist der “deutsche Jörg Haider",
lautete vor zehn Jahren schon die Frage,
als die “Republikaner" und andere
rechtspopulistische Parteien gescheitert
waren, nicht zuletzt an der mangelnden
Zugkraft ihres Führungspersonals (Franz
Schönhuber, Gerhard Frey et alii). Ronald
Barnabas Schill schien ein neuer Kandidat zu sein, doch sein Flair reichte nicht
über die Hansestadt Hamburg hinaus,
wo sein Ruf als furchtloser Herausforderer der großen Volksparteien auch stark
gelitten hat. Der spektakuläre, auch in
dieser Höhe nicht mehr so überraschende
Wahlerfolg der Liste Pim Fortuyn (LPF)
in den Niederlanden warf erneut die
Frage auf, weshalb die Bundesrepublik
Deutschland von solchen Erscheinungen
verschont geblieben ist. Anhand einer
Fallstudie zum sogenannten Antisemitismusstreit, alias Affäre Möllemann, im
Frühsommer 2002 soll erörtert werden,
inwieweit dieser vermeintliche Tabubruch dem Schnittmuster des europäischen Nationalpopulismus entspricht.
Zwar dürfte der ehemalige FDP-Vize
Jürgen W. Möllemann ebenso wenig der
“deutsche Fortuyn" sein, doch zeigt sein
Vorgehen, wie die Suche nach “Arbeit,
Wohlstand, Wahrheit" (LPF) in der
politischen Kultur der Bundesrepublik
Deutschland ein Pendant finden könnte.
Nationalpopulismus in Europa1
Ohne ausdrücklich an Vokabular und
Rhetorik des Faschismus anzuschließen,
ohne Rückgriff auf dessen neonazistisch
erneuerte Straßenmilitanz sind nationalpopulistische Kräfte vielerorts in die
Parlamente vorgedrungen, wo sie, als
Sperrminorität oder Koalitionspartner,
Situationen der “Schwerregierbarkeit"
heraufbeschwören.2 Vor Pim Fortuyn
hatte im November 2001 die Dänische
Volkspartei zwölf Prozent der Stimmen
errungen, nachdem es bereits die Wahlerfolge gleich dreier rechtspopulistischer
Gruppierungen in Italien, der FPÖ in
Österreich, der Schweizer Volkspartei,
der Fortschrittspartei in Norwegen und
des Vlaams Block in Belgien gegeben
hatte. Wirkte die bislang stärkste nationalpopulistische Partei in Westeuropa,
der Front National unter Jean-Marie Le
Pen, durch innerparteilichen Zwist und
Spaltung bereits erschöpft, schaffte auch
er bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2002 ein spektakuläres
Comeback. Haider hat mittlerweile erkennen lassen, daß er sich als Führer
der europäischen Nationalpopulisten
36
sieht und dazu bei den nächsten Europawahlen 2004 antreten wird – vielleicht
sogar in Deutschland?
Eine entsprechende Formation kam
in der Bundesrepublik Deutschland
allerdings nie recht auf die Beine. REPs
und DVU blieben Zaungäste oder Eintagsfliegen in Landes- und Kommunalparlamenten, von der NPD braucht man
in diesem Zusammenhang gar nicht zu
reden. Knapp zwanzig Prozent der Wählerstimmen errang die erstmals antretende, zuerst kurz nach ihrem Anführer
Ronald Barnabas Schill genannte “Partei
Rechtsstaatlicher Ordnung" (PRO) bei den
Hamburger Senatswahlen im September
2001. Auch wenn dies nur ein regionaler
Triumph in einem überschaubaren Stadtstaat über eine verkrustete Staatspartei
war, läßt sich an dieser lokalen Miniatur
das Erfolgsrezept der Rechtspopulisten
neueren Typs wahlsoziologisch gut studieren. Durchgängig in fast allen europäischen Parteiensystemen setzt sich
nämlich die Abkehr von soziologisch
wie programmatisch konturierten Blockparteien der linken und rechten Mitte
fort. Dies war bei der klassischen Linken
und den Nationalkonservativen der Fall,
zuvor schon bei den konfessionell und
agrarisch gebundenen Parteien. Gewinnen können heute vor allem Populisten,
die von vornherein auf eine “volatile"
(flatterhafte) Wählerschaft eingestellt
sind, die eigentlich niemanden mehr in
ein Amt wählen mag, dafür aber möglichst viele Etablierte per Sanktionswahl
aus dem Amt.
Die PDS, die als Regionalpartei mit
bundespolitischem Anspruch auch eine
populistische Protestpartei ist, kultiviert
antikapitalistische Motive, die auf der
rechten Seite ebenso anzutreffen sind.3
Mehr noch herrscht dort aber Angst vor
multikultureller “Überfremdung", und
kulturprotektionistische Ideen werden
neuerdings mit einem “neoliberalen”
Wirtschaftsprogramm kombiniert und
kulminieren im Verlangen nach einem
starken Staat, der für die Sicherheit der
Bürger sorgt und sich auch um die Werteordnung kümmert. Diese scheinbar
widersprüchliche Orientierung kann man
“autoritären Liberalismus" nennen, der
vor allem im Programm und der praktischen Gegenreform Margaret Thatchers
ausgebildet worden ist.
Hätte Schills Amateurtruppe in den
Bundestagswahlen reüssiert, wäre auch
in Deutschland “die Situation da", die
sich in Hamburg eingestellt hatte. Die
Konstellation in der Hansestadt ist symptomatisch für Spaltungs- und Konfliktlinien “globalisierter" Metropolen wie
auch der nachkommunistischen Gesellschaften, wo sich ein alteuropäisches
Parteiengefüge gar nicht restaurieren
oder festsetzen konnte. Auf diesen Böden
ergab sich die neopopulistische Konfigu-
ration, die den mutmaßlichen Willen des
“ganzen (und einfachen) Volkes" gegen
die “politische Klasse" (die da oben) bündelt und gegen etablierte Volksvertreter
gleich welcher Couleur in Stellung bringt.
Selbsternannte Volkstribune, die nicht
selten selbst den begüterten und privilegierten Schichten entstammen, maßen
sich an, die wahren Bedürfnisse der
“kleinen Leute" zu verstehen und besser
zur Geltung bringen zu können als die
etablierte Politikelite. Dieser im Kern
antipolitische Affekt bildet den Hauptantrieb der populistischen Mobilisierung,
wobei sich der Vertretungsanspruch
mittlerweile von den “classes populaires"
– den nicht an die Arbeiterbewegung
gebundenen “kleinen Leute" und dem
von der Modernisierung bedrohten Mittelstand – auf alle dem bürokratischen
Wohlfahrtsstaat abgeneigten Kreise ausgeweitet hat. “Das Volk als Ganzes gegen
den bürokratischen Parteienstaat" lautet
die Parole der populistischen Bewegungen. Auf der anderen Seite der Barrikade
stehen nicht nur die “Bonzen", sondern
auch ein großer Teil der öffentlichrechtlichen Medien, linksliberale Intellektuelle und “Kulturschaffende" – ihnen
traut man zu, eine Art Schweigespirale
aufzuziehen, welche die “wahren Auffassungen der Menschen draußen im
Lande" unterdrückt.
Solche Wahrnehmungen bleiben
nicht auf das sprichwörtliche Bierzelt
beschränkt, sie haben die Talkshows und
das elektronische Politainment erreicht.
Als Medienprominente (die keineswegs
“beliebt" sein müssen) können Populisten
auf Parteiapparate weitgehend verzichten; sie bekämpfen die intermediären
Institutionen der repräsentativen Demokratie, nicht selten mit einer demagogischen Spielart direkter Demokratie. So
inszenieren sie ein tägliches Plebiszit
der sich mißachtet und ausgeschlossen
fühlenden “kleinen Leute". Ähnlich wie
früher die Grünen behaupten populistische Parteien die Überwindung des
klassischen Rechts-Links-Gegensatzes
zugunsten neuer Konfliktlinien. Damit
kassieren sie Stimmen bei den großen
Volksparteien; den größten Zuwachs
hatten Rechtspopulisten zuletzt bei traditionell der Sozialdemokratie zuneigenden Wählern und bei Nichtwählern, die
sich nur noch schwer an die Wahlurnen
locken lassen. Damit ist die gewohnte
Codierung des politischen Systems nicht
überholt; man kann eine rechte Spielart
des Populismus identifizieren, der treffend, auch in Abgrenzung zur vorherrschenden Wahrnehmung des Rechtsextremismus, als Nationalpopulismus
bezeichnet wird. Auf der rechten Seite
steht dieser, weil er ethnisch bzw. ethnozentrisch begründet ist. “America first"
lautete ein alter Slogan der amerikanischen Populisten in den 1930er Jahren,
den der republikanische Außenseiter Pat
Buchanan und der texanische Milliardär
Ross Perot während der 1990er Jahre
wieder aufleben ließen. Auch in Europa
kann man Nationalpopulisten als “Antiglobalisierungs-Partei" kennzeichnen,
die Schutz vor fremden Waren, Menschen und Ideen suchen und auf dieser
Linie auch gegen die Europäische Union
votierten, wo immer sie die Möglichkeit
dazu bekamen. Einen prominenten Platz
nimmt dabei der Widerstand gegen kulturellen Pluralismus und Einwanderung
ein; wo diese Haltung in akute Fremdenfeindlichkeit umschlägt, bestehen auch
die engsten Berührungspunkte zu den
Rechtsradikalen alter Schule.
Nicht zufällig flirten nationalpopulistische Führungsfiguren und Intellektuelle mit dem “Geschichtsrevisionismus":
Zwar leugnen sie nicht, wie hartgesottene Rechtsradikale, die Verbrechen des
Nationalsozialismus und die Existenz
der Vernichtungslager, aber sie fordern
vehement einen Schlußstrich unter die
Vergangenheit und kultivieren einen
sekundären Antisemitismus. Franz
Schönhuber machte einmal mit dem
Satz Schlagzeilen, er müsse den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in
Deutschland nicht lieben.4 Auch ein
Buchanan hätte nachträglich lieber mit
Hitler gegen Stalin gekämpft, Le Pen erklärte den Holocaust zu einer Bagatelle
der Geschichte und Haider, der unübertroffene Meister des dreisten double
speak, lobte die Errungenschaften der
NS-Sozialpolitik und die Tapferkeit der
Waffen-SS, an deren flämische Kombattanten der Vlaams Blok heute noch fast
bruchlos anknüpft. Nationalpopulisten
wollen damit nicht zurück zum klassischen Faschismus. Sie nutzen aber die
Frustrationen, welche die “Vergangenheitsbewältigung", also die geistige und
institutionelle Distanzierung vom historischen “Faschismus an der Macht", in
den vergangenen Jahrzehnten bei einigen
hinterlassen hat. Damit wollen sie die
nach 1945 verankerten Bedenken zerstreuen, rechts zu wählen, und auch die
Sperre beseitigen, welche die gemäßigte
Rechte bisher davon abhielt, mit den
“Schmuddelkindern" von rechtsaußen
Koalitionen zu bilden. In Österreich ist
dieses Tabu gebrochen worden.5
Sonderlich erfolgreich waren sie mit
dieser ambivalenten Haltung zu einer
mittlerweile verblassenden Vergangenheit in Deutschland freilich nicht, und
weil pauschale Verweigerung der Immigration aus demographischen und sozialpolitischen Gründen heute kaum noch
zieht, werden diese am stärksten an den
klassischen Rechtsradikalismus und
Faschismus erinnernden Mobilisierungsstrategien schwächer. Unverblümte
Deutschtümelei ist nicht mehr zeitgemäß.
Auf diese Weise hat die populistische
Rechte ideologischen Ballast abgeworfen
und sich zu einer bedingten Befürwortung der wirtschaftlichen Globalisierung
samt ihrer Folgen durchgerungen. Neoliberale Programmelemente finden sich
jetzt bei fast allen Parteien, stets mit
einem vermeintlich bürgerfreundlichen
Autoritarismus gekreuzt. Daß dieses
Potpourri der “neuen Staatsfreunde" (so
Dirk Schümer in einer seltsamen Eloge6)
nicht sonderlich konsistent wirkt, stellt
für ihre Wählerschaft kein Problem dar.
Denn als kleine Volksparteien sprechen
die Nationalpopulisten Verlierer genau
wie Gewinner der Globalisierung an; ein
fröhlicher Eklektizismus bezieht viele
kulturelle Milieus und politische Lager
ein, und er läßt sich in inhaltsleerer
Fernsehberichterstattung auch problemlos verkaufen.
Fixpunkt ist die Frontstellung gegen
den bürokratischen Staat, dem auch
ehemals loyale Gruppen das Vertrauen
entziehen und von dem vor allem Jüngere keine Segnungen und Posten mehr
erwarten. Anhänger dieses autoritären
Liberalismus sind von ihren alten Milieus
und Tabus, auch von Vereinen, Kirchen
und anderen Gesellungsformen entbundene Individualisten, die am wenigsten
in Milieus, Vereinen und Organisationen
verankert und am schwächsten kirchengebunden sind und pessimistischer als
andere Wähler in die eigene und kollektive Zukunft schauen. In der heutigen
“Weltrisikogesellschaft" (Ulrich Beck)
treten sie offenbar die Flucht nach vorn
an und nehmen dreiste “Durchstechereien" ihrer Idolfiguren ohne Bedenken
hin, die sich, wie exemplarisch Berlusconi, den Staat wirklich zur Beute machen.
Mehr als jede neofaschistische Partei
tangieren solche Entwicklungen die Parteiendemokratie, “wie wir sie kannten".
Projekt 18: Ein Zwerg möchte Riese sein
Populistische Inszenierungen leben in
unzähligen Varianten von einer Pointe:
Daß es einen wunden, von der politischen
Klasse verschwiegenen Punkt gibt, den
auszusprechen sich bisher nur niemand
traut. Es herrsche ein “Redeverbot", wird
die als schweigende Mehrheit titulierte
Gemeinde der Populisten instruiert, aber
gegen Gesinnungskartelle aufzustehen,
sei für einfache Leute riskant – sie drükken sich unbeholfen aus und werden
von einem “Meinungskartell" lächerlich
gemacht. Um dieses aufzubrechen, bedarf es starker Helden, die an ihrer Stelle
handeln. Das können auch politisch Verfemte und Außenseiter sein, als welche
sich Haider, Fortuyn und andere gerne
stilisieren, aber auch die gelbe Presse,
Talk-Radios und TV-Shows vom Stile
“Jetzt red’ i" (Schönhuber) schreien das
Unsagbare in Millionenauflage heraus.
In der Medienschelte aktualisiert sich
ein antisemitischer Topos, wonach eine
jüdische oder zionistische Lobby die
Übermacht des Weltjudentums allerorts
zur Geltung bringt. Wie abrufbar diese
Rhetorik ist, zeigt die jüngste, als “Antisemitismusstreit"7 apostrophierte Affäre
um einen deutschen Politiker, der sich
vom Zentralrat der Juden in Deutschland
“nicht den Mund verbieten" lassen und
vor dessen Vorstand nicht “kriechen"
will. Auf derart verlogene Weise “die
Wahrheit sagt" Jürgen W. Möllemann,
der mittlerweile zurückgetretene stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP,
der sich als enfant terrible offenbar in
den Rang eines Haider, Bossi oder
Fortuyn hineinzuspielen bemüht.
Die politische Biographie dieses Freien
Demokraten prädestiniert ihn für diese
Rolle des Tabubrechers. Sie ist von Beginn an geprägt durch Großmannssucht,
publicity-förderliche Affären und kalkulierte Peinlichkeiten. Von 1982 bis 1993
brachte er es in den Koalitionskabinetten
Helmut Kohls zunächst zum Staatsminister im Auswärtigen Amt, dann zum
Bundesminister für Bildung und Wissenschaft und schließlich für Wirtschaft
(und kurzzeitig Vizekanzler). Werbebriefe für das Produkt eines angeheirateten
Cousins auf offiziellem Briefpapier
zwangen ihn 1993 zum Rücktritt. Der
“Staatsschauspieler" (Konrad Adam)
schien erledigt, doch startete er Ende
der neunziger Jahre ein Comeback als
Landes- und Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, wohin er die FDP nach
langer Durststrecke zurückgeführt hatte.
Möllemann ist der klassische politische
(und soziale) Parvenü, und ein Blick in
die Nachbarländer zeigt, daß dieser Politikertypus derzeit größten Erfolg hat.
Möllemann möchte sein, was den deutschen Rechtsparteien bisher gefehlt hat:
eine Führungsfigur. Er soll über Mittelsleute in zweifelhafte Rüstungsgeschäfte
verwickelt sein, auch in seiner Zeit als
Wirtschaftsminister, als der Bundessicherheitsrat erstmals die Ausfuhr von
36 Panzern nach Saudi-Arabien genehmigte, wobei nach Erkenntnissen der
bayerischen Ermittlungsbehörden erhebliche Bestechungsgelder geflossen sind.8
Beweisen kann dies niemand, aber die
ungenierte Vermischung privater Einkommens- und Vermögensinteressen mit
öffentlichen Ämtern ist, wie man vor
allem am Fall Berlusconi zeigen kann,
ein Hauptmerkmal populistischer Politik.
Sichtbarer ist Möllemanns Tätigkeit
im Aufsichtsrat des Bundesliga-Spitzenvereins Schalke 04, und noch weniger zu
übersehen ist, wenn Möllemann, der in
seiner Heimatstadt Münster einen Fallschirmspringerklub leitet, durch spektakulär inszenierte Sprünge aus großer
Höhe auf sich aufmerksam macht, wobei
am Landeplatz selten kein TV-Team
postiert ist.9 Möllemann vermag schon
beim Auslaufen mit festem Blick in eine
Kamera zu schauen und in ein Mikrophon ein politisches Statement abzugeben, und er tut das mit einem ernsten
Gesichtsausdruck, der sich von dem beständigen Lächeln oder Grinsen anderer
“Staatsschauspieler" abhebt.
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Die gewollte Überlappung von Sport
und Politik im Entertainment zeigte sich
auch im “Projekt 18", womit Möllemann
im Juni 2000 in der Sprache des Fußballsports den Anspruch der meist nur knapp
über die Fünfprozenthürde schrammenden Partei (Bundestagswahl 1998: 6,3
Prozent; 2002: 7,4 Prozent) etikettierte,
aus der alten Rolle der Mehrheitsbeschafferin herauszutreten: “Nach so vielen
Jahren Politik habe ich einen großen
Traum. Ich möchte, daß unsere, meine
FDP nicht mehr gegen den Abstieg
kämpft. Ich möchte, daß wir um die
Meisterschaft kämpfen. Ich möchte, daß
wir auf Sieg setzen, statt auf Platz. Ich
möchte, daß wir das Tal der Tränen nie
mehr sehen."10 Diese Ambition krönte
Möllemann mit dem Vorschlag, die FDP
solle einen eigenen Kanzlerkandidaten
aufstellen. Das im Blick auf die Usancen
der bundesdeutschen Kanzlerdemokratie
außerirdisch anmutende Ansinnen wurde in der Partei, allen voran von deren
langjährigem Generalsekretär Guido
Westerwelle, zunächst abgelehnt und in
der Öffentlichkeit als “Schwachsinn"
oder “Albernheit" abgetan, im Frühjahr
2002 aber vom nunmehr zum Parteichef
gewählten Westerwelle aufgegriffen und
als Schlüsselkonzept des Bundestagswahlkampfes 2002 lanciert.
Guido Westerwelle hat seine darauffolgende Allgegenwart in TV-Sendungen
mit dem Satz kommentiert, er sei “doch
nicht zum Schweigen gewählt worden".
Politik heißt für ihn, sich beim Reden
auch sehen zu lassen. Er will der ultimative Darstellungspolitiker sein, der auch
Möllemann in den Schatten stellt. 1961
im Rheinland geboren, ist er schon eine
politische und Medien-Generation weiter
als Möllemann, den man in seinem provokanten Auftreten wie in seiner Blitzkarriere als Trittbrettfahrer der 68er
identifizieren kann – eben jener Generation von “Rot-Grün", die Westerwelle
aus dem politischen Machtzentrum zu
entfernen angetreten ist.11
Westerwelle wendet sich an eine
neue, unternehmerische Generation12,
zu der er sich auch selbst rechnet. Anders als mit dem verhinderten Grundschullehrer Möllemann war er als
selbständiger Rechtsanwalt tätig, parallel zu seiner politischen Karriere, die er
1980 mit dem Eintritt in die FDP und in
die Jungen Liberalen, dem Konkurrenzverband der eher linkslastigen “Jungdemokraten", mitgründete. 1983 bis 1988
war er deren Bundesvorsitzender und
stieg über den Kreisvorsitz der Bonner
FDP 1988 in den Bundesvorstand der
FDP auf; von 1994 bis 2001 war er
Generalsekretär der FDP und profilierte
die Partei mit einer neoliberalen Programmatik13 noch in der Regierung als
Opposition.
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Westerwelle war der erste “Kanzlerkandidat", der sich für das höchste Regierungsamt allein dadurch qualifiziert
hat, daß er eine Partei führt und nicht
wenigstens auch einmal eine mittlere
Stadt oder ein kleines Bundesland regiert hat. Darüber hinaus ist er ein Politiker zum Anfassen. Auf seiner Homepage liest man: “Die knapp bemessene
Freizeit nutzt er bevorzugt für Konzertbesuche und Bücher, für sportliche
Aktivität (Mountainbiking, Segeln und
Beachvolleyball) oder Reisen nach Italien
und Spanien"; in kurzen Hosen ist er
auf einem Reitpferd und seiner “Lieblingsinsel Mallorca" abgebildet. Auch
diese privaten Marotten sind Teil einer
politischen Dauerkampagne, die Westerwelle als ersten Politiker auch in das
seinerzeit “hippeste" Live-Inszenierungsformat des Fernsehens versetzte, in den
Big-Brother-Container. Westerwelle begründet solche Aktionen mit der Pflicht
des Politikers zu Volksnähe, der die
Bürger (und gerade solche, die dem herkömmlichen politischen Betrieb fernstehen) dort abholt, wo sie fernsehen.
Im “Guidomobil" hat Westerwelle dann
während der Sommermonate Campingplätze und andere touristische Zentren
angesteuert. Westerwelle, der wenig
mehr hat als Medienpräsenz und Frechheit, nutzt inszenierte Fernsehbilder bis
an die Grenze des Klamauks und über
sie hinaus: Projekt 18 auf Pappbrillen
und eingeritzt in Schuhsohlen, wobei
die magische Zahl mittlerweile genauso
groß ist wie das Parteilogo.
Bis zum Frühjahr 2002 hatte er einen
Pakt mit dem Fernsehen geschlossen, er
war ein immer gern gesehener Talkshowgast, der sich bei den Redaktionen vor
allem durch zwei unterhaltsame Eigenschaften auszeichnete: eine durch nichts
zu schmälernde gute Laune, die auf
Kommando seriöse oder ernste Miene
machen konnte, wo dies vom Thema her
erforderlich schien und diesem die übliche Griesgrämigkeit zu nehmen verstand, und eine Polarisierungs- und Provokationslust, die sich vor allem an der
besonders ins Visier genommenen 68erGeneration aufbaute, beispielsweise gegen “Altachtundsechziger-Kuschelpädagogen". Er agierte durchaus in deren
Tradition und Manier, aber in stets adretter Kleidung und mit dem artigen Benehmen eines nur etwas vorlaut geratenen Musterschülers.
Westerwelles quirliger Habitus ist
selbst die Botschaft, wie er in einer Talkshow freimütig kundtat: Nach einer
gewonnenen Landtagswahl oben auf
(erstmals hatte die FDP die angestrebte
zweistellige Prozentzahl erreicht und
damit nach Hamburg, an der Seite des
Rechtspopulisten Schill, erneut Aussicht
mitzuregieren), begründete Westerwelle
bei Sabine Christiansen, “bei allem Respekt", warum der bisherige Amtsinhaber
Reinhold Höppner die Wahl verloren
habe: Wer mit einer derart “verbrauchten
Körperhaltung" Wahlkampf mache, dürfe
sich über eine Niederlage nicht wundern.
Die von Westerwelle und bei einem
Teil des Publikums angesagte Körperhaltung und Geistesverfassung ist frische
Gegenwärtigkeit, die von allen ermüdenden Vergangenheiten, Problemen und
Ideologien absieht und sich ganz auf
das konzentrieren kann, was gerade ankommt. Hier ist, ähnlich unbemerkt wie
bei den “jüdischen Vermächtnissen",
welche die hessische CDU einmal zur
Rechtfertigung illegaler Parteispenden
ins Feld führte, ein zweites Mal der Rubikon überschritten, nicht zum offen artikulierten Rassismus, sondern zu einer
Art ästhetisch-habituellem Casting, welches der Zuschauerdemokratie adäquat
ist: Ob jemand ankommt und per Quote
und Stimmkarte akklamiert wird, hängt
nicht entfernt vom Inhalt des Gesagten
ab, sondern davon, wie er oder sie aussieht, gekleidet ist, den Körper zur Schau
stellt, zu reden und zu formulieren in
der Lage ist, also von einem Darstellungsregister, das sich von jedem Herstellungsbeweis in der Vergangenheit
oder einem Politikversprechen für die
Zukunft unabhängig machen kann. In
diesem geistigen Vakuum hat Westerwelle über Monate hinweg seine Show
abgezogen, animiert durch Moderatoren,
deren einziger Qualitätsmaßstab die jeweils erreichte Zuschauermenge und die
Anschlußkommunikation ist, und durch
ein Publikum, das diese Einschaltquoten
gewährt, weil es sich durch Spektakelpolitik gut unterhalten fühlt. Diese Art
von Politainment ist die ideale Bühne
für Möllemann und Westerwelle.
Man kann sie als Politiker identifizieren, die notorisch “die Wahrheit sagen"
und damit über Wochen hinweg Aufmerksamkeit auf sich ziehen, was der
tiefere Beweggrund der angemaßten
Aufrichtigkeit ist. Der Parteivorsitzende
erblickte “eine riesige Konjunktur für
Wahrheit in der deutschen Politik" (FAS
28.4.2002). Gemeint ist die Wirtschaftsund Sozialpolitik, für deren Revolutionierung das Programm der FDP mehr
oder weniger originelle Vorschläge unterbreitet hat, bei denen einzig eine realistische Finanzierungsperspektive fehlt
– für Steuerausfälle, die um die 170
Milliarden Euro liegen dürften. Dieses
Programm, dem politische Gegner “soziale Kälte" vorwerfen, hat in Deutschland nie sonderlich verfangen; marktradikale Parolen verschrecken eher, und
das halbwegs korrekte Bekenntnis zur
“Partei der Besserverdienenden" erwies
sich vor Jahren als echter Rohrkrepierer.
Deshalb wendet man sich nun auch an
die Taxifahrer und Hafenarbeiter, und
für diese hat die FDP einiges in petto:
Westerwelle erklärte sie am Ende einer
aufsehenerregenden Selbstverständnisdebatte zur Protestpartei.
Der inszenierte Tabubruch14
Auslöser dieser Debatte war die Aufnahme von Jamal Karsli in die FDP-Fraktion
des Düsseldorfer Landtages durch Möllemann. Karsli ist ein im Oktober 2000
für die Grünen nachgerückter Abgeordneter syrischer Abstammung; man darf
ihn wohl als “Quoten-Ausländer" bezeichnen, jedenfalls wollten die Grünen
mit ihm ein “Zeichen für die Migranten"
setzen. Die in Düsseldorf wie Berlin mitregierende Partei verlor jedoch bald die
Freude an diesem Zugewinn; der Abgeordnete leistete einer Einladung ausgerechnet nach Bagdad Folge, womöglich
auf Anregung von Alfred Mechtersheimer, des nach rechtsaußen abgewanderten Ex-Grünen. Wegen der knappen
Mehrheit im Landtag wurde Karsli noch
eine Zeitlang gehalten, dann jedoch zur
Niederlegung seines Mandats gedrängt.
Möllemann umwarb ihn in vollständiger
Kenntnis seiner Position, die mit der Zuspitzung des Nahostkonfliktes immer
polemischer gegenüber Israel wurde. Am
14.12.2001 erklärte der damals noch
grüne Abgeordnete, Israels Politik halte
“jedem Vergleich mit anderen Terrorregimen der jüngeren Geschichte stand",
was ja wohl das Dritte Reich beinhaltet;
eine Presseerklärung vom 15.3.2002
stand unter der Überschrift “Israelische
Armee wendet Nazi-Methoden an!" Es
kam zu einem heftigen Streit mit dem
Fraktionsvorstand, woraufhin Karsli die
Partei verließ und der FDP-Fraktion
beitrat.
Mit deren Vorsitzenden Möllemann
wußte sich der Konvertit völlig einig.
Auch der FDP-Politiker war nicht nur
mit scharfer Kritik an der Politik des
israelischen Premierministers Ariel Scharon aufgefallen, sondern auch mit Bemerkungen wie der, wenn er angegriffen
würde wie die Palästinenser, würde er
sich genauso wie diese verteidigen, auch
außerhalb des eigenen Territoriums. Dies
war eine kaum verklausulierte Solidarisierung mit den auf israelische Zivilisten
verübten Selbstmordattentaten, die über
alles hinausgeht, was innerhalb der Europäischen Union in den letzten Monaten
an Zweifeln oder Sanktionsdrohungen
gegenüber einer ganz überwiegend als
falsch und kontraproduktiv bewerteten
Siedlungs- und Repressionspolitik in
den besetzten Gebieten geäußert wurde.
Von nun an spielten sich Möllemann
und Karsli die Bälle zu wie ein eingeübtes Fußballteam und verlagerten ihre
Angriffe von einer “antizionistischen"
Kritik an der Politik Israels auf eine
Kritik an der “zionistischen Lobby" in
Deutschland. Im Interview mit der rechtsintellektuellen Postille Junge Freiheit
klassifizierte Karsli seine Äußerungen
über die “Nazi-Methoden (Israels)" als
“emotionalen Ausrutscher", legte aber
nach, beim Thema Israel werde den
Menschen in Deutschland “mit der Erinnerung an die Epoche des Nationalsozia-
lismus schlicht und ergreifend Angst
einzujagen versucht, damit sie den Mund
nicht aufmachen". Mit anderen Worten:
Die Deutschen seien durch den Holocaust
moralisch gelähmt.
Dies ist der klassische Topos des Antisemitismus nach Auschwitz, der nicht
mehr die Juden als Religionsgemeinschaft oder Rasse herabsetzt oder sie in
einer radikalen, exterministischen Variante zu mißhandeln, zu vertreiben oder
zu vernichten auffordert. Dieser Antisemitismus will auch nicht, wie der Revisionismus einer marginalen Zeitgeschichtsschreibung, den Tatbestand der
Judenvernichtung leugnen oder abmildernd beschönigen. Sehr wohl aber
werden damit die moralisch-politischen
Schlußfolgerungen der “Aufarbeitung
der Vergangenheit" als Belastung für
die deutsche Gesellschaft und Politik
angeprangert und wird die Entschädigung als ein Geschäft beziehungsweise
die Instrumentalisierung der überlebenden und nachlebenden Juden in Deutschland und in der Welt für schnöde materielle Zwecke insinuiert.
Diese Unterstellung ist in rechtsradikalen Kreisen Legion, das Neue besteht
darin, daß ein maßgeblicher Politiker
der im Bundestag vertretenen Parteien
diese geäußert hat. Selten hat sich ein
Mitglied der politischen Eliten nach 1945
dazu aufgerufen gefühlt, die israelische
Politik derart grundsätzlich anzugreifen
und im Nahostkonflikt so einseitig Stellung zu beziehen. Darauf angesprochen,
verwies Möllemann lakonisch auf die
Flut zustimmender Post und Mails, die
er bekommen habe; eine Zeitlang konnte
man diese Zusendungen im Gästebuch
auf Möllemanns Webseite studieren.
Möllemann hält sich also zugute, ein
Tabu gebrochen zu haben – wobei eine
Kritik an der israelischen Militärpolitik
niemand verboten oder verhindert hat,
sie füllte über Wochen die Spalten der
politischen Berichterstattung wie des
Feuilletons. Gleichwohl wurde der angebliche Tabubruch in einem Leitartikel
der FAZ fast emphatisch begrüßt: “Dieses Tabu, unausweichlich und heilsam,
hatte eine Kehrseite: Es war, genau besehen, unsinnig, denn es vertrug sich
nicht mit den Spielregeln einer freien
Gesellschaft. Es mußte der Zeitpunkt
kommen, an dem es fallen würde." (Thomas Schmid, FAZ 23.5.2002) Der Autor
fände es auch nur konsequent, wenn sich
die FDP im Sinne Möllemanns bemühte,
“gewissermaßen die Partei der Historisierung des Nationalsozialismus zu werden. In ihr soll sich der Selbstbehauptungswille einer Generation artikulieren,
die geschichtspolitisch für sich den Zustand der Unschuld reklamieren möchte
und die denen immer selbstbewußter
entgegentritt, die die Entscheidungen
der Gegenwart mit den Verbrechen und
Menetekeln der Vergangenheit begründen". Schmid, der sich gern in der Pose
des 68er-Renegaten gefällt, plädiert für
eine “Parteinahme auf dem Boden der
Gegenwart", die auch selbstverständlich
Kritik einschließt – als sei daran jemals
jemand wirklich gehindert worden. Die
außerparlamentarische Opposition der
1960er, die sozialen Bewegungen der
1970er und die Friedensbewegungen der
1980er und 1990er waren im Gegenteil
ganz überwiegend “antizionistisch" eingestellt.15
Genau wie damals allerdings geriet
die sich “antizionistisch" oder “israelkritisch" gebende Kritik in den Verdacht,
mehr oder weniger scharfe antijüdische
Untertöne zu enthalten und nach oben
zu bringen. Dieser sekundäre Antisemitismus braucht starke, vermeintlich übermächtige Juden, die das Fernsehen nunmehr allabendlich ins Haus bringt:
Juden, die Menschenrechte verletzen,
Unschuldige töten, auf Kirchen schießen,
Moscheen dem Erdboden gleichmachen.
Juden, die – wie es Karsli unter Rückgriff auf die arabische Opferlegenden
und Verschwörungstheorien behauptet
– Palästinenser nach Nazi-Manier in
Konzentrationslager stecken und sie wie
Lagerinsassen tätowieren. So werden aus
den Nachkommen der jüdischen Opfer
wieder Täter, die man jetzt – als sei
tatsächlich ein Tabu gebrochen und eine
lästige Hemmung gefallen – ungeniert
und in keinem Verhältnis zur wechselseitigen Verstrickung im Nahostkonflikt
kritisieren darf.
Es war absehbar, daß dies eine Erwiderung seitens der jüdischen Organisationen wie der anderen Parteien hervorrufen mußte und Karsli bald als eine
Belastung für die FDP wirken ließ. Darüber entzündete sich ein innerparteilicher Konflikt, der, in mediendemokratischer Manier, zum Showdown zwischen
Westerwelle und Möllemann stilisiert
wurde. Karsli verzichtete auf die Parteimitgliedschaft, die ihm ein Ortsverein
im Ruhrgebiet verliehen hatte, durfte
aber auf Drängen Möllemanns mit Einverständnis der Landtagsfraktion deren
Mitglied bleiben. Möllemann zitierte bei
der Verkündung dieses “Kompromisses"
zustimmend aus einem Brief Karslis, der
sich als Opfer einer Hexenjagd fühlte
und im übrigen unterstrich, “natürlich
(...) völlig auf seiten der Palästinenser"
zu stehen; auch der damalige FDP-Vize
erneuerte seine Kritik an der Regierung
Scharon, “denn sie tritt unablässig dem
internationalen Recht ins Gesicht".
Eine neue Eskalationsstufe erreichte
der nur scheinbar beigelegte Konflikt
durch Möllemanns barsche Antwort auf
Vorhaltungen seitens jüdischer Organisationen in und außerhalb Deutschlands:
Ariel Scharon und Michel Friedman
hätten mehr zum Antisemitismus beigetragen als alle nicht-jüdischen Kritiker
Israels. Auch dies ist ein alter Topos aus
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dem Repertoire des sekundären Antisemitismus, der nicht (mehr) behauptet,
die Juden seien “unser Unglück" und
schuld an allen nur erdenklichen Übeln,
sondern in scheinbar defensiver Haltung
zum besten gibt, erst die Art und Weise,
wie sich Juden verhielten, nämlich anmaßend und erpresserisch, bringe die
Leute zwangsläufig dazu, sie nicht so
sympathisch zu finden. Mit anderen
Worten: Die Juden sind nicht schuld an
unserem, aber an ihrem Unglück und
daran, daß manche sie nicht leiden können und ablehnen. So hatte schon Martin Walser den damaligen Vorsitzenden
des Zentralrates der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, angeblafft: Wer “die
unaufhörliche Präsentation unserer
Schande" betreibe, müsse sich nicht
wundern, “wenn die Leute sich wehren".
Henryk M. Broder hat auf satirische
Weise ausgedrückt, was dahintersteckt:
Auschwitz würden die Deutschen den
Juden nie verzeihen.
Die Botschaft des Duos Karsli/Möllemann lautete, daß es in Deutschland eine
“zionistische Lobby" gebe, die deutsche
Schuldgefühle ausnutze und die bedingungslose Unterstützung der Politik
Israels (und in Verbindung damit der
Vereinigten Staaten) erzwingen könne.
Karsli bezeichnete sich als jemanden, an
dem diese Lobby ein “Exempel statuiert"
habe; gemeint war neben dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Paul
Spiegel, vor allem dessen Stellvertreter,
der Wirtschaftsanwalt und als Moderator zweier Talkshows tätige Friedman.
“Wer sich mit ihm im Fernsehen anlegt",
behauptete Möllemann (und drehte so
den Spieß um), “wird zum Antisemiten
erklärt", wofür er, auf sich selbst bezogen, eine Entschuldigung Friedmans
verlangte. Innerhalb des FDP-Vorstandes
wuchs die Furcht, die Partei könne als
antisemitische und, schlimmer noch in
Wahlkampfzeiten, als zerstrittene erscheinen und das könnte ihre eben gewonnenen Wahlaussichten schmälern.
Auf klare Distanz gingen nur einige wenig einflußreiche Mitglieder des linken
Parteiflügels und der langjährige Gegner
Walter Döring (Baden-Württemberg);
die Hausmacht Möllemanns, der NRWLandesverband, hielt zu ihm, Unterstützung kam auch durch den nationalliberalen Wolfgang Kubicki (Schleswig-Holstein).
Stets bestand die Gefahr, daß der als
nicht domestizierbar geltende Möllemann
die Partei verlassen und eine eigene
Plattform gründen könnte, wie er es
1997 in einem Interview schon einmal
hypothetisch erwogen hatte. Zunächst
jedoch ruderte Möllemann ein Stück
zurück – und blieb damit im Gespräch:
“Ich hätte das so nicht sagen und das
Ganze bedenken sollen", räumte er in
einem Rundfunkgespräch ein. “Ich war
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zornig und bin dann aus der Haut gefahren. Ich bin eben auch nur ein Mensch."
Dem Zentralrat bot er “Gespräche" an,
weigerte sich aber, sich bei Friedman zu
entschuldigen, und beharrte trotzig darauf, vor diesem nicht “kriechen" zu wollen, sich also von der “mächtigen Lobby” nicht unterkriegen zu lassen. Ganz
offensichtlich behielt der Stellvertreter
das Heft in der FDP in der Hand, während der Vorsitzende Westerwelle in
Israel (als “designierter Außenminister
und Vizekanzler") mit schweren Vorwürfen zu kämpfen hatte, ohne freilich
auf ein freundliches Gespräch mit Yassir
Arafat in Ramallah zu verzichten. Westerwelle machte sogar den von kompletter Selbstüberschätzung zeugenden
Vorschlag, einen “israelischen Vermittler"
zwischen Möllemann und Friedman einzuschalten. Erst als die Sturheit des Vize
Westerwelles Reputation ganz zu unterminieren drohte, stellte er sich mit einem
Ultimatum offen gegen Möllemann.
Die Präpotenz des Kanzlerkandidaten
(“Politik in der Demokratie heißt nicht
nur moderieren, sondern auch führen",
FAS 28.4.2002) fällt auf ihn zurück:
“Westerwelle redet, andere handeln"
(taz 5.6.2002) – wenn es nicht so ein
schlechter Kalauer wäre, konnte man
Westerwelle nun seine “verbrauchte
Körperhaltung" vorwerfen.
Fazit: FDP wohin?
Was war der tiefere Sinn dieser Aktion,
die die FDP an den Rand der Spaltung
führte und damit ähnliche Risiken in
sich barg wie der Koalitionswechsel
1982/83? Verschiedene Hypothesen sind
hier von “politischen Beobachtern" ins
Feld geführt worden. Einige argwöhnten,
die von Möllemann nicht nur beiläufig
erwähnten 800.000 wahlberechtigten
Muslime seien für die Freien Demokraten als Klientel zu gewinnen. Sollte dieses Kalkül bestanden haben, dürfte es
nicht aufgehen; höchstens einige Araber,
nicht aber die türkischstämmige Mehrheit der Muslime in Deutschland dürfte
einer Übertragung des Nahostkonfliktes
in die deutsche Innenpolitik gegenüber
aufgeschlossen sein.
Ging es also darum, die FDP in eine
klassische Rechtspartei oder Protestpartei
mit antisemitischer Tendenz umzuwandeln? Westerwelle hat in einem Interview
mit dem Gedanken der Protestpartei gespielt und dabei auch explizit um Wähler
der Republikaner (wie der PDS) geworben. Er lud alle in die FDP ein, die sich
mit den etablierten Parteien (als sei die
FDP selber keine...) und mit dem politischen Betrieb generell nicht mehr zu
identifizieren vermögen. Eine direkte
Anknüpfung an die nationalliberale,
zum Teil ultra-nationalistische Vergangenheit einiger FDP-Landesverbände
zu Beginn der 1950er Jahre dürfte sich
jedoch verbieten. Und die FDP als ganze
ist gewiß keine antisemitische Partei –
würde sie dieser Tendenz mehr Raum
geben, wäre das vermutlich ihr Ende.
Einem diffusen Potential von etwa 15
Prozent oder mehr antisemitisch eingestellten Wählern eine parteipolitische
Form zu geben, ist ausgesprochen schwer,
und das Vorpreschen Möllemanns hat
nicht nur entsprechende Ressentiments
freigesetzt, sondern auch die Sperre gegen den Antisemitismus bestärkt. Einer
direkten Beerbung der maroden Republikaner, die Möllemann für seinen “Tabubruch" dankten und sich davon einen
“zweiten Atem" erhofften, oder der direkten Imitation Haiders (der Möllemann
ebenfalls belobigte) geben Meinungsforscher keine Chance (taz 29.5.2002): Die
Botschaft ist zu ambivalent, Möllemann
gilt als unseriös, und die FDP wird nicht
als Protestpartei, sondern als fester Teil
des politischen und sozialen Establishments wahrgenommen. Im übrigen
dürfte sich der gerade “rechte Rand" des
Elektorats an der einwanderungsfreundlichen Linie der FDP stoßen, zu der sich
Westerwelle wie Möllemann weiterhin
bekennen, während jemand wie Schill
eindeutig in die xenophobe Kerbe haut.
Die Freien Demokraten sind offenbar
dabei, sich neu zu erfinden. Sind sie dabei, sich in eine “weichere" rechtspopulistische Formation umzuwandeln, nach
dem Muster der Niederlande oder von
Österreich? Die FDP war stets eine Partei der zweiten Wahl, als Korrektiv der
beiden Großparteien und für die Mehrheitsbeschaffung zuständig, dafür im
Zweifel aber auch immer wieder abgestraft, wie erhebliche Mitglieder- und
Substanzverluste nach den Machtwechseln von 1969 und 1982/83 gezeigt
haben. Nur Zweitstimmenkampagnen
haben die Partei in den letzten Jahren
vor dem (mangels Stammwählerschaft
weiterhin möglichen) Unterschreiten der
Fünfprozenthürde bewahrt, wobei nun
noch andere Mehrheitsbeschaffer, vor
allem die grüne Konkurrenz, abzuwehren
sind. Eine Milieuverankerung hat die
FDP nicht mehr aufzuweisen, auch keine
regionalen Bastionen mehr, und die sozialliberale Option, für die Möllemann
historisch steht und die Westerwelle noch
vor kurzem favorisiert hat, verblaßt, auch
wenn sie aus mehrheitsarithmetischen
Gründen natürlich jederzeit (und ohne
die frühere Emphase) wiederbelebt werden kann – von Gerhard Schröder zum
Beispiel.
Als Alternative bleibt ein Parteienbündnis der rechten Mitte nach Hamburger Vorbild, wie es in ganz Europa erfolgreich ist, und hier zeigt sich, wohin
das Projekt 18 wohl führen soll: nicht
in die klassische Rechtspartei, schon gar
nicht in eine rechtsextreme, sondern in
eine postmoderne, programmatisch leere
und gerade deshalb erfolgreiche Partei.
Dafür hatte die FDP die besten Voraus-
setzungen: Sie hat kaum noch Mitglieder
(65.000), einen schlanken Apparat, ist
offen für “Quereinsteiger" und reagiert
sensibel auf Stimmungen, die sie (siehe
oben) medial zu verstärken weiß. Ende
der neunziger Jahre schienen die Freidemokraten erledigt zu sein, bei Landtagswahlen lagen sie vielfach unter fünf
Prozent und in Kommunalparlamenten
waren sie kaum noch vertreten, das heißt:
Es gibt kaum noch freidemokratische
Bürgermeister, Landräte oder Stadtdirektoren. Parteichef Westerwelle versuchte
es folglich mit einem Milieu- und Generationenprojekt, sprach die “postalternativen Jahrgänge (...) der technikbejahenden, leistungsorientierten, optimistischen
bürgerlichen Jugend"16 an und hoffte,
die modernste Partei Deutschlands zu
führen, die dem Zerfall der sozialmoralischen Milieus, der Individualisierung
und natürlich auch der Säkularisierung
(von schwarzen wie roten Glaubensbekenntnissen) am ehesten gerecht werden
könnte. Die “neue FDP" hoffte damit
auch das Image abstreifen zu können, als
bloße Funktionspartei und Mehrheitsbeschafferin für die Union (und ausnahmsweise, als “Umfallerpartei", auch für die
SPD) tätig zu sein, also in der Rolle, auf
die Möllemanns “Ziehvater" Genscher
die FDP mit Scheel und Weyer seit 1956
festgelegt hatte. Mit diesem explizit postideologischen Rezept versuchte Westerwelle auch, das Image der kalten, neoliberalen “Partei der Besserverdienenden"
loszuwerden, an dem er selbst mitgestrickt hatte.
Möllemann hat, ähnlich wie mit seinem Vorschlag, einen eigenen Kanzlerkandidaten zu küren, das Rad noch weiter gedreht. Sein Fall widerlegt das in
der Kommunikationswissenschaft vertretene Argument, ein Politiker könne
als “unsympathischer" Zeitgenosse nicht
wirksam werden. Daß die FDP bei den
auf die Affäre Möllemann folgenden
Sonntagsfragen Einbußen hinzunehmen
hatte, ist vermutlich eher dem generellen
Trend zurück zu den Großparteien zuzuschreiben, wäre aber auch kein wirklicher Beweis für die Resistenz der Wählerschaft gegen den von Möllemann und
Westerwelle gemeinsam inszenierten
Tabubruch. Denn auch die Zustimmung
zur DVU und der Schill-Partei, erst recht
die erdrutschartigen Erfolge der Rechtspopulisten in anderen Ländern kamen
aus einem demoskopischen Nichts, das
sich wiederum aus der geglaubten Marginalisierung des rechtspopulistischen
Wählerpotentials speist, das es tunlichst
vermeidet, sich bei Umfragen zu “outen".
Daß die Freien Demokraten bei der
Bundestagswahl 2002 nicht den von
ihnen erhofften “Sprung nach vorn"
gemacht, sondern mit mageren 7,4 Prozent das von ihnen erreichbare Niveau
gehalten haben und vierte politische
Kraft geblieben sind, dürfte weniger auf
den Überraschungscoup Möllemanns
kurz vor der Wahl zurückzuführen sein.
Gescheitert war auch und vor allem Westerwelle. Daß die Liberalen überhaupt
auf diese Kampagne verfallen sind, kann
man am Ende als eine fast mechanische
Konsequenz der Mediendemokratie in
ihrem permanenten Ringen um Aufmerksamkeit kennzeichnen, die sich den stetigen Tabubruch als Manie und Marotte
verordnet hat. Dieser ist in der modernen
Kultur positiv besetzt und gilt in der
Regel als Verdienst oder Beiprodukt von
Aufklärung, die kaum ertragen kann, daß
etwas verborgen oder ungesagt bleiben
soll, und sich die Enthüllung und die
dazugehörige Schaulust zum Prinzip
erhoben hat. In dieser Linie haben sich
angebliche Tabubrüche serialisiert und
generalisiert; besonders die elektronischen Medien leben von der permanenten Enttabuisierung. Sie kennen angeblich keine Tabus und müssen gleichwohl
ständig neue schaffen, damit es Stoff
für einen zunehmend trivialen und
künstlich aufgebauschten Enthüllungsjournalismus gibt, der sich Gehässigkeit
zum Berufsethos und die Ridikülisierung
der Politik zum Auftrag gemacht hat.
Die Provokation ist kalkuliert, der Tabubruch inszeniert, wie man an Karslis
und Möllemanns “Israelkritik" deutlich
machen kann. So gesehen sind Tabubrecher ohne jedes Risiko; genauso wie die
Verteidiger können Zertrümmerer von
Tabus ganz ruhig weiterleben und sich
in der dadurch gewonnenen Berühmtheit sonnen, nach dem bewährten Motto:
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz
ungeniert.
Im politischen Betrieb gelten Tabubrüche immer noch als Leistungen und
Mutbeweis; sie dienen freilich dem
Machterwerb und werden im übrigen
eher von den Mächtigen verübt, die sich
künstlich klein machen und ihre Macht
genau dadurch zu steigern verstehen.
Das ist die große Lüge, die obszöne Unwahrheit der heutigen politischen Kultur,
die ständig Debatten über alles und jedes
anstoßen zu müssen meint und der es
am Ende nur darauf ankommt, daß über
etwas geredet und etwas vorgezeigt wird.
Das entspricht der zu Ende gedachten
Logik der Talkshow und der mit ihr assoziierten Streitkultur, der wir Pärchenbildungen wie Möllemann versus Friedman (und Scheininszenierungen wie
Möllemann versus Westerwelle oder
Westerwelle versus Fischer) zu verdanken
haben. Ihre Apotheose besteht darin,
daß diese Streithähne zu “Gesprächen"
zusammenkommen, die möglichst fernsehöffentlich stattfinden und Millionen
Zuschauer erreichen. Im aktuellen Showdown läßt sich eine durchaus kongeniale
Beziehung, eine antagonistische Kooperation erkennen: “Möllemann braucht
Friedman wie ein Junkie die frische Nadel" (FAS 26.5.2002), und auch Friedman
hat Möllemann nach dessen Worten angeblich “einundzwanzigmal eingeladen"
(in seine TV-Show). Man darf eine, unsere politische Kultur nur bedauern, die
ihre Probleme in solchen Pseudo-Konflikten abarbeiten muß.
Anmerkungen
1 Hans-Georg Betz, Radikaler Rechtspopulismus
im Spannungsfeld zwischen neoliberalistischen
Wirtschaftskonzepten und antiliberaler autoritärer Ideologie, in: Dietmar Loch / Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.), Schattenseiten der Globalisierung,
Frankfurt/Main 2001, S. 167-185; Frank Decker,
Parteien unter Druck. Der neue Rechtspopulismus
in den westlichen Demokratien, Opladen 2000;
Paul Hainsworth (Hrsg.), The Politics of the Extreme Right. From the Margins to the Mainstream,
London/New York 2000
2 Jüngster Beleg ist die von der FPÖ provozierte
österreichische Regierungskrise im September 2002.
3 Richard Stöss (FU Berlin) hat dazu neue Umfrageergebnisse ausgewertet, vgl. die "Ergebnisse des
Berlin-Brandenburg-BUS 2002 (Demokratie,Traditionalistischer Sozialismus, Rechtsextremismus)”
unter http://www.polwiss.fu-berlin.de/osz/dokumente/PDF/Einst02.pdf.
4 Claus Leggewie, Die Republikaner. Ein Phantom
nimmt Gestalt an, Berlin 1990
5 Zu erwähnen ist, daß ausgerechnet die schwarzblaue Koalition die Entschädigung der Zwangsarbeiter auf den Weg gebracht hat, wozu alle
vorherigen (großen und kleinen) Koalitionen nicht
fähig waren, vermutlich auch, um die EU-"Sanktionen" zu beschwichtigen. Die "Freiheitlichen"
haben allerdings umso nachdrücklicher die Aufhebung der Benes-Dekrete gefordert.
6 Dirk Schümer, Die neuen Staatsfreunde, in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.9.2001
7 Die Formel erinnert an den durch den nationalliberalen Historiker Heinrich von Treitschke ausgelösten "Berliner Antisemitismusstreit" der
1880er Jahre, den Walter Boehlich in der gleichnamigen Edition (Frankfurt/Main 1965 und 1988)
dokumentiert hat.
8 Spiegel 23/2002 (3.6.2002)
9 Satirisch dazu Benjamin von Stuckrad-Barre
in der Süddeutschen Zeitung, 22.8.2002.
10 http://www.juergenwmoellemann.de
11 Guido Westerwelle, Die 68er sind die "herrschende Klasse", in: Chatzimarkakis/Otto (Hrsg.),
Die 98er – Generation im Aufbruch, Oberursel 2000
12 Eine neue Unternehmergeneration – die New
Economy belebt den Wirtschaftsstandort Deutschland, in: Lothar Späth (Hrsg.), Die New EconomyRevolution, München 2001
13 Vgl. Guido Westerwelle (Hrsg.), Von der Gefälligkeitspolitik zur Verantwortungsgesellschaft,
München 1997 sowie: Neuland. Die Zukunft des
deutschen Liberalismus, München 1999
14 Die folgenden wörtlichen Zitate der freidemokratischen Akteure sind der Tagespresse (SZ, FAZ,
FR, Welt, Taz, Spiegel) im Zeitraum April bis Mai
2002 entnommen und an Agenturmaterial überprüft worden.
15 Dazu Martin Kloke, Zwischen Scham und
Wahn. Israel und die deutsche Linke 1945-2000
(http://a6laden.coolfreepages.com/projekte/asag/
kloke.html) und Thomas Haury, Zur Logik des bundesdeutschen Antizionismus (http://www.stud.unihannover.de/gruppen/Fs-sowi/hauryneu.htm),
beide 10.9.2002.
16 Franz Walter/Tobias Dürr, Die Heimatlosigkeit
der Macht, Berlin 2000, S. 24
Claus Leggewie ist Professor für Politikwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen
und Direktor des dortigen Zentrums für Medien
und Interaktivität. Mit Horst Meier hat er den
aktuellen Band “Verbot der NPD oder: Mit Rechtsradikalen leben?” herausgegeben (edition suhrkamp, Frankfurt/Main 2002).
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