Wie macht sich ein früher Embryo bei seiner Mutter

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Funktionale Genomforschung
Wie macht sich ein früher Embryo bei
seiner Mutter bemerkbar?
GEORG J. ARNOLD, HELMUT BLUM, ECKHARD WOLF
L ABORATORIUM FÜR FUNKTIONALE GENOMANALYSE (L AFUGA), GENZENTRUM,
LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN
Fruchtbarkeitsstörungen gewinnen bei Mensch und Tier zunehmend an
Bedeutung. Voraussetzung für eine erfolgreiche Reproduktion ist, dass
eine Vielzahl komplexer biologischer Prozesse, angefangen von der Entwicklung und Reifung der Keimzellen, der Befruchtung, der Implantation,
embryonalen Differenzierungs- und fötalen Wachstumsprozessen bis hin
zur Geburt und der frühen postnatalen Phase, ohne größere Störungen
abläuft. Diese Prozesse werden von genetischen, epigenetischen und von
Umwelteffekten beeinflusst, deren spezifische Relevanz bislang nur unzureichend bekannt ist. Durch holistische Transkriptom- und Proteomanalysen an speziell generierten Tiermodellen versucht die integrierte Technologieplattform LAFUGA am Münchner Genzentrum diese grundlegenden
Fragestellungen der Reproduktionsbiologie zu klären.
ó Bei der natürlichen Fortpflanzung laufen
komplexe Selektionsmechanismen ab, die u. a.
auf molekularen Wechselwirkungen von
Gameten, Embryonen und Feten mit ihrer
maternalen Umgebung basieren und den
Reproduktionserfolg steuern. Ohne intakte
Kommunikation zwischen Embryo und Muttertier kann es nicht zur Einnistung und
damit zur Aufrechterhaltung der Trächtigkeit
kommen. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind nur in Ansätzen bekannt.
Die systematische Analyse dieser Vorgänge erfordert holistische Untersuchungsansätze auf Transkriptom- und Proteomebene
an optimal standardisierten Modellsystemen.
Dafür bietet das 2003 am Münchner Genzentrum gegründete Laboratorium für funktionale Genomanalyse (LAFUGA) ideale Voraussetzungen. LAFUGA ist eine integrierte
Technologieplattform mit den Modulen Genomics, Proteomics und Modellorganismen.
Neben den klassischen Nagermodellen können in LAFUGA auch genetisch standardisierte sowie transgene Großtiermodelle generiert und analysiert werden, was für die translationale medizinische Forschung von herausragender Bedeutung ist.
Monozygote Zwillinge zur Ausschaltung genetisch bedingter Varianz von
Expressionsprofilen
¯ Abb. 1:
Strategie zur
systematischen Analyse
embryo-maternaler Wechselwirkungen in
der Präimplantationsperiode
(Tag 18).
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Als Modell für die Untersuchung embryomaternaler Interaktionsmechanismen dient
das Rind, da bei dieser Spezies wiederholt
exakt definierte Gewebeproben in geeigneter
Qualität und ausreichender Menge für Untersuchungen auf verschiedenen biologischen
Ebenen (Transkriptom, Proteom, endokrinologische Parameter) gewonnen werden können. Zudem entsprechen wichtige Vorgänge
der Reproduktionsbiologie, wie z. B. die Aktivierung des embryonalen Genoms, beim Rind
eher der Situation des Menschen, als dies bei
Nagermodellen der Fall ist. Störungen der
embryo-maternalen Kommunikation haben
beim Rind auch eine große praktische Bedeutung, da fast die Hälfte der gesamten Verluste an Trächtigkeiten zwischen dem 8. und 17.
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WISSENSCHAFT · S PECIA L: GE NOMANALYSE UND GE NTH E RAP IE
˚ Abb. 2: Embryo-induzierte Transkriptom- (A) und Proteomveränderungen (B, jeweils links Proteinspots von Kontrolltieren, rechts von trächtigen Tieren) im Rinderendometrium vor der Implantation[3, 4].
Tag entsteht (Übersicht in[1]), wodurch große
wirtschaftliche Verluste entstehen. Als Ursache werden u. a. ein unzureichendes Signaling des Embryos und/oder eine gestörte
Rezeptivität der Gebärmutterschleimhaut
(Endometrium) diskutiert.
Im Zentrum der bisherigen Untersuchungen standen embryonale Signalwirkungen
kurz vor der Implantation, was beim Rind
dem Zeitpunkt 18 Tage nach der Befruchtung
entspricht. Als besonders geeignetes Tiermodell wurden hierfür monozygote Zwillingstiere durch experimentelle Teilung früher
Embryonalstadien (Embryo-Splitting) erzeugt.
Durch den Einsatz von Probanden mit einem
genetisch identischen Hintergrund werden
störende, bei nicht verwandten Tieren variable, genetische Einflüsse eliminiert, was einen
enormen Vorteil für die Detektion der spezifisch von Embryonen induzierten molekularen Veränderungen im Endometrium darstellt. Die Zwillingspaare wurden bezüglich
ihres Sexualzyklus synchronisiert, um dann
jeweils einem Zwilling am Tag 8 zwei Embry-
onen (in vitro-produzierte Blastozyten bester
Qualität, ca. 150 Zellen) zu übertragen, während der andere Zwilling dieselbe Behandlung ohne Embryonen erhielt und als Kontrolle diente (Abb. 1). Standardisiert gewonnene Endometriumproben (Tag 18) von trächtigen Tieren und ihren nichtträchtigen Zwillingen wurden mittels holistischer Transkriptomics- und Proteomicsansätze sowie
Kandidatengenanalysen und Transkript-/Proteinlokalisationsstudien vergleichend untersucht.
Zentrale biologische Module vor der
Implantation identifiziert
Wir konnten 87 verschiedene Gene bzw.
mRNAs identifizieren, welche einen Unterschied in der Signalintensität zwischen Proben trächtiger und nicht trächtiger Tiere von
mindestens Faktor 2 in vier von fünf Zwillingspaaren zeigten[2]. Von knapp der Hälfte
der identifizierten Gene ist bekannt, dass ihre
Expression durch Typ-I-Interferone, wozu
auch das beim Rind als embryonales Träch-
tigkeitssignal bekannte Interferon tau (IFNT)
zählt, induziert wird. Unter den Interferonstimulierten Genen ist das „interferon-stimulated protein 15 kDa“ (ISG15), ein Ubiquitin-Homolog, von besonderem Interesse.
Ähnlich wie Ubiquitin wird auch ISG15 durch
eine Enzymkaskade an intrazelluläre Proteine
gekoppelt. Im Endometrium kann bis zum 45.
Tag der Trächtigkeit konjugiertes ISG15 nachgewiesen werden, was dafür spricht, dass die
Funktion von ISG15 die Stabilisierung von
intrazellulären Proteinen beinhaltet und weniger deren Markierung für den Abbau. Da mit
UBE1L, IFITM1, IFITM3 und DTX3L vier
potenzielle Komponenten identifiziert wurden, welche bei der Konjugation von ISG15
an intrazelluläre Proteine mitwirken, ist anzunehmen, dass der Vorgang „ISG15ylation“ im
Zeitraum um die Implantation eine fundamentale Rolle spielt. Diese Befunde wurden
inzwischen in einem weiteren biologischen
Modell (Kalbinnen nach künstlicher Besamung) verifiziert[3]. Eine weitere Klassifizierung der Gene hinsichtlich ihrer Funktion
zeigte das Vorherrschen von Genen, welche in
die Regulation der Genexpression sowie von
Zellwachstum, -differenzierung und -proliferation, Zelladhäsion, Zellkommunikation und
Apoptose involviert sind, bzw. von Genen, die
Faktoren des Immunsystems kodieren.
Die Ergebnisse dieser Transkriptomanalysen belegen, dass eine ausgeprägte molekulare Interaktion zwischen dem Embryo und
seiner maternalen Umgebung stattfindet, die
dadurch auf die Implantation des Embryos
vorbereitet wird (Abb. 2A).
Neben den Transkriptomstudien wurden
am Modell der monozygoten Zwillinge vergleichende quantitative Proteomuntersuchungen durchgeführt[4], wobei in einem
ersten Ansatz vier Proteine mit erhöhter
Abundanz im Endometrium trächtiger Tiere
identifiziert wurden (Abb. 2B).
Auf der Grundlage dieser Ergebnisse untersuchen wir derzeit gezielt einzelne Aspekte
der embryo-maternalen Interaktion mit
wesentlich verfeinerten experimentellen
Ansätzen und mittlerweile erheblich verbesserter analytischer Sensitivität.
„Leucht-Embryonen“ für das Studium
lokaler embryo-maternaler Wechselwirkungen
Ein wesentlicher Aspekt ist die Untersuchung
der zeitlichen und räumlichen Dynamik der
embryonalen Signalwirkungen in verschiedenen Phasen der frühen Trächtigkeit. Dafür
ist es erforderlich, die Position des Embryos
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in der Gebärmutter bestimmen zu können,
um Gewebe aus seiner unmittelbaren Umgebung zur Untersuchung lokaler Regulationsmechanismen zu gewinnen. Hierfür haben
wir mit lentiviralen Vektoren einen GFPtransgenen Bullen erzeugt[5]. Embryonen, die
von diesem Bullen abstammen, können somit
zur grünen Fluoreszenz angeregt werden
(Abb. 3). Auf diese Weise können auch in der
frühen Phase der Trächtigkeit Endometriumproben aus der unmittelbaren Nachbarschaft
der „grünen“ Embryonen gewonnen und auf
Veränderungen ihres Transkriptoms und Proteoms untersucht werden. Neben den transgenen Embryonen werden auch Embryonen
aus der Kerntransferklonierung übertragen.
Diese Embryonen und die daraus resultierenden Feten zeigen häufig epigenetische Veränderungen[6, 7] und dienen als Modell zur
Untersuchung von Störungen der embryomaternalen Kommunikation. Neben der
Untersuchung von Endometriumproben erfolgen auch Transkriptom- und Proteomstudien
der korrespondierenden Embryonen, die
durch hochsensitive Markierungstechniken
(Protein Saturation Labeling) möglich geworden sind.
Biotechnologische Anwendung
Für die Ergebnisse aus unseren Untersuchungen gibt es eine Vielzahl von möglichen
biotechnologischen Anwendungen. So könnten beispielsweise die Signale des Embryos
verstärkt werden, um dadurch die Trächtigkeitsrate nach Embryotransfer zu erhöhen
und dem embryonalen Frühtod entgegenzuwirken. Die Machbarkeit dieser Strategie wurde am Beispiel der Applikation von rekombinantem IFNT bereits demonstriert. Auch
könnten in vitro-produzierte Embryonen in
Bezug auf die von ihnen ausgesandten Signale klassifiziert und weniger potente Embry-
˚ Abb. 3: GFP-transgener Bulle[5] und grün fluoreszierender Embryo (Blastozyste)
onen vor einem kostspieligen Embryotransfer
ausgesondert werden.
Transkript- und Proteinprofile von Endometriumproben, die auch unter Praxisbedingungen problemlos durch Biopsie gewonnen
werden können, bieten neue Ansätze für die
arraybasierte Differenzialdiagnostik von
Fruchtbarkeitsstörungen. Langfristig könnten solche Expressionsprofile auch als Selektionskriterien zur Verbesserung der Fruchtbarkeit dienen.
ó
Literatur
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Korrespondenzadresse:
Dr. Georg J. Arnold
Laboratorium für Funktionale Genomanalyse
LAFUGA
Genzentrum der LMU
Feodor-Lynen-Str. 25
D-81377 München
Tel.: 089-2180-76825
Fax: 089-2180-76848
[email protected]
www.lafuga.de/proteomics.htm
AUTOREN
Georg J. Arnold
Helmut Blum
Eckhard Wolf
Jahrgang 1952, 1972–1979 Biochemiestudium an den Universitäten Tübingen und München,
1985 Promotion und Postdoc an
der Universität Würzburg,
1988–1989 Postdoc am MPI für
Biochemie, Martinsried, seit
1990 Arbeitsgruppenleiter, seit
2002 Leiter der Abt. Proteomics
am Laboratorium für funktionale
Genomanalyse, Genzentrum der
LMU.
Jahrgang 1960, 1979–1988
Chemiestudium und anschließende Promotion an der Universität Würzburg. 1989–2002
Postdoc und wissenschaflticher
Assistent am Genzentrum der
Uni München. Seit 2003 Leiter
der Abteilung Genomics am Laboratorium für funktionale Genomanalyse, Genzentrum der
LMU.
Jahrgang 1963, 1982–1987
Studium der Tiermedizin,
LMU München, 1988–1990
Promotion, LMU München,
1991–1994 Postdoc am Institut für Tierzucht, LMU München und Veterinärmedizinische Universität Wien, seit
1995 Ordinarius für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie, LMU München.
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